Buchbesprechung - Oriens...

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Buchbesprechung Nihon kindai bungaku daijiten; Hg. Nihon kindai bungaka kan, 6 Bde, insgesamt ca. 3 400 S. Tökyö, Vlg. Ködansha, 1977/78 60000 Y. Das vorliegende Nachschlagewerk, zweifellos das bisher umfangreichste Lexikon zur modernen japanischen Literatur, wurde vomNihon kindai bungaku kan zu seinem eigenen 15. ,Geburtstag herausgebracht. Diese bedeutendste Fachbibliothek für moderne Literatur in Japan machte es möglich, daß nahezu alles, was in der japanischen Literaturwissenschaft und Literaturkritik Rang und Namen hat, sich als Mitarbeiter an diesem großen Projekt beteiligte. Die Liste der Beiträger zählt 835 Namen auf. Auch sonst stellt dieses Lexikon Rekorde auf: Die Personenartikel betreffen 5 170 Namen, davon- nach Angaben der Herausgeber-ca. 2 500, die in bisherigen Lexika noch nie berücksichtigt worden sind. Das Werk baut sich folgendermaßen auf: Drei Bände ausschließlich mit Personenartikeln· der vierte Band mit Sachartikeln (literarische Begriffe Schriftstellergruppen, Übersicht artikeJ über bestimmte Zeitabschnitte etc.); im fünften Band Artikel über Zeitungen und Zeitschriften (1600 Titel); im sechsten Band schließlich ein Index, eine sehr nützliche Übersicht über 430 Buchserien eine Liste von 227 Literaturpreisen und ihren Trägern und ähnliches. Das Lexikon ist bebildert allerdings ausschließlich mit relativ kleinen Schwarz-weiß-Photos. Die Besprechung eines solchen Werkes kann sich nicht mit der Aufzählung der Rekorde und der zahlreichen Vorzüge begnügen. Auch eine Erörterung einzelner Artikel erscheint wenig sinnvoll. Im folgenden sollen deshalb einige Punkte mehr grundsätzlicher Art erörtert werden, welche die "Linie" des Lexikons betreffen und für welche das Herausgeberkollegium oder der Verlag ver- antwortlich sind. Da die "Linie" des Lexikons sich am deutlichsten an den Sachartikeln zeigen läßt habe ich meine Beispiele im wesentlichen aus dem vierten Band genommen. (eingeklam- merte Zahlen sind Band-, Seiten- und SpaJtenangaben). Da natürlich die eher problematischen Punkte behandelt werden müssen, erhält diese Besprechung vielleicht eine etwas negative Tö- nung. Die im folgenden kritisch angemerkten Punkte sollten jedoch in ihrer Relation zu den ich schon aus der Quantität der Artikel und der Qualität des Mitarbeiterstabes ergebenden massiven Vorzügen des Lexikons gesehen werden. 1. Sehr erfreulich ist, daß die Beziehungen zwischen der modernen japanischen Literatur und anderen Literaturen umfassend einbezogen werden. So wird die japanische Rezeption ausländi- scher Autoren in einer langen Reihe von Artikeln im vierten Band (durch Vorschaltung von , Mo- deme japanische Literatur und-" zu einem Block formiert) behandelt. Daß mit Ausnahme von Lu Hsün und Tagore nur Europäer und Amerikaner berücksichtigt sind spiegelt in gewissem Maße die tatsächliche Verzerrung der modernen japanischen Literatur wieder, aber auch die An· sung der Herausgeber an gewohnte Sehweisen. Hier hätte man korrigierende Akzente setzen konnen. Wenn z. B. der für Japan literarisch ziemlich folgenlose Novalis einen Platz bekommt, hätte z. B. auch der philippinische Schriftsteller Jose Rizal, welcher in der Meiji-Zeit eine gewi e spielt (Suehiro Tetchö, Yamada Bimyö) einen Artikel verdient. Von deutschen Autoren fällt die Abwesenheit von Schiller (Meiji-Zeit!) und Hölderlin (Nihon roman ha) auf. Von den Briten wird z. B. Robert Bums, von den Franzosen Gerard de Nerval (man vergleiche etwa die vorbildliche Bibliographie von Imura Minako inHikaku bungaku kenkya.sho kiyo Nr. 36 und 38 · 1 ?,7 5, 1977) vermißt. Auch die literarische Rezeption einiger bildender Künstler hierher ge- h?rt (z. B. Rodin, Millet). Andererseits stößt man erfreulicherweise aucb. auf Artikel zu Autoren, zu den heute weniger geläufigen Namen gehören (z. B. Edward Carpenter}. Im Anschluß dlese Artikelserie finden sich mehrere zusammenfassende Artikel-überdeo Einfluß" der amen- kanischen, englischen, italienischen, chinesischen etc. Literatur auf die moderne japanische Lite- ratur (ab 4: 397c). Seltsamerweise ist die griechische und römische Literatur an ganz anderer Stelle eingeordnet (44a-45c), wobei statt ,Einfluß" nun "Einfuhr' steht. Auch umgekehrte ist berücksichtigt, d. h. die Rezeption japanischer Literaturim Ausland, zu m Artikeln über den ,Einfluß der modernen japanischen Literatur in Buropal Amenka' (4:41od-41ld) und" ... in China" (411d-412c). Rätselhafterweise fehlt Korea. En prechend fehlt auch ein Artikel über die literarischen Aktivitäten derin Japan lebenden bzw. in Japanisch 259

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Buchbesprechung

Nihon kindai bungaku daijiten; Hg. Nihon kindai bungaka kan, 6 Bde, insgesamt ca. 3 400 S. Tökyö, Vlg. Ködansha, 1977/78 60000 Y.

Das vorliegende Nachschlagewerk, zweifellos das bisher umfangreichste Lexikon zur modernen japanischen Literatur, wurde vomNihon kindai bungaku kan zu seinem eigenen 15. ,Geburtstag herausgebracht. Diese bedeutendste Fachbibliothek für moderne Literatur in Japan machte es möglich, daß nahezu alles, was in der japanischen Literaturwissenschaft und Literaturkritik Rang und Namen hat, sich als Mitarbeiter an diesem großen Projekt beteiligte. Die Liste der Beiträger zählt 835 Namen auf. Auch sonst stellt dieses Lexikon Rekorde auf: Die Personenartikel betreffen 5 170 Namen, davon- nach Angaben der Herausgeber-ca. 2 500, die in bisherigen Lexika noch nie berücksichtigt worden sind.

Das Werk baut sich folgendermaßen auf: Drei Bände ausschließlich mit Personenartikeln· der vierte Band mit Sachartikeln (literarische Begriffe Schriftstellergruppen, Übersicht artikeJ über bestimmte Zeitabschnitte etc.); im fünften Band Artikel über Zeitungen und Zeitschriften (1600 Titel); im sechsten Band schließlich ein Index, eine sehr nützliche Übersicht über 430 Buchserien eine Liste von 227 Literaturpreisen und ihren Trägern und ähnliches. Das Lexikon ist bebildert allerdings ausschließlich mit relativ kleinen Schwarz-weiß-Photos.

Die Besprechung eines solchen Werkes kann sich nicht mit der Aufzählung der Rekorde und der zahlreichen Vorzüge begnügen. Auch eine Erörterung einzelner Artikel erscheint wenig sinnvoll. Im folgenden sollen deshalb einige Punkte mehr grundsätzlicher Art erörtert werden, welche die "Linie" des Lexikons betreffen und für welche das Herausgeberkollegium oder der Verlag ver­antwortlich sind. Da die "Linie" des Lexikons sich am deutlichsten an den Sachartikeln zeigen läßt habe ich meine Beispiele im wesentlichen aus dem vierten Band genommen. ( eingeklam­merte Zahlen sind Band-, Seiten- und SpaJtenangaben). Da natürlich die eher problematischen Punkte behandelt werden müssen, erhält diese Besprechung vielleicht eine etwas negative Tö­nung. Die im folgenden kritisch angemerkten Punkte sollten jedoch in ihrer Relation zu den ich schon aus der Quantität der Artikel und der Qualität des Mitarbeiterstabes ergebenden massiven Vorzügen des Lexikons gesehen werden.

1. Sehr erfreulich ist, daß die Beziehungen zwischen der modernen japanischen Literatur und anderen Literaturen umfassend einbezogen werden. So wird die japanische Rezeption ausländi­scher Autoren in einer langen Reihe von Artikeln im vierten Band (durch Vorschaltung von , Mo­deme japanische Literatur und-" zu einem Block formiert) behandelt. Daß mit Ausnahme von Lu Hsün und Tagore nur Europäer und Amerikaner berücksichtigt sind spiegelt in gewissem Maße die tatsächliche Verzerrung der modernen japanischen Literatur wieder, aber auch die An· P~ sung der Herausgeber an gewohnte Sehweisen. Hier hätte man korrigierende Akzente setzen konnen. Wenn z. B. der für Japan literarisch ziemlich folgenlose Novalis einen Platz bekommt, hätte z. B. auch der philippinische Schriftsteller Jose Rizal, welcher in der Meiji-Zeit eine gewi e ~olle spielt (Suehiro Tetchö, Yamada Bimyö) einen Artikel verdient. Von deutschen Autoren fällt die Abwesenheit von Schiller (Meiji-Zeit!) und Hölderlin (Nihon roman ha) auf. Von den Briten wird z. B. Robert Bums, von den Franzosen Gerard de Nerval (man vergleiche etwa die vorbildliche Bibliographie von Imura Minako inHikaku bungaku kenkya.sho kiyo Nr. 36 und 38· 1 ?,7 5, 1977) vermißt. Auch die literarische Rezeption einiger bildender Künstler ~tte hierher ge­h?rt (z. B. Rodin, Millet). Andererseits stößt man erfreulicherweise aucb. auf Artikel zu Autoren, d~e zu den heute weniger geläufigen Namen gehören (z. B. Edward Carpenter}. Im Anschluß ~ dlese Artikelserie finden sich mehrere zusammenfassende Artikel-überdeo Einfluß" der amen­kanischen, englischen, italienischen, chinesischen etc. Literatur auf die moderne japanische Lite­ratur (ab 4: 397c). Seltsamerweise ist die griechische und römische Literatur an ganz anderer Stelle eingeordnet (44a-45c), wobei statt ,Einfluß" nun "Einfuhr' steht. Auch di~ umgekehrte ~eziehung ist berücksichtigt, d. h. die Rezeption japanischer Literaturim Ausland, zu amme~aßt m Artikeln über den ,Einfluß der modernen japanischen Literatur in Buropal Amenka' (4:41od-41ld) und" ... in China" (411d-412c). Rätselhafterweise fehlt Korea. En prechend fehlt auch ein Artikel über die literarischen Aktivitäten derin Japan lebenden bzw. in Japanisch

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schreibenden Koreaner (einige dieser Autoren finden sich allerdings unter den Personenartikeln in den ersten drei Bänden). Ausländische Autoren die (zeitweise) in Japan gelebt haben, ind in den Personenartikeln behandelt, z. B. Paul Claudel, Bemard Leach, T ien Han und Koizumi Ya­kumo alias Lafcadio Heam. Hier fehlen z. B. Pierre Loti und Kuo Mo-jo.

2. Dieses Lexikon bemüht ich (im Unterschied zu älteren Lexika), auch die vielfältigen Bezie­hungen zwischen Literatur und bildender Kunst miteinzubeziehen. So werden unter den Personenartikeln zahlreiche lllustratoren verzeichnet und in Band 4 neben einem guten Über­sichtsartikelzum Thema Modeme Literatur und Kunst von Takumi Hideo {4:11ob-112b leider ohne Literaturangaben) relativ viele Artikel über Künstlergruppen, Ausstellungen etc. Dazu kommtauch ein guter Artikel über IDustration (sashie, 4:158d-160b, mitguten Literaturangaben von Ishii Jun), allerdings kein Artikel über sotei (Einband). Unverständlich ist, daß die Kün tler die die zahlreich abgebildeten Buchumschläge und Illustrationen geschaffen haben, in der Regel nicht genannt werden. So ergibt sich die groteske Situation, daß es zwar zahlreiche Artikel von kompetenten Autoren über lllustratoren gibt, allerdings durchweg ohne Abbildungen, daß ande­rerseits zahlreiche Buchillustrationen in anderem Zusammenhang abgebildet werden, ohne daß dort die Künstler genannt werden. So findet sich z. B. ein Artikel über Ogata Gekk.ö in Band 1 (1 :290b ), während eine dazugehörige Abbildung (lllustration zu Futabatei Shimeis Ukigumo

. Bd. 2) in Band 4 (4:500b) ohne klärende Unterschrift als ziemlich überflüssige IDustration zum Über ichtsartikel "Meiji-Literatur'' gegeben wird. Als Illustration zum Artikel ,Modernes Ge­dicht" (kindaishi) wird (4:56b) ein berühmtes Blatt von Aoki Shigeru (in Holz geschnitten von Y amamoto Kanae) zu Kanbara Ariakes Shunchoshu ( 1905) und eines der zahlreichen Blätter von Tanaka Kyökichi zu Hagiwara Sakutarös Tsuki ni hoeru (1917) abgebildet (4:57a), ohne daß die Künstler genannt werden. In letzterem Falle z. B. hat der Buchschmuck des (damals bereits toten) Tanaka Kyökichi ein solche Gewicht, daß man von einem gemeinsamen Werk von Dichter und Kün tler sprechen kann (auch Onchi Köshirö hat einige Blätter beigetragen; vgl. den Abdruck in Nihon gendai shi taikei Bd. 6). Natürlich ist bei den Personenartikeln z. B. der Artikel über N atsume Söseki mit einer Abbildung des Umschlags von Waga hai wa neko de aru (von Hashiguchi Goyö) und ähnlichem dekoriert, ohne daß die Künstler genannt werden. Dabei waren Sösekis Bü­cher durch eine bewußte Zusammenarbeit mit Künstlern wie Hashiguchi Goyö, N akamura Fu­setsu und Tsuda Seiffi epochemachend in. der Geschichte des japanischen Buchschmuckes (vergl. hierzu den Artikel von Ono Tadashige in Sansai, Jan. 1969). Sösekis Engagement in diese Rich­tung führte sogar dazu, daß er den Umschlag von Kokoro selbst gestaltete (Sösekis Bücher können heute bequem in der vomNihon kindai bungaku kan herausgegebenen Faksimileserie Soseki bun­gaku kan bewundert werden . Wie wichtig Buchschmuck undillustrationfür die Leser (besonder der Meiji- und Taishö-Zeit) waren, läßt sich an dem in Band 4:55b abgebildeten Umschlag on Shimazaki Tösons GedichtsammlungRakubaishu (1901) ablesen: Dort sind Dichter und Buch­kün tler (Nakamura Fuset u) gleichberechtigtnebeneinander genannt (in der Bildunterschrift na­türlich wieder nur der Dichter). Lobend zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, daß der Ver­fa er des Artikels taishu bungaku (Ozaki Hotsuki, 4:267b-270c) die Künstler der abgebildeten llJu trationennennt- dje berühmte Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Die Mißachtung der Buchkünstler ist natürlich kein Prinzip der Herausgeber, sondern diese haben, wie in vielen ande­ren Punkten den einzelnen Mitarbeitern die , Freiheit" gelassen, ihren persönlichen Gewohnhei­ten zu folgen. Hier werden die guten Vorsätze wieder einmal von den unreflekti.erten Gewohnhei­ten überholt.

3. Das Lexikon versucht stärker als frühere Lexika die materielle Seite der Literaturproduktion zu berücksichtigen. So finden sich interessante Artikel übergenkoryo inzei, geppo, bunko sokki­jutsu, hatsubai kinshi und ähnliches. Dersech te Band enthält eine materialreiche Chronik zur ju­ri tiscben Seite der Schriftstellerei in Japan (Gesetze Verordnungen Veröffentlichung verbote etc.). Endlich wird auch die Existenz des Lesers anerkannt, allerdings behandelt der betreffende Artikel (4:101d-103) nur die päte Edo- und friihe Meiji-Zeit. Die Verlage sind nur in drei um­fangreichen summarischen Artikeln nach Meiji, Taishö und Shöwa getrennt, behandelt .. eben solchen Übersichtsartikeln wären jedoch Einzelartikel über bestimmte wichtige Verlagedringend notwendig gewesen. Dort wo einem Verlag eine geistes- bzw. literaturgeschichtlich bedeutende Persönlichkeit vorsteht, wird diese allerdings bei den Personenartikeln behandelt wie z. B. Iwa­nami Shigeo (1:179c-180a). Das Fehlen eines Artikels über daisaku {das stellvertretende Schreiben" von Romanen etc. eines Erfolgschrift tellersdurch weniger bekannte Leute) wurde

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bereits von Tanizawa Eüchi moniert (man vergleiche zum Thema daisaku Tanizawas neues Buch Kiba aru ari Vgl. Töjusha 1978, S. 303-306). Es fehlen auch Artikel über Buchdruck und Buch­handel (allerding~ ist ein Artikel über Leihbüchereien vorhanden: 4:26~).

4. Das Lexikon bemüht sich, die Grenzen des traditionellen Literaturbegriffs zu überschreiten. So sind Namen aus der Welt des Theaters, des Films der Kinderliteratur, der "Massenliteratur", auch der Philosophie und der Wissenschaft in großer Zahl aufgenommen. Band 4 enthält erfreuli­cherweise Artikel über rakugo und kOdan, auch über kindai bungaku to eiga und über terebi dora­ma. Bezeichnend ist dabei aber, daß auch hier Film und Fernsehen nur in ihrer Beziehung zu dem traditionell definierten Bereich der Literatur und nicht als solche der Behandlung wert gefunden werden. Da man also insgeheim an der traditionellen Wertung festhält, werden z. B. auch die Manga-Künstler stiefmütterlich behandelt: Man findet kurze Artikel über Miyao Shigeo oder Shi­rato Sanpei, sucht jedoch vergebens nach Artikeln über Tezuka Jichfi, Vater von Tetsuwan Atomu, oder Hasegawa Machiko, Mutter von Sazae-san. Im übrigen hätten gerade bei diesen Artikeln, welche durchweg unbebildert sind, Abbildungen eine sinnvolle Funktion gehabt. Auch hier hat man einen kleinen Schritt in die richtige Richtung getan, jedoch versäumt deutlicher mit den alten Gewohnheiten zu brechen.

5. Wie bei japanischen Veröffentlichungen häufig der Fall, sind auch hier die bibliographischen Angaben eine Quelle ständigen Ärgers. Offenbar ist das Prinzip aufgestellt worden, jeweils kurze Bibliographien an das Ende der Artikel zu setzen. Tatsächlich haben viele Artikel in vorbildlicher Weise knappe und hilfreiche Bibliographien. Viele andere Artikel aber (keineswegs immer die weniger wichtigen) haben keine. Bei der Artikelserie über den "Einfluß" ausländischer Autoren ist häufig nur Sekundärliteratur zu dem betreffenden Autor selbst (was ja eigentlich nicht das Thema des Artikels ist), jedoch gar nicht oder nur ungenügend zum Thema des Artikels zur Re­zeption in Japan, angeführt. Gar keine Literaturangaben haben z. B. Shaw, Blake, Rossetti, Gor kij Rilke, Cechov, Brecht- um nur einige herauszugreifen. Andere haben völlig ungenü­gende Literaturangaben, z. B. Goethe. In den kümmerlichen Literaturangaben spiegelt sich natür­lich auch der Mangel an größer angelegten rezeptionsgeschichtlichen Arbeiten. Nur wenige Auto­~en haben das Glück wie Walt Whitman, daß ein fleißiges und materialreiches Buch ihr Schick al m Japan aufarbeitet. Daß mit ganz einsamen Ausnahmen die Anführung fremdsprachiger Litera­tur vermieden wird, ist natürlich gerade für dies Gebiet folgenschwer. So hätte bei Tagare das große Buch von Stephen N. Hay (Asian Ideals ofEast and West, Cambridge Mass. 1970) angege­ben werden müssen, bei Rilke die Bibliographie von C. Ouwehand (Rilke in Japan, 's-Gravenhage 1.960). Die Allergie gegenüber lateinischer Schrift und die bibliographische Sorglosigkeit zeigt steh auch in dem Artikel über die Erforschung der japanischen modernen Literatur im Ausland (Nachkriegszeit; 4: 2ld-23c), welcher alle Titel nur in oft freier Übersetzung, alle Autoren und Üb~:Setzer nur in Katakana-Umschrift gibt, sowie- mit einer unerklärlichen Ausnahme!- keine Veroffentlichungsdaten nennt. Der entsprechende Artikel über die Vorkriegzeit verzeichnet in ?en ~eisten Fällen weder Sprache, noch Jahr, noch Land der Veröffentlichung. Besonder traurig 1 t die bibliographische Enthaltsamkeit bei Artikeln über Themen, die dem gewöhnlichen Litera­t.urstudenten schwerer zugänglich sind, wie z. B. dem (sicherlich am Rande der Literaturgeschichte liegenden, aber dochinteressanten) Thema "Esperanto'' ( 4: 14d-15b ). Hier hätte z. B. wenigstens H~ntaisei esuperanto undo shi von Öshima Yoshio und Miyamoto Masao (Sanseidö 1964) viel­letcht auch als allgemeine Information das Buch von Ulrich Lins (Kiken na kotoba, Iwanami 1975) gen~t werden müssen. Der Artikel über Esperanto bringt übrigens nichts zu dem Thema Es~­ranto m Japan, wenn man einmal absieht von einem unscharfen Photo (mit unklarer Unterschrift) de~ Titelblattes vonFutabatei Shimeis Esperanto-Lehrbuch. Besonders selten ind die Bibliogra­~hten in Band 5 (Zeitungen und Zeitschriften). Die erste als solche gekennzeichnete BibHograpbie ~d~tsich auf Seite 43 beim 150. Artikel. Vorher gibt es nur gelegentlich innerhalb eines Artikels bibliographische Hinweise. Hinweise auf die wichtigste Sekundärliteratur und vor allem eventu­elle Register oder Reprints wären hier sehr nützlich gewesen.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Auflagen der Herausgeber an die Verlasser d~r e~­zelnen Artikel nicht streng genug waren. So sind die Artikel in der Schreibart allzu unterschiedlich ausg:faJJen. Viele Artikel sind zu essayhaft, zu wortreich und ungeordnet und erinnern eher an ~ufsätze in mehr journalistischen Zeitschriften (viele Artikel sind auch in jeder Hinsicht vorbild­heb). Ein Lexikon sollte jedoch in erster Linie komprimierte, exakte und übersichtliche Auskunft

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für nachschlagende Leser bringen. atürlich kann darüberhinaus auch da gemütliche Lexikon­Lesen vergnüglich sein, vor allem wenn man sich von Querverweis zu Querverwei leiten läßt (Querverwei e fehlen in diesem Lexikon, welches allerdings einen guten Index hat). Es ist schade, daß ein o verdienstvolle Werk, welches wohl für Jahrzehnte das Lexikon der modernen japani­schen Literatur sein wird, durch die Sorglosigkeit der Herausgeber oder die Eile de Verlage so zahlreiche, an sich doch leicht vermeidbare technische Schwächen aufwei t. Kurz: Jeder, der ich mit moderner japanischer Literatur beschäftigt, muß dankbar sein für dieses Lexikon, er wird es tändig gebrauchen, ich aber auch oft ärgern.

W. Schamoni, München

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