Burgerlichkeit Und Burgertum Als Problem Der Literatursoziologie

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Burgerlichkeit und Burgertum als Problem der Literatursoziologie Author(s): Peter Uwe Hohendahl Source: The German Quarterly, Vol. 61, No. 2 (Spring, 1988), pp. 264-283 Published by: Blackwell Publishing on behalf of the American Association of Teachers of German Stable URL: http://www.jstor.org/stable/406849 Accessed: 02/02/2010 16:16 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of JSTOR's Terms and Conditions of Use, available at http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp. JSTOR's Terms and Conditions of Use provides, in part, that unless you have obtained prior permission, you may not download an entire issue of a journal or multiple copies of articles, and you may use content in the JSTOR archive only for your personal, non-commercial use. Please contact the publisher regarding any further use of this work. Publisher contact information may be obtained at http://www.jstor.org/action/showPublisher?publisherCode=black. Each copy of any part of a JSTOR transmission must contain the same copyright notice that appears on the screen or printed page of such transmission. JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. Blackwell Publishing and American Association of Teachers of German are collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to The German Quarterly. http://www.jstor.org

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Burgerlichkeit und Burgertum als Problem der LiteratursoziologieAuthor(s): Peter Uwe HohendahlSource: The German Quarterly, Vol. 61, No. 2 (Spring, 1988), pp. 264-283Published by: Blackwell Publishing on behalf of the American Association of Teachers ofGermanStable URL: http://www.jstor.org/stable/406849Accessed: 02/02/2010 16:16

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TRENDS IN LITERARY CRITICISM

PETER UWE HOHENDAHL Cornell University

Biirgerlichkeit und Biirgertum als Problem der Literatursoziologie*

I

Der Gegenstand des folgenden Versuches ist gegenwartig umstritten. Unter Literaturwissenschaftlern kann von einem Konsensus iiber Begriffe wie Biirgerlichkeit und Biirgertum nicht die Rede sein. Vor zwanzig Jahren ware freilich eine solche Fragestellung von jiingeren Literaturwissenschaft- lern emphatisch aufgegriffen worden. In den mittleren sechziger Jahren begannen soziologische und sozialgeschichtliche Problemstellungen inner- halb der Germanistik an Bedeutung zu gewinnen. Der Literatursoziologe gait 1967 zwar unter seinen Fachgenossen immer noch als ein Aul3enseiter, der sich mit Gegenstanden beschaftigte, die aus der Sicht des Faches einen eher marginalen Status hatten, aber diese Vernachlassigung der geschichtli- chen und gesellschaftlichen Dimension wurde von der jiingeren Generation stark empfunden und entsprechend kritisiert.1 Zweifellos waren damals die Tage der werkimmanenten Interpretation gezahlt. Zehn Jahre spater gab es unter Germanisten, auch unter denen, die von marxistischen Experimenten nicht eben viel hielten, kaum noch einen Zweifel fiber die Wichtigkeit des uns beschaftigenden Themas. Die siebziger Jahre standen in der deutschen Literaturwissenschaft, aus Griinden, die ich hier im einzelnen nicht erlautern kann, im Zeichen eines sozialgeschichtlichen Ansatzes. Die Entwicklung einer sozialgeschichtlich orientierten Literaturgeschichte stand allenthalben auf der Tagesordnung.2 Von diesem Elan, der getragen war von der Ge- wiBheit, ein neues und wissenschaftlich fruchtbares Paradigma gefunden zu haben, ist in der Literaturwissenschaft und nicht nur in der deutschen- gegenwartig nicht mehr viel zu bemerken. Es ist kein Zufall, dab3 die sozial- geschichtlich orientierten Literaturgeschichten meist fiber Ansatze nicht hinausgelangt sind, wissenschaftliche "Spekulationsruinen", an die man nicht

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mehr gern zuriickdenkt. Selbst in der DDR, wo ein orthodoxer Marxismus eine sozialgeschichtliche Orientierung geradezu notwendig macht,3 zeichnet sich eine gewisse Miidigkeit ab.

Diese Veranderung des wissenschaftlichen Klimas, die Verlagerung der Forschungsinteressen, hat eine Reihe von Griinden. Einmal hangt sie mit der politischen Tendenzwende zusammen. Sozialgeschichtliche Projekte, besonders solche, die sich mit der aufsteigenden biirgerlichen Literatur des 18. Jahrhunderts beschaftigten, waren nicht zuletzt durch die Reformener- gien der ausgehenden sechziger und friihen siebzigerJahre motiviert worden. Die Wiederentdeckung und Aufwertung zum Beispiel der Aufklarung4 hing ohne Zweifel mit der Emanzipationsbewegung der Dekade zwischen 1965 und 1975 zusammen, mit den Reformbestrebungen im Bereich der Politik, des Bildungswesens und der Sozialstruktur. Solche Projekte verloren an Aktualitat, als diese Reformbewegungen im Sande verliefen, als die sozio- okonomische Realitat das Versprechen auf eine demokratisch-egalitaren Btir- gergesellschaft nicht einloste. Im Kontext einer zunehmend konservativ gewordenen SPD-Regierung und verstarkt natiirlich im Zusammenhang mit einer konservativen CDU-Regierung, die mittlerweile auch in der Wissen- schaft ihre ideologische Unterstiitzung mobilisieren konnte, waren sozialge- schichtliche Projekte nicht mehr gefragt, besonders wenn sie im Ansatz marxistisch oder radikaldemokratisch ausgerichtet waren.

Nicht minder wichtig sind freilich innerwissenschaftliche Ursachen fur die neuerliche Zuriickhaltung gegeniber soziologischen Ansatzen. In der ersten Begeisterung hat die westdeutsche Literaturwissenschaft, die ja nicht gerade auf eine lange und starke Tradition sozialwissenschaftlichen Arbeitens zurickblicken konnte, die theoretischen und methodischen Schwierigkeiten des sozialgeschichtlichen Ansatzes unterschatzt. Die Folge waren gelegent- lich pauschale Urteile und vorschnelle Synthesen, die zwar ungemein anre- gend wirkten, aber einer genaueren Prifung oft nicht standhielten. Auf diese Probleme mochte ich etwas naher eingehen, damit die gegenwartige Unsi- cherheit, Zuriickhaltung, ja zum Teil offene Ablehnung gegeniiber der gesell- schaftlichen Kontextualisierung der Literaturgeschichte deutlicher wird.

Die westdeutsche Germanistik war auf das sozialgeschichtliche Paradigma nicht vorbereitet. Es fehlten weitgehend empirische Untersuchungen, durch die die soziologische Begriffsbildung hatte gefiillt werden k6nnen. Die her- meneutische Tradition, sei sie nun formalistisch oder existentialistisch aus- gerichtet, war auf einen so engen Begriff von Literaritat fixiert (Dichtung), daB fur Untersuchungen, die sich mit der literarischen Produktion beschaf- tigen, etwa mit der Lage der Schriftsteller, dem Verlagswesen, der Organi- sation der Literaturkritik etc., kaum Raum blieb. Das Gleiche gilt in noch hoherem MaBe fir Probleme der literarischen Rezeption. Es gab weder eine empirische Leserforschung, die sich zum Beispiel mit der Strukturie- rung des literarischen Publikums abgab, noch eine kontinuierliche Diskussion iiber den Zusammenhang von literarischer Bildung und Bildungsinstitutionen,

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um nur zwei Beispiele zu nennen. Unter diesen Umstanden hafteten den Versuchen einer gesellschaftlichen Verankerung der Literaturgeschichte nicht selten etwas Abstraktes an. Man ubernahm von den Historikern oder Soziologen sozialgeschichtliche Kategorien, nicht zuletzt Begriffe wie Btir- gertum und Biirgerlichkeit, ohne sich die Inhalte konkret erarbeitet zu haben. Diese Defizite sind freilich mittlerweile zum Teil behoben worden. Die west- deutsche empirische Literatursoziologie hat entschieden aufgeholt; ihre Ein- zeluntersuchungen - ich nenne nur die Bibliotheksforschung5 oder die neue- ren Arbeiten zur Arbeiterkultur6-haben einen hohen Grad an materialer Genauigkeit erreicht, da sie sich auf das miihselige Geschaft der Archivarbeit eingelassen haben. Indes hat sich inzwischen ein neues Problem ergeben: Die fruchtbare Sozialforschung hat sich so weit anderen Gebieten der Ger- manistik entfernt, daB ihre Ergebnisse nicht mehr selbstverstandlich in die literaturgeschichtlichen Synthesen integriert werden.7 Erneut droht hier die Marginalisierung, ein Positivismus, der den Stellenwert seiner Ergebnisse nicht mehr reflektiert.

Aber es waren nicht nur die fehlenden empirischen Vorarbeiten, durch die das sozialgeschichtliche Paradigma problematisch wurde. Die ungelosten methodischen Probleme waren womoglich noch belastender. Genau besehen namlich grfindete sich das sozialgeschichtliche Paradigma nicht auf eine, sondern auf eine Anzahl von heterogenen und entsprechend nicht kompati- blen Gesellschaftstheorien und ihnen entsprechenden Methoden. Sie reich- ten vom orthodoxen Marxismus, der durch die Lukacs-Renaissance gefordert wurde, iiber die Theoreme der Frankfurter Schule, bis zu empirischen Modellen. Nicht selten wurden diese verschiedenen Theoreme in derselben Darstellung eklektisch gemischt, eine Einstellung, die in der Einzeluntersu- chung durchaus fruchtbar sein konnte, sich auf das theoretisch-methodische Bewultsein jedoch nachteilig auswirken muBte. Besonders in von Autoren- kollektiven geschriebenen sozialgeschichtlich orientierten Literaturgeschich- ten machte sich diese Vielfalt von nicht vereinbaren Methoden negativ be- merkbar.

Es besteht bis heute in der Literaturwissenschaft kein Konsens dariiber, wie eine sozialgeschichtliche Literaturgeschichte auszusehen hatte. Diese Aporie hat zu einer Erniichterung innerhalb des Faches gefiihrt. Die Vertre- ter der Sozialgeschichte befinden sich in der Defensive denjenigen gegen- iiber, die entweder argumentieren, daB dieser Ausflug in die kontextuelle Arbeit die Literaturgeschichte von ihrer eigentlichen Aufgabe nur abgelenkt habe, und die entsprechend die Riickkehr zum literarischen Text fordern, beziehungsweise einwenden, daB die ungelosten theoretischen Probleme einer sozialgeschichtlichen oder soziologischen Orientierung im allgemeinen so gravierend seien, daB die Literaturwissenschaft von einer solchen Per- spektive Abstand nehmen sollte. Ohne Zweifel hat sich in den letzten fiinf Jahren die Kluft zwischen der Literaturwissenschaft und der Geschichtswis- senschaft bzw. der Soziologie wieder vergrolert.

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Die spezifischen Griinde fur diese Distanzierung, die sich besonders in den theoretischen Diskussionen der achtziger Jahre gezeigt hat, mochte ich noch etwas genauer bestimmen. Die Historiker und Sozialwissenschaftler mogen sich wundern, daB die Germanisten durch die Tatsache irritiert sind, da3 es eine Vielfalt von Gesellschaftstheorien gibt, an die sich die Literatur- soziologie anlehnen kann. Die Geschichtswissenschaft befindet sich ohne Zweifel in einer ahnlichen Lage- auch hier gibt es kein verbindliches gesell- schaftstheoretisches Modell, das dann von allen Historikern angewandt wird. Fur die Literaturwissenschaft entsteht jedoch ein zusatzliches Problem, namlich das der Korrelation oder der Vermittlung. Methodisch unterscheiden wir zwei Operationen: In einem ersten Schritt beschreibt und kommentiert die Literaturwissenschaft literarische Texte, der zweite Schritt besteht dann darin, diese Beschreibungen und Deutungen auf die Sozialgeschichte zu beziehen. Dabei stellt sich nun heraus, daB sich die Zielrichtung und das Ergebnis der sozialgeschichtlichen Literaturforschung mit dem gesellschafts- theoretischen Modell fndert, das zugrunde gelegt wird. Eine solche Abhan- gigkeit schafft Verwirrung: sie beunruhigt und frustriert, weil die empiri- schen Forschungsdivergenzen jeweils wieder Grundlagenprobleme aufrei- Ben.

Vertreter der empirischen, der marxistischen und Kritischen Literaturso- ziologie konnen sich nicht einmal darauf einigen, was denn der Gegenstand und das Ziel ihrer Untersuchungen sein soil. Um ein Beispiel zu geben: Der Begriff der biirgerlichen Literatur ist fur den Marxisten ein historisch-gesell- schaftlicher Begriff, d.h. er wird determiniert durch die gesellschaftliche Klasse, in deren Zusammenhang diese Literatur produziert wird. Ihre Inhalte wie ihre Formen verleihen dieser Klasse Ausdruck, und zwar in verschiede- ner Weise, je nach dem, ob das Biirgertum eine aufsteigende, eine herrschen- de oder eine absteigende Klasse ist. Der empiristische Literatursoziologe wiirde eine solche globale Verwendung des Begriffs zweifellos nicht billigen. Und zwar wird er den Gebrauch in zweifacher Hinsicht einschranken: Einmal wird er den Begriff der biirgerlichen Klasse zuriickweisen und statt dessen von biirgerlichen Gruppen und Schichten sprechen, zum anderen wiirde er zumindest offen lassen, ob die von den Mitgliedern dieser Gruppen produ- zierte und rezipierte Literatur biirgerlich ist. Die altere empirische Literatur- soziologie verweigert Aussagen iiber den Charakter von literarischen Tex- ten, sie beschrankt sich vielmehr auf die empirisch erfal3baren Literaturtra- ger, d.h. sie ist Autoren- oder Publikumssoziologie.8 Fiir die Vertreter der Kritischen Theorie schlief3lich ist gerade diese Frage, wie Adomo gegen Alfons Silbermann eingewandt hat,9 belanglos. Fur die Kritische Theorie ist nur die Struktur des literarischen Texts ausschlaggebend. Dann lautet die Frage: Durch welche formalen und inhaltlichen Elemente wird ein Werk zu einem biirgerlichen? Adorno wirde freilich auch diese Frage nur bedingt als sinnvoll zulassen, und zwar nur dann, wenn der Begriff der biirgerlichen Gesellschaft in Zusammenhang gebracht wird mit dem des Kapitalismus.

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Anders gesprochen: ftir die Kritische Theorie besteht die sozialgeschichtli- che Interpretation darin, den Text im Lichte der gesamtgesellschaftlichen Struktur zu lesen, wobei der gesellschaftliche Status der Produzenten, bzw. der Rezipienten relativ bedeutungslos ist.

Angesichts dieser Widerspruche hat sich in der literaturwissenschaftli- chen Diskussion eine skeptische Einstellung durchgesetzt, die das ganze Unternehmen der sozialgeschichtlichen Orientierung zumindest in Frage stellt. Nicht zuletzt die extensive Diskussion um die Birgerlichkeit der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts'? hat gelegentlich das Gefiihl hinter- lassen, da3 diese Fragestellung sich ersch6pft hat. Ob man einen literarischen Text in dieser oder jener Weise sozialgeschichtlich verrechnet, scheint zu seiner Erkenntnis nicht unbedingt beizutragen. Mir scheint, da3 diese nega- tive Abwehrhaltung dazu neigt, das Kind mit dem Bade auszuschitten. Es ist sicher richtig, voreilige Ergebnisse in Frage zu stellen und methodische wie theoretische Bedenken zu klaren. Davon ist dagegen zu unterscheiden eine pauschale Blockierung sozialgeschichtlicher Fragestellungen, die irratio- nale Formen annimmt.

II

Fragen wir uns also mit Niichternheit, worin der literaturwissenschaftliche Beitrag zu unserem gemeinsamen Projekt bestehen kann. Ich mochte so verfahren, daJ3 ich eine Reihe von Ansatzen andeutend vorstelle und ihre forschungsstrategischen Vor- und Nachteile diskutiere. Lassen Sie unsjedoch mit einer allgemeineren Frage beginnen: Was ist an der biirgerlichen Literatur des 19. Jahrhunderts in Deutschland biirgerlich? Was meint man, wenn man sie als "biirgerlich" anspricht? Aus der Sicht der Sozialgeschichte kann der Ausdruck "biirgerlich" bekanntlich durchaus Unterschiedliches beinhalten.1 Als Birgertum kann man das traditionelle Stadtbiirgertum ansprechen, aber auch, zumindest seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, gerade die dieser Gruppe nicht zugehdrigen Schichten, namlich die Gelehrten und Beamten, die spater dem sogenannten Bildungsburgertum zugerechnet werden, und schlie3lich das auflerhalb der traditionellen Stadtverfassung entstehende Wirtschaftsbiirgertum. In der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts werden diejenigen Gruppen, die das Zentrum des alten Stadtbtirgertums ausmach- ten, namlich die Handwerker und kleinen Handler, vom Biirgertum abge- trennt, jedenfalls als eine besondere Schicht behandelt. So kann der Begriff der birgerlichen Literatur verschiedenen Gruppen zugerechnet werden. Daneben k6nnen wir natiirlich auch von der Gesamtheit der birgerlichen Gesellschaft sprechen und entsprechend die Frage erwagen, ob dieser Ge- sellschaftstypus, im Unterschied zur feudalen Gesellschaft etwa, auch eine bestimmte Art von Literatur hervorgebracht hat. Im groBen und ganzen hat die Literaturwissenschaft, so scheint mir, die letztgenannte Variante des Be- griffs birgerlich bevorzugt. Das gilt besonders fur textorientierte Ansatze,

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die sich die Frage vorlegen, ob und in welcher Weise die Struktur eines literarischen Textes durch die Totalitat der Gesellschaft determiniert wird.

Nun stellt freilich der textbezogene Ansatz nur eine Variante im Spektrum der Literatursoziologie dar. Auch aus der Perspektive der Literaturwissen- schaft laiBt die von mir gestellte Frage mehrere Auslegungen zu. Von einer "birgerlichen Literatur" kann gesprochen werden (1) im Hinblick auf ihre Produzenten oder ihre Produktionsweise, (2) im Hinblick auf ihre Rezipienten oder ihre Konsumtion und schliefllich (3) im Hinblick auf ihre Struktur. Die Praferenz fur eine dieser Auslegungen wird notwendig das gesamte Projekt prajudizieren, i.e. bestimmte Problemstellungen als sinnvoll und wichtig sug- gerieren, wahrend andere als marginal ausgeschieden werden. Mehr noch: jede der von mir angedeuteten Auslegungen enthalt bestimmte, nicht weiter explizierte Annahmen iiber Literatur und literarische Texte. Bei der Bespre- chung der verschiedenen Ansatze m6chte ich auf diese Pramissen eigens hinweisen, da sie ffr die Beantwortung der Frage, ob ein bestimmter Ansatz sinnvoll ist oder nicht, eine wichtige Rolle spielen.

Wahrend sich die Sozialhistoriker vor allem dariiber Gedanken gemacht haben, ob die Begriffe Burgertum und biirgerlich forschungsstrategisch sinn- voll sind, hat sich das Interesse der Literaturwissenschaft eher der Frage zugewandt, welche Probleme mit dem Schreiben von Literaturgeschichte verbunden sind, anders gesprochen, welchen Status die in die Darstellung eingehenden Kategorien wie Werk, Autor, Leser, Gattung, Form etc. haben.13 Unter diesen Umstanden ist es nicht mehr evident, daB zum Beispiel das Operieren mit traditionellen soziologischen Begriffen wie Klasse, Schicht oder Gruppe, die in der sozialgeschichtlichen Diskussion unproblematisch verwendet worden sind, noch ohne weiteres tibernommen werden kann. Zumindest gibt es Theorien, in denen das nicht mehr geschehen kann.

Eine M6glichkeit, biirgerliche Gesellschaft und Literatur in Zusammen- hang zu bringen, ist die Untersuchung von Themen und Motivkomplexen in literarischen Texten, vorzugsweise in erzahlender Prosa. Diese Inhaltssozio- logie braucht sich keineswegs auf die Beschreibung und Katalogisierung von Charakteren, Motiven und Themen zu beschranken, sie enthalt ein betracht- liches kritisches Potential, wenn sie die literarische Darstellung, etwa das Verhaltnis zwischen Mittelklasse und Aristokratie im Roman, mit den tatsach- lichen sozialgeschichtlichen Verhaltnissen vergleicht. Unschwer liel3e sich beispielsweise an dem Romanen der Marlitt zeigen, daB die Bezeichnung zwischen dem Bildungsburgertum und dem "echten" Adel harmonisiert wird, wahrend die Rolle der B6sen entweder verstockten Hofaristokraten oder materialistischen Financiers und Industriellen zufallt.13 Der Vergleich der erzahlten Welt mit der Sozialgeschichte macht deutlich, daB die Autorin in ihren Erzahlungen bestimmte Interessen vertritt, namlich die idealisierten Wertungen und Anspriiche des Bildungsbiirgertums, das sich auf der einen Seite noch durch das Wertsystem des Hofadels irritiert fiihlt, sich aber auf der anderen Seite auch durch die Wirtschaftsbourgeoisie bedrangt weil3.

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Dieser Ansatz ist iibrigens nicht auf eine bestimmte Gesellschaftstheorie beschrankt. Die literarischen Analysen des mittleren Lukacs folgen zum guten Teil diesem inhaltsbestimmten Zugriff,14 aber auch ideologiekritische Untersuchungen aus dem Lager der Frankfurter Schule k6nnen diesen An- satz benutzen. Leo Lowenthals ideologiekritische Arbeit uiber Knut Hamsun sei als klassisches Beispiel angefuihrt.15 InJochen Schulte-Sasses und Renate Werners instruktivem Aufsatz zu Eugenie Marlitts Roman Im Hause des Kommerzienrats ist dieses Verfahren durch die von Umberto Eco ubernom- menen Moglichkeiten einer semiotischen Analyse noch verfeinert worden.16 Gleichwohl bleiben solche Untersuchungen an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Sie unterstellen explizit oder implizit, daB funktionale Literatur die wirkliche Welt widerspiegelt. Ohne die Oppositionsbildung Realitat/Fik- tion und die weitere Annahme, daB die erzahlte Welt die wirkliche abbilden kann und soil (Realismus), kommt dieser Ansatz um seine kritische Pointe. Anders gesprochen: die Inhaltssoziologie ist nur fur einen Teilbereich von literarischen Texten fruchtbar, namlich mimetische, spezifisch realistische Literatur. Wird dieses Verfahren auf nicht-mimetische Textsorten ange- wandt, wird sie sich kaum als effektiv erweisen. Ferner enthalt der inhalts- soziologische Ansatz eine weitere Voraussetzung. Unterstellt wird namlich, daB die gesellschafts-geschichtlichen Phanomene und Strukturen fur den kritischen Betrachter unmittelbar zuganglich sind. Ihre Darstellung durch die Historiker wird als Abbildung von Wirklichkeit angesehen. Nimmt man jedoch an, daB historische Darstellungen nicht weniger Narrationen sind als fiktionale, daB sie, anders gesprochen, bestimmten rhetorischen Mustern folgen,17 dann verliert der kritische Vergleich viel von der Eindeutigkeit, welche ihm in traditionellen ideologiekritischen Arbeiten zugeschrieben wird. Die historische Wahrheit ("wie es gewesen ist") zieht sich hinter den Text zuriick. Will man sie greifen, st6o3t man erneut auf einen Text, der entschliis- selt werden muB.18

Aus den genannten Griinden iiberrascht es nicht, daB die Inhaltssoziologie in der rezenten Literaturwissenschaft in den Hintergrund getreten ist. Doch schon vor dem Auftauchen strukturalistischer Texttheorien sah sie sich einem wichtigen Einwand ausgesetzt: dem Vorwurf ihrer Blindheit fur den spezifisch asthetischen Charakter literarischer Kunstwerke. Sie mag dem Historiker und Soziologen helfen, gesellschaftliche Zusammenhange zu erhel- len, aber sie leistet, so lautet das vertraute Argument, keinen Beitrag zur Erkenntnis der literarisch-asthetischen Struktur. Die Beantwortung der Fra- ge "Was ist birgerliche Literatur?" darf daher nicht auf Themen und Motive verweisen, sondern mul3 sich auf diejenigen Elemente eines Textes beziehen, durch die seine Literaritat bestimmt wird, d.h. auf formale.19 Im Bereich der deutschen Literaturtheorie war es der junge Georg Lukacs, der dieses Prinzip in seiner Theorie des Romans (1916) durchgesetzt hat. Ihm folgen die Untersuchungen von Benjamin, Adorno, Peter Szondi, um nur einige Namen zu nennen. In der Theorie des Romans argumentiert Lukacs, daB

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die Gattung des Romans, seine Struktur wie seine spezifischen formalen Eigenschaften, historisch determiniert sind. Nur in einer modernen, neuzeit- lichen Gesellschaft, die durch den Verlust der metaphysischen Bindungen, durch Individualisierung und Entfremdung gekennzeichnet ist, konnte diese Gattung entstehen. Lukacs unterscheidet dann im zweiten Teil seiner Unter- suchung mehrere Typen des Romans. Seine Typologie entspricht in groben Zigen der historischen Entwicklung, d. h. die geschichtlichen Veranderungen schlagen sich in der Form nieder. Der Typ des Desillusionsromans im 19. Jahrhundert korrespondiert z.B. einer entwickelten modernen (kapitalisti- schen) Gesellschaft--aber nicht, weil diese Romane sich inhaltlich auf diese Gesellschaft beziehen, sondern weil die gesellschaftliche Struktur sich in einer neuen Problemkonstellation und einer veranderten Erzahlweise aus- driickt. Szondi verfihrt ganz ahnlich, wenn er in seiner Theorie des modernen Dramas die formalen Innovationen des modernen Theaters ableitet aus dem Widerspruch zwischen der klassischen Form des Dramas und den aus der Gesellschaft eindringenden neuen Inhalten.

Der formalsoziologische Ansatz hat gegeniiber einer inhaltsbezogenen Methode aus der Sicht der Literaturwissenschaft offensichtliche Vorteile. Er befreit uns von der Unterstellung einer inhaltlichen Widerspiegelung. Die Rede davon, daB sich bestimmte gesellschaftliche Probleme in der literari- schen Form niederschlagen, daB sie etwa eine Gattung wie das Drama formal verandern, verengt die Untersuchung nicht auf inhaltliche Analogien. Der soziale Problemdruck artikuliert sich in asthetischen Innovationen, die prima facie mit der Sozialgeschichte nichts zu tun haben. Der Preis fur die Verfei- nerung des soziologischen Instrumentariums ist freilich ein hoher Abstrak- tionsgrad, in dem die konkreten historischen Ereignisse und Probleme nicht mehr eingebracht werden konnen. Das literarische Werk wird im Zusammen- hang seiner gesellschaftlichen Totalitat gelesen, als ihr Ausdruck verstanden, und nicht auf spezifische Ereignisse zuriickgefiihrt. In diesem Sinne ware dasjenige Kunstwerk ein burgerliches Kunstwerk, in dem sich die Problema- tik der burgerlichen Gesellschaft am vollstandigsten und radikalsten artiku- liert. Ob das biirgerliche Publikum dieses Werk schatzt, ist daher gleichgiiltig. Die Ablehnung eines Romans wie Flauberts Madame Bovary durch das biirgerliche Publikum seiner Zeit indiziert nur die Differenz zwischen dem konventionellen burgerlichen Wertsystem des mittleren 19. Jahrhunderts und der tatsachlichen sozio-psychischen Problematik.20

Aus der Sicht der Sozialgeschichte stehen diesen Vorteilen unverkennbare Nachteile gegeniber: Wird im formalsoziologischen Ansatz eine Beziehung/ Korrelation hergestellt zwischen der Struktur eines literarischen Textes beziehungsweise einer Gattung und der gesellschaftlichen Totalitat, so liegt der Erkenntnisgewinn in der Artikulation dieser Vermittlung, nicht in der Dokumentation sozialgeschichtlicher Phanomene. Der Historiker, der die Ausdifferenzierung zwischen Bildungsbiirgertum und Wirtschaftsbourgeoisie in der Literatur verfolgen mochte, wird in den Arbeiten von Adorno oder

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Szondi kaum eine Hilfe finden. Natiirlich wiirden Adorno und Szondi ohnehin einwenden, daB eine solche Auswertung der Literatur, wie sie der Historiker wiinscht, von vornherein unangemessen ist, weil sie die Autonomie astheti- scher Gebilde verfehlt.21 Erst auf der Basis einer die Kunstautonomie in Rechnung stellenden Analyse kann eine sozio-literarische Vermittlung ins Auge gefalt werden.

Dieser Einwand zwingt uns, die Frage "Was ist burgerliche Literatur?" neu zu iiberdenken. Wenn die fiktionale Literatur einen autonomen Bereich darstellt, der mit der empirischen Welt ohnehin nicht zu vergleichen ist, dann scheint es zwischen der Literaturwissenschaft und der Geschichtswis- senschaft keine Verbindung zu geben. Jede Disziplin folgt ihrem eigenen Diskurs und bleibt sich bewult, dalb man selbst dann, wenn man ahnliche Begriffe benutzt, Verschiedenes meint. Wir haben diese Aporie ernst zu nehmen, doch ist sie meines Erachtens nicht uniiberwindlich. Denn die asthetische Autonomie ist selber historisch determiniert, sie ist das Ergebnis einer relativ genau datierbaren Freisetzung der Kunst aus dem gesellschaft- lichen Zweckzusammenhang. Es handelt sich, wie Peter Burger im Anschlufl an Adorno und Habermas gezeigt hat, um eine Institutionalisierung, die Hand in Hand geht mit der Auflosung der standischen Gesellschaft und der Entwicklung einer Gesellschaftsformation, in der Beziehungen weitgehend uiber den kapitalistischen Markt vermittelt sind.22 In diesem Zusammenhang entsteht ein veranderter Begriff von Kunst, der sich in der Klassik und Romantik auch theoretisch artikuliert. Es scheint mir sinnvoll zu sein, diese Literatur als burgerlich zu bezeichnen, auch wenn sie ihrer Intention nach oft eine Kritik der neuen Gesellschaft enthalt. Diese Bezeichnung ist indes mit gewissen Problemen belastet. Vor allem ist sie temporal wie auch schich- tenspezifisch wenig differenziert. Sie wiirde zeitlich den Raum von ungefahr 1800 bis zum Ersten Weltkrieg umfassen, ohne die tiefgreifenden Verande- rungen wahrend des 19. Jahrhunderts im einzelnen zu erfassen; sie wiirde ferner fast die gesamte literarische Produktion dieser Epoche auf diesen einen Begriff bringen. Dieser Mangel an Differenzierung reduziert offensicht- lich den Erkenntniswert der Kategorie burgerlich.

III

Dieser Verlust scheint mir freilich in erster Linie eine Frage der Nomen- klatur zu sein. Die sachliche Einsicht in die Ausbildung einer neuen Institutio- nalisierung von Kunst wird dadurch nicht verringert. Diese Problematik des Begriffes burgerlich, die uns ja von Anfang an begleitet hat, sollte uns jedoch vielleicht ermutigen, einen veranderten Ansatz zu wahlen, einen Ansatz, der nicht mehr von Schichten oder Klassen ausgeht und dann durch Verglei- chen eine Abhangigkeit herstellt, sondern von gesamtgesellschaftlichen Pro- zessen ausgeht, um dann die Frage zu stellen, wie die Literatur, Musik oder

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HOHENDAHL: Birgerlichkeit und Birgertum

Malerei im Kontext des Systems steht. Diese Beachtung wiirde den System- charakter gegeniiber dem klassenspezifischen Charakter einer modernen Gesellschaft favorisieren. Damit mochte ich nicht behaupten, daB die Klassen und ihre Untergruppen im 19. Jahrhundert keine Bedeutung mehr haben. Eher geht es darum, daB sie gesamtgesellschaftlichen Prozessen unterwor- fen werden, in denen sie Objekte sind.

Im Anschlul an Max Weber und Adorno hat Jiirgen Habermas in seiner Theorie des kommunikativen Handelns (1981) den Begriff der modernen (neuzeitlichen) Kunst im Kontext einer gesamtgesellschaftlichen Ausdifferen- zierung vorgestellt. Ausgehend von Webers Begriff der Rationalisierung als des Schliisselbegriffs fur die Entstehung der modernen westlichen Gesell- schaft unterstreicht Habermas die Abkoppelung der Kunst von den anderen Lebensbereichen als eine (nicht mehr zuriicknehmbare) Ausdifferenzierung und beruft sich auf Webers Feststellung: "Die Kunst konstituiert sich nun als ein Kosmos immer bewu3ter erfal3ter selbstandiger Eigenwerte".23 Eine ahnliche Verselbstandigung unter dem Vorzeichen der Rationalisierung er- blickt Weber bekanntlich auch in der Konstituierung einer von der Moral getrennten rechtlichen Doktrin. Freilich hat die Kunst eine besondere Funk- tion. Die Freisetzung der Kunst kommt der methodisch-expressiven Ausle- gung "der von den Alltagskonventionen des Erkennens und Handelns freige- setzten Subjektivitat"24 zugute. Damit betont Weber die kompensatorische Funktion der Kunst, die "innerweltliche Eriosung vom Alltag und vor allem auch von dem zunehmenden Druck des theoretischen und praktischen Ratio- nalismus".25 Die von Habermas ubernommene systematische Ausdifferenzie- rung von Moral, Recht und Kunst betont mit der Eigenstandigkeit der Dis- kursform auch die Uniibertragbarkeit und Unvergleichbarkeit der jeweiligen Einsichten. Es kommt zu einer Ausdifferenzierung von drei Wertspharen, "die jeweils einer eigenen Logik folgen".26 Diese Betrachtungsweise lenkt das Augenmerk nicht mehr primar, wie noch Adorno, auf das einzelne Kunst- werk, sondern auf die Institution Kunst, den Kunstbetrieb, wie sich Haber- mas ausdriickt. Darunter versteht er auf der einen Seite die Kunstproduktion mit ihren Organisationen, auf der anderen Seite die Mechanismen der Ver- teilung und der Rezeption. Auf diese Weise wird der Kunst- und Literaturso- ziologie ein Arbeitsbereich zugewiesen, der sich betrachtlich von der tradi- tionellen Inhalts- und Formensoziologie unterscheidet. Wir konnen von einem institutionsgeschichtlichen Ansatz sprechen. (Wobei es mir hier nicht einmal darauf ankommt, ob der Begriff der Institution im Anschluf an Weber und Parsons oder im AnschluB3 an Gramsci, Althusser und Raymond Williams bestimmt wird. )27 Die Kategorie der Institution favorisiert die Untersuchung von Teilinstitutionen und ihren Organisiationen, aus denen sich der Bereich der autonomen Kunst aufbaut. Selbstverstandlich gehort zu diesen Teilinsti- tutionen auch die Kunsttheorie/Asthetik als die legitimierende Ideologie. (Freilich darf man diese Ideologie nicht mit der Institution Kunst gleichsetzen, wie dies Peter Burger gelegentlich tut.)

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Diese Verlagerung und Umdeutung des literatursoziologischen Projekts hat nun eine Reihe von signifikanten Konsequenzen, iiber die wir uns Klarheit verschaffen miissen. In dem MaB3e, wie das Verstandnis der Gesellschafts- geschichte sich auf die Ausdifferenzierung von Kulturbereichen konzentriert, denen auf der anderen Seite die Ausdifferenzierung von Staat und Okonomie entspricht, treten stratifikatorische Merkmale in den Hintergrund. Das Schicksal der gesellschaftlichen Gruppen wird dann untersucht in bezug auf ihre Stellung und Funktion im Kontext der gesamtgesellschaftlichen Rationa- lisierung und Modernisierung. Nimmt man mit Weber an, daB die Kunst, sobald sie aus dem religiosen Zusammenhang entlassen wurde, einen eigen- standigen Wertbereich darstellt, dann ist es nicht sinnvoll, nach der "burger- lichen Literatur" zu fragen, wenn wir darunter die literarische Produktion einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe verstehen. Vielmehr wiirden wir die Richtung der Untersuchung umkehren und fragen, ob und in welcher Weise bestimmte gesellschaftliche Gruppen an den Teilinstitutionen der Kunst partizipieren. Spezifisch auf die Literatur gewandt, wirde die Frage lauten: In welchem MaB3e sind bestimmte gesellschaftliche Gruppen, etwa das Bildungsbiirgertum oder das Kleinburgertum in den literarischen Betrieb integriert? An welchen Teilinstitutionen nehmen sie teil? In welchen Teilin- stitutionen iiben sie beispielsweise die Hegemonie aus? Wie wirken sich Kampfe zwischen zwei Gruppen aus? Es ist durchaus m6glich, daB bestimmte Konflikte, die sich im gesellschaftlich-wirtschaftlichen Bereich abspielen, im Literaturbetrieb keine Spuren hinterlassen, wie natiirlich umgekehrt Span- nungen und Konflikte innerhalb der Institution Literatur oder einer ihrer Teilinstitutionen im staatlichen oder wirtschaftlichen Bereich nicht notwendig artikuliert werden.

Ich mochte wenigstens ein Beispiel anftihren, um die Folgen der Umorien- tierung zu veranschaulichen. Die traditionelle Leserforschung, die auf ein Klassen- oder Schichtenmodell eingeschworen war, ging entsprechend davon aus, daB bestimmte gesellschaftliche Gruppen ein homogenes Leseverhalten entwickeln, das sich in unter anderem in Lektiirepraferenzen niederschlagt. So hat man nach gro3biirgerlichen, kleinburgerlichen und proletarischen Lesestoffen gesucht. Neue empirische Arbeiten zu den Leihbibliotheken des 19. Jahrhunderts haben jedoch gezeigt, da3 dieses stratifizierende Modell mit dem Leseverhalten der Bevolkerung in dieser Epoche nicht iiberein- stimmt. Autoren und Werke lassen sich nicht einfach schichtenspezifisch einteilen.28 Derselbe Autor, der bei den Massen popular ist, kann sich gleich- zeitig groBer Beliebtheit bei der Oberschicht erfreuen. Ahnliches ware iiber bestimmte Gattungen zu sagen, etwa Reisebeschreibungen.

Sobald wir mit einem Ausdifferenzierungsmodell arbeiten- anstelle eines traditionellen Schichten- oder Klassenmodells - ergeben sich neue Moglich- keiten, sozio-literarische Beziehungen zu untersuchen, aber auch neue Pro- bleme. Ein solcher Ansatz, der strategisch von Institutionen ausgeht, hat einen grundlegenden Vorteil: Er iiberwindet die herkommliche Dichotomie,

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HOHENDAHL: Burgerlichkeit und Burgertum

derzufolge Kunst und Gesellschaft zwei verschiedenen Bereichen angeh6ren, die folglich mit einander in Beziehung gesetzt werden miissen. Nunmehr ist die Literatur, ihre Produktion wie ihre Verbreitung und Rezeption, selbst das Gesellschaftliche. Dieses Umdenken sollte sich auch in der Forschungs- praxis auswirken. Es bedeutet nun keineswegs, wie man vielleicht vermuten konnte, daB die historische Arbeit von vorn beginnen muB3, well die alteren Arbeiten unter dem veranderten theoretischen Gesichtspunkt ihren Wert verloren haben. Vielmehr bedarf es einer revisionistischen Lektiire ihrer Ergebnisse. Das gilt nicht zuletzt fur die alteren empirischen Arbeiten zum literarischen Leben. Studien wie diejenige von Ernest K. Bramstedt fiber Adel und Mittelklasse in Deutschland, die zuerst 1937 erschien,29 sind nach- wievor niitzlich, falls sie kritisch ausgewertet werden. Brauchbar sind vor allem diejenigen Teile der genannten Arbeit, die sich mit dem literarischen Leben beschaftigen, wahrend die inhaltssoziologischen Untersuchungen, in denen auf der Grundlage eines Schichtenmodells die Handlung und die Figu- ren in zeitgen6ssischen Romanen analysiert werden, mit grol3erer Vorsicht aufzunehmen sind.

Im allgemeinen wird unser Projekt von der seit den ausgehenden sechzi- ger Jahren stark angewachsenen historischen Leserforschung profitieren.30 Das gilt besonders fir das Verstandnis der Verteilungsmechanismen, also Untersuchungen zum Buchmarkt und zum Bibliothekswesen, aber auch fir die Erkenntnis des Leseverhaltens. Je naher wir an die Gegenwart herankom- men, desto mehr Daten stehen uns natiirlich zur Verfiigung, folglich ist gegenwartig das spate 19. und friihe 20. Jahrhundert entschieden besser erforscht als die Jahrzehnte vor der Reichsgriundung.

Gelegentlich ist von Anhangern der Hermeneutik die Frage aufgeworfen worden: Wie kann man uberhaupt stichhaltige Aussagen fiber das Lesever- halten im 19. Jahrhundert machen? Es ist ja nicht mehr m6glich, die damaligen Leser zu befragen. Zweifellos versagen die von der empirischen Leserfor- schung entworfenen Strategien und Techniken, um Leseverhalten quantitativ wie auch qualitativ zu iiberpriifen.31 Es gibt jedoch Quellen, die uns einen Eindruck von dem normierten Erwartungshorizont einer Epoche vermitteln. Einmal ware hier der zeitgen6ssische padagogische Diskurs zu beriicksich- tigen, d.h. die lebhafte Diskussion fiber die Schullektiire der Jugend, die jeweils sehr differenziert gefiihrt wurde im Hinblick auf die verschiedenen Schultypen.32 Hier wurde ja nicht nur debattiert, welche Autoren und Werke gelesen werden sollen (Kanon), sondern gleichzeitig gefragt, wie und mit welchem Ziel gelesen werden soil. Anders gesprochen: die Institution Schule normiert den Umgang mit Literatur sowohl in der Selektion als auch in der Form der Lektiire. Natiirlich ist die Schule nicht die einzige Institution, die normierend in das literarische Leben eingreift, daneben waren sicher die Kirche und ebenfalls (infolge der Zensurpolitik) der Staat zu nennen. Beide Konfessionen verfolgen, besonders seit der Mitte des 19. Jahrhun- derts, eine aktive Kultur- und Literaturpolitik. Damit ist freilich die Zahl der

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normierenden Institutionen keineswegs erschopft. Jiingst hat Giinter Hantz- schel auf die zahlreichen Anstandsbiicher und Lebenshilfen hingewiesen, die im 19. Jahrhundert einen betrachtlichen EinfluB auf gesellschaftliches und kulturelles Verhalten hatten.33 Diese Biicher vermitteln ihren Lesern unter anderem auch Vorstellungen iiber den angemessenen Umgang mit der sch6nen Literatur. Diese Ratschlage konnen sehr spezifisch ausfallen, wenn bestimmte Gruppen angesprochen werden. Hantzschel hat beispiel- haft die intendierte literarische Sozialisierung junger Frauen anhand von Anstandsbiichern aus der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts dokumen- tiert.

Solche Diskurse fiber Lesegewohnheiten und Lektiirenormen lassen sich durch Archivarbeit genau rekonstruieren. Nur muB man sich vor einer vor- schnellen sozialgeschichtlichen Hochrechnung hiiten. Die genannten Diskur- se sind nicht ohne weiteres auf eine bestimmte Klasse oder Schicht zu beziehen. So ware es meines Erachtens problematisch, die Lektiireerwartun- gen des Gymnasiums einfach als "biirgerlich" zu bezeichnen. Eine solche Bezeichnung ware nicht falsch, aber sie ist nicht hinreichend, denn die Zusammensetzung der Schiilerschaft ist bekanntlich komplexer--wobei iiberdies noch genau unterschieden werden mulJ zwischen Unter- und Ober- stufe.34 Ohne Zweifel sind diejenigen Gruppen, an die man sich gewohnt hat, unter dem Namen "Bildungsbiirgertum" zusammenzufassen, stark repras- entiert, im Vergleich mit dem Kleinbiirgertum auf der einen Seite und der Bourgeoisie auf der anderen, aber man kann nicht argumentieren, daB3 der vom Gymnasium vertretene Bildungsbegriff und der damit verbundene Li- teraturkanon sich in seiner Wirkung auf eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe beschrankt. Die im Gymnasium gepflegten literarisch-asthetischen Werte und Normen strahlen in verschiedener Starke in die verschiedenen Gesellschaftsgruppen aus, am starksten in das Bildungsbiirgertum, in ge- ringerem MaBe (namentlich im friihen 19. Jahrhundert) in das Wirtschaftsbiir- gertum und noch weniger in das traditionelle Kleinbiirgertum. Dabei miissen wir uns zusatzlich vor Augen ffihren, dal diese Teilhabe der verschiedenen Gruppen sich wahrend des 19. Jahrhunderts betrachtlich verandert, wie an der Zusammensetzung der Schiilerschaft des Gymnasiums abzulesen ware. Diese zentrale Stellung des Bildungsbiirgertums kann indes auch umgekehrt gelesen werden. Aus der Perspektive eines institutionalen Ansatzes konnen wir argumentieren, daB3 die Institution Gymnasium den gesellschaftlichen Komplex Bildungsbiirgertum uiberhaupt erst schafft, indem sie bestimmte professionelle Gruppen wie die Rechtsanwalte und Richter, die Pfarrer, Arzte und Lehrer zusammenschweilBt. Durch den vorgeschriebenen Besuch des Gymnasiums wird ein relativ umgrenzter Begriff von Bildung, in dem unter anderem der Umgang mit griechischer, lateinischer und deutscher Lite- ratur eine bedeutende Rolle spielte, zur Voraussetzung fur die professionelle Laufbahn. Jenseits der fachspezifischen Ausbildung, die spater auf der Uni- versitat erfolgt, ist die vorgeschriebene Gymnasialbildung das gemeinsame

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HOHENDAHL: Burgerlichkeit und Biirgertum

Band fur diese professionelle Gruppen, unter anderem wohl auch ein Index fir ihren gesellschaftlichen Status.

IV

Ich habe ein Beispiel herausgegriffen, um zu zeigen, in welcher Weise empirisch-historische Untersuchungen fiber den padagogischen und mora- lisch-kulturellen Diskurs der Epoche eingebracht werden konnen in ein Mo- dell, das von der Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft ausgeht. Unser Beispiel bezog sich auf den Bereich des literarischen Lebens, beson- ders auf die Rezeption von Literatur. Wie steht es dagegen mit den literari- schen Texten selbst? Welchen Beitrag kann die Textsoziologie leisten, d.h. ein Verfahren, das mit dem literarischen Werk beginnt und dieses entweder inhaltlich oder formal auf seine gesellschaftliche Bedeutung befragt? Hier ware meines Erachtens zwischen Inhalts- und Form-/Struktursoziologie deut- lich zu unterscheiden. Inhaltssoziologische Untersuchungen sind, wie ich ge- zeigt habe, mit betrachtlichen Grundlagenproblemen belastet, insofern sie an das Widerspiegelungsmodell gekoppelt bleiben. Daher wird man hier Ab- schied nehmen miissen von einer Untersuchungsstrategie, die auf der Basis einer angeblich gesicherten sozialgeschichtlichen Erfassung der Wirklichkeit die Literatur nach planen Abbildungen durchforstet, etwa Untersuchungen von dem Typ "der Industriekaufmann in der deutschen Literatur." Themati- sche Untersuchungen sind durchaus nicht wertlos oder iiberfliissig, sie miis- sen jedoch eine Reihe von Voraussetzungen kritisch uberpriifen. Dazu geho- ren vor allem die Reflexionen auf die generellen und die gattungsmaBigen Pr'amissen literarischer Produktion in einer bestimmten Epoche, d.h. die asthetischen und poetologischen Normen, die fur die zeitgenossischen lite- rarischen Produzenten verpflichtend sind. Im Falle des 19. Jahrhunderts impliziert diese Fragestellung eine Auseinandersetzung mit der zeitgenossi- schen Realismustheorie.35 Ferner wird man unbedingt in Rechnung stellen miissen die spezifischen literarischen Konventionen, die zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Kultur die literarische Praxis bestimmen. Wir konnen hier mit Frederic Jameson von Ideologemen sprechen,36 aus denen literarische Texte schopfen. Folglich erscheint der literarische Text als ein Entwurf in Richtung auf ein Aulenstehendes, ein Entwurf, der aber im wesentlichen durch den intertextuellen Zusammenhang bestimmt wird.37 Ein solches Verfahren unterstreicht mit anderen Worten die Eigenstandigkeit der Literatur. Damit entstehen ffir die sozialhistorische Zuordnung freilich neue Probleme, denn das alte Raster der Widerspiegelung ist nur noch als eine literarische Konvention zu verstehen, deren gesellschaftliche Relevanz ihrerseits zu untersuchen ist. Es wird nunmehr die Aufgabe der soziologi- schen Lektiire, die im Text vorgefundene Motiv- oder Problemkonstellation aufzuschliisseln im Hinblick auf die Lesererwartungen, d.h. auf die Hoffnun- gen und Angste der Rezipienten, ihre Bediirfnisse und Lebenswerte. In

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dieser Hinsicht hat die realistische Illusionierung als solche eine zu klarende gesellschaftliche Funktion, noch bevor von konkreten Texten und ihren Inhalten die Rede ist.

Diese Aufgabe des Aufschliisselns ist aus zwei Grunden diffiziler, als die altere Literatursoziologie annahm. Einmal handelt es sich um eine Operation, in der Literatur und Gesellschaft nicht mehr direkt, sondern nur noch indirekt aufeinander bezogen werden. Der soziologische Stellenwert eines literari- schen Motivs ist nicht ohne weiteres abzulesen, sondern nur aus der Gesamt- konstellation des Textes zu erschlieBen. Zum anderen-und dieses Argu- ment beriihrt eine tiefere Schicht-steht eine solche Lektiire vor den Schwierigkeiten jeder Auslegung literarischer Texte: Ihre Bedeutung ent- zieht sich einer eindeutigen Festlegung. Es gibt jeweils mehr als eine legitime Konkretisation eines Textes. Anders gesprochen: die spezifische Struktur asthetischer Texte, ihre Indetermination, ladt zur multiplen Sinnproduktion ein-unter anderem auch zu sozialgeschichtlichen Deutungen. Solange die sozialgeschichtliche Interpretation als eine Interpretation erkennbar bleibt, sind wir methodisch im Reinen; wird die Deutung dagegen mit dem sozial- geschichtlichen Befund gleichgesetzt und entsprechend als austauschbar behandelt, bewegen wir uns offensichtlich im Zirkel: Die Sozialgeschichte (genauer ihre Darstellungen durch Historiker) liefert uns die Ansichten, die wir im Text wiedererkennen. Und dieser Befund bestatigt dann anschaulich die sozialgeschichtliche Abstraktion der Historiker.

Wie steht es nun mit der Formsoziologie,38 die nach der gesellschaftlichen Fundierung bzw. Funktion von Gattungen, Formen und Strukturen fragt? Inwiefern kann beispielsweise der Roman, etwa der historische Roman, als eine spezifisch biirgerliche Gattung angesprochen werden? Ist es moglich, um ein anderes Beispiel zu wahlen, strukturelle Veranderungen in den Dra- men Gerhart Hauptmanns in Zusammenhang zu bringen mit sozio-6kono- mischen Veranderungen ihrer Zeit? Offensichtlich ist dieser Ansatz nicht belastet durch das Problem der Widerspiegelung im engeren Sinne. Die Theorie, daB der Roman die angemessene Form der modernen biirgerlichen Gesellschaft sei, rechnet nicht mit der Schilderung dieser biirgerlichen Ge- sellschaft im Roman, sondern lediglich damit, daB die strukturellen Merkma- le, die den Roman zum Beispiel vom alteren Epos trennen, fundiert sind in einer modernen, abstrakten Gesellschaft. Bei Lucien Goldmann verscharft sich diese Beziehung zur strukturellenHomologie, derzufolge die Romanform die genaue Entsprechung der modernen kapitalistischen Gesellschaft ist.35

Die Formensoziologie steht freilich vor Aufgaben, die nicht leichter zu losen sind als diejenigen der Inhaltssoziologie. Konkrete Ergebnisse kann sie am ehesten dort erzielen, wo sie Gebrauchsformen untersucht, die in einem iiberpriifbaren literarischen Kommunikationszusammenhang stehen. Genannt sei der Kolportageroman (1870-1900), der geradezu ausschlieBlich fir das Proletariat geschrieben wurde, oder die Jugend- und Kinderlitera- tur, die sich an einen nicht nur altersmal3ig sondern auch gesellschaftlich

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HOHENDAHL: Biirgerlichkeit und Burgertum

spezifischen Leserkreis wendete. Hier kann die Literaturwissenschaft den Zusammenhang von literarischer Form und gesellschaftlicher Funktion einge- hend untersuchen. Das ware etwa im Falle des Kolportageromans besonders lohnend, da es sich um eine Form handelt, die ihre narrativen Konventionen weitgehend von dem "biirgerlichen" Feuilletonroman der vierziger und fiinf- ziger Jahre ubernommen hat.

Entschieden schwieriger wird die Aufgabe, wenn wir es mit Grolgattun- gen wie der Tragodie oder uberlieferten Formen wie dem Sonett zu tun haben. Weder die genetische noch die funktionale Fragestellung wird in diesen Fallen unmittelbare Resultate bringen. Hier ist die direkte Zuordnung zu gesellschaftlichen Gruppen in der Regel nicht sinnvoll, da diese Formen und Gattungen weder genetisch noch funktional mit besonderen gesellschaft- lichen Gruppen zu verrechnen sind. Haufig ist ihre Formenkontinuitat so weitreichend (denken wir an das Sonett), daB die Unterstellung einer iden- tischen Tragerschicht weder vonseiten der Produktion noch vonseiten der Rezeption angemessen ist. Ein gesamtgesellschaftliches Modell hingegen, wie ich es eingangs skizziert habe, das mit einer Ausdifferenzierung der kulturellen Bereiche rechnet, hat im Anblick solcher Probleme eindeutige Vorteile, denn es zwingt die Untersuchung nicht zu vorschnellen Zuordnun- gen und Gleichstellungen. Die Formensoziologie kann vielmehr die Institutio- nalisierung von Gattungen und Formen innerhalb des Systems Litertur ver- folgen und im einzelnen beschreiben.40 Die Zuordnung, wenn eine solche uberhaupt noch angestrebt wird, vollzieht sich dann auf der Ebene der gesamtgesellschaftlichen Analyse. Um es spezifischer anhand eines Beispiels zu formulieren: Man kann im Falle des Dramas im ausgehenden 19. Jahrhun- dert moglicherweise von einem sozio-politischen Problemdruck sprechen, der selektiv zu Ansto3en neuer formaler Losungen fiihrt. Peter Szondi hat in seiner Theorie des modernen Dramas (1957) vorgefuhrt, wie dieses Modell zu handhaben ist. Gewarnt sei jedoch vor dem Begriff einer Ableitung, dar einen notwendigen, unausweichlichen Zusammenhang zwischen gesellschaft- licher Veranderung und formaler Innovation herstellt, wie dies auch bei Peter Szondi bis zu einem gewissen Grad noch der Fall ist. Selbst in Adornos Asthetik der Negativitat, fir die gerade die Opposition der modernen Kunst gegen die verdinglichte Gesellschaft das signifikante gesellschaftliche Mo- ment darstellt, unterliegt in der kategorialen Oppositionsfiihrung noch einem solchen Zwang der Determination, wenngleich Adorno auch die Unterstellung einer strikten Homologie im Sinne Goldmanns vermeidet und eher einer Auffassung zuneigt, die auch die formale Struktur des Kunstwerks nicht mehr einem Abbildungsprinzip unterwirft.41

Versucht man freilich, die funktionale Zuordnung zu systematisieren oder auch nur zu klassifizieren, wie dies etwa in der Rezeptionsasthetik geschehen ist (im AnschluB an und in Erwiderungen auf Adorno), dann ergeben sich neue Probleme. Hans Robert Jau3 und Wolfgang Iser haben in verschie- dener Weise versucht, den gesellschaftlichen Wirkungszusammenhang von

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Literatur zu beschreiben, indem sie typische Moglichkeiten der Wirkung aufwiesen. So unterscheidetJau3 zwischen einer normgebenden, einer norm- bildenden und einer normbrechenden Funktion der Literatur,42 wahrend Iser in DerAkt des Lesens eine Komplementierungs-, eine Bilanzierungsleistung und eine Defizitfiillung ausdifferenziert.43 Dieser funktionale Ansatz hat ge- geniiber dem traditionellen Strukturvergleich theoretische wie auch for- schungsstrategische Vorteile. Einmal bleiben wir bei dieser Fragestellung innerhalb des Literatursystems, beziehen uns mit anderen Worten auf ein konkretisierbares Lesepublikum mit beschreibbaren Mentalitaten anstelle einer abstrakten gesamtgesellschaftlichen Struktur. Ferner ist dieser An- satz eher operationalisierbar im Rahmen einer historischen Rezeptionsfor- schung, die die Textvorgabe und die tatsachliche Aufnahme kritisch verglei- chen mochte.

Dem stehen freilich Bedenken gegeniber, die gleichfalls zur Sprache kommen miissen: Im Rahmen der Rezeptionsasthetik sind Akte des Schrei- bens und Lesens jeweils als subjektive Kommunikationsakte konzipiert. Ent- sprechend betont die Auswahl der Wirkungskategorien den pragenden Ein- fluJ3 des Kunstwerks und vernachlassigt den institutionellen Charakter, nicht nur der literarischen Kommunikation, sondern- grundlegender- auch der Ausgangsbegriffe wie Text, Leser etc. Es entsteht folglich der Eindruck, als hatten die Akteure, d. h. die Produzenten und Rezipienten, den Charakter und die Bedeutung der literarischen Kommunikation fest in der Hand. Gerade diese Annahme scheint mir jedoch problematisch zu sein. Durch den Begriff der Institution (bei Althusser der Begriff des ideologischen Staatsapparats44) sollen dagegen auch gerade jene Momente erfal3t werden, die sich den beteiligten Subjekten entziehen, die sich sozusagen hinter ihrem Riicken abspielen. Damit beriihren wir die Frage der Ideologie (im Sinne von Althus- ser), beziehungsweise der Macht (Foucault).45 Denn in der Tat ist, wie sich unschwer an der Geschichte der Literaturkritik oder der Geschichte des hoheren Bildungswesens zeigen li3t, die Literatur kein schlechthin machtfreier, oppositioneller Gegendiskurs, sondern funktioniert im Rahmen von institutionell geregelten Diskursen, in denen die Frage der Macht immer auch eine Rolle spielt. Im Rahmen einer solchen Betrachtung nimmt die Frage "Was ist biirgerliche Literatur?" einen veranderten Charakter an. Weder bezieht sie sich auf die im Text dargestellte Welt noch auf spezifische formale Elemente beziehungsweise auf Gattungen und ihre Strukturen, viel- mehr wird zur Sprache gebracht, da3 alle Begriffe, mit denen die Literatur- wissenschaft traditionell gearbeitet hat, institutionell fundiert sind und das heif3t, gesellschaftlich gepragt sind. Ob diese Bestimmtheit "biirgerlich" ist oder nicht, ist dann eine Frage, die sich auf den gesamtgesellschaftlichen Rahmen bezieht.

Wir sind von der Frage ausgegangen: Was ist birgerliche Literatur? Die Suche nach einer befriedigenden Antwort hat uns angesichts der neueren literaturwissenschaftlichen Theoriedebatte auf einen Weg gefuihrt, der sich

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HOHENDAHL: Birgerlichkeit und Burgertum

mehr und mehr von traditionellen Formen eines Vergleichs zwischen Gesell- schaft und Literatur entfernt hat. Dabei stellte sich heraus, daB im Lichte der gegenwartigen Diskussion die Verbindung von Sozialgeschichte und Li- teraturgeschichte zwar nicht unm6glich geworden ist, aber etliche Umschrei- bungen und Umbesetzungen nahelegt. Im Zuge dieser theoretischen und methodischen Veranderungen verwandelt sich auch die Funktion der einge- brachten Kategorien--und zwar nicht nur derjenigen, die die Literaturwis- senschaft ausgebildet hat, sondern auch derjenigen, die von der Geschichts- wissenschaft beziehungsweise von der Soziologie iibernommen werden (wie Biirgertum, biirgerlich).

Mit diesem Hinweis mochte ich schliellich auch andeuten, daB sich die Relation zwischen Literaturwissenschaft und Geschichtswissenschaft veran- dert hat. Wahrend in der sozialgeschichtlichen Diskussion der sechziger und siebziger Jahre der Geschichtswissenschaft die Rolle einer fundierenden Disziplin zugesprochen wurde, von der die Literaturwissenschaft auszuge- hen hatte--die aufbereiteten Ergebnisse der Geschichtswissenschaft wer- den der Ausgangspunkt der literaturwissenschaftlichen Arbeit- deutet sich in der neueren Diskussion ein anderes Verhiltnis an-das einer wechselsei- tigen Abhangigkeit. Das wird besonders deutlich, wenn man das Schreiben von Geschichte, d.h. die Historiographie, nicht nur als wissenschaftliche Methode sondern auch als narrative Tatigkeit untersucht. Doch das ware das Thema eines zweiten Essays.

Notes

* Dem Aufsatz liegt ein Vortrag zugrunde, der im Februar 1987 am Zentrum fur interdisziplinare Forschung, Bielefeld, vor Mitgliedern der Arbeitsgruppe "Burgertum und Biirgerlichkeit im europaischen Vergleich" gehalten wurde. Die Ausfiihrungen richteten sich vor allem an Histo- riker und Sozialwissenschaftler. Siehe Ansichten einer kunftigen Germanistik, hrsg. von Jiirgen Kolbe (Miinchen, 1969); Neue Ansichten einer kunftigen Germanistik, hrsg. von Jiirgen Kolbe (Miinchen, 1973); zur dama- ligen methodischen Diskussion der Literatursoziologie vgl. Peter Uwe Hohendahl, Das Bild der burgerlichen Welt im expressionistischen Drama (Heidelberg, 1967).

2 Es handelt sich um drei Projekte; erstens um die von den Verlagen Beck und Metzler gemeinsam geplante Literaturgeschichte, von der bisher kein Band erschienen ist; ferner um Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, hrsg. von Rolf Grimminger (Miinchen, 1980); schlie3lich um Deutsche Literatur. Eine Sozial- geschichte, hrsg. von Horst Albert Glaser (Hamburg, 1980 ff.).

3 Geschichte der deutschen Literatur von den Anfingen bis zur Gegenwart, hrsg. von Klaus Gysi et alii (Berlin [Ost], 1965 ff.).

4 Wichtig war in diesem Zusammenhang: Jiirgen Habermas, Strukturwandel der Offentlichkeit (Neuwied, 1962). Dazu Alberto Martino, "Die deutsche Leihbibliothek und ihr Publikum", in Literatur in der sozialen Bewegung, hrsg. von Alberto Martino (Tiibingen, 1977), S. 1-26; Georg Jager, Alberto Martino, Reinhard Wittmann, Die Leihbibliothek als Institution des literarischen Lebens der Goethe-Zeit (Hildesheim, 1979); Die Leihbibliothek des literarischen Lebens im 18. und 19. Jahrhundert, hrsg. von Georg Jager und Jorg Sch6nert (Hamburg, 1980).

6 Dazu Dieter Langewiesche und Klaus Schonhoven, "Arbeiterbibliothek und Arbeiterlektiire im Wilhelminischen Deutschland", in Archiv fur Sozialgeschichte, 16 (1976), 135-204; Dieter

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Langewiesche, Zur Freizeit des Arbeiters. Bildungsbestrebungen und Freizeitgestaltung oster- reichischer Arbeiter im Kaiserreich und in der Ersten Republik (Stuttgart, 1980).

7 Verwiesen sei hier vor allem auf das Internationale Archiv fur Sozialgeschichte der deutschen Literatur, hrsg. von Wolfgang Friihwald, Georg Jager und Alberto Martino (Tiibingen, 1976 ff.).

8 In diesem Sinne Hans Norbert Fiigen, Die Hauptstromungen der Literatursoziologie und ihre Methoden (Bonn, 61974).

9 Theodor W. Adorno, "Thesen zur Kunstsoziologie", in Adorno, Ohne Leitbild. ParvaAesthetica (Frankfurt, 1967), S. 94-103.

10 Dazu Peter Uwe Hohendahl, Der europaische Roman derEmpfindsamkeit (Wiesbaden, 1977). " Den neuesten Diskussionsstand finden wir bei Jiirgen Kocka, "Birgertum und Biirgerlichkeit

als Probleme der neueren Geschichte", in Burger und Biirgerlichkeit im 19. Jahrhundert, hrsg. von Jiirgen Kocka (erscheint voraussichtlich 1987).

12 Fur die internationale Literaturwissenschaft vgl. Jonathan Culler, On Deconstruction (Ithaca and London, 1983).

13 Vgl. Michael Kienzle, "Eugenie Marlitt: Reichsgrdfin Gisela (1869). Zum Verhaltnis zwischen Politik und Tagtraum", in Romane und Erzihlungen des Biirgerlichen Realismus, hrsg. von Horst Denkler (Stuttgart, 1980), S. 217-30.

14 Beispielhaft Georg Lukacs, Deutsche Literatur in zweiJahrhunderten (Werke, Bd. 7) (Neuwied, 1964); Der historische Roman (Werke, Bd. 6) (Neuwied, 1965).

5 Leo L6wenthal, Das Bild des Menschen in derLiteratur(Neuwied und Berlin, 1966), S. 255-92. 16 Jochen Schulte-Sasse und Renate Werner, "Eugenie Marlitts Im Hause des Kommerzienrats.

Analyse eines Trivialromans in paradigmatischer Absicht", in Eugenie Marlitt, Im Hause des Kommerzienrats (Miinchen, 1977).

17 Dazu grundlegend Hayden White, Metahistory: The Historical Imagination in Nineteenth-Cen- tury Europe (Baltimore und London, 1973); Werner Schiffer, Theorien derGeschichtsschreibung und ihre erzdhltheoretische Relevanz. Danto, Habermas, Baumgartner, Droysen (Stuttgart, 1980).

18 Siehe auch Fredric Jameson, The Political Unconscious (Ithaca und London, 1981). 19 Dazu exemplarisch Theodor W. Adorno, "Lyrik und Gesellschaft", in Adorno, Gesammelte

Schriften (Frankfurt, 1974), XI, 48-68. 20 Vgl. Dominick LaCapra, "Madame Bovary" on Trial (Ithaca und London, 1982). 21 Adorno, Asthetische Theorie, in Adorno, Gesammelte Schriften, Bd. 7 (Frankfurt, 1970). 22 Peter Burger, Theorie der Avantgarde (Frankfurt, 1974). 23 Jirgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns (Frankfurt, 1981), I, 229 mit Verweis

auf Max Weber, Gesammelte Aufsdtze zur Religionssoziologie (Tiibingen, 51963), I, 555. 24 Habermas, S. 230-36. 25 Max Weber, S. 555. 26 Habermas, S. 234. 27 Zum Begriff der Institution vgl. Hohendahl, Literarische Kultur im Zeitalter des Liberalismus

1830-1870 (Miinchen, 1985), S. 11-54. 8 Dazu Hohendahl, Literarische Kultur im Zeitalter des Liberalismus, S. 303-39. 9 Ernest K. Bramstedt, Aristocracy and Middle-Classes in Germany (Chicago, 1964).

30 Verwiesen sei unter anderem auf: Rolf Engelsing, Der Burger als Leser (Stuttgart, 1974); derselbe, Analphabetentum und Lekture (Stuttgart, 1973); Rudolf Schenda, Volk ohne Buch (Miinchen, 1977); Literatur und Leser Theorien und Methoden zur Rezeption literarischer Werke, hrsg. von Gunter Grimm (Stuttgart, 1975).

31 Zur neueren empirischen Schule vgl. Siegfried S. Schmidt, Grundrisse der Empirischen Literaturwissenschaft (Braunschweig, 1980).

32 Siehe GeorgJager, Schule und literarische Kultur, Sozialgeschichte des deutschen Unterrichts an hoheren Schulen von der Spataufklarung bis zum Vormarz, Bd. 1 (Stuttgart, 1981); Hohendahl, Literarische Kultur, S. 211-18, 272-302.

33 Giinter Hantzschel, Bildung und Kultur burgerlicher Frauen 1850-1918 (Tiibingen, 1986). Hans Georg Herrlitz, Der Lekture-Kanon des deutschen Unterrichts im Gymnasium (Heidel- berg, 1964). Karl-Ernst Jeismann, Das preu,fische Gymnasium in Staat und Gesellschaft (Stuttgart, 1974); Hartmut Titze, Die Politisierung der Erziehung. Untersuchungen uber die soziale und politische Funktion der Erziehung von der Aufkldrung bis zum Hochkapitalismus (Frankfurt, 1973).

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35 Siehe Helmuth Widhammer, Realismus und klassizistische Tradition (Tiibingen, 1972); Ulf Eisele, Realismus und Ideologie. Zur Kritik der literarischen Theorie nach 1848 am Beispiel des "Deutschen Museums" (Stuttgart, 1976).

6 Jameson, The Political Unconscious (Ithaca, 1981). 37 Zu Jamesons Theorie siehe auch: Peter Uwe Hohendahl, "Gesellschaftstheorie zwischen

Hermeneutik und Diskursanalyse: Fredric Jameson The Political Unconscious", inDiskurstheo- rien und Literaturwissenschaft, hrsg. von Harro Muller und Jiirgen Fohrmann (Frankfurt, 1988) (voraussichtlich). Vgl. Peter V. Zima, Kritik der Literatur-Soziologie (Frankfurt, 1978).

39 Lucien Goldmann, Soziologie des modernen Romans (Neuwied, 1970). 40 Siehe z.B. Wilhelm Vo3kamp, "Methoden und Probleme der Romansoziologie", IASL, 3

(1978), 1-37. 41 Vgl. Adorno, Asthetische Theorie, S. 334-87. 42 Hans Robert JauB, Asthetische Erfahrung und literarische Hermeneutik (Frankfurt, 1982). 43 Wolfgang Iser, Der Akt des Lesens (Miinchen, 1976), S. 118 ff. 4 Louis Althusser, Ideologie und ideologische Staatsapparate (Hamburg, 1977).

45 Michel Foucault, Dispositive derMacht(Berlin, 1978); Mikrophysik derMacht (Berlin, 1976).

* * *

News Release

The Center for Austrian Studies presents its annual symposium on the subject, "AUSTRIA, 1938-1988: THE ANSCHLUSS AND FIFTY YEARS." The symposium will take place on the University of Minnesota campus from 11-14 May 1988. Eminent scholars and public figures from both North America and Europe will present lectures and enter into discussions concerning the annexation of Austria to Hitler's Third Reich in 1938 and how that event influenced subsequent Austrian history. The Austrian ambassador to the United States, Dr. Friedrich Hoess, will deliver the opening address, and the program will include Professors Gerald Stourzh, Anton Pelinka, Peter Gerlich, Walter Hoeflechner, and Fritz Fellner from Austria. Professor Melanie Sully from Great Britain and Professors Bruce Pauley, Radomir Luza, and Evan Bukey, among others, will present papers. Dr. PeterJankowitsch and Dr. Karl Gruber, both former foreign ministers of Austria, and Mr. Fritz Molden, journalist and former publisher and member of the Austrian Resistance, will also participate in the program. The participants will examine the deeds, the words, and the attitudes of Austrians during the fateful years of the Third Reich and the Second World War and will discuss the experiences and development of post-war Austria in light of the influences of the years 1938-1945.

For further information about the program, contact the Center for Austrian Studies, University of Minnesota, 712 Social Sciences Building, 267 19th Ave. S., Minneapolis, Minnesota 55455. Telephone: (612) 624-9811.

For information regarding registration, contact Leslie Denny, Professional De- velopment and Conference Services, University of Minnesota, 338 Nolte Center, 315 Pillsbury Drive, S.E., Minneapolis, Minnesota 55455-0139. Telephone: (612) 625-0727.