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SCHOTTLAND"As isch hart, aba schö gsie"

Meine Reise mit Emil King

Mit Fotografien von Emil Kingund Text von Christoph Gänsbacher

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SCHOTTLAND"As isch hart, aba schö gsie"

Meine Reise mit Emil King

KLOIBER VERLAGEisenstadt

DonnerskirchenKlingenbach

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Donnerskirchen, 2003ISBN 23-10-1953-14-10-1973

© 2003 M. Kloiber AG für Verlagsgeschäfte & Co KG.Donnerskirchen und KlingenbachAlle Rechte vorbehaltenIdee und Text: Christoph GänsbacherEinbandgestaltung, Reproduktion u. Herstellung: Melanie KloiberPrinted in Austria

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Vorwort

Ich will von der Schottland-Reise mit Emil King erzählen. Jetztwerden einige sagen: „In Schottland waren doch schon andere Leuteund schreiben nicht gleich ihre Eindrücke nieder oder erzählen mitvoller Begeisterung, was sie in "Bonnie Scotland" erlebt haben!“

Tja, liebe Leute, jedem das Seine – und uns unser Schottland! Wennman für ein Land, das für uns eigentlich so weit und fremd wirkensollte, solch eine Liebe und Zuneigung empfindet, ist es nichtverwunderlich, dass man auf der Reise dorthin und vielmehr dortselbst die tollsten Geschichten erlebt. So erging es auch meinemFreund Pipe Major Emil King, seines Zeichen musikalischer Leiterund Chairman der "1st Leiblach Valley Pipes & Drums" ausHörbranz, der ersten, aber vor allem besten DudelsackgruppeÖsterreichs, und mir bei unserer Schottlandreise im Jahre 2002.

Schottland ist uns ein starkes Anliegen; ein Hobby, das mittlerweile- wie erwähnt - bereits zur Leidenschaft wurde. Demnach geht manan eine solche Reise schon ganz anders heran, zum Unterschiedgegenüber den sonst eher gewöhnlichen Urlaubsreisen. Und es sollteauch keine Urlaubsreise im herkömmlichen Sinne werden.

Um die Schönheit der unberührten schottischen Landschaft kennenzu lernen, muss man schon bereit sein, einige Anstrengungen aufsich zu nehmen. Doch wenn man dazu bereit ist, liebe Freunde,entschädigt Schottland einen auf seine unnachahmliche Weise unddankt es einem auf seine Art – man wird den schönsten Plätzen desErdballs gegenwärtig und förmlich von seiner rauen, aber herzlichenArt, in den Bann gezogen. Mein Freund Emil und ich durften Plätzeentdecken und optisch aufsaugen, welche für immer in unserGedächtnis eingeprägt sein werden, die wohl so schnell keinKontinentaleuropäer je zu Gesicht bekommen wird. Die zeitweiseerlebten und gespürten Gefühle bin ich leider nicht im Stande,adäquat widerzugeben. Es würde der Schönheit des Erlebten nichtzur Genüge gereichen.

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Doch wir sollten auf unsere Reise nicht nur die Schönheit derLandschaft, noch mehr als wir es ohnehin schon tun, schätzen lernen,sondern erlebten auch mit Schotten selbst tolle Episoden, die einemnicht passieren, wenn man das Land und die Leute nicht so liebt, wiewir es tun. Ich will hier kurz zwei, drei kleine, amüsante Geschichteneinflechten:

• Mini CooperAls wir am Loch Lomond angekommen waren, mussten wirerkennen, dass es keine öffentliche Verkehrsverbindung in dienächste Stadt, Callander, gab. Verzweifelt versuchten wirnatürlich bei der Rezeption des Hotels Inversnaig eineTransfermöglichkeit zu finden. Doch es schien aussichtslos, bisder netten Rezeptionistin einfiel, dass der Fährenkapitän baldFeierabend machen würde und er vielleicht uns beiden Wandererin die Stadt mitnehmen könnte. Jeff, der Kapitän, kam vorbei,betrachtete uns kurz und zeigte uns grinsend seinen Wagen –einen Mini Cooper. Er bezweifelte stark, ob der Platz ausreichenwürde, für 3 Erwachsene, samt mehr als 60 kg Gepäck. Er warfuns seinen Autoschlüssel zu und meinte nur, in etwa einer Stundewäre er zurück, wenn wir es bis dahin geschafft hätten, allesunterzubekommen, würde er uns bis in die Stadt Callandermitnehmen. Unglaublich aber wahr – er vertraute 2 wildfremdenMenschen die Schlüssel seines PKW an und fuhr mit der Fährewieder ans andere Ufer des Sees. Aber Jeff machte die Rechnungohne den Wirten, der in diesem Falle Emil King hieß. Geschicktprobierte er mal so, dann anders rum, bis wirklich das ganzeGepäck und wir selbst verstaut waren – es war zwar nicht sehrkomfortabel, aber das interessierte uns überhaupt nicht. Jeffstaunte nicht schlecht über den angefüllten Cooper, hielt abersein Versprechen und chauffierte uns nach Callander. Wirwiederum staunten nicht schlecht über die Fahrweise desFährenkapitäns. Er hatte das kleinste Fahrzeug auf der Straße,trotzdem nahm er sich überall, als hätte er einen unverwundbarenPanzer unter dem Hintern, die Vorfahrt. Des Öfteren blicktenEmil und ich uns gegenseitig fragend und zweifelnd an – unddann lachten wir trotzdem mit Jeff gemeinsam über seine rasante

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Fahrweise. In Callander angekommen, schenkten wir Jeff nocheinen mitgebrachten Schnaps aus unserer Heimat, dankten ihmfür die Hilfe und suchten ein von ihm empfohlenes Bed &Breakfast in Callander auf.

• GeruchsnoteIn Callander zum Beispiel selbst, lachten wir uns mit unseremVermieter krumm.Kurz erzählt: Nachdem uns also Jeff in Callander absetzte,suchten wir uns ein Bed & Breakfast House und wurden bei DonMacGregor fündig. Ein überaus netter Schotte, der bereits inPension war und nicht vor allzu langer Zeit aus dem SüdenEnglands in seine alte Heimat zurückkam, um hier eben nochFremdenzimmer zu führen und seinen Lebensabend hier zugenießen. Natürlich hatten wir viel zu erzählen, und er hatte vieleFragen – 2 Österreicher im Schottenrock vor seiner Tür, hungrigund müde – so was war natürlich nicht alltäglich. So bezogen wirunser schmuckes Doppelzimmer und waren gerade im Begriffauszupacken und ein ausgedehntes Bad zu nehmen, als es an derTür klopfte. Ich öffnete. Don stand vor mir. Ich fragte ihn,während mein Blick auf zwei Fläschchen in seiner Hand fielen:„What´s the matter, Sir?“ Er reichte mir die beiden Fläschchenund sagte mit einem breiten Lachen auf seinem Gesicht: „I guess,you`ll need it!“Soviel zum Thema Geruch nach dem Wildnistrip.

• Der Bus nach BalquidderUnser Aufenthalt in Callander war zu Ende. Wir machten uns aufin Richtung King´s House Hotel in Balquidder. Don MacGregorerklärte uns noch wo und wann ein Bus von Callander nachBalquidder gehen würde und so trotteten wir los. Jedoch musstenwir bald feststellen, dass aufgrund der „Bank Holidays“ deröffentliche Verkehr nicht nach Plan ging. Wir mussten ziemlichverzweifelt ausgesehen haben, als Emil auf gut Glück einenBusfahrer ansprach, wann und wie wir doch noch nachBalquidder kommen könnten. Heute wohl nicht mehr, war dieschwer zu verstehende Antwort, und bei Gott, wir sprechen kein

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schlechtes Englisch, des Buslenkers. Mit der Zeitung unter demArm stapfte er weiter. Beim Bus angekommen, hielt er inne. Ichbemerkte, dass auf dem Bus das Schild „Out of Service“angebracht war –also dieser Chauffeur hatte wohl gerade seineFahrpause. Plötzlich drehte er um, winkte kurz und deutete, dasswir einsteigen sollten. Verdutzt blickten Emil und ich uns an,nahmen dann aber unser Gepäck und stiegen in den Kleinbus. Inbreitestem schottischen Dialekt gab er uns zu verstehen, dass erdoch nach Balquidder fahren werde, wir konnten jedoch nichtverstehen, ob und wie viel wir für die Fahrt zu bezahlen hätten.Ich verzweifelte schon nach wenigen Minuten, weil ich nicht inder Lage war, mit dem netten, aber unverständlich sprechendenMann zu kommunizieren. Emil setzte unverdrossen dieKommunikation mit Händen und Füßen fort, und so war er dochbald in der Lage, zumindest ein bisschen von dem Gemisch anGälischem bzw. tiefsten Scots Dialect zu verstehen. Der Mannhatte, wie richtig vermutet, Fahrpause und ich denke er hatteetwas Mitleid mit uns, deshalb beschloss er, anstatt dieRuhepause einzuhalten, uns in das 25 Minuten entfernteBalquidder zu fahren. Die Fahrt war ein Spaß für sich, da er unswohl verstand, wir aber kaum mitbekamen, was er uns soerzählen wollte. Trotz allem war es ein stilles Verständnis, daszwischen uns herrschte und demnach herzlich war auch dieVerabschiedung an der Bushaltestelle in Balquidder – obwohlwir keinen blassen Schimmer hatten, was er uns da für unsereweitere Reise gewünscht hat – auf jeden Fall war es was positivesund nettes, das konnte man zumindest in der Körper- undGesichtssprache erkennen. Wir winkten ihm noch nach, als erzurück in Richtung Callander abfuhr. Es war einfach unfassbar,dass ein Fremder, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten,uns solche Dienste erwiesen hat.

Die Reise sollte eben gespickt mit solchen kleinen, aber tollenEpisoden zu einer wunderschönen Zeit werden.Eine Zeit, in der es sicher auch Unstimmigkeiten zwischen Emil undmir gab, diese aber trotzdem nie Anlass für einen wirklichen Streitwaren.

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Eine Zeit in der wir die Möglichkeit hatten, uns so gut kennen zulernen, dass der Respekt bzw. die Demut, zumindest von meinerSeite her betrachtet, zu meinem Freund noch größer und stärkerwurde.Und es war schließlich auch Zeit – die Zeit – um unsere Freundschaftund Kameradschaft zu festigen und zu vertiefen.Es war eine wunderbare Zeit mit einem Freund - einem wahrenFreund, wo das Wort nicht nur hohl und nichtssagend ist –gemeinsam die reizvolle und beeindruckende Schönheit Schottlandszu erkunden bzw. intensivst zu erleben.

Dafür will ich mich bei meinem „Kampfgefährten“ Emil King aufdas Herzlichste bedanken und ihm dieses kleine Büchlein alsAusdruck meiner Freundschaft und anlässlich seines 50. Geburts-tages widmen.

Christoph Gänsbacher

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Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier;Mein Herz ist im Hochland, im waldigen Revier.Da jag ich das Rotwild, da folg ich dem Reh,Mein Herz ist im Hochland, wo immer ich geh.

Mein Norden, mein Hochland, lebt wohl, ich muss ziehn;Du Wiege von allem, was stark und was kühn,Doch, wo ich auch wandre und wo ich auch bin,Nach den Hügeln des Hochlands steht allzeit mein Sinn.

Lebt wohl, ihr Gebirge mit Häuptern voll Schnee,Ihr Schluchten, ihr Täler, du schäumende See,Ihr Wälder, ihr Klippen, so grau und bemoost,Ihr Ströme, dir zornig durch Felsen ihr tost.

Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier;Mein Herz ist im Hochland, im waldigen Revier.Da jag ich das Rotwild, da folg ich dem Reh,Mein Herz ist im Hochland, wo immer ich geh.

ROBERT BURNS

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I.

Unsere Reise begann am 29. April 2002 wie so viele mit einerlangwierigen Anreise. Emil wählte für diesen Trip den Weg per Bahnvon Bregenz nach Zürich und von dort per Ryan Air über Luton nachGlasgow. Um ca. 15.45 Uhr betraten wir schottischen Boden amAirport Glasgow. Von dort aus steuerten wir den Bahnhof inDumbarton an, wo wir zielstrebig in die ScotsRail umsteigenwollten, um unseren Destination Point „Fort Williams“ zu erreichen.Doch leichter gesagt, als getan … die Einholung von Auskünftenbeim Bahnhofsvorstand erwiesen sich schwerer als erwartet.Entweder konnte er uns wirklich nicht exakt sagen, wann der Zugeinfahren würde, oder er wollte sich einfach nur ein Späßchen mituns machen. Aber da hat er sich wohl die falschen Spielkameradenausgesucht, da wir ihn solange und sooft löcherten, bis wir endlichdie Auskunft hatten, die wir auch wollten. So warteten wir undwarteten wir, bis endlich der Anschlusszug nach Fort Williams inDumbarton einrollte. Die Fahrt vorbei an Helensburgh, am LochLomond, Ranoch Station, Loch Treig, Tulloch Station, über SpeanBridge nach Fort Williams entschädigte dann aber umso mehr für dielange Wartezeit in Dumbarton. Langsam zog die Eisenbahn angrünen Berghängen entlang und an blauen bis dunkelgrauen Seen - inSchottland Lochs genannt. Je weiter wir nordwärts kamen, destogrößer wurden auch die Hochmoorstreifen, die von Ginster undHeidekraut in gelbe, braun-grüne, und lila Farben gehüllt waren. DieSonne verschwand langsam hinter den Bergrücken und die Nachthüllte das Hochland ein und verzauberte es in eine mystischeLandschaft.

Als wir in Fort Williams angekommen waren, düngte mir, wart esbeinahe 23.00 Uhr geworden. Bescheiden fragte ich Emil:“ Nahoffentlich ist unsre Lady vom Guest House noch wach, damit wirnoch in unser Quartier kommen!“ Erstaunt blickte mich Emil an undantwortete ruhig und gelassen:“ Was für ein Quartier denn?“ „KeinQuartier, Emil? Wo werden wir jetzt die kalte und feuchte Nacht (es

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hat nämlich, wie nicht in anders in Schottland zu erwarten, einleichter Regen eingesetzt) verbringen?“Mit einem süffisanten Lächeln, das ich noch des öfteren auf unsererReise bemerken sollte, erwiderte Emil:“ Also wir suchen uns jetzt eintrockenes Plätzchen und schlagen dort unser Zelt auf. Wozu habenwir es denn meilenweit mitgeschleppt?“So begann eine kleine Odysse, meine erste wohl gemerkt, in FortWilliams – von einem Stadtrand zum anderen durchstreiften wir dieNacht auf der Suche nach einer geeigneten Stelle, um unserNachtlager zu errichten. Als wir auch an den Atlantikufern FortWilliams nicht fündig wurden, beschloss Emil es doch im Orts-zentrum zu versuchen. Mir schwante Schreckliches: etwa vor einemEinkaufslokal oder Geschäft, die ja oft Lüftungen besitzen, welchewarme Luft aus dem Lokal entweichen lassen. Schließlich standenwir vor einem Safeway Store. Ein Cola Automat! Ich hatte Durst,also ließ ich mir eine Dose aus dem Gerät. Als ich mich zu Emilumwandte, musste ich erstaunt vernehmen, dass er neben einer Bankin seinem Rucksack kramte … „Hm, die Bank oder den Platzdaneben?“ fragte er plötzlich. „Emil? Das ist doch nicht Dein Ernst?Du … wir …?“ „Na, warum denn nicht – es ist trocken, windge-schützt und mit etwas Geschick auch gemütlich!“ Der Durst warverflogen, die Cola schmeckte plötzlich nicht mehr und wanderte miteinem groben Wurf in den Müllbehälter, der sich neben demAutomaten befand. „Das sollte also unsere erste Nacht in Schottlandwerden?“ Kaum hatte ich zu Ende gedacht und missmutig begonnen,mir eine Schlafstelle auf der Gartenbank zu schaffen, lag Emil miteinem breiten Grinsen im Gesicht zu meinen Füßen, gehüllt in seinenSchlafsack und einer zusätzlichen Regenplane, welche eigentlich fürdas Zelt als Regenschutz gedacht ist, und merkte an, dass es doch einganz vortreffliches Plätzchen sei, um die Nacht zu überstehen undwie viele Menschen hätten schon die Möglichkeit an so einemPlätzchen die Nacht zu verbringen. „Tagtäglich eine große Menge anObdachlosen, Emil?!“ „Komm, Du weißt, was ich meine!“ erwiderteer und verschwand in seinem „Kokon“.Damals wusste ich nicht was er damit sagen wollte, erst lange Zeitspäter sollte auch diese Nacht zu einem dieser kleinen Mosaik-

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steinchen gehören, das erst das Gesamtbild unserer tollen Zeitwiderspiegeln sollte – wie gesagt, in dieser Nacht selbst verstand iches noch nicht – im Gegenteil, ich konnte nicht und nicht einschlafen -war es die Kälte, die Ungewissheit, einfach die Tatsache, dass ich inSchottland nicht wie ein Obdachloser wirken wollte. Im Nachhineingesehen, waren es einfach meine egozentrischen und präpotentenGedanken, die mich nicht einschlafen lassen wollten.Da es trotzdem auch ziemlich kalt war, beschloss ich, mein Egodadurch zu beruhigen und meinen Körper gleichsam dadurch zuerwärmen, einen langen ausgedehnten Spaziergang zu unternehmen– die 2. Odysse begann. Da die Geschäftslokale teilweise gutbeleuchtet waren, machte ich mich auf, Fort Williams zu erkunden.Harbour hinunter, Regent Street hinauf, auf der Main Street hab ichsogar verschiedene einzelne Fassaden unter die Lupe genommen.Von einem Pub zum nächsten – jetzt gemütlich ein Stout, einenwärmenden Single Malt – a wee dram – oder ein dunkles Bier inwohltemperierter Umgebung – doch alle Pubs an denen ich vorbei-kam, hatten geschlossen (nicht anders zu erwarten, um 2.30 Uhr).Also den ganzen Weg wieder zurück – dabei einmal kurz verlaufen,doch alle Wege führten zu „unserem“ Safeway zurück. Und Emilschlief immer noch – tief und fest zog er im Reich des Sandmannesseine Runden. „Beneidenswert“, dachte ich, aber wenn ein Gebirgs-jägerausbildner hier keinen Schlaf finden würde, wer denn dann?!

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II.

Langsam, sehr langsam, ging die erste Nacht zu Ende, ohne dass ichnur ein Auge zugemacht hatte. Aber die ersten Sonnenstrahlen ließenauch meinen „Kampfgefährten“ erwachen. Kaum aufgewacht, ver-wickelte er eine eintreffende Angestellte von Safeway in einGespräch und wir bemerkten mit Erstaunen, dass diese nette Damesehr gut Deutsch sprach und auch Freude zeigte, ihr Deutschanwenden zu können.

Die überaus nette Dame knipste noch die ersten Fotos von uns, wirholten uns ein kleines Frühstück beim nahe gelegenen McDonald`sRestaurant und machten uns auf, Fort Williams in Richtung BenNevis zu verlassen.Etwas außerhalb der Stadt befand sich das Ende des „West HighlandWay“. Hier war also unser echter Anfang des Trips. Normalerweisebeginnt der „West Highland Way“ auf Höhe von Loch Lomond undführt nach Fort Williams. Wir wählten wie gesagt, den schwererenWeg, das heißt, wir starteten also von der anderen Seite.

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Bevor der Wanderweg bergauf im Wald verschwand, war die Zeitendlich gekommen – wir suchten uns eine kleine Lichtung undholten das „Allerheiligste“ aus unseren schweren Ranzen hervor:unsere Kilts. Das restliche Gepäck gut verstaut, die über 30 kg gutam Rücken verteilt marschierten wir los – wie könnte es anders sein,natürlich erstmal nur bergauf.Emil hatte vor dem Abmarsch in Fort Williams noch ein Elektrolyt-getränk gemixt und mir ständig angeboten und mich vielmehrgedrängt, regelmäßig zu trinken, um etwaigen Krämpfe präventivvorzubeugen. Ich lehnte natürlich dankbar ab, wie könnte es anderssein, auch nach seinen Ermahnungen griff ich nicht zur Flasche –welch Fehler, sollte ich bald am eigenen Leibe zu spüren bekommen.

So ging es erstmal den Wald entlang, stetig bergauf. Nach dem erstenSteilstück kamen wir auf ein waldfreies, flaches Wegstück. Von dortaus hatten wir einen prächtigen Ausblick auf die höchste Erhebungdes Vereinten Königreichs – den Ben Nevis. Majestätisch stand der1343 m hohe Berg vor uns mit seinen schneebedeckten Bergkuppen– wuchtig und ebenso Ruhe ausstrahlend. Direkt daneben sahen wirdie runden Köpfe seiner kleineren Bergkameraden, den Aonach Mor(1219 m) und den Aonach Beag (1238 m). Ich hab in einem meinerunzähligen Bücher über Schottland mal gelesen, dass es fünf bissieben Stunden dauert, den Berg Ben Nevis hinauf- und wiederhinunterzuwandern. Emil hatte mehrmals den Wunsch bzw. dieAbsicht geäußert, den Ben Nevis zu besteigen. Ich war sichtlicherleichtert, als er, aufgrund der Schneelage am Ben Nevis, vondiesem Vorhaben absah.

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Die weiteren Anstiege waren nicht ohne und sehr zäh. Ich hatte zutun, um mit Emil Schritt zu halten – das war mein 2. Fehler schonnach wenigen Kilometern. Er hatte im Vorhinein immer gewarnt,wenn das Tempo zu hoch wäre, sofort Meldung zu erstatten. TypischSoldat, dachte ich und meinte, meine Kräfte selbst am Besteneinteilen zu können. Die ersten Krämpfe machten sich mit tod-bringender Sicherheit bemerkbar und spät, leider zu spät, erbat icheine erste Pause. Schritt für Schritt spürte ich, wie die Muskeln inden Waden immer härter wurden, bis der Punkt erreicht war, an demder Muskel mir den Gehorsam verweigerte und einfach zu machte –ein starker Krampf folgte dem anderen. Wir mussten kurz vor derersten geschafften Plateauerreichung eine kurze Pause einlegen.

Nachdem wir eine Lichtung erreicht hatten, öffnete sich vor uns, eineweite, beinahe unberührte Landschaft – beinahe eben nur – hunderteSchafe grasten auf den leicht abfallenden Hängen und Wiesen unterund über dem Wanderpfad. Es hatte etwas aufgeklart und so gabEmil den „Befehl“ für eine kurze Mittagspause. Wir ließen uns aufeiner kleinen Felsgruppe nieder, um in ihrem Schutz ein kleines

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Süppchen zu kochen. Emil holte also Wasser aus unserenFeldflaschen und begann mit Gaskocher und einem Suppenpäckchenunser Mittagsmahl zu zaubern. Währenddessen näherte ich micheiner kleinen Gruppe Schafe, welche dicht am Weg und sehr nahe zuuns grasten. Als ich mich zu nähern versuchte, entfernten sie sich mitargwöhnischen Blicken immer mehr vom Weg und ließen mir keineChance auch nur näher als ca. 30 m zu kommen. Ich wandte michalso wieder in Richtung Emil, als ich Geräusche zu meiner Rechtenvernahm. Aus einem dichten Gräserbusch trat plötzlich ein kleinesSchäfchen. Sehr wackelig auf den Beinen, etwas zitternd und leiseblökend kam es auf mich zu.

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Das Schäfchen war noch an vielen Stellen rötlich blutgefärbt und wiegesagt noch sehr tapsig. Nachdem ich ja wusste, dass man jungeWildtiere nicht berühren sollte, betrachtete ich das kleine niedlicheDing mit einem Lächeln auf meinem Gesicht und ging dann zu Emilund unserem Essen zurück. Emil hatte natürlich die Szene von denSteinen aus mitverfolgt und nachdem das kleine Schaf noch immerda war, als wir unser flüssiges Mittagessen beendet hatten, ließ essich mein Freund nicht nehmen, selbst das kleine weiß – schwarzeHäufchen Elend aus der Nähe zu betrachten. „Das Kleine ist wohlvon der Mutter verstoßen worden!“ rief er mir vom Weg aus zu,während er sich hinkniete und mit dem Schäfchen zu „kommuni-zieren“ begann. Beide müssen sich wohl gut „verstanden“ haben, dadas Schäfchen immer näher zu Emil kam – so nahe, dass Emil einenkleinen Satz rückwärts tun musste, um das kleine Schaf nicht zuberühren. Von meiner etwas entfernten Position sah das Szenarionatürlich sehr amüsant aus – man hatte den Eindruck Emil würde vordem kleinen Schaf flüchten, da er immer wieder zurückwich, umeinem direkten Kontakt zu vermeiden. Diese Szene wiederholte sichnoch einige male. Ich lachte natürlich laut auf und hielt mit derKamera alles fest. Emil warf mir einen drohenden Blick zu als ichlautstark verkündete, die Filmaufnahmen von Emils „Flucht“natürlich meiner Art entsprechend zu veröffentlichen. Dann lachtenund alberten wir noch gemeinsam über die kleine „Schafsaffäre“,während wir den Marsch fortsetzten. Das kleine liebe Schäfchenfolgte seinem Emil noch etwa 100 m - wie ein kleiner Hund trottetees hinter uns her – so grausam es auch klingen mag, aber demSchäfchen war leider nicht mehr zu helfen – sein Schicksal warbesiegelt – wir konnten es unmöglich mitnehmen, und es war auchkaum anzunehmen, dass der Farmer das Kleine noch rechtzeitigfinden würde. Auf einer kleinen Anhöhe, etliche Meter weiter,wandten wir uns noch einmal um, verabschiedeten uns leise vonEmils kleinem Schäfchen und setzten unseren Marsch fort.

Die Pausen wurden immer öfter angesetzt und die Zwischenräumezwischen den einzelnen Stopps wurden immer kürzer. Emil drängtemich, viel Flüssigkeit aufzunehmen – erst jetzt gehorchte ich meinem

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erfahrenen Führer. An einer Schafssperre zwang uns heftigeinsetzender Regen zu einer unfreiwilligen Pause im Unterholz,welche mir sehr Recht kam. Das Unterholz war geprägt von vielenkleinen Erdnischen, welche von Schafen in den Boden getriebenwurden, um selbst vor Wind und Wetter Schutz zu finden. Dabeientdeckte ich einen weiteren Umstand, der mich nicht wirklich frohstimmte. Zwischen meinen Oberschenkeln vernahm ich ein leichtbrennendes Gefühl – ich hatte wohl zu wenig Hirschtalg aufgetragen– zu spät, denn die Entzündung war schon weit fortgeschritten.Weitere Schichten Hirschtalg wurden aufgetragen, aber es sollte sichspäter herausstellen, dass es kaum etwas nützen sollte. Ob sich wohlEmil den Start unserer Reise wirklich so vorgestellt hat? Wird erschon am ersten Tag von meiner kläglichen Vorstellung enttäuschtsein? Solche Gedanken und mehr schwirrten in meinem Kopf herum,während ich versuchte mit ihm Schritt zu halten. Der „Wolf“schmerzte immer mehr und meine Kräfte schienen sich auch schönlangsam dem Ende zuzuneigen.Der „West Highland Way“ läuft eine gewisse Zeit lang gleichauf mitdem „Old Military Way“, den Soldaten der Armee bzw. derHochland Clans in den vorigen Jahrhunderten verwendeten.Verbissen setzte ich Schritt vor Schritt und versuchte meinem Freundauf den Fersen zu bleiben. Wir überquerten eine Landkuppe undbemerkten, dass der Baumwuchs plötzlich zu Ende war. Über einehochgezogene Kurve, die sich um die Kuppe schlängelte, kamen wirzum weit geöffneten Eingang in ein anscheinend seit Jahrenunbevölkertes und unaufgesuchtes Tal, das sich zu unseren Füßenwie ein grünbrauner Teppich erstreckte. Gesäumt von Nebel-schwaden an den Berghängen rechts und links des Tals machte es aufuns einen beinahe „toten“ Eindruck. Emil war sichtlich ergriffen vondiesem Anblick und verharrte für ein paar Minuten. Leise, beinahenicht zu vernehmen, wisperte er: “Dead Valley – Christoph, diesesTal sieht doch so aus und müsste eigentlich Dead Valley heißen!? Sowie dieses Tal hier liegt, können es nicht viele Menschen jemalsgesehen haben!?“In der Ferne konnte man alte Steinmauern sehen, und wir erspähten 2kleinere Häuschen – sollte es doch kein so „totes“ Dead Valley sein?

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Der 30. April zeigte erste Anzeichen in die Nacht überzugehen. „Wirwerden uns hier im Tal einen Lagerplatz suchen!“ sagte Emil, derimmer noch diese Gegend regelrecht mit seinen Augen aufzusaugenversuchte. Diese Nachricht vernahm ich natürlich mit freudigerMiene, da meine Kräfte nicht mehr lange ausgereicht hätten und auchder Hunger sich bemerkbar gemacht hatte. Die Dunkelheit brachlangsam über das Tal herein und so schlugen wir ca. 300 Meter vorden beiden bereits erwähnten Häusern unser Zelt auf. Der Nebellegte sich schneller über das Land, als wir einen geeigneten Platzfinden wollten. Doch schließlich hat Emil ein trockenes Plätzchenausgemacht, wo wir das Nachtlager aufschlagen konnten. Im Zeltselbst, haben wir dann die mitgebrachten „Fast Food Spätzle“ mitdem Gaskocher zubereitet, und ich muss sagen, sie schmeckteneinfach köstlich! Es sei erwähnt, dass nach solch einem Tag jedewarme Mahlzeit wie ein Galadinner geschmeckt hätte. Die Spätzlehatten nur eine Aufgabe: Uns satt zu machen, etwas Warmes in denBauch zu bekommen und die Kräfte für den nächsten Tag bereit zustellen – es muss nicht schmecken, sondern seinen Zweck erfüllen.Kilt und Gepäck verstaut, alles wasserdicht gelagert und ab in den

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Schlafsack – mein einziger Wunsch am Ende dieses Tages: Schlafen!Schlafen und nochmals Schlafen!Doch nachdem wir sehr schnell in das Land der Träumeentschwunden waren, wurde ich mitten in der Nacht wach – michfröstelte es, meine Ohren und mein Kopf waren eiskalt. MeineLuftmatratze war leck, also kam die Kälte von unten und nachdemich meinen Schlafsack auch nicht ordentlich nutzte, da ich dachte, eswäre ein eingebauter Kopfpolster anstatt einer Kapuze, musste ichdies wieder mit Schlaflosigkeit bezahlen – trotz meines ver-ständlichen Ärgers, da ich nun schon die 2. Nacht kaum geschlafenhatte, musste ich doch froh sein, aufgewacht zu sein, da ich so, eingut gehütetes Geheimnis meines Freundes Emil King lüften konnte.

Ich hatte von Bruno und einigen anderen Mitgliedern der LeiblachValley Pipe Band schon mehrmals die Geschichte gehört, manmunkelt, dass Emil im Schlaf lachen würde – aber bis dato fehlte dieBestätigung und er bestritt natürlich diese Tatsache vehement. In derNacht vom 30. April auf den 1. Mai 2002 wurde die Mähre vonEmils Schnarrchen gelüftet. Eingehüllt in seinem Schlafsack lag erneben mir, nur sein Schnurbart und seine Nase waren zu sehen – mitder Kapuze am Kopf sah er aus wie der alte Hunnenfürst DschingisKhan und als ich mich wieder auf die Seite drehen wollte, da hörteich es zum ersten Mal – zuerst erschrak ich, da ich dachte, ein Tierwäre vor dem Zelt – da es in Schottland aber keine Tiere gibt, diesolche Laute machen, richtete ich mich auf und hörte gespannt, ob eswohl nochmals zu hören wäre. Da wieder – eine Mischung zwischenSchnarrchen und Lachen – es gibt nur ein Tier, dass solche Laute vonsich gibt – eine Hyäne – und da es wie gesagt, solche Tiere inSchottland ja nicht gibt, bleibt nur mehr … Emil. Sein dritterHyänenschrei ließ mich auflachen, dass ich meine Müdigkeit und dieKälte vergaß und mich schmunzelnd in den Schlafsack eingrub undsogar kurzen Schlaf bis zum Morgen fand.

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III.

Morgens, 6.00 Uhr, wurde ich brutal geweckt – „Tagwache“ schrieer, „Komm, du fauler Sack!“ Emils unnachahmlich liebevolle Art"Guten Morgen" zu sagen, und mich aus dem jetzt erträglich warmenSchlafsack zu treiben. Als ich aus dem Zelt kam, stand er schonsplitterfasernackt in einem sehr nah gelegenen Gebirgsbach, der sichwie ein großes „S“ um unseren Zeltplatz legte. Des nächtens ist mirdieser Bach gar nicht aufgefallen, nur sein Plätschern war zu hören,doch dass er eigentlich so nahe an unserem Zelt war, erstaunte michin der Früh etwas. Nichts desto Trotz musste die Kleidung runter,und es war kalt – sehr kalt sogar. Über Nacht muss es etwasgeschneit haben, da die Schneegrenze bis auf den Ausläufern derBerghänge herunterreichte. Die Seile des Zeltes waren mit Eiszapfengesäumt – all das war frühmorgens bei der Toilette egal – also hineinin den Bach und schnell alle Körperteile bis auf die Haaregewaschen. Nur die Unterhose wurde anschließend gewechselt,speziell die Socken bzw. Kiltstutzen wurden natürlich nichtgetauscht, auch nicht die Unterleibchen. Für manche möge das etwasunhygienisch wirken, aber unbedingt notwendig, da sich sonst dasGewicht der ohnehin so schweren Rucksäcke noch beträchtlicherhöht hätte und wir brauchten ja die anderen sauberen Sachen fürden Aufenthalt in Glasgow und Edinburgh. Und mal ehrlich, um unsherum nur Schafe – wen hätte es wirklich gestört, hätten wir aucheinen entsprechenden Körpergeruch angenommen. Durch die eiskalteWäsche, war das ja ohnehin nicht der Fall. Trotzdem muss ichnebenbei erwähnen: Am Anfang nahmen Schafe, wenn sie unswitterten, Reis aus und suchten das Weite. Gegen Ende des Marschesnäherten sie sich immer mehr – woran das wohl gelegen hat?

Während ich mit der Morgentoilette beschäftigt war, zauberte Emilmit Torfwasser und Instant-Kaffee ein leckeres Frühstück. An-schließend wurde das Zelt abgebaut und um 7.00 Uhr hieß es„Abmarsch“. Wir kamen an der vermeintlichen Siedlung vorbei undmussten erkennen, dass die beiden Häuschen schon seit sehr langerZeit nicht mehr bewohnt waren – nun hatten sich die unzähligen

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Schafe diese Steinhäuser zu ihren Domizilen umfunktioniert – wohlauch steinerne Zeugen der Highland Clearances Mitte des 19.Jahrhunderts, wo Großgrundbesitzer oder Clanoberhäupter ihreLehensleute von deren Land vertrieben hatten, um das Land fürSchafzucht oder die Jagd zu nutzen. Tausende Schotten warendamals gezwungen ihr geliebtes Heimatland zu verlassen. Sie ver-suchten ihr Glück in den neuen britischen Kolonien in Nordamerika,Südafrika, Australien oder Neuseeland zu finden. Doch ihre Wurzelnhaben diese unfreiwilligen Auswanderer bis heute nicht vergessenund die schottische Tradition lebt in diesen Teilen der Erde unge-brochen weiter. In Kanada gibt es sogar einen eigenen Bundesstaatder hauptsächlich von Schotten gegründet wurde –Nova Scotia (wasNeuschottland bedeutet) oder etwa die unzähligen schottischen Dorf-und Städtenamen in den USA, in Australien und vor allem inNeuseeland. In Schottland selbst leben derzeit 5 Millionen Menschen– weitere 25 Millionen Menschen schottischer Abstammung lebenauf dem ganzen Globus verteilt.

Während des Weitermarsches philosophierten Emil und ich, wiewohl diese Familie hier gelebt hat, wie die Verbindung zurZivilisation ausgesehen haben mag und wie es dann zum Verfallgekommen ist. Der zweite Tag war von der Marschgeschwindigkeitund vom Gewicht des Rucksackes her bei weitem besser – jetzt hatteich mich etwas an die ganzen Strapazen gewöhnt und die erstenSchmerzen überwunden. Obwohl sich andere wieder bemerkbarmachten. Einerseits fiel mir während des Marsches natürlich dieEntzündung zwischen den Oberschenkeln immer wieder unan-genehm auf, worauf Emil strikt meinte, im nächsten Dorf mussdiesem Problem begegnet werden. Andererseits plagten uns beidebald auch die ersten Blasen. Und während eines kurzen Stopps, umdie Blasen zu verarzten, entdeckten wir Reste von militärischenGefechtsübungen - daher ist der Name „Old Military Way“ mehr alseinleuchtend.

Wir mussten kurz inne halten, als wir den Loch Leven zu unserenFüßen erblickten – wunderschön spiegelte sich die Sonne in dem

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Ausläufer des Loch Linnhe, der wieder in den Firth of Lorn übergeht.Gegenüber erblickten wir auch eine Straße – wir sollten noch nichtahnen, welche Folgen diese Straße noch für uns haben sollte.

Über einen steinigen engen Pfad ging es das erste Mal seit fast 2Tagen abwärts – und schon bald kam ein kleines Dörfchen inSichtweite – Kinlochleven.Im Dorf angekommen, suchten wir erstmal einen Store auf, um unsetwas frisches Obst und Käse zu gönnen. In dem kleinen „CoopStore“-Geschäft wurden wir schnell fündig und wir genossen einkleines aber feines Frühstück in der morgendlichen Sonne. Vor demGeschäft kamen wir mit 2 Schotten ins Gespräch, die sich sehrinteressiert zeigten, was wir denn mit dem großen Gepäck vorhätten.Wir haben ihnen erzählt, dass wir den Old Military Way heraufge-kommen sind und in Richtung Glencoe und weiter nach LochLomond wollen. Die beiden Schotten, ebenfalls auf dem WestHighland Way unterwegs mit einem kleinen Rucksack, nicht einmal5 kg schwer, konnten kaum glauben, was wir ihnen da erzählten.Sichtlich begeistert von unserem Vorhaben, rieten sie uns aber denKletterpfad in Richtung Pass von Glencoe nicht einzuschlagen, da siemeinten, es wäre mit dem Gewicht auf dem Rücken nicht sehr ratsamdurch die kleinen Bergspalten zu schlüpfen. Anerkennend undrespektvoll wünschten sie uns noch viel Glück und Erfolg und zogenihrer Wege.

Emil resümierte kurz und meinte, dass, wenn wir direkt Glencoeansteuern würden, noch Zeit für das Dorfmuseum dort hätten.Nachdem wir als Interessierte der schottischen Geschichte, Infor-mationen über das Massaker von Glencoe einfach sammeln mussten,kam uns diese Variante sehr gelegen und wir machten uns auf,entlang der Verkehrsstraße, nach Glencoe zu wandern.

Anfangs war es ein angenehmer Marsch, so ganz ohneBodenunebenheiten wie am Hochland Wanderpfad. Wir genossendie Sonnenstrahlen, das etwas untypisch warme Wetter für Schott-land, die tolle Kulisse von Loch Leven, entlang dessen Ufer die

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Straße führte, und die tolle Vegetation am Straßenrand und denHügeln. Aber schnell bemerkten wir, dass es sehr schmerzhaft ist,mit großem Gewicht auf dem Rücken auf Asphalt zu marschieren. Jelänger wir unterwegs waren, desto größer wurden die Schmerzen anden Fußsohlen. Wir durchlitten schmerzhafte Qualen bis wir endlichdas Dörfchen Glencoe erreichten. Auf einer Parkbank versuchten wirunsere geplagten Füße etwas zu entlasten und wieder aufVordermann zu bringen. Dann ging es ab in die Dorfmitte, wo wirdas Museum vermuteten. Wir mussten aber leider in einem kleinenDorfgeschäft erfahren, dass zu dieser Zeit das Museum geschlossenhat. Die Verkäuferin meinte jedoch, vielleicht könnten wir denBetreiber ja überreden, ob er uns nicht kurz mal in das kleine miteinem Strohdach gedeckte Museum schauen lässt. Also suchten wirein paar Straßen weiter den Betreiber bzw. Zuständigen desMuseums auf. Zum Glück war er zu Hause, aber jeder mag sich gutvorstellen können, wie verdutzt er geschaut hat, als plötzlich 2Männer in Schottenröcken und großen Tramperrucksäcken vor ihmstanden. Nach ein paar aufklärenden Worten bzw. höflichenBittgesuchen unsererseits war sein Erstaunen umso größer – einSchottenrock in Schottland ist wohl nichts Ungewöhnliches, aber inden Kilts steckten 2 Österreicher, die ihm berichteten, dass sie denWest Highland Way unterwegs nach Loch Lomond waren undspeziell wegen dem Museum den Weg nach Glencoe eingeschlagenhatten. Zu unserer Verwunderung zögerte er nicht lange, nahmseinen Hut und bat uns, ihm zu folgen. Wir gingen wirklich zurückzum Museum und der nette alte Mann, George war sein Name, ließuns eine spezielle und einzigartige Führung angedeihen.

Natürlich galt unser erstes Interesse dem Massaker von Glencoe,welches sich im Jahre 1692 ereignete und auf königlichem Befehletwa 40 Mitgliedern des Clans MacDonald of Glencoe aufheimtückische Weise das Leben kostete, und der Rolle des nicht sehrbeliebten Clan Campbell. Wir erfuhren interessante Details wie etwa,dass nicht alle Campbells hinter der Intrige standen, und sogar vomNachbarclan, ebenfalls Campbells, Hilfe in Form von Aufnahme undVersorgung nach der Flucht aus dem todbringenden Tal kam. Oder,

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dass es nicht einen spezifischen Platz für das Massaker gab, sonderndie Gräueltaten über das ganze Tal verstreut waren.Weiters erzählt uns George, dass dieses Museum nach dem 2.Weltkrieg neu aufgebaut werden musste, da die Bausubstanz undspeziell das Dach schon sehr in Mitleidenschaft gezogen war. Dabeientdeckte man im Strohdach alte Waffen, Uniformen undKriegsmaterialien, welche aus der Zeit um die Schlacht von CullodenMoor, 1746, stammen mussten. Jahre später bestätigten Historikerdie Echtheit der Waffen und nun hängen in diesem kleinen un-scheinbaren Museum Zeitzeugen der letzten Schlacht auf britischemBoden, dem letzten Aufstand der Schotten gegen die EnglischeHerrschaft, der Schlacht im Culloden Moor.

Und dann geschah es: George stieg auf eine kleine transportableHolzstiege und nahm eines der Highlander Schilder, das Targe, vomHacken, welcher das Schild am großen Holzbalken unter dem Dachbefestigte. Zuerst zeigte er uns Einschusslöcher auf dem mehr als250 Jahre alten Holzschild, das traditioneller Weise mit Lederüberzogen wurde und anschließend mit Metallelementen stilgerechtverziert wurde. Dann reichte er es, ohne dabei ein Wort zu sagen, anEmil weiter. Für einen kleinen Moment erstarrte mein Freund undblickte George fragend und ungläubig an. Mit einem Wink desKopfes ermutigte George Emil, das Targe zu nehmen, als wollte erihm sagen: “Nimm es, mein Freund, ich erkenne in Dir einen echtenFreund Schottlands und es ist mir eine Ehre, es in Deine Hände zulegen!“ Ein kleines Kind zum Weihnachtsfest, das gerade eines derschönsten Geschenke überhaupt bekommen hat, mag wohl nichtmehr gestrahlt haben, als mein Kampfgefährte Emil King. Ich werdeseinen Gesichtsausdruck nicht mehr vergessen, als er sich daskampferprobte Highlander Targe übergestreift hat – mit vor Freudeblitzenden Augen sah er mich an: „ Es passt genau – sieh Dir das an!Wie für mich gemacht“ Die Ellbogenlänge entsprach genau denMaßen von Emils Ellbogen. Jede Einzelheit des Schildes wurde vonEmil observiert und genauestens betrachtet. Dankbar lächelte EmilGeorge an, während er das Schild an mich weiterreichte. Es war einganz besonderer Augenblick, dieses Teil in Händen zu halten und

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sich dabei auszumalen, wie sein Besitzer es getragen hatte. Späterverriet mir Emil mit seinem süffisanten, unnachahmlichen Lächelnauf den Lippen, dass er neben Erfurcht noch einen anderen Gedankenhatte, als er das Schild in Händen hielt: „Lauf, Emil! Nimm dasTarge und lauf!“Einige interessante Waffen und Uniformen aus der Zeit dernapoleonischen Kriege oder des Krim Krieges wurden uns nochvorgeführt. Dabei befand sich auch eine originale Uniform, welchevon einem Argyll & Sutherland Highlander bei der Schlacht vonBalaklava (The Thin Red Line) getragen wurde.

Anschließend bedankten wir uns auf das Herzlichste bei George, dersichtlich gefallen an uns gefunden hatte, nahmen Abschied undsetzten unseren Marsch fort in Richtung Pass von Glencoe.

Aber wir waren kaum an der Dorfgrenze angekommen, als uns klarwurde, dass es ein Unding wäre, auf dem Asphalt weiterzulaufen.Also entschied Emil, den Bus zu nehmen, und einfach auf Höhe desPasses, sollte es dort keine Haltestelle geben, den Fahrer zu bitten,uns aussteigen zu lassen. Wir mussten ein wenig warten, bis dannendlich der Bus auftauchte – auf Höhe des Passes angelangt, raubteuns erstmal die umwerfende Schönheit und Rauheit des `Bidean namBian` (zwar nur 1148 m hoch, jedoch ausreichend für einschottisches Schigebiet) den Atem.

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Dieses Szenario, die fortgeschrittene Stunde und die schmerzendenFüße veranlassten uns, hinter einem allein stehenden Haus, demBlack House, zu Füßen der majestätisch anmutenden Berge desPasses von Glencoe, unser Lager aufzuschlagen.

Dahinter befand sich ein kleiner Gebirgsbach, der sich bestenseignete, eine Art „Kneippkur“ durchzuführen, um unsere Beine zuerfrischen und wieder auf Vordermann zu bringen. Mit den inKinlochleven gekauften Einwegrasierern bearbeitete ich die Ent-zündung zwischen meinen Beinen. Die Beinhaare mussten weg, auchwenn ich dabei die Wunde noch etwas mehr aufreißen sollte, aber eswar der einzige Weg, eine Heilung halbwegs voranzutreiben. DieRasur ging trotz verständlicher Schmerzen besser als erwartet, Salbeund ein kleiner Verband angelegt, und somit war ich einigermaßenberuhigt für die weitere Reise. Der Abend war einfach toll, vor dem Zelt zu sitzen, ein kleinesAbendmahl zu genießen und über die Erlebnisse im Museum vonGlencoe zu sprechen. Kurz vor dem Einschlafen notierte ich in

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meinen kleinen schwarzen Reisekalender - „1. Mai 2002 – Day ofTorture“ – bevor mich der Schlaf der Gerechten ereilte.

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IV.

Der 2. Mai 2002 sollte unser Monsterabschnitt werden – ausgeruhtund durch die Kaltwasserkur des Vorabends gut in Schuss gebracht,starteten wir von den auch frühmorgens atemberaubenden Pass-bergen von Glencoe in Richtung „Bridge of Orchy“.

Obwohl nicht wirklich sonnig, herrschten angenehme Temperaturen,die es uns erlaubten, nur die Baumwollunterleibchen zu tragen. Nacheinem kurzen Stopp, bei dem wir uns das erste Mal fototechnischporträtierten, ging es rein ins eigentliche Hochmoor – kilometerweitegelb-braune Landstriche überdeckt mit dunkelgrünen bis dunkel-braunen Sümpfen, moorigen leicht grünbräunlichen Wiesen, aufdenen man wie auf Wattepauschen schweben konnte, und tiefnassenleuchtend grünen Wiesen – aber ein angenehmes Marschieren, dasein schnelleres Tempo zuließ.

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Dabei geschah es, dass Emil eine kleine Lücke zwischen uns auftat,da er wie Trance davon spazierte. Kurze Augenblicke daraufüberholte mich ein Wanderer mit seinem kleinen Rucksäckchen undschloss schnell zu Emil auf. Dieser hörte den Atem hinter sich unddachte, „Oh, Christoph, ist heute gut drauf – das müssen wirausnützen!“, worauf er natürlich das Tempo anzog, um nach seinenAussagen später, "Kilometer zu machen". Ich beobachtete dasGeschehen aus einiger Entfernung und muss zugeben, dass es michschon ein wenig erheitert hatte: Emil zog an, der fremde Wandererschloss wieder auf, darauf hin wollte Emil noch schneller, derFremde wieder hinterher – dieses Spiel wiederholte sich nochmehrmals, bis die beiden außer Sichtweite waren. Ich war zwaretwas verdutzt, aber ließ mich nicht beirren und hielt mein Tempo –besser gesagt, meine durchschnittliche Schrittgeschwindigkeit, weilvon Tempo war hier keine Rede – warum auch? Ich war doch auchnicht auf der Flucht, oder?!Nach einem kleinen Wäldchen sah ich dann Emil am Straßenrandstehen. Als ich mich näherte, begann er zu lachen und hat mirnatürlich erzählt, was geschehen war: Nachdem er das Tempo so

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erhöht hatte, dass er selbst schon Probleme bekam, dachte er bei sich:„Das kann doch unmöglich der Christoph sein!?“ Er blieb also stehenund drehte sich um, während der andere Wanderer an ihm vorbei-zog. Erst jetzt bemerkte er, was geschehen war, und da ihmeingefallen war, dass auf dem Weg hierher Weggabelungen warenund sich sein Kumpane vielleicht verirren könnte, drehte er also um,und ging mir wieder entgegen, bis wir uns eben in dem bereitserwähnten kleinen Wäldchen wieder trafen.Sein Spurt blieb nicht ohne Folgen, wie sich später herausstellte.

Wir kamen zu einer Brücke – Bridge of Orchy? Natürlich zu frühgefreut, es war zwar eine schöne große Brücke, aber nicht die Brückevon Orchy, an der laut Legende beinahe Rob Roy MacGregor einstaufgehängt worden war. Nach dieser Brücke jedoch war es Zeit,unsere Wunden zu lecken. Emils Blasen schmerzten nach diesemZwischenspurt mit dem fremden Wanderer und meine konnten auchwieder eine Behandlung vertragen. Also ließen wir uns im Schatteneines großen Baumes nieder, und Emil zeigte mir die Kunst, SecondSkin (Blasenverband) aufzutragen. Nach dieser Pause schickten wiruns an, einen kleinen Hügel zu überqueren. Jedoch erwies sich diesals grober Irrtum. Es war alles andere als ein kleiner Hügel – derAnstieg war lang und steil und wurde doppelt erschwert durch unserGewicht am Rücken. Die ganzen Ausmaße des Berges waren vonunten gar nicht sichtbar gewesen, weil der gröbste Teil eigentlichhinter der Hügelkuppe und dem abfallenden Landstrich verborgengelegen war. Nicht einmal der herrliche Blick auf den Loch Tullakonnte für die Mühen entschädigen oder diese zumindest kurzvergessen machen – während des Anstieges fluchte ich vor mich hinund verdammte diesen elenden Wanderpfad, der nur aus Steinen undleicht rutschender Erde bestand. Aber jeder Anstieg hat auch mal einEnde – so auch dieser.

Am Top angekommen bemerkte Emil als erster die heranziehendenRegenwolken und wir machten uns bereit, auf einen starken Regen-guss vorbereitet zu sein. Zu unserer Überraschung kam es aber nichtdazu. Wir schritten den engen Wanderpfad hinunter - vor uns das Tal

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des Orchy, zu unserer Rechten und Linken Berge, an denenRegenwolken klebten und ihren Inhalt über die Hügel ergossen. Nurwir beide wanderten wie in einer Sonnenschneise den Berg hinunter.Es war ein wunderschönes Bild, zwischen dem Regen zu spazieren,den Duft des Regens zwar zu riechen, jedoch nicht nass zu werden.Als ob uns jemand einen Sonnenscheinteppich ausgerollt hätte, umzu sagen: „Die Qual des Aufstiegs vergesst bitte und genießt dieSchönheit, der vor euch liegenden Natur und Landschaft“. Wirmussten beide über dieses Phänomen schmunzeln als wir zur Brückevon Orchy abstiegen – die schöne Steinbrücke, die ich während desAufstieges fluchend „Oarschi Bridge“ nannte.An den steinernen Brückenmauern hielten wir inne und genossen dasschöne Wetter und die tolle Umgebung.

Die Reise für diesen Tag sollte jedoch noch nicht zu Ende sein. Wirdachten, das Stück nach Tyndrum hätten wir gleich geschafft, jedochweit gefehlt, der letzte Teilabschnitt hat es noch einmal in sichgehabt. Zuerst kamen wir an eine Bahnquerung, vor der wir zunächstStopp machten, und nach dem Weg Ausschau hielten. Bis wirbemerkten, dass ein kleiner gemauerter Tunnel unter der Bahntrassedurchführte – allen Ernstes musste man durch diese Öffnungkriechen, um den auf der anderen Seite befindlichen Pfad weiterbeschreiten zu können. Wir mussten aufgrund der Höhe unsererRucksäcke fast auf allen Vieren durch den kleinen Tunnel kriechen –wie gesagt, fast auf allen Vieren – es wäre nicht ratsam gewesen, dieHände dort auch nur kurz aufzusetzen, da die Schafe diesenUnterstand wohl als ihre Haus- und Hoftoilette beanspruchten.Dementsprechend war auch der Geruch, der sich in diesen Gefildenbreit machte. Zum Glück war dieser Tunnel ja nicht wirklich weit –und es amüsierte uns, dass dieser Durchgang wohl nicht für großgewachsene Mitteleuropäer konzipiert wurde. Bald sollte mir aberauch dieses Lachen vergehen.

Auf der anderen Seite der Bahntrasse angekommen, konnten wirvorerst wieder keinen Pfad erkennen, … doch, erst jetzt wurde eraugenscheinlich und brachte gleichzeitig mein Blut in Wallungen.

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Man muss sich vorstellen: Neben der Bahnlinie verläuft in der Näheder gegenüberliegenden Straße ein ganz normaler Wanderweg, aberwäre der vielleicht als West Highland Way genutzt worden? Nein,natürlich nicht – denn der Weg des Highland Ways ging steil bergaufund weiters kam dazu, dass es kein normaler Weg war – einewillkürliche Aneinanderreihung von Steinen – mal großen, malkleinen – die Wegführung kaum auszumachen. Nach stundenlangemMarsch fast schon das Dorf Tyndrum in Sichtweite und dann„passiert“ uns dieser Weg – dieser Anstieg. Hatte ich auf demAnstieg vor der „Bridge of Orchy“ schon Fluchattacken hinter mir,so kam jetzt ein Tobsuchtsanfall während ich meinem Freund Emilüber die Steine kletternd bergauf folgte. Sein wieder einmalsüffisantes Lächeln und höhnisches Grinsen trug das Seine dazu bei,meine Stimmung nicht gerade zu verbessern. In diesem Momentwaren die Verantwortlichen des Scottish Tourist Board alles nurkeine Menschen – und mein fiktiver Angriffspunkt. In diesemMoment hätte mir niemand vom schottischen Tourismus über denWeg laufen dürfen.

Der Ärger verflog aber, nachdem wir einen Wanderer in entgegengesetzter Richtung trafen, und dieser berichtete, dass wir in Kürze inTyndrum sein werden. Dem war so, und nachdem unser Hunger auchschon beträchtlich war, kehrten wir in einem kleinen Geschäft einund besorgten uns wieder Käse, Äpfel und Brötchen – dabei spieltees auch keine Rolle mehr, dass wir statt normalem Brot, süßes Broterwischten – wichtig war in diesem Moment nur, sich etwas hinterdie Kiemen werfen zu können.

Da sich der Tag langsam zu Ende neigte, machten wir uns auf, amDorfrand ein geeignetes Plätzchen für unser Lager zu finden. Wiederhatten wir Glück – in einem Wäldchen kurz nach Tyndrum,erspähten wir eine kleine, durch Bäume gut getarnte Hochlage, wowir unser Zelt errichten konnten. Es war ein schmuckes Plätzchen –etwas feucht, aber wind- und einigermaßen regengeschützt. Im Zeltselbst schmolz Emil den gekauften Käse und wir gönnten uns sonoch ein weiteres Abendessen. Das hochgewachsene und dichte Gras

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zusammengedrückt durch das Zelt, ließ einen wie im Heubett liegen,demnach dürften wir dann auch sehr schnell eingeschlafen sein.

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V.

Am Morgen des 3. Mai 2002 erwartete uns schon beim Wecken eintraumhaftes Wetter und so wurde wie jeden Morgen erstmal Kaffeegekocht, nur diesmal mit dem Unterschied, dass Emil am Tag zuvoreinen Marmeladekuchen besorgt hatte und wir diesen genüsslich inder Morgensonne verzehrten. Nachdem ich diesmal für die „Küche“zuständig war, hatte Emil noch Zeit ein paar Fotos zu schießen.Dann hieß es Abmarsch in Richtung Crienlarich. Kurz nachdem wirdas Wäldchen verlassen hatten, kamen wir am Field of the Battle ofDalregh, 1306, und einem kleinen See vorbei – the Loch of theLegend of the lost Sword. Hier soll ein Heerführer nach der Schlachtsein Schwert versenkt haben.

Das Dorf Crienlarich steuerten wir nicht direkt an, sondern gingendaran vorbei und stiegen zu den Anhöhen über dem Dorf auf. Es warein stundenlanger Aufstieg, aber zu meiner Verwunderung ging esaußergewöhnlich gut. Ich hatte den Eindruck, meine körperlicheVerfassung wurde von Tag zu Tag besser. Die Wege aber warenteilweise sehr schlecht, da gerade daran gearbeitet wurde. Manversuchte, die matschigen Wege zu befestigen. Überall lagen riesigeblaue Behälter herum, gefüllt mit Steinen, mit denen der Weg innaher Zukunft ausgelegt werden sollte. Während des Aufstiegeskonnten wir uns nicht wirklich an der wunderschönen schottischenLandschaft delektieren, da sich der ganze Aufstieg im Walde befand,dafür durften wir kleine Klammen mit Hängebrücken überquerenoder kurze Pausen im weichen Waldmoos genießen. Wir kamen demHochplateau immer näher – bis wir es endlich erreichten.Wunderschön war der Ausblick von dieser Höhenlage. Gegenüberdem Tal erstreckten sich die Hügel wie ein Rücken eines buckligenRiesen – abgeflachte Bergrücken, hie und da etwas Schnee auf dennicht allzu steilen Gipfeln. Dem Tal zu, erscheint die Landschaft ineiner mannigfaltigen Schattierung von Grüntönen. An denAusläufern der Berghänge befinden sich einige kleinere Wald-gebiete, die des öfteren da und dort nur ein kleines Wäldchen bilden.Zwischen den Bergen hindurch erspähten wir weitere grünlich

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schimmernde Landschaftsstriche, die es noch wert gewesen wären,erkundet zu werden. Doch die schönsten Momente verstreichen amschnellsten und so mussten wir weiterziehen. Laut unserer Karte warLoch Lomond nicht mehr allzu weit entfernt – laut Karte aber nur.

So ging es über die Anhöhen von Crienlarich vorbei talwärts. Wirschlängelten uns sozusagen an den Hügeln vorbei, immer inRichtung Loch Lomond, also den West Highland Way entlang. Ein-mal befand sich ein Fluss rechts von uns, dann mussten wir über eineBrücke und so lag dieser zu unserer Linken. Oder es kam von eineranderen Richtung ein fliesendes Gewässer und kreuzte unseren Weg.

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Wir kamen an einem kleinen Dörfchen vorbei – ein Dorf war eseigentlich gar nicht, sondern eine große Schafsfarm, wo sich natür-lich überall ringsherum Schafe tummelten.

An einem kleinen Friedhof, der mit einem kreisförmigen Steinwallausgeführt wurde, hielten wir inne und erforschten die Grabsteine,der hier Begrabenen – interessante Details, wie etwa ein Grab einesschottischen Offiziers mit dem Namen MacGregor oder Gräber dievor 1700 hier angelegt wurden, erweckten natürlich ganz besondersunsere Aufmerksamkeit.

Bei unserer Wanderung trafen wir sehr wenige Menschen, diemeisten waren selbst entgegenkommende Wanderer – die einenstaunten bei unserem Anblick und nickten zustimmend oder fastehrfurchtsvoll, die anderen hatten ein süffisantes Lächeln auf denLippen, aber alle grüßten freundlich, beinahe schon herzlich. Daseine oder andere Mal kamen wir mit schottischen Wanderern kurzins Gespräch. Diese waren von unserem Trip begeistert, hatten sieselbst doch oft nur kleine Rucksäcke um, und übernachteten in den

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Bed & Breakfast Houses entlang des West Highland Ways (DieWandertouristen können Tagmärsche von ausgesuchten Punkten ausstarten, wo man mit Shuttle Bussen hingebracht wird oder auchgeholt wird. Also nicht direkt am West Highland Way liegen dieseUnterkunftsmöglichkeiten. Man kann also durchaus den WestHighland Way marschieren mit etwa 5 kg am Rücken, das Gepäckwird von einem Bed & Breakfast zum anderen geliefert und erwartetden Wanderer bei seiner nächsten Abendankunft in der nächstenPension). Sie konnten kaum glauben, dass 2 Österreicher imSchottenrock Schottland von Fort Williams nach Loch Lomonddurchqueren, über 30 kg mit sich rumschleppen und noch dazu in derWildnis übernachten.

Während des Marsches wanderte mein Blick immer wieder inRichtung der schneebedeckten Berge, die sich hinter den grünenHügeln erhoben. Auf diese Weise ist mir unser hohes Tempo imGegensatz zu den ersten Tagen kaum aufgefallen – aber Emil hatmehrmals bestätigt, dass wir an diesem Tag eine gute Marsch-geschwindigkeit erreicht hatten. Da wir gut in der Zeit lagen, habenwir uns zwischendurch einmal ein Süppchen außerhalb derHauptmahlzeiten gegönnt. Es war etwas Wind aufgezogen, dahersuchten wir ein windgeschütztes Plätzchen und fanden dieses ineinem Art „Landschaftstrichter“.

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Dort machte uns Emil wieder eine seiner Suppen mit quellfrischemBachwasser. Gegenüber lag ein kleines Waldgebiet, wo im TalAufforstungsarbeiten gut zu erkennen waren. Wir sprachen über dieJagdgebiete, welche so in Schottland Jahr für Jahr vergrößert werden,da sie für die Landbevölkerung eine wichtige Einnahmequelle dar-stellen und darüber, dass Fichten Geld bedeuten, mehr noch als dieSchafe, die einst die Menschen vertrieben hatten. Dass man jedochbei dieser Aufforstung etwas ungeschickt ans Werk geht, da man dieNeubepflanzung wie preußische Soldaten sauber in Reih und Gliedanlegt, machte uns aus Unverständnis dafür etwas missmutig. Wirließen uns jedoch unsere Laune keineswegs verderben und albertenwieder einmal herum, während wir unsere Rucksäcke abmarschbereitpackten und unseres Weges zogen.

Auf dem nächsten Teilstück, dass wir förmlich entlang liefen, da derWeg fast eben war und es sich anbot wie Emil sagt „Meter zumachen“, traf ich endlich auf meine schottischen Lieblinge –schottische Hochlandrinder, Highland Cattles. In den letzten Tagenhatten wir vereinzelt Hochlandrinder in der Ferne ausmachenkönnen, aber so nahe, wie sie jetzt kommen sollten, war ich ihnennoch nie. Gleich neben dem Wanderpfad graste eine große HerdeHochlandrinder und bevor wir sie bemerkt hatten, haben diese wohlunsere Witterung längst aufgenommen, da sie sich merklich von unszu entfernen versuchten – bis auf etwa 4 oder 5 Tiere. Davon waren2 Kälber, noch weißliches Fell, das allmählich in den Jahren dunklerwird, die anscheinend ziemlich neugierig waren und vorsichtig näherkamen.

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Auch ich bewegte mich langsam auf die beiden Jungtiere zu. Welchein Anblick – 2 etwa bauchhohe, zottelige und etwas unsicherwirkende Hochlandrinderkälber standen vor mir. Am liebsten würdeman hinlaufen wollen, und die „Plüschkühe“ drücken, sie streichelnoder sie knuddeln. Aber es ist jedem zu raten, vorsichtig mit diesenTieren umzugehen. Obwohl Hochlandrinder als genügsam, scheuund friedlich gelten, können sie doch mit ihrem mächtigen Gehörnschlimme Verletzungen verursachen, wenn sie sich in die Engegedrängt fühlen oder etwa ihre Jungen vor Fremden schützen wollen.Genau in diesem Moment ist mir das ebenfalls eingefallen und einkurzer Augenkontakt zum vermeintlichen Muttertier, dasargwöhnisch einen Blick auf uns geworfen hatte, hat das Seinigedazu beigetragen, sich von den kuscheligen Kleinkühen wieder zuentfernen. Im gleichen Moment schwenkten jedoch auch die Kälberund rannten in Richtung Herde. Wie gesagt, Hochlandrinder sindeher scheue Tiere und nehmen die meiste Zeit Reis aus vor Fremden,trotzdem sollte immer Vorsicht geboten sein. Bei dieser Gelegenheiterzählte mir Emil von einer Begegnung mit einem Hochland-rinderbullen, ich glaube er nannte ihn – Hamish – damals wusste ich

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noch nicht, dass ich ein Jahr später diesen Prachtbullen selbst treffensollte.

Der Weg führte uns weiter durch verschiedene Täler, wobei wirimmer ein Tal kurz aufwärts marschierend verlassen und abwärtswandernd betreten sollten. In der nahen Ferne hörten wir ab und zuGeräusche von passierenden Fahrzeugen auf der Bundesstraße 82und auch die Züge der ScotsRail, mit der wir selbst in die Highlandsgelangten, konnten wir des öfteren ausmachen. Ich dachte mir sowährend des Dahinmarschierens wie schön doch die Zugfahrt vonDumbarton nach Fort Williams und wie unbeschwerlich sie dochwar, obwohl wie gesagt, das Wandern an diesem Tag nicht sobeschwerlich schien wie an den Vortagen.

Dann wurde der Wanderweg wieder merklich hügeliger – das heißt,es kamen abwechselnd kleiner Anstiege und lang gezogeneAbwärtsmärsche. Dabei sollte uns eine amüsante Geschichte mitdeutschen Touristen passieren.Emil gab das Kommando für eine kleine Pause an einem kleinenGebirgsbach. Wir stellten also unsere mächtigen Rucksäcke untereinen Baum, zogen uns die Jacken aus und füllten unsere Trink-behälter. Natürlich gönnten wir uns auch gleich eine ordentlicheMenge des kühlen und frischen Nass. Und während wir uns an demQuellwasser delektierten, bemerkten wir eine Wanderergruppe dielangsam auf uns zukam. Wir saßen also am Wegesrand in unserenrot-grün und grün-blauen Kilts, tranken Quellwasser und be-obachteten gespannt das Herannahen des Trosses. Die Frauen undMänner der Gruppe waren schon in reiferen Jahren, doch ein Ausflugvon Pensionisten dürfte es nicht gewesen sein (Eine Reisegruppe,wie anfangs beschrieben – Kleingepäck, leichtes Gewand mitRegenschutz und die Übernachtungen in diversen Bed & BreakfastUnterkünften – bei fixierten Treffpunkten des Wanderweges werdensie abgeholt und am nächsten Tag wieder abgesetzt). Als sie uns ausnaher Entfernung bemerkt hatten, begannen sie natürlich sofortemsig zu „schnattern“, speziell natürlich die Damen hatten so einneckisches Grinsen im Gesicht und wir beobachteten auch kleine

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verstohlene Blicke ihrerseits. Auch konnten wir hören, dass sie nunzu beratschlagen begannen, ob nun echte Schotten dort am Bächleinsitzen oder nicht. Schließlich waren sie sich einig: Das sind echteSchotten! Sonst würde man nicht mit Kilt und Rucksack durch dieLandschaft wandern – das müssen also Ortskundige sein! Emildrehte sich zu mir und hatte schon wieder sein süffisantes Lächelnauf den Lippen – das konnte nur heißen: „Die Deutschen lassen wirjetzt auflaufen!“Also sprach ihn einer der großen Herren am Anfang desWandertrosses an, wünschte einen schönen Tag und fragte eben,wohin des Weges. Ich musste zu lachen beginnen, als ich EmilsGrinsen erblickte – schade, jetzt hatte ich ihm den ganzen Spaßverdorben, denn die Deutschen sahen uns fragend und ungläubig an.Mit einem breiten Lächeln im Gesicht antwortete Emil ihnen zuerstauf Englisch und dann unmittelbar ins Deutsche übergehend, dass siegerne auf Deutsch mit ihm kommunizieren könnten. Ganz hatte ichzum Glück nicht alles in den Sand gesetzt, da jeder einzelne derWandergruppe so verdutzt dreinschaute, dass Emil und ich erneutauflachen mussten. „Ähhmm, … Sie sind keine Schotten?“ In fastperfektem Hochdeutsch, natürlich mit unmissverständlichenVorarlberger Stilnoten, klärte Emil die immer noch verblüfftendeutschen Wanderkameraden auf. Sie staunten nicht schlecht als siedie Geschichte unserer Schottland Reise von Emil erzählt bekamen,und noch mehr verblüffte sie die Tatsache, dass wir Österreicherwaren. Dann wurden die deutschen Damen von uns über dasGeheimnis des Schottenrocks aufgeklärt – das heißt, sie erfuhrenwieder nicht, was der Schotte unter seinem Kilt trägt, und Emilerzählte ihnen über den Genuss von Quellwasser, da sie ungläubigfragten, ob wir wirklich das Wasser der kleinen Gebirgsbächetranken.Nach ein bisschen Small Talk und einigem Gelächter auf beidenSeiten verabschiedete man sich, wünschte sich eine gute Reise undstampfte davon.

Wir hatten noch 2 kleinere Anstiege vor uns, bevor Emil erstmalsAusschau nach einem geeigneten Schlafplatz hielt. Schöne Wiesen

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lagen vor uns, mit einem größeren Fluss in der Mitte, jedoch gehörtedas ganze Areal zu einem Campingplatz, der natürlich etwas kostenwürde. Da wir aber vor hatten auf jeden Fall in der freien Natur zuübernachten, setzten wir die Wanderung fort, obwohl ich ehrlichgesagt schon ziemlich ausgelaugt war. Auch Emil spürte jetzt dieStrapazen und die aufkommende Müdigkeit. Erstmals dass ich ihnsagen hörte: “Jetzt wird’s wirklich schon Zeit einen Zeltplatz zufinden, sonst müssen wir noch im Dunkeln das Zelt aufbauen!“ Alsodrehten sich seine Gedanken doch nur um das Zeltaufbauen beiTageslicht? Nein, diesmal war ich mir ganz sicher, dass mein Freund,ohne es natürlich zuzugeben, Anzeichen von Müdigkeit zeigte. Undich war ehrlich gesagt sehr beruhigt darüber – seit wir unsere Reisestarteten kam nie ein Wort des Ärgers bezüglich Müdigkeit oderErschöpfung über seine Lippen. Dass er als Ausbildner beimBundesheer für seine fast 50 Jahre konditionell außerordentlich gutbeisammen war, leuchtet mir noch ein, aber sogar beim Marsch überAsphalt, wo unsere Füße höllisch schmerzten, kam nie einargwöhnisches oder klagendes Wort von Emil. Im Gegenteil sogar –wenn ich eine meiner Wutattacken hatte, und die waren bei Gottnicht selten, beruhigte er mich noch und achtete darauf, dass ichmeine Kräfte nicht sinnlos vergeudete, sondern die Kraft für dieMarschtätigkeit aufwandte. Er war einfach unglaublich – ein Führerdurch die Wildnis Schottlands wie man ihn sich nur wünschenkonnte. Dass meine Ehrfurcht vor ihm noch größer werden sollte,konnte ich zu diesem Augenblick noch nicht wissen.

Die Oberschenkel- und Gesäßmuskeln brannten wie Feuer als wirdurch einen kleinen Wald wie Bergschafe den Weg emporstiegen.„Hoffentlich ist diese letzte Tortur für den heutigen Tag bald vorbei“,dachte ich mir, als Emil plötzlich inne hielt und nach oben zeigte:“Da oben schlagen wir unser Nachtquartier auf!“ Ganz leicht warüber den Baumwipfeln eine kleine Querfläche auszumachen – eineArt kleiner Terrasse. Das sollte also der Zeltplatz für die vermeintlichletzte Nacht in der freien schottischen Natur sein. Obenangekommen, musste ich erstmal Emil zu seiner Wahl und zu seinerguten Beobachtungsgabe gratulieren – der Platz war einfach perfekt.

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Ein bisschen Abseits des Wanderweges, aber nicht zu weit, umWasser von einem nahe gelegenen Gebirgsbächlein zu holen, weitgenug jedoch, um vor eventuell vorbeiziehenden Wanderern fastabgeschirmt zu sein und nicht gestört zu werden. Dann erst setzte ichmich erschöpft in das dürre Gras und schnaufte einmal genüsslichaus.

Ein toller Ausblick, der sich uns bot. Unser Camp lag über denBaumwipfeln und wir konnten ungehindert in das Tal hinab sehenund natürlich auch auf die gegenüberliegenden Hügeln. Im Talgegenüber befand sich ein kleines Anwesen – es war aber nichtauszumachen, ob es sich um ein Privathaus handelte oder eventuellsogar um eine kleine Hotelanlage, schön genug wäre es allemalgewesen. Trotzdem hätte ich an diesem Abend mit keinem Touristendort unten tauschen wollen. Was ist schon ein gemütliches Bettgegen diese Location hier. Man konnte das hoch gewachsene, dürreGras so zusammendrücken, dass es ein vortreffliches Nachtlagerergab und viel wichtiger war, es war keineswegs hart, sondern weich,als ob man auf Stroh gebetet wäre. Dazu kam, dass man im Liegen

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die schöne Aussicht genießen konnte, die Natur förmlich riechenkonnte und dass einem der Wind sanft durch die Haare blies.Nachdem wir das Zelt errichtet und das Gepäck verstaut hatten,nahmen wir an einem Baumstumpf neben dem Zelt Platz undgönnten uns unser Abendmahl. Heute gab es wieder geschmolzenenKäse mit Brot. Es schmeckte einfach so fein, dass ich Emil über-redete, noch einen Klumpen Käse in die Pfanne zu werfen – gesagt,getan – und wir genossen unsere 2. Pfanne schottischen Cheddarwährend wir die eintreffende Dämmerung im Tal beobachteten.

Bevor es richtig dunkel wurde, zogen wir uns in das Zelt zurück undverkrochen uns in unsere Schlafsäcke, worauf wir bald eingeschlafensein mussten. Leider sollte unser Schlaf nicht sehr lange dauern.

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VI.

Ich weiß heute nur mehr, dass mich plötzlich eine unheimlich starkeKälte wach werden ließ und dass mein Kopf schmerzte – dazu kamnoch, dass mir eine aufkommende Übelkeit Schweißperlen auf dieStirne trieb. Halbbenommen versuchte ich einen Plastiksack zufinden, da ich Angst hatte, ich würde in der Dunkelheit nicht recht-zeitig den Weg ins Freie finden – kaum war ich fündig geworden,ging es los und die Dämme brachen. Wie oft ich mich übergebenhabe, weiß ich auch nicht mehr. Auch nicht, dass Emil aufschrak undmir aus dem Zelt half, wo ich dann den Rest der Nacht verbringensollte. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, wie ich michangezogen habe, das Zelt abgebaut wurde und wir die ersten Schrittedes Tages machten.Meine ersten Erinnerungen setzten ein, als wir Stunden später an eineLichtung kamen und ich die Sonnenstrahlen wärmend auf meinemGesicht spürte und starker, unbeschreiblich starker Durst aufkam.Wie weit oder lange wir bis dahin schon unterwegs waren, kann ichheute nicht mehr sagen. Ein einziges verschwommenes Bild habe ichnoch vor mir: Ein kleiner Anstieg in einen Wald hinein, wo wir aneinem kleinen Häuschen vorbeikamen, vor dem, so denke ich, 2Männer gesessen sind – doch ob das Wanderer oder Crofters(Bauern) waren, kann ich auch nicht mehr sagen.Wie gesagt, dieser Teil unserer Reise ist aus meiner Erinnerunggänzlich gelöscht.Was war also passiert?Laut Emils Erzählungen schrak er mitten in der Nacht auf, da er michlaut husten hörte. Erst dann bemerkte er freilich, dass ich michständig übergeben habe. Zum Glück fand ich rechtzeitig, wieerwähnt, einen Plastiksack. Er half mir aus dem Zelt hinaus undstütze mich am Baumstamm ab, wo ich meine Magenentleerungfortsetzte. In der frischen Morgenluft bereitete er mir vor dem Zelteine kleine Liegestelle, worauf ich Platz nahm, während Emil mirGebirgswasser mit dem Gaskocher erwärmte. Langsam, Schluck fürSchluck, wurde mir dann das warme Wasser zu trinken gereicht.

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Ich hatte also einen Kreislaufzusammenbruch erlitten. Habe ichmeinem Körper in den letzten Tagen doch zu viel zugemutet? Wardas üppige Abendmahl mit geschmolzenem Käse doch zuviel fürmeinen Magen? Die Ursache wird wohl irgendwo in der Mitteliegen. Tatsache war, dass ich mich nicht erinnern konnte, dass esmir jemals so schlecht ergangen wäre. Ich war ausgepumpt undkraftlos – ein Häufchen Elend eben. Trotz meiner furchtbarenKonstitution, kam nie ein Funken der Verzweiflung, wie ich wohl dieWildnis Schottlands verlassen könnte – ich hatte trotz allem vollstesVertrauen - Vertrauen in meinen Freund Emil King – Vertrauen,dass sich dieses Problem beheben lässt. Mein Freund äußerte nichtim Geringsten ein Wort der Missmutigkeit, des Ärgers oder Ent-täuschung. Im Gegenteil, er reichte mir seine starke Hand, und halfmir wieder auf die Beine – nicht nur in physischer, sondern auch inpsychischer Hinsicht.Er packte das Zelt zusammen, ordnete unsere Rucksäcke komplettneu, sodass er nun eine Hälfte meines Gepäcks auch noch aufgeladenhatte – mein Freund trug jetzt ca. 50 kg auf seinem Rücken – und ichglaube mich erinnern zu können, dass er nicht einmal unter der Lastfluchte oder geächzt hätte. Welche Strapazen Emil beim letztenAbschnitt unserer Reise ertragen musste, wage ich nicht mal zu er-ahnen. Eine enorme Last tragend, immer ein Auge nach hinten zuseinem torkelnden Kameraden, und dabei noch eine psychischeStütze in Form von Aufheiterung und Ansporn. Vor so einemMenschen, meinem Freund Emil King, kann ich nur ehrfurchtsvollmein Haupt neigen und ihn noch mehr bewundern, als ich es ohnehinschon tue.Er half mir mit seiner unbändigen Stärke, die letzten 15 bis 20Kilometer bis Loch Lomond durchzuhalten. Und bei Gott, es solltendie schwierigsten werden, die wir bis jetzt zu laufen hatten.Wie bereits erwähnt, setzte meine Aufnahmefähigkeit erst wieder beider besagten Lichtung ein. Dort machten wir wiederum eine derunzähligen Pausen an einem Bächlein, damit ich wieder ein wenigKräfte sammeln konnte. Es war außerordentlich warm an diesemTag, und die Sonne strahlte Wärme bringend auf diese Lichtung.Also nutze ich die Gelegenheit, um mich auf einem moosbe-

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wachsenen Felsen niederzulassen. Während ich mich dort hinlegte,nütze Emil die Pause, um auf einen kleinen Hügel zu steigen, umwunderschöne Fotos vom Loch Lomond zu schießen.

Bevor er jedoch ging, ermahnte er mich eindringlich, nicht das kalteGebirgswasser aus dem Bach zu trinken – Kälte wäre in meinemZustand nicht sehr förderlich. Aber ich habe vorher wohl schonerwähnt, dass ich nach Flüssigkeit regelrecht dürstete und ich esnicht erwarten konnte, bis Emil außer Sichtweite war. Dann krochich auf allen Vieren zum Bach tauchte mit dem ganzen Gesicht indas kühle Nass ein. Gleichzeitig saugte ich gierig soviel Wasser inmeinen Schlund, als nur irgendwie möglich. Für ca. 2 Minuten wares ein wohltuendes Gefühl, doch plötzlich zollte ich meiner Un-überlegtheit weiteren Tribut – das literweise verschlungene Wasserbahnte sich seinen Weg wiederum zum Körpereingang, wo es reingekommen war. Ich übergab mich also ein weiteres Mal – dasZwerchfell schmerzte schon gewaltig – aber ich wollte ja nicht hörenund habe prompt die Rechnung präsentiert bekommen. Der Durstwar aber keineswegs gestillt und ich hatte das Gefühl langsamauszutrocknen. Also füllte ich neuerlich Wasser in die Thermoskanne

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und trank, wie Emil es sagte, das kühle, torfige Gebirgswasser inkleinen Schlückchen und sehr, sehr langsam noch dazu. Endlichmachte sich an diesem Tag ein kleines Gefühl der körperlichenZufriedenheit breit.Als Emil von seinem kleinen Ausflug zurückstapfte und mirbegeistert von den wunderschönen Aussichtsplätzen, die er geradegefunden hatte, erzählte, musste ich ihm natürlich erzählen, dass ichdem Wasser nicht widerstehen konnte. Jedoch meine Gier und dasdarauf folgende Resultat behielt ich lieber für mich.

Kurze Zeit später lag er vor uns: Der schönste See Schottlands –Loch Lomond. Die Sonnenstrahlen tanzten auf seiner Wasserober-fläche und ließen den See in einem smaragdgrün – bläulichen Lichterscheinen. Die nahe gelegenen Hügeln an seinem Ufer strahlten ineinem dunklen satten Grün und die etwas weiter entfernten Hügelwirkten hellblau und gingen fließend in die tief hängenden Wolkenüber. Der Anblick des Loch Lomon war einfach atemberaubend undjedes noch so gute Foto vermag die Gesamtstimmung und dieaufkommenden Gefühle nicht widerzuspiegeln. Man muss dortgewesen sein, um die Schönheit dieser Landschaft auch fühlen zukönnen. Zum Glück hatte ich bis dahin wieder einigermaßen Kraftgesammelt, um diese Eindrücke in mich aufzusaugen.Doch so schön der Anblick des Sees war, so fürchterlich war derWanderweg oder besser gesagt der Kletterpfad entlang des Ufers vonLoch Lomond. Kein normaler Wanderweg, wie man ihn sichvielleicht vorstellen möchte, sondern eine Abfolge von großen,groben Baumwurzeln, Steinen, Felsen und umgefallenen Bäumen.Meine Beine waren schwer und auch mein Blick war noch einiger-maßen umnebelt – zeitweise kletterte ich in regelrechter Trance, unddas war gar nicht so ungefährlich. Neben dem Kletterpfad ging esnämlich steil hinunter zum Fluss – keine auslaufenden Ufer, sonderndirekt abfallende Fels- und Erdwälle. Emil erzählte mir später, dasser sich oft umwandte, um nach mir zu sehen, weil ihn mein verklärterBlick sehr beunruhigte. Vor seinem geistigen Auge hätte er sichmehrmals vorgestellt, dass ich den Abgrund hinab stürzen würde. Erüberlegte auch welche Mittel ihm zur Bergung eines 100 kg Mannes

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zur Verfügung gestanden wären. Heute, wenn wir beisammensitzenund in Nostalgie schwellen, erzählt er immer wieder lachend, dassseine einzige Chance im Bauen eines Floßes gelegen wäre. Somithätten wir wenigstens eine sinnvolle Begründung für das Mit-schleppen unsere Axt gehabt – die Axt habe ich nämlich genauso zuHause ankommend aus dem Rucksack geholt, wie wir sie vor derAbreise eingepackt hatten.Nichts desto Trotz bahnten wir uns langsam unseren Weg entlang derShores of Loch Lomond. Während des Marsches bzw. der Kletterei,um mich ein wenig von den Strapazen selbst abzulenken, sang ich inGedanken das wunderschöne schottische Volkslied „Loch Lomond“:

„ By you bonnie banks and by yon bonnie braes, where the sunshines bright on Loch Lomond, where me an my true love were everwont to gae, on the bonnie bonnie banks o´ Loch Lomond.

Oh, ye´ll tak´ the high road, an´ I´ll take the low road. An´ I´ ll be inScotland afore ye; but me and my true love will never meet again onthe bonnie bonnie banks o´ Loch Lomond.

Twas there that we parted in yon shady glen, on the steep, steep sideo´ Ben Lomond. Where in purple hue, the Hieland hills we viewed;and the Moon comin´out in the gloamin´.”

Heroisch kletterte Emil vor mir dahin und machte mich auf jedegefährliche Stelle nochmals eindringlich aufmerksam und ich spürte,dass, je öfters wir eine Pause einlegten, meine Kräfte langsamzurückkamen. Die Pausen nützen wir, um uns an der schönen Naturrings um uns zu erfreuen und natürlich war es für Emil eine will-kommene Gelegenheit seinen Rücken zu entlasten – wie gesagt, derWeg war schwer und sehr mühsam, und er kletterte mit einer Last amRücken herum, mit denen normalsterbliche Menschen nicht mal aufeiner ebenen Strecke laufen können. Ein Zeichen für das schottischeBlut seiner Vorfahren, dass in seinen Adern fließt – das Blut vonMacGregor Highlandern – er bewegte sich in der schottischenLandschaft, als hätte er hier immer schon gelebt – eine Art Symbiose

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zwischen meinem Kampfgefährten Emil King und dem wilden,freien Landstrichen Schottlands.

Dann erreichten wir endlich die Wegweiser zu Rob Roy`s Cave, demangeblichen Versteck von Rob Roy MacGregor, der hier Zufluchtvor den Häschern der Krone und einigen Highland Chiefs suchte.

Unter dem Namen „Robert Campell“ machte dieser schottischeVolksheld zu Beginn des 18. Jahrhunderts von sich reden; Er war derdritte Sohn des 1702 gestorbenen Donald Glas MacGregor, dem 5.Chief of Glengyle. Robert Ruadh (Rothaar oder Feuerkopf)MacGregor, wie er in Wahrheit hieß, erfand die Highland -Versiondes Schutzbriefes. Gegen angemessene Bezahlung beschützte er mitseinen kampferprobten MacGregors das Vieh eines Barons, einesDorfes oder eines Clans. Wurde die Zahlung verweigert, trieben siedas Vieh selbst fort und verkauften es. Er galt als Jakobit und Rebell,obwohl er wahrscheinlich Kontakte zu beiden Seiten derRevolutionsparteien (The Old Pretender und der Jakobitenaufstand)im Jahre 1715 pflegte. Er entging nur knapp der Deportation nachBarbados und er konnte zweimal aus Gefangenschaften fliehen. Ergalt als hervorragender Schwertkämpfer, war in Intrigen des Adelsverwickelt, raubte hier und da Postkutschen aus und unterstützte dieLandbevölkerung, wenn es Ärger mit dem Gesetz gab. Daher genosser auch große Sympathie bei weiten Teilen der Bevölkerung in denTrossachs. Robert Roy MacGregor starb 63jährig, angeblich fried-lich, im Jahre 1734. Möglicherweise könnte sein Tot aber auch dieFolge eines Schwertkampfes mit Alasdair Stewart of Invernahylesein. Er wollte so eine Clanfehde mit den Stewarts of Appin, die vonden eigentlichen Kontrahenten der MacGregors, den MacLarens, umHilfe gebeten wurden, verhindern. In diesem Duell soll er leichtverwundet worden sein. Ein paar Tage später verstarb Robert RuadhMacGregor und wurde am Friedhof von Balquidder begraben.

Um die Höhle des Rob Roy zu erreichen mussten wir über einigegroße Felsen klettern. So ließen wir das Gepäck zurück und er-

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klommen den Einstieg im Felsenmassiv, wo mit weißer Farbe weitüber den See ersichtlich „Cave“ gemalt wurde.

Hier in dieser kleinen Höhle hatte sich also Rob Roy MacGregor vorseinen Kontrahenten versteckt. Strategisch war die Höhle gutgewählt, konnte man doch beide Wege von links und rechts über-blicken und auch der Zugang von der Seeseite her war gegeben.Nach einer ausgedehnten Pause am Cave, marschierten wir alsoweiter und der Weg wurde ab hier leichter – es war endlich ein Pfadzu erkennen, und die Kletterei hatte bis auf wenige Ausnahmen einEnde gefunden. Die ausgedehnte Pause an der Höhle hatte mir sehrgut getan, denn den letzten Teil des Weges schafften wir ohne Pause.Das Wetter war immer noch traumhaft – die Sonne strahlte undwärmte so, dass wir lediglich mit kurzen Leibchen marschierenkonnten, was mir wiederum sehr entgegenkam, da nicht im Besitzmeiner vollen Kräfte, das Marschieren, obwohl nicht allzu schwer imletzten Abschnitt, sehr schweißtreibend war. Das atmungsaktive Shirtbereitete mir daher angenehme Kühle auf meinem Oberkörper.

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Der Flüssigkeitsverlust muss aber enorm gewesen sein, da ich beijeder Gelegenheit zur Flasche griff und gierig trank. Und Emil zeigteimmer noch keine Anzeichen von Müdigkeit, trotz des anstrengendenWeges und des großen Gewichtes, dass er mitschleppen musste.

Emil drehte sich zu mir um und sagte: „Wir haben es geschafft! Davorne kann ich Teile des Hotels erkennen. Es ist nicht mehr weit biszum Ende des West Highland Ways.“ Jetzt konnte ich auch die weißschimmernden Fassaden des Inversnaig Hotels erkennen und wirmachten uns auf, die letzten Meter unserer Reise hinter uns zubringen.Am Parkplatz des Hotels angekommen lächelten wir uns beide an,während wir die Rucksäcke abnahmen und wir uns vor dem Hotelniederließen.Ich weiß nicht mehr genau, glaube mich aber erinnern zu können,dass ich damals meinen Freund Emil für die große Hilfe am LetztenTag unserer Reise und seiner aufopfernden Leistung, mich in dieserschlechten körperlichen Verfassung bis zum Ziel zu lotsen, nicht mitWorten gedankt habe. Aber ich hoffe und bin mir ziemlich sicher,dass er meine dankbaren und bewundernden Blicke richtig gedeutethat.Emil stand am Geländer zur Loch Lomond Fähre, blickte über denwunderschönen See und machte zwei, drei Fotos, während ich etwashinter ihm erschöpft im Gras lag. Ich weiß noch, als wäre es gesterngewesen, dass ich ihn beobachtete und dass ich in mir ein Gefühl desStolzes und der Freude verspürte, diesen Menschen, Pipe Major EmilKing, meinen Freund und Kampfgefährten nennen zu dürfen.Er drehte sich um, lächelte und schoss ein Foto – als ich mit meinemhoch gestreckten Daumen Emil signalisierte: „Alles in Ordnung,mein Freund!“

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Ben Nevis

Dead Valley

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Glen of Kinlochleven

Ranoch Moor

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Lagerstätte bei Tyndrum

Loch of the lost Sword

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Gedenkstein beim Loch of the lost Sword

Höhe von Crienlarich

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Loch Tulla

Weg nach der "Bridge of Orchy"

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Highland Cattle

Loch Lomond

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Loch Lomond von Anlegepunkt Hotel Inversnaig aus fotografiert

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