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Ganz im Vertrauen Ein Leitfaden für die betriebliche Praxis zur sozialverträglichen Gestaltung von Vertrauensarbeitszeit BTQ Kassel Mit freundlicher finanzieller Unterstützung des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung und des Europäischen Sozialfonds

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Ganz im Vertrauen …

Ein Leitfaden für die betriebliche Praxiszur sozialverträglichen Gestaltungvon Vertrauensarbeitszeit

BTQ Kassel

Mit freundlicher finanzieller Unterstützung des

Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und

Landesentwicklung und des Europäischen Sozialfonds

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Zur Schreibweise:Wir haben uns bemüht, möglichst geschlechtsneutrale Formulierungen zu benutzen. Diesist uns – vor allem aus stilistischen Gründen – nicht durchgängig gelungen. In solchen Ein-zelfällen meint der Begriff Mitarbeiter oder Kunde sowohl Männer als auch Frauen.

Die vorliegende Arbeit wurde aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds anteilig finanziert –dafür und für die gute Zusammenarbeit mit den Fachleuten im HessischenMinisterium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, der InvestitionsBankHessen AG und der BTQ Mainz haben wir zu danken.

Frankfurt am Main – Kassel, im Juli 2001.

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Inhalt

Vorwort5

Einleitung7

Was sich mit dem neuen Arbeitszeitmodell ändert Vertrauensarbeitszeit –Nie mehr Stempeluhr?!11

Vor- und Nachteile der Vertrauensarbeitszeit für Betriebe,Beschäftigte und Kunden

Pro und Contra17

Ein Plädoyer für die Vertrauensarbeitszeit Die Gegenseitigkeitmuss funktionieren21

10 Thesen gegen Vertrauensarbeitszeit Der Einstieg in dieSelbstausbeutung25

Schritt für Schritt:Die fünf Phasen zur Einführung

der sozialverträglichen Vertrauensarbeitszeit

Die Umsetzung29

Eckpunkte einer Betriebsvereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit Mehr oder weniger?43

Der rechtliche Rahmen zur Vertrauensarbeitszeit Alles was Recht ist57

Literatur- und Linkliste65

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Vorwort

„Vertrauen wird dadurch erschöpft,dass es in Anspruch genommen wird“

Bertolt Brecht

Die Arbeitszeiten der Beschäftigten haben sich in den letzten Jahrentiefgreifend verändert. Dabei sind die Interessen, die diesen Verän-derungen zugrunde liegen so vielfältig wie die Ziele, die damit verfolgtwerden.

Trotz der – im Vergleich mit anderen europäischen Ländern – inDeutschland weit vorangeschrittenen Flexibilisierung der Arbeitszeit,der Ausdehnung der Wochenendarbeit und der Feiertagsarbeit sowieder Ausdehnung der Betriebszeiten, wird von Arbeitgeberseite argu-mentiert, die Arbeitszeiten seien starr und unflexibel. Die Notwendig-keit einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeiten im Sinne derUnternehmen wird begründet mit optimaler Kapazitätsauslastung,schwankenden Auftragslagen, besserer Kundenorientierung und Kos-teneinsparung. Erreicht werden soll dies durch Entgrenzung der Ar-beitszeiten, kurzfristige Anpassung der Arbeitszeiten, bis hin zu geteil-ten Diensten und Arbeit auf Abruf. Gerade im Dienstleistungsbereichwird unter dem Deckmantel „stärkerer Kundenorientierung“ versucht,die Auflösung von kollektiven und planbaren Arbeitszeitstrukturenvoranzutreiben. Durch neue Managementmethoden, wie z.B. Zielver-einbarungen, Projektarbeit oder Profitcenter wächst die Tendenz zurEinführung von Vertrauensarbeitszeiten. Bei diesem Arbeitszeitmodellwird bisweilen auf die Erfassung der Arbeitszeiten ganz verzichtet.Scheinbar erhöht sich dadurch die Zeitsouveränität von Arbeitneh-mern und Arbeitnehmerinnen; häufiger verringern sich aber ihreSchutzansprüche, da z.B. geleistete Arbeitszeiten nicht mehr nachge-wiesen werden können.

Allerdings haben sich auch die Anforderungen der Beschäftigten andie Arbeitszeitgestaltung verändert. Sie möchten flexiblere Arbeitszei-ten, um gewandelte Ansprüche an ihre Lebensgestaltung besser mitihrer Arbeitszeit verbinden zu können. Viele Beschäftigte verändernihre Arbeitszeitansprüche zudem im Verlaufe eines Arbeitslebens:Teilzeit, Bildungszeit, Sabbaticals, vorzeitiger Ausstieg aus dem Er-werbsleben, Elternzeiten für Frauen und Männer sind dafür nur einigeStichworte.

In unserer Beratungstätigkeit geht es uns deshalb darum, die positivenAnsprüche der Beschäftigten nach mehr Zeitsouveränität aufzuneh-men und Arbeitsformen zu unterstützen, die den Beschäftigten tat-sächlich Einfluss auf die Planung, Lage und Verteilung ihrer Arbeitszeit

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sichert. Die Dokumentation und Erfassung der tatsächlich geleistetenArbeitszeit ist dabei ein unverzichtbares Element für das Zeitmanage-ment der Beschäftigten.

Der Praxisleitfaden zur sozialverträglichen Vertrauensarbeit basiert aufden langjährigen Erfahrungen der Autoren Walter Lochmann undDoris Batke in der Arbeitszeitberatung. Anliegen des Leitfaden ist es,Betriebsräten, Beschäftigten und Personalverantwortlichen ein Werk-zeug an die Hand zu geben, das sie sowohl in der inhaltlichen Positi-onsfindung unterstützt und als auch zur Entwicklung und Gestaltungeines betriebsspezifischen Arbeitszeitmodells befähigt.

Regine Franz

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Einleitung

Immer mehr Beschäftigte möchten in Unternehmen arbeiten, dieihnen Raum lassen, ihre Arbeitszeiten nach ihren Bedürfnissen auszu-richten. Starre Arbeitszeiten passen nicht mehr in die Vorstellung vie-ler Beschäftigter. Der moderne Arbeitgeber soll dem Wunsch nachmehr Autonomie und Selbständigkeit entgegenkommen und einebessere Vereinbarkeit der Arbeitszeit mit anderen Lebensbedürfnissen,besonders für „bekennende“ Väter und aktive Mütter, ermöglichen.

Und auch in den Chefetagen tut sich was. Managementkonzepte wan-deln sich und mit ihnen die Arbeitszeiten. Statt Kontrolle und Gehor-sam ist nun eine Kultur des Vertrauens und der Selbstverantwortlich-keit gewünscht. Passend zu dieser angestrebten Unternehmenskulturmacht seit einiger Zeit eine neue Form der Arbeitszeitgestaltung Furore,die genau zu den Vorstellungen einer hochflexiblen Arbeitswelt passt:Vertrauensarbeitszeit. Die Beschäftigten sind engagiert und teamfähig,flexibel und mobil – sie gönnen sich ihre Freizeit, wenn die Auftragsla-ge dünn ist, und „schrubben“ Überstunden, wenn der Laden läuft. Ineinem Vertrauensarbeitszeitmodell hat der Beschäftigte nun die Chan-ce, unter den vorgegebenen Rahmenbedingungen und in Absprachemit dem Team seine individuelle Arbeitszeit selbst zu bestimmen.

Das heißt, die Beschäftigten dürfen so lange oder kurz arbeiten, wiesie wollen. Einzige Bedingung: Sie müssen bestimmte Ziele erreichen.Befürworter präsentieren das als ’win-win-Modell’, das allen Beteilig-ten – Arbeitgebern, Beschäftigten und Betriebsrat – gleichermaßenVorteile bringen soll. Kritiker führen jedoch an, dass die Beschäftigtendadurch mehr Druck aushalten müssen: von zu hohen inhaltlichenVorgaben der Vorgesetzten, von den gestressten Kollegen und vorallem von sich selbst – und deshalb länger als je zuvor arbeiten.

Bestes Beispiel: IBM. „Das ist ja wie im Paradies“ soll laut der Online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau vom 19. April 2001 der Zuständi-ge im Stuttgarter Amt für Arbeitsschutz gesagt haben, als ihm 1999 derTarifvertrag zwischen dem Computerkonzern und der DeutschenAngestellten-Gewerkschaft (DAG) vorgelegt wurde. Nun, einige Jahrespäter, ist Ernüchterung eingezogen. Die Mitarbeiter sind aus demParadies vertrieben. Jetzt sieht sich das Modell Vertrauensarbeitszeitdem Vorwurf ausgesetzt, „ein ganz cleverer Schachzug des Unter-nehmens“ zu sein, „um auf die Beschäftigten noch mehr Druck aus-zuüben“. Denn glaubt man den Klagen der Beschäftigten, und es gibtkeinen Grund warum nicht, dann arbeiten sie nun bei aller Freiheitund so genannter Zeitsouveränität mehr als vorher. Die Grenze zwi

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schen Freizeit und Arbeit verschwimmt. „Arbeit ohne Ende“, so dieKritiker, sei diese Vertrauensarbeitszeit.

Wie kommt es, dass ein Arbeitszeitmodell, das „das Diktat der Stech-uhr“ bricht und auf Eigenverantwortung und freie Orts- und Zeitwahlsetzt, zunächst umjubelt und gefeiert wird, und dass solch eine Befrei-ung dann zum Horror für die Befreiten wird? Weil, so zitierte die Zeit-schrift Psychologie heute das Ergebnis einer Studie am Sozialwissen-schaftlichen Forschungsinstitut der Universität Erlangen-Nürnberg, „Ver-trauensarbeitszeit in aller Regel schlicht auf eine De-facto-Verlänge-rung der Arbeitszeiten ohne jedwede zeitliche oder finanzielle Kom-pensation hinausläuft“. Trotz aller Freiheit, sich die Zeit selbst einzu-teilen, schaffen es die Wenigsten, die Bremse zu ziehen, wenn die Ar-beit zuviel wird. Sie agieren plötzlich wie Selbständige, die alle bishervom Arbeitgeber getragenen Risiken, wie Krankheit von Kollegen, tech-nische Defekte etc. selbst ausgleichen müssen. Die Beschäftigtenmüssen statt einer Zeitvorgabe nun eine Zielvorgabe erfüllen – undarbeiten deshalb länger: nicht weil der Chef es fordert, sondern weilsie fürchten, es sonst nicht zu schaffen. Urlaube werden verschoben,Freizeitausgleich für Überstunden nicht genommen, die 35-Stunden-Woche wird zur Farce.

Betriebsräte kritisieren in einer Umfrage der BTQ-Arbeitszeitberatungdenn auch vehement, dass Vertrauensarbeitszeit keineswegs heißt, denBeschäftigten zu vertrauen, sondern vor allem dem Druck, den dieneuen Managementmethoden mit ihrer indirekten Steuerung erzeu-gen: Den Teams wird eine Gewinnquote vorgegeben und wird dienicht erreicht, drohen Abmahnung, Lohnkürzung, Schließung der Ab-teilung. Hört man sich an, was Klaus Kuhnle, Geschäftsführer von IBMDeutschland, bei einem Kongress für Personalführung offen zugab,scheinen die Betriebsräte mit ihrer düsteren Wahrnehmung Recht zuhaben: „Manche Ziele sehen auf den ersten Blick so aus, als ließen siesich nicht erreichen. Viele Mitarbeiter klagen über die Arbeitslast.Aber wir können den Mitarbeitern keine Hoffnung machen, dass sichdas ändern wird.“ (Psychologie heute, November 2000). Auch Kern-sätze von Managern wie „Wir setzen aggressive Ziele. Sie sollen mach-bar, aber nicht von jedem erreichbar sein“ oder solche Parolen wie’obsession and passion for the business‘ (’mit Leidenschaft und Besessenheit

in den Job’) nähren diesen Argwohn (Frankfurter Rundschau online,19.4.2001).

Was passiert, wenn ein Unternehmen nicht auf die Proteste der Mit-arbeiter gegen die Maßlosigkeit der Zielvorgaben reagiert, hören dieBetriebsräte immer häufiger in ihren Sprechstunden: Kollegen, diesich ständig überarbeiten, um die Ziele ja zu erreichen, setzen Team-kollegen, die versuchen maßvoll zu arbeiten, herab, stempeln sie alsVersager und Verweigerer. Das Ergebnis dieses Dauerstresses: sinken-de Motivation, Angst vor Versagen, schlechte Arbeitsergebnisse. FataleFolgen nicht nur für die Teams, sondern auch für das Unternehmen.

Einleitung

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Ist diese Vertrauensarbeitszeit also ein raffiniert eingefädelter Schach-zug, um die Belegschaft völlig freiwillig in die Selbstausbeutung zutreiben? Oder geht es auch anders? Ist es machbar, hart und konzent-riert zu arbeiten und trotzdem „einen Punkt zu machen“, abzuschal-ten, die Arbeit hinter sich zu lassen? Wie kann das neue Arbeitszeitmo-dell aussehen? Wie lässt es sich sozialverträglich gestalten – und wersteuert diesen Prozess überhaupt? Patentrezepte wird es in keinemFall geben, statt dessen müssen – für jede Situation neu – Lösungengefunden werden, die den Akteuren vor Ort entsprechen. Konkret be-deutet das zunächst, die Interessen der Einzelnen herauszuarbeitenund dabei den gemeinsamen Nenner nicht aus den Augen zu verlie-ren. Und es bedeutet auch Schulung und Training für die Verantwort-lichen – den Betriebsrat, das Management, die Beschäftigten. Dennohne Frage wird ein solcher Prozess nicht ohne Konflikte vonstattengehen. Das heißt: mehr Kommunikation untereinander ist nötig. Dochgenau das will gelernt sein und erfordert Training der Verantwortli-chen.

Besonders für die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unter-nehmen (KMU) wird es immer wichtiger, dass ihre Beschäftigten inFragen der Arbeitszeitgestaltung qualifiziert sind. Wollen sie anpas-sungsfähig bleiben, müssen ’Selbstorganisiertes Lernen’ und in dieArbeit integrierte Lernformen zunehmen. Dieser Praxisleitfaden willdeshalb die betrieblichen Akteure von KMU in die Lage versetzen,den Einführungs- und Umsetzungsprozess aus eigener Kraft zu gestal-ten. Denn im Gegensatz zu Großbetrieben können sich KMU eineaufwändige externe Beratung und Schulung meist nicht leisten. Wel-che Kerngedanken stehen hinter dem neuen Arbeitszeitmodell undwelche Ziele verbindet ein Unternehmen mit seiner Einführung? Wor-auf sollten Betriebs- und Personalräte bei der Einführung achten, da-mit Vertrauensarbeitszeit sozialverträglich gestaltet und in der prakti-schen Umsetzung tatsächlich zu einem ’win-win-Modell’ werdenkann? Hierzu bietet der Leitfaden sowohl kommentierte Praxisbei-spiele und Leitlinien für individuell zugeschnittene Lösungen als auch– für die betriebliche Qualifizierung der Beschäftigten – didaktischaufbereitete Materialien zum Selbstlernen.

Einleitung

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Vertrauensarbeitszeit – nie mehr Stempeluhr?!

Was sich mit dem neuen Arbeitszeitmodell ändert

Ergebnis versus Anwesenheit

Ob die Jacke über dem Bürostuhl hängt oder jemand angestrengt inden PC starrt, gilt in einem Unternehmen mit Vertrauensarbeitszeitnicht mehr als Beweis dafür, dass auch gearbeitet wird. Auch bekann-te Taktiken, geschäftig auszusehen, selbst wenn es gerade nichts zu tungibt, haben keine Chance in dem neuen Modell. Wie lange jemandim Büro sitzt, spielt keine Rolle mehr, denn Anwesenheitszeit und Ar-beitszeit sind getrennt. Gewertet wird nur noch die Zeit, die tatsäch-lich gebraucht wurde, um die Aufgabe zu erfüllen. Beschäftigte tragendamit die Verantwortung, selbst zu entscheiden, welche Zeit als Arbeits-zeit zu bewerten ist – ob nun im Unternehmen oder außerhalb. Wennsie also im Unternehmen auch Privates erledigen, was grundsätzlicherlaubt ist, müssen sie dies von ihrer Arbeitszeit abziehen. Was das imArbeitsalltag heißen kann, formulierten die auf Arbeitszeitflexibilisie-rung spezialisierten Unternehmensberater Dr. Andreas Hoff undMichael Weidinger, die Schöpfer des Begriffs ’Vertrauensarbeitszeit’, so:

„Wann und wo der Mitarbeiter arbeitet, spielt dann keine Rolle mehr. Es kann folglichebenso in der Freizeit gearbeitet werden – etwa um zwischendurch einmal einen Ter-min zu vereinbaren oder über das dienstliche Handy ein längeres Gespräch mit einemKunden zu führen, während man im Garten spazieren geht – wie im Betrieb nicht. InVertrauensarbeitszeitsystemen ist es z. B. ganz selbstverständlich möglich, am Arbeits-platz ausführlich die Zeitung zu studieren – weil allen Beteiligten klar ist, dass es sichdabei trotz Anwesenheit im Betrieb in aller Regel nicht um Arbeitszeit handelt. Und„Pausen“, in denen Dienstliches verhandelt wird, sind dann ebenso als Arbeitszeit zuwerten, wie private Telefonate am Arbeitsplatz nicht.“ (www.arbeitszeitberatung.de)

Die Frage ist allerdings auch, ob ein kurzes, noch dazu grundsätzlicherlaubtes, Telefonat nicht viel eher einer vertrauensvollen Unternehmens-kultur entspricht, also auf eine allzu kleinliche Ab- und Aufrechnung derZeiten verzichtet werden kann. Auch das Aufrechnen von Pausen soll-te in einer vertrauensvollen Unternehmenskultur nicht zu eng gesehenwerden. Pausen sind notwendig und Pausengespräche unter KollegInnen,die meist sehr schnell auch Geschäftliches aufgreifen, helfen als eineArt ’kurzer Dienstweg’ oft dabei, Dinge schnell zu klären.

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Eigenverantwortung versus Stempeluhr

In einem Unternehmen mit Vertrauensarbeitszeit gibt es kein Zuspät-kommen mehr. Galt bisher die sekundengenaue Erfassung von Arbeits-zeiten mit dem Computer, wobei Fehlzeiten disziplinarisch verfolgt undÜberstunden zusätzlich vergütet wurden, ist nun Vertrauen die Basisdes neuen Arbeitens. Der Arbeitgeber verzichtet auf die Kontrolle dergeleisteten Arbeitszeit und setzt auf Eigenverantwortung, die Beschäf-tigten können frei wählen, wann Sie ihre vertraglichen oder verabrede-ten Arbeitsziele erreichen wollen, können die Arbeitszeit ihren Bedürf-nissen anpassen. Sie müssen nur dafür sorgen, dass ihre Minus- als auchihre Plusstunden ausgeglichen werden. Ist das in absehbarer Zeit nichtmöglich, haben sie die Pflicht, dies dem Vorgesetzten zu melden.

Hat die Stempeluhr also ausgedient? Tatsächlich wird in einigen Ver-einbarungen zur Vertrauensarbeitszeit auf jegliche Zeiterfassung ver-zichtet. Das muss aber nicht zwangsläufig so sein. Im Gegenteil: Umden Überblick behalten und dokumentieren zu können, ob die ver-traglich vereinbarte Arbeitszeit eingehalten werden kann, ist Zeiter-fassung – in welcher Form auch immer – ratsam. Auch für Betriebsräteist die Abschaffung der Stempeluhr nicht unbedenklich, verlieren siedoch jeglichen Überblick über die tatsächlich geleisteten Überstundenund damit die Kontrolle über die Arbeitszeitpolitik des Unternehmens.Informiert sie der Beschäftigte nämlich nicht, dass sein Zeitbudgetüberschritten ist, haben sie keine Möglichkeit einzuschreiten. Dannversinken Überstunden im ’schwarzen Loch’ – und das bedeutet fastimmer: Mehrarbeit bleibt unbezahlt, auf den Einzelnen kommt immermehr Arbeit zu und vor allem, Überstunden werden im Unternehmennicht in neue Arbeitsplätze umgewandelt. Auch hat der Arbeitgeberweiterhin die Verpflichtung, auf die Einhaltung der Arbeitszeitgesetzezu achten und Arbeitszeiten zu dokumentieren (s. Seite 61).

Vertrauensarbeitszeit –das Aus für die 35-Stunden-Woche?

Auch wenn die Arbeitszeit nicht mehr kontrolliert wird, sie wird nichtbeliebig. Nach wie vor schuldet der Arbeitnehmer seinem Unterneh-men eine bestimmte Stundenzahl. In der Regel wird eine täglichebzw. wöchentliche Soll-Arbeitszeit vereinbart, die im Durchschnitt ineinem bestimmten Zeitraum (z. B. 24 Wochen) erzielt werden muss.Die so ermittelten Sollarbeitsstunden können flexibel auf die einzel-nen Arbeitstage verteilt werden. Es gibt zumeist nur noch einen Arbeits-zeitrahmen (z. B. 7 bis 19 Uhr). Eine Kernzeit, in der die Beschäftigtenanwesend sein müssen, entfällt. Innerhalb des Arbeitzeitrahmens kön-nen sie unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und inAbsprache mit dem Team eigenverantwortlich gestalten, wann sie zuarbeiten anfangen und aufhören wollen. Ebenso kann ein Beschäftig

!BTQ-Tipp:

Trotz Vertrauensar-beitszeit sollte die

Arbeitszeit erfasstwerden – ob elektro-

nisch oder manuell –,um die (eigenen)

tatsächlich geleistetenArbeitsstunden kon-trollieren und doku-

mentieren zu können.

Was sich mit demneuen Arbeitszeit-

modell ändert

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ter den Arbeitstag unterbrechen, wenn z. B. seine Tochter eingeschultwird und er erst um 14 Uhr nach der Feier wieder ins Büro kommt.Oder er kann mehrere Tage am Stück überhaupt nicht arbeiten.

Vertrauensarbeitszeit – Arbeit auf Abruf?

Ein erklärtes Ziel der Unternehmen bei der Einführung der Vertrau-ensarbeitszeit ist es, dass die Beschäftigten ganz flexibel vor allemdann arbeiten, wenn im Betrieb auch tatsächlich viel Arbeit anfällt.Dies darf aber nicht bedeuten, dass der Beschäftigte willkürlich zurArbeit herangezogen wird, wenn Bedarf ist, und bei einer Flaute heim-geschickt wird. Damit die Zeitsouveränität der Beschäftigten auch beischwankendem Arbeitsbedarf garantiert ist, muss der Arbeitgeberdeshalb genau vorausplanen und Ankündigungsfristen einhalten.

Alles flexibel – auch die Entlohnung?

Auch wenn mit den Zeiten in einem Vertrauensarbeitszeitmodellflexibler umgegangen wird, für die Bezahlung der Arbeit gilt das na-türlich nicht. Nach wie vor sind die Bestimmungen über Arbeitszeit-rahmen und Dauer (Sollarbeitszeit), die im Tarifvertrag, in der Be-triebsvereinbarung oder im Einzelvertrag festgelegt sind, die Grundlagefür das Entlohnungssystem.

Keine Vertrauensarbeitszeitohne funktionierendes Team

Vertrauensarbeitszeit wirkt sich nicht nur auf den Umgang der Be-schäftigten mit ihrer Zeit aus. In der Regel verändert sich auch die Ar-beit selbst. Denn Vertrauensarbeitszeit heißt meistens, dass die Arbeitab nun im Team bewältigt werden muss. Der Vorgesetzte ist hierbei’nur’ noch Moderator und nicht mehr Kontrolleur. Dies löst auf bei-den Seiten Verunsicherungen und Vorurteile aus. Denn unter Team-arbeit verstehen viele aus leidvoller Erfahrung zunächst nur, dass’einer arbeitet und der Rest zuschaut’ (Team = Toll, ein anderer macht’s)oder ’viel Gerede und nichts kommt raus’. Statt sich zu vertrauen,fürchten sich viele Mitarbeiter vor Chaos, Abstimmungsschwierigkei-ten, Auseinandersetzungen und gegenseitiger Kontrolle. In der Tat istes z. B. eine große Herausforderung für ein Team, die unterschiedli-chen individuellen Arbeitszeitinteressen unter einen Hut zu bringen.Da gibt es Beschäftigte, die nach wie vor auf eine Regelmäßigkeit ihrerArbeitszeit angewiesen sind, z. B. Eltern kleiner Kinder, die an Kin-derbetreuungszeiten gebunden sind. Da gibt es mehr und wenigerbeliebte Arbeitszeiten und mehr und weniger leistungsstarke Beschäf-tigte. All dies will berücksichtigt sein, und es erfordert ein hohes Maß

Was sich mit demneuen Arbeitszeit-modell ändert

BTQ-Tipp:

Die Vereinbarung zurVertrauensarbeitszeitsollte so gestaltet sein,dass Arbeit auf Abrufverhindert wird. Dasheißt, es muss z. B.vereinbart werden, dassder Arbeitgeber ent-sprechend plant undausreichende Ankündi-gungsfristen einhält.

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an gegenseitiger Akzeptanz und die Bereitschaft zur Auseinanderset-zung, um aus einer Gruppe ein richtiges Team zu machen. Geklärtwerden müssen dabei folgende Fragen:

Was ist unsere Aufgabe? Was sind unsere gemeinsamen Ziele? Wie wollen wir diese Ziele erreichen?

Bis wann wollen wir diese Aufgabe erreichen? Wer übernimmt welche Aufgabe zu welcher Zeit? Wie lösen wir Probleme?

Wie gewinnen wir Zeitsouveränität? Wie begegnen wir Selbstüberlastung?

Keine Vertrauensarbeitszeit ohne Qualifizierung

Das System der Vertrauensarbeitszeit erfordert von den Beteiligten er-heblich mehr Eigenverantwortung und betriebswirtschaftliches Denken.Beschäftigte müssen sich selbst stärker organisieren, Arbeitsprozesseselber steuern und die Chemie im Team muss auch noch stimmen.Nicht bei allen Beschäftigten (und Vorgesetzten) führt das allerdings zuGlücksgefühlen. Wenn jahrelang praktizierte Arbeitszeitmodalitätenplötzlich wegfallen, kann das zu Verunsicherungen führen. Wer hatwelche Befugnisse? Wer macht welche Vorgaben? Wer ist in der Lage,seine Interessen gegenüber dem Team und dem Chef durchzusetzen?Menschen, die bisher in einem starren Zeitkonzept gearbeitet haben,können schlichtweg überfordert sein, die eigene Arbeitszeit gemäß derjeweiligen Aufgabe eigenverantwortlich zu gestalten. Weder Führungs-kräfte noch Beschäftigte sind ohne Begleitung und Qualifizierung inder Lage, Vertrauensarbeitszeit von heute auf morgen zu praktizieren.Es braucht Zeit und Raum, damit die Beteiligten entsprechend qualifi-ziert und kontinuierlich unterstützt werden und Führungskräfte wieMitarbeiter Schritt für Schritt in die neue Arbeitszeitkultur hineinwach-sen können.

Keine Vertrauensarbeitszeit ohnevertrauensvolle Unternehmenskultur

Soll Vertrauensarbeitszeit erfolgreich sein, muss es im gesamten Un-ternehmen eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens geben. Dies be-deutet flache Hierarchien, selbstbewusste Beschäftigte und – sichereBeschäftigungsverhältnisse. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben,besteht die Gefahr, dass Vertrauensarbeitszeit (und zwar nur im Ver-trauen auf den inneren Druck der Beschäftigten, ihre Ziele ja zu errei-chen) die Arbeitszeit nur verlängert. Wer gibt in einer Atmosphäre vonKontrolle, Konkurrenz und Stress schon zu, das Ergebnis in der ver

Was sich mit demneuen Arbeitszeit-

modell ändert

BTQ-Tipp:

In der Betriebsverein-barung sollten unbe-

dingt Qualifizierungs-maßen zur Umsetzungdes Arbeitszeitmodells

bestimmt werden. Sinn-voll ist es auch, die

Gründung eines paritä-tisch besetzten Arbeits-zeitausschusses zu ver-

einbaren, der für allelaufenden Fragen zur

Verfügung steht, sowieeine Pilotphase festzu-legen, die von Mitglie-

dern des Arbeitszeitaus-schusses begleitet wird.

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einbarten Zeit nicht erbracht zu haben. Lieber mal ein unbezahltesStündchen dranhängen, als zu sagen „Ich habe es nicht geschafft“.Dieser Druck kann durch Teamarbeit noch verstärkt werden. Denn esgehört schon eine Portion Selbstbewusstsein und Sicherheit dazu, sichden Kollegen zu verweigern, wenn sie auf Mehrarbeit bestehen unddiese selbst auch leisten, nur um das Teamziel zu erreichen.

Mit Offenheit und Planung gegen Überlastung

Mehr als je zuvor hat der Beschäftigte in der Vertrauensarbeitszeit dieVerantwortung für Erfolg oder Misserfolg seiner Arbeit selbst zu tragen.Nicht mehr sein Chef kontrolliert jetzt, ob er seine vertraglich verein-barte Arbeitszeit einhält, ja noch nicht einmal, ob er das Arbeitsergeb-nis in dieser Zeit erreicht, sondern er allein. Hat er Probleme, das Er-gebnis termingerecht abzuliefern, ist er gefordert, es seinem Vorge-setzten mitzuteilen. Erst dann ist dieser in der Pflicht, zu handeln undAbhilfe zu schaffen. Versteht man Vertrauensarbeitszeit richtig, danntragen die Führungskräfte jedoch sehr wohl die Verantwortung dafür,dass es erst gar nicht zu diesen so genannten Überlastsituationenkommt. Dazu müssen sie allerdings gut planen und Erfahrungswerteüber Fehlzeiten und Störungen des Arbeitsablaufs entsprechend ein-kalkulieren. Dies setzt zunächst voraus, dass sie den Umfang der Auf-gaben detailliert definieren, um anschließend ein realistisches Zeit-budget zuordnen zu können. Klaffen Arbeitsumfang und vereinbartesZeitbudget dennoch auseinander, übernimmt die Führungskraft dieVerantwortung und muss für Abhilfe sorgen – das bedeutet auch,ausreichend und qualifiziertes Personal ggf. einzustellen.

Wie mit der Arbeitsüberlastung von Beschäftigten umgegangen wird,zeigt, wie ernst ein Unternehmen die Aufgabe nimmt, dass von demneuen Arbeitszeitmodell alle Seiten gleichermaßen profitieren. Kon-kret heißt das: Können Arbeitsüberlastungen angesprochen werden?Werden die Einwände und Vorschläge des Beschäftigten ernst genom-men und entsprechend reagiert? Werden Aufgabe und Zeitbudgetzukünftig so geplant, dass Überlastsituationen gar nicht – oder nur imAusnahmefall – entstehen? Entscheidend für eine sozialverträglicheUmsetzung des Vertrauensarbeitszeitmodells ist, ob es die Unterneh-menskultur erlaubt, dass die Beschäftigten offen über ihre Überforde-rung und Überlastung sprechen. Erst dann können Schwachpunkte inder Arbeitsorganisation aufgedeckt und beseitigt werden, erst dannkönnen Aufgaben delegiert, Mitarbeiter qualifiziert oder zusätzlicheingestellt werden und damit das gesamte Arbeitsklima verbessertwerden.

Was sich mit demneuen Arbeitszeit-modell ändert

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Erfolgsfaktoren für eine sozialverträglicheVertrauensarbeitszeit

Vertrauenskultur als Unternehmensphilosophie

Intensive Kommunikation vor Beginn und während derPilotphase

Beteiligung aller Ebenen an der Schaffung von Spielregeln

Die Teilnahme ist freiwillig

Die Arbeitszeit bleibt Grundlage

Guter Kenntnisstand aller Beteiligten durch Qualifizierungvon Führungskräften und Mitarbeitern

Eigenverantwortlicher Zeitausgleich durch die Beschäftigten

Funktionierendes Verfahren für eine faire Ausbalancierungvon Arbeitsaufgaben und des für ihre Erledigung benötigtenArbeitszeitbudgets

Fairer Umgang mit Überlast-Situationen sowie entsprechen-de Instrumente zur Kontrolle und zum Abbau

Ausreichende Personalbemessung

Was sich mit demneuen Arbeitszeit-

modell ändert

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Pro und Contra

Vor- und Nachteile der Vertrauensarbeitszeitfür Betriebe, Beschäftigte und Kunden

Die Vorteile für Betriebe

Flexible Reaktion auf Auftragslage Besonders einleuchtend sind die Vorteile der Vertrauensarbeitszeit fürkleine und mittelständische Unternehmen (KMU): Denn damit kanneine betriebswirtschaftlich kalkulierende Unternehmensleitung auf dieschwankende Auftragslage reagieren, ohne – kostspielige – Kurzarbeiteinzuführen. Eine absatzorientierte Arbeitszeit kann die Arbeitsinten-sität und -produktivität steigern und Lagerkosten reduzieren. Kurzfris-tige Liefertermine können besser eingehalten, Arbeits- und Öffnungs-zeiten entkoppelt und die vorhandene Infrastruktur besser genutztwerden. Überstundenzuschläge entfallen womöglich, bereits geleisteteArbeit wird vom Beschäftigten zu einem späteren Zeitpunkt in Freizeitausgeglichen.

Wenig FluktuationDurch den Auf- und Abbau von Zeitguthaben können Arbeitsplätze ge-sichert werden. Entlassungs- und Wiedereinstellungskosten lassen sichso vermeiden. Qualifizierte Arbeitskräfte bleiben erhalten, eingespielteTeams und Abteilungen sichern Arbeitsqualität und Produktivität.

Motivation der Beschäftigten Wer seine individuellen Zeitwünsche berücksichtigt sieht, ist zudemzufriedener, motivierter und produktiver. Gleichzeitig lassen sichBeruf, Familie und Freizeit besser vereinbaren.

Die Nachteile für den Betrieb

Die Führungsriege wird teilweise ’entmachtet’, Teile ihrer Verantwor-tung landen bei den Beschäftigten. Manager, die sich vor flachenHierarchien und eigenverantwortlichen Mitarbeitern fürchten, könnendurch die Einführung flexibler Arbeitszeiten in Bedrängnis geraten. Siemüssen umdenken – in Richtung ’Team’.

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Die Vorteile für die Beschäftigten

Fachliche und soziale Kompetenz„Ich will mir von niemandem sagen lassen, wie und wie lange ich ar-beiten darf.” Solche Aussagen sind kennzeichnend für die immergrößer werdende Gruppe von hochqualifizierten Arbeitnehmern, diesich nicht von einem starren Arbeitszeitkorsett einengen lassen wollen.Von ihnen wird Fachkompetenz, hohe Motivation und Verantwortungerwartet – und dazu gehört selbstverständlich auch die Verantwortungfür den Umgang mit Arbeitszeit.

Familie und BerufMit flexiblen Arbeitszeiten können Männer und Frauen Familie undBeruf besser vereinbaren. Kinder brauchen Zeit, doch ihr Zeitempfin-den und ihre Bedürfnisse richten sich nicht nach der Stechuhr. Es er-spart Eltern wie Kindern viel Stress, Wut und Tränen, wenn Vater undMutter mehr Spielraum bei der Arbeitszeitgestaltung haben. Mangeln-de Kinderbetreuungsmöglichkeiten und beschränkte Öffnungszeiten inKindergärten können jedoch nur von Eltern mit sozialverträglich ges-talteten Arbeitszeitregelungen aufgefangen werden, die ein hohesMaß an Planungssicherheit für die Beschäftigten garantieren.

Nicht nur Kinder brauchen Zeit. Das Leben in der Familie bedeutetArbeit: Einkäufe, Arztbesuche, Verwaltungsaufgaben, Krankenpflege,Hausarbeit, soziale Verpflichtungen. Hinzu kann die Pflege der Elternoder anderer Angehöriger kommen. All das kostet Zeit und ist mitstarren Arbeitszeitregelungen kaum zu bewältigen.

ZeitsouveränitätLast but not least: Arbeitszeit selbst bestimmen zu können, bedeutetein großes Plus an individueller Freiheit. Keine Stechuhr, keine Hetze,kein Herumstehen und Warten, dass es 16.30 Uhr wird. Es bedeutetmehr Mitbestimmung, mehr Verantwortung und vielleicht auch ein’Mehr’ an Konflikten mit den Kollegen. Nämlich dann, wenn die Frageder Verfahrensregelung (siehe Kapitel ’Schritt für Schritt – Wie einesozialverträgliche Vertrauensarbeitszeit eingeführt werden kann’) nichtbefriedigend gelöst ist.

Die Nachteile für die Beschäftigten

Beschränkt wird diese – ideelle – Souveränität durch die Wünsche derKollegen und die Belange des Betriebs. Unter der Prämisse, das Zielauf jeden Fall erreichen zu wollen, steigt der Gruppendruck, eigeneInteressen geraten dabei leicht in den Hintergrund. Für Beschäftigte,die das Aushandeln als lästig empfindet und die es nicht schaffen – zuVorgesetzten und Kollegen – ’Nein’ zu sagen, werden Belastungeneher zunehmen. Ein gravierendes Problem ist zudem: Wenn (bezahl-te) Überstunden und Mehrarbeit wegdefiniert werden und Arbeits

Vor- und Nachteile derVertrauensarbeitszeitfür Betriebe, Beschäf-

tigte und Kunden

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volumen und -intensität steigen, muss Personal eingestellt werden –was ohne aktive Einmischung des Betriebsrates meistens nicht passiert.

Die Vorteile für die Kunden

Öffnungszeiten können sich ausdehnen; motivierte, zufriedene Ange-stellte sind umgänglicher und freundlicher. Auch das Verständnis derKunden für das Bedürfnis der Beschäftigten nach akzeptablen Arbeits-zeiten kann wachsen – indem sie sich selbst nicht mehr nur alsVerbraucher sehen, sondern ebenfalls als ’flexibel Arbeitende’, dieihre unterschiedlichen Interessen möglichst gerecht unter einen Hutbringen wollen.

Die Nachteile für den Kunden

Für die Kunden kann flexible Arbeitszeitgestaltung aber auch bedeu-ten, mit immer wechselnden Ansprechpartnern zu tun zu haben.Wenn nicht betriebsinterne Weiterbildungen dafür sorgen, dass alleMitarbeiter einer Gruppe über vergleichbare Kompetenzen und Qua-lifikationen verfügen, kann die Vertrauensarbeitszeit und der damitzusammenhängende Wechsel der Mitarbeiter für Kunden zum Ärger-nis werden.

Vor- und Nachteile derVertrauensarbeitszeitfür Betriebe, Beschäf-tigte und Kunden

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Pro und Contra im Überblick

Mögliche Vorteile der Vertrauens-arbeitszeit für die Beschäftigten

• Die zeitliche Organisation derArbeit kann an den individuellenBedürfnissen angepasst werden

• Es können längere Phasen derArbeitsbefreiung in Anspruchgenommen werden

• Zeitkontrolle entfällt• Vermeintliche Arbeit muss

nicht vorgetäuscht werden• Fortfall des Zwangs zur Pünkt-

lichkeit• Größeres Vertrauen in die Eigen-

verantwortung der Beschäftigten• Arbeitszufriedenheit und Moti-

vation wächst

Mögliche Nachteile der Vertrauens-arbeitszeit für die Beschäftigten

• Erhöhter Gruppendruck, Be-schäftigte kontrollieren sich ge-genseitig.

• Protest gegen Überlastsituatio-nen ist kaum möglich

• Das Betriebsrisiko wird auf dieBeschäftigten verlagert

• Leistungsgeminderte Beschäf-tigte werden an den Rand ge-drängt

• Selbstorganisierte Leistungsver-dichtung

• Betriebliche Erfordernisse gebenden Ton an; eigene Interessengeraten in den Hintergrund

• Wegfall von Mehrarbeitszu-schlägen

• Mehr Belastung durch neue Ar-beitsorganisation und Zeiterfas-sung durch die Beschäftigten

• Zeitverlust durch mehr Planungund Abstimmung im Team

• Veränderung des Alltagsrhythmus• Abstimmungsstress in der

Familie.

Mögliche Vorteile der Vertrauens-arbeitszeit für den Arbeitgeber

• Anpassung des Personalstandesan die Auslastung

• Steigerung der Produktivität• Größere Kundenorientierung

durch kürzere Lieferzeiten,verlängerte Öffnungszeitenund Termintreue

• Abbau von Mehrarbeit undMehrarbeitszuschlägen

• Abbau von Fehlzeiten• Erhöhung der Arbeitsmotivation• Höhere Bindung der Beschäf-

tigten an das Unternehmen• Verbesserung des Betriebsklimas• Bessere Position am Arbeits-

markt• Wegfall von Kontroll- und

Hierarchieebenen

Mögliche Nachteile der Vertrauens-arbeitszeit für die Arbeitgeber

• Kosten für Qualifizierungsmaß-nahmen

• Kosten durch Umstellung derArbeitsorganisation

• Konflikte• Zeitverlust durch die Umstel-

lung, Planungs- und Abstim-mungsnotwendigkeit

• Kontroll- und Hierarchieverlust

Vor- und Nachteile derVertrauensarbeitszeitfür Betriebe, Beschäf-

tigte und Kunden

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Die Gegenseitigkeit muss funktionieren

Ein Plädoyer für die Vertrauensarbeitszeit

Bei IBM wird Vertrauensarbeitszeit seit einigen Jahren praktiziert. Ein-geführt wurde das neue Zeitmodell am 1. Januar 1999 mit dem Arbeits-zeit-Tarifvertrag zwischen IBM und DAG. Bei den rund 200 Mitarbeiterneiner IBM-Tochter in Rodgau kommt das neue Arbeitszeitmodell gut an.Dennoch wird das Thema kontrovers diskutiert: Denn aus den anderenBetriebsstätten wie auch der Stuttgarter Hauptverwaltung des Konzernskommen nach den ersten Erfahrungen nicht nur begeisterte Rückmel-dungen. Zu viel Druck durch unerreichbare Zielvorgaben, enormer Stressund die Angst zu versagen und dadurch mehr ’freiwillige’ Arbeit(szeit)denn je – so lauten die Klagen der Beschäftigten. Martina Schmid, ehe-malige stellvertretende Betriebsratsvorsitzende in Rodgau, ist trotz dieserNegativerfahrungen dennoch für das neue Modell. Für sie bedeutetVertrauensarbeitszeit „Verbesserung der Lebensqualität, wenn beideSeiten – Management und Mitarbeiter – in der Lage sind, das zu leben.”

Warum wurde in Ihrem Unternehmen die Arbeitszeit umgestellt?

Man könnte sagen, die Zeit war einfach reif für eine andere, zeitge-mäße Form der Arbeitszeit. Die alte Methode der Arbeitszeiterfassungwie z. B. die Stempeluhr passte einfach nicht mehr in unsere High-tech-Landschaft und nicht zum Wandel bei IBM vom Hardwareher-steller zum Dienstleistungsunternehmen. Das neue Arbeitszeitmodelldeckt Arbeitsspitzen wie auch Zeiten geringeren Arbeitsvolumensflexibel ab, es verbessert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf undunterstützt die ortsunabhängige mobile ’Telearbeit’. Da jeder seineZeit frei einteilt, entzerrt das die An- und Rückfahrtswege und entlas-tet damit, mal mehr, mal weniger, auch die Umwelt.

Wie wurde Vertrauensarbeitszeit bei Ihnen umgesetzt?

Bei uns in Rodgau erstaunlich reibungslos. Das liegt aber daran, dasses bei uns viele Vorstufen gegeben hat. Zum einen wurde bei unsschon immer im Team gearbeitet, zum anderen hatten wir schon seitJahren gute Erfahrungen mit einer sehr flexiblen Gleitzeit gemacht.Außerdem gab es bei einigen Unternehmensteilen, wie z. B. dem Ver-trieb, eine ’geübte Praxis’ mit dieser Art der Arbeitszeitsouveränität. Eswar also im Grunde kaum etwas Neues für uns. Nach Abschluss desTarifvertrags und nachdem die Mitarbeiter von Geschäftsleitung undBetriebsrat informiert waren, wurde ohne eine spezielle Pilotphase dieArbeitszeitsouveränität zum Stichtag eingeführt. Jedoch haben unser

Interviewmit Martina Schmid

Kontakt:

Martina Schmid

ITS Wartungsteile-Vertrieb –

Marketing & Support

Senefelderstr. 2,

63110 Rodgau,

Tel.: (06106) 89 35 35,

Fax: (06106) 89 32 29E-Mail: [email protected]

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Tarifpartner, der Betriebsrat und der betriebsärztliche Dienst die Ein-führung begleitet.

Was heißt das konkret?

Der Betriebsrat hat z. B. in Betriebsversammlungen, Team-Meetings,in Einzelgesprächen informiert und natürlich bei Gesprächen auf dem’Flur’ Fragen, Fragen und nochmals Fragen dazu beantwortet. Derbetriebsärztliche Dienst hat den BR bei allen Themen zum ThemaGesundheit unterstützt und beraten und die Mitarbeiter auch direktinformiert, z. B. mit Informationen zum Thema Stress. Zudem gibt esauch eine Datenbank ’Well being’, die sich nur mit diesen Themenbeschäftigt und auf die alle Mitarbeiter Zugriff haben. Und die DAGschließlich hat in ihren Mitteilungen (dag.memo) das Thema Vertrau-ensarbeitszeit aufgenommen und aus ihrer Sicht informiert. Das alleshat vielen geholfen, nach einer anfänglichen leichten Verunsicherung,ihre Zeit recht schnell souverän gestalten zu können.

Wie wird Vertrauensarbeitszeit nun gelebt?

Souverän und eigenverantwortlich entscheiden die Beschäftigten überdie eigene Arbeitszeit zwischen 6 und 20 Uhr. Sie bestimme die Ver-teilung am Tag und in der Woche, im Einklang mit den Notwendig-keiten der Arbeit und der eigenen Ziele. Dazu gehört jedoch auch,dass man lernen muss ’loszulassen’ oder aber Arbeitsbelastungenentsprechend rechtzeitig aufzuzeigen. Eigenverantwortung will gelerntsein und manch eine/r muss da auch mal über seinen Schatten sprin-gen. Denn viele sind es nicht gewohnt oder haben nicht gelernt,Grenzen aufzuzeigen und auch mal nein zu sagen. Das setzt Durch-setzungsvermögen voraus. Ich als Mitarbeiterin bin gefordert zu sagen,„Stopp, das geht jetzt nicht mehr“.

Heißt das, Vertrauensarbeitszeit ist nur etwasfür starke Mitarbeiter?

Jein. Schließlich ist das keine Einbahnstraße. Das Management, dasheißt der jeweilige Vorgesetzte, hat dafür Sorge zu tragen, dass ichmeine Ziele auch erreichen kann. Die Führungskraft hat die Verantwor-tung für die Arbeitsbelastung (Zielvergabe) und somit für die Gesundheitdes Einzelnen. Bei hoher Arbeitsbelastung muss sie einen möglichstzeitnahen Ausgleich ermöglichen. Und diese Zielvorgaben werden janicht einseitig festgelegt. Da wird ja intensiv vorher miteinander gere-det. Und da habe ich dann die Möglichkeit zu sagen, das ist mir zuviel.

Und da gibt es in der Praxis keine Probleme?

Eine derartige neue Arbeitsform, in der ich weitgehend selbstbestim-mend arbeiten kann, wird selbstverständlich nicht ohne Problemeeingeführt werden. Hier verschieben sich althergebrachte Werte. Eszählt nicht mehr die Anwesenheitspflicht innerhalb eines bestimmten

Ein Plädoyer für dieVertrauensarbeitszeit

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Zeitraumes, sondern es geht darum, die notwendige Zeit anwesendzu sein, um seine Ergebnisse und Ziele zu erreichen. Problematischwar z. B. in Einzelfällen, das Bewusstsein für diese Souveränität zuwecken. Damit umgehen kann derjenige, der sich der Bedeutungseiner Zielvereinbarung für seine Aufgabe und des Wertes der ’Zeit’für seine persönliche Freizeit bewusst ist. Durch Tarifverträge, wiez. B. zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wird dieserGedanke vom Unternehmen gefördert und unterstützt.

Generell erfordert die Einführung von Vertrauensarbeitszeit ein Umden-ken bei allen Betroffenen – Mitarbeitern und Management. Besonders giltdas allerdings für das Management: weg von Kontrolle der Anwesenheithin zu einer vertrauensorientierten Zusammenarbeit. Ein Beispiel: Wennich – abgestimmt mit meinem Partner im Team – um 14 Uhr nach Hausgehe, informiere ich meinen Chef, damit er Bescheid weiß, was in seinerAbteilung los ist. Ich frage ihn jedoch schon lange nicht mehr, ob ich um14 Uhr gehen darf. Er weiß im Gegenzug, dass mein Kollege und ichunsere Arbeit bestmöglich erledigen und vertraut uns. Ohne diese gegen-seitige Akzeptanz und Vertrauen funktioniert das Prinzip der Zeitsouve-ränität nicht. Mitarbeiter und Management müssen das als gleichwertigePartner leben. Ohne Gegenseitigkeit funktioniert das nicht.

Hat sich bei IBM also der Führungsstil verändert?

Aufgrund der vorangegangenen weitgehenden Erfahrungen mit Gleit-zeit und mobiler Telearbeit haben sich die Führungskräfte schon im-mer mit diesen Themen auseinandersetzen müssen. In einigen Fällenhat das Umdenken allerdings noch nicht so komplett stattgefunden,damit Zeitsouveränität auch gelebt werden kann. Oft steht noch dasAnwesenheitsprinzip bei den Führungskräften im Vordergrund. DieUnternehmensleitung ist hier weiter gefordert, das Führungsteamdabei zu motivieren und zu unterstützen. Nicht nur der Mitarbeitermuss lernen ’loszulassen’, auch die Führungskraft muss lernen, dieMitarbeiter ’loszulassen’.

Und was muss der Betriebsrat loslassen?

Ja, der Betriebsrat gerät dabei etwas ins Hintertreffen. Er kommtschwerer an Informationen z. B. über Mehrarbeit in kritischen Berei-chen. Allen Beschäftigten steht zwar ein Online-Zeiterfassungssystemzur Verfügung. Zur Bezahlung geleisteter Mehrarbeit außerhalb desZeitkorridors (6 – 20 Uhr) ist diese Online-Zeiterfassung erforderlich.Wer das allerdings nicht will, muss auch nicht. Zusätzlich muss lautArbeitszeitgesetz dokumentiert werden, wenn die tägliche Arbeitszeitüberschritten wird. Bei IBM ist dies allerdings jedem Mitarbeiter frei-gestellt. Der BR erfährt also nur eingeschränkt von Mehrarbeit, d. h.nur wenn die Online-Zeiterfassung genutzt wird oder wenn der Ein-zelne reklamiert, falls z. B. ein Zeitausgleich nicht gewährt wird. Fürden Betriebsrat heißt das, dass er verstärkt den Kontakt zu den Mitar-beitern suchen muss, um dranzubleiben.

Ein Plädoyer für dieVertrauensarbeitszeit

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„Der Einstieg in die Selbstausbeutung“

10 Thesen gegen Vertrauensarbeitszeit

Rolf Zimmermann ist Betriebsrat im Allianz Konzern, Mitglied des Bun-desfachbereichsvorstands Finanzdienstleistungen und des Bundesfach-gruppenvorstands Versicherungen der Gewerkschaft ver.di.

Im Allianz-Konzern ist die Einführung von Vertrauensarbeitszeit bereitsverschiedentlich diskutiert, jedoch bis jetzt nicht umgesetzt worden.Wenn auch bislang ohne eigene konkrete Erfahrungen, so hat der Be-triebsrat aus der Beobachtung anderer ’Vertrauensarbeitszeitler’ den-noch eine klare Meinung dazu: „Vertrauensarbeitszeit ist der Einstieg indie Selbstausbeutung, weil hier die Arbeitnehmer einen Teil des unter-nehmerischen Risikos tragen müssen, ohne jedoch an dem unterneh-merischen Gewinn beteiligt zu sein. Welches Arbeitsergebnis seineBelegschaft erzielt, dieses Risiko hat eben und hatte auch bisher immerder Unternehmer zu tragen und nicht der Arbeitnehmer.“

Der Gewerkschafter weiß dabei sehr wohl solche Werte wie Eigenver-antwortung und Zeitsouveränität für die Beschäftigten zu schätzen.Doch wehrt er sich gegen den seiner Meinung nach zu hohen Preis,den sie dafür bezahlen müssen. Danach gefragt, wie er sich Vertrauens-arbeitszeit wünscht, damit sie ihre positiven Wirkungen entfalten kann,hat er einen „ganz einfachen Vorschlag“: „Die Zeit freigeben, ohne dasArbeitsergebnis zu kontrollieren. Wenn ein Arbeitgeber es ernst meintmit dem Vertrauen und sagt, wir wollen für die Mitarbeiter Freiräumeschaffen und vertrauen darauf, dass sie mit ihrem freiwilligen Einsatzdas Unternehmen mit guten Arbeitsergebnissen belohnen – das wärefür mich ein Vertrauensarbeitszeitmodell ohne Pferdefuß. Dieser Preisist fair und akzeptabel. Selbstausbeutung wird es auch da geben, aberhierbei kann jeder Beschäftigte selbst entscheiden, was er sich zumutenkann und was nicht.“

Von solch einem Modell hat Rolf Zimmermann bislang allerdings nochnie gehört. „Deshalb bleibe ich wohl noch eine Weile bei meinen zehnThesen gegen die Vertrauensarbeitszeit“.

Interviewmit Rolf Zimmermann

Kontakt:

Rolf Zimmermann

Tel.: (069) 71 26 25 58

eMail:[email protected]

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Arbeitgeber habenKEIN Vertrauen in ihre Arbeitnehmer

Vertrauensarbeitszeit bedeutet nicht: „Ich vertraue Dir!“ Es bedeutet:„In Zukunft kontrolliere ich nicht mehr Dein Arbeitszeitverhalten,sondern Deine Arbeitsleistung.“

Arbeitsleistung interessiert den ArbeitgeberMEHR als Arbeitszeit

Als Arbeitgeber ist die Information: „Gestern war Müller acht Stundenanwesend“ nicht so spannend wie die Information „Gestern hat Mül-ler 143 Vorgänge bearbeitet.“

Es wird leichter, DRUCKauf den Arbeitnehmer auszuüben

Die Arbeitszeit bleibt prinzipiell konstant. „Morgen bleibst Du achtStunden hier“ ist im Grundsatz nicht steigerbar. Es sagt auch nichtsüber die Belastung aus. Aber „Morgen erledigst Du 140 Vorgänge“kann gesteigert werden. Auf 142, 144, 146, 148 Vorgänge etc.

Der Arbeitnehmer wird zumUNTERNEHMER

Prinzipiell ist ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet, eine bestimmteLeistung (142 Vorgänge) zu erbringen. Er schuldet Arbeitszeit sowieEinsatz und Qualität mittlerer Art und Güte. Er ist nicht verpflichtet,eine bestimmte Menge oder ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen.Das ist eigentlich ’das unternehmerische Risiko’. Dieses wird im Rah-men der Vertrauensarbeitszeit dem Arbeitnehmer aufgebürdet.

Die Gefahr des‚GLÄSERNEN MITARBEITERS‘ steigt

Viele Betriebsräte nutzen ihr Mitbestimmungsrecht nach § 87.I.6Betr.VG, um EDV-Kontrollen auf Mitarbeiterebene weitestgehend zuunterbinden. Das ist unter den Bedingungen der Vertrauensarbeitszeitnicht aufrechtzuhalten.

10 Thesen gegenVertrauensarbeitszeit 1

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Vertrauensarbeitszeit ist der Einstieg in’OLYMPISCHE SPIELE’

Durch Arbeitszeitkontrollen kann man den Mitarbeiter nur sehr schwerin Wettbewerbssituationen bringen. Eine Kontrolle und Veröffentli-chung der Arbeitsergebnisse dagegen erreicht dies sehr wohl. Somitkönnte das olympische Motto: „Schneller, weiter, höher“ größere Be-deutung in den Betrieben erhalten.

Die SOLIDARITÄT geht flöten

Mitarbeiter, deren Arbeitsergebnisse gemessen werden, habenkein Interesse mehr, einem anderen Mitarbeiter zu helfen. Man will jader Bessere sein.

Zeitguthaben ABZUBAUEN wird schwieriger

Bei einer flexiblen Arbeitszeitregelung kann ich schwarz aufweiß nachweisen, wie viel Gutzeit ich habe und diese abbauen. Beider Vertrauensarbeitszeit kann ich diesen präzisen Nachweis nicht er-bringen. Das erschwert den Abbau von Zeitguthaben, sowohl psy-chologisch als auch faktisch. „Chef, ich habe so viel gearbeitet, dassich jetzt eine Woche nicht komme“, ist ohne präzisen Zeitnachweisnatürlich viel schwieriger durchzusetzen als mit einem präzisen Zeit-nachweis.

Die Überprüfung der Einhaltung der tariflichenund gesetzlichen ARBEITSZEITREGELUNGENwird fast unmöglich

Bereits jetzt gibt es eine riesige Anzahl von Verstößen gegen Arbeits-zeitregelungen. Die Vertrauensarbeitszeit wird sich auswirken wie dieAbschaffung von Geschwindigkeitskontrollen im Straßenverkehr. FreieFahrt dem freien Unternehmertum.

Vertrauensarbeitszeit ist der Einstieg inweitere Instrumentarien zurERHÖHUNG DES LEISTUNGSDRUCKS

Zur Vertrauensarbeitszeit gehört die Bereitstellung von Leistungsdatendes einzelnen Mitarbeiters (siehe These 5). Damit ist sie auch einEinstieg in ’Zielvereinbarungen’ und ’Entgeltflexibilisierung’. Hierbeihandelt es sich aus Sicht der Arbeitnehmer ebenfalls um sehr proble-matische risikobehaftete Führungsmethoden.

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Die Umsetzung

Schritt für Schritt: Die fünf Phasen zur Einführung dersozialverträglichen Vertrauensarbeitszeit

Nachfolgend stellen wir Ihnen die fünf Phasen zur Einführung dersozialverträglichen Vertrauensarbeitszeit vor – Verfahrensvorschlä-ge und Methoden, mit denen Sie ’Ihr’ flexibles Arbeitszeitmodellentwickeln können.

Hier zunächst die Schritte in der Übersicht:

Warum eine andere Arbeitszeitgestaltung? Phase I

Problemanalyse ’Alte Arbeitszeitregelung’: Analyse der Bedürfnisseder Beschäftigten, des Betriebs, der Kunden. Information der Mitar-beiter.

Welche Modelle zur Vertrauensarbeitszeit gibt es, und welches passt am besten zu uns? Phase II

Auswertung der Problemanalyse; Zielfindung und Entscheidung.

Wie soll unser Modell zur Vertrauensarbeitszeit konkret aussehen? Phase III

Entwicklung einer ’befristeten’ Betriebsvereinbarung.

Wie bewährt sich das neue Arbeitszeitmodell im betrieblichen Alltag? Phase IV

Erprobung, Überprüfung und Entwicklung.

Was müssen wir nachbessern? Welche Qualifizierungsmaßnahmen brauchen wir? Phase V

Sammeln und Auswerten der Erfahrungen. Optimierung und Erweite-rung des Umsetzungsverfahrens.

Bevor Sie loslegen können, sind weitere Vorarbeiten nötig: Bilden Sieeine ’Zeit’-Arbeitsgruppe und leisten Sie bereits im Vorfeld Überzeu-gungsarbeit; achten Sie darauf, Mitarbeiter und Führungskräfte zuqualifizieren.

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Und vergessen Sie vor allem eines nicht: Halten Sie die Beteiligtenüber alle Schritte dieses Prozesses auf dem Laufenden! InformierenSie kurz und knapp, aber trotzdem umfassend, über den Stand derDinge. Lassen Sie Mitarbeiter und Betriebsleitung, die anderen Be-triebsratsmitglieder und Management nicht erst lange über Ihre Arbeiträtseln.

Vermeiden Sie bei Ihrer Informationspolitik großangelegte Zahlenauf-stellungen, die doch kaum jemand lesen kann und will. Bei (zeitli-chen) Veränderungsprozessen wird oft viel ’Blattwerk’ produziert, umauch alle ’Details’ zu protokollieren. Dabei geht dann meist die Über-sicht verloren. Konzentrieren Sie sich deshalb auf das Wesentlicheund machen Sie den ’roten Faden’ Ihrer Handlungen deutlich. Daskönnte z. B. so aussehen:

Der Betriebsrat informiert

Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Es geht um unsere Arbeitszeit! Immer häufiger erreichen uns Be-schwerden über unsere Arbeitszeitregelung: Die jetzige Arbeits-zeitregelung sei zu starr und nicht mehr bedürfnisgerecht. Manchemöchten eine Teilzeitstelle, bekommen aber keine; und anderewollen Altersteilzeit oder ihre Arbeitszeit flexibler und autonomergestalten können.

Die Zeit scheint reif, dass wir uns flexible Arbeitszeitmodelle genau-er anschauen. Wir haben deshalb Frau Petra Sommer von derDienst AG eingeladen. Frau Sommer ist Mitglied des Betriebsratsund des betrieblichen Arbeitszeitausschusses. Sie wird uns über dieErfahrungen der Belegschaft bei der Umsetzung ihrer flexiblen Ar-beitszeitregelung berichten. Anschließend möchten wir Euch zweiWege vorstellen, um bei uns den Bedarf für „neue Zeiten“ festzu-stellen.

Wir laden zu einer Betriebsversammlung ein und hoffen auf einerege Diskussion. Frau Sommer kommt am 15. 8. 2001, von 16.30bis 18.00 Uhr.

Ort: Großer Sitzungsraum

P.S.: Diese Zeit gilt als Arbeitszeit

Die 5 Phasen zurEinführung der sozial-

verträglichenVertrauensarbeitszeit

BTQ-TIPP:

Keine Geheimbündelei!Interne

Kommunikation –das A und O

Die interne Kommu-nikation ist das A und

O in diesem Prozess.Lassen Sie die Beteilig-

ten – Betriebsrat, Be-legschaft, Betriebslei-tung – wissen, welcheÜberlegungen Sie an-

stellen, welche SchritteSie planen und welche

Ziele Sie verfolgen.Denn zu leicht könnte

sonst der Eindruck vonGeheimbündelei, ver-

steckten Interessen unddubiosen Machenschaf-ten entstehen, was das

Projekt eines inno-vativen Zeitmodells von

vornherein zum Schei-tern verurteilt.

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Phase I:Warum eine andere Arbeitszeitgestaltung?

Die Vorbereitung

Bevor Sie sich an die Umsetzung eines neuen Arbeitszeitmodells ma-chen, sollte Ihnen klar sein, dass solche Veränderungen ihre Zeitbrauchen. Versuchen Sie herauszubekommen, wo der Schuh drückt,welche Probleme es mit dem alten Arbeitszeitsystem gibt und welcheBedürfnisse Ihre Kollegen haben. Vereinbaren Sie Gespräche mit derGeschäftsleitung, um deren Interessen zu diesem Thema kennen zulernen.

Zur Vorbereitung gehören zwei wichtige Bestandteile: Der Arbeits-zeitausschuss und die Pilotphase.

Der ArbeitszeitausschussSehr wichtig für die Umsetzung der flexiblen Arbeitszeiten ist einArbeitszeitausschuss, den Sie in Kooperation mit dem Managementund engagierten Mitarbeitern ins Leben rufen sollten. Er trägt dieVerantwortung für die Analyse, die Umsetzung und die AuswertungIhres Flexibilisierungsmodells und sollte einen festen Kern von Mit-gliedern haben. Unserer Erfahrung nach ist eine Gruppengröße vonfünf Mitgliedern optimal: jeweils zwei Personen aus Betriebsrat, Ge-schäftsleitung und eine Person aus der Belegschaft. In heißen Phasenkann es hier sinnvoll sein, die Moderation einer externen Person zuübergeben oder einen Sachverständigen hinzuziehen.

Legen Sie gleich zu Beginn Ihrer Zusammenarbeit Spielregeln fest:

Einigen Sie sich auf die Aufgabe Klären und verteilen Sie die Aufgabenbereiche Einigen Sie sich auf die Art der Zusammenarbeit (Mehrheitsent-

scheidungen contra Einstimmigkeit; externe, interne oder rotieren-de Moderation)

Klären Sie den zeitlichen Umfang; treffen Sie Terminabsprachen.

Die PilotphaseEs ist sinnvoll, Ihr Modell zur Vertrauensarbeitszeit zu testen. Das be-deutet, dass ein Teil des Betriebes mit der ’neuen Zeit’ geht und dasneue Modell ausprobiert. Erst nach dieser Probephase wird ’grünes’oder ’rotes’ Licht für die betriebliche Arbeitszeitveränderung gegeben.Wichtig: Legen Sie gleich zu Anfang die Dauer Ihrer Pilotphase fest.

Die Umsetzung:Phase I:Warum eine andereArbeitszeitgestaltung?

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Die Problem-Analyse Zur Analyse des Ist-Zustandes gibt es verschiedene Methoden:

Offene Gespräche mit Betroffenen (eignet sich für kleine Betriebe) Workshops mit Vertretern der jeweiligen Interessensgruppen (Be-

triebsrat/Management/Mitarbeiter) Fragebogenaktion

Für welche Methode Sie sich auch entscheiden, Sie sollten Antwortenauf mindestens drei Fragen bekommen:

1. Welche Probleme gibt es mit unserer bisherigen Arbeitszeit-regelung?

2. Was hat sich an der jetzigen Arbeitszeitregelung bewährt?3. Welche Möglichkeiten verbinde ich mit Vertrauensarbeitszeit?

Nach einer ersten Informationsveranstaltung sollten Sie sich für eineder Methoden entscheiden, um den gegenwärtigen Arbeitszeitprob-lemen Ihrer Kollegen auf die Spur zu kommen. Wir möchten Ihnenzwei Wege genauer vorstellen:

a) Der Fragebogen

Mit einem Fragebogen können Sie ein relativ differenziertes Bild derBelegschaft zum Thema Arbeitszeitflexibilisierung erhalten. Wir habendafür einen etwas umfangreicheren Fragebogen entwickelt, der dasmeist sehr bunte Meinungsbild der Belegschaft widerspiegeln wird.Eine solche anonyme Umfrage wird Sie in die Lage versetzen, dieAussagen Ihrer Kollegen mit auf die Waagschale für oder wider ’Ver-trauensarbeitszeit’ zu legen. Aber beachten Sie: Eine solche Umfrageist nur dann sinnvoll, wenn die Belegschaft zum Thema informiertworden ist.

Unser Fragebogen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ganzim Gegenteil: Der Fragebogen soll von Ihnen (je nach Organisation)modifiziert werden. Achten Sie jedoch darauf, dass er auch nicht zuausführlich gerät, da sonst Ausfüllen wie Auswerten immer schwererfallen. Noch eins: Der Fragebogen sollte anonym, aber nach Ge-schlecht unterscheidbar sein (z. B. über verschiedene Farben).

Die Umsetzung:Phase I:

Warum eine andereArbeitszeitgestaltung?

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Fragebogen zur Arbeitszeitgestaltung

1. Wie viele Stunden müssen Sie (tarif-)vertraglich arbeiten?

2. Wie viele Stunden haben Sie im vergangenen halben Jahr durchschnitt-lich gearbeitet?

3. Wie viele Stunden möchten Sie wöchentlich arbeiten?

4. Zu welchen Zeiten möchten Sie gerne arbeiten?

5. Sind Sie mit dem bestehenden Arbeitszeitmodell zufrieden?

Ja Nein

6. Wäre eine flexiblere und eigenverantwortlichere Gestaltung Ihrer Ar-beitszeit attraktiv für Sie?

Ja Nein

7. Wenn ja, aus welchen Gründen würden Sie gerne ihre Arbeitszeit fle-xibler und eigenverantwortlicher gestalten? (Mehrfachnennungenmöglich)

Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie Bessere Vereinbarkeit mit meinen Freizeitinteressen Mehr Zeit für Fortbildung Mehr Möglichkeiten für zusammenhängenden Freizeitausgleich Größere Arbeitszufriedenheit Weniger Stress bei der An- und Abfahrt Weniger Stress bei Versorgungsleistungen (Einkäufen u. ä.) Mehr Eigenverantwortlichkeit bei der Arbeit Weniger Kontrolle durch den Vorgesetzten Sonstige Gründe:

8. Wenn nein, aus welchen Gründen wollen Sie lieber nicht Ihre Arbeits-zeit flexibler und eigenverantwortlicher gestalten? (Mehrfachnennungenmöglich) Ich bin zufrieden mit meiner jetzigen Arbeitszeitregelung. Das bringt nur Ärger mit den Kollegen. Wer kontrolliert dann die Arbeitszeit? Ich müsste alles neu organisieren. Für meine Kunden bedeutet das nur Unsicherheiten. Für meine persönliche Planung (Urlaub u. ä.) sind das Unklarheiten. Freizeit und Arbeitszeit sind dann nicht mehr eindeutig getrennt. Nach was richtet sich meine Bezahlung? Ich habe die Befürchtung, dass die Belastung größer wird. Das Unternehmen ist nicht reif dafür. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es funktioniert! Sonstige Gründe:

9. Sind Sie an weitergehenden Informationen zum Thema Vertrauensar-beitszeit interessiert?

Ja Nein

Die Umsetzung:Phase I:Warum eine andereArbeitszeitgestaltung?

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Wie gehen Sie nun mit den verschiedenen Ergebnissen um? Zualler-erst gilt: Machen Sie das Ergebnis bei allen Beteiligten publik. Es isthöchst kontraproduktiv, eine solche Aktion zu starten, ohne hinterherdarüber zu informieren – entweder auf einer Betriebsversammlung, ineinem Rundschreiben oder in einem Aushang. Zudem sollte das Er-gebnis in allen Punkten wiedergegeben werden, d. h. alle Antwortenauf alle Fragen, z. B.:

„Sind Sie mit der jetzigen Arbeitszeitregelung zufrieden?”

Diese Frage wurde von 92 Personen beantwortet. Davon waren: 59 Frauen und 33 Männer.13% beantworteten diese Frage mit ’Ja ’,72% mit ’Nein ’,15% mit ’Teilweise ’.

Sie müssen damit rechnen, dass die Ergebnisse ganz unterschiedlicheArbeitszeitwünsche und Vorlieben ergeben. Die Hoffnung, alle Be-schäftigten hätten dieselben oder ähnliche Zeitprioritäten, die eineinheitliches Arbeitszeitmodell ermöglichen, trügt in der Regel. Gera-de deshalb müssen Umfrageergebnis und Vorgehen transparent undnachvollziehbar sein. Erst wenn über die unterschiedlichen Interessen(von ’früh anfangen und früh aufhören’ über den Wunsch nach Lang-zeiturlaub oder versetzten Arbeitszeiten bis hin zum ’ich bin mit demjetzigen Modell zufrieden’) auch unter den Beschäftigten Klarheitbesteht, kann ein Rahmen, in dem die Zeitpräferenzen der Beschäf-tigten ihren Platz haben, erarbeitet werden.

Der nächste Schritt lautet ’Diskussion der Ergebnisse’. Dafür empfiehltes sich, mit Hilfe eines (externen) Moderators im Arbeitszeitausschusszu fragen, welches Vorgehen angesichts des Fragebogen-Ergebnissesanzustreben ist.

Das heißt:

Müssen wir zunächst eine weitere Informationsveranstaltung zumThema organisieren?

Brauchen wir einen externen Berater? Können wir an die Umsetzung gehen? Müssen wir unsere Ziele selbst klarer benennen? Können wir auf die Unterstützung aus der Belegschaft rechnen? Müssen wir Missverständnisse klären? Können wir unser weiteres Vorgehen planen? Müssen wir Überzeugungsarbeit leisten? Müssen wir das Projekt aufgeben?

Sie haben die Umfrage gemacht – aber damit wissen Sie noch langenicht, welche Art von Flexibilisierung die Belegschaft für sinnvoll hält.Wenn Sie mehr als nur ein Placet wollen, nämlich eine aktive Beteiligungder Belegschaft, kann das Workshop-Verfahren sinnvoll für Sie sein.

Die Umsetzung:Phase I:

Warum eine andereArbeitszeitgestaltung?

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b) Das Workshop-Verfahren

Der Workshop hat das Ziel, Mitarbeiter und Führungskräfte aktiv andem zeitlichen Umstrukturierungsprozess zu beteiligen. Wichtig ist,die bisherige Arbeitszeitregelung aus der Sicht der Betroffenen kennenzu lernen. Der Vorteil dieser Methode: Die Mitarbeiter selbst entwi-ckeln Optimierungsvorschläge, die nachfolgend vom Arbeitszeitaus-schuss aufgegriffen und zu einem innovativen Zeitmodell modifiziertwerden können.

Im Workshop können erste Ziele für einen Arbeitszeitprozess erarbei-tet werden. Außerdem wird hier auf die Probleme hingewiesen, diedie Umstrukturierung höchstwahrscheinlich mit sich bringen wird – inbezug auf Technik, Finanzen, Personalführung, Qualifizierung etc.

An dem Workshop sollten interessierte Mitarbeiter und Führungskräfteteilnehmen. Achten Sie jedoch auf ein ausgewogenes Verhältnis: Sosollten Führungskräfte nicht die Mehrheit stellen, weil die Mitarbeitersich sonst nicht so offen äußern. Mitunter ist es sinnvoll, getrennteWorkshops für Mitarbeiter und Führungskräfte durchzuführen, umunnötige Polarisierungen zu vermeiden. Grundsätzlich gilt: Fünf biszehn Prozent der Mitarbeiter eines Betriebes sollten sich in demWorkshop wiederfinden. Betriebsrat, aber auch die Geschäftsleitungkönnen dazu einladen. Maximale Teilnehmerzahl: 20 Personen, hinzukommen ein Moderator und ein Assistent für die Protokollführung.

Der Ablauf des Workshops kann so aussehen:

Der Moderator, der Assistent und die Teilnehmer stellen sich und ihreFunktion vor. Die Aufgabe des Assistenten als Protokollführer solltehier geklärt werden: Er führt das Protokoll, ohne die Namen der Betei-ligten zu nennen. Es wird anschließend dem Arbeitszeitausschuss zurVerfügung gestellt und dient als Grundlage für den gesamten Prozess.

Der Moderator weist für das Gelingen der gemeinsamen Arbeit auffolgende wichtige Regeln hin:

Zuhören Andere ausreden lassen Sich kurz fassen Sich auf den Vorredner beziehen Blickkontakt halten Eigenen Standpunkt deutlich machen Andere Standpunkte akzeptieren Rückmeldung geben und annehmen

Die Umsetzung:Phase I:Warum eine andereArbeitszeitgestaltung?

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1. Schritt: Die bisherige Arbeitszeitregelung.

Ziel: Die Gruppe erhält einen gemeinsamen Wissensstand.Die Teilnehmer fangen an, gemeinsam zu arbeiten.

Methode: Lehrgespräch/Zusammenfassung auf dem Flip-Chart.

Inhalt: Die gültige Betriebsvereinbarung wird von den Teil-nehmern in einem gemeinsamen Gespräch zusam-mengetragen.

2. Schritt: Problematisches und Bewährtes der bisherigenRegelung

Ziel: Die Gruppe beschreibt die Probleme und erarbeitetheraus, was erhaltenswert ist.

Methode: Kartenabfrage. 5 Karten/Teilnehmer. Dicke Filzschrei-ber für die Beschriftung.

Inhalt: Der Moderator präsentiert die Fragen ’Welche Prob-leme bestehen mit der jetzigen Arbeitszeitregelung’;’Was ist sinnvoll und hat sich bewährt? ’ und erklärtdie Kartenabfrage: Keine Sätze, sondern Stichworteauf jede Karte, am besten in Druckschrift. Die Teil-nehmer haben 15 Minuten Zeit. Danach sammeltder Moderator die Karten ein und mischt sie.

3. Schritt: Vorlesen, Besprechen und Zuordnen der Karten

Ziel: Herausbilden von Themenschwerpunkten.

Methode: Vorlesen aller Karten. Diskussion und Zuordnung inThemenschwerpunkten.

Inhalt: Der Moderator liest die einzelnen Karten vor, fragtnach bei Unklarheiten, richtet die Fragen an dieGesamtgruppe und regt zu Diskussionen an. Dabeibilden sich meist von selbst Themenschwerpunkteheraus, die der Moderator in Themensäulen an diePinwand hängt. Die Oberthemen schreibt der Mo-derator als neue Karte über die Themensäule

4. Schritt: Problemschwerpunkte einordnen und bewerten

Ziel: Herausarbeiten und Bewertung von Problemschwer-punkten

Methode: Punkteverteilung auf den Karten.

Inhalt: Der Moderator verteilt an die Teilnehmer Klebe-punkte (die Anzahl der Klebepunkte orientiert sich ander Menge der Themenschwerpunkte, etwa 1: 3).Jeder Teilnehmer soll nun seine Klebepunkte auf dieOberthemen kleben, die für ihn die wichtigste Prioritäteinnehmen. Es können auch alle Klebepunkte auf einOberthema geklebt werden. Danach ergeben sichmeist überraschende Wendungen, dann nämlich, wenndie Oberthemen – also die Problemschwerpunkte –nach ihrer Punktzahl geordnet werden.

Die Umsetzung:Phase I:

Warum eine andereArbeitszeitgestaltung?

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Lösungsvorschläge erarbeiten 5. Schritt:

Für die wichtigsten Problemschwerpunkte mit deraktuellen Arbeitszeitregelung sollen Lösungsvorschlägeerarbeitet werden.

Ziel:

Kleingruppenarbeit mit anschließender Präsentationin der Gesamtgruppe. Der Moderator ist Berater undUnterstützer.

Methode:

In Kleingruppen (maximal 7 Personen) sollen Lösun-gen für eine neue Arbeitszeit vorgeschlagen werden.Diese Vorschläge werden anschließend im Plenumpräsentiert und diskutiert. Auch ganz unterschiedli-che Lösungswege sollen einander gegenübergestellt,aber nicht wegdiskutiert werden.

Inhalt:

Korrespondenz mit dem Arbeitszeitausschuss 6. Schritt:

Kooperation zwischen Mitarbeitern und Arbeitszeit-ausschuss. Vermittlung der Problemschwerpunkte zuraktuellen Arbeitszeitlage und eine Vermittlung vonpraxisnahen Lösungsvorschlägen. Erhöhung der Ak-zeptanz der neuen Arbeitszeiten bei den Mitarbei-tern, weil es auch ihr Modell ist.

Ziel:

Übermittlung des Protokolls und der formuliertenLösungsvorschläge an den Arbeitszeitausschuss. Auf-nahme der Lösungsvorschläge in das Konzept desAusschusses. Rückmeldung an die Workshop-Teilnehmer.

Methode /Inhalt:

Nach Beendigung der Pilotphase könnte eine Tagungeingerichtet werden, in der die ehemaligen Work-shop-Teilnehmer, die Mitglieder des Arbeitszeitaus-schusses und Vertreter der ’Pilotabteilung’ ihre Er-fahrungen mit der Umsetzung der neuen Arbeitszei-ten in ein optimiertes Arbeitszeitmodell einbringen.

Ausblick:

Die Umsetzung:Phase I:Warum eine andereArbeitszeitgestaltung?

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Phase II:Welche Arbeitszeitmodelle gibt es,und welches passt zu uns?

Sie haben die Zustimmung Ihrer Kollegen für die Einführung flexiblerArbeitszeiten und/oder protokollierte Einschätzungen und Lösungsvor-schläge erhalten. Leicht kann es zu diesem Zeitpunkt passieren, dassSie auf diesen ’Analysetopf’ schnell einen passenden Deckel setzenwollen. Hüten Sie sich davor: Der Deckel passt meist nicht, und Sieverbrennen sich die Finger. Denn was bei dem einen Betrieb gut geht,muss bei Ihnen überhaupt nicht funktionieren. Gehen Sie Ihren eige-nen Weg. Informieren Sie sich bei zuständigen Beratern, welche Ar-beitszeitmodelle möglich sind, laden Sie Leute aus der Praxis ein undgeben Sie sich die Mühe, eigene Ziele zu formulieren. Z. B.:

Attraktive Arbeitszeiten für unsere vorwiegend weiblichen Mitar-beiter einzurichten.

Kundenfreundlichere Öffnungszeiten zu ermöglichen. Verantwortungsvollen Mitarbeitern Verantwortung für ihre Zeit zu

geben. Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer und Frauen

verbessern.

Die Umsetzung:Phase II:

Welche Arbeitszeit-modelle gibt es, und

welches passt zu uns?

BTQ-TIPP:

Hilfe von außen

Wenn dem BetriebsratSachkenntnis zum

Thema ’FlexibleArbeitszeiten’ fehlt

Sie wollen ein neuesinnovatives Arbeitszeit-system entwickeln, dasdie bekannten Schwä-

chen des bisherigenSystems weitgehend

überwindet? Sie habenaber im Betriebsratniemanden mit ent-sprechender Sach-

kenntnis? Dann holenSie sich Hilfe von au-

ßen. Entweder in einemSeminar zu flexiblen

Arbeitszeiten oder vonBeratern im Rahmen

der Sachverständigen-tätigkeit § 80 Abs. 3

BetrVG.

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Phase III:Wie soll unser Modellzur Vertrauensarbeitszeit konkret aussehen?

Nachdem Ziele formuliert und Lösungsvorschläge diskutiert wurden,gilt es, eine Entscheidung für ’Ihr Arbeitszeitmodell zu treffen, die ineine ’befristete’ Betriebsvereinbarung mündet. Denn erst nach derPilotphase, für die die Betriebsvereinbarung Grundlage ist, können Siewissen, ob die neue Arbeitszeitregelung hält, was sie verspricht. Anre-gungen für Regelungspunkte und Formulierungen können sie im Ka-pitel ’Mehr oder weniger? Eckpunkte einer Betriebsvereinbarung zurVertrauensarbeitszeit’ finden. Und auch jetzt gilt wieder: InformierenSie die Belegschaft!

Die Umsetzung:Phase III:Wie soll unser Modellzur Vertrauensarbeits-zeit konkret aussehen?

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Phase IV:Wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus?

Wie setzen Sie Ihr neues Arbeitszeitmodell nun konkret um? Zunächstmüssen Sie im Arbeitszeitausschuss eine ganze Liste von Fragen klä-ren, die vor allem Organisation und Finanzen angehen:

Organisation Welche Abteilungen nehmen an dem Projekt teil? Wie lange soll die Pilotphase dauern? Wie wird die Arbeit im Arbeitszeitausschuss organisiert:

Wer übernimmt die Moderation, wie sind die Aufgaben verteilt,wie sieht der zeitliche Rahmen aus?

Wie sieht die Koordination und Zusammenarbeit zwischen Ar-beitszeitausschuss und den ausgewählten Abteilungen aus, zwi-schen Arbeitszeitausschuss und Betriebsrat/Geschäftsleitung?

Wie werden Mitarbeiter und Kunden informiert?

Personal In welchem Umfang und welcher Form müssen Mitarbeiter und

Führungskräfte geschult werden? Brauchen wir eine kontinuierliche (externe) Beratung? Sollte jemand (freigestellt) mit der Organisation der Pilotphase

betreut werden?

Kosten Welche Kosten kommen mit der Umsetzung auf uns zu für Orga-

nisation, Personal, Technik?

Recht Ist das neue Arbeitszeitmodell rechtlich und tariflich zulässig?

Die Pilotphase

Ist dies alles geklärt, sollten Sie eine ’Modellabteilung ’ auswählen, diein der Pilotphase Ihr neues Arbeitszeitmodell ausprobiert. Wir emp-fehlen, diese Abteilung für die neuen Arbeitszeiten sehr sorgfältigauszusuchen: Sie sollte von ihrer Struktur her ein möglichst breitesSpektrum des Unternehmens abbilden, um sicherzustellen, dass Er-fahrungen und Ergebnisse aus der Pilotphase hinterher auch übertrag-bar sind. Die Teilnahme sollte freiwillig sein.

Wichtig ist, dass Sie für die Pilotphase einen ausreichenden Zeitraum– etwa sechs bis zwölf Monate – ansetzen, um Erfahrungen in mög-lichst vielen verschiedenen Arbeitsperioden einzubeziehen, also z. B.Ferienzeiten genauso wie Zeiten großen Arbeitsanfalls. Gleichzeitig

Die Umsetzung:Phase IV:

Wie sieht dieUmsetzung in der

Praxis aus?

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sollte er aber auch nicht zu lang sein, denn Veränderungen machenAngst. Zudem stellt dies sicher, dass der Prozess gut strukturiert undauch wirklich ergebnisorientiert geführt wird. Meint man es zudemernst mit der Möglichkeit, den Flexibilisierungsversuch auch wiederzurückzunehmen, dann sind sechs Monate Versuchsdauer ein vertret-barer Zeitraum. Die Pilotphase sollte protokolliert werden, um derenVerlauf transparent und auswertbar zu machen.

Für die Pilotphase stehen der Modellabteilung ein Ansprechpartneraus dem Arbeitszeitausschuss zur Verfügung, der den Prozess be-obachtet, berät und rückmeldet. Denn in der Praxis können nun eineReihe von Schwierigkeiten auftauchen, die Ausdruck des neuen Mit-einanders sind: Wird der Teammoderator akzeptiert? Wie geht dieFührungskraft mit der neuen Situation um? Wie wird mit Überlastsitu-ationen umgegangen? Besitzt der Teammoderator die Fähigkeit, imKonfliktfall zu vermitteln? Wie klappt die Zusammenarbeit zwischenArbeitszeitausschuss und Abteilung? Kurzum: Es können eine ganzeReihe von Qualifizierungsprozessen für Mitarbeiter und Führungs-kräfte nötig werden.

Der Arbeitszeitausschuss erarbeitet auf Basis der RückmeldungenIdeen und Konzepte zur Verbesserung und Weiterentwicklung desModells.

Nach Ende der Pilotphase erfolgt noch einmal eine Analyse des ge-samten Prozesses. Sie dient als Entscheidungsgrundlage für eine mög-liche Einführung des neuen Arbeitszeitsystems.

Und auch für die Pilotphase gilt: Informieren Sie Mitarbeiter undFührungskräfte des ausgewählten Bereichs sorgfältig und kontinuierlichüber Ablauf und Organisation des Umsetzungsprozesses. Denn daswirkt sich auf ihre Motivation aus, und die ist mindestens ebensowichtig wie das Wissen, gut informiert zu sein. Nur Kollegen, diehinreichend motiviert sind, an einem solchen Modellversuch teilzu-nehmen, werden mit dem nötigen Engagement dabei sein.

Die Umsetzung:Phase IV:Wie sieht dieUmsetzung in derPraxis aus?

BTQ-Tipp:

’Die Chemie’ ist launisch

Vertrauen Sie lieber aufHandfestes: Regelungenzur Arbeitszeit

Unsere Erfahrungen ausder Beratungspraxis zei-gen, dass das Arbeiten imTeam häufig ein sehrheikler Punkt ist. Oft hö-ren wir das Argument„Bei manchen stimmteben die Chemie, bei an-deren nicht!“ Doch stattauf die „Chemie” zubauen, sollten Sie lieberauf Regelungen ver-trauen – die sind weitweniger launisch undwillkürlich, dafür aberum so sicherer. So kannhier die Wahl einesTeamsprechers sinnvollsein. Der Teamsprecherorganisiert die wöchent-lichen Besprechungenzur Organisation derArbeitszeit. Er ist auchzuständig dafür, Kon-flikte zu schlichten.Wichtig ist es, die Be-treuung von Seiten desArbeitszeitausschussessicherzustellen. Sitzun-gen sollten am Anfangder Laufzeit kontinuier-lich im Abstand von max.14 Tagen stattfinden.

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Phase V:Was müssen wir nachbessern?

Für die Auswertung Ihrer Erfahrungen bietet sich ein weiterer Work-shop an. Das Ergebnis des Workshops sollte im Arbeitszeitausschussdiskutiert werden, der nötigenfalls Änderungen vorschlägt und Opti-mierungsmaßnahmen erarbeitet. Ein Ergebnis kann aber auch sein, dieVertrauensarbeitszeit zugunsten des vorherigen Arbeitszeitmodellszurückzunehmen. Grundsätzlich sollten die Erfahrungen und dieErgebnisse des neuen Systems auf einer Betriebsversammlung vorge-stellt werden. Ob das neue System dann übernommen wird oder allesbeim Alten bleibt, sollten Betriebsrat und Geschäftsleitung besprechenund gegeben falls in einer Betriebsvereinbarung formulieren.

Workshop zum Modellversuch ’Vertrauensarbeitszeit’

In diesem Workshop werden die Teilnehmer des Workshops aus derPhase I, aber auch die Mitglieder des Arbeitszeitausschusses sowieVertreter aus der ’Modellabteilung’ an einen Tisch geholt.

Ziel: Auswertung der gemachten Erfahrungen Optimierung des Arbeitszeitmodells

Methode: Moderiertes GesprächArbeitsgruppenMetaplan

Inhalt: Im Plenum unter Anleitung einer Moderation werdendie ehemaligen Lösungsvorschläge des Analyse-Work-shops in Erinnerung gerufen und per Wandzeitung vor-gestellt. Die konkrete befristete Betriebsvereinbarungwird allen Beteiligten nochmals vorgestellt. Die Regelun-gen der Pilotabteilung werden deutlich gemacht. DieMitglieder des Arbeitszeitausschusses sowie die Teilneh-mer der Modellabteilung berichten von ihren Erfahrun-gen. Dabei sollen folgende Fragen beantwortet werden:

Was lief gut? Was lief schlecht? Welche Konflikte gab es? Wie hat sich die Zusammenarbeit verändert? Wie hat sich die Rolle des Vorgesetzten verändert? Wie wurde mit Überlastsituationen umgegangen? Welche Qualifizierungsmaßnahmen braucht es noch? Welche Verbesserungen sind nötig?

Anschließend erarbeiten alle gemeinsam in Arbeitsgruppen konkrete Ver-besserungsvorschläge. Die Ergebnisse des Workshops werden den Mitar-beitern, der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt.

Die Umsetzung:Phase IV:

Was müssen wirnachbessern?

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Mehr oder weniger?

Eckpunkte einer Betriebsvereinbarungzur Vertrauensarbeitszeit

Wer eine Betriebsvereinbarung (BV) entwickelt, macht sich Gedankendarüber, wie ein neues Arbeits(zeit)modell konkret umgesetzt werdenkann. Je sorgfältiger dies geschieht, um so größer ist die Garantie, dassdas Modell in der Praxis auch erfolgreich funktioniert. Das heißt nicht,dass jede Eventualität geregelt sein muss. Aber die gründliche Ausei-nandersetzung zu den einzelnen Punkten einer BV – sowohl innerhalbdes Betriebsratsgremiums als auch mit dem Arbeitgeber – macht Posi-tionen deutlich und beugt späteren Fehlinterpretationen vor. BeimThema Betriebsvereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit ist zum Beispielvon Arbeitgeberseite oft der Satz „Weniger ist mehr“ zu hören. Werschlägt sich auch schon gern mit kompliziert verfassten Regelungenherum? Tatsächlich ist hier jedoch Vorsicht geboten, verbirgt sich dochdahinter die Aussage: „Je weniger die Betriebsvereinbarung regelt, umso mehr kann zwischen Beschäftigten und Führungskraft hinter ver-schlossenen Türen individuell verhandelt werden“. Bestenfalls erfah-ren noch die Kollegen davon – dem Betriebsrat bleiben die meistensInformationen verschlossen, seine Beteiligungsrechte werden geschicktumgangen. Um so wichtiger erscheint uns, in der Betriebsvereinba-rung auf die gesetzlich verankerten Beteiligungsrechte des Betriebsratshinzuweisen (siehe auch Kapitel ’Alles was Recht ist’, Seite 57), oderdiese durch alternative Regelungen zu ersetzen.

Außerdem kombiniert diese Betriebsvereinbarung Vertrauensarbeitszeitmit dem Modell des ’Ampelkontos’. Das heißt, die Arbeitszeiten werdenzum Schutz vor ’freiwilliger’ und unbezahlter Mehrarbeit auch weiterhinerfasst. Denn die Zeitautonomie der Beschäftigten hängt keineswegsdavon ab, dass die geleisteten Arbeitsstunden nun nicht mehr doku-mentiert werden. Viel wichtiger ist dabei, dass den Beschäftigten zuget-raut wird, verantwortungsbewusst mit ihrer Zeitautonomie umzugehen,ihre Arbeitszeit also bis zu einer bestimmten Grenze individuell zu ges-talten, ohne sich hierfür vom Vorgesetzten die Einwilligung zu holen.

Präambel

Die Präambel markiert die Ziele der neuen Arbeitszeitregelung. Zieleformulieren heißt, sich zu positionieren – innerhalb des Betriebsrats-gremium und gegenüber der Geschäftsführung. Es ist eben ein Unter

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schied, ob mit Vertrauensarbeitszeit erreicht werden soll, dass dieBeschäftigten maximal verfügbar sind und sich alles nur noch amErgebnis orientiert, oder ob es dabei auch um sozialverträgliche Zielegehen soll, wie den Beschäftigten mehr Zeitautonomie, mehr Pla-nungs- und Beschäftigungssicherheit, mehr Qualifizierung und Schutzvor Überlastung zu gewährleisten. In der Präambel zeigt sich, wohindie Reise mit Einführung der Vertrauensarbeitszeit gehen soll. Es lohntsich, diesem Punkt die nötige Sorgfalt zu widmen. Aufgabe des Be-triebsrates ist es hierbei, zunächst einmal die momentane Arbeitszeit-regelung unter die Lupe zu nehmen und sich zu fragen:

Welche Probleme weist die bisherige Arbeitszeitregelung auf?

Was hat sich bewährt?

Was wollen wir mit einem neuen Arbeitszeitmodell erreichen?

Was darf auf keinen Fall geschehen?

Beispiel aus einer Betriebsvereinbarung:Mit der Einführung der Vertrauensarbeitszeit in Verbindung mit demAmpelkonto sollen gleichermaßen zwei Ziele erreicht werden: flexi-bel auf Kunden- und Markterfordernisse reagieren können sowie dieZeitsouveränität und Planungssicherheit der Beschäftigten erweitern.

Mit dieser Vereinbarung können die Mitarbeiter/innen Beginn, Endeund Lage der eigenen Arbeitszeit im Rahmen betrieblicher Erforder-nisse und rechtlicher Schutzvorschriften selbst bestimmen. Dazuwird ein Ampelkonto eingeführt. Dies macht es möglich, Zeitgutha-ben anzusparen oder – und zwar geschützt vor Überlastung – Ar-beitszeitkonten zu überziehen.

Die Einführung sozialverträglicher, flexibler Arbeitszeiten bedeutet,sie so in die Praxis umzusetzen, dass bestehende Arbeitsplätze gesi-chert und neue gefördert werden. Um den Beschäftigten mehr Zeit-souveränität zu gewährleisten und ihre Auslastung zu optimieren,sollen mehr arbeitsplatzübergreifende Vertretungen möglich gemachtwerden. Hierfür werden entsprechende Qualifizierungsmaßnahmenentwickelt und umgesetzt. Das Modell soll darüber hinaus den Be-dürfnissen der beschäftigten Eltern Rechnung tragen.

Von den Betriebsparteien wird ausdrücklich unterstützt, Arbeitszeit-guthaben abzubauen. Aus Gründen des präventiven Gesundheits-schutzes und um Kosten zu reduzieren, streben die Betriebsparteienan, zuschlagspflichtige Mehrarbeit zu vermeiden.

Zur Realisierung dieser Ziele wird begleitend ein Arbeitszeitausschusseingerichtet.

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarung

zur Vertrauens-arbeitszeit

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Geltungsbereich

Für welche Beschäftigtengruppen soll und kann die Arbeitszeitrege-lung gelten? Generell gilt: möglichst viele der Beschäftigten sollten andem Arbeitszeitmodell partizipieren können, auch Außendienstler,Teilzeitkräfte und Auszubildende sowie Führungskräfte und außertarif-lich bezahlte Angestellte. Grundsätzlich ist zu klären, ob die Mehrheitder Beschäftigten in der Lage ist, die vertragliche Arbeitszeit einzuhal-ten und dies eigenverantwortlich zu regeln. Wenn nicht, bedarf es hierzur Einführung des neuen Arbeitszeitmodells besonderer Unterstüt-zung und Begleitung. Zudem muss analysiert werden, ob die Rahmen-bedingungen des Unternehmens einen entsprechenden Spielraum zureigenverantwortlichen Gestaltung der Arbeitszeit garantieren. EngeSchichtpläne, starre Kernzeiten mit Anwesenheitspflicht, zu kleine Teamsund mangelnde arbeitsplatzübergreifende Vertretungsmöglichkeitensind in der Regel Ausschlusskriterien für die Vertrauensarbeitszeit.

Ist zuschlagspflichtige Mehrarbeit und ein Arbeitszeitrahmen vorge-sehen, werden Führungskräfte vom Arbeitgeber gern aus dem Gel-tungsbereich herausgenommen. Meistens sind Führungskräfte jedochebenso Arbeitnehmer im Sinne des §5 BetrVG. Hat die Betriebsver-einbarung das Ziel, Mehrarbeit zu verhindern, sollten gerade dieFührungskräfte Vorbildfunktion übernehmen. Ob außertariflich be-zahlte Angestellte, die eine bestimmte Gehaltsgrenze überschreiten,z. B. mehr als 25 Prozent des höchsten Tarifgehaltes, herausgenom-men werden, wäre dann zu verhandeln.

Arbeitszeitrahmen

Zum Schutz der Beschäftigten sollte nach wie vor ein Arbeitszeitrah-men festgelegt werden. Innerhalb dieses Rahmens z. B. zwischen7 Uhr und 19 Uhr kann der Beschäftigte seine Arbeitszeit selbstbe-stimmt einteilen. Der Arbeitgeber wird in der Regel für einen mög-lichst weiten Arbeitszeitrahmen plädieren. Der Beschäftigte soll ihmund dem Kunden möglichst lang zur Verfügung stehen. Oft wird damitargumentiert, dass ein festgesetzter Arbeitszeitrahmen die Zeitauto-nomie des Beschäftigten unnötig einschränke. Unseres Erachtens solltees jedoch nach wie vor eine Begrenzung geben, an der sich der Be-schäftigte orientieren und auf die er sich berufen kann. Arbeit außer-halb dieses Rahmens bedarf der Zustimmung der Beschäftigten unddes Betriebsrats. Diese Zeiten sind wie Mehrarbeit zu vergüten.

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarungzur Vertrauens-arbeitszeit

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Sollarbeitszeit, maximale tägliche Arbeitszeit,Ausgleichszeiträume

Die Sollarbeitszeit orientiert sich an den tariflichen Regelungen, z. B. ander 37,5-Stunden-Woche. Dies entspricht einer täglichen Sollarbeitszeitvon durchschnittlich 7,5 Stunden. Da die Sollarbeitszeit in der Vertrau-ensarbeitszeit unter- bzw. überschritten werden kann, ist es wichtig,Grenzwerte für die tägliche maximale Arbeitszeit festzulegen. Das Ar-beitszeitgesetz lässt in Ausnahmefällen zu, dass pro Tag bis zu zehnStunden gearbeitet werden dürfen. Innerhalb von sechs Monaten musslaut Gesetz eine durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von acht Stundenerreicht sein (siehe auch Kapitel ’Alles was Recht ist’, Seite 57). Aller-dings gibt es in einigen Tarifverträgen bereits Öffnungsklauseln, durchdie der Ausgleichszeitraum auf 52 Wochen erweitert wurde. In derBetriebsvereinbarung kann jedoch bestimmt werden, dass die maximaletägliche Arbeitszeit wie auch der Ausgleichszeitraum kürzer sind als imArbeitszeitgesetz bzw. dem Tarifvertrag festgelegt. Das ist sogar sinnvoll.Denn wenn der Zeitraum, in dem Überstunden wieder abgebaut seinmüssen, nur kurz ist, zwingt das zu besserer Planung und verhindert,dass über einen langen Zeitraum Plus- bzw. Minusstunden angehäuftwerden, die dann nicht mehr auszugleichen sind.

Funktionszeiten und Besetzungsstärken

Arbeitsbereiche, die von externen oder internen Kunden abhängigsind, müssen Zeiten bestimmen, in denen der Betriebsablauf gewähr-leistet wird und an denen sich Kunden wie Beschäftigte orientierenkönnen. Die Funktionszeit legt also fest, zu welchen Zeiten die jewei-lige Organisationseinheit ihren Service bzw. ihre Funktion garantiert.

Die Besetzungsstärke bestimmt, wie viele Beschäftigte der Organisati-onseinheit jeweils anwesend sein müssen, ohne sich dabei persönlich

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarung

zur Vertrauens-arbeitszeit

Besetzungsstärke in Abhängigkeit vom definierten Servicegrad

2 5 7 7 9 9 7 6 6 4 1 Mitarbeiter/innen

07:00 09:00 11:00 13:00 15:00 17:00 19:00

Rahmenarbeitszeit 7 bis 19 Uhr

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zur Anwesenheit verpflichten zu müssen. Funktionszeiten und Min-destbesetzungsstärken müssen so festgelegt sein, dass genügend Spiel-raum bleibt, um die Arbeitszeit autonom zu gestalten.

Wie diese individuelle Arbeitszeit, die Arbeitsgruppen und Teamswährend der Funktionszeiten eingeteilt werden, klärt das Team selbst.Bei der Planung sind die persönlichen Wünsche und die persönlicheSituation zu berücksichtigen, soweit dadurch der Betriebsablauf nichtbeeinträchtigt wird. Dies setzt einen offenen Führungsstil voraus: dieBeschäftigten werden rechtzeitig über bevorstehende Arbeiten undProjekte sowie über die zeitlichen Planungen des Managements in-formiert. Außerdem wird dabei berücksichtigt, ob dies Auswirkungenauf andere Abteilungen hat.

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarungzur Vertrauens-arbeitszeit

Musterformular zu Funktionszeiten und Besetzungsstärken

Serviceversprechen und Servicezeit

Organisationseinheit Anz. Vollzeit-AP Anz. Teilzeit-AP

Serviceversprechen: Sämtliche Leistungen werden schnellstmöglich bzw. termingerecht erbracht.

Zeitkritische Routine-Aufgaben werden sofort erledigt.

Eine der Aufgabenstellung dieser Organisationseinheit entsprechende Auskunfts-und Dienstleistungsbereitschaft wird durchgängig während der gesamten Service-bzw. Öffnungszeit sichergestellt.

Service- bzw. Öffnungszeit:

Jeweils geplante Besetzungsstärke:

Datum gültig ab

AbteilungsleitungRegionaldirektion

Betriebsrat Personalleitung Organisation

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Pausenregelung

In Vertrauensarbeitszeitregelungen muss der Beschäftigte selbst be-stimmen können, wann er Pausen macht. Die gesetzlichen Bestim-mungen bestehen selbstverständlich nach wie vor. So ist im § 5 Arbeits-zeitgesetz geregelt, dass aus gesundheitlichen Gründen und um dieLeistungsfähigkeit sicherzustellen, die Arbeit spätestens nach sechsStunden, bei Jugendlichen nach 4,5 Stunden, zu unterbrechen ist.Diese Pause muss mindestens eine halbe Stunde betragen. KürzerePausen sind zu vermeiden, da sie nicht ausreichen, um sich zu erho-len. Außerdem ist nach § 5 Arbeitszeitgesetz eine ununterbrocheneRuhezeit von mindestens elf Stunden nach Ende der Tagesarbeit sicher-zustellen. Da dies vielen Beschäftigten gar nicht bewusst ist, sollte dieBV auf diese gesetzlichen Regelungen hinweisen.

Arbeitszeitkonto

Da in der Vertrauensarbeitszeit nicht ganz auf eine Zeiterfassung ver-zichtet werden soll, bietet sich an, lediglich die Abweichungen von derSollarbeitszeit festzuhalten – hierfür eignen sich statt sekundengenauerAbrechnung 5-Minuten-Schritte. Komm- und Gehzeiten werden da-gegen nicht mehr kontrolliert. Hierfür ist es sinnvoll, ein Arbeitszeit-konto zu führen. Das Konto ermöglicht eine flexible Einteilung derArbeitszeit, gibt aber dennoch einen Überblick über Plus- oder Minus-stunden. Gleichzeitig ist damit die Pflicht der Dokumentation gemäߧ 16 ArbZG erfüllt.

Wird das Arbeitszeitkonto als ’Ampelkonto’ geführt, dient es darüberhinaus als Planungsinstrument. Das Ampelkonto ist wie die Verkehrs-ampel in drei Signalphasen unterteilt. In der grünen Phase stehen denVollzeitbeschäftigten z. B. 20 Plus- oder Minusstunden zur Verfügung.In diesem Rahmen können sie ihre Arbeitszeit frei einteilen. Wird die-ses Limit überschritten, ist die gelbe Phase erreicht. Sie reicht dannvon 21 bis 40 Plus- oder Minusstunden. Der Vorgesetzte muss in die-sem Fall den Arbeitszeitausschuss umgehend darüber informieren, wiedie grüne Phase wieder erreicht werden soll. Um die Ausnahmesituationzu bekräftigen, sollte sich die Arbeitszeit ab dieser Phase verteuern, in-dem z. B. Zuschläge von 25 Prozent anfallen. Die rote Phase beginntbei 41 Plusstunden bei Vollzeitbeschäftigten und bedarf der Genehmi-gung des Vorgesetzten und der Zustimmung des BR. Damit die Be-schäftigten nicht zu sehr ins Minus rutschen, was dann nicht mehr ab-gearbeitet werden kann, ist es ggf. ratsam, im roten Bereich Minus-stunden nicht mehr zuzulassen. Ist die rote Phase erreicht, muss mitdem Arbeitszeitausschuss ein Plan zum Überstundenabbau erarbeitetwerden. Je nach Ursache der Mehrarbeit kann dies auch bedeuten,das für personellen Ausgleich gesorgt werden muss (Einstellung, be-fristet und/oder Springer). In dieser Phase zahlt der Arbeitgeber einenÜberstundenzuschlag von z. B. 40 Prozent.

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarung

zur Vertrauens-arbeitszeit

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Dieses Ampelmodell hat wesentliche Vorteile gegenüber anderenZeitkontenmodellen:

Es nimmt Führungskräfte in die Planungsverantwortung.

Es verhindert, dass zu viele Plus- bzw. Minusstunden auflaufen,die dann kaum noch abgebaut werden können.

Es schafft Transparenz, indem mit Mitarbeitern und Arbeitszeitaus-schuss über die Ursachen von Überlastung geredet werden muss,und wie diese abgebaut werden können.

Der Betriebsrat erhält Informationen und kann weiterhin mit-bestimmen.

Mehrarbeitszuschläge bleiben erhalten und werden laufend (nicht nuran einem Stichtag) vergütet.

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarungzur Vertrauens-arbeitszeit

Ampelkonto als Planungsinstrument

Ausnahmebereich! Zustimmung durch Abteilungsleiter/ Perso-

nalleitung und Betriebsrat erforderlich Verbindlicher Ablaufplan Zeitzuschläge

Die rote Phase beginnt bei X (z.B. + 41) Stunden. Diese Phase darf nur ausnahms-weise, nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Führungskraft und demBetriebsrat genutzt werden. Es ist ein verbindlicher Abbauplan zu erstellten, mit demdie Rückkehr in die grüne Phase gewährleistet wird. Die in dieser Phase anfallendenÜberstunden sind zuschlagspflichtig.

Abteilungsleitung und Mitarbeiter/innenplanen Rückkehr in die grüne Phase

Die gelbe Phase beginnt bei +/- X (z.B. +/- 21) Stunden und endet bei +/- X (z.B+/- 40) Stunden. Wird diese Phase erreicht, planen Mitarbeiter/innen und Führungs-kraft die Rückkehr in die grüne Phase. Der Arbeitszeitausschuss* ist über die geplan-ten Maßnahmen zu informieren.

’freies Bewegen’

Die grüne Phase reicht bis +/- X (z.B. +/- 20) Stunden. Innerhalb dieses Bereichskönnen die Beschäftigten ihre Arbeitszeit frei disponieren.

*Der Arbeitszeitausschuss setzt sich aus Mitgliedern des Betriebsrats, Mitarbeitern undFührungskräften zusammen.

rot

gelb

grün

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Eckpunkte einerBetriebsvereinbarung

zur Vertrauens-arbeitszeit

Arbeitszeitkonto Waltraud Meier

Datum Ist-Std. Abw. Soll-Std. Ampelkonto Zuschlägein Zeit

01.03.2001 7,5 0 +10 002.03.2001 7,5 0 +10 003.03.2001 Samstag 0 +10 004.03.2001 Sonntag 0 +10 005.03.2001 10 +2,5 +12,5 006.03.2001 10 +2,5 +15 007.03.2001 10 +2,5 +17,5 008.03.2001 10 +2,5 +20 009.03.2001 10 +2,5 +22,5 0,62510.03.2001 Samstag 0 +22,5 0,62511.03.2001 Sonntag 0 +22,5 0,62512.03.2001 0 -7,5 +15 0,62513.03.2001 10 +2,5 +17,5 014.03.2001 10 +2,5 +20 015.03.2001 10 +2,5 +22 1,25016.03.2001 10 +2,5 +25 1,87517.03.2001 Samstag 0 +25 1,87518.03.2001 Sonntag 0 +25 1,87519.03.2001 10 +2,5 +27,5 2,50020.03.2001 10 +2,5 +30 3,12521.03.2001 10 +2,5 +32,5 3,75022.03.2001 10 +2,5 +35 4,37523.03.2001 10 +2,5 +37,5 5,00024.03.2001 Samstag 0 +37,5 5,00025.03.2001 Sonntag 0 +37,5 5,00026.03.2001 10 +2,5 +39,5 5,62527.03.2001 10 +2,5 +40 6,25028.03.2001 10 +2,5 +42,5 7,25029.03.2001 10 +2,5 +45 8,25030.03.2001 10 +2,5 +47,5 9,25031.03.2001 Samstag 0 +47,5 9,25001.04.2001 Sonntag 0 +47,5 9,25002.04.2001 0 -7,5 +40 9,25003.04.2001 0 -7,5 +32,5 9,25004.04.2001 0 -7,5 +25 9,25005.04.2001 2,5 -5 +20 9,250

rot gelb grün

ehrarbeit und Mehrarbeitszuschläge

in Ziel des Arbeitgebers bei Einführung von Vertrauensarbeitszeit ists, Überstundenzuschläge zu reduzieren oder abzuschaffen. Werdenlso die Arbeitsstunden nicht mehr erfasst, gibt es auch keine Kontrolleehr darüber, ob oder wie viel die Beschäftigten mehr gearbeitet

aben. Jeder einzelne allein hat dann die Verantwortung, sich selbstm einen Ausgleich zu kümmern, damit sich am Ende eines bestimm-en Zeitraumes keine Plusstunden auf seinem Arbeitszeitkonto an-ammeln. Ist das nicht möglich, muss er es seinem Chef sagen, damitieser Abhilfe schafft. Dass sich dies viele Beschäftigte – angesichts un-icherer Arbeitsverhältnisse – verkneifen, liegt auf der Hand. In diesemall hat auch der Betriebsrat keine Handhabe mehr, was dann in der

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Praxis häufig bedeutet, dass Überstunden verfallen und damit auchdie Zuschläge. Wird jedoch ein ’Ampelkonto’ geführt, kann Mehr-arbeit verhindert werden. Und sollte dies im Ausnahmefall nicht mög-lich sein, wird sie zumindest entsprechend bezahlt.

Mehrarbeit an Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen sollte gesondertgeregelt werden.

Überlastsituationen

Das größte Problem bei Vertrauensarbeitszeit ist der Umgang mit derArbeitsüberlastung von Mitarbeitern. Da der Beschäftigte eigenver-antwortlich dafür sorgen soll, seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeiteinzuhalten, und der Arbeitgeber die Arbeitszeiten nicht mehr kon-trolliert, muss jeder Mitarbeiter melden, wenn er seine Aufgaben in

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarungzur Vertrauens-arbeitszeit

Formblatt für Überlastsituationen

Bereich/Team:

Ursache

aus Sicht des Mitarbeiters aus Sicht der Führungskraft

Vorgeschlagene Maßnahme(n)

Maßnahme Begründung Wer? Bis wann?

Mitarbeiter(innen) Führungskraft Datum

Kopie an Clearingstelle

© Arbeitszeitberatung Dr. Hoff · Weidinger · Hermann, Berlin

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der vorgesehenen Zeit nicht schafft. Dies fällt vielen Beschäftigtennicht leicht, könnte es doch als Schwäche interpretiert werden. Esbraucht also offizielle Regeln und Hilfsmittel, die es den Beschäftigtenerleichtern, dieses Problem offen anzusprechen. Solch ein Hilfsmittelkönnen z. B. standardisierte Formulare sein, die gleichzeitig als Doku-mentation für den Arbeitszeitausschuss dienen (siehe Muster), wennsich Beschäftigte und Vorgesetzte nicht einigen. In der BV solltenÜberlastsituationen auf jeden Fall beschrieben und definiert werdenund Vorschläge gemacht werden, wie damit umzugehen ist.

Beispiel aus einer Betriebsvereinbarung:Eine Überlastsituation ist gegeben, wenn ein Beschäftigter seine Auf-gaben nicht in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erfüllen kannund sein Arbeitszeitbudget um X Stunden überschreitet (hier bietetsich das Ampelkonto mit den entsprechenden Phasen als Orientie-rung an). Die Führungskraft ist für die Entlastung des Beschäftigtenverantwortlich. Sie informiert den Arbeitszeitausschuss, wie dies be-werkstelligt werden soll. Das Arbeitszeitbudget darf nur dann um XStunden überschritten werden, wenn der Betriebsrat dies genehmigt.Gemeinsam mit dem Arbeitszeitausschuss muss der Vorgesetzte ei-nen verbindlichen Plan entwickeln, wie diese Mehrarbeit abgebautwerden kann.

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarung

zur Vertrauens-arbeitszeit

Analyse zum Abbau von Überlast / Stress

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Aufgabendefinition

Überlastungen können minimiert werden, wenn die Aufgaben klar de-finiert sind. Erst wenn der Umfang eines Auftrages offen benannt ist,kann man beurteilen, ob das Zeitbudget dafür ausreicht. Die Deut-sche Shell Chemie GmbH hat beispielsweise ein Modell entwickelt,wonach bei Überlastsituationen das Aufgabengebiet eines Mitarbeiters(ähnlich wie im Schaubild) analysiert wird und das Unternehmen ggf.zu reagieren hat. Wird der Beschäftigte auf Dauer (3 – 6 Monate) sostark beansprucht, dass die Vertrauensarbeitszeit nicht ausreicht under auch längerfristig keinen Zeitausgleich nehmen kann, informiert ermit einem sogenannten Überlastprotokoll seinen Chef. Einfach Mehr-arbeit zu vereinbaren, soll in diesem Fall kein Ausweg sein. Statt des-sen analysieren beide gemeinsam die Ursachen für die Überlastungund bemühen sich um eine Lösung. Zu dieser Analyse gehört unteranderem auch, den Sinn bestimmter Tätigkeiten zu überprüfen. Stelltsich tatsächlich heraus, dass die Anforderungen zu hoch gestellt sindund der Beschäftigte, obwohl er effizient arbeitet, überlastet ist, mussdie Arbeit im Team, in der Abteilung oder im Unternehmen umver-teilt, das Arbeitsvolumen reduziert oder zusätzliches Personal einge-stellt werden. Die Führungskraft ist gefordert, eine Lösung zu entwi-ckeln und die Entscheidung zu dokumentieren. Das Problem mussinnerhalb von vier Wochen behoben sein. Sofern sich Beschäftigterund Vorgesetzter nicht einigen, wird der Betriebsrat als ’Clearingstelle’hinzugezogen.

Ankündigungsfristen bzw. Planungszeiträume

Soll garantiert sein, dass jeder Mitarbeiter individuelle zeitliche Spiel-räume hat, muss er auch planen können. Das heißt, er muss rechtzei-tig über Vorhaben des Arbeitgebers informiert sein. Andererseits ist esauch für die Planung des Arbeitgebers wichtig zu wissen, wann seineMitarbeiter im Betrieb sind und wann nicht. Damit die Beschäftigtennicht zum Spielball vermeintlich unvorhersehbarer Arbeitsaufträgewerden, sollten in der Betriebsvereinbarung Ankündigungsfristen mitentsprechenden Konsequenzen bei Nichteinhaltung (siehe Beispiel)festgelegt werden.

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarungzur Vertrauens-arbeitszeit

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Beispiel aus einer Betriebsvereinbarung: Ohne Beeinträchtigung der betrieblichen Belange können die An-kündigungsfristen des Arbeitnehmers zum Zeitabbau sehr kurzfristigsein. Zur Erhöhung der Zeitsouveränität wird vereinbart, dass beimindestens vierwöchiger Ankündigungsfrist persönliche Belange (wiefamiliäre Verpflichtungen und Behördengänge) den betrieblichenvoranzustellen sind. Ablehnungen sollten schriftlich begründet wer-den. Seitens des Arbeitgebers soll die voraussichtliche Arbeitszeitentsprechend dem aktuellen Geschäftsvorgang für vier Wochen imVoraus angekündigt werden. Abweichungen hiervon sind mindestenseine Woche im Voraus mitzuteilen. Erklären sich die Beschäftigtenbereit, bei Unterschreitung einer 4-Tagesfrist einem Abruf zur ArbeitFolge zu leisten und hat der Betriebsrat zugestimmt, ist für jede überdie geplante Tagesarbeitszeit hinausgehende Stunde ein Zeitzuschlagvon X % zu erteilen.

Qualifizierung

Soll die Betriebsvereinbarung mehr Wert sein als das Papier, auf demsie steht, muss dafür gesorgt werden, dass sie im gesamten Unterneh-men bekannt gemacht wird. Dabei können zwar Fragen beantwortet,Missverständnisse ausgeräumt und Ängste verringert werden. Dochlängst nicht alle Fragen und Probleme, die das neue Arbeitszeitmodellmit sich bringt, lassen sich dadurch lösen. Das trifft besonders auf denneuen Umgang miteinander zu, auf neue Formen der Zusammenar-beit. Da müssen Arbeitsorganisation, Verantwortung und Kontrolleneu definiert werden – und damit auch die Rolle von Vorgesetztenund Beschäftigten. Und auch das viel beschworene Vertrauensverhält-nis fällt nicht einfach so vom Himmel – es muss aufgebaut und geför-dert werden. Ohne gezielte Weiterbildung geht das nicht. Sie solltedeshalb bei der Entwicklung eines Modells zur Vertrauensarbeitszeitgleich mitgedacht werden. Die Beschäftigten müssen in puncto Team-entwicklung unterstützt werden und vor allem in Schlüsselqualifikatio-nen wie Kommunikation, Konfliktfähigkeit und Projektmanagementqualifiziert werden. Führungskräfte müssen sich mit einem neuenFührungsstil und den damit zusammenhängenden Anforderungenauseinandersetzen. Bei kleinen Organisationseinheiten muss zudemüber zusätzliche Qualifizierungen gewährleistet werden, dass gegen-seitige Vertretungen möglich sind, damit die Zeitwünsche der Be-schäftigten auch umgesetzt werden können.

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarung

zur Vertrauens-arbeitszeit

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Beispiel aus einer Betriebsvereinbarung: Bevor Vertrauensarbeitszeit umgesetzt wird, müssen die Beschäftig-ten in Einführungsveranstaltungen insbesondere über die Regelungender Betriebsvereinbarung, deren praktische Umsetzung und die ent-sprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen informiert werden.Diese Schulungen sollen zudem Anregungen zur Umsetzung derneuen Arbeitszeiten liefern.Ferner sind alle Führungskräfte im Hinblick auf ihre veränderten Auf-gaben zu qualifizieren. Die Teams erhalten entsprechende Weiterbil-dung, um die Teamentwicklung zu unterstützen. Diese Qualifizie-rungsmaßnahmen gelten als Arbeitszeit.Parallel dazu werden alle Beschäftigten dazu qualifiziert, sowohl ihregegenwärtigen Aufgaben zu bewältigen als auch darüber hinaus ar-beitsplatzübergreifende Aufgaben zu übernehmen. Hierzu wird fürjeden Beschäftigten ein Qualifizierungsplan erstellt, in dem der not-wendige Qualifizierungsbedarf für die gegenwärtigen und zukünfti-gen Tätigkeiten festgelegt ist. Diese konkreten Qualifikationszielekann der BR mitbestimmen. Das Unternehmen trägt die Kosten so-wie den entsprechenden Zeitaufwand für die erforderlichen Schu-lungsmaßnahmen.

Arbeitszeitausschuss

Bevor Vertrauensarbeitszeit eingeführt wird, sollte ein Ausschuss ge-bildet werden, der die einzelnen Schritte zur Umsetzung der neuenArbeitszeitregelung abstimmt. Ist die BV verabschiedet, übernimmt derArbeitszeitausschuss beratende und kontrollierende Aufgaben. Er setztsich paritätisch zusammen aus zwei Beauftragten des Arbeitgebers undzwei Betriebsratsmitgliedern. Zur Klärung von Problemen könnenBeschäftigte und externe Sachverständige hinzugezogen werden. DieSitzungen finden nach Bedarf, in der Regel jedoch einmal im Monatstatt. Interne und externe Sachverständige können hinzugezogenwerden. Die Erfahrung zeigt, dass sich trotz Schulung und Begleitungviele Fragen und auch Unsicherheiten erst dann ergeben, wenn nachdem neuen Arbeitszeitmodell gearbeitet wird. Denn selbst wenn eineBV mit Sorgfalt entwickelt wurde, wird es in der Praxis immer wiederSituationen geben, die nicht geregelt sind. Oder es zeigt sich, dass einPunkt nachgebessert werden muss. Dann sind schnelle Entscheidun-gen nötig, brauchen Beschäftigte und Führungskräfte kompetenteAnsprechpartner. Wichtigste Aufgabe des Arbeitszeitausschusses in derVertrauensarbeitszeit ist es, Überlastsituationen zu kontrollieren undinsbesondere in strittigen Fällen entsprechende Maßnahmen zu ent-wickeln. Hier kann es strategisch von Vorteil sein, wenn dank derparitätischen Besetzung der Arbeitgeber gleich mit am Tisch sitzt. Soist es nicht immer nur der Betriebsrat, der Beschäftigten und Füh-rungskräften „auf die Füße tritt“, wenn zu viel gearbeitet wird. Auchder Arbeitgeber hat dann darauf zu achten, dass das Arbeitszeitbudgeteingehalten wird, und kann entsprechende Anweisungen geben. Um

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarungzur Vertrauens-arbeitszeit

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diese Aufgaben erfüllen zu können, hat der Arbeitszeitausschuss dasRecht, die Arbeitszeitkonten einzusehen.

Die Aufgaben des Arbeitszeitausschusses sind:

Ansprechpartner für Führungskräfte und Beschäftigte bei Fragenund Unklarheiten zur Umsetzung des neuen Arbeitszeitmodells

Schlichtungsstelle für die einzelnen Teams bei Differenzen,Unklarheiten und Auslegungsschwierigkeiten bei der Anwendungder neuen Arbeitszeiten

Sichern, dass Mitarbeiter vor Überlastung geschützt sind undgeeignete Maßnahmen zum Abbau von Überlastsituationenentwickeln

Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten ermöglichen

Eckpunkte einerBetriebsvereinbarung

zur Vertrauens-arbeitszeit

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„Alles was Recht ist“

Der rechtliche Rahmen zur Vertrauensarbeitszeit

Positiv wird die Vertrauensarbeitszeit dort aufgenommen, wo das Ver-hältnis zum Vorgesetzten und zu den KollegInnen stimmt. Dann wer-den die freie Einteilung der Arbeitszeit, die Flexibilität und das Ver-trauensverhältnis sehr begrüßt. Auf Ablehnung stößt sie, wenn einefreie Zeiteinteilung aufgrund der Arbeitsbelastung nicht möglich istoder vom Chef nicht gern gesehen wird und überlastete KollegInnenihre Mehrarbeit gar nicht mehr nachweisen können.

Damit Vertrauensarbeitszeit zu einer echten Chance für die Beschäf-tigten wird, bedarf es einer neuen Führungskultur: Führungskräftemüssen Beschäftigte ausdrücklich dazu auffordern, Überlastsituationenanzuzeigen, um damit zusammenhängende Schwachstellen im Unter-nehmen entdecken und beseitigen zu können. Eine Situation, dienach unserer Erfahrung eher selten ist. Bei der Einführung von Ver-trauensarbeitszeit nur auf das Vertrauensverhältnis als Voraussetzungfür ein gutes Klima zu vertrauen, reicht nicht aus. Klare Regeln sindgefragt, die sich auf Tarifverträge, geltende Gesetze und höchstrichter-liche Rechtsprechung beziehen.

Wenn Vertrauensarbeitszeit – als Ausweis eines modernen Unterneh-mens – mit zum Teil hohem finanziellen Aufwand eingeführt wird,sind die Beteiligten in den Pilotprojekten häufig sehr angetan undhoch motiviert. In dieser Einführungs- und Erprobungsphase geratenrechtliche Bedingungen und verbindliche Absprachen häufig aus demBlick oder werden gar als Barriere empfunden. Erst in Konfliktfällengreifen alle Beteiligten fast immer auf ’Recht und Gesetz’ zurück. Des-halb lohnt der Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Allgemeine Rechte und Pflichtendes Betriebsrats

Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) regelt die Aufgaben undPflichten sowie die Informations-, Beteiligungs- und Mitbestimmungs-rechte des Betriebsrates. Und es bietet dem Betriebsrat ausreichendGestaltungsmöglichkeiten. So bestimmt das BetrVG (§ 87) zum Bei-spiel, dass nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat geregelt werdenkann, wie sich die Arbeitszeit auf die Woche verteilt, wann die Ar-beitszeit beginnt und endet, wann und wie lange Pausen gemachtwerden dürfen und wie die Arbeitszeiten erfasst werden. Dies ge

Tipp:

„Das Gericht ist derAuffassung, dass einArbeitgeber mindestensmit einer Woche Vorlaufseine Arbeitnehmer zueiner betrieblichen Ver-anstaltung außerhalbder Arbeitszeit bittenkann. Eine kürzere Fristals eine Woche verstößtderart gegen die Interes-sen des Arbeitnehmers,dass sie nicht bindendsein kann. Hiervon istlediglich dann eine Aus-nahme zu machen, wennin dem Betrieb ein aku-ter Notfall eingetretenist, der es unumgänglicherscheinen lässt, dassder Arbeitnehmer imBetrieb auch über diereguläre Arbeitszeithinaus verbleibt.“(Arbeitsgericht Frankfurt / M,Az: 7 Ca 5014/99)

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schieht normalerweise in einer Betriebsvereinbarung. Kommt sie nichtzustande, kann eine Einigungsstelle oder eine tarifliche Schlichtungs-stelle (§ 76 BetrVG) darüber entscheiden.

Daneben müssen Betriebsräte darauf achten, dass die geltenden ge-setzlichen und arbeitsrechtlichen Bestimmungen befolgt werden. IhreAufgabe ist es auch, darauf zu drängen, dass Behinderte und ausländi-sche Beschäftigten integriert und alle Betriebsangehörigen fair behan-delt werden, ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer Nationalität, Her-kunft, Abstammung sowie politischer oder gewerkschaftlicher Betäti-gung oder Einstellung. Zu diesen Aufgaben (§§ 75, 80) gehört eben-falls, ältere Arbeitnehmer zu fördern, die Gleichberechtigung durchzu-setzen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Väter undMütter zu ermöglichen.

Und was besonders wichtig ist: Das ’Gesetz über Teilzeit’ regelt in denParagrafen 6, 7 und 8, dass Teilzeit ermöglicht werden soll – auch fürBeschäftigte in leitenden Positionen. Soweit betriebliche Gründe nichtentgegen stehen, muss der Arbeitgeber den Teilzeitwünschen entspre-chen. Das bedeutet gerade für Vertrauensarbeitszeit, möglichst alleBeschäftigten mit einzubeziehen und verschiedene Arbeitszeitformenzu ermöglichen. Auch zur Sicherung und Förderung der Beschäftigtenkann der Betriebsrat aktiv werden – im § 92a des Betriebsverfassungs-gesetzes wird dem Betriebsrat ein Initiativrecht zugestanden.

Die Normen-Pyramide

Bei der Flexibilisierung von Arbeitszeiten muss eine ganze Reihe vonGesetzen und Normen eingehalten werden – und zwar in dieser Rei-henfolge:

EU-Recht /Internationale

Normen

Verfassung

Gesetze

Tarifvertrag

Betriebsvereinbarung

Betriebliche Übung

Arbeitsvertrag

Direktionsrecht

Der rechtliche Rahmenzur Vertrauens-

arbeitszeit

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Dabei gelten folgende Prinzipien:

Auf der unteren Rechtsebene darf es gegenüber der höheren nichtzu Verschlechterungen kommen, es sei denn, die übergeordneteEbene erlaubt dies.

Die untergeordnete Rechtsebene lässt dagegen Verbesserungenzugunsten der Arbeitnehmer zu, sofern dies nicht verboten istoder der Gesetzgeber einen Sachverhalt zwingend geregelt hat.

Bei mehreren Regelungen auf einer Rechtsebene gilt vorrangigimmer die detailliertere Regelung.

Die Arbeitsgerichtsbarkeit entscheidet bei strittigen Regelungen,konkretisiert allgemeine Vorschriften und füllt Lücken aus, die Ge-setzgeber und Tarifparteien nicht geschlossen haben.

Insbesondere zur Arbeitszeit gibt es eine umfangreiche Rechtspre-chung (des europäischen Gerichtshofes, des Bundesverfassungsge-richtes, des Bundesarbeitsgerichtes wie auch der Landesarbeitsge-richte), die entsprechende Regelungen auslegt und konkretisiert.

Im Einzelnen dröseln sich die Bausteine der ‚Normen-Pyramide‘ inviele verschiedene Gesetze, Vorschriften und Richtlinien auf. Da esnicht gelungen ist, bundesweit ein einheitliches Arbeitsrechtsgesetz-buch zu schaffen, sind die Rechtsquellen, was die deutsche Gesetzes-lage angeht, zudem sehr verstreut. Hier können Arbeitgeber bei denKammern und Betriebsräte bei ihrer zuständigen Gewerkschaft Infor-mationen erhalten.

Mitbestimmungsrechte in Gefahr

Bei der Einführung von Vertrauensarbeitszeit in ’Reinform’ entstehteine schwierige Situation für den BR: Da Lage und Verteilung derArbeitszeit nicht mehr zwischen BR und Arbeitgeber verhandelt wer-den, zielt Vertrauensarbeitszeit auf die Abschaffung der Mitbestim-mungsrechte des BR. Damit kann es Vertrauensarbeitszeit eigentlichnur zu den Bedingungen des BR geben – oder gar nicht. Denn aucheine Einigungsstelle ist nicht befugt, das Mitbestimmungsrecht nach§ 87. Absatz 1 Ziffer 2 und 3 vollständig zu beseitigen.

Auf die BR kommt damit eine neue und schwierige Aufgabe zu: Siekönnen nicht darauf verzichten, ihre Mitbestimmungsrechte wahrzu-nehmen, müssen diese aber den besonderen Bedingungen anpassenund eigene Vorstellungen von sozialverträglicher und familienfreundli-cher Vertrauensarbeitszeit entwickeln und durchsetzen (siehe auchdas Kapitel ’Eckpunkte einer Betriebsvereinbarung zu Vertrauensar-beitszeit’).

Der rechtliche Rahmenzur Vertrauens-arbeitszeit

Tipp:

Der Beschluss desArbeitsgerichts Mön-chengladbach haterfreulicherweise klar-gestellt, dass mit derEinführung der Ver-trauensarbeitszeit keinkontrollfreier Raum fürden Betriebsrat geschaf-fen wird.

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Ist Vertrauensarbeitszeit mit den Grundlagendes Arbeitsvertragsrechtes vereinbar?

Kennzeichnend für das deutsche Arbeitsvertragsrecht ist der Austauschvon Leistung und Gegenleistung; die Abhängigkeit der Beschäftigtenwird durch das so genannte Dispositions- und Direktionsrecht desArbeitgebers deutlich. Die herrschende Meinung bei den Gerichtenlautet deshalb, dass ArbeitnehmerInnen nicht über ihre Arbeitszeitenselbst bestimmen dürfen. Arbeitsrechtlich gesehen ist Vertrauensar-beitszeit also schwierig, weil sie ja gerade mit diesem Prinzip brechenwill – allerdings ohne andere Abhängigkeitsverhältnisse gleichermaßenaufzulösen: Das Prinzip, in die betrieblichen Abläufe eingebundensein zu müssen, bleibt erhalten.

Dies führt zu einer äußerst arbeitgeberfreundlichen Gestaltung von Ar-beitsverhältnissen. Im klassischen Modell hat der Arbeitgeber die Ver-antwortung und das Risiko, dass trotz fehlendem Material, ausbleiben-den Kunden oder einer EDV-Störung der Lohn bezahlt werden muss,wenn der Arbeitnehmer – auch ohne zu arbeiten – seine Arbeitskraftzur Verfügung gestellt hat. Im neuen System passieren solche Arbeits-ausfälle selbstverständlich auch noch, nur trägt der Beschäftigte dies-mal das Risiko allein, denn das zählt dann nicht mehr als Teil der ver-güteten Arbeitszeit. Ausgefallene Arbeit(szeit) ist ohne besondere Ver-gütung nachzuholen. Im schlechtesten Fall handelt es sich bei einermangelhaften Betriebsvereinbarung um ’Arbeit auf Abruf‘ – allerdingsohne Ankündigungsfristen und betriebsrätliche Mitbestimmung.

Konflikte mit Tarifverträgen

Neben diesen Konfliktpunkten gibt es ein deutliches Konfliktpotenzialmit Tarifverträgen. In nahezu allen Tarifverträgen gibt es Zuschläge fürMehrarbeit. Sie orientieren sich daran, ob die geplante oder betriebs-übliche Arbeitszeit überschritten wurde. Ist die Arbeitszeit ungleich-mäßig verteilt, entfallen häufig die Zuschläge. Um dies zu verhindern,empfehlen wir als Planungsinstrument ein Ampelkonto, auf dem auchÜberstundenzuschläge gebucht werden können.

Vertrauensarbeitszeit droht hier zu unterlaufen, was ursprünglichbeide Tarifvertragsparteien (Arbeitgebern und Gewerkschaften) woll-ten: dass Mehrarbeit entsprechend vergütet wird. Hier sind konkreti-sierende Betriebsvereinbarungen (siehe ’Eckpunkte einer Betriebsver-einbarung zur Vertrauensarbeitszeit‘) notwendig. Gleiches gilt für dieVergütung von Arbeitszeiten, die ungünstig liegen: In zahlreichenTarifverträgen gibt es in der Regel für Arbeit nach 18 Uhr (in Ausnah-mefällen noch früher) oder bei erlaubter Wochenendarbeit Zuschläge.Bei selbstständiger Einteilung der Arbeitszeit sind Arbeitgeber in derRegel nicht gewillt, diese Zuschläge zu zahlen, da Vertrauensarbeits

Der rechtliche Rahmenzur Vertrauens-

arbeitszeit

Tipp:

Kontrolle der Vertrau-ensarbeitszeit durch

den Betriebsrat

Die Einführung derVertrauensarbeitszeitin einem Betrieb ent-

bindet den Arbeitgebernicht von der Verpflich-

tung, den Betriebsratüber alle relevanten

Arbeitszeitdaten jedeseinzelnen Arbeitneh-

mers, auf den das Be-triebsverfassungsgesetz

Anwendung findet, zuunterrichten. Diese Un-terrichtung kann auch

mündlich erfolgen(Leitsatz der

Bearbeiterin).Arbeitsgericht Mönchen-gladbach, Beschluss vom

5.4.2000 – 5 BV 8/2000 (rechts-kräftig)

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zeit schließlich auch unter Kostengesichtspunkten eingeführt wird.Hier droht die Gefahr, dass tarifliche Bestimmungen unterlaufen wer-den. Dies ist unzulässig und muss ebenfalls in der Betriebsvereinba-rung geregelt werden.

Ist Vertrauensarbeitszeit ein Verstoßgegen das Arbeitszeitgesetz?

Nach dem Arbeitszeitgesetz gibt es verschiedene Grenzen für die täg-liche Arbeitszeit. Dies betrifft deren Dauer, die dazwischen liegendenRuhezeiten, die Einhaltung von Pausen sowie bestimmte Arbeitsver-bote, etwa am Sonntag. Diese Grenzen gelten auch dann, wenn Ver-trauensarbeitszeit für den Betrieb vereinbart wurde. Allerdings sind dieBeschäftigen dann selber für die Einhaltung der Grenzen verantwort-lich, was zunächst einmal voraussetzt, sie zu kennen. Welche Schwie-rigkeiten es bereits verursacht, allein die tägliche Höchstarbeitszeiteinzuhalten, zeigt sich dann, wenn genauer nach dem Begriff der’werktäglichen Arbeitszeit‘ gefragt wird – Maßstab für die Einhaltungder Höchstarbeitszeit. Das landläufige Verständnis, damit seien die24 Stunden von 0 bis 24 Uhr gemeint, ist falsch, aber weit verbreitet.Tatsächlich fängt der Arbeitstag immer erst dann an, wenn die Arbeitaufgenommen wird. Von hier ausgehend wird gemessen, ob innerhalbder nächsten 24 Stunden die Höchstarbeitszeit überschritten wurdeund ob Ruhezeiten eingehalten sind.

Solche Feinheiten des Arbeitszeitrechts sind schon in den Personal-abteilungen kaum bekannt. Wie Beschäftigte dann ihre Zeiten selbstkorrekt erfassen sollen, ist schleierhaft. Wenn sie tatsächlich ohneSchulung damit betraut werden, ist damit zumindest die Verpflichtungnach dem Arbeitszeitgesetz nicht ordnungsgemäß erfüllt. Danachmuss nämlich festgehalten werden, wenn die Höchstarbeitszeit über-schritten wurde.

Die Vereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit, die etwa einen Zeitkorri-dor von 7 bis 22 Uhr festlegt, innerhalb dessen die tägliche Arbeitszeitzu erbringen ist, ist in dieser Hinsicht absolut unvollständig, wenn siekeine Beschränkungen vorsieht, die verhindern, dass Beschäftigte aneinem Tag bis 22 Uhr arbeiten und dann – unter Verzicht auf dieelfstündige Ruhezeit – bereits um 7 Uhr des nächsten Tages ihre Ar-beit wieder aufnehmen.*

Eine relativ unbekannte Stelle im ArbZG ist der § 16. Dort ist geregelt,dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, alle Arbeitszeiten zu erfassen und

* Dieser Abschnitt beruht auf einem Beitrag von Ingo Hamm (Fachanwalt für Arbeits-recht/Arbeitszeitberater, www.jurix.de) in der Zeitschrift ’Arbeitsrecht im Betrieb –Zeitschrift für Betriebsratsmitglieder’, Ausgabe 3/2000.

Der rechtliche Rahmenzur Vertrauens-arbeitszeit

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zwei Jahre lang zu dokumentieren, wenn an einem Werktag mehr alsacht Stunden gearbeitet wird. Auch wenn der Arbeitgeber diese Ver-pflichtung – rechtlich zulässig – an den Arbeitnehmer delegiert, bleibtder Arbeitgeber in der Pflicht. Sinn der Dokumentation ist es, den Auf-sichtsbehörden (= die staatlichen Ämter für Arbeitsschutz und Sicher-heitstechnik, ab 1.1.2002 den Regierungspräsidien zugeordnet) zuermöglichen, die Einhaltung der Ausgleichszeiträume zu kontrollierenoder Verstöße gegen andere Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ins-besondere Höchstarbeitszeit, Pausen und Ruhezeiten) aufzudecken.

Führungskräfte tragen übrigens ein nicht geringes Risiko, wenn gegendiese gesetzlichen Bestimmungen verstoßen wird. So drohen denUnternehmen nicht nur Bußgelder bis zu 30.000 DM, die verantwort-lichen Manager müssen auch damit rechnen, die hohen Bußgeldervom eigenen Gehalt bezahlen zu müssen, wie etwa Manager einesTouristikunternehmens, die Strafbefehle von 30.000 DM und 8.400DM erhalten hatten (Quelle: Wirtschaftswoche Nr. 24 vom 7.6.2001).

Doch auch für die ArbeitnehmerInnen birgt es Risiken, wenn sievollständig darauf verzichten, ihre Arbeitsstunden zu erfassen. DerArbeitgeber kontrolliert zwar nicht mehr die Arbeitszeit, dennochschulden die Beschäftigten ihm die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit.Eine 30-Stunden-Woche bei normalem Gehalt nach dem Motto ’Mei-ne Arbeit ist getan’ ist nicht möglich; solche Ergebnisse werden eherdie kontinuierlichen Rationalisierungsanstrengungen befördern.Schwieriger noch ist der umgekehrte Fall, wenn der Beschäftigte nach-weisen muss, dass er die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit erbrachthat. Dies muss bei Gericht nicht nur dargelegt, sondern bewiesen wer-den. Wie ’komfortabel’ die Situation für die Arbeitgeber ist, belegt einvor kurzem veröffentlichtes Urteil, dass der rigiden Praxis der Arbeits-gerichtssprechung entspricht:

Überstundennachweis muss vom Chef bestätigt sein

„Frankfurt dpa. Eigene Aufzeichnungen eines Arbeitnehmers sind vor Gerichtgrundsätzlich kein Beweismittel für einen Anspruch auf Zahlung von Überstunden.Das hat das Arbeitsgericht Frankfurt festgestellt. Die Richter wiesen mit Ihrem Ur-teil die Klage eines Angestellten gegen ein Computerunternehmen zurück.

Nach seinen Ausscheiden aus dem Unternehmen hatte der Arbeitnehmer auf Be-zahlung von 250 Überstunden geklagt. Vor Gericht konnte er aber nur eigene Auf-stellungen vorweisen, die von seinem Chef nicht gegengezeichnet worden waren.Laut Urteil reicht auch die persönliche Glaubwürdigkeit eines Arbeitnehmers nichtaus, um einen Anspruch auf die Bezahlung von Überstunden gerichtlich durchset-zen zu können.

Der Gerichtsvorsitzende wies darauf hin, dass sich Arbeitnehmer Überstunden re-gelmäßig von ihren Vorgesetzten schriftlich bestätigen lassen sollten, um so Beweis-nöte in einem möglichen Prozess auszuschließen. (Aktenzeichen: 7 Ca 8832 / 99)“(Frankfurter Rundschau Online vom 30.11.2000)

Der rechtliche Rahmenzur Vertrauens-

arbeitszeit

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Wie unsicher es ist, nachträglich vor Gericht wohlmeinende Regelun-gen zu klären und zu präzisieren, zeigt das auch erstinstanzliche Urteildes Stuttgarter Arbeitsgerichtes (6 BV 167/00): BR und IG Metall woll-ten feststellen lassen, dass die Zentrale der DaimlerChrysler AG amStandort Stuttgart gegen die Mitbestimmungsrechte des BR verstößtund ihren Verpflichtungen zum Abbau von Überstunden und Mehrar-beit nicht gerecht wird. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung warenGleitzeitguthaben von 750.000 Stunden im Jahr (das sind 500 Arbeits-plätze) vorhanden, die zu verfallen drohen. Das Gericht allerdings gabdem Arbeitgeber Recht. In der Entscheidung heißt es u. a.: „Es magsein, dass Mitarbeiter in Erwartung zusätzlicher Karrierechancen oderwegen der Erfolgsabhängigkeit ihrer Vergütung von der Geltend-machung ihres Freizeitausgleichs absehen. Diesen stände aber jeder-zeit die Möglichkeit offen, umzudenken und ihren Zeitausgleichs-anspruch wahrzunehmen, ohne im Bestand ihres Arbeitsverhältnissesgefährdet zu sein. Sie wären für die Zukunft nicht verpflichtet, derArbeitgeberin weiterhin unentgeltlich Arbeitsleistung anzudienen.“

Davon abgesehen, dass Arbeit nicht ’angedient’, sondern erledigtwird, bestätigt dieses eigentlich naive Urteil, dass Zeitsouveränität unddas Verwirklichen von Arbeitsplatzpotenzialen sinnvollerweise ver-bindlich in einer Betriebsvereinbarung festgeschrieben wird.

Der rechtliche Rahmenzur Vertrauens-arbeitszeit

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Das Handbuch soll allenBeteiligten – Betriebsrat wieManagement – bei der Einfüh-rung neuer Arbeitszeiten hel-fen. Leicht zu handhaben,schnell und gut zu lesen, bietetder „Balance-Akt“ konkreteHilfe beim komplizierten Pro-zess der Umsetzung von neuenArbeitszeiten in einem Unter-nehmen.

Wer sich also mit Plänen derArbeitszeitflexibilisierung trägtund konkrete Fragen zum Ablaufoder zur Beratung hat, kann hierfündig werden: Neun Kapitel,jeweils in einem gesonderten Heftuntergebracht, sorgen für Orien-tierung zu den unterschiedlichenThemen. Wer sich über dieArgumente „pro und contra“flexibler Arbeitszeiten infor-mieren will, kann in Kapitel 3nachschlagen. Geht es umWeiterbildung für Betriebsrat,Beschäftigte und Management imZuge der Einführung flexiblerArbeitszeiten, gibt das Kapitel 5Auskunft. Und wer wissen will,wie der rechtliche Rahmenaussieht und welche Kriterien esfür familienfreundliche und sozialverträgliche Arbeitszeiten gibtund wie mögliche Betriebsverein-barungen aussehen, kann dies inden Kapiteln 6 und 7 nachlesen.

Eine umfangreiche kommen-tierte Literaturliste, eine Übersichtüber Untersuchungen zurArbeitszeit und etliche Arbeits-zeitmodelle im Überblick – vonAmpelkonten über Schichtarbeitbis hin zu Altersteilzeit – sowieFragebogen-Vorschläge fürUmfragen im Betrieb finden sichim Kapitel 8 und 9.

Dem häufig geäußerten Wunschnach Erfahrungsaustausch und„Mustervereinbarungen“ wurdein der 2. Auflage Rechnunggetragen. Rund 900 Betriebsver-einbarungen wurden von derBöckler-Stiftung zum ThemaArbeitszeit analysiert und inte-ressante

Regelungsinhalte in einer Doku-mentation zusammengefasst.Dieser Nachdruck ist unter derÜberschrift „Was machen die an-deren?“ als Heft A dem Hand-buch beigefügt.Preis: DM 50,–; 140 Seiten, 2. Auflage,Verlag b+r, ISBN 3-93238444-44-X.Zu bestellen im Buchhandel oder bei derBTQ Kassel.

„Balance-Akt“ –Das Handbuch zur Arbeitszeitgestaltung

So sehen es andere …

Deutscher Wirtschaftsdienst: Beeindruckend gutDie Einführung flexibler und sozialverträglicher Arbeitszeiten hatsich dieses Praktiker-Handbuch zum Ziel gesetzt. Das Ergebnis istbeeindruckend gut … Insgesamt spiegelt das Werk die intensivenErfahrungen der Arbeitszeitberatungsarbeit des QUAM-Projekteswider. Beide Autoren und Initiatoren wissen augenscheinlich,worüber sie schreiben: Maria Wanisch ist Mitautorin von QUAM undGeschäftsführerin eines Beratungsinstitutes, Walter Lochmann warBetriebsratsvorsitzender, hat Betriebsräte bei Arbeitszeitgestaltungberaten und ist heute Geschäftsführer des Bildungswerkes der DAGin Hessen. Insbesondere der no-nonsense-Ansatz in der Sprache desWerkes wird Mitarbeitervertretungen und Betriebsleitungen gleicher-maßen ansprechen.(Bildungsbrief des Deutschen Wirtschaftsdienstes im Internet: http://www.dwd-verlag.de)

Computer Fachwissen: Originelles und modernes Bild„Balance-Akt“ so heißt es, ist allerdings gar kein Buch, sondernbesteht aus einer Reihe DIN A 4-Hefte,die in einer Sammelmappezusammengefasst sind. Was mehr ist als ein gestalterischer Gag: Eserleichtert beispielsweise die Handhabbarkeit, erlaubt es, dassmehrere Gremienmitglieder gleichzeitig mit verschiedenen Teilenarbeiten und macht es für die Zukunft leichter, Erweiterungen undAktualisierungen vorzunehmen … Auch sprachlich ist das„Handbuch“ durchaus verständlich.ComputerFachwissen für Betriebs- und Personalräte 1/99)

WiPo-Dienst: Nützliche TippsVon einer Einführung mit Pro- und Contra-Argumenten überUmsetzung, Folgen und rechtlichen Rahmen bis hin zu Praxis-beispielen, Beratung und Service werden nützliche Tipps, Beispieleund Mustervorlagen für die Arbeitszeitgestaltung angeboten …Besonders hilfreich wird das Handbuch, wenn es darum geht, dieVorgehensweise und die Phasen der Arbeitszeitgestaltung zuvermitteln.(DAG WiPo-Dienst 2/99)

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Literatur- / Linkliste

Literatur

Blechschmidt, Peter u.a.: Welche Arbeitszeit will ver.di?,Hamburg 2000

BTQ-Infos*:Balance-Akt, Nr. 3/1998.Vertrauensarbeitszeit ist gut – Kontrolle besser?, QUAM-Son-derinfo/2000.Höchst flexibel, höchst stabil, Nr. 1/2001.Immer das Ziel vor Augen, Nr. 2/2001.

Buschmann, Rudolf / Ulber, Jürgen: Arbeitszeitgesetz. Basiskom-mentar mit Nebengesetzen, Köln 2000.

Fauth-Herkner, Angela (Hrsg.): Flexibel ist nicht genug. Vom Ar-beitszeitmodell zum Arbeits(zeit)management, Fechen 2001.

Hamm, Ingo: Arbeiten im Zeitgeist. Die Vertrauensarbeitszeit hältEinzug in den Unternehmen, in: Arbeitsrecht im Betrieb – Zeit-schrift für Betriebsratsmitglieder, 3/2000, S. 152 ff.

Hamm, Ingo: Flexible Arbeitszeiten in der Praxis, Köln 2001.

Henkel, Peter: Ohne Stechuhr in die neue Zeit,in: Frankfurt Rundschau, 19.4.2001.

Hermann, Christa u.a.: Forcierte Arbeitszeitflexibilisierung,Berlin 1999.

Hielscher, Volker: Entgrenzung von Arbeit und Leben?Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und ihre Folgewirkun-gen für die Beschäftigten, Berlin 2000 (WissenschaftszentrumBerlin).

Holch, Christine: Arbeiten ohne Ende, in: Deutsches AllgemeinesSonntagsblatt, 16.7.1999.

IG Metall, Abteilung Tarifpolitik (Hrsg.): Vertrauensarbeitszeit. Reichder Freiheit oder moderne Selbstausbeutung? Grüne ReiheNr. 6, Frankfurt am Main 2000.

Kappelhoff, Hubert: Arbeits Zeiten ...?, Hamburg 2001.

* Die BTQ-Infos können bei der BTQ in Kassel kostenfrei angefordert oder als PDF-Datei (ab dem Jahr 2000) aus dem Netz geladen werden. Adresse:www.bwbtq.de/btq

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Kerber, Bärbel: Arbeiten bis zum Umfallen, in: Psychologie Heute,November 2000, S. 30 ff.

Kutscher, Jan / Weidinger, Michael / Hoff, Andreas: Flexible Arbeits-zeitgestaltung. Praxishandbuch zur Einführung innovativerArbeitszeitmodelle, Wiesbaden 1996.

Leendertse, Julia: Ganz schön kriminell. Der Kampf um die Über-stunden geht in eine neue Runde,in: Wirtschaftswoche Nr. 24, 7.6.2001, S. 53 ff.

Lochmann, Walter / Wanisch, Maria: Balance-Akt – Die Einführungflexibler und sozialverträglicher Arbeitszeiten im Betrieb,Kassel 1999.*

Maack, Klaus / Beile, Judith: Beteiligungsorientierte Betriebsverein-barungen am Beispiel Arbeitszeitflexibilisierung. Hand-lungsleitfaden basierend auf Erfahrungen aus dem ProjektMOTIF, 2001.

Mückenberger, Ulrich: Zeiten der Stadt, Bremen 2000.

Rinderspacher, Jürgen P.: „Ohne Sonntag gibt es nur noch Werk-tage“. Die soziale Bedeutung des Wochenendes, Bonn 2000.

Stück, Heiner: Im Wandel der Zeit. Arbeitszeiten und Arbeitswün-sche von Angestellten, Hamburg 1999.

Webseiten

www.arbeitszeitberatung.de

www.bma.bund.de/arbeitszeitmodelle

www.boeckler.de

www.bwbtq.de

www.dbg.de

www.flexible-unternehmen.com

www.jura.uni-sb.de

www.jurix.de

www.sobi-goettingen.de

www.tempi.de

www.verdi.de

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Doris Batke

Jahrgang 1960, Diplom-Pädagogin und Beraterin. Langjährige Tätigkeit alsJugendbildungsreferentin der DAG Hessen, als Projektleiterin„Integration von beruflicher, allgemeiner und politischer Bildung“und „Telelearning und Multimedia in der beruflichen Weiterbildung“ inder Landesvereinigung für politische Bildung der DAG in Rheinland-Pfalz /Saar, als Dozentin für Betriebsräteschulungen im Bildungswerk derDAG Hessen. Seit 1999 im Bereich Arbeitszeitberatung bei der BTQ mitden Tätigkeitsschwerpunkten Seminare, Fachtagungen und Beratung vonBetriebs- und Personalräten.

Walter Lochmann

Jahrgang 1957, Diplom-Pädagoge und Geschäftsführer im Bildungswerkder DAG im Lande Hessen e.V. Seit Sommer 2001 FachbereichsleiterBildung / Wissenschaft / Forschung im ver.di-Landesbezirk Hessen.Mehrjährige Erfahrung als Betriebsratsvorsitzender und langjährigeTätigkeit in der Erwachsenenbildung und der Beratung von Betriebsrätenzu den Themenbereichen Betriebsratshandeln, sozialverträglicheArbeitszeitgestaltung und neue Managementstrategien.

Im Spätsommer 2001 wurde das DAG-Bildungswerk bei unveränderter Aufgabenstellung in Bildungswerk der vereintenDienstleistungsgewerkschaft (ver.di) im Lande Hessen e.V. umgewandelt. Geschäftsführerin ist Regine Franz.Die BTQ ist die Beratungsstelle für Technologiefolgen und Qualifizierung im ver.di-Bildungswerk Hessen.

V.i.S.d.P.: Regine Franz, KasselRedaktion: Doris Batke, Schmitten, Walter Lochmann, FrankfurtGestaltung und Überarbeitung der Texte: PFIFF, Pressefrauen in FrankfurtLayout: Eva-Maria Jilg

Gefördert vom Europäischen Sozialfonds und dem Land Hessen

Impressum:

BTQ KasselAkazienweg 22, 34117 KasselTel: 0561/776004, Fax: 0561/776057

E-Mail: [email protected]: http://www.bwbtq.de