BUND-Gewässerreport 2018 · Inhalt Gewässerreport 2018 2 | 3 Vorwort 4 Eutrophierung...

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BUND-Gewässerreport 2018 Fallbeispiele von BUND-Gruppen vor Ort

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BUND-Gewässerreport 2018Fallbeispiele von BUND-Gruppen vor Ort

Inhalt

Gewässerreport 2018

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3 Vorwort

4 Eutrophierung Negativbeispiel: Überdüngung von Nord- und Ostsee Positivbeispiel: Wollingster See –

Sanierung eines norddeutschen Heidesees

8 Bergbau Negativbeispiel: Gewässerverschmutzung

der Spree durch Braunkohletagebaue Positivbeispiel: Goitzsche

12 Gewässerausbau Negativbeispiel: Sohlerosion der Elbe –

eine Auenlandschaft trocknet aus Positivbeispiel: Weservertiefung

16 Gewässerrandstreifen Negativbeispiel: Geeste Positivbeispiel: Scharmbecker Bach

20 Kleingewässer/Amphibien Negativbeispiel: Pflanzenschutzmittel in

mecklenburgischen Kleingewässern Positivbeispiel: Thüringer Waldbäche

24 Wasserkraft Negativbeispiel: Saalach Positivbeispiel: Wasserkraftwerk bedroht Wildbach

28 Überschwemmungsflächen Negativbeispiel: Oder Positivbeispiel: Naturschutzgroßprojekt

„Lenzener Elbtalaue“

32 Umweltbildung Virtuelles Wasser Wasserläufer Wassernetz

36 Versalzung Negativbeispiel: Grundwasserversalzung am Oberrhein Positivbeispiel: Kaliabbau an der Werra und Weser

40 Auwälder Negativbeispiel: Abflussverbessernde Maßnahmen an

der unteren Mittelelbe Positivbeispiel: „Lebendige Auen für die Elbe“

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Wasser ist die Quelle allen Lebens. Doch sind die Gewässer in Deutschland wirklich eine Quelle desLebens? Die Wahrheit ist: Die Qualität der deutschen Gewässer ist beängstigend. Rund 92 Prozentunserer Seen und Flüsse sind in einem beklagenswerten Zustand. Die Verschmutzungen sind wenigeroffensichtlich als noch vor 40 Jahren, als Schaumberge und tote Fische im Rhein, Weser und Co. einuntrügliches Zeichen für kranke Gewässer waren. Heute trüben unsichtbare Belastungen die Wasseridylle: zu viele Nährstoffe, Hormone, Nitrate und Pestizide aus der Agrarindustrie, aber auch Schadstoffe aus der Industrie sowie Mikroplastik aus Produkten unseres täglichen Lebens.Auch bauliche Maßnahmen behindern das Leben im Fluss. Begradigte Gewässer bieten kaum Lebensraum für Lachse, Aale, Äschen. Durchschnittlich alle zwei Kilometer blockieren ein Wehr odereine Schleuse ihre Wanderung zu den Laichgewässern. Auch sind Hunderte in und am Wasser le-bende Insektenarten, Säugetiere wie Fischotter und Amphibien wie Frosch oder Kröte davon beein-trächtigt. Der Artenrückgang ist dramatisch. Der eigentliche Skandal: Alle Mitgliedsstaaten der EUhatten sich bereits 2000 geeinigt, bis 2015 für alle Gewässer einen „guten Zustand“ zu erreichen.Doch passiert ist kaum etwas. Die Frist wurde daher verlängert – die Länder bekamen Aufschub bis2027. Unseren Flüssen, Bächen und Seen geht es weiterhin miserabel. Und das, obwohl wir mit derWasserrahmenrichtlinie das richtige Werkzeug haben, um endlich zu handeln. Es gibt engagierteWasserbehörden und Paradeprojekte wie das Blaue Band – und dennoch: Auch Deutschland hinktmit der Umsetzung der Richtlinie massiv hinterher. Das Ziel sind gesunde Flüsse und Seen, voll von vielfältigem Leben. Fische, Muscheln, Krebse und Wasserpflanzen brauchen endlich eine neueChance. Der BUND hat daher eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Wir kämpfen umunser Wasser.

Als der führende Flussverband in Deutschland setzt sich der BUND seit Jahrzehnten für gesundeFlüsse und Bäche und einen verantwortungsvollen Umgang mit unserem Grundwasser ein. DerBUND und seine zahlreichen engagierten Ehrenamtlichen haben dafür gesorgt, dass weitere Fluss-vertiefungen, neue Kleinwasserkraftwerke und Salzeinleitungen gestoppt werden und vom Wald-bach über den Heidesee bis hin zur Elbe Renaturierungen Erfolge tragen. Für jeden Erfolg unsereshaupt- und ehrenamtlichen Engagements fällt uns jedoch jeweils mindestens ein negatives Beispielein. Im Gewässerreport zeigen wir daher für jeden Themenbereich Beispiele für Licht und Schattenim Gewässerbereich: Wo konnte der BUND etwas bewegen und retten? Wo waren die Lobby-Interessen leider übermächtig? Der BUND-Gewässerreport zeigt deutlich, dass sich die Politik endlichbewegen muss, damit unser Wasser noch zu retten ist. Doch zurzeit geschieht genau das Gegenteil:Die EU prüft, ob sie den Wasserschutz sogar noch aufweichen kann. Der BUND fordert diePolitiker*innen in Berlin und Brüssel auf, die Wasserrahmenrichtlinie zu erhalten und endlich konsequent umzusetzen. Dass dies möglich ist und welche Erfolge Deichrückverlegungen, Gewäs-serrandstreifen und verantwortungsvolle Landwirtschaft bringen, zeigt unser Report deutlich. Nurwenn Deutschland seine Verpflichtungen aus der Wasserrahmenrichtlinie ernst nimmt, können wiruns eine artenreiche Wasserwelt wieder erschaffen und für unsere Kinder gute Trinkwasser -ressourcen bewahren.

Vorwort

Prof. Dr. Hubert WeigerVorsitzender des BUND

GebietsbeschreibungMit ihren Stränden und Klippen ziehen Nord- und Ostsee je-des Jahr tausende Urlauber*innen an. Wer schon einmal un-tergetaucht ist, wird auch unter der Wasseroberfläche eineneinzigartigen Naturraum finden. Im flachen Wasser, dort wodie Sonnenstrahlen noch den Boden erreichen, wachsenSeegras oder verschiedene Arten von Seetang. Die Pflanzen

sind Kinderstube und Lebensraum zahlreicher angepassterOrganismen, wie zum Beispiel des stark gefährdeten See-pferdchens in der Nordsee oder der Seenadel in der Ostsee.Weiter seewärts findet man Moostierchen, Seesterne oderSeeanemonen in den wunderschönen Riffen.

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Eutrophierung

BUND-Organisation: BUND MeeresschutzbüroAnsprechpartnerin: Nadja ZiebarthWeitere Informationen: www.bund.net/meere/ueberduengung-der-meere/

Trübes Wasser, stinkende Algenteppiche und schlammiger Boden – Eutrophierungsalarm! Für ein gesundes Wasserökosystemsind Nährstoffe wie Phosphor- und Stickstoffverbindungen unerlässlich. Zu viel davon führen jedoch zu einem übermäßigenWachstum von Wasserpflanzen (z. B. Algen). Die Konsequenz: Licht- und Sauerstoffmangel, die das Leben von Wasserorga-nismen stark beeinträchtigen können. Hauptverursacher der Nährstoffbelastungen ist die Agrarindustrie. Gülle und Kunstdünger werden auf den Feldern ausgebracht und gelangen von dort über das Grundwasser, Drainagen und die Luft indie Oberflächengewässer. Von der Überdüngung sind besonders stehende Gewässer wie Seen und Tümpel betroffen. AlsStoffsenken in der Landschaft unterliegen diese Gewässer einer naturbedingten Eutrophierung mit zunehmender Verlandung. Normalerweise dauert dieser Alterungsprozess über große Zeiträume an, wird jedoch durch den Einfluss desMenschen stark beschleunigt. Die sichtbaren Folgen der Eutrophierung, wie Trübung und das Verschwinden von größeren,am Boden angesiedelten Pflanzenarten, treten auch bei den Meeren auf.

Negativbeispiel: Überdüngung von Nord- und Ostsee

Bild 1: Algen-blüte in der

Nordsee Foto: Wolf

Wichmann

Bild 2: Seegras-wiesen bieten

perfekte Verstecke für

Seepferdchen Foto: Dietmar

Reimer

Typisch für die Nordsee sind die riesigen unterseeischenSandbänke. Zahlreiche Fische und Kleinlebewesen leben dortund ziehen Räuber wie Kegelrobben oder Schweinswale ma-gisch an. Genauso eindrücklich und ebenso wichtig für denNährstoffkreislauf sind Miesmuschelbänke. Die Muschelnfiltern das Plankton aus dem Nord- und Ostseewasser undsorgen für gute Lichtverhältnisse am Meeresboden.

ProblemlageDie vielfältige Unterwasserwelt von Nord- und Ostsee ist inGefahr. Durch die Überdüngung der Meere gerät das emp-findliche Gleichgewicht von sauberem Wasser, Licht und ver-fügbaren Nährstoffen aus der Balance.

Hauptursache für die Eutrophierung ist eine übermäßigeDüngung mit Kunstdünger und Gülle in der Intensivland-wirtschaft. Über den Lufteintrag und die einmündendenFlüssen gelangen die Nährstoffe in die Meere und führendort zum massenhaften Algenwachstum. Im Sommer, wennWärme das Pflanzenwachstum weiter fördert und die Trü-bung stetig zunimmt, treten an den Ostseestränden regel-mäßig Blaualgenblüten auf. Das Problem: Einige Blaualgen-arten können für Meeresbewohner giftig sein. In einemgesunden Ökosystem sind solche Algenblüten eine normaleErscheinung – Ausmaß und Häufigkeit haben in den letztenJahrzehnten jedoch deutlich zugenommen. Da einige Blau-algenarten auch beim Menschen Hautreizungen und Ver giftungserscheinungen hervorrufen, müssen in den Som -mer monaten immer wieder Badewarnungen oder sogar Badeverbote ausgerufen werden.

Für den Lebensraum Meer haben die Eutrophierungserschei-nungen weitreichende Folgen. Vor allem in der Ostsee, diedurch den eingeschränkten Wasseraustausch wesentlichempfindlicher gegenüber Nährstoffeinträge ist, wurden ver-mehrt sogenannte Tote Zonen festgestellt. Sie entstehen,wenn abgestorbene Algen zum Boden sinken und dort unterSauerstoffverbrauch zersetzt werden. Es bilden sich sauer-stoffarme oder sauerstofffreie Bereiche unter Anwesenheitgiftiger Schwefelverbindungen. Am Gewässergrund lebendeTiere wie Seeigel oder Muscheln bleibt buchstäblich die Luftweg. Schon 15 Prozent des gesamten Meeresbodens der Ostsee sind Tote Zonen. Wenn auch nicht in diesem Umfang,sind auch im Wattenmeer sauerstoffarme Flächen entdecktwurden. Sowohl nach Wasserrahmenrichtlinie als auch ge mäß Meeresstrategie-Rahmenricht linie verfehlen beideMeeresgewässer in Deutschland den guten Zustand.

EntwicklungDie genannten EU-Richtlinien als auch andere politische Instrumente zum Gewässerschutz enthalten vielverspre-chende Ansätze zur Reduzierung der Eutrophierung. In derRealität wird jedoch wenig davon umgesetzt. Durch einestrengere Düngegesetzgebung könnten Nährstofffrachten indie Gewässer (vom Bach bis zur Nord- und Ostsee) reduziertwerden. Grundlage hierbei bilden eine strenge Begrenzungder erlaubten Stickstoffüberschüsse sowie eine verpflich-tende und vollständige Hoftorbilanz. Verlassen den Betriebüber seine Erzeugnisse vom Feld und Stall weniger Nähr-stoffe als ihm über Futtermittel und Düngemittel zugeführtwurden, lässt das auf starke Überschüsse schließen. Dieüberflüssigen Nährstoffe gelangen dann über verschiedenePfade in die Gewässer. Jeder landwirtschaftliche Betrieb soll-te daher für einen effizienten Düngeeinsatz seine Nährstoff-zu- und -abfuhren aufzeichnen. Tatsächlich wurde die Dün-geverordnung im Frühjahr 2017 überarbeitet. Statt einerbindenden Hoftor bilanz für alle Betriebe, sieht die Novel -lierung eine Bilanzierung jedoch nur für vieh intensive Be-triebe vor. In der Praxis heißt das, dass allein in Niedersach-sen über 90 Prozent aller Betriebe von der Hoftorbilanzbefreit sind.

ForderungenMeeresschutz beginnt auf dem Acker. Betriebe müssen Maß-nahmen zur Minimierung des Nährstoffeintrags ambitioniertund mit sofortiger Wirkung umsetzen. Die Tierhaltung mussan die zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen angepasst werden. In Zukunft sollten nur so vieleTiere gehalten werden, dass eine umweltverträgliche Aus-bringung der Nährstoffe möglich ist. Die gegenwärtig gültigeDüngeverordnung reicht nicht aus, um die Belastungen fürGewässer in vertretbaren Grenzen zu halten. Der BUND for-dert, die bäuerliche und ökologische Landwirtschaft in derEU voranzubringen. Wir brauchen eine Landwirtschaft, diemit der Natur arbeitet, statt gegen sie. Es sollten Anreize zurUmstellung auf Ökolandbau geschaffen werden. Ökolandbauverhindert eine Überdüngung, da die Anzahl der Tiere proFläche auf 2 Großvieheinheiten pro Hektar begrenzt ist undweniger Überschüsse anfallen. Gefragt sind Handlungs -strategien nicht nur von Deutschland, sondern von der EU.Nicht zuletzt kann eine erfolgreiche Meeresschutzpolitik,ähnlich wie bei der Luftreinhaltung, nur in enger internatio-naler Zusammenarbeit gelingen.

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GebietsbeschreibungIm Landkreis Cuxhaven, inmitten in einer von Eiszeiten ge-prägten Geestlandschaft, liegt der Wollingster See. Im Vergleich zu den meisten anderen Seen im norddeutschenTiefland ist er sehr tief mit einer maximalen Tiefe von 14,5 m. Während der Sommermonate, wenn das Oberflä-chenwasser durch die Sonne erwärmt wird, entsteht einestabile Schichtung. Die kargen Flächen im Einzugsgebietwurden lange Zeit von Heidebauern z. B. zur Haltung vonHeidschnucken genutzt. Durch die sanfte Bewirtschaftungund die hohe Lage auf einer Wasserscheide konnte sich einnährstoffarmer Heidesee mit einer einzigartigen Arten -gemeinschaft entwickeln. Die Strandlingsvegetation mitWasserlobelie, Brachsenkraut und Strandling kommt nur innährstoffarmen Gewässern und nur noch sehr selten in die-ser Zusammensetzung vor. Die wertvolle Vegetation verhalfdem Gewässer zur überregionalen Bekanntheit und führtebereits 1932 zur Unterschutzstellung als Naturschutz gebiet.Seit 2010 ist das Gebiet „Wollingster See und Randmoore“nach europäischem Recht ein FFH-Gebiet.

ProblemlageIn den 1930er Jahren galt der Wollingster See als Muster-beispiel eines klaren und nährstoffarmen Heidesees. SeitMitte des vergangenen Jahrhunderts gab es immer wiederHinweise auf Nährstoffanreicherung. Hauptgrund war diezunehmende Intensivbewirtschaftung landwirtschaftlicherFlächen. Eine Wiese, die bis zum Ufer des Wollingster Seesreicht, wurde regelmäßig mit Gülle gedüngt. Weitere Nähr-stoffbelastungen ergaben sich durch fischereiliche Akti vi -täten, Ferneinträge über den Luftpfad, Verrieselung von Klärgruben-Abwässern im Einzugsgebiet und die starke Freizeitnutzung, vor allem durch Badegäste. Die Einflüsseführten zu einer Förderung der nährstoffliebenden Algen,die wiederrum die seltenen Wasserpflanzen in die ufer nahenZonen verdrängten. Dort waren sie dem Einfluss gründelnderFische, dem Vertritt durch Badende und auch widrigen Witterungsverhältnissen stärker ausgesetzt als im tieferenWasser. Das Brachsenkraut, welches in Mitteleu ropa an nurnoch sehr wenigen Standorten zu finden ist, gilt am Wollingster See seit 2004 als verschollen. Der Rückgang der

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Bundesland: NiedersachsenBUND-Organisation: BUND Regionalverband UnterweserAnsprechpartner: Dr. Eike RachorWeitere Informationen: www.bund-unterweser.de/themen_und_projekte/lokale_natur_schuetzen_mit_

dem_bund/wollingster_see_und_beverstedter_moor/

Bild 1: Blick aufden Wollingster

See 2004

Bild 2: Wasser-Lobelien imschütteren

Schilfbestand,geschützt durch

einen Zaun vorgründelnden

Fischen

Bild 3:Anspruchsvolle

Sensibelchen:Die Wasser-

Lobelie

Fotos (3): Dr. Eike Rachor

Positivbeispiel: Wollingster See – Sanierung eines norddeutschen Heidesees

seetypischen Vegetation stand im Widerspruch zum Schutz-ziel der Naturschutzgebiets-Verordnung, die genanntenNutzungen wurden aber trotzdem geduldet.

Was konnte verändert werden?Durch gezielte Sanierungsmaßnahmen in den 1990er Jahrenkonnten wesentliche Belastungen des Sees eingedämmtwerden. Mit Unterstützung des 1995 gegründeten Förder-vereins Wollingster See kaufte der BUND die genannte, biszum Seeufer reichende und intensiv bewirtschaftete Wiese.Sie wird nun nicht mehr gedüngt, naturschutzgerecht ge-pflegt (gemäht) und mit Heidschnucken nachbeweidet. Mitt-lerweile konnte sich eine für die Geest typische Pflanzen-vielfalt auf der Wiese entwickeln, die von der Eintönigkeitder intensiv genutzten Flächen in der Nachbarschaft starkabsticht.

Das Bündnis setzte sich weiterhin dafür ein, dass Abwässernicht mehr seenah verrieselt und dass regelmäßig Unter -suchungen zur Gewässerqualität durchgeführt werden. Bemühungen zeigte auch die Gemeinde Beverstedt, indemsie ein Toilettenhäuschen errichten ließ. Der Nährstoff -eintrag durch Badegäste verringerte sich auch durch dasveränderte Freizeitverhalten der Bevölkerung. Zählte man inden 1970er bis 80er Jahren an einem warmen Sommertagnoch 2.000 Erholungssuchende am See, sind es heute maxi-mal 200 Besucher.

AusblickDa sich aufgrund der FFH-Verpflichtungen auch die Natur-schutzbehörde des Landkreises verstärkt um den See küm-mert, konnten weitere Fortschritte zu seiner Genesung erreicht werden. Zusätzliche Pflegemaßnahmen im Seeum-feld sowie die Einflussnahme auf den Fischbesatz und Förderung einer angepassten Befischung führten zur sicht-lichen Erholung der seetypischen Pflanzengesellschaft, vorallem des Wasserlobelien-Bestandes. Die empfindlichenPflänzchen müssen allerdings noch durch Käfige geschütztin ihrer Bestandsentwicklung gefördert werden. Inzwischenwurden im See und in der Umgebung mehr als 200 Pflan-zenarten nachgewiesen. Für das seit 2004 verschwundeneBrachsenkraut läuft ein entsprechender Wiederansiedlungs-versuch. Der Erfolg dieser Maßnahmen hängt maßgeblichdavon ab, ob der See sich weiterhin wieder zu einem nähr-stoffärmeren Gewässer entwickelt.

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Bild 1: In denSteinitzer Fließwerden Sümp-

fungswasserdes Tagebaus

Welzow-Süd Ieingeleitet

Bild 2: Blicküber den Tage-

bau Welzow-Süd I

Fotos (2): AxelKruschat

Gebietsbeschreibung Die Spree verbindet man sofort mit der Bundeshauptstadtund für diese hat sie eine große Bedeutung: Für MillionenMenschen liefert der Fluss Trinkwasser. Etwa hundert Kilo-meter südlich von Berlin liegt das UNESCO-Biosphären -

reservat Spreewald. Die noch relativ intakte Natur lockt vieleTouristen in die Region. Kanu- und Kahnfahrten auf der ver-zweigten Spree sind die Hauptattraktion. Schon seit Gene-rationen werden die umliegenden, manchmal auch nur mitdem Kahn zu erreichenden Wiesen und Äcker traditionell

Bergbau

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Über Jahrzehnte hinweg zerstören Braunkohletagebaue Feuchtgebiete, Wälder und Kulturlandschaften. Sie haben weitrei-chende Folgen für den Wasserhaushalt der Region und bergen für Gesellschaft und Natur auch nach der Auskohlung nichtkalkulierbare Risiken. Ein weit verbreitetes Problem nach Tagebauende stellt die Gewässerverschmutzung durch die Abraumkippen dar. Zurück bleiben auch die markanten Tagebaurestlöcher, die sich allmählich wieder mit Wasser füllen. Wasmacht man mit ihnen und den umliegenden Flächen? Nach dem Bundesberggesetz müssen alle in Anspruch genommenenFlächen in eine Nachfolgenutzung im Sinne des öffentlichen Interesses überführt werden. Je nach Lage, geochemischer Zusammensetzung des Kippensubstrates, Aussehen der Hohlformen und anderen Randbedingungen ergeben sich für alleBergbaufolgeseen und -landschaften ganz unterschiedliche Herausforderungen für die Nachnutzung. Viele Seen werden fürdie Fischerei, Wasserwirtschaft oder Erholung in Anspruch genommen. Auf geeigneten Standorten ist jedoch auch eine un-gestörte Naturentwicklung möglich, bei der man zuschauen kann, wie Pflanzen und Tiere ihren Lebensraum zurückerobern.

Bundesland: Brandenburg, BerlinBUND-Organisation: BUND BrandenburgAnsprechpartner: Axel KruschatWeitere Informationen: www.bund-brandenburg.de/braunkohle-klima/gewaesserverschmutzung-

durch-tagebaue/

Negativbeispiel: Gewässerverschmutzung der Spree durch Braunkohletagebaue

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und naturschonend bewirtschaftet. Über Jahrzehnte hinwegwird im Einzugsgebiet der Spree, genauer gesagt in der Lau-sitz, aber auch schon Braunkohle abgebaut. Ihr fielen nichtnur historisch gewachsene Dörfer und Kulturlandschaftenim Abbaugebiet zum Opfer – der Kohleabbau hinterlässtauch flussabwärts sichtbare Folgen.

ProblemlageDamit Braunkohle im Tagebau abgebaggert werden kann,muss auf riesigen Flächen – um 1990 auf über 2.000 km2 –das Grundwasser abgesenkt werden. In diesen Absenkungs-trichtern und auf den Kippen kommt das Sediment mit Luftin Berührung. Dabei oxidiert das eisenhaltige Pyritgestein.Die entstehenden Stoffe – Eisenhydroxid und Schwefelsäurebzw. Sulfat – sind wasserlöslich und können daher in die Gewässer gelangen. Das passiert entweder großflächig beim Wiederanstieg des Grundwassers nach Beendigung des Tagebaus (diffuse Quellen), aber vor allem auch beimAbpumpen des Grundwassers zur Trockenhaltung der aktivenTagebaue. Die Einleitung dieser sogenannten Sümpfungs-wässer (punktuelle Quellen) ist für über die Hälfte der Sulfatbelastung verantwortlich.

Für die Gewässerflora und -fauna stellen die erhöhten Stoff-konzentrationen eine ernstzunehmende Gefahr dar. Die so-genannte Verockerung, bei der durch natürliche Prozesseund Kalkungsmaßnahmen das Eisenhydroxid ausfällt, führtzur Braunfärbung des Wassers und Ablagerungen am Ge-wässergrund. Der eisenhaltige Schlamm erschwert dasPflanzenwachstum und verschlechtert die Lebensbedingun-gen für Fische und Kleinstlebewesen. Laut Untersuchungendes BUND Brandenburg ist der Schlamm außerdem stark mitArsen und Schwermetallen belastet. Als kurzfristige Maß-nahme wurden bereits Schlammberäumungen durch diebundeseigene Bergbau-Sanierungsgesellschaft durchge-führt. Der ausgebaggerte Schlamm müsste eigentlich nachdem Abfallrecht entsorgt werden, wurde jedoch zum Teileinfach auf nahegelegene Flächen verteilt.

Das gelöste Sulfat verbleibt als unsichtbare Gefahr im Gewässer. Es wird flussabwärts bis nach Berlin transportiertund bereitet dort der Trinkwassergewinnung große Probleme.Bereits jetzt muss von den Wasserwerken zeitweise sauberesWasser beigemischt werden, um den Grenzwert für Sulfatvon 250 mg/l einzuhalten. Hohe Sulfatwerte verändern denGeschmack des Trinkwassers und können zu Durchfall führen.Zu erwarten sind außerdem negative Beein flussungen aufwirbellose Wassertiere sowie verstärkte Eutrophierungs -erscheinungen durch Freisetzung von sediment gebundenenPflanzennährstoffen (Phosphor).

EntwicklungAuf die biologischen Bewertungskomponenten der WRRLwerden die bergbaubedingten Stoffausträge höchstwahr-scheinlich negative Auswirkungen haben. Betroffen ist auchdas Biosphärenreservat Spreewald und sein Tourismus alswirtschaftliches Standbein der Region. Prognosen zeigen,dass die Sulfatwerte in den nächsten Jahren noch weitersteigen werden. Die starke Belastung aus den heute aktivenTagebauen kommt sogar erst in der Zukunft auf die Gewässerder Region zu, zumal nach Willen der LandesregierungenSachsen und Brandenburg noch bis Mitte des JahrhundertsBraunkohle abgebaut werden soll. Statt dem Bergbaubetrei-ber LEAG (ehemals Vattenfall) langfristige und verbindlicheMaßnahmen unverzüglich aufzuerlegen, kommt das kohle-freundlich eingestellte Landesbergamt dem Unternehmennoch entgegen. Beispiel Welzow-Süd: Das Abbaugebiet inder südlichen Niederlausitz soll vergrößert werden. Obwohlder neue Tagebau Welzow-Süd II noch nicht planfestgestelltist, wurde vom Bergamt der Bau einer Dichtwand gegen un-terirdische Wasserströme erlaubt. An sich ist der Bau einerDichtwand zu begrüßen, der Trassenverlauf folgt jedoch demgeplanten, noch nicht genehmigten Braunkohletagebau. Dadurch ist der Absenkungstrichter für das Grundwasserdeutlich größer als notwendig und damit auch die darausresultierende Wasserverschmutzung. Gegen die wasser-rechtliche Erlaubnis hat der BUND Brandenburg 2010 Klageeingereicht. Die wasserrechtliche Erlaubnis für den Tagebauläuft 2022 aus – ob vorher eine gerichtliche Entscheidungerreicht werden kann, ist offen.

Forderungen Für den BUND ist klar: Bei der nächsten wasserrechtlichenErlaubnis müssen die Ziele der WRRL berücksichtigt werden.Eine Ausnahme aus Gründen des „übergeordneten öffentli-chen Interesses“ darf es nicht noch einmal geben – in Zeitender Energiewende und angesichts des dringend notwendigenKohleausstiegs für den Klimaschutz kann man den Braun-kohleabbau damit nicht mehr begründen.

Außerdem muss das Bergbauunternehmen nach dem Verur-sacherprinzip alle Kosten für Maßnahmen übernehmen, diezur Einhaltung von Trinkwassergrenzwerten nötig sind. Damit dies auch nach einer Insolvenz des Bergbaubetreibersgesichert ist, müssen die Gelder dringend als Sicherheits-leistungen eingezogen werden. Zudem müssen allgemeingültige Grenzwerte für die Einleitung der Grubenabwässeraus Tagebaugebieten festgelegt und das Monitoring durchein geeignetes Netz an Messstellen ausgeweitet werden.

GebietsbeschreibungIm Zentrum des Bitterfelder Braunkohlereviers liegt der ehe-malige Tagebau Goitzsche. Bevor nach dem zweiten Welt-krieg mit dem großflächigen Abbau der Braunkohle begon-nen wurde, war die Goitzsche eine artenreiche Auwald- undWiesenlandschaft im Tal der Mulde. 1975 wurde der Fluss-lauf der Mulde und anderer kleiner Flüsse aus dem Revierverlegt. Fast der gesamte Wald wurde gerodet, Grundwassergroßflächig abgesenkt und Bodenstrukturen vollständig zer-stört. Nach der Wiedervereinigung rentierte sich die Weiter-führung des Tagebaus nicht mehr. Zurück blieb eine 62 Qua-dratkilometer große, mondähnliche Bergbaufolgelandschaftmit riesigen Kratern. Durch den Grundwasseranstieg fülltensich die Tagebaurestlöcher allmählich wieder. Es entstandeine Seenlandschaft mit 25 Quadratkilometer Wasserfläche.Damit die Restseen rasch ihren geplanten Endwasserstanderreichen und nicht allzu sauer sind und somit jegliche Nut-zung verhindern, fanden teilweise Flutungen mit Fremdwas-ser aus der Mulde statt.

ProblemlageEnde der 90er Jahre wurden im Osten Deutschlands groß -flächig Gebiete in alten Tagebauen privatisiert. Aus der gesamten Seenlandschaft der Goitzsche sollte ein Freizeit-paradies mit Campingplätzen und Badestränden entstehenund möglichst viele Tourist*innen vor die Tore der Industrie-stadt Bitterfeld locken. Die in Sanierung und Flutung befindlichen Tagebaurestlöcher wären nach Erreichen dererforderlichen Endwasserstände in die freizeitliche Wasser-sportnutzung überführt worden. Sobald der pH-Wert es zu-ließ, sollten Fischbesatzmaßnahmen durchgeführt werden,um (Angel-) fischerei im See zu ermöglichen. Die geplantenVorhaben und Eingriffe drohten die natürliche Entwicklungvon Tier- und Pflanzenwelt im ehemaligen Tagebaugebiet zustören.

Was konnte verändert werden?Im Rahmen der Privatisierung bestand für den BUND dieMöglichkeit, große Flächen des ehemaligen Tagebaus fürden Naturschutz zu erwerben. Das Gebiet der Goitzsche ist

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Bundesland: Sachsen-AnhaltBUND-Organisation: BUND-StiftungAnsprechpartnerin: Silvia BenderWeitere Informationen: www.goitzsche-wildnis.de

Positivbeispiel: Goitzsche

Bild 1: Der Ludwigsee isteiner von vier

Restseen in derGoitzsche, der

sich ganz ohnemenschliche

Einflüsse ent-wickeln darf

Foto: Carol Höger

unzerschnitten, nährstoffarm und befand sich bereits in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Gute Voraussetzun-gen für ein neues Wildnisgebiet. Der BUND erkannte diesesPotential und kaufte in den Jahren zwischen 2000 und 2004mit Spendengeldern und Fördermitteln des Landes Sachsen-Anhalts eine Fläche von 1.300 Hektar im einstigen Bergbau-gebiet. Der BUND stellte sicher, dass sich die im Eigentumder BUNDstiftung befindlichen Restseen und Flächen soweitwie möglich ohne störende Einflüsse des Menschen ent -wickeln können und weitestgehend von allen Nutzungenfreigehalten werden. In Seen, die vollständig im Eigenturmder Bundstiftung sind, fand kein Fischbesatz statt, Angel -fischerei und Wassersport wurden untersagt. Auf 1.150 Hek-tar gilt ebenfalls Jagdruhe. In Kooperation mit der Lausitzerund Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbHwurden Böschungen der Restlöcher gar nicht oder natur-schutzfachlich saniert. Denn für den Naturschutz sind gerade unregelmäßige Böschungen mit tiefen Erosionsrin-nen und einer hohen Entwicklungsdynamik von hoher Bedeutung.

Oberstes Projektziel der Goitzsche-Wildnis ist die ungestörteNaturentwicklung ohne menschliche Einflüsse. Durch eineattraktive Wegeführung, Aussichts- und Beobachtungs-punkte werden Besucher, ohne Störungen zu verursachen,durch die Landschaft geleitet. Von Beginn an wurden alle regionalen Akteure mit in das Projekt eingebunden und Ge-spräche mit Politikern, Verbänden und Bürgern geführt.Durch enge Zusammenarbeit mit der Sanierungsgesellschaftwurde stets geprüft, welche möglichen Verfahren zur natur-verträglichen Sanierung und Flutung der Restseen zur Verfügung standen und wie diese unter Beachtung der berg-baulichen Gegebenheiten umgesetzt werden konnten.

AusblickWährend der nördliche Teil der Goitzsche-Seenlandschaftheute ein Freizeit- und Erholungsgebiet ist, entwickelte sichdas südliche Gebiet, mit den vom BUND erworbenen Flächen,zu einem regelrechtem Hotspot der biologischen Vielfalt.Das vielfältige Landschaftsmosaik bestehend aus Feucht -gebieten, Offenland und jungen Sukzessionswäldern ist Heimat vieler Brutvögel und anderer Tierarten. Aus den Restlöchern im Maßnahmengebiet sind nährstoffarme Klarwasserseen entstanden, die bereits Schilfzonen, Unter -wasser vegetation und erste Ansätze von Schwimmblattzo-nen zeigen.

Um die Entwicklung der Wildnis nachzuvollziehen, werdenseit 2006 regelmäßig Amphibien, Vögel, Schmetterlinge, Libellen und Pflanzen erfasst. Die umfangreichen Kartierun-gen sind nur dank der Unterstützung ehrenamtlicherExpert*innen zu stemmen. Die bisherigen Ergebnisse flossenauch in einem BUND initiierten Forschungsprojekt zur Goitzsche ein. In dem Projekt, welches von der DeutschenBundesstiftung Umwelt geförderten wurde, wurden dieChancen zur Integration von Wildnisgebieten in die Kultur-landschaft analysiert. Untersucht wurden nicht nur die verschiedenen Sukzessionsstadien in der Bergbaufolgeland-schaft, sondern auch Kooperationsbeziehungen und Strate-gien zur Konfliktbewältigung und Öffentlichkeitsarbeit.Mittlerweile genießt das Goitzsche-Projekt bei Bürger*innenund den regionalen Verantwortlichen eine hohe Wertschät-zung und ist auch über den Grenzen der Region Bitterfeldbekannt.

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GebietsbeschreibungDie Elbe in Deutschland ist einer der letzten großen freiflie-ßenden und noch relativ naturnahen Ströme in Mitteleuropa.Sie entspringt im Riesengebirge und ist von stark schwan-kenden Wasserständen geprägt. Mit ihren Auen, die durch

den natürlichen Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser geprägt sind, gehört die Mittlere Elbe als hot spot der Arten-vielfalt zu den wertvollsten Naturräumen in Deutschland.Ihre Ufer stehen fast auf der gesamten Länge unter demSchutz von Natura 2000. Entlang von 400 Flusskilometer

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Bild 1 und 2:Flutrinne eines

Elbe-Seiten-arms im Jahr

2007 (links)und mit zuneh-

menden Ver-landungser-scheinungen

10 Jahre später(rechts).

Fotos (2): Iris Brunar

Gewässerausbau

Seit Jahrtausenden bieten Flüsse einen einzigartigen Lebensraum für eine Vielfalt von Tieren und Pflanzen im, am und rundums Wasser. Einer der Faktoren, die zur großen Artenvielfalt an Flüssen und flussbegleitenden Bereichen beitragen, ist derWechsel zwischen Hoch- und Niedrigwasser. Für die Schifffahrt ist dieser stete Wechsel des Wasserstandes allerdings einProblem, weshalb durch Vertiefungen, Begradigungen oder Buhnen im letzten Jahrhundert viele dynamische Flüsse in monotone Wasserstraßen verwandelt wurden. Dies führt nicht nur dazu, dass immer mehr Auenlandschaften und Flussmün-dungen inzwischen von Trockenheit bedroht sind, sondern es erhöht umgekehrt auch das Hochwasserrisiko massiv. Ein wei-teres Problem ist die immer höhere Fließgeschwindigkeit, die für viele Tier- und Pflanzenarten das Wasser unbewohnbarmachen und gleichzeitig den Prozess der Sohlerosion immer schneller vorantreibt. Insgesamt hat der Gewässerausbau denLebensraum Wasser massiv beeinträchtigt und viele Pflanzen- und Tierarten bereits verdrängt. Daher kämpft der BUND gegen weitere Flussvertiefungen und dafür, dass sich die Natur wieder erholen kann.

Bundesland: Sachsen-Anhalt, Sachsen, BrandenburgBUND-Organisation: BUND-ElbeprojektAnsprechpartnerin: Iris BrunarWeitere Informationen: www.bund-sachsen.de/themen/natur-landwirtschaft/fluessegewaesser/elbe/

Publikationen: Die Elbe im Jahr 2050 – Bericht aus der ZukunftElbe retten – mit dem BUND

Negativbeispiel: Sohlerosion der Elbe – eine Auenlandschaft trocknet aus

erstreckt sich das UNESCO-Biosphärenreservat Flussland-schaft Elbe. Es umfasst weite Überschwemmungsflächen,helle unverbaute Sandufer und die größten zusammenhän-genden Auenwälder Mitteleuropas. Ein Teil des ca. 280.000Hektar großen Biosphärenreservats ist das seit 1760 beste-hende Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Die Bauten und Land-schaftsparks gehören seit 2000 zum UNESCO-Welterbe undsind Bestandteil der sogenannten kulturellen Leuchttürme.Wer die Elbe in diesem Gebiet besucht, erfährt eine einzig-artige Auenlandschaft in harmonische Verbindung mit kulturhistorischen Schlössern und Gärten.

ProblemlageIm Zuge der durchgängigen Schiffbarmachung der Elbe fürdie Frachtschifffahrt wurde ab der Mitte des 19. Jahrhun-derts das Bett der Mittleren und Oberen Elbe mit Flussbau-werken wie Buhnen, Deck- und Leitwerken festgelegt. Einenatürliche Seitenerosion war nun nicht mehr möglich. Fluss-ufer wurden immer monotoner und durch die Begradigungerhöhte sich außerdem die Fließgeschwindigkeit, in dessenFolge sich das Flussbett abschnittsweise um bis zu zwei Meter eintiefte. In diesen Bereichen sank mit dem Wasser-spiegel auch das Grundwasser in der Flussaue. Auenland-schaften und auch das UNESCO-Welterbe Dessau-WörlitzerGartenreich sind von Trockenheit bedroht.

EntwicklungDie Eintiefung ist ein Prozess, der sich immer weiter selbstbeschleunigt. Das haben nach jahrelangem Protest desBUND auch das Bundesverkehrsministerium und seine Behörden eingeräumt. Im Jahr 2009 wurde durch die Was-serstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) das soge-nannte „Sohlstabilisierungskonzept“ vorgelegt. PrioritäresEntwicklungsziel ist der Erhalt der Sohlhöhe der MittlerenElbe zwischen Mühlberg und Saalemündung. Aus Sicht desNaturschutzes ist die Intention des Sohlstabilisierungskon-zeptes zunächst zu begrüßen. Die darin formulierten Zieleund vorgeschlagenen Maßnahmen reichen nach Ansicht desBUND jedoch bei weitem nicht aus, um die Flusslandschaftnachhaltig zu schützen. So werden der notwendige Stoppder Erosion und die Anhebung der Sohle nicht angestrebt.Stattdessen sieht das Konzept nur eine Reduzierung der Ein-tiefungsrate vor, d. h. die Eintiefung und damit die weitereAustrocknung der Auen werden lediglich etwas verlangsamt.Die angedachten Maßnahmen, wie z. B. Geschiebezugabeund Aufweitung des Flussbettes, wurden weder ausreichendquantifiziert noch beseitigen sie die wesentlichen Ursachender Sohlerosion. Innerhalb der Erosionsstrecke wird nur inEinzelmaßnahmen gedacht und geplant. Eine Gesamtbe-trachtung einschließlich möglicher Wechselwirkungen nachOber- und Unterstrom erfolgte nicht. Schließlich wird im

Sohlstabilisierungskonzept an einer ganzjährigen Schiff -barkeit der Elbe festgehalten und somit mögliche Hand-lungsspielräume erheblich beschnitten. Eine Prüfung, ob diederzeit gültigen Schifffahrtsziele auf der Elbe mit der Siche-rung der FFH- und WRRL-Ziele zu vereinbaren sind, fandnicht statt.

Gemeinsam mit dem NABU und WWF hat der BUND 2009eine Kurzdarstellung zu dem Sohlstabilisierungskonzept abgegeben. Von Seiten der WSV gab es dazu keine Reaktion.Auch nicht ein Jahr später, als der BUND eine ausführlicheStellungnahme der Behörde vorlegte.

ForderungenDas vorgelegte Konzept der WSV ist im Wesentlichen auf dieElbe als Wasserstraße fokussiert und berücksichtigt nichtden gesamten Fluss in seiner Wechselwirkung mit der Aue.Flussauen und Vorland, die im Zuständigkeitsbereich derLänder befinden, müssen mit einbezogen werden. Unser zen-trales Ziel es ist, den Stopp und Umkehr der Sohlerosion derElbe einzuleiten. Sämtliche genannten Maßnahmen desSohlstabilisierungskonzeptes müssen auf den Prüfstand, siestellen bisher nur eine Symptombekämpfung dar. Der BUNDfordert nach wie vor eine umfassende Gesamtbewertung aller Maßnahmen und Nutzungen der Elbe vorzunehmen.Darin sollte auch eine Kosten/Nutzen-Analyse der Elbe alsWasserstraßen inklusive einer Alternativprüfung enthaltensein. Eine naturnahe Flusslandschaft ist nicht nur ökologischvorteilhaft. Sie birgt auch ökonomischen, insbesondere touristischen Wert für die Region, was sich bei der Elbe speziell am UNESCO-Welterbe Dessau-Wörlitzer Gartenreichoder auch am beliebten Elbe-Radweg zeigt.

Gewässerreport 2018

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GebietsbeschreibungDie Wesermündung zieht sich über 120 Flusskilometer hin,beginnt am Bremer Weserwehr, wird bis Bremerhaven lang-sam immer breiter, durchfließt dann das Wattenmeer undmündet in Nordsee. Flussmündungen wie diese zählen zuden artenreichsten Lebensräumen der Welt. Sie umfassenden Abschnitt des Flusses, wo Ebbe und Flut einwirken undsich das Süßwasser mit dem salzigen Meerwasser zu Brack-wasser mischt. Breite Röhrichtgürtel und Wattflächen säumen dort den Flusslauf, der sich in zahlreiche Nebenarmeaufspaltet, Inseln und ausgedehnte Überschwemmungs -gebiete bildet und schließlich in einem breiten Trichter insMeer mündet. Ein solches offenes Ökosystem hat charakte-ristische Eigenschaften, die anders sind als in einem Binnen-land-Fluss oder im eigentlichen Meer und selten vorkommen,ganz besonders in naturnaher Ausprägung. Deshalb bietetdie Wesermündung auch trotz der bereits erfolgten Fluss-vertiefungen, Einleitungen, Kühlwasserentnahmen und Hafen bauten immer noch Lebensraum für viele seltene

Pflanzen- und Tierarten, z. B. die Finte, ein heringsartigerFisch, der den größten Teil seines Lebenszyklus in der Fluss-mündung verbringt. Die Unterweser ist in weiten Teilen alseuropäisches Schutzgebiet nach Vogelschutz- und FFH-Richtlinie gemeldet, viele Flächen sind zudem als Land-schaftsschutzgebiete ausgewiesen.

ProblemlageMit Beginn der Flussvertiefungen für immer größere See-schiffe hat sich seit 1880 das Bild (nicht nur) der Unterweserstark verändert. Wer heute noch eine weitgehend intakteFlussmündung erleben möchte, muss bis an die französischeLoire reisen. Denn die Weservertiefungen sind mit massivenökologischen Folgeschäden verbunden. Ganz besonders gra-vierend: Der Tidenhub der Weser ist extrem angestiegen, inBremen an der großen Weserbrücke von ehemals ca. 0,5 mauf heute 4,20 m. Tendenz: weiter steigend. Die Weser istdaher im Bremer Stadtgebiet weitgehend in ein Korsett ausSteinschüttungen und Spundwänden gezwungen worden.

Gewässerreport 2018

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Bundesland: Bremen, NiedersachsenBUND-Organisation: BUND BremenAnsprechpartner: Martin RodeWeitere Informationen: www.bund-unterweser.de/themen_und_projekte/weservertiefung/

Positivbeispiel: Weservertiefung

Bild 1: Damitdie immer

größer werden-den Container-

schiffe denBremerhaven

erreichen können, wurde

die Außen-weser immer

wieder vertieft.

Bild 2: Der enorme

Tidenhub derWeser wirkt bis

in die Neben-flüsse, wie hierin der Wümmeund führt dort

zu starken Erosionser-

scheinungenan den Ufern.

Fotos (2):Georg

Wietschorke

Neben dem starken Anstieg des Tidenhubs führen Flussver-tiefungen zu steigenden Strömungsgeschwindigkeiten in derFahrrinne, immer kürzeren Laufzeiten der Sturmfluten vonder Nordsee bis nach Bremen, Verschlickung von Nebenar-men, Stränden und Bootshäfen sowie einer flussaufwärtsgerichteten Verschiebung der salzigen Brackwasserzone.Leidtragende dieser Verschlechterungen sind Deichschutz,Landwirtschaft, Fischerei, Freizeitnutzung und vor allem dienatürlichen Lebensräume mit ihren charakteristischen Tierenund Pflanzen. Denn noch sind zwischen Bremen und Bre-merhaven einige sehr wertvolle Bereiche erhalten gebliebenund stehen heute zumeist unter Naturschutz. Eine erneuteWeservertiefung würde diese jedoch weiter gefährden.

Was konnte verändert werden?Gegen die seit 2006 geplante Weservertiefung (Außenweser> 1,20 Meter, Unterweser bis Brake 0,90 Meter und bis Bre-men 0,60 Meter) hat der BUND 2011 vor dem Bundesverwal-tungsgericht in Leipzig geklagt und zunächst einen Baustopperreicht. Die Bedeutung der Weser für die Natur sowie dieSchäden einer neuerlichen Flussvertiefung wurden dafür vonBUND-Expert*innen eigens zusammengestellt. Der verhin-derte Ausbau hätte insbesondere die Lebensbedingungen fürTiere und Pflanzen in Wattenmeer und Außenweser, im Was-serkörper des Brackwasserbereichs und im Uferbereich (mitAuswirkungen auch auf die Marsch und Binnengewässer)und in den Nebenflüssen verschlechtert. Auffälligste undgravierende Folge wäre das Verschwinden einzigartiger Unterwasservegetation wegen Sauerstoffmangels gewesen.Die im Uferbereich dominieren Süß- und Brackwasser -röhrichte hätten sich großräumig an geeigneten Stellendurch die seitliche Sedimentation ausgedehnt und zu einerVerlandung geführt. Dies hätte die für Wassertiere jeglicherArt entscheidende Flachwasserzone, erheblich verkleinert.

AusblickIm Zuge der BUND-Klage gegen die Weservertiefung rief dasBundesverwaltungsgericht 2013 den Europäischen Gerichts-hof zur Klärung grundsätzlicher Fragen des europäischenGewässerschutzes an. 2015 verlieh der EuGH in seinemGrundsatzurteil dem Verschlechterungsverbot und der Verbesserungspflicht der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)großes Gewicht. Im Sommer 2016 gab das Bundesverwal-tungsgericht dann schließlich der Klage des BUND gegen dieWeservertiefung statt. Der Planfeststellungsbeschluss wurdewegen schwerer Mängel bezüglich europäischen und natio-nalen Gewässer- und Naturschutzrechts für nichtvollziehbarerklärt. Die Weservertiefung bleibt also bis auf weiteres ge-stoppt dank des jahrelangen Einsatzes des BUND. Das EuGH-Urteil hat dabei nicht nur Auswirkungen auf die Weser- undandere Flussvertiefungen, sondern stärkt den europäischenGewässerschutz allgemein. Die WRRL fordert einen gutenZustand aller europäischen Gewässer bis 2027, ein Ziel vondem insbesondere Deutschland noch weit entfernt ist.

Gewässerreport 2018

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GebietsbeschreibungAnders als der Name vermuten lässt, fließt die Geeste nur imOberlauf durch Geestlandschaften. Im Niederungsbereichschlängelt sie sich durch Wiesen, Weiden, auch mal Moor-birkenwälder, und mündet schließlich als breites Marsch -gewässer in die Unterweser bei Bremerhaven. Aufgrund ihrerLandschaftsvielfalt bietet die Geesteniederung Lebensraumfür zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Neben

Seeadler, großen Zugvogelansammlungen, Fischotter, Wolfund Teichfledermaus sind in der Flusslandschaft auch seltengewordene Hochmoor-Tagfalterarten zu finden. Ende des19. Jahrhunderts und erneut in den 1960er Jahren fandenumfangreiche Meliorationsmaßnahmen im Einzugsgebietstatt. Moorflächen wurden entwässert und werden als Grün-land, teilweise auch als Ackerbauflächen, durch die Land-wirtschaft immer intensiver genutzt.

Gewässerreport 2018

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Bild 1: Leider nochdie Realität: WiderrechtlichumgebrocheneWiese an der Geesteohne ausreichen-dem Gewässerrand-streifen.

Foto: Wilfried Lütjelüschen

Gewässerrandstreifen

Gewässerrandstreifen sind gesetzlich festgelegte Grenzbereiche an Fließ- und Standgewässern. Innerhalb dieser Bereichegelten bestimmte Nutzungsgebote bzw. -verbote. Zum Beispiel darf im gesamten Gewässerrandstreifen kein Grünland inAckerland umgebrochen werden und es dürfen in einem bestimmten Abstand zum Gewässer keine Dünge- und Pestizidmittelausgetragen werden. Die strengen Regeln gelten für Gewässerrandstreifen nicht ohne Grund: Für viele Arten sind die Rand-streifen Lebensraum, Schutzraum und Wanderkorridor. Sie schützen das Gewässer vor den Einträgen von Schad- und Nähr-stoffen und halten Abschwemmungen von landwirtschaftlichen Flächen zurück. Eine Gehölzentwicklung, z. B. mit Erlen undWeiden, spendet dem Gewässer Schatten und bietet Vögeln Singwarten und Brutplätze. Die wichtigen Funktionen von Gewässerrandstreifen können durch eine unsachgemäße Nutzung stark beeinträchtigt werden. Neben Privatpersonen, diezum Beispiel ihre Gartenabfälle in unmittelbarer Nähe des Gewässers entsorgen, bewirtschaften auch einige Landwirte ihreFelder immer noch bis zur Böschungskante. Verstöße gegen die Regelungen wurden bereits von BUND-Gruppen beobachtetund angezeigt.

Bundesland: NiedersachsenBUND-Organisation: BUND Bremen, BUND Regionalverband Unterweser, BUND NiedersachsenAnsprechpartner: Henning KunzeWeitere Informationen: http://archiv.bund-bremen.net/themen_und_projekte/naturschutz/flusslands-

chaft_geeste/geeste_projekt/

Negativbeispiel: Geeste

ProblemlageNach den Bewertungskriterien der Wasserrahmenrichtlinie(WRRL) befindet sich die Geeste in keinem guten Zustand.Zu schaffen machen dem Fließgewässer vor allem der Nähr-stoffeintrag der umliegenden Wiesen und Feldern, auf denenzunehmend intensivere Landwirtschaft mit maximal erlaub-ter Stickstoffgabe (v.a. Gülle) betrieben wird und die in vielenFällen bis zum Gewässerrand reichen. Ein großer Teil der Fläche wird über Pumpwerke in die Geeste entwässert – unddamit die Nährstoffe direkt in die Geeste gepumpt. Die nachWRRL und deutschen Gesetzen erforderlichen Abstände zwischen Intensivflächen und Fließgewässer (Gewässerrand-streifen) werden nachweislich nicht immer eingehalten. Fürdie Geeste sind solche Schutzstreifen unerlässlich, da sieaufgrund des Gezeitenflusses zeitweise stagniert, was dazuführt, dass Nährstoffe sich konzentrieren und Sauerstoffschwindet. Probleme bereiten außerdem die degradiertenMoorböden im Einzugsgebiet. Waren sie einst Nährstoffsen-ken, setzen die entwässerten Torfböden nun Klimagase undPflanzennährstoffe frei. Nicht selten führt der in der Summehohe Nährstoffeintrag zu lebensfeindlichen Verhältnissenim Fließgewässer. Zuletzt waren im Oktober 2017 viele toteFische zu zählen, nachdem wieder einmal sauerstoffzehren-de Abbauprozesse zur Erstickung der Tiere geführt hatten.

EntwicklungDer BUND hat den Wasserbehörden des Landkreises mehr-fach die nicht Einhaltung der Gewässerrandstreifen gemel-det. Die Behörde forderte die Landwirte und Landwirtinnenauf, die Vorgaben zu beachten, jedoch fehlt es an einer flächendeckenden Überwachung. Die Anrainer zeigen sichoft uneinsichtig, was teilweise auf schlechter Beratung be-rühren mag. Die starke Lobby des Bauernverbandes, auch imKreistag, trägt nicht zur Verbesserung bei, zumal die Wasser -behörden unzureichend ausgestattet sind (personell und labormäßig).

AusblickDer BUND Landesverband Bremen engagiert sich zusammenmit seinem Regionalverband BUND Unterweser und demBUND Landesverband Niedersachsen für den Erhalt und dieFörderung der Lebensräume gefährdeter Arten in der Geeste -niederung und setzt sich für einen umfassenden Gewässer-schutz ein. Seit den 1980er Jahren werden die Sauerstoff-verhältnisse im Fluss beobachtet und seit 2006 werden unterEinbeziehung der Öffentlichkeit Verbesserungsvorschlägebzw. Projektideen für das Fließgewässer erarbeitet. Die gesammelten Projektideen umfassen Maßnahmen zur Ver-besserung der Gewässerstruktur, zum Wasserrückhalt sowiezur Filterung von Sand- und Ockerfrachten. Der Erfolg fastjeder Einzelmaßnahme hängt von der Akzeptanz bei den Flächeneigentümern ab, und ob diese sich an ihre vom Gesetzvorgegebenen Pflichten – wie beispielsweise die Einhaltungvon Gewässerrandstreifen – halten.

Gewässerreport 2018

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Gewässerreport 2018

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GebietsbeschreibungDer Scharmbecker Bach in Niedersachsen hat sein Quellge-biet in der Osterholzer Geest. Er durchquert die kleine Kreis-stadt Osterholz-Scharmbeck und verläuft nach Verlassen derStadt durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Nach derFließgewässertypologie der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)ist der Scharmbecker Bach u.a. als „kiesgeprägter Tiefland-bach“ definiert. Wie der Name schon vermuten lässt, bestehtdas Flussbett unter natürlichen Bedingungen vorwiegendaus Kies, Steinen und etwas Sand. Die Fließstrecke ist geprägt durch einen Wechsel von ruhig fließenden und tur-bulenten Abschnitten und weißt typische Elemente wieUferunterspülungen, Totholz sowie abgeschnürte Fluss-schlingen (Altarme) auf. Im naturbelassenen Zustand sindkiesgeprägte Tieflandbäche keinesfalls eintönig, sondernführen mit ihren vielfältigen Habitatstrukturen zu einer artenreichen Lebensgemeinschaft.

ProblemlageDas Einzugsgebiet des Scharmbecker Bachs hat sich infolgeder landwirtschaftlichen Intensivierung stark verändert. Ehe-maliges Grünland wurde großflächig umgebrochen und inAcker umgewandelt. Vor Projektbeginn reichten die über-wiegend mit Mais bewirtschafteten Felder bis an die Bö-schungsoberkante des Gewässers. Starker diffuser Nähr-stoff- und Pestizideintrag waren die Folge. Darüber hinauskam es zur Übersandung der Kiessohle, wodurch typischeBesiedler ihren Lebens- und Fortpflanzungsraum verlorenhaben.

Kaum wiederzuerkennen war auch der ehemalige Bachver-lauf. Insbesondere im Stadtgebiet wurde der ScharmbeckerBach begradigt und abschnittsweise verrohrt. Um potenzielleHochwasser schnell aus der Stadt abführen zu können, istdas Gewässerprofil deutlich überdimensioniert. Die Eingriffein die natürliche Struktur waren so erheblich, dass der Bachin diesem oberhalb liegenden Gewässerabschnitt als „erheb-lich verändert“ eingestuft wurde und bis heute wird.

Bundesland: NiedersachsenBUND-Organisation: BUND Kreisgruppe OsterholzAnsprechpartnerin: Dr. Jutta KemmerWeitere Informationen: www.biologische-station-osterholz.de/?page_id=1968

Positivbeispiel: Scharmbecker Bach

Bild 1 und Bild2: Fließverlauf

des Scharm-becker Bachs

vor (links) undnach den

Renaturie-rungsarbeiten

(rechts)

Fotos (2): Dr. Jutta Kemmer

Gewässerreport 2018

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Ab der Stadtgrenze ist der Scharmbecker Bach zwar als natürliches Fließgewässer eingestuft, sein Wasserlauf weichtaber dennoch deutlich vom Ursprungszustand ab. Hier floßder Bach kanalartig und massiv vertieft über mehrere Sohl-abstürze mit steilen Uferböschungen bis zum Mündungs -bereich in die Hamme. Die Querbauwerke stellten für einigeaquatischen Organismen unüberwindbare Wanderhindernis-se dar. Standortgerechte Ufergehölze, die das Gewässer beschatten und für Laub- und Totholzeintrag sorgen, fehltenvollständig. Nach den Kriterien der WRRL wurde das ökolo-gische Potenzial bzw. der ökologische Zustand des Scharm-becker Bachs als unbefriedigend bzw. schlecht bewertet.

Was konnte verändert werden?Durch verschiedene Maßnahmen im Rahmen des Kooperati-onsprojektes „Vielfältiger Lebensraum Scharmbecker Bach“wurden die biologische Durchgängigkeit und Strukturvielfaltdes Scharmbecker Bachs wiederhergestellt. Die Umgestal-tung beinhaltete die Ausweisung eines beidseitigenGewässe rentwicklungskorridors kurz hinter der Siedlungs-grenze, innerhalb dessen das Bodenmaterial abgetragen undeine kiesige Gewässersohle vorprofiliert wurde. Der ehemals grabenartige Bach sucht sich nun sein Bachbett selbst undhat einen Schutzstreifen zum angrenzenden Maisfeld. An anderer Stelle wurden auentypische Gewässer wie Flut -mulden neu angelegt. Durch die Anlage von Rohbodenstand-orten wurde die Ansamung und Entwicklung von Erlen initiiert. In höheren Lagen wurden Stieleichen, Hainbuchen,Ulmen und andere typische Gehölze der Hartholzaue ange-pflanzt. Die vorhandenen Sohlabsturzbauwerke wurden zurückgebaut und durch Sohlgleiten ersetzt.

Diese und weitere Maßnahmen wurden durch Beteiligungvieler Akteure realisiert. Hierzu zählen die Kreisgruppen desBUND und des NABU, die Biologische Station Osterholz e.V.(BioS), der Gewässer- und Landschaftsverband Teufelsmoor,das Landesamt für Geoinformation und LandesentwicklungNiedersachen sowie Stadt und Landkreis. An der Finanzie-rung beteiligten sich der BUND mit Eigenmitteln, verschie-dene Umweltstiftungen sowie das Land Niedersachsen durchFördergelder.

Entstanden ist das Kooperationsprojekt aus zwei Teilprojek-ten: „Naturnahe Umgestaltung des Scharmbecker Bachs“ sowie das Umweltkommunikationsprojekt „Lebenswandelam Scharmbecker Bach“ in Verantwortung des BUND undBioS. Dadurch ist das Renaturierungsprojekt eng mit Öffent-lichkeitsbeteiligung und Umweltbildung gekoppelt. Organi-siert wurde unter anderem eine Bachpatenschaft mit demGymnasium in Osterholz. Allgemein zugängliche Angebotewie Ausstellungen und Exkursionen wurden von den An-

wohner*innen der Stadt umfangreich in Anspruch genom-men und führten zur Stärkung des Bewusstseins für einennaturnahen Bach.

AusblickDer ehemals schnurrgerade und von Maisacker umgebendeScharmbecker Bach kann sich nun eigendynamisch ent -wickeln. Die gelungene Renaturierung des ScharmbeckerBachs hat aufgrund der Stadtnähe positive Resonanz in derBevölkerung gefunden. Auch überregional erlangte das Ostholzer Projekt positive Aufmerksamkeit. Im Rahmen desNiedersächsischen Fließgewässerwettbewerbs „Bach imFluss“ wurde dem Kooperationsprojekt der „Sonderpreis fürUmweltbildung“ verliehen. Die eingeübten Kooperationenzwischen Naturschutzorganisationen, öffentlicher Verwal-tung sowie Gewässer- und Landschaftsverband werden beiweiteren Projekten helfen.

Gewässerreport 2018

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Bild 1: Obwohldas Kleinge-

wässer beiDömitzow ein

geschütztesBiotop ist undsich in einem

FFH-Gebietbefindet, ist

es völlig ungeschützt

gegenüber den Einflüssen der

Landwirt-schaft.

Bild 2: Die Rot-bauchunke isteine typische

Bewohnerinder Klein -

gewässer derAgrarland-

schaft Mecklenburg-Vorpommerns.

Zu ihremSchutz wurden

zahlreicheFFH-Gebiete

ausgewiesen.

Fotos (2): ArndMüller

Kleingewässer/Amphibien

Die meisten unserer einheimischen Frösche, Kröten, Unken und Molche sind für ihre Fortpflanzung auf Gewässer angewiesen.Zur Laichabgabe werden meist Flachwasserbereiche in kleinen Standgewässern oder in Ruhigwasserzonen von Fließgewäs-sern aufgesucht. Viele dieser Laichgewässer sind in den letzten Jahren verschwunden und mit ihnen das Vorkommen zahl-reicher Amphibienarten. Nach der Zoologischen Gesellschaft in London könnte bis Mitte dieses Jahrhunderts die Hälfte dereuropäischen Amphibienarten ausgerottet sein. Für die Intensivlandwirtschaft stellen Kleingewässer wie Tümpel und WeiherBearbeitungshindernisse dar und werden entweder entwässert oder verfüllt. Aufgrund ihrer geringen Größe haben Kleinge-wässer nur ein geringes Puffervermögen gegenüber Störungen: Eingetragene Schwermetalle und Agrochemikalien reichernsich schnell zu lebensfeindlichen Konzentrationen an. Bewirtschaftungen bis an das Ufer verstärken diesen Effekt.

Bundesland: Mecklenburg-VorpommernBUND-Organisation: BUND Mecklenburg-VorpommernAnsprechpartner: Arnd MüllerWeitere Informationen: www.bund.net/aktuelles/detail-aktuelles/news/pestizide-in-gewaessern-die-

bundesregierung-muss-handeln/Publikation: Pflanzenschutzmittel in Kleingewässern – eine Kurzstudie

Negativbeispiel: Pflanzenschutzmittel in mecklenburgischen Kleingewässern

GebietsbeschreibungVergleichsweise viele Kleingewässer sind im BundeslandMecklenburg Vorpommern zu finden. Als Überbleibsel derletzten Eiszeit liegen die als Sölle bezeichneten Einsenkun-gen verstreut in der offenen Kulturlandschaft. Die geringenund oft stark schwankenden Wasserstände bilden ideale Voraussetzungen für die Ei- und Larvenentwicklung der

Amphibien. Eine der größten Rotbauchunken-Populationkonnte sich im Mecklenburg Vorpommern entwickeln. IhrVorkommen und das der ebenfalls nach FFH-Richtlinie geschützten Knoblauchkröte veranlasste die Landesregie-rung, mehrere Kleingewässerlandschaften als FFH-Gebietezu melden.

Gewässerreport 2018

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ProblemlageDas Vorhandensein und die Schadwirkung von wasser -gefährdenden Stoffen werden von den UmweltbehördenMecklenburg-Vorpommerns schwerpunktmäßig nur an gro-ßen Gewässern (Seen, Flüsse, Küstengewässer) untersucht.Kleingewässer, auch jene in Agrarlandschaften, sind im Monitoringprogramm nicht enthalten. Um das Gefahrenpo-tenzial von Pflanzenschutzmitteln für diesen Gewässertypeinschätzen zu können, beteiligte sich der BUND gemeinsammit dem NABU und dem Landesanglerband Mecklenburg-Vorpommern e. V. an einer Studie, die von der Landtagsfrak-tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN initiiert und durchgeführtwurde. Insgesamt 15 Kleingewässer wurden im Herbst 2015auf Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte unter-sucht. Bei der Auswahl der Gewässer wurde eine möglichstgroße räumliche Verteilung in den AgrarlandschaftenMecklen burg-Vorpommerns angestrebt. Sie alle befandensich in FFH-Gebieten, die dem Schutz von Kleingewässernund den dort vorkommenden Amphibien dienen sollen. ImErgebnis der Analysen wurden in zwölf Kleingewässern ins-gesamt zehn chemische Substanzen aus Pflanzenschutzmit-teln in teils kritischen Konzentrationen festgestellt. Weiterewissenschaftliche Studien auf regionaler Ebene, zum Beispielin Brandenburg, kommen zu ähnlich besorgniserregendenErgebnissen. In Bezug auf den drastischen Artenrückgang istder Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ein entscheidenderFaktor. Bereits zulässige Ausbringungsmengen führen beiAmphibien in verschiedenen Entwicklungsstadien zu erhöh-ten Mortalitätsraten – so die fachliche Einschätzung desUmweltbundesamtes und anderer anerkannter Institutionen,z. B. der Universität Koblenz-Landau.

Entwicklung Im Jahr 2018 soll im Rahmen des Nationalen Aktionsplanszur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln(NAP) die praktische Umsetzung eines bundesweiten Moni-toringprogramms für Kleingewässer beginnen. Damit wirdihr ökologischer Zustand erstmals systematisch erfasst. Siesind jedoch weiterhin ausgenommen von den Überwa-chungs- und Berichtspflichten im Rahmen der Wasserrah-menrichtlinie und somit auch von der Einhaltung der Um-weltqualitätsnormen, die den Umgang mit Schadstoffen undSchadstoffgruppen in Gewässern regeln. Allerdings tut dieBundesregierung bislang nichts, um den schädlichen Aus-wirkungen des Pestizideinsatzes auf Gewässer und ihr bio-logisches Umfeld durch ein ambitioniertes Pestizidredukti-onsprogramm entgegenzuwirken.

ForderungenKleingewässern in der Agrarlandschaft kommt eine großeBedeutung für den Erhalt der biologischen Vielfalt zu. Siemüssen aus diesem Grund genau wie die großen berichts-pflichtigen Gewässer durch das Regelwerk der Wasserrah-menrichtlinie geschützt werden. Freiwillige Regelungen zumSchutz von Kleingewässern existieren bereits. Dort, wo siekeine oder nur unzureichende Verbesserungen herbeiführen,müssen Landeswassergesetze Schutzmaßnahmen (z. B. Gewässerrandstreifen) durch Rechtsverordnung verbindlichfestlegen. Mecklenburg-Vorpommern hat aufgrund seinesgroßen Vorkommens an Kleingewässern diesbezüglich einehohe Verantwortung. Um Arten, wie die Rotbauchunke, wirk-sam zu schützen, muss in FFH-Gebieten, die ausdrücklichdem Schutz dieser Arten dienen sollen, der Einsatz vonPflanzenschutzmitteln ausgeschlossen werden. Die Etablie-rung des ökologischen Landbaus dient diesem Ziel und istdeshalb besonders in diesen FFH-Gebieten grundsätzlichanzustreben.

Gewässerreport 2018

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GebietsbeschreibungIm Thüringer Wald findet sich eine außerordentliche Dichtevon kleinen Fließgewässern. Sie nennen sich z. B. Schweina,Hasel, Schönau und Wilde Gera und sind Lebensraum vielerangepasster Organismen, zu denen der Feuersalamander ge-hört. Die auffällige Amphibienart ist neben Bachforelle undQuelljungfer ein Anzeiger für intakte Bachlebensgemein-schaften.

Die Einzugsgebiete der Waldbäche sind ursprünglich durchnaturnahe Stillwasserbereiche und natürlich vorkommendeWaldgesellschaften in der Bachaue gekennzeichnet. Natür-liche Bachläufe selber sind strukturreich und haben keineUnterbrechungen. Im Wasser liegendes Totholz ist voller Leben. Zahlreiche Kleinstorganismen nutzen es als Nah-rungsquelle und Besiedelungssubstrat. Gleichzeitig habenabgestorbene Bäume und Teile davon eine strukturierendeWirkung, wodurch am und im Gewässer unterschiedlichsteHabitate entstehen. Die Thüringer Waldbäche liegen inner-halb mehrerer Schutzgebiete und sind beliebtes Wander-und Erholungsziel.

ProblemlageIn den letzten Jahren sind viele typische Arten der ThüringerBäche immer seltener geworden. Ein Grund: Die Bachtälersind an vielen Stellen bis an das Ufer mit Fichten bestanden.Fichtennadeln können nur sehr wenige Fließgewässerorga-nismen als Nahrung nutzen. Nach jahrzehntelangem „Auf-räumen“ im Bach gibt es kaum noch Totholz und damit weniger Strukturreichtum. Außerdem stellen die unterqueren den Forstwegen eingebauten oft zu gering dimen sio -nierten Rohrdurchlässe und Abstürze erhebliche Wander-hindernisse für viele Fließgewässerarten dar. All dies führtdazu, dass die Lebensgemeinschaft der Bäche bestehend aus Insekten, Insektenlarven, Kleinkrebse, Muscheln und weite-ren Kleintieren in Menge und Artenzusammensetzung erheblich beeinträchtigt war. Letztlich fehlte dem seltenenFeuer salamander die Nahrungsgrundlage und so verschwandauch er zusehends aus dem Thüringer Wald.

Bundesland: ThüringenBUND-Organisation: Naturstiftung DavidAnsprechpartner: Martin SchmidtWeitere Informationen: http://naturstiftung-david.de/eigenprojekte/waldbach/

Positivbeispiel: Thüringer Waldbäche

Bild 1: Siehtman wieder

öfter im Thü-ringer Wald:

Den Feuersala-mander.

Bild 2: Miteinem Rücke-

pferd wirdbodenscho-

nend Starktot-holz zur Struk-

turanreiche-rung in dieBäche ein -

gebracht.

Fotos (2):Naturstiftung

David

Gewässerreport 2018

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Was konnte verändert werden?Durch die vom BUND gegründete Naturstiftung David undihre zahlreichen Partner konnte seit 2011 viel für den Erhaltder Bergbäche und ihrer Lebensgemeinschaften getan wer-den. Die Einzugsgebiete von Schweina, Hasel und weiterenFließgewässern sind inzwischen wieder in großen Teilendurchgängig. Hierzu wurden bisher etwa 300 Wegedurch-lässe, Kleinstaue und andere Störquellen im Gewässer einergenaueren Betrachtung unterzogen und wo immer möglichzurück- oder umgebaut. Deutlich verbessert hat sich eben-falls die Strukturvielfalt der Gewässerläufe. Auf rund 50 Kilometern wurden Stammabschnitte und Wurzelteller aufbodenschonende Weise mit dem Rückepferd in die Bäche ge-zogen. Durch das Einbringen dieses Starktotholzes wurdenStillwasserbereiche geschaffen, in denen Gewässerorganis-men Schutz vor der Strömung bei Hochwasserereignissen auf-suchen und Feuersalamander ihre Larven absetzen können.

Einen ursprünglichen Charakter haben auch die ufernahenWälder bekommen. Durch die Entnahme von Fichten auf etwa 25 Kilometern Gewässerlänge und die anschließendeFörderung von Laubbäumen konnte gemeinsam mit denWald eigentümern der ökologische Waldumbau vorangetrie-ben werden. Weil im Umfeld nicht mehr ausreichend Samen -bäume vorhanden waren, war im Zuge dessen auch diePflanzung von Laubbäumen als Initiale notwendig.

Als weitere Maßnahme wurden in den Talauen neue flacheStillgewässer angelegt. Den Amphiben stehen nun zusätzlichfast 20 Teiche als Laichplatz und Lebensraum zur Verfügung.Im Rahmen des projektbezogenen Monitorings konnte be-reits nachgewiesen werden, dass die realisierten Maßnah-men offenbar erfolgreich waren: Ein Rückgang der Feuer -salamander-Population konnte seit Untersuchungsbeginn imJahr 2002 gestoppt und vermutlich sogar in einen positivenTrend umgekehrt werden.

Das aus zwei Teilen bestehende Gesamtprojekt wird durchverschiedene Partner und Unterstützer finanziert. Ein Teil-projekt erhält Förderungen vom Bundesumweltministeriumim Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt. Finanziell und organisatorisch wird dieses Projekt darüberhinaus von der Allianz-Umweltstiftung, der Michael-Otto-Stiftung und der Heinz-Sielmann-Stiftung unterstützt. Daszweite Teilprojekt wird durch die Europäische Union und denFreistaat Thüringen im Rahmen des Förderprogramms „Ent-wicklung von Natur und Landschaft“ (ELER/EFRE-Förderung)getragen.

AusblickEntscheidend für den bisherigen Projekterfolg war die ganz-heitliche Betrachtung der Einzugsgebiete statt einer Fokus-sierung auf einzelne Gewässerabschnitte. Bis zum Projekt -ende Mitte 2019 sollen insgesamt 400 Störstellen beseitigtund die Strukturvielfalt auf 100 Kilometern Gewässerlängeauf gewertet worden sein. Die Entwicklung eines naturnahenLaubwaldes soll entlang einer Fließstrecke von 50 Kilometernum gesetzt werden. Von Beginn an arbeitete die Natur -stiftung David vertrauensvoll mit allen Beteiligten aus Naturschutz-, Wasser- und Forstbehörden sowie den Flächeneigentümern zusammen. Die Naturstiftung wirkt beider Ausbildung von Multiplikatoren von Thüringen Forst mit.Dies wird neben dem intensiven Erfahrungsaustausch mitallen Waldeigentümern und der begleitenden Öffentlich-keitsarbeit dazu beitragen, dass die Projektideen künftig in die ohnehin geplanten Aktivitäten der Forstverwaltungintegriert und fortgeführt werden. Die Projekte haben damiteine bundesweite Vorbildwirkung.

Gewässerreport 2018

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Bild 1: Die Tal-sperre Kibling

bei Bad Reichenhall.

Bild 2: Auch ander Nonner

Rampe bei BadReichenhall

wird ein neuesWasserkraft-werk geplant.

Bild 3: Kein Hin-durchkommenfür wandernde

Wasserorganis-men: Das

Wasserkraft-werk Rott bei

Freisingen.Fotos (3):

Erich Prechtl

Wasserkraft

Seit Millionen von Jahren formen Fließgewässer unser Landschaftsbild. Sie spiegeln dabei nicht nur die Eigenschaften derLandschaften wieder, durch die sie fließen, sie verbinden auch die Räume. Fische ziehen zum Laichen vom Meer bis zu denkleinen Bächen, in denen sie als Jungfische geschlüpft sind. Pflanzen verbreiten sich mit dem fließenden Wasser von denQuellen bis in die Ebenen. Die verbindende Funktion der Fließgewässer ist durch Zerstückelung der Gewässer, insbesonderedurch Stauabschnitte, stark eingeschränkt. Die zur Energienutzung erforderliche Aufstauung von Gewässern hat zu einemGrundkonflikt zwischen Wasserkraftnutzung und Gewässerschutz geführt. Die Stauwerke sind nicht nur Wanderhindernissefür Lebewesen, sondern hindern den Geschiebetransport, den Transport von Totholz und Laub sowie die naturnahe Dynamikdes Abflusses. Mittlerweile bilden viele Fließgewässer nur noch eine Aneinanderkettung von Stauseen. Bisher unverbauteFließgewässer sind durch den Neubau von Wasserkraftanlagen bedroht.

Negativbeispiel: Saalach

GebietsbeschreibungDie Saalach entspringt auf fast 2.000 Metern in den Kitz-bühler Alpen und mündet nach gut 100 Kilometern Fließ-strecke bei Freilassing in die Salzach. Sie war ursprünglichein weit verzweigtes, vielfältig strukturiertes und stark Geschiebe führendes Fließgewässer. Den Charakter eineswilden Alpenflusses findet man nur noch an wenigen Ab-schnitten. Bereits ab 1822 wurde der Fluss im Rahmen derSaalachkorrektion begradigt und gezähmt. Und wie viele an-dere Flüsse in Bayern und Österreich, geriet auch die Saalach

in den Fokus der Energieerzeugung. 1910 wurde der Bau eines Wasserkraftwerkes bei Bad Reichenhall genehmigt. Eswurde errichtet von der Deutschen Reichsbahn zur Elektrifi-zierung der Bahnlinie Freilassung – Berchtesgaden und gehört zu den ältesten, sich noch in Betrieb befindlichenKraftwerken der Bahn in Deutschland. Wasser erhält dasKraftwerk vom nahe gelegenen Saalachsee, der durch die Kiblinger Sperre aufgestaut wird. Das Stauwerk stellt bis heute den folgenschwersten Eingriff für das Fließgewäs-ser dar.

Bundesland: BayernBUND-Organisation: BUND Naturschutz in BayernAnsprechpartner: Erich PrechtlWeitere Informationen: www.saalach-allianz.info

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ProblemlageSeit Fertigstellung der Kiplinger Sperre wird fast das gesamteGeschiebe vom Oberlauf im Saalachsee zurückgehalten. Inder Folge fehlt die Geschiebemasse im Unterlauf, so dasssich die Gewässersohle flussabwärts kontinuierlich eintieft.Damit Ufer nicht abbrechen und Brücken weiterhin auf sta-bilem Fundament stehen, wurde eine ganze Serie von Quer-bauwerken in die Saalach eingebaut. Für Wassertiere stellendie Rampen und Sohlschwellen erhebliche Wanderhinder-

nisse dar. Bisweilen kann die Fischpopulation nur durch Besatzmaßnahmen auf einem einigermaßen stabilen Niveaugehalten werden. Der ökologische Zustand nach Wasser -rahmenrichtlinie wird im Gewässerabschnitt unterhalb derTalsperre als mäßig bewertet. Weiter Richtung Mündung istdas Gewässer als „erheblich verändert“ eingestuft und erreicht auch hier nicht das geforderte gute ökologische Potenzial.

Neben den strukturellen Defiziten birgt die Wasserkraftnut-zung auch ein erhöhtes Risiko für Hochwasserschäden.Durch die Sohleintiefung sinkt der Grundwasserspiegel imangrenzenden Gebiet, wodurch die flussbegleitenden Auenvom Grundwasserkörper entkoppelt sind und sodann nichtmehr als Retentionsraum bei Hochwasser zur Verfügung stehen. Dass die Saalach beim vorsorgenden Hochwasser-schutz Nachholbedarf hat, zeigt das Flutereignis im Juni2013. Starke Niederschläge führten an mehreren Stellen zuAusuferungen und Überschwemmungen in bewohnten Gebieten. Zu kämpfen hatte die Stadt Bad Reichenhall außerdem mit Grundhochwasser – ein oft unterschätztesEreignis. Es tritt auf, wenn Grundwasser nicht mehr Richtung

Fließgewässer, sondern aufgrund anhaltender Niederschlägeund steigendem Flusspegel in die entgegengesetzte Rich-tung strömt.

EntwicklungDer BUND Naturschutz in Bayern schloss sich mit anderenVerbänden aus Österreich und Bayern 2014 zur Saalach-Allianz zusammen. Ziel ist die Verbesserung der ökologischenSituation der Saalach durch Beratung von Behörden undKommunen. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit demWasserwirtschaftsamt Traunstein brachte bereits erste Erfolge. So sind im Maßnahmenpaket für den zweiten Bewirtschaftungszyklus der Wasserrahmenrichtlinie we-sentliche Empfehlungen für die Saalach vom Verbändebünd-nis übernommen worden. Zur Herstellung der ökologischenDurchgängigkeit und der Strukturvielfalt besteht jedochweiterhin Handlungsbedarf.

Sorge bereitet den Naturschützer*innen außerdem die Vorhaben bayerischer Wasserkraftbetreiber. An der bereitsbestehenden Nonner Rampe im Stadtgebiet Bad Reichen-hallt soll ein weiteres Wasserkraftwerk entstehen. Zusätzlichwurden Anfang 2018 Pläne für ein Ausleitungskraftwerk ander Saalach im Grenzgebiet Bayern-Österreich vorgestellt.An der Wirtschaftlichkeit dieser Projekte darf gezweifeltwerden.

ForderungenAb der Talsperre Kipling gehört die Saalach zu den am stärks-ten beeinträchtigten Flusslandschaften Bayerns. Aus Sichtder Saalach-Allianz muss diese Entwicklung unverzüglichumgekehrt werden. Werden die Kiplinger Sperre und andereBauwerke nicht modernisiert, ist weiterhin kein kontinuier-licher Geschiebetransport bis in den Mündungsbereich mög-lich und die Saalach wird sich weiter eintiefen.

Die Saalach-Allianz fordert weiter, dass die vorhandenenQuerbauwerke für Fische und andere aquatisch lebende Organismen passierbar gemacht werden müssen. Vorhande-ne natürliche Überflutungsräume müssen gesichert und er-halten werden. Verloren gegangener Retentionsraum ist wie-der zurück zu gewinnen. Hochwasserschutz und ökologischeVerbesserungen an Flüssen schließen sich gegenseitig nichtaus und können sehr gut gemeinsam umgesetzt werden.Weil die Saalach auch auf österreichischem Boden verläuft,sind grenzüberschreitende Lösungen gefragt. Davon einge-schlossen ist ebenfalls die kritische Betrachtung neuer Kleinwasserkraftwerke. Sie sind teuer in der Anschaffung,produzieren nur für wenige hundert bis tausend HaushalteStrom aber stellen einen massiven Eingriff in die Fluss -ökosysteme dar.

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GebietsbeschreibungDas Hintersteiner Tal zählt zu den ursprünglichsten Gebirgs-landschaften in Bayern. Die dort hindurch fließende Ostrachgehört zu den letzten freifließenden und unverbauten Gewässerabschnitten in Bayern. Das gilt insbesondere fürdie Eisenbreche, eine vom Wasser über Jahrtausende ausge-waschene und heute tief in die Allgäuer Berglandschaft ein-geschnittene Klamm, durch die das Wasser etwa 85 Metertief stürzt. Es ist aber nicht nur dieses Schauspiel, das die Ei-senbreche zu einem absoluten Naturjuwel macht. Das Fließ-gewässer ist auch Lebensraum vieler streng geschützter Tierewie Wasseramsel, Alpensalamander oder Alpenbock, ein eigentümlicher blauschwarzer Gebirgskäfer. Die vielen seltenen Arten sind auch einer der Gründe, warum die Eisen-breche unter strengem Schutz steht: sie liegt im Natur-schutzgebiet Allgäuer Hochalpen, in einem europäischenFauna-Flora-Habitat (FFH) Gebiet, das auch ein europäischesVogelschutzgebiet ist. Sie liegt in einem Landschaftsschutz-gebiet und ist nach dem deutschen und bayerischen Natur-schutzgesetz als Biotop geschützt. Die Eisenbreche ist zudemein Naturdenkmal.

ProblemlageIm Mai 2015 genehmigte das Landratsamt Oberallgäu denAntrag für das geplante Kleinwasserkraftwerk am Naturdenk-mal Eisenbreche im Hintersteiner Tal, obwohl der Landratselbst eingestanden hat, damit gegen geltendes Gesetz zuverstoßen. Doch das Interesse der Investoren schien ihm be-deutender zu sein als die bayrischen, nationalen und europäischen Naturschutzvorschriften. Geplant war ein Stau-see mit einer fünf Meter hohen Staumauer und einem Kraft-werkshaus, dem sich eine ca. 1,25 Kilometer lange, verrohrteAusleitung anschließt, die den Bach weitgehend trockenlegt.Betroffen von der Wasserausleitung wären sowohl die Wild-flusslandschaften oberhalb der Eisenbreche als auch die spek-takuläre Wildwasserklamm, die „Eisenbreche“ an sich. Mitdem Wasserkraftwerk wären dem Naturdenkmal zeitweise70 – 80 Prozent ihres Wassers entzogen worden. Durch denAufstau wäre es zu einer deutlichen Verschlechterung desgesamten Ökosystems im Bereich Eisenbreche gekommen.Auch energetisch wäre es ein Flopp, denn wegen der starkschwankenden Wasserstände wäre das Kraftwerk voraus-sichtlich an 165 Tagen im Jahr nicht im Betrieb gewesen.

Bundesland: BayernBUND-Organisation: BUND Naturschutz in BayernAnsprechpartner: Sebastian SchönauerWeitere Informationen: www.bund-naturschutz.de/pressemitteilungen/oberallgaeu-naturdenkmal-

eisenbreche-vor-wasserkraftwerk-gerettet.html?no_cache=1&L=0

Positivbeispiel: Wasserkraftwerk bedroht Wildbach

Bild 1: Unge-zähmt am

schönsten. DieOstrach gehörtzu den letzten

naturnahenAlpenwildflüs-

sen und istLebensraum

vielergeschützter

Tier- undPflanzenarten.

Foto: Reinhard

Scholl/fotolia.com

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Was konnte verändert werden?Der BUND Naturschutz in Bayern hielt das geplante Projektfür nicht genehmigungsfähig. Es hätte einen nicht aus-gleichbaren Schaden für die biologische Vielfalt bedeutet,widerspräche zahlreichen Zielsetzungen diverser Schutzge-bietsverordnungen und hätte mit hoher Sicherheit zu einerVerschlechterung des aquatischen Ökosystems im Sinne desVerschlechterungsverbots der WRRL geführt. Durch die erfolgreiche Klage des BUND vor dem Augsburger Verwal-tungsgericht konnte der Bau eines Wasserkraftwerks an derEisenbresche verhindert werden. Die Richter verwiesen inihrer Entscheidung auf ein ähnliches Bauvorhaben an derRamsauer Ache in den Berchtesgadener Alpen. Auch hierwaren mit Errichtung einer Staumauer und Bau einer Wasserkraftanlage massive Eingriffe in den Naturhaushaltzu rechnen, worauf der BUND Naturschutz in Bayern gegenden Bescheid klagte. Das Verwaltungsgericht gab dem Naturschutzverband Recht und betonte, dass eine Abwä-gung im Genehmigungsverfahren zwischen energiewirt-schaftlichen Interessen und den Belangen des Naturschutzesunerlässlich sei.

AusblickEs kann gehofft werden, dass das Urteil der Augsburger Rich-ter auch jenseits des Hintersteiner Tals Signalwirkung habenwird. Der Fall ist beispielhaft dafür, wie Natur und Landschaftdurch den Bau von Wasserkraftanlagen von Zerstörung bedroht sind. Der BUND fordert daher einen Stopp der Ein-speisevergütung nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz(EEG) für neue Wasserkraftanlagen. Nirgends ist bisher dasPotential zum Energiesparen, bzw. auch zur Erzeugung vonStrom aus anderen erneuerbaren Quellen ausgeschöpft. DieErfahrung zeigt, dass besonders kleine Anlagen unter 1.000KW Leistung unverhältnismäßig großen, negativen Einflussauf die Fließgewässerökologie haben, und dass kaum funk-tionierende Fischauf- und -abstiegsanlagen existieren, diedem massenhaften Fischsterben ein Ende setzen könnten.

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Bild 1: Wenndie Oder

zufriert, kannbei ungenü-

genden Reten-tionsflächenWinterhoch-wasser durch

Eisstau entstehen

Foto: DanielKrämer

Bild 2: Wieder-herstellung von

konventionel-len Buhnen

zwischen Reitwein und

Küstrin. Siesollen eineSchifffahrt

auch bei geringen

Durchflüssengewährleisten,ist aber wenig

ökologisch.

Foto: Sascha Maier

Überschwemmungsflächen

Die natürlichen Überschwemmungsgebiete unserer Fließgewässer sind Auen. Mehr oder weniger regelmäßig werden sieüberflutet und weisen wie kaum eine andere Landschaft eine hohe Eigendynamik auf. Unterschiedlichste Lebensräume ent-stehen, wandeln sich oder werden bei der nächsten Flut mit fortgerissen, während sich an anderer Stelle wieder neue Struk-turen bilden. Auenökosysteme gehören zu den struktur- und damit artenreichsten Lebensräumen unserer Breiten. Für denMenschen erfüllen sie viele Funktionen: Sie wirken als natürliche Puffer bei Hochwasser, speichern klimaschädlichen Kohlen-stoff und reinigen das Wasser von Schadstoffen. Sie liefern uns Nahrung und dienen uns letztlich als Erholungsraum. DieseBandbreite an Leistungen können aber nur von intakten Auenlandschaften erfüllt werden. Durch Deiche und Gewässeraus-baumaßnahmen werden die natürlichen Überschwemmungsgebiete vom Fluss abgekoppelt. Nach dem Auen zustandsberichtdes Bundesamtes für Naturschutz bedecken intakte Auen in Deutschland nur noch 3% ihrer ursprünglichen Fläche.

Negativbeispiel: Oder

GebietsbeschreibungDie noch recht naturnahe Oder hat ihr Quellgebiet im Oder-gebirge in Tschechien und bildet mit der Grenzoder und derWestoder einen Teil der Grenze zwischen Deutschland undPolen. An der Grenzoder befinden sich zwei Nationalparks,Landschaftsschutzparks und mehrere Natura 2000-Gebiete.Das seit 2016 „Grenzüberschreitende SchutzgebietsverbundUnteres Odertal“ genannte Naturschutzgroßprojekt ist zu-gleich das erste gemeinsame zusammen mit Polen. Kern -gebiet sind ein polnischer Landschaftsschutzpark (Park

Krajobrazowy) und der deutsche Nationalpark Unteres Oder-tal. Ausdrücklicher Zweck des deutschen Nationalparks istdie Erhaltung und Regeneration eines naturnahen Wasser -regimes sowie des natürlichen Selbstreinigungspotenzialsdes Stroms und der Aue (Flächenfilterfunktion). Die Auen-landschaft gehört zu den artenreichsten LebensräumenDeutschlands. Flussaltarme und Auwälder sind ein Magnetfür zahlreiche Tiere, Pflanzen und für Erholungssuchende.Für die Region birgt der Schutzgebietsverbund ein enormestouristisches Potenzial.

Bundesland: BrandenburgBUND-Organisation: BUND BrandenburgAnsprechpartner: Sascha MaierWeitere Informationen: www.bund-brandenburg.de/gewaesser/oderausbau

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ProblemlageMit der Unterzeichnung des Deutsch-Polnischen Wasser-straßenabkommens am 27. April 2015 wurde der Weg für ei-nen Ausbau der Grenzoder als stabile Binnenwasserstraßefrei gemacht. Künftig sollen die Fahrwasserverhältnisse fastganzjährig Schifffahrtsverkehr zulassen. Vorrangiges Ziel istlaut Abkommen und der damit verbundenen „Aktualisierungder Stromregelungskonzeption für die Grenzoder“ die Ver-besserung des Eisaufbruchs bei drohendem Eishochwasserund die Eisabfuhr. Eishochwasser entsteht im Winter, wennsich Eisschollen zusammenschieben, dabei einen Eisstau bilden und somit den Abfluss behindern und schließlichstromaufwärts zu Überschwemmungen führen. Damit sichtiefgehende Eisbrecher, parallel nebeneinander fahrend, problemlos auf der Grenzoder zu einem Eisstau bewegenkönnen, ist eine Vertiefung der Oder nicht nur auf die Fahr-rinne, sondern über die gesamte Gewässersohle auf 1,80 mgeplant. Die Vertiefung ginge zu Lasten wertvoller Lebens-räume wie angrenzende Auwälder oder Unterwasserdünen.Negative Auswirkungen auf die Strukturvielfalt des Flussesgehen auch von der geplanten Neugestaltung von knapp500 Buhnen allein am deutschen Ufer aus. Schon jetzt weistdie Grenzoder, bewertet nach Wasserrahmenrichtlinie(WRRL), keinen guten ökologischen Zustand auf. Maßnah-men zur Verbesserung der Situation sind in der aktualisiertenStromregelungskonzeption der Bundesanstalt für Wasserbaunicht enthalten.

EntwicklungIn seiner Regierungserklärung zur Hochwasserkatastrophean der Oder 1997, die Schäden in Deutschland, Polen undTschechien über vier Milliarden Euro verursachte, erklärteder damalige Bundeskanzler Helmut Kohl: „In allen Anrai-nerstaaten müssen wir dabei die Lehre beherzigen, die sichmit der Hochwasserkatastrophe verbindet: Wir müssen denFlüssen ihren Raum lassen. Sie holen ihn sich sonst – mitschlimmen Folgen für die betroffenen Menschen – zurück.“Effektiver Hochwasserschutz basiert auf sinnvoll eingesetz-ten technischen Lösungen, aber vor allem auf ausreichendRetentionsflächen. Im „Generalplan HochwasserschutzOder“ von 1999 wurden für Brandenburg knapp 10.000 Hek-tar Fläche als potentieller Überflutungsraum identifiziert.Durch punktuelle Deichrückverlegungen wurden in denvergan genen Jahren jedoch nur 164 Hektar zusätzlicheÜberschwemmungsflächen geschaffen. Anstatt den bisherzögerlichen Ausbau von Retentionsflächen voranzutreiben,setzen die Behörden auf einen einseitigen Hochwasserschutzdurch Deiche und den Einsatz von Eisbrechern.

Bisher ist es nach Angaben der Landesregierung noch nievorgekommen, dass Eisbrecher die Grenzoder aufgrund man-gelnder Schifffahrbarkeit oder wegen Untiefen nicht befah-ren konnten. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass dergeplante Oderausbau vielmehr den Zielen der Binnenschiff-fahrt und weniger des Hochwasserschutzes dienen soll. Alsinternationale Wasserstraße ist die Oder unbedeutend. Siewurde aufgrund ihres geringen Verkehrsaufkommens imBundesverkehrswegeplan 2030 als Nebenwasserstraße ein-gestuft. Da keine Einbeziehung der Öffentlichkeit beimDeutsch-Polnischen Wasserstraßen-Abkommen erfolgte,wurde dieses Argument und weitere Einwände von Umwelt-verbänden nicht gehört.

ForderungenAktuell hat die Oder für den Güterverkehr kaum eine Bedeu-tung und liegt außerhalb des Kernnetzes des Bundesver-kehrswegeplans. Entsprechen ist die Oder eine Nebenwas-serstraße und prädestiniert für den Aufbau eines nationalenBiotopverbundes. Wörtlich heißt es im 2017 beschlossenenBundesprogramm Blaues Band Deutschland: „Nebenwasser-straßen sind von herausragender Bedeutung für die Ent-wicklung der biologischen Vielfalt und [...] sollen zukünftigneue gesellschaftliche Aufgaben erfüllen.“ Anstatt die nichtmehr benötigte Infrastruktur der Oder auszubauen, solltegrenzüberschreitend und über Behörden- und Ministergren-zen hinweg ein zukunftsfähiges Entwicklungskonzept für diegesamte Oder erarbeitet werden.

Um zu untersuchen, ob die geplanten Vorhaben mit der WRRLund anderen Umweltstandards vereinbar sind, muss auf Plan-ebene mindestens eine Strategische Umweltprüfung (SUP)unter Mitwirkung der Umweltverbände erfolgen. Bisher sinderste Beteiligungsprozesse nur mit den Umwelt- und Wirt-schaftsverbänden erkennbar, nicht aber mit der breiten Öffentlichkeit. Dies obwohl die Diskussion über den Ausbauin den Behörden seit 2001 läuft und die Öffentlichkeitsein-beziehung ein wesentlicher Bestandteil nach WRRL ist.

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GebietsbeschreibungDas Naturschutzgroßprojekt "Lenzener Elbtalaue" liegt aufhalber Strecke zwischen Magdeburg und Hamburg im Land-kreis Prignitz, eingebettet in das Biosphärenreservat "Fluss-landschaft Elbe-Brandenburg“. Vorherrschender Biotoptyp indem Niederungsgebiet zwischen der Mittleren Elbe und demFlüsschen Löcknitz sind Grünländer. Die einst prägenden Auwälder sind durch menschliche Einflüsse großflächig verschwunden. Besonders Hartholzauwälder sind nur nochvereinzelt und kleinflächig zu finden. Historische Aufzeich-nungen belegen, dass der letzte größte Auwald der Prignitzbei Lenzen zu finden war. Der Naturraum zeichnet sich auchheute noch durch naturnahe Hochwasserdynamik und vielfältige auentypische Strukturen wie Altarme und Qualm-gewässer aus. Allerdings unterliegen nur noch die verbliebe-nen Vorländer einer auentypischen Dynamik.

ProblemlageWie bei den anderen großen Strömen in Deutschland, istauch an der Elbe ein Großteil der Auen verloren gegangen.Dies trifft insbesondere auf die Mittlere Elbe nördlich der

Havelniederung zu, wo der Verlust der Überschwemmungs-flächen mit 80 % bis über 90 % beziffert ist. Der Zustand derverbliebenen Auen ist sehr einheitlich und weicht deutlichvom potenziell natürlichen Zustand ab. Der Fluss selbst ent-spricht in diesem Abschnitt weder chemisch noch ökologischden Zielen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Der Verlustder natürlichen Überschwemmungsflächen gefährdet nichtnur die fluss- und auentypischen Lebensräume, sondernauch Menschleben und aufgebaute Existenzen. Am „BösenOrt“ bei Lenzen war das Gefährdungspotenzial besondershoch. Hier prallte die Elbe in einem scharfen Knick senkrechtauf den Deich und drohte diesen bei Hochwasser zu durch-brechen.

Was konnte verändert werden?Die Deichrückverlegung bei Lenzen ist ein beispielhaftes Re-naturierungsprojekt von grundlegender ökologischer undwissenschaftlicher Bedeutung. Die Ausdeichung eines mehrals 420 Hektar umfassenden Ausschnitts einer Stromtalauezählt in dieser Größenordnung im nationalen und im euro-päischen Maßstab zu den größten Vorhaben dieser Art.

Bundesland: BrandenburgBUND-Organisation: Auenökologisches Zentrum des BUND / Burg Lenzen (Elbe)Ansprechpartnerin: Dr. Meike KleinwächterWeitere Informationen: www.naturschutzgrossprojekt-lenzen.de

Positivbeispiel: Naturschutzgroßprojekt „Lenzener Elbtalaue“

Bild 1: Zukünf-tige Generatio-

nen werdensich über einen

artenreichenAuenwald

freuen dürfen.Der Anfang mit

Initialpflan-zungen ist

dafür gemacht.

Foto: BirgitFelinks

Bild 2: Luftbildvom Maßnah-

mengebiet. DieElbe bei Lenzen

hat nun mehrPlatz sich aus-

zubreiten.

Foto: Katharina

Nabel

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Gefördert wurde das Projekt vom Bundesamt für Natur-schutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Na-turschutz und nukleare Sicherheit und umgesetzt in Koope-ration mit dem Land Brandenburg vom BUND-Auenzentrumauf Burg Lenzen. Wesentliches Projektziel war die Wieder-herstellung einer natürlichen Überflutungsdynamik durchNeubau eines rund 6 Kilometer langen Deichabschnittes ineiner Entfernung von bis zu 1,3 Kilometer vom Altdeich unddie Schlitzung des flussnahen Altdeichs. Im dem neu ge-schaffenen Deich vorland wurden Flutrinnen angelegt unddurch Auwaldpflanzungen insbesondere die Entwicklung vonWeich- und Hartholzauwald gefördert. Insgesamt entstandeine abwechslungsreiche, dynamische Auenlandschaft mitsehr hohem ästhetischen und ökologischen Wert.

Wie Evaluierungsuntersuchungen zeigen, profitieren von denneuen Biotopkomplexen zahlreiche Pflanzen und Tiere, darunter auch nach FFH-Richtlinie geschützte Fisch- undAmphibienarten. Die weitere Entwicklung des Gebietes wirdfachkundig dokumentiert. Schon jetzt ist klar, dass die Deich-rückverlegung aus Hochwasserschutzsicht ein Gewinn fürdie Region ist. Die Gefahrenstelle bei Lenzen konnte beseitigtwerden, und die Elbe hat nun wieder mehr Platz sich auszu-breiten. Die Entlastung zeigte sich eindrücklich beim Hoch-wasser 2013 mit einer Absenkung des Wasserspiegels vonlokal fast 50 Zentimeter und einer Wirkung bis etwa 30 Kilometer flussaufwärts.

Positive Synergieeffekte wurden auch vom regionalen Tou-rismusverband gemeldet. Wer sich von der ersten großenRückdeichung in Deutschland ein Bild machen möchte, fährtam besten zum BUND-Besucherinformationszentrum aufBurg Lenzen. Von hier aus organsiert der BUND zahlreicheExkursionen und wechselnde Ausstellungen.

AusblickFließgewässer und ihre Auen in ihrer Funktion als Lebens-raum zu sichern, ist ein zentrales Ziel der Nationalen Stra-tegie zur biologischen Vielfalt. Das Naturschutzgroßprojekt„Lenzener Elbtalaue“ gilt in diesem Sinne als zukunftswei-sendes Leuchtturmprojekt und vereint die Ziele europäischerNaturschutzrichtlinien sowie des präventiven Hochwasser-schutzes. Um die wachsende Hochwasserproblematik der Elbe und anderer Flüsse zu lösen, sind weitere Deichrückver-legungen notwendig. Im Nationalen Hochwasserschutz -programm sind insbesondere an den großen Flüssen jedochwenig Rückbaumaßnahmen vorgesehen. Technische Lösun-gen stehen nach wie vor im Vordergrund und das obwohlkeine Synergien zu den Zielen der WRRL bestehen, was einKriterium bei der Bewertung und Priorisierung der Maßnah-men ist. Nach wie vor fehlt es für alle großen Flüsse inDeutschland an Konzepten zur Erreichung der ökologischenZiele nach der WRRL. Der BUND fordert daher, die Synergienvon Deichrückverlegungen sowohl für den Hochwasser-schutz als auch für die ökologische Entwicklung von Flüsseninsbesondere auch an den großen Strömen zu nutzen.

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Umweltbildung

Seit 18 Jahren gibt es die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)und trotzdem sind ihre essentiellen Ziele noch nicht überallangekommen. Würde man heute Kommunalpolitiker*innenauf die Umweltrichtlinie ansprechen, kämen viele Fragenauf. Das Informationsdefizit zeigt sich besonders bei der Akzeptanz für Maßnahmen zur Umsetzung der WRRL. Esgibt zahlreiche Flächen an unseren Gewässern, die extensi-viert und gewässerschonend bewirtschaftet werden könn-ten. Verständlicherweise stehen die Eigentümer*innen derFlächen, vor allem Landwirte und Landwirtinnen, den Rege-nerationsmaßnahmen zunächst skeptisch gegenüber undvermuten Einschränkungen. An Bereitschaft fehlt es jedochnicht nur bei den Ackerland- und Grünlandbesitzer*innen,sondern auch bei den zuständigen Stellen in der Stadtver-waltung sowie expandierenden Unternehmen, die eine Auenlandschaft in erster Linie als wirtschaftliches Gut betrachten. Natürlich zeigen sich auch manche Natur-schutz-Aktiven unnachgiebig, etwa wenn Biotope im Ist-Zustand erhalten werden und für eine touristische oderwirtschaftliche sanfte Nutzung nicht zugänglich gemachtwerden sollen.

Ohne Zweifel werfen Renaturierungsprojekte am Anfang viele Fragen auf und führen in den betreffenden Gebieten zuUnsicherheiten, in einigen Fällen sogar zu Gegenbewegun-gen. Lautstarke Proteste gegen eine Gewässerrenaturierunggab es zuletzt im südlichen Ruhrgebiet in der Stadt Hattin-gen. Eine Bürgerinitiative formierte sich, um gegen die naturnahe Entwicklung des Winzer Ruhrbogens zu interve-nieren. Rund 2000 Unterschriften wurden gesammelt, umdie befürchteten Eingriffe in das kulturhistorische Stadtbild

zu verhindern. Wenn Denkmal- und Naturschutz aufeinan-dertreffen, sind viele heiße Diskussionen vorprogrammiert.Sie sind jedoch wichtig und richtig und führen auch nichtzwangsläufig zu einer Verlängerung der Projektplanung, so-fern die Einwände durch eine frühzeitige Öffentlichkeitsbe-teiligung berücksichtigt werden.

Um Skepsis gegenüber Maßnahmen zur Erreichung derWRRL abzubauen, ist eine Stärkung des Bewusstseins fürGewässer und seine vielfältigen Leistungen für Natur undGesellschaft notwendig. Öffentlichkeitsarbeit ist besondersdann wirkungsvoll, wenn bereits vor einer geplanten Maß-nahme über die Dringlichkeit für den Gewässerschutz bzw.mögliche Synergieeffekte für die Gesellschaft aufgeklärtwird. Hier setzt die Arbeit von Naturschutzverbänden an. Informationsmaterialien wie diese Broschüre, aber auch Veranstaltungen, Exkursionen, Mitmachaktion und Ausstel-lungen wecken Interesse und regen zur aktiven Teilnahmean. Das Informieren der Öffentlichkeit kann allerdings nichtallein in den Händen von Umweltschutzverbänden liegen.Politischen Handlungsträger*innen sollten ebenso aktiv fürden Gewässerschutz werben sowie öffentliche Gewässer-schauen anbieten, Patenschaften anbieten und regelmäßigeSchulungen für alle Ressorts durchführen. Eine Stadt oderGemeinde, die ein Naturschutzprojekt mit einer regen Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgreich umgesetzt hat, erregtmit etwas Glück überregionale Aufmerksamkeit. Und welcheGemeinde wäre nicht gern Impulsgeber für ähnliche Projekteund Vorbild für Bürgerbeteiligung und -information?

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Bild 3: Die Ausstellung„DurstigeGüter“ mitStopp in Berlin.

Foto: BUNDHeidelberg

Virtuelles Wasser

Jeden Tag verbrauchen wir Deutsche 121 Liter Trinkwasser.Im Vergleich zu anderen Industriestaaten ist dies ein niedri-ger Wert – wir sind Meister*innen im Wassersparen. Verges-sen werden bei dieser Zahl jedoch die 3900 Liter Wasser, diewir durch unser täglichen Konsum in anderen Teilen derWelt verbrauchen oder verschmutzen. Als Virtuelles Wasserwird die Menge an Wasser bezeichnet, die in einem Produktoder Dienstleistung enthalten ist oder zur Herstellung ver-wendet wird. Für 1 Kg Röstkaffee ist zum Beispiel eine Was-sermenge von 21.000 Liter notwendig. So werden aus einerTasse Kaffee schnell 140 Liter Wasser und somit mehr, alswir täglich direkt verbrauchen.

Mit der Berechnung des virtuellen Wasserfußabdrucks, denein Produkt oder Dienstleistung hat, lässt sich die ökologi-sche und soziale Situation der Produktionsbedingungen vorOrt bewerten. Sei es die Übernutzung der Grundwasservor-kommen in Spanien durch unsere Tomateneinkäufe, dasAustrocknen des Aralsees durch unseren Kleiderrausch oderder Verbrauch riesiger Wassermengen für den Futtermittel-anbau in Südamerika durch unseren Fleischkonsum – vieleAlltagsprodukte verschlingen Unmengen an Wasser und diesmeist zu Lasten von Entwicklungsländern.

Um auf die Probleme des Wasserexports aufmerksam zu ma-chen, wandert seit dem 22. März 2017 (Weltwassertag) dieAusstellung „Durstige Güter“ quer durch die Bundesrepublik.An zwölf, zum Teil interaktiven Ausstellungstafeln werdenproduktspezifische Hintergrundinformationen präsentiert.Zusätzlich werden Hilfestellungen gegeben, wie jede*r Ein-zelne auf einfache Art und Weise die eigene indirekte Was-sernutzung eindämmen. Kaffeeliebhaber*innen erfahrenzum Beispiel, wo auf der Erde die Bohnen wasserschonendangebaut werden und worauf sie beim Kauf achten sollten.

Die Ausstellung wurden vom BUND Heidelberg zusammenmit dem Ifeu-Institut Heidelberg und der prototypen GmbHim Rahmen der Verbändeförderung des Umweltbundesamtesund des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz undnukleare Sicherheit erstellt. Sie kann kostenlos ausgeliehenwerden und eignet sich für Umweltzentren, Rathäuser, Bibliotheken, Museen oder auch weiterführenden Schulen.Auf der Homepage erfahren Interessierte, wo der nächsteAusstellungsort ist und haben außerdem die Gelegenheit,ihre Meinung zum Thema indirekte Wassernutzung abzuge-ben und darüber abzustimmen, ob Produkte z. B. durch einWassersiegel deklariert werden müssen. Die Ergebnisse die-ser Evaluation fließen in weitere Kennzeichnungsvorhabendes Umweltbundesamtes ein.

Weitere Informationen: www.virtuelles-wasser.de

Gewässerreport 2018

Wasserläufer

Quellen sind einzigartige Biotope. Ihr Strukturreichtum unddie ganzjährigen konstanten Wassertemperaturen bieten Lebensraum für hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten.Wegen ihrer geringen Größe sind Quellen und die zugehöri-gen Quellbereiche sehr empfindlich gegenüber Störungen.Im Offenland werden Quellen für eine bessere Bewirtschaf-tung nicht selten verlegt, verrohrt oder zugeschüttet. ImWald führen gebietsfremde Gehölze, besonders Nadelbäume,zu einer Versauerung des Quellwassers und verursachendurch eine ganzjährige Beschattung ein Absterben der Quell-vegetation. Bundesweit gelten Quellen als gefährdet. Rhein-land-Pfalz zählt dank seiner Mittelgebirge zu den quellen-reichsten Bundesländern, doch nur ein Drittel der dortvorkommenden Grundwasseraustritte sind nicht strukturellbeeinträchtigt oder schon verschwunden. Der BUND Rhein-land-Pfalz hat den Schutz von Quellen zu einem Schwer-punktthema gemacht. Im Projekt Wasserläufer arbeitenFachleute und Freiwillige zusammen an Strategien für Re-naturierungsvorhaben und setzen diese gemeinsam um. Dadie ökologischen Besonderheiten von Quellen in der breitenÖffentlichkeit oft nicht bekannt sind, ist ein wichtiger Bestandsteil des Projektes die Öffentlichkeitsarbeit. Infor-mationsveranstaltungen, Quellen-Exkursionen und Fortbil-dungen werden landesweit vom BUND organsiert und stoßenvielerorts auf großes Interesse.

Bisher konnten durch Wasserläufer-Aktivitäten viele Quellenund Quellbäche renaturiert werden. Im Wackenwald imHunsrück war ein Quellbach in einem engen, zum Teil ver-stopften Rohr unter einem Wirtschaftsweg durchgeleitetworden. Um die Durchgängigkeit wiederherzustellen, wurdedie Verrohrung durch eine Furt ersetzt, die ein mit dem Boden verbundenes Bachbett besitzt und trotzdem eineWegquerung ermöglicht. Nadelgehölze wurden im Quellen-bereich entfernt und Laubgehölze gefördert. Das Projekt warein voller Erfolg und wäre ohne die Freiwilligen vor Ort indem Maße nicht möglich gewesen.

Alle Aktionen im Rahmen des Wasserläufer-Projekts werdenprofessionell koordiniert und können dank des Bundes -programms Biologische Vielfalt vom Bundesministerium fürUmwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert wer-den. Über den Stand laufender Projekte und über anstehendeFortbildungen, Exkursionen und Fachtagungen informiert dieInternetseite wildbach.bund-rlp.de .

Bild 1: Erste gemeinschaftliche Exkursion zum Quellbereichdes Ochsenbachs.

Bild 2: An der Killbergquelle bei Birken-Honigsessen werdengroße Mengen Gartenabfall von den Helfer*innen wegge-schafft.

Fotos (2): Siglinde Gramolly

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Gewässerreport 2018

Wassernetz NRW

Seit mehr als 13 Jahren arbeiten ehrenamtliche Gewässerak-tive der Naturschutzverbänden BUND, NABU und der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) in Nord-rhein Westfalen in einem Netzwerk zusammen. GenerellesAnliegen des Wassernetzes NRW ist die fachlich-beratendeUnterstützung der Ortsgruppen und Mitglieder aus den dreiLandesverbänden, damit sie die Wasserrahmenrichtlinien(WRRL)-Umsetzung im Bundesland qualifiziert begleiten undaktiv unterstützen können. Grundpfeiler sind die vielseitigenErfahrungen und fachkundigen Anregungen von ehrenamtli-chen Gewässerschützer*innen. Auch der LandesarbeitskreisWasser des BUND bringt sich mit seinem Wissen ein. In den12 Teileinzugsgebieten der nordrhein-westfälischen Flussge-bietsanteile helfen ehrenamtliche Koordinator*innen desWassernetzes NRW bei der Vernetzung. Seit 2004 stärkt einhauptamtliches Projektbüro diese Zusammenarbeit. Dank derFörderung des Landes geht es auch aktuell seiner Arbeit nachund leistet den Ehrenamtlichen Hilfe zur Selbsthilfe über Beratung, Information und Vernetzung.

In regelmäßigen Abständen organisiert das Wassernetz-Bürolandesweit beworbene Seminare zur Durchgängigkeit undweiteren Themenschwerpunkten. Während der Veranstal-tungen werden positive Umsetzungsbeispiele vorgestellt undin Workshopmodulen konkrete Aktionsvorschläge entwi-ckelt. Hierzu zählt die Abhaltung von Hofgesprächen oderder Aufbau eines akteursübergreifenden Netzwerkes zur Flächenbereitstellung an Gewässern.

Zusätzlich finden Termine bei den Ortsgruppen der Natur-schutzverbände statt. Je nach Wunsch werden Vorträge zurBasisberatung (für Einsteiger*innen), zu Themensitzungen(für Fortgeschrittene) sowie Dialoge am Gewässer (für prak-

tisch Interessierte) angeboten. Zu den Veranstaltungen ladendie ehrenamtlich Aktiven zumeist auch weitere Gewässerin-teressierte ein. Teilgenommen haben schon Landwirte undLandwirtinnen, Wasserversorger, Behörden- und Medienver-treter*innen, Gemeinderatsmitglieder und Kinder. Das Was-sernetz NRW zeigt engagierten Naturschützer*innen, wie siesich bei der WRRL-Umsetzung fachlich und praktisch ein-bringen können. Diese Unterstützung bereitet die Aktivenauch auf konkrete Genehmigungsverfahren und Anhörungs-termine vor. Mit Erfolg: Mehr als jede 4. Anregung fand beiden aktuellen behördlichen Planungen Berücksichtigung. Vie-le Teilnehmer*innen fühlen sich ermutigt, bei ihrer Gemeinde,Kreis oder Stadt nach dem Umsetzungsstand der WRRL nach-zufragen. Wasserverbände laden Aktive zu Gewässerschauenein. Zudem werden qualifizierte Ansprech partner*innen inden Flussgebietseinheiten vermittelt und über Entwicklungenvor Ort via Newsletter und Homepage informiert.

Inhaltlich ist das Wassernetz NRW breit aufgestellt. Ent-sprechend sind auch die Themen recht vielfältig, die beimProjektbüro nachgefragt werden. Sie reichen von allgemei-nen Informationen zur Organisation der WRRL-Umsetzung,über Nitratmanagement und Grundwasserbeprobungen bishin zu geläufigen Renaturierungsvorhaben. Der Bedarf anBeratungsangeboten zeigt sich daran, dass die Nachfragegrößer ist als das Angebot. Initiiert wurden durch das Netz-werk aber auch schon Praktische Projekte und Aktionen, wiezum Beispiel die Entfesselung des Storksbaches bei Unna,die Durchgängigkeit des Gellershagener Baches in Bielefeldoder Gehölzpflanzungen an der Deine in Waltrop.

Weitere Informationen: www.wassernetz-nrw.de

Bild 4: AufAugenhöhe:Fachleute ausPolitik, Landwirt-schaft undUmweltschutzdiskutieren beider Ausstellung„LebendigeGewässer“ überGülle und Nitratim Grundwasser.Organisiertwurde die Veran-staltung von derBUND Kreisgrup-pe Soest mitdem Länderar-beitskreis WasserNRW und demWassernetzNRW.

Bild 5: VieleAugen sehenmehr. Exkursiondes Länderar-beitskreisesWasser NRW mitdem WassernetzNRW an derEmmer in Ost-westfalen-Lippe.

Fotos (2): Paul Kröfges

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Gewässerreport 2018

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Bild 1: Einervon vielen

Salzbergen imKalirevier des

Oberrheins: Der„Kalimand-scharo“ beiBuggingen.

Bild 2: Ausbrei-tung der Chlo-

ridkonzentrati-on im Grund-

wasserleiterRichtung Nor-

den. Gut zuerkennen sind

die Salzfahnenvom Abbauge-

biet naheMühlhausen

und dem Zwi-schenlager aufder Fessenhei-

mer Rheininsel.

Fotos (2): Axel Mayer

Versalzung

Aufgrund der geologischen Bedingungen haben manche Binnengewässer von Natur aus hohe Salzgehalte. Regional gibt esin Gewässern jedoch auch hohe Salzkonzentrationen, die durch menschliche Einflüsse hervorgerufen werden. Belastungs-ursachen sind z. B. die Landwirtschaft, Streusalz auf Straßen, Eingriffe in die Zu- und Abflüsse sowie Abwassereinleitungen.In Deutschland stammt das meiste Salz hauptsächlich aus Abwässern der chemischen Kali-Industrie. Die gelösten Abfallsalzegelangen direkt oder über das Grundwasser in die Oberflächengewässer. Für salzempfindliche Gewässerbewohner könnendie erhöhten Salzlasten ernstzunehmende Probleme bereiten. Begünstigt werden dagegen die Entwicklung von salztoleran-ten Arten sowie die Einwanderung gebietsfremder Arten. Salzreiche Gewässer haben zumeist eine hohe Individuendichte,sind aber artenarm. Hohe Konzentrationen im Grundwasser können daneben zu Schwierigkeiten bei der Trinkwasserförderungim Kalirevier führen. Es kam schon vor, dass Brunnen aufgrund von Grenzwertüberschreitungen geschlossen werdenmussten.

Negativbeispiel: Grundwasserversalzung am Oberrhein

GebietsbeschreibungAm Oberrhein zwischen Basel und Rastatt befindet sich einerder bedeutendsten Grundwasserspeicher Mitteleuropas: derOberrheingraben. Millionen von Anwohnern nutzen seineunterirdischen Wasservorräte als Trinkwasserquelle. Grund-und Oberflächenwasser stehen in der Rheinebene im Austausch miteinander. Der Rhein als gletschergespeisterHochgebirgsfluss sowie andere Flüsse mit regenreichem Einzugsgebiet tragen durch Versickerung maßgeblich zurGrundwasserneubildung bei. Umgekehrt werden die Abflüsse

in niederschlagsarmen Zeiten durch exfiltrierendes Grund-wasser gestützt. Der mit Kiesen und Sanden aufgefüllteGrundwasserleiter ist jedoch aufgrund seiner relativ durch-lässigen, überwiegend geringmächtigen Deckschicht kaumvor Schadstoffeinträgen geschützt.

ProblemlageEtwa 100 Jahre lang wurde am Oberrhein Kali abgebaut. Vorallem im Südelsass, aber auch auf der deutschen Rheinseiteim Markgräferland förderten Bergarbeiter den Rohstoff zu

Bundesland: Baden-WürttembergBUND-Organisation: BUND-Regionalverband Südlicher OberrheinAnsprechpartner: Axel MayerWeitere Informationen: www.bund-rvso.de/salz-hintergrundinfo.html

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Tage. Das bei der Produktion anfallende Natriumchlorid wur-de in der Anfangsphase des Abbaus zu riesigen Salzbergenaufgehaldet und später direkt in den Rhein geleitet. Der „Kalimandscharo“ in Buggingen ist so ein Abraumhügel undzeugt von einem Jahrzehnte andauernden Profitgeschäft derMinenbetreiber (zuletzt K + S AG). Noch größere Salzbergebefinden sich im französischen Kalirevier nahe Mühlhausen(Mines de Potasse d’Alsace). Die künstlichen Erhebungenprägen nicht nur das Landschaftsbild im Elsass, sie lösensich bei Niederschlag auch immer weiter auf. Das ausgewa-schene Salz gelangte in den Grundwasserleiter und breitetesich dort im Abstrom des Kalibeckens aus. Zwischenzeitlichsind die Abraumhalden im Elsass saniert.

In vielen Gemeinden nördlich von Mühlhausen ist dasGrundwasser als Trinkwasser nicht mehr zu gebrauchen.Ähnliche Probleme hat auch die Kleinstadt Breisach aufdeutscher Seite. Die Salzbelastung des Grundwassers ist dortauf die Versickerung hochkonzentrierter Chloridlauge ausundichten Zwischenlagerbecken der „Mines de Potasse d’Alsace“ auf der Fessenheimer Rheininsel zurückzuführen.Entgegen den Versicherungen der Betreiberfirma, wonachder im Salzwasser enthaltene Lehm zur Abdichtung des Bodens führen sollte, verschwand über einen Zeitraum von20 Jahren eine Million Tonnen Salz in der Erde und damit indas Grundwasser. Wenige Kilometer unterhalb der Fessen-heimer Rheininsel finden sich auch in Südbaden bis zu 50 Gramm Salz in einem Liter Grundwasser.

EntwicklungBereits vor der geplanten Schließung musste in der Kaliminebei Mühlhausen der Abbau beendet werden. Grund war einmehrwöchiger Brand der benachbarten, zur Giftmülldeponieumfunktionierten Stocamine. Mit der Schließung der letztenMine 2006 endete eine hundertjährige Bergbautradition inder Rheinebene. Das salzige Grundwasser bleibt als Dauer-problem, mit dem die betroffenen Gemeinden selbst fertigwerden müssen. Nach dem Verursacherprinzip der WRRLmüssten für die Sanierungskosten eigentlich die Minenbe-treiber aufkommen. Durchgesetzt wurde dies nur im badi-schen Buggingen und auch erst nachdem der BUND und derLandkreis Klage gegen K + S AG eingelegt hatten. Vor demfranzösischen Gericht war der Umweltverband weniger er-folgreich. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren mitder Begründung ein, der „BUND ist selbst nicht betroffenund er ist auch kein französischer Umweltverband“. Somitmüssen die Breisacher*innen die Kosten für neue Brunnenund Reparaturen der salzbelasteten Rohrleitungen selberstemmen.

Gutachten zur Belastungssituation der Oberrheingrabensliegen vor, sie werden allerdings fast ausschließlich mit öffentlichen Mitteln finanziert. Für die „Erkundung des tiefenrheinnahen Grundwasserleiters in Fessenheim und Breisach“wurde knapp eine halbe Million zur Verfügung gestellt. ImSommer 2006 wurde eine weitere Studie bewilligt. 260 000Euro aus dem EU-Fördertopf (INTERREG) wurden dafür bereitgestellt.

Forderungen Der BUND fordert die strikte Anwendung des Verur sacher -prinzips. Nicht die Wasserverbraucher, sondern die Wasserverschmutzer müssen die ökologischen Folgekostenübernehmen. Eine Übernahme durch Steuer- und Gebüh -ren zahler*innen ist nicht akzeptabel und widerspricht denForderungen der WRRL. Untersuchungen und Prognosen zurGrundwasserbelastung in der Rheinebene sind sinnvoll undnotwendig. Die Erstellung solcher Studienprojekte dürfenaber nicht mit öffentlichen Geldern finanziert werden.

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GebietsbeschreibungDie Werra entspringt im südlichen Thüringer Wald. Zusam-men mit der aus der Rhön kommenden Fulda speist sie abHannoversch Münden die Weser, die zur Nordsee fließt. Werra und Weser zusammen haben eine Länge von ca. 730Kilometern. In Deutschland ist die Weser der einzige Strommit ausschließlich inländischem Einzugsgebiet. Die Verant-wortung für dieses Flusssystem liegt demnach allein bei derBundesrepublik.

ProblemlageSeit 1900 wird an der Werra Kalisalz abgebaut. Das rötlichschimmernde Salz wird von der weltweit agierenden FirmaK+S AG als Düngemittel und vorindustrielles Vorprodukt ver-trieben. Beim Abbau von Kali fällt Salzlauge an, die entwederdirekt in den Fluss geleitet oder in den Boden verpresst wird.Die salzhaltigen Abwässer verunreinigen die Grundwässerund gefährden die Trinkwasserversorgung in der Werra-Re-gion. Mehrere Trinkwasserbrunnen wurden bereits still gelegt.Daneben fallen täglich mehrere Tonnen Abraum an, die sichzu künstlichen Bergen in der Landschaft auftürmen. Diegrößte Abraumhalde („Monte Kali“) liegt bei der Kleinstadt

Heringen und fasst 150 Millionen Tonnen Salz. Da der riesigeSalzberg gegen den Untergrund nicht abgedichtet ist, dringtbei Niederschlag jedes Mal Salzwasser in das Erdreich.

Für die Ökosysteme der Flüsse Werra und Weser stellen diedirekt und diffus eingetragenen Salzmengen ein immensesProblem dar. Fische reagieren auf die hohen Salzkonzentra-tionen vermehrt mit Krankheiten. Viele vorkommende Tiereund Pflanzen sind bereits verschwunden. Durchgesetzt haben sich vor allem salztolerante Arten, die sonst nur inMeeresnähe anzutreffen sind. Gemäß dem 2. WRRL-Bewirt-schaftungsplan befinden sich nur zwei Prozent des Wasser-körpers der Werra in einem guten ökologischen Zustand. Beiandauernder Salzbelastung wird sich die Situation höchst-wahrscheinlich nicht verbessern.

Was konnte verändert werden?Der BUND setzt sich dafür ein, dass Weser und Werra wiederzu artenreichen Süßwasserökosystemen werden und dieGrundwasserverschmutzung aufhört. Ein zentraler Knack-punkt ist die Verpressung von Salzlauge, die nach Aussagender Landesregierung eigentlich Ende 2015 beendet werden

Bundesland: HessenBUND-Organisation: BUND-HessenAnsprechpartner: Thomas NorgallWeitere Informationen: www.bund.net/fluesse-gewaesser/kaliabbau

Positivbeispiel: Verpressung von Salzabwasser im Werrarevier

Bild 1: DieAbraumhalde

bei Heringen ander Werra.

Foto: TobiasArhelger/shut-

terstock.com Bild 2: Salzein-

leitung in dieUnstrut im Jahr

2006. DieUnstrut wardadurch aufden letzten

paar hundertMetern so starkversalzen, dass

es für die meisten Süß-wasser-Orga-

nismen eineBarriere dar-stellte. DieseEinleitungs -stelle gibt es

inzwischennicht mehr.

Foto:Flussbüro Erfurt

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sollte. Zusammen mit der Gemeinde Gerstungen hat derBUND schon mehrere rechtliche Schritte gegen K + S unter-nommen. Beide klagen gegen die vom RegierungspräsidiumKassel verlängerte Erlaubnis zur Verpressung von 6 MillionenKubikmeter Salzabwässern bis 2021. Dem Klageverfahrenwurde weiterhin ein „Stoppantrag“ hinzugefügt, um K+Sschnellstmöglich die Versenkgenehmigung zu entziehen. Zuvor bemängelte schon das Hessische Landesamt für Na-turschutz, Umwelt und Geologie den Unbedenklichkeitsnach-weis zur Verpressung. Ende 2017 einigten sich der BUND undK + S nach zähen Verhandlungen auf einen Vergleich. Danachwird der Konzern nicht das gesamte bewilligte Versenkvolu-men ausschöpfen und nach Auslaufen der Genehmigung2021 auch keinen neuen Antrag auf Verpressung stellen. ImGegenzug zog der BUND die bestehende Klage und den damitverbundenen Eilantrag zum Sofortstopp zurück.

AusblickK+ S besitzt bis heute kein umweltverträgliches Entsor-gungskonzept. Mit dem Vergleich gelangt dem BUND einTeilerfolg. Zwar wird die Versenkmenge bis zum endgültigenVerpressungsstopp schrittweise reduziert, allerdings stehtdieser Teil der Vereinbarung unter dem Vorbehalt, dass aus-reichend andere Entsorgungswege von K + S genutzt werdenkönnen. Im Klartext heißt das, dass wieder mehr Salzwasserin den Boden gepumpt werden darf, sobald die Einleitung indie Werra aufgrund von Niedrigwasser nicht mehr möglichist. Für eine Entlastung im Verpressungsgebiet sowie derUmwelt sind weitere Maßnahmen bzw. eine Umstellung desProduktionskonzeptes notwendig. Ein wichtiger Schritt indie richtige Richtung ist die seit Januar 2018 im Betrieb be-findliche Kainit-Kristallisation-Flotationsanlage (KKF-Anla-ge), mit der die Abwassermenge um jährlich 1,5 MillionenKubikmeter reduzieren werden soll. Die geplante Oberwe-serpipeline, mit der K+S sein Salzabwasser über 135 kmnach Norden umleiten und in die Oberweser kurz vor derniedersächsischen Grenze einleiten will, lehnt der BUND ab.Die Gewässerqualität unterhalb der Einleitungsstelle würdesich verschlechtern, was einem rechtswidrigen Verstoß ge-gen die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gleichkommt (Ver-schlechterungsverbot). Ein gewaltiges Problem stellen dieständig wachsenden Salzhalden dar, aus denen bei jedemNiederschlag Salzabwasser ausgespült wird, dass letztlichebenfalls in die Werra fließt. Das Haldenabwasser wird inKürze die Menge des Produktionsabwassers übersteigen unddie Werra auch nach dem Ende des Bergbaus, der für 2060vorausgesagt wird, noch mehr als 1.000 Jahre versalzen.Werden die Salzhalden nicht zurückgebaut, sondern wie ge-plant erweitert, rückt der von der WRRL geforderte gute Zu-stand für Werra und Weser in ferne Zukunft.

Um die Salzlasten für das Grundwasser zu verringern unddamit Werra und Weser wieder Süßwasserflüsse werden,sind noch viele Anstrengungen nötig.

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Bild 1: Stümpfevon Silberwei-den nach denvorgezogenenRückschnitts-

maßnahmen ander unteren

Mittelebe beiVietze. Amgegenüber

liegenden Ufersind Bäume der

Weich- undHartholzaue zu

erkennen. Bild 2: Im Zuge

der Maßnah-men kahlge-

schlagenes Ufer. Fotos (2): Dieter

Damschen

Auwälder

Auwälder stellen mit 10.000–12.000 Arten einen der „Hot-spots“ der Artenvielfalt dar und zählen zu den strukturreichstenmitteleuropäischen Waldökosystemen. Je nach Überflutungshäufigkeit werden Flüsse von Weich-und Hartholz gesäumt:Die Weichholzaue besteht aus verschiedenen Weidenarten wie Silber-, Purpur- oder Korbweide sowie aus Schwarzpappeln.Sie bildet zusammen mit den Hochstaudenfluren den Übergangsbereich vom Spülsaum zu Stromtalwiesen und Hartholzauen.Hartholzauen mit Arten wie Eichen, Ulmen und Eschen sowie einem hohen Anteil an Totholz sind für seltene Arten wie Mit-telspecht, Wasserfledermaus oder Eichenheldbock wichtige Lebensräume. Auch Schwarzstorch und Seeadler benötigen diealten, hohen Bäume als sicheren Nistplatz. Zudem haben Hart- und Weichholzauwälder einen großen Nutzen für die Gesellschaft: Sie bieten Hochwasser- und Klimaschutz, reinigen das Wasser und sind attraktive Ziele für Erholungssuchende(s. S. 28). Trotz ihrer hohen ökologischen Bedeutung bedecken die einst prägenden Auwälder nur noch wenige Prozent ihrerursprünglichen Flächen und ihre Bestände liegen meist weit voneinander entfernt. Ursachen sind eine veränderte Überflu-tungsdynamik, z. B. durch den Bau von Deichen oder Staustufen sowie konkurrierende Nutzungsansprüche, etwa durch denBau von Siedlungen, Land und Forstwirtschaft. Als europaweit gefährdetste Lebensräume werden sie im Anhang I der FFH-Richtlinie geführt, für die besondere Schutzgebiete auszuweisen sind.

Negativbeispiel: Abflussverbessernde Maßnahmen an der unteren Mittelelbe

GebietsbeschreibungWenige Kilometer flussabwärts der Hohen Garbe (s. Seite42) beginnt der niedersächsische Teil des Biosphärenreser-vates Flusslandschaft Elbe. Das Deichvorland ist geprägt vonWiesen und Weiden unterschiedlicher Typen, von Weichhol-zauenwäldern mit Silberweide und Schwarzpappel sowie

von Hartholzauenwäldern. Im Elbvorland des Biosphärenre-servats Niedersächsische Elbtalaue wachsen heute nur nochauf ca. acht Prozent der Fläche Auwälder. Ab Hitzacker er-streckt sich am linken Ufer der Elbe bis oberhalb Bleckedemit fast 26 Kilometern einer der längsten zusammenhän-genden Hochuferabschnitte der gesamten Mittleren Elbe.

Bundesland: NiedersachsenBUND-Organisation: BUND-Kreisgruppe Lüchow-DannenbergAnsprechpartner: Eckhard Seebaß Weitere Informationen: www.lüchow-dannenberg.bund.net

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Alle in die untere Mittelelbe mündenden Nebenflüsse sindTieflandflüsse mit sehr geringem Gefälle. Dadurch kommt esbei größeren Hochwasserereignissen zum Rückstau in dieNebenflüsse, die durch verschiedene Überleitungswehre,Schöpf- und Absperrwerke vermindert werden.

ProblemlageIm Nachgang zu den Hochwasser-Ereignissen an der Elbe inden Jahren 2002, 2003, 2006, 2011 und 2013 erarbeitete derNiedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küs-ten- und Naturschutz (NLWKN) bis 2015 den „Rahmenplanfür abflussverbessernde Maßnahmen an der Unteren Mittel-elbe“. Darin sind neben Poldern, Umflutern oder der Beseiti-gung von Engstellen auch ‚Vegetationsmaßnahmen‘ als mög-liche Schritte beschrieben, die den Abfluss der Elbe beiHochwasser verbessern können. ‚Vegetationsmaßnahmen‘bedeuten in diesem Fall ‚Rückschnitt‘, also das Fällen vonBäumen der Weichholzaue, im Deichvorland. Bäume können,vor allem wenn das Deichvorland weniger als 600 Meter breitist, die sog. Rauheit des Geländes erhöhen. Dies wiederumkann unter Umständen die Abflussgeschwindigkeit bei Hoch-wasserereignissen negativ beeinflussen, also verzögern.

Die „Projektgruppe abflussverbessernde Maßnahmen an derunteren Mittelelbe“ begleitete die Erarbeitung des Rahmen-plans und ist auch in dessen Umsetzung eingebunden. UnterVorsitz des NLWKN sind darin die lokalen Akteure vertretenwie die Landkreise Lüneburg und Lüchow-Dannenberg, dieStadt Bleckede, die Samtgemeinde Elbtalaue, die Biosphä-renreservatsverwaltung Niedersächsische Elbtalaue, der Art-lenburger und der Neuhauser Deichverband, der Kreisverbandder Wasser- und Bodenverbände im Landkreis Lüchow-Dan-nenberg, die Naturschutzverbände BUND und NABU und derVerein zum Schutz der Kulturlandschaft und des Eigentumsim Elbetal. Die Naturschutzverbände stimmten den vorgezo-genen Rückschnittsmaßnahmen an den Engstellen unter derBedingung zu, dass als Kohärenzmaßnahmen dort, wo dasDeichvorland der Elbe über 600 Meter breit ist, wieder Artender Weichholzaue angepflanzt werden und sich so der gleicheBiotoptyp mit Silberweiden entwickeln kann. Eine Mehrheitder übrigen Teilnehmer war dagegen. Schließlich beschlossdie Projektgruppe, dass eine kleine Teilfläche in der Niederungdes Zuflusses Seege mit Weidenstecklingen bepflanzt, dieKohärenzmaßnahmen im Übrigen aber auf geeigneten Stand-orten im Elbvorland erfolgen sollten.

EntwicklungDie Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) hatte in hydrau-lischen Modellen berechnet, dass viele der Maßnahmen denHochwasserpegel nur um ein bis zwei Zentimeter senkenkönnen, maximal an vereinzelten Stellen bis 5,5 Zentimeter.

Vor dem Hintergrund erschienen einige der geplanten Vege-tationsmaßnahmen unverantwortlich. Die vorgezogenenMaßnahmen konnten wegen des politischen Drucks, demsich das Land Niedersachsen und die Kommunen ausgesetztsahen, dadurch aber nicht mehr verhindert werden.

Von den 54 vor der Beteiligung der Naturschutzverbändebeschriebenen Vegetationsmaßnahmen waren sechs als so-genannte ‚vorgezogene Rückschnittsmaßnahmen‘ ausge-wählt worden, die als Reaktion auf das Hochwasser 2013kurzfristig im Winter 2014/15 umgesetzt wurden. Auf neunTeilflächen ließ man im Deichvorland zahlreiche Bäume derWeichholzaue, vor allem Schwarzpappeln und Silberweiden,fällen – auch dort, wo dies den Pegel nur um ein bis zweiZentimeter senkt. Die beschlossenen Ausgleichs- und Er-satz- (Kohärenz-)maßnahmen an der Elbe sind bis dato(Stand Mai 2018) mit Ausnahme der oben erwähnten Teil-fläche an der Seege nicht umgesetzt worden.

ForderungenDas Aktionsbündnis Biosphärenreservat (ein Zusammen-schluss der hier aktiven Naturschutzverbände) fordert, dassdie Kohärenzmaßnahmen, wie in der Projektgruppe vorgese-hen, im Deichvorland der Elbe umgesetzt werden, und nichtan Elb-Nebenflüssen wie der Seege. Denn der sehr selteneund wertvolle Biotoptyp, der durch die Fällungen verlorengegangen ist, kann sich nur unter den ökologischen Gege-benheiten der unteren Mittelelbe entwickeln, nicht aber ent-lang der Zuflüsse. Hier herrscht ein Biotoptyp mit Erlen vor.Zudem ist es aus Sicht der Umweltverbände für einen effek-tiven Hochwasserschutz zielführender und daher wichtiger,Maßnahmen wie kleinere Rückdeichungen und Umfluter anzugehen. Dazu hatte die Projektgruppe auf Einladung derBiosphärenreservatsverwaltung auch den Umfluter im niederländischen Nijmegen besichtigt und wertvolle Anre-gungen erhalten. Weiterhin wäre eine engere Kooperationmit den benachbarten Biosphärenreservaten Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg sinnvoll, umMaßnahmen und ihre Auswirkungen optimal aufeinanderabzustimmen.

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GebietsbeschreibungDen Kern des Projektgebietes bildet in Sachsen-Anhalt ander Grenze zu Niedersachsen die „Hohe Garbe“, eine rund420 Hektar große Fläche, die wie eine Halbinsel von der Elbeumflossen wird. Hier hat sich im Schatten der ehemaligen in-nerdeutschen Grenze ein alter Hartholzauwald aus Eichenund Flatterulmen mit einem hohen Anteil an Totholz gehal-ten. Neben der Hartholzaue sind in der Hohen Garbe Weichholzauen u.a. mit Silberweiden und einem autochto-nen Schwarzpappel-Vorkommen anzutreffen. Diese und dieebenfalls dort vorkommenden Brenndolden-Auenwiesen sindaufgrund ihrer europaweiten Gefährdung nach Anhang I derFFH-Richtlinie geschützt. In besonderem Maße von diesenauentypischen Lebensraumstrukturen abhängig und dahernach den Anhangslisten der FFH- bzw. Vogelschutzrichtliniegeschützt sind z.B. Biber, Fischotter, Schwarzstorch, auf Holzangewiesene (xylobionte) Käfer, verschiedene Fledermäuseund zahlreiche Amphibien. Die Hohe Garbe ist das letztegrößere Vorkommen einer Hartholzaue in der Region.

ProblemlageDie Hohen Garbe ist von der natürlichen Abflussdynamik derElbe abgeschnitten: Während für den Hochwasserschutzmittlerweile ein weiter landeinwärts gelegener Deich sorgt,trennt der ehemalige Deich die Hohe Garbe weiterhin vomStrom ab. Das Wasser gelangt nur bei höheren Wasserstän-den in den Auwald, ist es jedoch einmal da, kann es kaumwieder abfließen. Um den auentypischen Charakter der Hohen Garbe und somit ihre wertvollen Lebensraumtypenerhalten und den Bestand an Auwald noch ausweiten zukönnen, ist es notwendig, das Gebiet wieder an die natürli-che Dynamik der Elbe anzuschließen. Damit dies möglichstkonfliktfrei mit den bisherigen Nutzern umzusetzen ist, sollteein ausreichend großer Teil der Flächen in der Hand des Naturschutzes sein.

Bundesländer: Sachsen-Anhalt, Brandenburg, NiedersachsenBUND-Organisation: Auenökologischen Zentrum des BUND / Burg Lenzen (Elbe)Ansprechpartnerin: Dr. Meike KleinwächterWeitere Informationen: www.bund.net/elbauen

Positivbeispiel: „Lebendige Auen für die Elbe“*

Bild 1: DieHohe Garbe

mit wertvollerHart- und

Weichholzaueaus der Luft.

Foto: FrankMeyer, RANA;

Bild 2Schüler*innen

pflanzen imRahmen des

Projektes Wei-denstecklingean den Ufern

der Elbe.

Foto: DieterDamschen

* offiziell: Auenverbund und Auenentwicklung an der unteren Mittelelbe; gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt vomBundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums

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Was konnte verändert werden?In einem laufenden Bodenordnungsverfahren konnten imRahmen des Projektes über 60 Hektar der bedeutenden Flächen für die BUNDstiftung erworben werden, so dass mitweiteren Flächen der öffentlichen Hand oder des Natur-schutzes rund 270 Hektar für den dauerhaften Erhalt unddie Revitalisierung der Hohen Garbe zur Verfügung stehen(Stand Mai 2018). Ein hydraulisches Modell berechnete, anwelchen Stellen der alte Deich geschlitzt, wo wieder Flutrin-nen aktiviert, Kleingewässer sowie Initiale für Hart- undWeichholzaue angelegt werden können, ohne dass sich diesnegativ auf den Hochwasserabfluss auswirkt. So sind bislangrund 3.000 Bäume und Sträucher, z. T. zusammen mit ehren-amtlichen Helfer*innen, gepflanzt worden.

In einer „Auenwerkstatt“ stehen zudem Projektteam und Anwohner*innen, Eigentümer*innen und Nutzer*innen derFlächen im Dialog. Weiterhin untersucht das Projekt die Öko-systemleistungen naturnaher Auen und erarbeitet Vorschlä-ge, um die verbliebenen naturnahen Auen in der Region bes-ser miteinander zu vernetzen. Außerdem schafft das Projektmit umfangreicher Kommunikationsarbeit Bewusstsein fürdie Bedeutung, Vielfalt und Schönheit naturnaher Auen. Ent-lang der Elbe macht sie diese auch erlebbar, etwa mit demAuenReich auf Burg Lenzen oder einer GPS-geführter Auen-Radtour.

AusblickDer Altholzbestand in der hohen Garbe wird durch das Projekt revitalisiert und sich so halten können. Zusätzlichwerden sich die wertvollen Biotoptypen Hart- und Weich-holzaue – ausgehend von den Initialpflanzungen – aus -weiten. Auch die weiteren wieder hergestellten bzw. neu geschaffenen Strukturen (Flutrinnen, Kleingewässer, Insel-bildung) wirken sich positiv aus und verbessern den Lebens-raum von Seeadler, Schwarzstorch, Mittelspecht, Fischotterund Co. So leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zumErhalt der biologischen Vielfalt und den Zielen nationalerund internationaler Richtlinien.

Langfristig wird das Gebiet als Kernzone des Biosphärenre-servates Mittlere Elbe geschützt sein. Das BUND-Auenzen-trum wird sich, etwa im Rahmen des BundesprogrammesBlaues Band, mit weiteren Projekten entlang der Elbe undanderen Flüssen dafür einsetzen, dass bestehende Auwäldererhalten bleiben und neue entstehen. Viele Menschen wer-den die neuen, zusätzlichen Angebote zum Naturerleben vorOrt nutzen.

ImpressumHerausgeber: Bund für Umwelt-und Naturschutz e.V. (BUND),Friends of the Earth Germany,Bundesverband, Am KöllnischenPark 1, 10179 Berlin · Redaktion:Laura von Vittorelli, mit inhaltli-cher Zuarbeit des Bundesarbeits-kreis Wasser sowie den jeweiligenAnsprechpartner*innen der Pro-jekte. · Gestaltung: Natur undUmwelt Service und Verlags GmbHTitel: Suntipong/fotolia.com

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