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Brunner Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit im Überblick

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BrunnerGeschichte der deutschen Literatur

des Mittelalters und der Frühen Neuzeitim Überblick

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Horst Brunner

Geschichteder deutschen Literatur

des Mittelalters undder Frühen Neuzeit

im Überblick

Reclam

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Mit 33 Abbildungen und 7 Melodien

RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 176801997, 2019 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG,

Siemensstraße 32, 71254 DitzingenDurchgesehene und bibliographisch aktualisierte Ausgabe 2019

Notensatz: Peter Wondra Musik-Produktion, undMedien Kontor Hamburg

Druck und Bindung: Kösel GmbH & Co. KG,Am Buchweg 1, 87452 Altusried-Krugzell

Printed in Germany 2019RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und

RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Markender Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-017680-1

www.reclam.de

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Grundbedingungen und Grundprobleme derdeutschen Literatur des Mittelalters und derFrühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17A. MittelalterDie Textüberlieferung 17 Entstehungsbedingungen: Au-toren, Auftraggeber, Publikum 20 Probleme der Da-tierung und Lokalisierung 26 Zum Literaturbegriff 28B. Frühe Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29C. Zur Periodisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

A.Die Epoche der althochdeutschen

und frühmittelhochdeutschen Literatur(8. Jh. – um 1150)

Historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

I. Althochdeutsche Literatur(8. Jh. – um 1050) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

1. Prosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41Glossen, Vokabulare, Interlinearversionen 41 ReligiöseGebrauchstexte 43 Bibel und theologische Texte 44Rechtstexte 46 Gesprächstexte 47

2. Dichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48Heldendichtung 48 Sprüche zur Beschwörung 51

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Religiöse Dichtung in Stabreimversen 54 AltsächsischeBibeldichtung 56 Otfrid von Weißenburg 59 Klei-nere religiöse Gedichte in Reimpaarversen 64 Politi-sche Gedichte 66

3. Notker III. von St. Gallen . . . . . . . . . . . . . 69

II. Frühmittelhochdeutsche Literatur(um 1050 – um 1150) . . . . . . . . . . . . . . . . 73

1. Prosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74Erschließung der Bibel 74 Gebete 77 Predigten 78Geistliche Naturdeutung 79

2. Dichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81Dichtungen des 11. Jh.s: ›Ezzolied‹ 83 ›Altdeutsche(Wiener) Genesis‹ 84 ›Merigarto‹ 84 ›Annolied‹ 85Noker: ›Memento mori‹ 87Dichtungen des 12. Jh.s: Bibeldichtungen 88 Glaubens-dichtungen, Gebete, Sündenklagen 89 Moraldidakti-sche und ständekritische Gedichte 90 Mariendichtung,Legenden 92 ›Kaiserchronik‹ 94

B.Die Epoche der mittelhochdeutschen

(höfischen) Literatur(um 1150 – um 1350)

Historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

I. Frühe höfische Literatur(um 1150 – um 1190) . . . . . . . . . . . . . . . . 104

1. Lieddichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104Minnesang 108 Sangspruchdichtung 124

Inhalt6

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2. Großepik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130Deutsche Chansons de geste 134 Antikenromane 143Liebesromane 153 Legendenepik 158

3. Wissensliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

II. Die Blütezeit der höfischen Literatur(um 1190 – um 1220/30) . . . . . . . . . . . . . . 165

1. Lieddichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165Klassischer Minnesang 165 Walther von der Vogel-weide 175 Neidhart 183

2. Großepik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189Hartmann von Aue 189 ›Nibelungenlied‹ 197›Reinhart Fuchs‹ 204 Wolfram von Eschenbach 206Gottfried von Straßburg 219

III. Die Spätzeit der höfischen Literatur(um 1220/30 – um 1350) . . . . . . . . . . . . . . 229

1. Lieddichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229Minnesang 229 Leich 236 Sangspruchdichtung 239Geistliches Lied 243

2. Großepik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246Heldenepische Dichtungen 246 Höfische Romaneund Weltchroniken 255

3. Weitere Gattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 272Kleinere Gedichte in Reimpaaren 272 Größere di-daktische Gedichte 277 Wissensliteratur 282 Reli-giöse Literatur 285

Inhalt 7

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C.Die ältere Epoche

der frühneuhochdeutschen Literatur(um 1350 – um 1500)

Historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

1. Lieddichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302Liebeslied 305 Neidhartlied 308 Spruchlied undMeisterlied 309 Geistliches Lied 314 PolitischesLied 316 Oswald von Wolkenstein 318

2. Großepik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324Vers- und Prosaromane 324 Heinrich Wittenwiler 340

3. Weitere Gattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344Kleinere Gedichte in Reimpaaren 344 Erzählzyklen inProsa und in Versen 347 Größere didaktische Ge-dichte 350 Wissensliteratur 355 Religiöse Litera-tur 362 Geistliche und weltliche Spiele 364 Johannesvon Tepl 367 Frühhumanistische Übersetzungsliteratur370

D.Die jüngere Epoche

der frühneuhochdeutschen Literatur(um 1500 – um 1620)

Historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

1. Lateinischer Humanismus und deutscheLiteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380Humanismus 380 Übersetzungen 385

Inhalt8

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2. Reformationsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . 390Martin Luther 391 Reformatorische Flugschriften 399Hans Sachs 403

3. Lieddichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410Liederbuchlied 413 Langes Erzähllied 418 Politi-sches Lied 419 Kirchenlied 420 Meisterlied 427

4. Erzählliteratur in Prosa . . . . . . . . . . . . . . . 434Romane 434 Sammlungen mit Erzählungen 462

5. Weitere Gattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468Dichtungen in Reimpaaren 468 Dramen 476 Dra-mentypen 483 Wissensliteratur in Prosa 490

Nachwort

Die wissenschaftliche und künstlerische Rezeptionder mittelalterlichen Literatur in der Neuzeit . . . . 503

Allgemeine Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . 513

Register der Autorenund der anonym überlieferten Werke . . . . . . . . . 523

Übersichten

a Die wichtigsten Überlieferungsträgerder mhd. Lieddichtung . . . . . . . . . . . . . . 107

b Grundbegriffe der mhd. Metrik . . . . . . . . 111c Die deutschen und lateinischen Fassungen

des Herzog-Ernst-Stoffs . . . . . . . . . . . . . 141d Die deutschen Vers- und Prosafassungen

des Alexanderstoffs . . . . . . . . . . . . . . . 144

Inhalt 9

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e Die deutschen Vers- und Prosafassungendes Trojastoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

f Heldenepische Dichtungen . . . . . . . . . . . 252g Höfische Romane und Weltchroniken . . . . . 256h Vers- und Prosaromane

des späten 14. bis frühen 16. Jh.s . . . . . . . . 326i Erzählliteratur des 16. und frühen 17. Jh.s

in Prosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436

Melodien

I Spervogel-Ton . . . . . . 128II ›Nibelungenlied‹ . . . . . 201

III Titurelton . . . . . . . . . 215IV Bernerton . . . . . . . . . 249V Winsbeckenton . . . . . . 278

VI Hans Heselloher,›Von üppiglichen dingen‹ 310

VII Martin Luther,›Aus tieffer not schrey ichzu dir‹ . . . . . . . . . . . 424

Abbildungen

1 Interlinearversion der ›Benediktinerregel‹ . . . . 442 Die Neumen der ›Heliand‹-Hs. M . . . . . . . . 593 Die Neumen der Otfrid-Hs. P . . . . . . . . . . 634 Williram von Ebersberg, ›Expositio

in Cantica canticorum‹ . . . . . . . . . . . . . . 765 ›Millstätter Hs.‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806 Spervogel-Ton in der Hs. J . . . . . . . . . . . . 126

Inhalt10

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7 Eine Seite aus der Hs. P des ›Rolandslieds‹ 1358 Albrecht von Johansdorf in der ›Manessischen

Liederhs.‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1689 Melodie aus der Neidhart-Hs. c . . . . . . . . . 185

10 Iwein-Szene auf dem Freiburger Malterer-teppich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

11 Bild Wolframs von Eschenbachin der ›Willehalm‹-Hs. W . . . . . . . . . . . . 207

12 Parzival-Fresko in Konstanz . . . . . . . . . . 20913 Konrad von Würzburg in der ›Manessischen

Liederhs.‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22814 Eine Seite des ›Gedruckten Heldenbuchs‹ . . . 24715 Eine Seite aus Megenbergs ›Buch der Natur‹ 28616 Eine Seite aus der ›Kolmarer Liederhs.‹ . . . . 30417 Wolfenbütteler Porträt Oswalds

von Wolkenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . 31918 Johann von Soest überreicht die ›Kinder

von Limburg‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32919 Eine Seite aus dem Prosaroman ›Tristrant

und Isalde‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33420 ›Des Teufels Netz‹ . . . . . . . . . . . . . . . . 35221 Eine Seite aus Sebastian Brants ›Narren-

schiff‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35422 Eine Seite aus der ›Dictys‹-Übersetzung

von Marcus Tatius Alpinus . . . . . . . . . . . 38823 Haupttitelblatt zu Luthers Bibelüber-

setzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39724 Titelblatt zu H. Sachs, ›Dialogus . . .

den Geytz . . . betreffend‹ . . . . . . . . . . . . . 40725 Titelblatt zum 1. Teil von G. Forsters ›Frischen

teutschen Liedlein‹ . . . . . . . . . . . . . . . . 41226 Luther, ›Aus tieffer not schrey ich zu dir‹ . . . 423

Inhalt 11

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27 Singschule der Nürnberger Meistersinger . . . 43128 Titelblatt des ›Fierrabras‹ . . . . . . . . . . . . . 44329 Titelblatt des ›Rollwagenbüchleins‹ . . . . . . . 46330 Eine Seite aus dem ›Ständebuch‹

von H. Sachs und J. Aman . . . . . . . . . . . . 47031 Titelblatt zu H. von Rüte, ›Noe‹ . . . . . . . . 48032 Titelblatt zu Beatus Rhenanus,

›Rerum Germanicarum Libri tres‹ . . . . . . . 49533 Ernst Barlach, Kriemhild mit

Gunthers Haupt vor Hagen (1922) . . . . . . . 510

Inhalt12

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Vorwort

Absicht des Buches ist es, einen konzentrierten und über-sichtlichen Überblick über die Geschichte der deutschen Li-teratur von den Anfängen der schriftlichen Überlieferungum die Mitte des 8. Jahrhunderts bis zur Zeit um 1620 zugeben: über die wesentlichen Autoren, die wichtigsten Gat-tungen und Texte, die entscheidenden Entwicklungen. Daich keinen bloßen, die Autoren und Texte mehr oder weni-ger unterschiedslos reihenden Katalog bieten wollte, ent-schloß ich mich, Schwerpunkte zu setzen. Zum einen stelleich von etwa 1150 an die Geschichte der verschiedenenTypen des Liedes und der Großepik als den bedeutsamstenliterarischen Erscheinungen entschieden in den Mittel-punkt; die übrigen literarischen Gattungen behandle ich da-neben lediglich kursorisch. Zum anderen würdige ich dieherausragenden Autoren und Werke – über die bei denFachleuten weitgehend Einigkeit besteht – so ausführlichwie im Rahmen eines solchen Bandes möglich, während an-dere Autoren und Texte vielfach lediglich genannt werden.Schließlich rücke ich die Epoche von etwa 1150 bis etwa1350, zweifellos die Glanzzeit der älteren deutschen Litera-turgeschichte, ins Zentrum. Vollständigkeit konnte nichtdas Ziel einer derartigen Überblicksdarstellung sein, dochhoffe ich, daß der Leser nichts wirklich Wichtiges vermissenwird.

Hinweisen möchte ich auf mein 2016 in der Universal-Bi-bliothek erschienenes Buch ›Mittelalterliche Literatur lesen.Eine Einführung‹. Es ist nicht zuletzt zur Ergänzung undVertiefung der Literaturgeschichte gedacht. Darin findensich ausführliche Darstellungen und Interpretationen derHauptwerke der mittelalterlichen deutschen Literatur vonden Artusromanen Hartmanns von Aue über den ›Reinhart

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Fuchs‹, das ›Nibelungenlied‹, den Minnesang, Walther vonder Vogelweide, die Romane Wolframs von Eschenbach,Gottfrieds von Straßburg ›Tristan‹, die Novellistik und dieLieddichtung des 13. Jahrhunderts bis zu Wittenwilers›Ring‹, Oswald von Wolkenstein und den ›Ackermann‹ desJohannes von Tepl. Verweisen möchte ich auch auf meine inden Aufsatzbänden ›Annäherungen‹, 2008 (PhStQu), und›Literarisches Leben‹, 2018 (PhStQu), gesammelten Studienzur deutschen Literatur des Mittelalters und der FrühenNeuzeit, die ebenfalls von weiterführendem Nutzen seinkönnen.

Die der Literaturgeschichte beigegebenen Übersichtenhaben vorwiegend die Aufgabe, Teilbereiche der Darstel-lung prägnant zusammenzufassen. Die Abbildungen sollen,wie durch ein Fenster, den Blick auf die Überlieferung len-ken und die Überlieferungsbedingungen bewußt halten.Die für eine Literaturgeschichte sicher ungewöhnliche Bei-gabe einiger Melodien in moderner Umschrift versteht sichals Hinweis darauf, daß man sich Lieder und manche epi-schen und didaktischen Dichtungen als gesungene Textevorzustellen hat.

Die Literaturhinweise können in jedem Fall nur eine erste– teilweise subjektive – Andeutung des tatsächlichen Um-fangs der Forschungsliteratur liefern, zumal auf einzelnewissenschaftliche Aufsätze und auf Rezensionen ganz ver-zichtet werden mußte. Detaillierte Hinweise auf die grund-legenden Nachschlagewerke und Literaturgeschichten, diein der ›Allgemeinen Auswahlbibliographie‹ am Ende desBandes zusammengestellt sind, mußten aus Platzgründenebenfalls unterbleiben. Selbst die Ausgaben konnten nichtin jedem Fall vollständig verzeichnet werden. Statt dessenhabe ich außer auf die maßgeblichen wissenschaftlichen Edi-tionen dort, wo es mir sinnvoll schien, auch auf zweispra-chige Ausgaben verwiesen, allerdings nur auf solche mitneuhochdeutscher Übersetzung; die vielfach vorhandenenÜbersetzungen in andere Sprachen (vor allem ins Englische,

Vorwort14

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Französische und Japanische) konnten nicht erwähnt wer-den. Abkürzungen habe ich sehr sparsam verwendet: Jh. =Jahrhundert, Hs./Hss. = Handschrift/Handschriften, Ahd./ahd. = Althochdeutsch/althochdeutsch, Mhd./mhd. = Mit-telhochdeutsch/mittelhochdeutsch, Nhd./nhd. = Neuhoch-deutsch/neuhochdeutsch, Afrz./afrz. = Altfranzösisch/alt-französisch.

Für die vorliegende Auflage habe ich den Text des Bucheserneut durchgesehen, die bibliographischen Hinweise sindaktualisiert. Für Verbesserungsvorschläge und Anregungenbin ich Wolfgang Beck, Joachim Hamm, Mathias Herweg,Johannes Janota, Dorothea Klein, Elisabeth Lienert, VolkerMeid, Johannes Rettelbach, Anton Schwob und Shao-Ji Yao(der Teile des Buches in chinesischer Übersetzung publizierthat) dankbar verbunden.

H.B.

Vorwort 15

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Grundbedingungenund Grundprobleme

der deutschen Literatur des Mittelaltersund der Frühen Neuzeit

A. Mittelalter

Die Textüberlieferung

Im Gegensatz zur Literaturgeschichte der Neuzeit kann sichdie des Mittelalters – wie die anderer älterer Epochen – kei-neswegs auf alle bzw. so gut wie alle Texte stützen, die in derEpoche entstanden sind. Das vorhandene Textkorpus istvielmehr, bedingt durch die Überlieferungsverhältnisse, sehrlückenhaft. Dafür gibt es in der Hauptsache zwei Gründe.

1. Anders als in der Neuzeit wurden mittelalterlicheTexte bis in die zweite Hälfte des 15. Jh.s ausschließlichhandschriftlich überliefert. Der Buchdruck wurde erst um1450 durch Johannes Gutenberg in Mainz erfunden (die lat.›42zeilige Bibel‹ wurde 1455 vollendet). Auch neben den so-genannten Inkunabeln (Wiegendrucke, d.h. alle Drucke bis1500) und den Frühdrucken (ab 1501) spielte die hand-schriftliche Überlieferung literarischer Texte noch lange einewichtige Rolle. Als Beschreibstoff diente bis in die zweiteHälfte des 14. Jh.s ausschließlich Pergament (intensiv be-handelte, jedoch ungegerbte feine Kalbs-, Schaf-, Ziegen-häute); seither zunächst daneben, dann in immer größeremUmfang das wesentlich billigere Papier (hergestellt aus ei-nem Brei von Textilfasern und Wasser; erste deutsche Pa-piermühle 1390 in Nürnberg). Das gebundene Buch, derCodex, hatte in der Spätantike die bis dahin übliche Papy-rosrolle weitgehend verdrängt, allerdings gab es auch imMittelalter, wenngleich selten, noch Bücher in Rollenform(lat. rotula, rotulus »Rolle, Rodel«). Die Herstellung vonBüchern war ein aufwendiger und kostspieliger Vorgang. Er

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erfolgte lange Zeit ausschließlich in den Skriptorien derKlöster, in denen Spezialisten zusammenwirkten. Seit dem12. Jh. wurden literarische deutsche Texte auch außerhalbder Klöster von Klerikern, Notaren, Gerichtsschreibernusw. im Dienst des Adels abgeschrieben. Erst seit dem 13.Jh. kann man auch mit städtischen Schreibern rechnen; grö-ßere Werkstätten sind erst im 15. Jh. nachweisbar. Bekann-testes Beispiel ist die zwischen 1427 und 1467 in Hagenau(Elsaß) belegte Werkstatt des Diebold Lauber, in der Hand-schriften auch auf Vorrat (also nicht nur auf Bestellung)produziert wurden. Individuell geschriebene Privathand-schriften mit meist geringem Ausstattungsniveau sind ingrößerem Umfang erst seit dem 15.Jh. greifbar.

Handschriften sind in jedem Fall Einzelstücke. Bücherwaren im Mittelalter keine Massenware, die Zahl der Über-lieferungsträger mittelalterlicher deutscher Literatur ist –verglichen mit neuzeitlichen Verhältnissen – sehr gering.Selbst von einem berühmten und weitverbreiteten, bis um1500 immer wieder abgeschriebenen Roman wie dem ›Par-zival‹ Wolframs von Eschenbach (entstanden 1200/10) ken-nen wir heute nur 15 vollständige Handschriften, dazu eineInkunabel von 1477 sowie Fragmente weiterer 72 Hand-schriften, insgesamt also aus fast 300 Jahren nicht mehr als88 Textzeugen. Zahlreiche Texte sind nur aus ganz wenigenÜberlieferungsträgern oder gar nur aus einem einzigen be-kannt, viele sind nur in fragmentarischer Form überkom-men. Nicht selten sind Texte auch ohne Autorennamen, alsoanonym, überliefert, was die literarhistorische Einordnungsehr erschwert, auch gibt es Dichter ohne Werk, d. h., vonmanchen mittelalterlichen Autoren kennen wir zwar denNamen, jedoch keine Texte. Viele Überlieferungsträger sindspurlos verlorengegangen, von manchen haben wir – etwain alten Bibliothekskatalogen – Nachrichten, nicht wenigesind – bis weit herauf in die Neuzeit – aus Desinteresse zer-stört worden; oft fanden Reste alter Handschriften alsBuchbindematerial Verwendung.

Grundbedingungen und Grundprobleme18

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Autographe, d. h. von den Autoren selbst geschriebeneHandschriften ihrer Werke, gibt es (mit einer halben Aus-nahme, vgl. S. 61) erst seit dem 15. Jh. Im allgemeinen basiertdie Textüberlieferung im Mittelalter auf der Tätigkeit vonSchreibern. Dies ist nicht unproblematisch: jeder Abschrei-ber macht Fehler, die vorhandenen Texte konnten aus unter-schiedlichen Gründen auch bewußt geändert werden. Dieursprüngliche Textfassung des jeweiligen Autors – undmanchmal stellte schon der Autor unterschiedliche Fassun-gen her – ist keineswegs ohne weiteres zu ermitteln. Diemoderne Textkritik, die in der ersten Hälfte des 19. Jh.sinsbesondere von Karl Lachmann (1793–1851) begründetwurde, bemüht sich, vielfach auf der Basis des Vergleichs dereinzelnen Überlieferungen, die ursprünglichen Fassungenzu rekonstruieren; oft gelangt sie jedoch über die Wieder-gabe von sogenannten Gebrauchsfassungen nicht hinaus. Inden letzten Jahrzehnten spielt im editorischen Bereich dieschwarzweiße oder farbige fotografische Wiedergabe vonHandschriften oder alten Drucken, die sogenannte Faksimi-leausgabe, eine beträchtliche Rolle, in jüngster Zeit findensich Abbildungen von Handschriften und alten Druckenvielfach auch im Internet. Wird der überlieferte Text zwarmit modernen Drucktypen, sonst aber völlig unverändertwiedergegeben, spricht man von diplomatischem Abdruck.Greift der Bearbeiter in den überlieferten Text ein, indem erdie unterschiedlichen Schreibungen vereinheitlicht, handeltes sich um einen normalisierten Handschriftenabdruck. Fürdie Edition im engeren Sinn haben sich zwei grundsätzlicheModelle herausgebildet: zum einen die sogenannte kritischeAusgabe, d. h., der Editor sucht aus der vorhandenen Über-lieferung in methodischer Weise den ursprünglichen Text zurekonstruieren; zum andern der bereinigte Handschriften-abdruck, d. h., der Herausgeber druckt unter weitgehendemVerzicht auf die Ermittlung der Autorintention die beste(oft die älteste) Handschrift meist in normalisierter Form abund sucht nur die offensichtlichen Fehler durch Herbeizie-

Textüberlieferung 19

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hung anderer Handschriften oder aufgrund eigener Kompe-tenz zu verbessern.

2. Verlorengegangen ist mittelalterliche Dichtung aber nichtnur, weil einstmals vorhandene Handschriften zerstört wur-den, sondern auch deshalb, weil sie zum Teil niemals den Wegauf das Pergament oder Papier fand. In einer Epoche, in der dieüberwiegende Mehrzahl der Bevölkerung – keineswegs nurdie Angehörigen der Unterschicht – nicht lesen und schreibenkonnte, hatte die Tradition der mündlichen Dichtung (oralpoetry) einen bedeutsamen Stellenwert. Noch im 20. Jh. fandsich mündlich tradierte Epik in weitgehend analphabeten Kul-turen, etwa in abgelegenen Gebieten des früheren Jugo-slawien. Epenerzähler gab es mit Sicherheit auch im mittel-alterlichen Deutschland. Ohne die Annahme mündlicherDichtung könnte man sich kaum vorstellen, wie die Stoffe derHeldenepik die Jahrhunderte, in denen es kein schriftlichesZeugnis ihrer Existenz gibt, überstanden haben sollten: das äl-teste Zeugnis germanischer Heldensage in deutscher Spracheist das zu Beginn des 9. Jh.s niedergeschriebene ›Hildebrands-lied‹, das nächste das ›Nibelungenlied‹, das um 1200 aufge-zeichnet wurde. Epenerzähler mögen bedeutende Kunst-werke zustande gebracht und an Adelshöfen, in Städten undwomöglich auch auf Dörfern vorgetragen haben – erhalten hatsich nichts davon, nur ein »Abglanz« in verschriftlichten Tex-ten wie den genannten Heldendichtungen. Nur mündlich exi-stiert haben außerdem zahlreiche Lieder, wie man sie in allenSchichten sang – auch hiervon enthält die schriftliche Überlie-ferung nicht mehr als gelegentliche Spuren.

Entstehungsbedingungen:Autoren, Auftraggeber, Publikum

1. Der Untergang des Römischen Reichs in der Zeit derVölkerwanderung (4.–6. Jh.) brachte in Westeuropa auchdas weitgehende Ende der antiken Bildung und damit der

Grundbedingungen und Grundprobleme20

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literarischen Kultur. Orte, an denen weiterhin Lesen undSchreiben gepflegt wurden, waren im Frühmittelalter aus-schließlich die Klöster. Die Kenntnis des Lateinischen bliebdie Grundlage aller Bildung. Die Welt der Laien war im we-sentlichen auf die Volkssprachen beschränkt, sie war eineweitgehend schriftlose Welt, deren »literarische« Bedürf-nisse durch mündliche Dichtung befriedigt wurden. Volks-sprachliche Mündlichkeit der Laien, der illiterati, einerseits– lateinische Schriftlichkeit des Klerus, der literati, anderer-seits: das blieb ein das ganze Mittelalter hindurch wesent-licher Gegensatz. Die überwältigende Fülle dessen, wasschriftlich niedergelegt wurde, war bis in das 16. Jh. hineinin lateinischer Sprache abgefaßt. Latein war die Sprache derBibel und der Liturgie, die Sprache, die man in den Schulenlernte – bis in das Spätmittelalter hatte die Kirche das Schul-monopol, befanden sich Schulen in den Klöstern oder wa-ren sie, in den Städten, den Kirchen angeschlossen – und diean den seit dem 12. Jh. aufkommenden Universitäten aus-schließlich verwendet wurde. Durch die Kenntnis des Latei-nischen blieb ein Teil der antiken römischen Dichtung undWissensliteratur lebendig (und konnte Quelle und Vorbildneuer, auch volkssprachlicher Texte werden). Latein war dieSprache der Wissenschaften, lange Zeit die der Urkundenund eines großen Teils der im Mittelalter entstehendenDichtung. Wenn Kleriker sich der Volkssprache bedienten,dann fast ausschließlich, um den Laien die notwendige reli-giöse Unterweisung zu geben. Vaterunser, Beichte, Stückeaus der Bibel, Heiligenlegenden in Prosa und in Versen –derartige Textarten bestimmen bis etwa zur Mitte des12. Jh.s fast ausschließlich das Bild der uns erhaltenen Lite-ratur in deutscher Sprache. Geistliche als Autoren, Überset-zer, Schreiber sind hier ganz selbstverständlich.

2. Seit dem ausgehenden 11. Jh. entstand im westlichenEuropa – zunächst in Südfrankreich in provenzalischerSprache, dann im nördlichen Frankreich auf altfranzösischund, seit etwa 1150, in Deutschland auf mittelhochdeutsch –

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anspruchsvolle, vorwiegend weltliche »höfische« Literaturin den Volkssprachen. Die Volkssprachen wurden nunmehrin den Rang von Literatursprachen erhoben, die in gewisserHinsicht mit dem Lateinischen konkurrieren konnten,wenn auch nicht im kirchlichen und wissenschaftlichen Be-reich. Freilich stellten nicht die Laien im allgemeinen dasPublikum dieser volkssprachlichen Literatur dar. Diesewurde vielmehr allein von der weltlichen Oberschicht, derAristokratie, getragen. Nur diese Schicht konnte sich derartaufwendig herzustellende Literatur leisten. Grundlage hier-für war der demographische und ökonomische Auf-schwung Westeuropas seit dem 11. Jh. Er hatte beträcht-liche soziale und politische Folgen – unter anderem sind dieKreuzzüge zu nennen – und ermöglichte erstmals die Ein-richtung größerer Adels- und Fürstenhöfe, an denen »höfi-sches« Leben gepflegt wurde. Die Aristokratie, ihremSelbstverständnis nach die Kriegerkaste, die bellatores, diesich von den oratores, d.h. der Geistlichkeit, und den labo-ratores, der breiten, Handarbeit treibenden Masse der Be-völkerung unterschieden, suchte sich in Festen und Turnie-ren, in Musik und Tanz und in bestimmten Formen nun-mehr geschriebener Dichtung, in erster Linie im Liebeslied,im Roman und in der Heldenepik, selbst darzustellen. Inder neuen volkssprachlichen Dichtung wurde ein Bild desadligen Menschen entworfen, das nicht mehr vorwiegenddurch kirchliche Kriterien bestimmt war, das seine krie-gerischen Handlungen und seinen Umgang mit Frauennicht mehr unter heilsgeschichtlichen Gesichtspunkten ver-dammte, sondern das sein Dasein mit positivem Sinn zu er-füllen trachtete. Die höfische Literatur ist deshalb nicht ein-fach Weiterdichten der lateinischen Literatur in den Volks-sprachen, sie beruht vielmehr auf neuen Bedingungen. Sieentfaltet ein vorwiegend säkulares Menschenbild, in demnicht mehr Gottes Gnade den einzigen relevanten Wertdarstellt, auf den hin alles zu orientieren ist. Vielmehr zähltin ihr auch die weltliche Ehre, der vorbildliche Umgang

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mit Standesgenossen, ob Freund oder Feind, und mit denFrauen wird thematisiert, der höfischen Freude kommt ho-her Rang zu.

Die neu entstehende Literatur war nicht für die Privatlek-türe, für stilles Lesen, gedacht. Vortragsort war vielmehr derHof, sie war Teil der kollektiven Unterhaltung. Lyrik wurdemit Singstimme vor der Hofgesellschaft vorgetragen, auchdie scheinbar so intime Liebeslyrik; die großepischen Textewurden vorgelesen oder (soweit sie in Strophen abgefaßtsind) gleichfalls vorgesungen. Nicht zuletzt aus diesemGrund waren die Heldenepen und die Romane weitgehendin Strophen bzw. Versen gedichtet; erst seit dem ausgehen-den 14. Jh. setzte sich in Deutschland auf dem Gebiet des Ro-mans nach und nach die Prosa durch. Die Notwendigkeitzum Vortrag ergab sich nicht zuletzt schon daraus, daß dieMehrzahl der Zuhörer weiterhin nicht in der Lage war,selbst zu lesen. Jahrhundertelang wurde Analphabetismus inder weltlichen Oberschicht keineswegs als Makel betrachtet.

Die neue höfische Literatur war auf Auftraggeber undGönner angewiesen. Unter den im Mittelalter herrschendenBedingungen konnte sich ein Buchmarkt vor der Erfindungdes Buchdrucks nicht herausbilden. Der einzelne Autorschrieb nicht für ein mehr oder weniger anonymes, mög-lichst zahlreiches Publikum. Um größere, einigen Aufwandnicht zuletzt an kostspieligem Beschreibmaterial erfor-dernde Texte verfassen zu können, brauchte er in aller Regeleinen Mäzen. Dessen literarische Wünsche waren meist zuberücksichtigen, er war Adressat und primärer Rezipientdes Werkes. Wirtschaftlichen Nutzen brachte derartigesMäzenatentum nicht, wohl aber Prestigegewinn: das Werk,dem der Gönner ans Licht half und in dem sein Name oftgenug an meist prominenter Stelle (im Prolog oder im Epi-log) genannt wurde, mehrte seinen Ruhm, insbesondere beiseinen Standesgenossen. Es versteht sich, daß die angedeu-teten Bedingungen auch ein Verhältnis des Autors zu sei-nem Werk zur Folge hatten, das neuzeitlichen Anschauun-

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gen nicht entspricht. Seit dem 18. Jh. wird der Rang einesKunstwerkes nach dem Grad beurteilt, in dem sich darin dieSubjektivität des Autors ausdrückt. Im Mittelalter dagegenhatten sich die Texte hinsichtlich ihrer Gattung und derinhaltlichen und sprachlichen Ausgestaltung weit mehr amVerständnis- und Erwartungshorizont des Auftraggebersund des Publikums zu orientieren. Das schloß individuelleAusgestaltung keineswegs aus – es gibt im Mittelalter starkeAutorindividualitäten –, diese blieb aber doch fast stets aufgewisse eingebürgerte Konventionen bezogen.

Als Autoren betätigten sich zum Teil Kleriker, Leute mitlateinischer Bildung, die an Adels- oder Fürstenhöfen tätigwaren; ferner weltliche Hofbedienstete, Ministerialen, dieüber die entsprechenden Fähigkeiten verfügten. Liebes-lyrik, Minnesang, dichteten großenteils die Adligen selbst,nicht nur Freiherren, sondern auch Grafen, Markgrafen,Herzöge und Könige. Mehr und mehr scheint es fernerschon im ausgehenden 12. Jh. Berufsdichter gegeben zu ha-ben, Leute, die vom Ertrag ihres Dichtens und Vortragenslebten, die sich entweder für einige Zeit an einem bestimm-ten Hof fest etablieren konnten oder die von Burg zu Burg,von Hoffest zu Hoffest zogen. Die ständische Herkunftdieser Leute ist oft unklar. Es kann sich um Angehörige desniederen Adels oder der Ministerialität, um Kleriker oderauch um Stadtbürger handeln.

3. Die Aristokratie erscheint bis weit in das 14. Jh. alshauptsächlicher Träger der deutschen Literatur. Die Textesind überwiegend geprägt von ihren Vorstellungen und Be-dürfnissen; das »Volk«, die laboratores, die zahlenmäßigweit überwiegenden Bauern und die Stadtbewohner, begeg-net darin allenfalls am Rande. Auch im 15. Jh. bleiben Ad-lige, bleiben vor allem die Fürstenhöfe wichtige Literatur-träger. Nur der Adel verfügt in nennenswertem Umfangüber Bibliotheken, in denen deutsche Texte eine bedeut-same Rolle spielen – als Beispiele genannt seien etwa die be-rühmte Bibliothek der Pfalzgrafen bei Rhein in Heidelberg,

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die Palatina, oder die Bibliothek der Grafen von Mander-scheid auf Blankenheim in der Eifel. Für Adlige werdenzahlreiche Werke des 12./13. Jh.s immer wieder neu abge-schrieben und entstehen auch neue Texte. Adlige betätigensich auch weiterhin als Autoren, ebenso Hofbedienstete.

Nicht zu übersehen ist freilich ein deutlicher literarhistori-scher Einschnitt um 1350. Einige Gattungen kommen ganzaußer Gebrauch. Der Minnesang, wie er seit dem 12. Jh. üb-lich war und wie er in der ersten Hälfte des 14. Jh.s noch ingroßen, repräsentativen Handschriften gesammelt wurde,verschwindet; die Liebeslieder, die seit der zweiten Hälftedes Jh.s gedichtet werden, folgen in konzeptioneller, forma-ler und sprachlicher Hinsicht anderen Regeln. Obwohl vielehöfische Versromane weiterhin abgeschrieben und gelesenwerden, endet die produktive Tradition dieses literarischenTyps ebenfalls. Als nach längerer Pause seit dem Ende des14. Jh.s wieder Romane verfaßt werden – nunmehr meist inProsa –, knüpfen sie allenfalls und nur teilweise stofflich,nicht aber im formalen und rhetorischen Anspruch an die al-ten Muster an. Andere dichterische Gattungen ändern sich,etwa die Sangspruchdichtung. In dieser seit dem ausgehen-den 12. Jh. belegten Gattung wird das alte Prinzip der Ein-strophigkeit zugunsten mehrstrophiger Spruchlieder aufge-geben, außerdem nennen sich die Autoren nunmehr oftmalsin einer Autorsignatur am Schluß des Textes; auch wurde deralte Grundsatz, man dürfe nur in selbsterfundenen Stro-phenformen (Tönen) dichten, schon im 14. Jh. nicht mehrstreng eingehalten. Wieder andere Gattungen treten nun-mehr weit stärker hervor als vorher, etwa die in Reimpaarenoder in Strophen abgefaßten Lehrgedichte über die Minne,die Minnereden, oder die ebenfalls paargereimten Spruchge-dichte der sogenannten Reimsprecher, die eine bequeme undanspruchslose kürzere Form für die unterschiedlichsten In-halte und Themen darstellen. Genauere Begründungen fürdiese Veränderungen können nicht angegeben werden, mankann darüber nur spekulieren.

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