Bunte und schillernde Farben – Einfluss der Bedruckung von Lebensmittelkontaktmaterialien auf das...

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09.04.2014 ADRESSE Schaflandstraße 3/2 70736 Fellbach E-MAIL [email protected] TELEFON +49 711 3426 - 1234 INTERNET www.cvua-stuttgart.de +49 711 3426 - 1727 (Diagnostik) ÖFFENTL. VERKEHRSMITTEL S-Bahn S2 und S3 FAX +49 711 588176 +49 711 3426-1729 (Diagnostik) Bus 60, 67 und 212 Haltestelle Fellbach Bahnhof Bunte und schillernde Farben Einfluss der Bedruckung von Lebensmittel- kontaktmaterialien auf das verpackte Le- bensmittel Ein Bericht aus unserem Laboralltag Lebensmittelkontaktmaterialien werden häufig zu Informations-, Werbe- und Dekorationszwecken bedruckt. Die dazu genutzten Farbsysteme bergen jedoch Risiken. Die verwendeten Sub- stanzen können, je nach ihrem Migrationspotential, in das ver- packte Gut übergehen. In Klebeetiketten von 28 Käseproben und 14 trockenen Lebensmitteln waren zum Teil sehr hohe Konzentrationen an Photoinitiatoren enthalten, die in drei Fäl- len zu nicht zulässigen Gehalten an Photoinitiatoren im Le- bensmittel führten. Bei den untersuchten 31 Einmaltrinkbe- chern stellte die Bedruckung im Hinblick auf den Übergang von Photoinitiatoren kein Problem dar. Im Gegensatz dazu waren von 14 bedruckten Kunststoff-Trinkflaschen drei auffällig. Abb.: Beispiele für Lebensmittelverpackungen aus Folien mit bunt bedruckten Klebeetiketten. Rechtliche Situation Derzeit gibt es weder auf nationaler noch auf EU-Ebene rechtlich verbindliche, substanzspezifische Regelungen zum Übergang von Druckfarbenbestandteilen aus Verpackungen auf Lebensmittel. In der Schweiz sind seit dem 1. Mai 2011 in der Verordnung des Eid- genössischen Departement des Innern (EDI) über Bedarfsgegen-

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Lebensmittelkontaktmaterialien werden häufig zu Informations-, Werbe- und Dekorationszwecken bedruckt. Die dazu genutzten Farbsysteme bergen jedoch Risiken. Die verwendeten Substanzen können, je nach ihrem Migrationspotential, in das verpackte Gut übergehen. In Klebeetiketten von 28 Käseproben und 14 trockenen Lebensmitteln waren zum Teil sehr hohe Konzentrationen an Photoinitiatoren enthalten.

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  • 09.04.2014

    ADRESSE Schaflandstrae 3/2 70736 Fellbach E-MAIL [email protected]

    TELEFON +49 711 3426 - 1234 INTERNET www.cvua-stuttgart.de

    +49 711 3426 - 1727 (Diagnostik) FFENTL. VERKEHRSMITTEL S-Bahn S2 und S3

    FAX +49 711 588176 +49 711 3426-1729 (Diagnostik) Bus 60, 67 und 212 Haltestelle Fellbach Bahnhof

    Bunte und schillernde Farben Einfluss der Bedruckung von Lebensmittel-kontaktmaterialien auf das verpackte Le-bensmittel

    Ein Bericht aus unserem Laboralltag

    Lebensmittelkontaktmaterialien werden hufig zu Informations-,

    Werbe- und Dekorationszwecken bedruckt. Die dazu genutzten

    Farbsysteme bergen jedoch Risiken. Die verwendeten Sub-

    stanzen knnen, je nach ihrem Migrationspotential, in das ver-

    packte Gut bergehen. In Klebeetiketten von 28 Kseproben

    und 14 trockenen Lebensmitteln waren zum Teil sehr hohe

    Konzentrationen an Photoinitiatoren enthalten, die in drei Fl-

    len zu nicht zulssigen Gehalten an Photoinitiatoren im Le-

    bensmittel fhrten. Bei den untersuchten 31 Einmaltrinkbe-

    chern stellte die Bedruckung im Hinblick auf den bergang von

    Photoinitiatoren kein Problem dar. Im Gegensatz dazu waren

    von 14 bedruckten Kunststoff-Trinkflaschen drei auffllig.

    Abb.: Beispiele fr Lebensmittelverpackungen aus Folien mit bunt bedruckten Klebeetiketten.

    Rechtliche Situation

    Derzeit gibt es weder auf nationaler noch auf EU-Ebene rechtlich

    verbindliche, substanzspezifische Regelungen zum bergang von

    Druckfarbenbestandteilen aus Verpackungen auf Lebensmittel. In

    der Schweiz sind seit dem 1. Mai 2011 in der Verordnung des Eid-

    genssischen Departement des Innern (EDI) ber Bedarfsgegen-

  • Seite 2 von 5

    stnde nur bestimmte Stoffe fr die Herstellung von Verpa-

    ckungstinten zugelassen. Diese Stoffe mssen spezifische Anforde-

    rungen erfllen. In Deutschland wird es in Krze eine vergleichbare

    Regelung geben. Die Einundzwanzigste Verordnung zur nderung

    der Bedarfsgegenstndeverordnung (sog. Druckfarbenverordnung)

    liegt im Entwurf vor (Stand 23.10.2013). Darin werden Stoffe fr die

    Herstellung bedruckter Lebensmittelbedarfsgegenstnde und der

    bergang dieser Stoffe auf Lebensmittel geregelt.

    Bedruckung von Lebensmittelkontaktmaterialien

    Lebensmittelkontaktmaterialien werden hufig zu Informations-,

    Werbe- und Dekorationszwecken bedruckt. In dem vom BMELV

    gefrderten Projekt Ausma der Migration von Druckfarbenbe-

    standteilen aus Verpackungsmaterialien in Lebensmittel erfolgte

    zwischen Dezember 2009 bis Mai 2011 eine Bestandsaufnahme

    ber Art und Menge des bergangs von Druckfarbenbestandteilen

    auf Lebensmittel. Der Fokus dieser Studie, an der das CVUA Stutt-

    gart aktiv beteiligt war, lag auf Lebensmittelverpackungen mit ln-

    gerfristigem Lebensmittelkontakt. Offene Fragen zur Bedeutung von

    Klebeetiketten auf Verpackungsfolien oder zur Bedruckung von Le-

    bensmittelkontaktmaterialien wie Einmalgeschirr oder Kunststoff-

    Trinkflaschen sollten Schwerpunktuntersuchungen in 2013 beant-

    worten. Dabei lag der Fokus der Untersuchungen auf Photoinitiato-

    ren, die zur Farbstoffhrtung beim UV-Druckverfahren eingesetzt

    werden.

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    Infokasten

    Photoinitiatoren im UV-Druck

    Im Gegensatz zu lsemittelbasierten Farben ermglichen UV-

    Farben eine sekundenschnelle Trocknung und bieten damit die

    Mglichkeit fr hohe Druckgeschwindigkeiten. Die Vernetzung

    wird durch eine definierte UV-Strahlung ausgelst (initiiert). Die

    Reaktion wird durch Photoinitiatoren gestartet: Sie absorbieren

    auftreffendes UV-Licht, zerfallen dabei in sogenannte freie Radi-

    kale und steuern den Hrtungsprozess. Welche Photoinitiatoren

    eingesetzt werden ist vom Farbsystem abhngig.

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    Klebeetiketten auf verpacktem Kse wandern Photoinitiato-ren in den Kse?

    Zwei Serien von insgesamt 28 Kseproben, die in Folien mit bunten

    Klebeetiketten verpackt waren, wurden auf Photoinitiatoren unter-

    sucht. Es handelte sich um verschiedene Weich-, Schnitt- und Hart-

    kse aus dem Inland (8 Proben) und dem europischen Ausland

    (20 Proben, 7 Lnder).

    Bei 11 Kseproben war die Verpackung direkt bedruckt. Nur in ei-

    nem Fall konnten hier Photoinitiatoren nachgewiesen werden. Alle

    Proben waren mit bunt bedruckten Klebeetiketten auf der Verpa-

    ckungsfolie beklebt. Die Etiketten enthielten nahezu alle Photoinitia-

    toren, die prinzipiell durch die Verpackungsfolie in das Lebensmittel

    wandern knnen.

    In allen positiven Proben wurde ein bergang von Photoinitiatoren

    in den Kse geprft. Trotz der zum Teil sehr hohen Konzentrationen

    im Etikett waren lediglich in zwei Lebensmittelproben deutliche Ge-

    halte an Photoinitiatoren nachweisbar. Dies fhrte in einem Fall zur

    Beurteilung des berganges toxikologisch nicht bewerteter Sub-

    stanzen (Migrationsgrenzwert 10 g/kg) auf das Lebensmittel. Im

    anderen Fall handelte es sich um Benzophenon, dessen Migrati-

    onsgrenzwert von 600 g/kg eingehalten wurde. Eine mgliche Ur-

    sache fr den geringen bergang der Photoinitiatoren geht aus den

    Konformittserklrungen der Verpackungen hervor. Teilweise wur-

    den als Folien Mehrschichtmaterialien eingesetzt, die Schichten mit

    Barriere-Eigenschaften aufweisen drften. Weiterhin werden die

    Produkte nur relativ kurze Zeit gekhlt aufbewahrt. Die Wanderge-

    schwindigkeit ist bei niedrigen Temperaturen verringert. In Verbin-

    dung mit der kurzen Lagerdauer und dem Folienmaterial gehen

    Photoinitiatoren dann kaum in den verpackten Kse ber.

    Klebeetiketten auf Folienverpackungen wandern Photoinitia-toren ins Lebensmittel?

    Viele trockene Lebensmittel wie Getreide und Hlsenfrchte werden

    in Folientten verpackt und mit Klebeetiketten gekennzeichnet. In

    14 Handelsproben wurden die Etiketten und die verpackten Le-

    bensmittel untersucht. Wiederum waren die Etiketten von 12 Proben

    im UV-Druckverfahren unter Verwendung von Photoinitiatoren be-

    druckt. In einer Probe wurde ein bergang des Photoinitiators Me-

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    thylbenzophenon ins Lebensmittel festgestellt und rechtlich beur-

    teilt.

    Bunt bedruckte Einmaltrinkbecher gelangen Druckfarbenbe-standteile beim Stapeln von der Auen- auf die Innenseite der Becher?

    Dass es mglich ist, durch die Auswahl der Druckfarben und geeig-

    nete Prozessfhrung einen bergang von Druckfarbenbestandteilen

    zu verhindern, belegt die Analyse von 31 bunt bedruckten Einmal-

    trinkbechern. Das Stapeln der Becher kann die bedruckte Auen-

    seite des Bechers mit der Becherinnenseite in Kontakt bringen (Ab-

    klatsch). Weiterhin knnen Substanzen den Luftraum zwischen den

    Bechern durchdringen (Gasphasentransfer). Hierdurch knnen

    Druckfarbenbestandteile ins Innere der Becher und von dort in das

    eingefllte Getrnk gelangen. Um diese Kontaminationsquelle zu

    erfassen, wurden Becher aus der Stapelmitte mit 3 Gew.-% Essig-

    sure als Lebensmittelsimulanz fr saure Lebensmittel wie z.B.

    Fruchtsfte befllt und 24 Stunden bei 40 C gelagert. In keinem

    Lebensmittelsimulanz konnten Photoinitiatoren nachgewiesen wer-

    den. Den zur Verfgung stehenden Konformittserklrungen war zu

    entnehmen, dass die Trinkbecher berwiegend mit Druckfarben be-

    druckt waren, die ein geringes Migrationspotential aufweisen.

    Kunststoff-Trinkflaschen mit Aufdruck

    Anders sieht die Situation bei bedruckten Kunststoff-Trinkflaschen

    aus. Von 14 untersuchten Proben wurde in drei Proben ein ber-

    gang von bis zu drei toxikologisch nicht bewerteten Photoinitiatoren

    in das Lebensmittelsimulanz fr saure Getrnke (3 Gew.-% Essig-

    sure) bei einer Lagerzeit von 24 Stunden und einer Temperatur

    von 40 C nachgewiesen. Dieser bergang wurde als unvertretbare

    Vernderung des Lebensmittels bewertet. Die Trinkflaschen wurden

    als nicht verkehrsfhig beurteilt.

    Fazit

    Klebeetiketten auf Lebensmittelverpackungen enthalten meist Pho-

    toinitiatoren. Ein bergang der Photoinitiatoren durch das Verpa-

    ckungsmaterial ist grundstzlich mglich und sollte vom Verpacker

    kritisch geprft werden.

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    Die Bedruckung von Kunststoff-Trinkflaschen unter Verwendung

    von Photoinitiatoren scheint kritisch zu sein. Offensichtlich stellen

    einige Kunststoffe keine ausreichende Barriere fr Photoinitiatoren

    dar. Ein Sachverhalt, der am CVUA Stuttgart weiter verfolgt wird.

    Bildernachweis:

    CVUA Stuttgart.

    Autorin:

    Dr. Birgit Gutsche