Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch...

14
CHRISTEL BUSCH Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler von Bruno Schmitz

Transcript of Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch...

Page 1: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

Kaiser-Wilhelm

-Denkm

älerB

usch

das buchDetailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler auf dem Kyffhäuser, an der Porta Westfalica und am Deutschen Eck in Koblenz beschrieben. Architektur und Skulptur werden auf ihre sakrale Symbolik untersucht und in einen historischen Kontext gesetzt. Wilhelm II., Enkel und Nachfolger auf dem Kaiserthron, stilisierte seinen verstorbenen Großvater in zahlreichen Reden posthum zum „Großen“ oder „Heiligen“ der Gegenwart. Diese sakrale Überhöhung spiegelt sich auch in der Architektursprache und dem skulpturalen Programm der Denkmäler wider. Bruno Schmitz’ Denkmäler dienen vornehmlich dazu, Wilhelm I. als nationalen Symbolträger, als Helden- und Vaterfigur des neuen Staatsgebildes zu zeigen. Die monumentalen Bauten artikulieren aber auch den historischen, von Gott gegebenen Machtanspruch der Dynastie der Hohenzollern. Sie sind im Kaiserreich zu nationalen

Wallfahrtsstätten und Touristenmagneten geworden.

die autorinChristel Busch hat an der Universität in Hamburg Kunstgeschichte, Ägyptologie und Klassische Archäologie studiert.

c h r i s t e l B u s c h

Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler von Bruno schmitz

Page 2: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler von Bruno Schmitz

Page 3: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler
Page 4: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

Christel Busch

Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler von Bruno Schmitz

Page 5: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

AVM – Akademische Verlagsgemeinschaft München 2010© Thomas Martin Verlagsgesellschaft, München

Umschlagabbildung: © Bruno Schmitz, 1912, Photographie, Düsseldorf, Stadtarchiv,Nachlaß Bruno Schmitz, Nr. 21, Abt. 3,5 aus dem Katalog „Ein Bild von Erz und Stein“Kaiser Wilhelm am Deutschen Eck und die Nationaldenkmäler, Mittelrhein-MuseumKoblenz, S. 59.

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheber-rechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urhebergesetzes ohne schriftliche Zustimmung des Verlages ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Nachdruck, auch auszugsweise, Reproduktion, Vervielfältigung, Übersetzung, Mikrover filmung sowie Digitalisierung oder Einspeicherung und Verar-beitung auf Tonträgern und in elektronischen Systemen aller Art.

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt er arbeitet und ge-prüft. Weder Autoren noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht wer-den, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

e-ISBN (ePDF) 978-3-96091-293-4ISBN (Print) 978-3-86924-747-2

Verlagsverzeichnis schickt gern:AVM – Akademische Verlagsgemeinschaft MünchenSchwanthalerstr. 81D-80336 München

www.avm-verlag.de

Page 6: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

1

Inhaltsverzeichnis I. Wilhelm I. „ …ein Ritter war er, ein Held.“ II. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Burgberg im

Kyffhäusergebirge II. 1 Planungs- und Baugeschichte II. 2 Beschreibung II. 3 Analyse und Interpretation II. 3. 1 Grundriss II. 3. 2 Mauerwerk II. 3. 3 Denkmalturm II. 3. 4 Treppen II. 3. 5 Bogenhalle II. 3. 6 Barbarossafigur II. 3. 7 Reiterstandbild II. 3. 8 Reichsadler und Reichskrone II. 3. 9 Kapitelle und Sockelfiguren III. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Wittekindsberg an

der Porta Westfalica III. 1 Planungs- und Baugeschichte III. 2 Beschreibung III. 3 Analyse und Interpretation III. 3. 1 Grundriss und Mauerwerk III. 3. 2 Baldachinarchitektur III. 3. 3 Standbild III. 3. 4 Bauplastik IV. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck in

Koblenz IV. 1 Planungs- und Baugeschichte IV. 2 Beschreibung IV. 3 Analyse und Interpretation IV. 3. 1 Grundriss und Mauerwerk IV. 3. 2 Denkmalsockel IV. 3. 3 Reiterstandbild

Page 7: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

2

IV. 3. 4 Bauplastik V. Bruno Schmitz V. 1 Leben und Werke V. 2 Schmitz’ Denkmalarchitektur im Kontext seiner Zeit V. 3 Schmitz’ Denkmalarchitektur im Kontext der heutigen

Forschung VI. Das Kaiserreich von 1871 VI. 1 Kaiser Wilhelm I. VI. 2 Kaiser Wilhelm II. VI. 2. 1 Wilhelm II. und die Politik VI. 2. 2 Die Reden Wilhelms II. VI. 2. 3 Wilhelm II. und die Denkmalpolitik VII. Architektur und ideologisches Programm im Kontext der

wilhelminischen Zeit VII. 1 Das Denkmal als nationales Symbol VII. 2 Touristenattraktion VII. 3 Wallfahrtsstätte VIII. Die Kaiser-Wilhelm-Denkmäler „pro patria et gloria“ IX. Anhang IX. 1 Abbildungen IX. 2 Abbildungsnachweis IX. 3 Übersicht über das Werk des Architekten Bruno Schmitz IX. 4 Literaturverzeichnis IX. 5 Zeitschriften IX. 6 Lexika IX. 7 Kataloge IX. 8 Internetquellen

Page 8: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

3

I. Wilhelm I. „ … ein Ritter war er, ein Held.“1

(Bismarck über Wilhelm I.)

„Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben, …“, hallte es als Gassenhauer nach dem Tode Wilhelm I. durch die Deutschen Lande. Unzufrieden mit der Politik seines Enkels und Nachfolgers auf dem Kaiserthron, sehnte sich das Volk nach einer vermeintlich starken Herrscherpersönlichkeit zurück.

„Wir“ haben ihn immer noch. In Stein oder Erz gehauen steht oder reitet er noch vereinzelt in einigen deutschen Städten. In den meisten Fällen erlitt er das Schicksal anderer großer Heroen: er wurde demontiert und eingeschmolzen. Falls er dieses Schicksal überlebt hat, schmückt er heute, als Relikt vergangener Kaiserherrlichkeit, Plätze und Anlagen. Seine Reiter- und Standbilder passen sich relativ klein, bescheiden und vom Volk übersehen dem innerstädtischen Bereich an.

Geradezu gigantische Ausmaße annehmend, steht er auf der Spitze des Burgberges im Kyffhäusergebirge, auf dem Wittekindsberg an der Porta Westfalica und am Deutschen Eck in Koblenz. Hier wurde sein 14 Meter hohes Reiterstandbild im Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern zerbombt und zu einem herabhängenden Metallhaufen degradiert. Verwaist blieb die riesige Pfeilerhalle, bis Anfang der 1990er Jahre sein Standbild wieder neu errichtet wurde. Heute kontrolliert der Kaiser den Schiffsverkehr auf Rhein und Mosel, das fröhliche Treiben zahlreicher Touristen und lauscht den zu seinen Füßen stattfindenden Open-Air-Konzerten. Im Original ist nur sein 150 x 100 x 90 cm hoher Kopf aus Kupferblech erhalten geblieben. Dieser ist heute im Mittelrhein-Museum in Koblenz ausgestellt.2 Der Blick seines gütig lächelnden Gesichtes mit Schnauz- und Backenbart geht, ganz preußischer Aristokrat, über die neugierigen Besucher hinweg.

Ein „face to face“ Blick ist den Besuchern des Kyffhäuserdenkmals hingegen nicht vergönnt. Auf einem hohen Podest stehend, reitet der Kaiser in Begleitung zweier Assistenzfiguren aus einer Nische des Turmes heraus. Allein das Kaiserstandbild ist neun Meter hoch und die beiden sitzenden Figuren fünf Meter. Mit 17.000 kg ein wahres Schwergewicht!3 Frei nach 1 Fischer-Fabian, Siegfried: Herrliche Zeiten. Die Deutschen und ihr Kaiserreich, München, 1983, S. 154. 2 „Ein Bild von Erz und Stein“ – Kaiser Wilhelm am Deutschen Eck und die Nationaldenkmäler, Katalog zur Ausstellung im 1 Fischer-Fabian, Siegfried: Herrliche Zeiten. Die Deutschen und ihr Kaiserreich, München, 1983, S. 154. Mittelrhein-Museum Koblenz, Koblenz, 1997, S. 107-113. 3 DB 1897, Nr. 19, S. 118.

Page 9: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

4

Loriot fragt man sich heute: „Wohin reitet er denn“? Sich klein und unbedeutend vorkommend, steht der Besucher zu seinen Füßen und genießt den einmaligen Blick auf die Eichen- und Buchenwälder der Thüringer Landschaft. Die Gigantomanie der Figuren wiederholt sich in der gesamten Anlage, die damals 1,3 Millionen Mark gekostet hat. Für den Gesamtkomplex der Anlage wurden etwa 25.000 cbm Sandstein verarbeitet. Davon entfallen allein 6.650 cbm auf den 57 Meter hohen, mit einer Kaiserkrone bekrönten Denkmalturm, in dessen Sockelbereich der alte Barbarossa gerade erwacht. Das Gesamtgewicht der Anlage beläuft sich auf ca. 62,5 Millionen Kilogramm.4

Schon aus der Ferne werden dem Besucher die gigantischen Ausmaße des Kaiserdenkmals auf dem Wittekindsberg bewusst. Hat der Besucher den 2,5 km langen „Pilgerweg“, sprich: Kaiserstraße, per pedes hinter sich, steht er staunend vor der etwa 51 Meter hohen Baldachinarchitektur mit der Kaiserkrone, die mit einem vergoldeten Kreuz bekrönt ist. Die Inschrift macht unmissverständlich klar, wem dieses Denkmal gewidmet ist: „Wilhelm dem Großen Die Provinz Westfalen“.5 In dem Innenraum kann man Ihre kaiserliche Majestät bewundern. Auf einem fünf Meter hohen Sockel erhebt sich das sieben Meter hohe Standbild des verblichenen Monarchen.6 Seine Kostümierung im Stil eines glorreichen Herrschers und erfolgreichen Heerführers ist nicht mehr „en vogue“ und verfehlt auf den heutigen Betrachter ihre beeindruckende Wirkung. Des Kaisers Blick schweift über die liebliche Landschaft der Porta Westfalica mit der Weser und den umliegenden Gebirgszügen. Die rechte Hand ist wie zum Gruß hoch erhoben. Wen soll er heute noch grüßen? Die jubelnden Untertanen fehlen, sie sind längst ausgestorben. Zu seinen Füßen drängen sich Touristenscharen, die ihn wie ein Relikt vergangener Zeiten bestaunen.

In Vergessenheit geraten ist hingegen der Architekt dieser Monumentalbauten, Bruno Schmitz. Im Kaiserreich als einer der Stararchitekten im Bereich der Denkmalarchitektur gefeiert und verehrt, stoßen seine monströsen „Schinken“ beim heutigen Besucher eher auf Unverständnis und Unbehagen. Seine Denkmäler, alle an „durch die Sage geheiligten Orten unseres Vaterlandes“7 errichtet, existieren seit über hundert Jahren. Ihren glorreichen Nimbus haben sie verloren. Als Überbleibsel einer

4 CdB 1896, Nr. 28, S. 308. 5 Bredt, Johannes: Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal der Provinz Westfalen auf dem Wittekindsberge der Porta Westfalica, Münster, 1898, S. 11, 23. 6 ebenda, S. 23. 7 BAW 1899, H. 4, S. 104.

Page 10: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

5

einst ruhmreichen Vergangenheit bestaunt, sind sie heute wie damals ein beliebtes Ausflugsziel für inländische und ausländische Touristen.

Wer war dieser Kaiser, der, als einfacher preußischer Prinz noch als „Kartätschenprinz“ und „Schlächtermeister, Prinz von Preußen“8 verhöhnt, zum Kaiser eines neuen Reiches avancierte? In Stein und Erz gehauen sollte er Jahrhunderte überdauern und späteren Generationen vom Ruhm seiner Heldentaten künden. Doch: Das Kaiserreich gibt es nicht mehr, Preußens Glanz und Gloria sind vom Hauch der Geschichte verweht. Nach über 800 Jahren deutscher Geschichte ist das Geschlecht der Hohenzollern in die Bedeutungslosigkeit zurückgefallen.

Befragt man die heutige jüngere Generation, erhält man wahrscheinlich die Antwort: „Wilhelm who“?

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen soll die religiöse Überhöhung Wilhelms I. und die damit verbundene Sakralisierung seiner Person in der Denkmalarchitektur und -plastik hinterfragt und nachgewiesen werden. Die von Schmitz entworfene Tektonik, die Skulpturen, mit und ohne Assistenzfiguren, und die Bauplastik stehen im Fokus dieser Arbeit. Untergliedert in Planungs- und Baugeschichte, Denkmalbeschreibung, Analyse und Interpretation der architektonischen und ikonographischen Stilmittel soll anhand von Einzelanalysen die sakrale Symbolsprache von Architektur, Skulptur und ornamentaler Plastik belegt werden. Die Ikonographie und Ikonologie des Kyffhäuser Denkmals, speziell die Bau-Ikonologie, werden dabei ausführlicher beschrieben, da sich viele Details in den beiden anderen Kaiserdenkmälern wiederholen. In diesem Zusammenhang soll geklärt werden, ob Schmitz’ Denkmalanlagen als moderne Sakralbauten oder Tempelanlagen definiert werden können, ganz im Sinne des neuen Kaisers. Oder ob sie als Kontrapunkt eines immer stärker werdenden Bismarckmythos und -kultes gedacht waren.

Ein weiterer Teil der Arbeit widmet sich dem Leben des Architekten Bruno Schmitz, seinen Werken im Spiegel seiner Zeit und in der gegenwärtigen Forschung.

Die These einer sakralen Symbolsprache in Schmitz’ Architektur basiert auf den analytischen Recherchen der Reden Wilhelms II., Enkel und Nachfolger auf dem kaiserlichen Thron, der ab Mitte der 1890er Jahre seinen Großvater

8 „Ein Bild von Erz und Stein“ – Kaiser Wilhelm am Deutschen Eck und die Nationaldenkmäler, Katalog zur Ausstellung im Mittelrhein-Museum Koblenz, Koblenz, 1997, S. 19.

Page 11: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

6

posthum zu „Wilhelm der Große“ stilisierte und ihn geradezu stereotyp als „Heiligen“ oder als „heilig gewordene Persönlichkeit“ titulierte. Zahlreiche Reden enthalten auch Passagen, in denen Wilhelm II. seinen persönlichen Herrscheranspruch im Gottesgnadentum legitimiert sieht. Daraus ergibt sich die Fragestellung, ob und in welcher Form sich Wilhelms II. mittelalterlich anmutende Visionen und die Stilisierung seines Großvaters zum Heiligen in Schmitz’ Kaiser-Wilhelm-Denkmälern auf dem Kyffhäusergebirge, an der Porta Westfalica und am Deutschen Eck in Koblenz manifestiert haben. Nachgewiesen werden soll, inwieweit Architektur und bildliches Programm religiöse Elemente reflektieren, die diese These untermauern. Zu konstatieren ist, dass Wilhelms II. persönlicher Einfluss auf die Projektierung der einzelnen Denkmäler, insbesondere auf die Architektur und skulpturale Plastik, enorm war, stand doch die Denkmalpolitik sowie das gesamte Kunstleben unter seiner persönlichen rigiden Kontrolle: ohne sein Plazet ging gar nichts!

Wie sah der Bürger die von Wilhelm II. doktrinierte Denkmalpolitik? Die Wirkung von Architektur und ideologischem Programm im Kontext der wilhelminischen Zeit soll ebenso hinterfragt werden, wie die kommerzielle Nutzung der Kaiserdenkmäler. In diesem Zusammenhang werden auch die parallel aufkommende Bismarckverehrung und die Errichtung zahlreicher Bismarckdenkmäler im Kaiserreich zur Sprache kommen.

Die Analyse von Architektur und Bauplastik dürfte daher nicht nur ikonographisch, sondern auch ikonologisch, d.h. in ihrem historischen Kontext, ausgehend von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, zu sehen sein.

Aufgrund der Komplexität dieses Themas ist es nicht möglich, auf alle kulturellen, ökonomischen und sozialpolitischen Aspekte des Kaiserreichs einzugehen, da sich dies als zu umfangreich erweisen und den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Auf eine ausführliche Biographie von Wilhelm I. und Wilhelm II. wird verzichtet; es werden nur die Daten hervorgehoben, die für diese Arbeit relevant sind. Auch die zeitgenössische Denkmalkritik, sei sie in Tageszeitungen und satirischen Zeitschriften publiziert oder in Karikaturen und Illustrationen wiedergegeben, wird nur gestreift.

Page 12: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

7

II. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Burgberg im Kyffhäusergebirge

II. 1 Planungs- und Baugeschichte

Der deutsche Kriegerbund war die erste Institution, die zum Bau eines Denkmals für den verstorbenen Hohenzollernkaiser aufrief. Alfred Westphal, Schriftführer im Vorstand des Kriegerbundes, forderte am 22. März 1888 in der amtlichen Zeitung des Deutschen Kriegerbundes „Parole“ die Kriegervereine auf, den Verstorbenen mit einem gemeinsam finanzierten Denkmal zu ehren. Der am 7. Oktober 1888 neu gegründete Denkmalausschuss entschied sich im Dezember des gleichen Jahres für den Standort auf dem Kyffhäuser und gegen weitere Mitbewerber wie die Stadt Goslar.9 Für diesen Standort spricht auch: „Die weihevolle Abgeschiedenheit des Kyffhäuserburgberges ist daher schon günstiger, da hier ein Denkmal nicht in den Mauern einer Stadt hineingezwängt wird, sondern sich frei entfalten kann und vor allem weithin sichtbar ist.“10

Auf dem Plateau des Burgberges befinden sich die Ruinen der alten Reichsburg Kyffhausen, einer Burganlage, die Mitte des 12. Jahrhunderts von Kaiser Friedrich I. Barbarossa ausgebaut wurde11 und den staufischen Herrschern zur militärischen und wirtschaftlichen Sicherung der eroberten Territorien diente. Dem Volksglauben nach ruhte hier in einem verborgenen Schloss Kaiser Friedrich Barbarossa, der stolzeste der Hohenstauferkaiser, „ … um erst nach der Wiederkehr eines anderen deutschen Reiches von neuer Kraft und Herrlichkeit“ aufzuerstehen. 12

Mit Schreiben vom 12. Januar 1889 stimmte Wilhelm II. diesem Standort zu.13 Im Oktober 1889 erging eine Ausschreibung, die sich ausschließlich an deutsche Künstler, Architekten und Bildhauer wendete. Die Ausschreibung forderte als Standort das Plateau des Burgberges, die Erhaltung des alten Burgfrieds, des sog. „Barbarossaturms“, auf der Oberburg und der Ruinen auf der Unterburg. „Die Art des Denkmals ist freigestellt, für eine Portraitstatue

9 Arndt, Monika: Das Kyffhäuser-Denkmal. Ein Beitrag zur politischen Ikonographie des Zweiten Kaiserreiches, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 40, 1978, S. 79-81. 10 Rödger, Ralf u. Wäldchen, Petra: Burg und Denkmal Kyffhäuser, Regensburg, 2003, S. 23. 11 Müller, Horst: Der Kyffhäuser, Leipzig, 2002, S. 34. 12 CdB 1890, Nr. 28, S. 284. 13 Müller, Horst: Der Kyffhäuser, Leipzig, 2002, S. 84. 14 CdB 1889, Nr. 45, S. 425.

Page 13: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

8

wird eine soldatischer Auffassung entsprechende Gestaltung gefordert.“ Als Limit für die Baukosten des Denkmals waren 400.000 Mark festgelegt. 14

Insgesamt gingen 24 Entwürfe ein, die anlässlich der Berliner Kunstausstellung im Juli 1890 einem interessierten Publikum präsentiert wurden.15 Am 24. Juni 1890 begutachtete Wilhelm II. mit dem Denkmalausschuss und der Jury die eingereichten Entwürfe. Die Meinung des Kaisers zum Denkmalprojekt ist überliefert: „Er würde es für angebracht erachten, ein einfaches Reiterstandbild zu wählen, weil dieses, um von Weitem zu wirken, ungemein groß erscheinen werde. Es empfehle sich daher eine Vereinigung von Architektur und Bildhauerei, die große, weithin wirkende Maße und doch gefällige Formen gestattet.“16

Bruno Schmitz setzte sich gegenüber seinen Konkurrenten durch und bekam den 1. Preis zugesprochen. Schmitz’ beteiligte sich mit zwei Entwürfen an der Ausschreibung. Sein erster Plan zeigt ein idealisiertes Bild der wieder erstandenen Barbarossaburg, die sich über die gesamte Bergkuppe erstreckt (Abb. 1-2).17 Der Eingang befindet sich im Westen. Vorbei an den Ruinen der alten Burg gelangt man zu einem Schlossgarten oder Festplatz und weiter zu dem im Osten liegenden Denkmal. Das Bildprogramm des „Reichsthurmes“18 zeigt im unteren Bereich eine sitzende Statue Barbarossas, es folgen das Reiterstandbild Wilhelms I. und als Turmspitze eine stilisierte Kaiserkrone. Inschriften, Reichsadler und die Wappen der neuen Bundesstaaten sind als schmückende Dekore im Turmbereich vorgesehen (Abb. 3). Treppen, Schlosshof und Turm und orientieren sich nach Westen, in Blickrichtung der Ruinen der alten Kaiserpfalz. Der wie eine moderne Burganlage konzipierte Denkmalkomplex sollte mit einer einheitlichen Mauer umzogen werden19, die die staufischen Ruinen und das Kaiser-Wilhelm-Denkmal integrieren, um so eine verknüpfende Symbolik zwischen dem alten und neuen Kaiserreich herzustellen. Der riesige Festplatz, der zwischen Denkmal und Ruinen geplant war, sollte nie realisiert werden.

Schmitz’ zweiter Plan (Abb. 3) zeigt einen nach Osten gedrehten Denkmalkomplex „dessen Hauptfront gegen Osten sieht.“20 Das Preisgericht entschied sich für den zweiten Entwurf des 32jährigen Berliner Architekten. 15 CdB 1890, Nr. 8A, S. 84. 16 Roskothen, Peter: Das Kyffhäuserdenkmal, S. 6, (20.10.2008). 17 DB 1890, Nr. 57, S. 341-342. 18 CdB 1890, Nr. 28, S. 284-285. 19 ebenda, S. 285. 20 CdB 1890, Nr. 28, S. 285.

Page 14: Busch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler ... · Kaiser-Wilhelm-Denkmäler Busch das buch Detailliert werden die Entstehungs- und Baugeschichte der drei Kaiser-Wilhelm-Denk-mäler

9

Figürliches Programm und Baudekore blieben unverändert. Seine Entwürfe formulierte Schmitz in seiner Projekterläuterung: Kaiser Wilhelm sei

„ … ein Denkmal Seiner und des Landes würdig auf einer bedeutsamen Scholle Bodens, im Herzen Deutschlands, auf dem sagenumwobenen Kyffhäuser-Berge, dem Zeugen einstiger Kaiserpracht und Reichsherrlichkeit“ zu errichten.“ … „Ein Erinnerungs- und Siegesmal der Nation, die Bestätigung des Dankes für den Gründer der deutschen Einheit – der Ausdruck der Wehrhaftigkeit und Größe des neuen deutschen Kaiserreiches.“21

Kurz vor Baubeginn erschien im Centralblatt der Bauverwaltung 1892 ein überarbeiteter Entwurf des Architekten (Abb. 4). Der Plan sieht eine große Ringterrasse vor, der Unterbau des Turmes ist wegen der Fernwirkung erhöht und seine Seiten stärker geneigt worden, in der Mittelachse führt eine dreiläufige Freitreppe zur Barbarossafigur und dem tiefer liegenden „Schloßgarten, den geweihten Bezirk Barbarossa“, über seitliche Treppenanlagen gelangt man zur Mittelterrasse und weiter zur Hochterrasse mit dem Turm. Im Turminneren ist eine in Terrassenhöhe liegende große Halle geplant, die als „Ehren- oder Versammlungssaal genutzt werden soll“, die innere steinerne Treppe wird bis zur Kaiserkrone verlängert, um „ … die Aussicht über die Fluren des den Kyffhäuser umgebenen Gaues genießen zu können.“22

Zur Ausführung kam aber ein anderer Entwurf (Abb. 5). Die drei Treppenanlagen sind durch eine gebogene Freitreppe mit Terrasse ersetzt. Sie führen zu einer Bogenhalle, die den Barbarossahof umgrenzt. Da die Bögen der Halle auf Säulen ruhen, „deren Schäfte wie versunken nur wenig aus dem Boden herausragen“, ergab sich die Möglichkeit, deren Kapitelle mit ornamentalem Schmuck zu versehen. Die Änderungen vermitteln dem herantretenden Besucher jetzt die Vision eines natürlichen, aus dem Felsgestein gewachsenen Bauwerks. 23 Warum und in welchem Auftrag Schmitz diese architektonischen Veränderungen vornahm, ist unklar. Die einschlägigen Bauzeitschriften enthalten dazu keine Stellungnahmen.

Die Idee einer nationalen Feststätte auf dem Kyffhäuser wurde am 31. Januar 1897 auf der Versammlung des Ausschusses deutscher Nationalfeste erneut angedacht (Abb. 6). Ähnlich wie bei den Spielen in Olympia sollten hier alle fünf Jahre deutsche Wettkämpfe mit abschließender Nationalfeier stattfinden. 21 Müller, Horst: Der Kyffhäuser, Leipzig, 2002, S. 84. 22 CdB 1892, Nr. 19, S. 195. 23 CdB 1896, Nr. 28, S. 305-308.