Buchenlanddeutsche trauern um Dr. Otto von Habsburg
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Nummer 7/8 / ISSN 1436-0209 Augsburg, 28. Juli-August 2011 62. Jahrgang
Hochbetagt besuchte dergeschätzte Europapolitiker die alteLandeshauptstadt Czernowitz, überderen Besonderheiten er im Geleit-wort zum Buch „Czernowitz – EineStadt im Wandel der Zeit“ geschrie-ben hat („Czernowitz oder was istToleranz“), ein wichtiges frühes Buchzur Geschichte dieser europäischenM e t ropole, das die Landsmann-schaft der Bukowiner 1988 heraus-gegeben hatte. Der Text ist auch imBuch „Idee Europa“ abgedru c k tworden. Darin heißt es zusammen-fassend im Schlussteil: „In Czerno-witz gab es die Synthese zwischennationalem Verständnis und einerhöheren, man möchte sagen euro-
päischen Einstellung. Hier wurde ineinem gemischtnationalen Raumbewiesen, daß die Völker im Geisteeiner gemeinsamen Kultur Gewalti-ges leisten können, daß es möglichist, verschiedene Sprach- und Glau-bensgemeinschaften friedlich undim Dienste an eine große, gemeinsa-me Idee zusammenzuführen.“ Diekatholischen Czernowitzer Pennälerdokumentierten diese Reise im Heft20 ihrer Reihe „Czernowitzer KleineSchriften“. Das Heft beinhaltet dreiTextbeiträge und mehr als 60 Bilder.Es erschien zum 95. Geburtstag am20. November 2008. Seine Bindun-gen zum Buchenland und zu denBukowinern wurden auch auf dem
Buchenlanddeutsche trauern um Dr. Otto von HabsburgDer letzte Erzherzog des Kronlandes Bukowina ist im Alter von 98 Jahren entschlafen
61. Bundestreffen der Landsmann-schaft am 16. Juli in Sindelfingengewürdigt.
In diesem zitierten Sinne fühltesich der „letzte große Baumeisterder europäischen Einigung aus derPionier-Generation“ (Bernd Posselt,Präsident der Paneuro p a - U n i o nDeutschland) der Bukowina und denB u c h e n l ä n d e rn verbunden, waszuletzt aus den in dieser Zeitung ver-ö ffentlichten Gru ß w o rten zu denBundestreffen der letzten Jahre ver-öffentlicht wurden, als ihm die Teil-nahme nicht mehr möglich war. Abernicht nur die Sudenten- undBuchenlanddeutschen erf re u t e nsich der großen Zuneigung des poli-tischen Kämpfers gegen Nationalso-zialismus und Kommunismus, son-d e rn alle Heimatvertriebenen unddie Völker Südosteuropas insge-samt. Er leistete einen wesentlichenBeitrag zum Fall des Eisernen Vor-hangs (Initiator des historischenPicknicks an der österre i c h i s c h -ungarischen Grenze) und zur großenpolitischen Wende hinter dem Vor-hang. Er hat sich als Europapolitikerengagiert für die Verwirklichung desSelbstbestimmungsrechtes der Völ-ker, für Minderheitenrechte und dieO s t e rw e i t e rung der EU. ZwanzigJahre lang (1979 – 1999) hatte ere rf o l g reich im Euro p a p a r l a m e n tgewirkt und war der älteste undlangjährigste Euro p a p a r l a m e n t a r i e r.D rei Jahrzehnte hindurch standHabsburg als Präsident der Interna-tionalen Paneuropa-Union vor undwar deren Ehrenpräsident.
Ein großer und vorbildlicher Politi-k e r, ein beispielhafter und uner-schrockener Europäer ist am 4. Juliim Alter von 98 Jahren in seinemHaus in Pöcking am Starn b e rg e rSee „friedlich eingeschlafen“. Derälteste Sohn des letzten Kaisers vonÖsterreich, Königs von Ungarn, Erz-herzog der Bukowina hinterlässt sie-ben Kinder, 22 Enkelkinder und zweiUrenkel. Seine Ehefrau, PrinzessinRegina von Sachsen-Meinigen, warim Februar 2010 verstorben. DieSärge der beiden Verstorbenen wur-den nach dem Requiem in Mariazell– „der Mutter Gottes des Donaurau-mes“ – nach Wien in die Kapuziner-g ruft (Kaiserg ruft) gebracht, dasHerz des verstorbenen Kaisersoh-nes wird der Familientradition ent-sprechend getrennt in Ungarn bei-gesetzt, im Benediktinerkloster Pan-nonhalma südlich von Györ.
Luzian Geier
In vielen europäischen Ländern und Kreisen wurde die Nachricht vomAbleben Otto von Habsburgs mit großer Trauer aufgenommen, auch von den
Buchenlanddeutschen, ihren landsmannschaftlichen Vereinen in Deutschland
und Österreich. Sie fühlten sich dem letzten Erzherzog ihrer alten Heimat sehr
verbunden und waren stolz, dass er in Augsburg im Bukowina-Institut Vorträ-
ge zu Themen hielt, die die Welt bewegten, wie auch darüber, dass er mehr-
mals fulminanter Festredner ihrer Bundestreffen war. Otto von Habsburg war
Ehrenmitglied der Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen in der Bun-
desrepublik und vor etwa 15 Jahren wurde ihm die höchste Auszeichnungdieses Vereins, die Ehrennadel in Gold mit Urkunde, verliehen.
Der Anfang verlief am Samstagvon der Besucherzahl her sehr
schleppend, um dann während der
K u l t u rtagung am Nachmittag die
Zahl Hundert zu erreichen. Erst mit
der Ankunft der Teilnehmer aus Nie-
dersachsen hatte sich der Saal
gefüllt und das Programm konnte
gestartet werden, weil dieser Lan-desverband auch zum Hauptträger
des Treffens geworden ist. Bis 15
Uhr war Gelegenheit zu Gesprächen
und Austausch von Erinnerungen,
dann begrüßte der Bundesvorsitzen-
de offiziell die Gäste und Teilnehmer,
die Singgemeinschaft Salzgitter
eröffnete mit der Hymne und dem
Buchenlandlied das 61. Bundestref-fen dieser Landsmannschaft.
Die traditionelle To t e n e h ru n g
nahm der Stellvertretende Bundes-
vorsitzende Alfred Wenzel zusam-
men mit Rudolf Huber (Akkordeon)
vor. Namentlich gedachte und wür-
digte er die zuletzt verstorbenen ver-
dienstvollen Buchenländer Persön-lichkeiten, Dr. Paula Tiefenthaler, frü-
h e re Bundesvorsitzende, Ing.
Roland Suchar, Obmann des Grazer
Verbandes, Willi Herberth, den Mit-
begründer des Frankfurter Verban-
des, Olga Hampe (Dresden), als sehr
aktives Mitglied seit 1993 aus den
Neuen Bundesländern, die
geschätzten Priester Weber undHornung, aber auch den letzten Erz-
herzog der Bukowina, Dr. Otto von
Habsburg, an dessen Teilnahmen an
Bukowiner Treffen sich viele gern
erinnern. Wenzel verlas das Beileid-
schreiben des Bundesvorstandes an
die Trauerfamilie Haus Habsburg.
Freundlicherweise hatte sich Emi-
lian Fedorowytsch, dessen Vater frü-her beliebter Kulturreferent im Lan-
desverband Nord rh e i n - We s t f a l e n
war, bereit erklärt, die musikalischen
Zwischeneinlagen zu gestalten
abwechselnd mit den Sängern ausSalzgitter. Mit seinem bunten und
sehr unterschiedlichen Strauß
Gesangseinlagen war sein Beitrag
eine Bereicherung für dieses Treffen,
vor allem mit den Liedern in mehre-
ren Sprachen, die von der älteren
Generation der Buchenländern gern
g e h ö rt und mitgesungen werd e n .Spontan brachte der Mathematiker
Karl Prelitsch aus Nürn b e rg zwi-
schendurch unterhaltsame Texte zu
Gehör.
Die Kulturtagung hatte als
Schwerpunkt die Umsiedlungen vor
70 Jahren (Ende 1940, Nachsiedlun-
gen 1941) nachvollzogen anhand
der Forschungsarbeit von Buchen-länder Genealogen. In seiner Mode-
ration erinnerte auch Prof. Dr. Kurt
Rein wie der Bundesvorsitzende
Zachmann in seiner Begrüßung und
Alfred Wenzel bei der Totenehrung
an den vorbildhaften Europapolitiker
Dr. Otto von Habsburg in Verbindung
mit dem nach der Revolution von1848-1849 eingehaltenen Ve r s p re-
chen der Habsburger, der Bukowina
Autonomie zu gewährleisten. So
erhielt das Buchenland vor 150 Jah-
ren seine erste eigene Verfassung,
einen Landtag und danach sein
eigenes Wappen als Kronland (Her-
zogtum) der Monarchie bis 1918.
Erster Referent war der 30jährigeProf. Dr. Sebastian Dörn, der seine
Familienforschungen über die Dörn-
Sippe vom Hunsrück bis in die ehe-
malige DDR über die weiten, langen
und beschwerlichen Stationen Gali-
zien und Bukowina (späte Tochter-
siedlung Katharinendorf) mit
Umsiedlung und Flucht in ein Buch
verpackt hat. Er stellte nicht nur dieNeuerscheinung vor, sondern erläu-
terte auch seine Motivation dazu.
Irmtraud Schaper forderte zum Auf-
(Fortsetzung auf Seite 2)
„Erinnerungskultur wach halten“Einladung 2012 zum Schwabentag nach Kaufbeuren
Bericht vom 61. Bundestreffen in SindelfingenZum zweiten Mal in der Geschichte der Buchenländer Bundestreffen fand die
jährliche Traditionsbegegnung in Sindelfingen statt, diesmal im Haus derDonauschwaben an der Goldmühlestraße, das durch seine Gestaltung und
reiche Einrichtung die Besucher beeindruckt hat.
Teodor Baconschi, Außenminister Rumäniens (Mitte) und Dr. Lazar
Comanescu, Botschafter Rumäniens in Berlin (rechts) zeigten sich
b e e i n d ruckt von Augsburg, hier mit Bezirkstagspräsident Jürg e n
Reichert (links) vor dem Herkulesbrunnen. Bild: Andreas Lode
Die Singgemeinschaft Salzgitter am Samstag auf der Bühne in
Sindelfingen, rechts im Vordergrund der langjährige Chorleiter Rudolf
Stefany. Foto: L. Geier
Der schwäbische Bezirkstagsprä-
sident Jürgen Reichert empfing an
Pfingstsonntagnachmittag in der
schwäbischen BezirkshauptstadtAugsburg hochrangige rumänische
R e g i e rungsgäste und Diplomaten:
den rumänischen Außenminister Dr.
Teodor Baconschi, der herkunftsmä-
ßig Beziehungen zur Südbukowina
hat, den Botschafter Rumäniens in
Berlin, Dr. Lazar Comanescu, sowie
w e i t e re Delegationsmitglieder, die
zuvor am Heimattag der Siebenbür-ger Sachsen in Dinkelsbühl teilge-
nommen hatten. Die Gäste trafen
sich zu einem kurzen Erfahrungs-
austausch mit Bezirkstagspräsident
Reichert und dem Geschäftsführer
des Augsburger Bukowina-Instituts,
Otto-Friedrich Hallabrin.
Hintergrund des Besuchs ist dieseit 1997 bestehende Partnerschaft
des Bezirks Schwaben mit beiden
Gebieten der historischen Bukowi-
na. „Schwaben war eine der ersten
Regionen in ganz Deutschland, die
eine Partnerschaft mit einer Region
in Osteuropa aufgebaut und damit
eine Vorreiterrolle in den europäi-
schen Ost-West-Beziehungen ein-genommen hat“, betonte Reichert.
B e reits seit über zehn Jahre n
besteht eine intensive Zusammenar-
beit der psychiatrischen Einrichtun-
gen der Südbukowina und Schwa-
ben. Auch im Bereich von Kinderhei-
men wurden zahlreiche Pro j e k t e
initiiert, aufgrund derer der rumäni-
sche Bezirk Suceava heute als Pilot-
region für ganz Rumänien gilt. Ein
jährliches Jugendfußballturnier mitBeteiligung der Part n e rre g i o n e n
Schwaben, Mayenne in Frankreich,
Suceava in Rumänien und Czerno-
witz in der Ukraine fördert interkultu-
relle Begegnungen. Daneben findet
ein vielseitiger Austausch im Bereich
der Umweltbildung, Schulen und
Universitäten oder bei kulture l l e n
Aktivitäten statt. Beim Schwabentag2011 am Samstag, 25. Juni, in Gun-
delfingen an der Donau (Landkreis
Dillingen) zeigten beispielsweise
Handwerker aus der Südbukowina
in einer Werkstatt das Bemalen von
E i e rn, Keramik- und Holzschnitz-
kunst. Kurz vorher fand die Finissa-
ge der Ausstellung mit Gemäldenbekannter Maler aus Czernowitz in
Höchstädt statt. Das Bukowina-
Institut an der Universität Augsburg
als Forschungs- und Kulturinstitut
für die Geschichte der Bukowina
wird maßgeblich vom Bezirk Schwa-
ben getragen und ist seinerseits der
Initiator und Organisator zahlreicher
Kooperationen mit Institutionen inder Bukowina.
Die Delegation nutzte ihre n
Besuch in Augsburg auch zu einer
Besichtigung des Goldenen Saals im
alten Rathaus, der Fuggerei, der
Maximilianstraße und des Augsbur-
ger Doms. (L. G.)
Rumänischer Außenminister zu Gastbei Bezirkstagspräsident Reichert