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BWNotZ Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg Herausgeber Württembergischer Notarverein e.V. in Verbindung mit dem Badischen Notarverein e.V. Kronenstraße 34 70174 Stuttgart Schriftleitung Notar Achim Falk, Stuttgart Notar Dr. Jürgen Rastätter, Heidelberg www.notare-wuerttemberg.de www.badischer-notarverein.de 3/2004 Mai/Juni Seiten 49–72 Inhalt Abhandlungen Dieckmann Die Patientenverfügung nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.03.2003 (XII ZB 2/03) . . . . . . . . . . . . . . 49 Maurer Vorrechte in der vertragsrechtlichen Praxis . . . 57 Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Buchbesprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

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BWNotZZeitschrift für das Notariat

in Baden-Württemberg

HerausgeberWürttembergischer Notarverein e.V.in Verbindung mit demBadischen Notarverein e.V.

Kronenstraße 3470174 Stuttgart

SchriftleitungNotar Achim Falk,Stuttgart

Notar Dr. Jürgen Rastätter,Heidelberg

www.notare-wuerttemberg.dewww.badischer-notarverein.de

3/2004Mai/JuniSeiten 49–72

Inhalt

Abhandlungen

DieckmannDie Patientenverfügung nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofsvom 17.03.2003 (XII ZB 2/03) . . . . . . . . . . . . . . 49

MaurerVorrechte in der vertragsrechtlichen Praxis . . . 57

Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Buchbesprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

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I. Einleitung

Der Fortschritt der modernen Medizin wird überwiegend alsein Segen begrüßt. Er führt dazu, dass Krankheiten, die inder Vergangenheit kaum zu besiegen waren, erfolgreichbehandelt werden können. Damit erbringt er einen wichtigenBeitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse und zurSteigerung der Lebensqualität. Dies ist aber nur die eineSeite der Medaille. Die andere ist, dass die Medizin mitihrem Fortschritt das Weiterexistieren in extremen Krank-heitssituationen ermöglicht, in denen sehr fraglich ist, obdies noch als Segen aufgefaßt werden kann. In vielen Fällenwerden Schwerkranke, z.B. komatöse Patienten am Lebenerhalten, auch wenn keine Aussicht darauf besteht, dass sieihr Bewußtsein je wiedererlangen werden. Viele Menschenhaben den Wunsch, im extremen Krankheitsfall diesenAuswirkungen der Apparatemedizin nicht ausgeliefert zuwerden. Sie haben vielleicht erfahren, welches Leid dies imBekannten- oder Familienkreis verursacht hat, und wollenGleiches nicht am eigenem Leib erleben (müssen).

Ein – immer weiter verbreitetes – Mittel, sich gegen eineFortbehandlung im Grenzbereich zwischen Leben, Sterbenund Tod zu verwahren, ist die sog. „Patientenverfügung“(auch: Patiententestament). Ein weiteres Mittel ist die

Bevollmächtigung eines Vertrauten – oft eines Angehörigen– für den Pflegefall durch eine „Vorsorgevollmacht“, die einesolche Patientenverfügung mitumfaßt. Dem Bevollmächtig-ten wird aufgegeben, dafür zu sorgen, dass bei nicht beheb-barer Bewußtlosigkeit oder schwerster Dauerschädigungdes Gehirns Intensivmedizin nicht verwandt werden soll, umdas Leben und das Leiden zu verlängern. Wie sehr die Frageder Nachteile der Intensivmedizin die Menschen beschäftigt,zeigt sich etwa daran, dass die beiden großen Kirchen ihreRatschläge zur Behandlung dieses Problems in einerHandreichung zu einer christlichen Patientenverfügungniedergelegt haben1. Auch die Politik hat sich der Frageangenommen und macht modellhafte Patientenverfügungenzugänglich2. In der notariellen Praxis wird man oftmals mitder Bitte konfrontiert, eine Patientenverfügung oder eineVorsorgevollmacht zu entwerfen und zu beurkunden. In deranwaltlichen Praxis gilt ähnliches.

Mit dem Wunsch nach Lebensbeendigung trotz medizinischmöglicher Verlängerung betritt der Betroffene unweigerlichjuristisches Grenzland. Dessen Grenzsteine sind das

Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg BWNotZ

Mai/Juni 70. Band Nr. 3/2004

* Der Beitrag beruht auf dem Vortrag des Verfassers bei der Fortbildungs-veranstaltung des Badischen Notarvereins im Oktober 2003 in Müllheim inBaden.

1 Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland/Sekretariat derDeutschen Bischofskonferenz (Hg), Christliche Patientenverfügung mitVorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung. Handreichung undFormular, 2. Auflage, 2003.

2 Vgl. die Nachweise bei Taupitz, Gutachten A für den 63. DeutschenJuristentag, Empfehlen sich zivilrechtliche Regelungen zur Absicherungder Patientenautonomie am Ende des Lebens?, 2000, A 105 Fn 523.

Einladung

zur ordentlichen Mitgliederversammlung des Württembergischen Notarverein e.V. am

Samstag, den 2. Oktober 2004, 9.30 Uhr

in die Schwabenlandhalle Fellbach (Uhlandsaal).

Die Tagesordnung sieht folgendes vor:

1. Bericht des Vorstands

2. Ansprachen der Gäste

Bitte beachten Sie den Veranstaltungsort der Mitgliederversammlung!

Der Vorstand:

Strobel, Kuhn, Schulz, Oelgray, Haußmann

Die Patientenverfügungnach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. 03. 2003 (XII ZB 2/03)

– Überlegungen für die notarielle Praxis* –

Von Dr. Johann Andreas Dieckmann, MSt. (Oxford), Richter als Notarvertreter, Freiburg i. Br.

3. Entlastung des Vorstands und der Geschäftsführung

4. Aussprache

5. Verschiedenes

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Dieckmann · Patientenverfügung BWNotZ 3/04

Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen – niemandmuss sich gegen seinen Willen einer ärztlichen Heilmaß-nahme unterwerfen. Aber auch das strafbewehrte Verboteiner Tötung auf Verlangen sowie die Unwägbarkeiten seiner Abgrenzung von der (noch) zulässigen Sterbehilfemarkiert Grenzen. Ein Arzt ist verpflichtet, einen ihm anver-trauten Patienten zu behandeln, darf dies jedoch nur, soweitdieser sich nicht wirksam gegen eine Behandlung verwahrthat. Alles andere ist (jedenfalls grundsätzlich) strafbewehrteKörperverletzung. Ein Betreuer und ein Bevollmächtigter, derdie Vollmacht „übernommen“ hat, ist verantwortlich für dasgesundheitliche Wohl des Betroffenen.

Die ideengeschichtlich im europäischen Kulturkreis existie-rende überwiegende Ablehnung des Freitodes („Selbst-mord“), die – nicht nur, aber auch – christlicher Ethik entspringt, tut ihr übriges, dieses Grenzgebiet zum Problem-gebiet zu machen.

Die Medizin gibt vor, was man machen kann. Was manmachen darf, bestimmt die Rechtsordnung. Was der einzel-ne will, ist eine höchstpersönliche – und schwierige – Ent-scheidung. Solange er sich äußern kann, kann derBetroffene sein Selbstbestimmungsrecht gegenüber Arzt,Angehörigen und Umwelt ausüben. Wie aber sein Willedurchgesetzt wird, wenn der Betroffene unfähig ist, sich zuartikulieren, ist ein juristisches Problem. Es umfaßt dieFragen, wer für ihn und statt seiner zu einer Entscheidungbefugt ist, ob und wieviel staatliche Einmischung undKontrolle erforderlich ist. In eben diesem Problemgebiet istdie hier zu besprechende Entscheidung des Bundes-gerichtshofs3 angesiedelt.

Bei der Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts desBetroffenen auch und gerade im Fall seiner Unfähigkeit,selbst zu handeln, ist der Notar als Rechtsberater und -gestalter gefragt und berufen; dann nämlich, wenn von ihmeine Patientenverfügung und (ggf.) eine Vorsorgevollmachterbeten wird. In welcher Weise der Beschluß hierbeiVorgaben macht und Leitlinien setzt, soll hier erörtert werden(unten IV.). Diese Erörterung wird vorbereitet durch eineZusammenfassung der Entscheidung (II.), durch ihreEinordnung in die bisherige Diskussion (III. 1.) sowie durcheine – kurze – Benennung von Kritikpunkten (III. 2.). Am Endedes Beitrags findet sich ein Formulierungsvorschlag.

II. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

1. Der konkrete Fall

A. Zum Sachverhalt

Der Betroffene erlitt Ende November 2000 infolge einesMyocardinfarktes einen hypoxischen Gehirnschaden imSinn eines apallischen Syndroms. Er wird über eine PEG-Sonde ernährt; eine Kontaktaufnahme ist nicht möglich. DerSohn des Betroffenen wurde im Januar des Folgejahres(u.a.) für den Aufgabenkreis „Sorge für die Gesundheit“ zumBetreuer bestellt.

Der Betroffene hatte im November 1998 eine schriftlicheVerfügung getroffen, in der er für den Fall, dass er einerEntscheidung nicht mehr fähig sei, wie folgt verfügte:

„Im Fall meiner irreversiblen Bewußtlosigkeit, schwersterDauerschäden meines Gehirns oder des dauernden Ausfallslebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder imEndstadium einer zum Tode führenden Krankheit, wenn dieBehandlung nur noch dazu führen würde, den Vorgang desSterbens zu verlängern, will ich:

- keine Intensivbehandlung,

- Einstellung der Ernährung,

- nur angst- oder schmerzlindernde Maßnahmen, wennnötig,

- keine künstliche Beatmung,

- keine Bluttransfusionen,

- keine Organtransplantation,

- keinen Anschluß an eine Herz-Lungen-Maschine.“

Als Vertrauenspersonen benennt er Frau, Tochter und Sohn.

Am 08.04.2002 hat der Sohn als Betreuer beim Amtsgerichtdie Einstellung der Ernährung über die PEG-Sonde bean-tragt. Eine Besserung des Zustands sei nicht zu erwarten.Die Einstellung entspräche dem früher geäußerten Willendes Betroffenen. Frau und Tochter des Betroffenen erklärtensich einverstanden mit dem Antrag des Beteiligten.

Amtsgericht und Landgericht lehnten den Antrag ab, da erkeine Rechtsgrundlage habe. Auch das angerufeneSchleswig-Holsteinische OLG will dem folgen. Es ist derAuffassung, die Einwilligung des Betreuers sei nicht geneh-migungsbedürftig4. Damit weicht es in seiner Einschätzungvon der der Oberlandesgerichte Frankfurt am Main undKarlsruhe ab5. Diese nahmen in ähnlich gelagerten Fällen an,analog § 1904 BGB sei die vormundschaftsgerichtlicheGenehmigung erforderlich. Das OLG legt den Fall demBundesgerichtshof vor (§ 28 II FGG).

B. Die Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof nimmt die Divergenzvorlage alszulässig an und entscheidet selbst über die weitereBeschwerde (§ 28 III FGG). Er erkennt, dass das Rechts-mittel des Betreuers begründet ist. Die Verweigerung derGenehmigung in eine angebotene Behandlung durch denBetreuer bedürfe zu ihrer Wirksamkeit der vormundschafts-gerichtlichen Genehmigung.

Die Leitsätze lauten:

[a)] Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat seinGrundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenom-men, so müssen lebenserhaltende oder -verlängerendeMaßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor – etwa inForm einer sog. Patientenverfügung – geäußerten Willenentspricht. Dies folgt aus der Würde des Menschen, die esgebietet, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes

3 BGH, Beschluß vom 17.03.2003 (XII ZB 2/03); BGHZ 153, 205 = BGHMittBayNot 2003, 387 = BGH RNotZ 2003, 255 = BGH ZNotP 2003, 308 =BGH NotBZ 2003, 271 = BGH NJW 2003, 1588 = BGH FamRZ 2003, 748= BGH JZ 2003, 732.

4 OLG Schleswig, FamRZ 2003, 554, 556.5 OLG Frankfurt FamRZ 1998, 1137, OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 488.

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BWNotZ 3/04 Dieckmann · Patientenverfügung

Selbstbestimmungsrecht auch dann noch zu respektieren,wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheidungen nichtmehr in der Lage ist. Nur wenn ein solcher erklärter Wille desPatienten nicht festgestellt werden kann, beurteilt sich dieZulässigkeit solcher Maßnahmen nach dem mutmaßlichenWillen des Patienten, der dann individuell – also aus dessenLebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeu-gungen – zu ermitteln ist.

[b)] Ist für einen Patienten ein Betreuer bestellt, so hat dieserdem Patientenwillen gegenüber Arzt und Pflegepersonal ineigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. SeineEinwilligung in eine ärztlicherseits angebotene lebenserhal-tende oder -verlängerende Behandlung kann der Betreuerjedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichtswirksam verweigern. Für eine Einwilligung des Betreuersund eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts ist keinRaum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung oderWeiterbehandlung nicht angeboten wird – sei es, dass sievon vornherein medizinisch nicht indiziert, nicht mehr sinn-voll oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist. DieEntscheidungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichtsergibt sich nicht aus einer analogen Anwendung des § 1904BGB, sondern aus einem unabweisbaren Bedürfnis desBetreuungsrechts.

[c)] Zu den Voraussetzungen richerlicher Rechtsfortbildung.

Im Rahmen der Begründetheitsprüfung befaßt sich dasGericht sodann mit einer Reihe von Einwänden.

aa) Entscheidung des Betreuers als Unterlassen nicht über-prüfbar?

Der Einwand, die Entscheidung des Betreuers sei derZustimmung des Vormundschaftsgerichts nicht zugänglich,weil sie rechtlich ein Unterlassen darstelle, wird wie folgtabgelehnt6. Die Beibehaltung der Magensonde und diekünstliche Ernährung seien fortdauernde Eingriffe in die kör-perliche Unversehrtheit und bedürften als solche derEinwilligung des Patienten. Eine frühere Willensbekundung,in der die Einwilligung in eine Maßnahme der in Frage ste-henden Art erklärt oder in der sie verweigert wurde, wirkefort, wenn der Patient sie nicht widerrufen habe. Wenn derBetroffene mittlerweile einwilligungsunfähig sei, habe derBetreuer die Aufgabe, seinen Willen gegenüber Arzt undPflegepersonal durchzusetzen. Daher erfordert dieBeibehaltung von Sonde und künstlicher Ernährung dieEinwilligung des Betreuers. Die richtige Umsetzung desWillens des Betroffenen durch den Betreuer ist tauglicherGegenstand einer Überprüfung durch das Vormundschafts-gericht.

bb) Höchstpersönlichkeit als Ausschlußgrund

Die „Höchstpersönlichkeit“ einer Entscheidung dieser Art(über den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen) sei keinHindernisgrund für die Entscheidungskompetenz desBetreuers und auch nicht für die Überprüfung seinerEntscheidung durch das Vormundschaftsgericht7. DieAlternative wäre die Willensbestimmung durch Arzt oder An-

gehörige. Diese aber könne sich aus dem Selbstbestim-mungsrecht nicht mehr legitimieren, kollidiere ggf. mitEigeninteressen und sei im Rechtssystem einer vormund-schaftlichen Kontrolle nicht zugänglich. Es wird von einerumfassenden Zuständigkeit des Betreuers für die medizini-schen Belange des Betroffenen ausgegangen, nachdemdieser für den Aufgabenkreis „Sorge für die Gesundheit“bestellt wurde.

cc) Fehlende Justiziabilität des Einstellungsverlangens

Die rechtliche Überprüfbarkeit des Verlangens desBetreuers, die Ernährung einzustellen, scheide nicht des-wegen aus, weil keine Kriterien für sie existierten. Vielmehrsei die Frage, unter welchen medizinischen Voraussetzun-gen es erlaubt sei, lebensverlängernde Maßnahmen zuunterlassen oder nicht fortzuführen, mittlerweile entschie-den8. Die objektive Zulässigkeit der Sterbehilfe bestimmesich nach den – in einer Entscheidung des 1. Strafsenatesdes BGH niedergelegten – Gründen. Dabei gebe es zweiAlternativen: Sterbehilfe (ieS) und Abbruch einer lebenser-haltenden Maßnahme9. Beide setzten voraus, dass dasGrundleiden des Kranken nach ärztlicher Überzeugungunumkehrbar (irreversibel) sei und einen tödlichen Verlaufangenommen habe.

„Sterbehilfe“ erfordere zusätzlich, dass der Tod in kurzer Zeiteintrete, also unmittelbar bevorstehe. Der „Abbruch einerlebenserhaltenden Maßnahme“ sei zulässig, wenn ein ent-sprechender Patientenwille als Ausdruck seiner allgemeinenEntscheidungsfreiheit und des Rechts auf körperlicheUnversehrtheit vorliege. Eine solche Willensäußerung könnein einer sog. „Patientenverfügung“ enthalten sei. Sie bindeden Betreuer als Ausdruck des fortwirkenden Selbst-bestimmungsrechts und der Selbstverantwortung. DieWürde des Betroffenen (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz) verlange,dass eine von ihm eigenverantwortlich getroffene Entschei-dung respektiert werde, wenn er die Fähigkeit zur eigenver-antwortlichen Entscheidung inzwischen verloren habe.

Der Wille dürfe grundsätzlich nicht durch Rückgriff auf einenmutmaßlichen Willen korrigiert werden. Das gelte nur dannnicht, wenn ein erkennbarer Widerrufswille geäußert sei,oder die Sachlage sich so erheblich geändert habe, dass diefrühere Entscheidung die aktuelle Sachlage nicht umfasse.Das vormundschaftliche Verfahren biete die Prüfung, ob derWille des Betroffenen zum Behandlungsabbruch wirklichvorliege. Sie gebe die Möglichkeit, dies für alle Beteiligtenverbindlich festzustellen.

6 BGH MittBayNot 2003, 387, 389, III. 2. a).7 BGH MittBayNot 2003, 387, 390, III. 2. b).

8 BGH MittBayNot 2003, 387, 390 ff, III. 2. c)9 BGHSt 40, 260, aufgenommen in BGH MittBayNot 2003, 387, 390, III.

2. c).

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Dieckmann · Patientenverfügung BWNotZ 3/04

dd) Analogiefähigkeit von § 1904 BGB?

Der BGH verneint in Übereinstimmung mit dem vorlegendenOLG10,11 die Aufgabenzuweisung an das Vormundschafts-gericht durch eine analoge Anwendung von § 1904 BGB12. § 1904 BGB sieht vor, dass die Einwilligung des Betreuers ineine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heil-behandlung oder einen ärztlichen Heileingriff der Genehmi-gung des Vormundschaftsgerichts bedarf, wenn die begrün-dete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund derMaßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauern-den gesundheitlichen Schaden erleidet.

Die Gleichheit der Problemlagen fehlt nun nach Ansicht desBGH. Schutz des heilungsfähigen Patienten vor riskantenmedizinischen Mitteln sei etwas „völlig anderes“13 als diemedizinische Versorgung eines tödlich und unheilbarerkrankten Menschen. Daher scheide eine entsprechendeAnwendung aus. § 1904 BGB will Leben erhalten, derBehandlungsabbruch dagegen beenden.

ee) Rechtsgrundlage der vormundschaftsgerichtlichenPrüfungszuständigkeit: richterliche Rechtsfortbildung –Grundlage und Inhalt

Die Grundlage für die Entscheidung in der Sache, die dieErforderlichkeit einer Genehmigung durch das Vormund-schaftsgericht anerkennt, sieht der BGH in der Pflicht undÜbung der Fortbildung des Rechts durch die oberstenGerichtshöfe des Bundes14.

Hier ergebe sich diese aus einer Gesamtschau desBetreuungsrechts und dem unabweisbaren Bedürfnis, mitden Instrumenten des Rechts auch auf Fragen im Grenz-bereich menschlichen Lebens und Sterbens für alleBeteiligten rechtlich verantwortbare Antworten zu finden. Imeinzelnen legt das Gericht dar, dass der Vorrang desGesetzes ebensowenig ein Hindernisgrund sei wie derGesetzesvorbehalt in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 Grundgesetz.

Zu Inhalt und Grenze der – im Wege der Rechtsfortbildunggefundenen – Prüfungszuständigkeit des Vormundschafts-gerichts führt der BGH aus: Ihre natürliche Grenze findediese dort, wo der Regelungsbereich des Betreuungsrechsende. Die Frage, ob eine Behandlung medizinisch gebotensei oder nicht, sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Dasärztliche Behandlungsangebot sei daher in doppelterHinsicht von Bedeutung. Wenn eine lebensverlängerndeoder -erhaltende Behandlung als nicht indiziert nicht ange-boten werde, sei für eine Einwilligung des Betreuers keinRaum. Werde eine Behandlung ärztlich nicht angeboten,fehle es also an einer Konfliktlage zwischen Arzt undBetreuer, sei eine Anrufung des Vormundschaftsgerichtsnicht erforderlich. Nur soweit ein Behandlungsangebotbestehe, sei eine Einwilligung des Betreuers als Vertreters

des einwilligungsunfähigen Betroffenen notwendig. DieVerweigerung der Einwilligung durch den Betreuer werde nurwirksam, wenn das Vormundschaftsgericht ihr zustimme.Lehne das Gericht die Zustimmung ab, so gelte dieEinwilligung in die Behandlung als erteilt. Eine Behandlungsei also – wenn medizinisch indiziert – zunächst auch ohneEinwilligung des Betreuers fortzusetzen. Das Vormund-schaftsgericht prüfe das Verhalten des Betreuers auf seineRechtmäßigkeit. Es müsse die Verweigerung genehmigen,wenn der Krankheitsverlauf irreversibel tödlich sei und dieärztlich angebotene Behandlung dem Willen des Betroffe-nen widerspreche.

Das Zustimmungserfordernis schütze die Grundrechte desBetroffenen auf Leben, Selbstbestimmung und Menschen-würde. Es ziele auch auf Schutz und Fürsorge für denBetreuer. Wenn das Betreuungsrecht dem Betreuer dieEntscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhal-tende Behandlung des Betroffenen abverlange, bürde esihm eine Last auf, die er zumutbarer Weise nicht alleine tra-gen könne. Das Recht verlange vom einzelnen nichtsUnzumutbares. Daher sei es zwingend geboten, denBetreuer durch das Prüfverfahren zu entlasten. Das Prüfver-fahren vermittele der Betreuerentscheidung eine Legitimität,die geeignet sei, ihn zu entlasten. Seine Entscheidung werdeanderen gegenüber besser vermittelbar. Außerdem schützees vor einer abweichenden strafrechtlichen Beurteilung.

2. Nicht behandelte Fälle

Der Beschluß befaßt sich nicht mit der Zulässigkeit derVerweigerung einer lebensverlängernden oder -erhaltendenBehandlung durch den Betreuer, wenn weder ein erklärterWille des Betroffenen vorliegt noch sein mutmaßlicher Willefeststellbar ist. Das Gericht geht auf die Frage, ob und inwie-weit die für den Betreuer gefundenen Ergebnisse auch füreinen durch eine Vorsorgevollmacht eingesetzten Bevoll-mächtigten Geltung haben sollen, nicht ein.

III. Vorheriger Diskussionsstand und Kritikpunkte

1. Der Diskussionsstand („alte Rechtslage“)

Die Entscheidung des BGH wurde möglich durch dieDivergenzvorlage des Schleswig-Holsteinischen OLG. Zuvorwar die Frage nach der Genehmigungsbedürftigkeit einerBetreuerentscheidung für einen Behandlungsabbruch unter-schiedlich beantwortet worden. Gleiches galt für die Frageder Genehmigungsmöglichkeit. Nachdem und weil derGesetzgeber bei Einführung des Betreuungsrechts und beidessen späterer Änderung eine Regelung hierzu nichtgetroffen hat15, bestand Uneinigkeit in Rechtsprechung undLiteratur.

Manche Gerichte sahen in der Entscheidung für einenBehandlungsabbruch eine höchstpersönliche Angelegen-heit, die einem Betreuer gar nicht übertragen werden könne.Das LG München etwa war der Auffassung, dies sei durchdie Menschenwürde geboten16. Über lebensbeendendeMaßnahmen hätte nicht der Betreuer, sondern vielmehr

10 OLG Schleswig, FamRZ 2003, 554, 555 f.11 Überraschend erscheint, dass der erkennende Senat bei der Erörterung

der Analogiefähigkeit von § 1904 BGB (BGH MittBayNot 2003, 387, 392,III. 2. d)) weder das (insoweit) entgegengesetzte Erkenntnis des 1. Straf-senates (BGHSt 40, 257) noch die Entscheidungen der OLG Frankfurt amMain und Karlsruhe (FamRZ 1998, 1137; FamRZ 2002, 488) anführt, son-dern allein die des LG München FamRZ 1999, 742 (bei der eine schriftlicheÄußerung des Patienten nicht vorlag). Auch eine inhaltliche Auseinander-setzung mit den Argumenten der OLG zugunsten einer Analogie fehlt.

12 BGH MittBayNot 2003, 387, 392, III. 2. d).13 BGH MittBayNot 2003, 387, 392, III. 2. d).14 BGH MittBayNot 2003, 387, 392 ff, III. 2. e).

15 BGH MittBayNot 2003, 387, 392 f, III. 2. e) aa); Erman-A. Roth, 10. Auflage2000, § 1904 Rn 23 mwN.

16 LG München I, NJW 1999, 1788, 1789. Zur Erörterung des Kriteriums derHöchstpersönlichkeit siehe ausführlich U. Walter, Die Vorsorgevollmacht,Diss. Regensburg, 1997, S. 208 ff.

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BWNotZ 3/04 Dieckmann · Patientenverfügung

Ärzte und Angehörige17 in eigener Verantwortung zu ent-scheiden. Strafrechtlich sei die Problematik geklärt: Wenndie Maßnahme dem mutmaßlichen Willen des Betroffenenentspräche, hätten die Handelnden strafrechtlich „in derRegel nichts zu befürchten“18. Für eine vormundschaftsge-richtliche Genehmigung sei kein Raum. Ähnlich sah dies einTeil der Literatur19. Sterbehilfe sollte danach ohne Einschal-tung des Vormundschaftsgerichts möglich sein.

Die (wohl) überwiegende Auffassung20 folgte der vom 1. Strafsenat des BGH21 angelegten und von den Ober-landesgerichten Frankfurt22 und Karlsruhe23 ausgeprägtenArgumentation, die eine entsprechende Anwendung von § 1904 BGB vorsah. Dies bedeutet zum einen, dass derBetreuer grundsätzlich einem Behandlungsabbruch zustim-men kann, wenn der wirkliche oder mutmaßliche Wille desBetroffenen dies fordert. Zum anderen wird aber zurWirksamkeit die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtsgefordert. Die Abbruchsentscheidung steht unter derGenehmigungsbedürftigkeit. Das Vormundschaftsgerichtläßt aber damit auch Betreuer und Arzt nicht allein. Denn esist zur Entscheidung berufen. Für die Analogie spricht delege lata einiges. Der Grund der Anordnung derGenehmigung durch das Vormundschaftsgericht bei den imGesetz angeführten Maßnahmen liegt nicht in derenZielsetzung – Diagnose und vor allem Heilbehandlung –,sondern vielmehr in ihrer Gefährlichkeit. Das Vormund-schaftsgericht soll prüfen, nicht weil die betreffendeHandlung auf Untersuchung und Heilung ausgerichtet ist,sondern weil sie potentiell außerordentlich gesundheitsge-fährdend ist. Vor diesem Hintergrund § 1904 BGB24 erstrecht auf eine so gefährliche Maßnahme, die auf Lebens-beendigung abzielt, anzuwenden, liegt nahe.

2. Kritikpunkte

Die Entscheidung ist auf Zustimmung ebenso wie auf Kritikgestossen.

Die auf eine „Gesamtschau“ des Betreuungsrechts abstel-lende Begründung des BGH25 wird kritisiert. Der Grundsatzder Erforderlichkeit, der das Betreuungsrecht durchzieht undin § 1896 Abs. 2 BGB seinen Niederschlag gefunden hat,spräche eher dagegen, eine vormundschaftsgerichtlichePrüfung durchzuführen, wenn der Betroffene in einerPatientenverfügung Anweisungen getroffen habe26. Dass dieGenehmigungsbedürftigkeit der Grundintention des Be-treuungsrechts (auch und gerade im Unterschied zu und inAbkehr vom alten Vormundschaftsrecht), das Selbstbestim-mungsrecht des Betreuten zu stärken, entgegenläuft, istoffensichtlich. Rechtsicherheit und Betreuerschutz werdender Durchsetzung des autonomen Willens des Betroffenenvorgezogen. Man wird auch wohl eher nicht annehmen kön-nen, Schutz des Betreuers vor Strafverfolgung und Beistandin einer Entscheidungsnot sei ein Grundanliegen des Be-treuungsrechts, das sich aus seiner Gesamtschau ergebe.

Nicht recht ersichtlich ist auch, warum der BGH dieSterbehilfe letztlich dem gleichen Genehmigungsvorbehaltwie bei den Fällen von § 1904 BGB unterwirft, obgleich erzuvor ausführlich begründet, Schutz des heilungsfähigenPatienten vor riskanten medizinischen Mitteln sei etwas„völlig anderes“27 als die medizinische Versorgung eines töd-lich und unheilbar erkrankten Menschen. Warum sollten soungleiche Sachverhalte gleich behandelt werden?

Es wird auch als unbefriedigend empfunden, dass derBetroffene (er)dulden muss, dass eine vom Arzt angeboteneBehandlung erst einmal aufgenommen wird, obgleich er sichgegen sie verwahrt hat und obgleich sein Betreuer ihr wider-spricht28. Dies stelle sachlich eine – nicht zu rechtfertigende– Körperverletzung dar29. Für den – vom BGH mit in denMittelpunkt seiner Begründung gestellten – Schutz desBetreuers vor strafrechtlicher Verfolgung sowie vor der Last,alleine entscheiden zu müssen, wäre eine Pflicht zurEinholung einer Genehmigung kaum erforderlich gewesen30.Dieser Aspekt hätte ebenso gut durch die Möglichkeit, eineGenehmigung zu beantragen, sichergestellt werden können.

Die Entscheidung wird aber auch begrüßt und verteidigt.Perau führt an, am Ende eines menschlichen Lebens könneund dürfe es keinen rechtsfreien Raum geben31. Auch wenndies im Grundsatz richtig ist, darf nicht übersehen werden,dass es für die Vermeidung eines „rechtsfreien Raumes“ inkeiner Weise erforderlich ist, ein gerichtliches Genehmi-gungserfordernis aufzustellen. Auch wird angeführt, derBeschluss sorge für Rechtssicherheit32. Richtig ist dies inso-weit, als durch ihn der verbindliche Charakter einerWillensäußerung in Form einer Patientenverfügung festge-stellt wird. Zweifel daran, ob eine solche den Arzt und

17 Auf welche Rechtsgrundlage die Entscheidungsbefugnis der Angehörigen(welcher?) zurückzuführen sei, erörtert das LG München nicht. Dem deut-schen Recht ist eine gesetzliche Vertretungsmacht von Angehörigen einesVolljährigen (noch) fremd. Vgl. hierzu nur Mehler, MittBayNot 2001, 16, 19mit Fn 30 (auf S. 20). Zu Überlegungen de lege ferenda siehe JochenDieckmann/Jurgeleit, BtPrax 2002, 135 ff, 197 ff; kritisch hierzu Gödicke,FamRZ 2003, 1894.

18 LG München I, NJW 1999, 1788, 1789.19 MK-D. Schwab, 4. Auflage, 2002, § 1904 Rn 38; D. Schwab, FS Henrich,

2000, 511, 522 ff; Staudinger-Bienwald, 13. Auflage, 1999, § 1904 Rn 45;Soergel-W. Zimmermann, 13. Auflage, 2001, § 1904 Rn 42; Bienwald,FamRZ 2002, 575, 577; Karliczek, FamRZ 2002, 578 f; Keilbach, FamRZ2003, 969, 975; Kutzer, MedR 2003, 77, 78; Kutzer, ZRP 2003, 209, 212(anders noch Kutzer, NStZ 1994, 111, 114). Siehe i.ü. die Nachweise beiOLG Frankfurt, FamRZ 2002, 575 und MK-D. Schwab, 4. Auflage, 2002, § 1904 Rn 37 Fn 116.

20 Taupitz, Gutachten A für den 63. Deutschen Juristentag, 2000, A 98;Mehler, MittBayNot 2001, 16, 19; Baumann / Hartmann, DNotZ 2000, 594,601 ff; Saliger, Jus 1999, 16, 18 f; Lipp, BtPrax 2002, 47, 51 ff (anders nun-mehr Lipp, FamRZ 2003, 756, s.a. Lipp FamRZ 2004, 317, 322 ff). Siehei.ü. die Nachweise bei OLG Frankfurt, FamRZ 2002, 575 und MK-D.Schwab, 4. Auflage, 2002, § 1904 Rn 37 Fn 116.

21 BGHSt 40, 260 ff. 22 OLG Frankfurt, FamRZ 1998, 1137 mit abl. Anmerkung Bienwald 1138 und

abl. Anm. Wagenitz/Engers FamRZ 1998, 1257; OLG Frankfurt, FamRZ2002, 575 ff mit abl. Anmerkung Bienwald 577.

23 OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 488.24 Mit Blick auf die mittlerweile eingeführte amtliche Überschrift von § 1904

BGB („Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bei ärztlichenMaßnahmen“) könnte man geneigt sein, die Norm direkt anzuwenden.Dass der Gesetzgeber, der bei Änderung des Betreuungsrechts „sehendenAuges“ von einer Regelung des Sterbehilfeproblems Abstand nahm, mitder Einfügung dieser Überschrift etwas derartiges (mit-)bezweckte, ist aberauszuschließen.

25 Kritisch Paehler, BtPrax 2003, 141, 142: „keine Begründung“. Gegen eineGenehmigungspflicht ohne gesetzliche Grundlage Palandt-Diederichsen,63. Auflage 2004, Rn 10 vor § 1896.

26 Alberts, BtPrax 2003, 139 f.27 BGH MittBayNot 2003, 387, 392, III. 2. d).28 Alberts, BtPrax 2003, 139, 140; nach Holzhauer ist die beste Patientenver-

fügung „nichts wert“, wenn sie dies nicht verhindere (FamRZ 2003, 991, 992). 29 Alberts, BtPrax 2003, 139, 140; ähnlich wohl Holzhauer, FamRZ 2003, 991,

992.30 Holzhauer, FamRZ 2003, 991, 992.31 Perau, RNotZ 2003, 263, 264.32 G. Langenfeld, ZEV 2003, 449, 451; Hahne, FamRZ 2003, 1619 f; Renner

NotBZ 2003, 245.

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Dieckmann · Patientenverfügung BWNotZ 3/04

Pflegekräfte bindet, sind nun beseitigt. Viele Punkte jedochin diesem heiklen Bereich sind durch die Entscheidung gera-de nicht klargestellt worden33. Man kann daher nicht wirklichvon Rechtssicherheit sprechen. So wird etwa die Formfrageeiner Patientenverfügung nicht erörtert. Nach § 1904 Abs. 2Satz 2 BGB ist eine Vollmacht für die in Abs. 1 Satz 1genannten Maßnahmen nur wirksam, wenn sie schriftlicherteilt ist und die Maßnahmen ausdrücklich umfaßt. Es liegtnahe, dies erst recht bei einer Verfügung zu fordern, diesogar einen Behandlungsabbruch deckt und ihn verbindlichanordnet34. Äußerungen im Nachgang zu der Entscheidungzeigen indes, dass noch keine Klarheit herrscht. So hebtetwa Hahne hervor, auch eine nur mündliche Willens-äußerung sei verbindlich35.

Die legislativpolitische Berechtigung eines Genehmigungs-erfordernisses im Grenzbereich zwischen Leben und Tod istnicht unbestritten. Sie wird vielmehr mit guten Gründen kri-tisiert36. Der Beschluß mag Anlass sein, dies erneut zu über-denken. Die Grundlage der Bindungswirkung einerPatientenverfügung ist das – auch verfassungsrechtlich ver-bürgte – Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen37.Vor diesem Hintergrund fragt es sich, ob es wirklich wün-schenswert ist, dass sich am Sterbebett eines Menschen,der Vorsorge für seinen schweren Krankheitsfall getroffenhat, Vormundschaftsrichter, behandelnder Arzt, gutachtern-der Arzt und Betreuer versammeln müssen, um dieZulässigkeit der Behandlungsabbruchs zu prüfen. Schutzdes Betreuers jedenfalls kann die Einschränkung desSelbstbestimmungsrechts des Patienten in diesem höchst-persönlichem Bereich kaum rechtfertigen.

IV. Praxisfragen für die notarielle Tätigkeit

Im folgenden werden die Auswirkungen des vorgestelltenBeschlusses für die Tätigkeit im Notariat erörtert. Berück-sichtigt werden sollen verschiedene Einzelfragen. Dabei sindjeweils sowohl Aspekte der Belehrungspflicht (§ 17 BeurkG)als auch der Urkundsgestaltung zu beachten.

1. Die rechtliche Bindungswirkung der Patienten-verfügung

Die Entscheidung erkennt an, dass eine Patientenverfügungstrenge Rechtswirkungen entfaltet. Das bedeutet im einzel-nen:

Die Verfügung bestimmt, inwieweit ein ärztlicher Heileingriffund ein Behandlungsabbruch straf- und deliktsrechtlichzulässig oder unzulässig sind. Wenn sie in bestimmtenFällen solche medizinischen Maßnahmen untersagt, so legtsie einerseits fest, dass diese rechtswidrig sind. Denn sieschließt den Rechtfertigungsgrund der Einwilligung aus.Andererseits gibt sie den Rechtfertigungsgrund für einenBehandlungsabbruch. Damit ist die Patientenverfügunginsoweit „janusköpfig“. Dies gilt gleichermaßen gegenüberArzt, Betreuer und Bevollmächtigtem.

Auch weiterhin kann eine Patientenverfügung die Kriterien,nach denen ein Behandlungsabbruch in Form der Sterbe-hilfe iwS zulässig ist, nicht erleichtern. Eine Verfügung, dievom Vorliegen der Voraussetzungen befreit, ist rechtlichnicht zulässig. Für den, der sich auf sie verläßt, stellt sie kei-nen Rechtfertigungsgrund dar. Sie bindet aber auch wederArzt noch Betreuer oder Bevollmächtigten. Eine solcheWillenserklärung ist durch eine solche Patientenverfügungwegen Gesetzesverstosses (§ 134 BGB) nichtig. Sie decktdann auch nicht mehr eine noch zulässige Vorgehensweisebei der Sterbehilfe ab38. Außerdem bewirkt sie nach derZweifelsregel von § 139 BGB, dass auch weitere in ihr abge-gebene Erklärungen (wie etwa eine Vorsorgevollmacht) inder Regel unwirksam sind. Daher ist bei der Formulierungeiner Patientenverfügung darauf zu achten, dass dieKriterien der Sterbehilfe nicht mißachtet werden.

2. Die Dauer der Bindungswirkung der Patienten-verfügung

Die Wirkung einer Patientenverfügung wird nicht dadurchaufgehoben, dass der Verfügende einwilligungsunfähigwird39. Gerade für diesen Fall ist sie ja gedacht. Der BGHhebt die Fortwirkung bis zu einem Widerruf ausdrücklichhervor40 und sorgt hierdurch für Rechtssicherheit. Ist alsoeine zeitliche Einschränkung nicht aufgenommen (wie sieetwa denkbar ist, wenn ein junger Mensch anläßlich einerOperation eine solche Anordnung trifft), gilt die Bestimmungfort, bis sie widerrufen wird.

Dennoch wird (auch weiterhin) teilweise gefordert, dieUnterschrift solle regelmäßig erneuert werden41. Dies istkaum wirklich anzuraten. Eine Patientenverfügung, die einenbesonderen Raum für Vermerke über eine „Bestätigung“vorsieht, – wie die der Handreichung42 –, leistet eher Wirk-samkeitszweifeln Vorschub. Wenn der ältere Verfügende –wie dies kein seltener Fall sein wird – mit der Zeit dieBestätigung vergißt, so wird der Anschein erweckt, dieFortgeltung sei nicht mehr erwünscht. Praktisch nicht gutdurchführbar ist schließlich eine Bestätigung, wenn dieVerfügung aus der Hand gegeben ist. Dies liegt etwa vor,wenn sie bestimmungsgemäß beim Hausarzt hinterlegt wirdoder Teil einer Vorsorgevollmacht ist, die dem Bevollmäch-tigten ausgehändigt ist.

Sinnvoll scheint es aber, im Text deutlich zu machen, dassdie Patientenverfügung bis zu ihrem Widerruf fortgeltensoll43. Der Verfügende ist darauf hinzuweisen, dass dieAkzeptanz des Widerrufs voraussetzt, dass er dafür sorgt,dass alle Personen, denen eine Ausfertigung zugegangenist, vom Widerruf in Kenntnis gesetzt werden.

38 Sie kann nur noch bei Feststellung eines mutmaßlichen Willens herange-zogen werden.

39 Taupitz, Gutachten A für den 63. Deutschen Juristentag, 2000, A 116.40 BGH, MittBayNot 2003, 387, 389.41 Stackmann, NJW 2003, 1568; Lipp, BtPrax 2002, 47, 52 mwN in Fn 52;

Hahne, FamRZ 2003, 1619, 1620; Vossler, BtPrax 2002, 240, 242.42 Christliche Patientenverfügung, unter IV. am Ende.43 E. Albrecht/A. Albrecht, MittBayNot 2003, 348, 354; Milzer, NJW 2003,

1836, 1839; Langenfeld, ZEV 2003, 449, 452.

33 Kritisch Spickhoff, JZ 2003, 739, 740.34 Siehe Schaffer, BtPrax 2003, 143, 147.35 Hahne, FamRZ 2003, 1619, 1620; ähnlich wohl Lipp FamRZ 2004, 317,

320.36 Zu § 1904 BGB generell D. Schwab, FS Henrich, 2000, 511, 518 ff, 522 ff,

531: „rechtspolitische Irrwege“.37 MK-D. Schwab, 4. Auflage, 2002, § 1904 Rn 22; D. Schwab, FS Henrich,

2000, 511, 518; Hufen, NJW 2001, 849, 851; Hahne, FamRZ 2003, 1619,1620; Perau, MittRhNotK 1996, 285; Baumann / Hartmann, DNotZ 2000,594, 595, 601.

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BWNotZ 3/04 Dieckmann · Patientenverfügung

3. Geltung des Genehmigungserfordernisses (auch) für Bevollmächtigen

Von besonderer Bedeutung für die notarielle Tätigkeit ist dieFrage, ob das vom BGH für die Betreuung vorgeseheneErfordernis einer Genehmigung durch das Vormundschafts-gericht auch für die Verweigerung einer Behandlungszu-stimmung durch einen Bevollmächtigen gilt. Denn nach § 18BeurkG ist über gerichtliche Genehmigungen zu belehren.

Das Gericht hat hierzu – leider – nichts ausgeführt. Wäre esder Rechtsprechung der OLG Frankfurt und Karlsruhegefolgt, und hätte die Analogie zu § 1904 BGB für richtiggehalten, käme man zwanglos dazu, das Genehmigungser-fordernis auch für diesen Fall zu bejahen. Denn § 1904 Abs.2 Satz 1 BGB erstreckt die Genehmigungsbedürftigkeit vonEinwilligungen des Betreuers in ärztliche Maßnahmen auchauf die Einwilligung eines Bevollmächtigten. Es läge nahe,die Analogie darauf zu erstrecken.

Nachdem die entsprechende Anwendung der gesetzlichenVorschriften vom BGH ausdrücklich verneint und statt des-sen eine Rechtsfortbildung gewählt wurde, hätte es nahege-legen, auch zu diesem Fall etwas auszuführen, selbst wenndie Frage nicht entscheidungserheblich war. Übernimmt einGericht die Aufgaben des Gesetzgebers, so ist es unbefrie-digend, wenn es die naheliegenden gleichgelagerten Fällevöllig außer Acht läßt.

Gegen die Erstreckung mag man anführen, dass dieGesamtschau des Betreuungsrechts eben für die rechtsge-schäftliche Bevollmächtigung nichts hergibt. Außerdem ver-folgt der Vollmachtgeber oftmals das Ziel, eine Betreuungs-lage gerade zu vermeiden. Die Furcht oder Scheu davor, imAlter in die Mangel der staatlich-hoheitlichen Fürsorge zugeraten, ist für Vollmachtgeber oft Anlass zur Erteilung einerVorsorgevollmacht. Andererseits ist zu bedenken, dass derBevollmächtigte bei so weitreichenden Maßnahmen viel-leicht gerade besonderer Kontrolle bedarf. Denn er istanders als der Betreuer nicht vorab vom Gericht durch Aus-wahl und Bestellung geprüft worden44. Für die Erstreckungder Genehmigungspflicht wird angeführt, dass nur durch siedie Einheitlichkeit eines „Genehmigungsregimes“ erhaltenwird45. Auch der Ansatz, die Genehmigungspflicht sei zumSchutz des Betreuers erforderlich, ist auf Bevollmächtigteübertragbar46 – wenn man ihn denn für richtig hält. ImErgebnis wird man gut daran tun, von der Genehmigungs-pflicht auch beim Bevollmächtigten auszugehen47, und diesals Belehrung in die Urkunde mitaufzunehmen.

4. Aufnahme der Entscheidung für einen Behandlungs-abbruch in Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

Wünscht der Verfügende einen verläßlichen Behandlungs-abbruch, so ist anzuraten, dies möglichst klar und ohneAnlass für Zweifel in den Text der Erklärung aufzunehmen48.Zwar gilt – folgt man dem BGH – § 1904 Abs. 2 Satz 2 BGBnicht entsprechend. Die Vorschrift statuiert zur Wirksamkeitder Vollmacht das Erfordernis der Schriftlichkeit und derausdrücklichen Benennung einer riskanten medizinischen

Behandlungsmaßnahme. Dennoch ist es ratsam, eine aus-drückliche Formulierung aufzunehmen. Denn bei derErmittlung des Willens des Betroffenen wird man zunächstauf eine schriftliche Erklärung Bezug nehmen. Fehlt dieAnerkennung des Behandlungsabbruchs, wird schließlichmöglicherweise der Adressat folgern, der Abbruch sei ebennicht gewollt. Damit setzt man den Betroffenen der Gefahraus, dass entgegen seinem Willen eine Behandlung fortge-setzt wird. Diese Gefahr sollte man vermeiden.

5. Verbindung oder Trennung von Patientenverfügungund Vorsorgevollmacht

Oftmals werden Patientenverfügungen nicht gesonderterstellt. Sie werden vielmehr gemeinsam mit einer Vorsor-gevollmacht erteilt, die auch andere Gegenstände abdeckt –wie die Besorgung von Vermögensangelegenheiten.Empfohlen wird aber auch, neben der Vorsorgevollmachteine separate Urkunde mit ausdrücklicher Vollmacht zurDurchsetzung der Patientenverfügung („Durchsetzungsvoll-macht“) zu erstellen49. Beide dieser Verbindungen sind fürden Betroffenen von Vorteil. Tritt der Zustand ein, für den diePatientenverfügung gedacht ist, braucht nicht erst einBetreuer vom Gericht bestellt zu werden50.

Diese Zusammenfassung von Patientenverfügung undVollmacht (gleich ob reine Durchsetzungsvollmacht oder all-gemeine Vorsorgevollmacht) bedeutet aber auch ein gewis-ses Risiko. Man wird wohl idR davon ausgehen können, dieUmsetzung der Patientenverfügung entspreche auch danndem Willen und Interesse des Verfügenden, wenn dieVollmacht nicht mehr besteht. Die Durchsetzung diesesWillens wird durch eine Verbindung potentiell gefährdet.Denn wird die Vollmacht etwa widerrufen, so bedeutet dieszwangsläufig auch das Ende der Geltung der Patientenver-fügung51. Sie stehen und fallen miteinander.

Einen Königsweg scheint es nicht zu geben. Diese Gefahrkann aber durch zwei Vorgehensweisen gemindert werden.So kann man zusätzlich eine isolierte Patientenverfügungerstellen, die unabhängig von der Vollmacht gelten soll.Diese kann man etwa dem behandelnden Arzt übergeben.Eine Alternative wäre es, zwar die beschriebene Verbindungmit einer Vollmacht vorzusehen, gleichzeitig aber anzuord-nen, dass die Patientenverfügung als solche vom Fort-bestand der Vollmacht unabhängig sein soll52.

44 So zugunsten der Analogie zu § 1904 BGB Taupitz, Gutachten A für den63. Deutschen Juristentag, 2000, A 98.

45 Perau, RNotZ 2003, 263, 266.46 E. Albrecht/A. Albrecht, MittBayNot 2003, 348, 353.47 So auch E. Albrecht/A. Albrecht, MittBayNot 2003, 348, 353; Perau, RNotZ

2003, 263, 266; Milzer, NJW 2003, 1836, 1837; Langenfeld, ZEV 2003, 449,451; s. Sybille M. Meier, FGPrax 2003, 167, 169.

48 Perau, RNotZ 2003, 263, 265.

49 Perau, RNotZ 2003, 263, 265.50 E. Albrecht/A. Albrecht, MittBayNot 2003, 348, 354.51 Möglicherweise mag man zwar in einem solchen Fall bei der Bestimmung

des mutmaßlichen Willens auf eine – nicht mehr geltende – Vollmachtzurückgreifen können. Dies könnte etwa gelten, wenn klar ist, dass derWiderruf der Vollmacht allein aus Gründen in der Person des Bevollmäch-tigten erfolgte. Aber sicher ist dies nicht.

52 Vgl. das Muster unten VI. 2.

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Dieckmann · Patientenverfügung BWNotZ 3/04

6. Genehmigungsbedürftigkeit der Erstellung der Patientenverfügung

Nicht ausdrücklich angesprochen hat der BGH die Frage, obdie Patientenverfügung als solche vom Vormundschafts-gericht genehmigt werden muss, wenn sie einenBehandlungsabbruch vorsieht. Aus den Gesamtumständender Entscheidung ist dies aber mit Sicherheit zu verneinen53.Denn das Gericht geht unproblematisch von der Wirksam-keit und Relevanz der eingang zitierten privatschriftlichenVerfügung aus. Auch der in den Vordergrund gestellteSchutz des Betreuers (wohl auch des Bevollmächtigten) vorder „schweren Entscheidung“ fordert eine antizipierteGenehmigung nicht. Denn ob die Situation je eintritt, istungewiß. Auch scheint kaum ein Fall vorstellbar, in dem dasGericht einer abstrakten Patientenverfügung die Genehmi-gung verweigern würde (es sei denn, die Geschäftsfähigkeitsei nicht gegeben). Denn dass sie im Grundsatz Behand-lungsabbruch und ähnliche Maßnahmen beinhalten kann, istnicht (mehr) zweifelhaft.

V. Zusammenfassung

Der grundlegende Beschluss des Bundesgerichtshofs zuden Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Behandlungs-abbruchs durch den Betreuer bei Vorliegen einer„Patientenverfügung“ sorgt in dem entschiedenen Rahmenfür ein gewisses Maß an Rechtssicherheit. Das vormund-schaftsgerichtliche Zustimmungserfordernis sorgt für eineKontrolle des Betreuerhandelns. Es sichert damit dieWillensangemessenheit der Entscheidung ab. Dieser wirddarüber hinaus eine gewisse „Legitimität“ verliehen. DerBetreuer kann die Last der Entscheidung teilweise auf dieRichterbank verlagern.

Die Wirksamkeit einer Patientenverfügung wird einerseitsgestärkt, da dem in ihr niedergelegten Willen strikt zu folgenist. Andererseits wird die Umsetzung des Willens verzögert,da ein gerichtliches Verfahren mit ärztlichen Gutachtenerforderlich ist.

Dennoch bleibt nicht verborgen, dass eine Reihe von Fragenoffen bleibt – und zwar mehr als bei einer richterlichenRechtsfortbildung wünschenswert. Sieht man von methodi-schen Kritikpunkten ab, bleibt vor allem zu bemängeln, dasseine Stellungnahme über die Geltung der neugefundenenGrundsätze gegenüber Bevollmächtigen unterblieben ist.

Der – vom OLG Frankfurt bereits früher prognostizierte54 –Bedeutungszuwachs der Patientenverfügung wird weitersteigen. Für die notarielle Praxis ist für Beratung undBelehrung der Mandanten davon auszugehen, dass dieneuen Grundsätze auch für Bevollmächtigte gelten. DieAufnahme exakter und eindeutiger Formulierungen für denPatientenwillen zugunsten eines Behandlungsabbruchs inkritischen Fällen ist angezeigt.

Ob die Probleme, die im Grenzbereich zwischen Leben,Sterben und Tod, durch medizinische Entwicklung sowiejuristische und ethische Grenzen verursacht werden, durchdie Entscheidung wirklich besser gelöst werden, darf offenbleiben.

VI. Anhang: Formulierungsvorschläge55

1. Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung

§ 4

I. Gesundheitsfürsorge

Der Bevollmächtigte ist auch berechtigt, mich in allen per-sönlichen Angelegenheiten und Entscheidungen zu vertre-ten, auch soweit sie meine Gesundheit einschließlich ärzt-licher Behandlungen jeder Art, meinen Aufenthalt und meineUnterbringung im weitesten Sinne betreffen.

Die Vollmacht berechtigt insbesondere,

- auch dann eine Einwilligung in eine Untersuchung meinesGesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einenärztlichen Eingriff zu erteilen, wenn die begründete Gefahrbesteht, dass ich aufgrund der Maßnahme sterben sollteoder einen länger andauernden gesundheitlichen Schadenerleide;

- freiheitsbeschränkende Maßnahmen im Sinne von § 1906BGB für mich anzuordnen bzw. zu genehmigen.

II. Patientenverfügung

An mir sollen keine lebensverlängernden Maßnahmen vor-genommen werden, wenn medizinisch festgestellt ist,

- dass ich mich im unmittelbaren Sterbeprozess befinde, beidem jede lebenserhaltende Maßnahme das Sterben oderLeiden ohne Aussicht auf erfolgreiche Behandlung verlän-gern würde,

oder

- dass es zu einem nicht behebbaren Ausfall lebenswichti-ger Funktionen meines Körpers kommt, der zum Tode führt.

In diesen Fällen sollen bereits begonnene Maßnahmenabgebrochen werden.

Ärztliche Begleitung und Behandlung sowie sorgsamePflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung vonSchmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenndurch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebens-verkürzung nicht auszuschließen ist.

III. Genehmigungserfordernisse

Mir ist bekannt, dass der Bevollmächtigte für die genanntenMaßnahmen (wohl) die Genehmigung des Vormundschafts-gerichts einholen muss.

§ 5

Diese Vollmacht und diese Patientenverfügung sollen bis zuihrem Widerruf durch mich fortgelten.

55 Die Vorschläge gehen zurück auf bei dem Notariat 1 in Freiburg herkömm-lich verwendete Texte. Andere Vorschläge finden sich etwa bei Peter, in:Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbar-keit, 21. Auflage, 2001, § 101 Rn 55 M, 64 M, 65 M; Milzer, NJW 2003,1836, 1839 f; Perau, MittRhNotK 1996, 291, 299 f; Notthoff, ZNotP 2003,282, 289 f; A. Langenfeld/G. Langenfeld, ZEV 1996, 339 ff.

53 Hiergegen auch Schaffer, BtPrax 2003, 143, 146.54 OLG Frankfurt FamRZ 1998, 1137, 1138.

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BWNotZ 3/04 Dieckmann · Patientenverfügung

2. Patientenverfügung mit Durchsetzungsvollmacht

§ 1

An mir sollen keine lebensverlängernden Maßnahmen vor-genommen werden, wenn medizinisch festgestellt ist,

- dass ich mich im unmittelbaren Sterbeprozess befinde, beidem jede lebenserhaltende Maßnahme das Sterben oderLeiden ohne Aussicht auf erfolgreiche Behandlung verlän-gern würde,

oder

- dass es zu einem nicht behebbaren Ausfall lebenswichtigerFunktionen meines Körpers kommt, der zum Tode führt.

In diesen Fällen sollen bereits begonnene Maßnahmen ab-gebrochen werden.

Ärztliche Begleitung und Behandlung sowie sorgsamePflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung vonSchmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenndurch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebens-verkürzung nicht auszuschließen ist.

Mir ist bekannt, dass der Bevollmächtigte oder Betreuer fürdie genannten Maßnahmen die Genehmigung des Vor-mundschaftsgerichts einholen muss.

§ 2

Frau NN wird mit der Durchführung und Durchsetzung die-ser Patientenverfügung beauftragt und bevollmächtigt, alleMaßnahme zu treffen, die hierzu erforderlich sind.

§ 3

I.

Diese Patientenverfügung und diese Vollmacht sollen bis zuihrem Widerruf durch mich fortgelten.

II.

Diese Patientenverfügung soll auch dann fortgelten, wennich Frau NN diese Vollmacht entzogen habe oder sie ausanderen Gründen an ihrer Durchsetzung verhindert ist.

Sie soll in diesem Fall von jedermann, der zu meinemBetreuer bestellt wird oder von mir bevollmächtigt wird, ingleicher Weise beachtet und durchgesetzt werden.

1 Weber, JuS 1990, 2492 Palandt, 63. Auflage, Einführung vor § 145, Rdnr 18 ff; MüKo, 3. Auflage,

Vorbemerkung vor § 145, Rdnr. 33 ff3 Palandt § 2 ErbbauVO, Rdnr 7 sowie § 31 ErbbauVO. Von Oefele/Winkler,

Handbuch des Erbbaurechts, 4. Kapitel, Rdnr 142ff : „Das Vorrecht auf Er-neuerung des Erbbaurechts ist vergleichbar mit dem Vorkaufsrecht bei Ab-schluss eines Kaufvertrages. Es hat demgemäß ähnliche Voraussetzungen(Vertragsschluss und Ausübungserklärung) wie das Vorkaufsrecht und eineähnliche Rangwirkung und Ausgestaltung (§ 31 Abs. 2 - 4 ErbbauVO)“

I. Einleitung

Begriff:

Die Vertragsbeteiligten wünschen oftmals im Zeitraum zwi-schen Vertragsverhandlungen und endgültigem Vertrags-schluss die Einräumung von Rechten, um eine gewisseBindung einer oder beider Vertragsparteien an die im vor-vertraglichen Stadium vereinbarten Regelungen herbeizu-führen und den eventuellen späteren Abschluss des end-gültigen Rechtsgeschäftes sicher zu stellen1. SolcheRechte, die nachfolgend mit dem Oberbegriff Vorrechtebezeichnet werden, stellen Vorstufen des endgültigenVertrages dar2. Die nachgenannten Vorrechte sind von demVorrecht des Erbbauberechtigten auf Erneuerung desErbbaurecht nach Fristablauf gemäß §§ 2 Nr. 6, 31ErbbauVO abzugrenzen3.

Die Einräumung eines Vorrechtes ist sowohl als Zusatz-bestimmung im konkret anstehenden Rechtsgeschäft alsauch als eigenständiges Institut denkbar, wie die nachfol-genden Beispiele belegen sollen. Gelegentlich ist in diesemZusammenhang auch die Gewährung von Vorzugsbedin-gungen (z. B. Erwerb zum Preis von 80 % des Verkehrs-wertes) von den Vertragsparteien gewünscht.

Beispiele4

Als Beispiele der Vertragspraxis sind folgenden Konstella-tionen anzutreffen:

- der Bauträger möchte vor Abschluss des Grundstücks-kaufvertrages prüfen, ob die von ihm zu errichtendenImmobilien gebaut und veräußert werden können;

- den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichenRechts, einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Komman-ditgesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftungoder einer Aktiengesellschaft soll gegenseitig ein Vorrechtbei der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils eingeräumtwerden;

- im Rahmen der Übertragung von Familienvermögen aufdie nachfolgende Generation im Wege der vorweggenom-menen Erbfolge sollen den Empfängern gegenseitigVorrechte bei einer Veräußerung des übertragenenVermögens eingeräumt werden, um das Familienvermögeninnerhalb der Familie belassen zu können. Solche Vorrechtekönnen auch im Wege der letztwilligen Verfügung beispiels-weise durch entsprechende Vermächtnisanordnungen ein-geräumt werden;

Vorrechte in der vertragsrechtlichen PraxisVon Notarvertreter Frank Maurer, Mundelsheim

4 weiteres Beispiel siehe Münchner Vertragshandbuch 4. Auflage Band 4, 1.Halbband, I. 15

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Maurer · Vorrechte in der vertragsrechtlichen Praxis BWNotZ 3/04

- im Mietvertrag über eine Gewerbefläche zwischenVermieter und Mieter wird ein Vorrecht für den Mieter an derebenfalls im Eigentum des Vermieters stehenden angren-zenden und anderweitig vermieteten Gewerbefläche verein-bart, da der Mieter beabsichtigt, sein Ladengeschäft even-tuell später zu vergrößern;

- im Erbbaurechtsvertrag wird dem Erbbauberechtigtenregelmäßig bei Veräußerung des mit dem Erbbaurecht bela-steten Grundstücks ein Vorrecht zum Erwerb desGrundstücks vertraglich eingeräumt. Weiter ist gemäß § 2Ziff. 7 ErbbauVO umgekehrt die Vorrechtseinräumung fürden Grundstückseigentümer im Fall der Veräußerung desErbbaurechts durch den Erbbauberechtigten vorgesehen.

II. Erscheinungsformen der Vorrechte5

Als Vorrechte werden in der vertragsgestaltenden Praxisregelmäßig folgende Instrumentarien verwendet:

1. Vorhand

2. Vertragsangebot gemäß §§ 145 ff BGB

3. Vorvertrag

4. Optionsvertrag (Option im engeren Sinne)

5. Ankaufsrecht

6. schuldrechtliches und dingliches Vorkaufsrecht,§§ 463 bis 473 bzw. §§ 1094 bis 1104 BGB

7. Wiederkaufsrecht, §§ 456 bis 462 BGB.

Das Vertragsangebot, das schuldrechtliche und dinglicheVorkaufsrecht sowie das Wiederkaufsrecht sind gesetzlichkodifiziert. Die vier übrigen Instrumente sind aufgrund desGrundsatzes der Vertragsfreiheit vertraglich vereinbar6.

Nachfolgend sollen die genannten Erscheinungsformen derVorrechte im Rahmen von Grundstücksgeschäften unter-sucht werden, um für den konkreten Sachverhalt entspre-chend dem Willen der Vertragsbeteiligten den passendenVorrechtstyp auszuwählen. Grunderwerbsteuerliche Gründespielen für die Auswahl des passenden Vorrechtstypen keineRolle, da Grunderwerbsteuer regelmäßig bei der Bestellungund Einräumung der Vorrechte nicht anfällt7.

1. Vorhand

Die Vorhand (besser: der Vorhandvertrag) ist regelmäßig eineinseitig verpflichtender schuldrechtlicher Vertrag, durchden der Vorhandverpflichtete (regelmäßig der Eigentümerder Sache bzw. Inhaber des Rechtes) verpflichtet wird, denGegenstand vor Verkauf an einen Dritten zunächst demVorhandberechtigten zum Kauf anzubieten8. Dieses Rechtwird in der Praxis oft auch als Anbietungspflicht oderAndienungsrecht bezeichnet. Das Recht aus dem Vorhand-vertrag kann unterschiedlich stark ausgestaltet sein. Mankann nach der inhaltlichen Ausgestaltung zwischen folgen-den Arten des Vorhandvertrages unterscheiden:

a) Verhandlungsvorhand

Bei der Ausgestaltung als Verhandlungsvorhand hat derVorhandverpflichtete den Vorhandberechtigten über dieVeräußerungsabsicht zu informieren und mit ihm über dieVeräußerung zu verhandeln9. Eine schuldhafte Verletzungder Informations- und Verhandlungsverpflichtung läßt einenSchadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGBentstehen. Eine Verpflichtung für den Vorhandverpflichte-ten, einen Veräußerungsvertrag mit dem Vorhandberechtig-ten abzuschließen, besteht aber gerade nicht10. Da dieseschwächste Form der Vorhand eine Verpflichtung zur Über-tragung oder Erwerb von Grundstückseigentum wederunmittelbar noch mittelbar begründet, ist die Verhandlungs-vorhand nicht gemäß § 311 b Abs. 1 BGB beurkundungsbe-dürftig sondern formfrei begründbar11. Ein durchVormerkung sicherbarer Anspruch gemäß § 883 Abs. 1 BGBentsteht nicht, da durch diesen Vorhandvertrag weder einbedingter noch ein künftiger Anspruch auf Übertragung vonGrundstückseigentum geschaffen wird.

b) Angebotsvorhand

Bei der Ausgestaltung der Vorhand als Angebotsvorhand hatder Vorhandverpflichtete dem Vorhandberechtigten nachEintritt der vertraglich vereinbarten Bedingungen denGegenstand zum Kauf anzubieten. Der Vorhandverpflichtetehat also dem Vorhandberechtigten ein Veräußerungsan-gebot zu unterbreiten, der Vorhandberechtigte hat einen ein-klagbaren Anspruch hierauf. Die Angebotsvorhand kanndeshalb als einseitig bindender und durch die Veräuße-rungsabsicht aufschiebend bedingter Vorvertrag angesehenwerden12, wobei die aufschiebende Bedingung eine Wollens-bedingung ist (der Wille des Verpflichteten, nunmehr veräu-ßern zu wollen13). Aufgrund der vertraglich begründeten auf-schiebend bedingten Übertragungsverpflichtung bedarf derAngebotsvorhandvertrag gemäß § 311 b Abs. 1 BGB insge-samt der notariellen Beurkundung14. Soweit vertraglich ver-

5 weitere Typen der Vorrechte sind folgende, in der notariellen Praxis abereher eine untergeordnete Rolle spielenden Erscheinungsformen: - Letter of Intent: ist eine im Vorfeld von Großprojekten in der Regel recht-lich nicht verbindliche Fixierung der Verhandlungsposition des Absenders,vergl. Palandt aaO (Fußn. 2), MüKo aaO (Fußn. 2), Weber aaO (Fußn. 1) - Rahmenvertrag: Darunter ist eine Vereinbarung zu verstehen, in der (meistbei Aufnahme der Geschäftsbeziehungen) Bedingungen für künftigeGeschäfte festgelegt werden. Er ist mangels Bestimmtheit der abzuschlie-ßenden Einzelverträge in der Regel kein Vorvertrag, vergl. Palandt aaO(Fußn.2), MüKo aaO (Fußn.2), Weber aaO (Fußn. 1)

6 beispielsweise für den Vorvertrag vergl. Palandt aaO (Fußn. 2) Rdnr 19 7 Münchner Vertragshandbuch aaO (Fußn. 4) Anmerkung 6 vergleiche

Borruttau/Egly/Sigloch Grunderwerbsteuerrecht 14. Auflage für dasAngebot Rdnr 306, für das Vorkaufsrecht Rdnr 353 und für dasWiederkaufsrecht Rdnr 358

8 Staudinger Vorbem. zu §§ 145ff, Rdnr 789 Wolf DNotZ 1995, 19210 Wolf aaO (Fußn. 9), Staudinger aaO (Fußn. 8)11 Palandt aaO (Fußn. 2), Weber aaO (Fußn. 1), Staudinger aaO (Fuß.8)12 Wolf aaO (Fußn. 9), Staudinger aaO (Fußn.8), Palandt aaO (Fußn. 2) Die

Verpflichtung, Angebote Dritter dem Vorhandberechtigten mitzuteilen,kann nach Wolf im Rahmen der formlosen Verhandlungsvorhand erfolgen.Nach Staudinger löst diese Verpflichtung eine Verpflichtung des Vorhand-berechtigten aus, wenn er an der Sache oder dem Recht interessiert ist, einmindestens gleichwertiges Angebot abzugeben, zu dessen Annahme derVorhandverpflichtete dann auch verpflichtet ist. Aus diesem Grund bedarfdiese Vereinbarung der notariellen Beurkundung gemäß § 311 b Abs. 1BGB und kann somit begrifflich der Angebotsvorhand zugeordnet werden.

13 Staudinger aaO (Fußn. 8)14 Palandt § 311 b Rdnr 11

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BWNotZ 3/04 Maurer · Vorrechte in der vertragsrechtlichen Praxis

einbart ist, dass die Anbietungsverpflichtung allein durchEintritt der Wollensbedingung entsteht, kann dieser beding-te Anspruch auf Übertragung des Grundstückeigentumsebenfalls nicht durch Vormerkung im Grundbuch gesichertwerden15.

Bei der vertraglichen Fixierung eines Vorhandvertrages soll-ten folgende Punkte geregelt werden:

- Art des Vorhandvertrages

- Inhalt und Umfang der Vorhandverpflichtung

- Bedingungen, nach deren Eintritt die Vorhandverpflichtun-gen entstehen

- zeitliche Befristung der Vorhandverpflichtung

- Übertragbarkeit und Vererblichkeit des Anspruchs desVorhandberechtigten aus dem Vorhandvertrag

- soweit bei der Angebotsvorhand die aufschiebend beding-te Übereignungsverpflichtung nicht nur von einer reinenWollensbedingung des Vorhandverpflichteten abhängig ist:Gestaltung als durch Vormerkung sicherbarer Anspruchnach § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB nebst Eintragungsbewilligungund Antragstellung

- bei der Verhandlungsvorhand: gegebenenfalls Verein-barung einer zulässigen Vertragsstrafe, da der Schadens-ersatzanspruch auf das negative Interesse des Vorhand-berechtigten beschränkt ist.

Formulierungsbeispiel für eine Angebotsvorhand:

„Zwischen A (Vorhandverpflichteter) und B (Vorhand-berechtigter) wird folgender Angebotsvorhandvertrag ge-schlossen:

A verpflichtet sich, vor Abschluss eines Grundstückskauf-vertrages mit einem Dritten über sein Grundstücks derGemarkung…(es folgt Grundstücksbeschrieb gemäß § 28GBO) B unverzüglich von dem beabsichtigten Verkauf zuinformieren, ihm den Stand der Verkaufsverhandlungen,Verkaufsangebote von seiner Seite und KaufangeboteDritter unverzüglich mitzuteilen und in Verkaufsverhandlun-gen mit B einzutreten. Weiter verpflichtet sich A in diesemFall, das Grundstück zu den gleichen Verkaufsbedingungen,die seitens eines Dritten vorliegen, unverzüglich B vorrangigzum Kauf anzubieten. Die vorgenannten Verpflichtungen desA erlöschen, wenn B nicht innerhalb von 2 Monaten nachBekanntgabe der aktuellsten Informationen und Mitteilungenüber die Verkaufsverhandlungen ein vorgenanntes Verkaufs-angebot des A annimmt. B ist zur Annahme einesVerkaufsangebots von A nicht verpflichtet.

Die vorgenannten Verpflichtungen von A sind auf die Dauervon 5 Jahren ab heute befristet. Die Rechte des B aus die-sem Vorhandvertrag sind weder übertragbar noch verer-blich.“

Im Gegensatz zum Verkaufsangebot, Wiederkaufsrecht undAnkaufsrecht, bei denen die Verkaufsbestimmungen für dasendgültige Rechtsgeschäft regelmäßig inhaltlich detailliertbereits bei Begründung des Vorrechtsvertrages festgelegtwerden, ergeben sich beim Vorhandvertrag die detailliertenRegelungen des endgültigen Rechtsgeschäft erst mit des-sen konkreten und in Erfüllung der Vorhandverpflichtungenerfolgenden Abschluss. Beide Seiten sind somit nicht aneinen (oft vor Jahren getroffenen) bestimmten Inhalt gebun-den sondern in den Vertragsverhandlungen beispielsweisehinsichtlich Kaufpreishöhe, Vertragsvollzug, Gewährleistungund Nebenbestimmungen frei für Verhandlungen. Es kannsomit der Zustand des Vertragsgegenstandes, baurechtlicheNutzungsmöglichkeiten und eventuelle Ertragsaussichtenbei Gewerbeimmobilien im Zeitpunkt der konkreten Ver-tragsverhandlungen über einem Kaufvertrag zwischen Vor-handverpflichtetem und Vorhandberechtigtem in Erfüllungder Vorhandverpflichtungen berücksichtigt werden und ent-sprechenden Niederschlag finden.

2. Vertragsangebot gemäß § 145 ff BGB

Die Abgabe eines bindenden Angebots nach § 145 BGB isteine gebräuchliche Gestaltung zur Schaffung eines Vor-rechts für den Angebotsempfänger. Regelmäßig wird dasAngebot vom Veräusserer gegenüber dem eventuellenErwerber abgegeben (Veräußerungsangebot). Denkbar istauch die Abgabe eines Kaufangebots vom Erwerber gegen-über dem Veräusserer (Erwerbsangebot). Die Abgabe einesbindenden Angebots wird auch als Festofferte bezeichnet16.Bei der Einräumung eines Vorrechts wird in der Praxis regel-mäßig die Abgabe eines Veräußerungsangebots erfolgen.

Das Angebot ist eine einseitige empfangsbedürftige Willens-erklärung, die gemäß § 130 BGB mit dem Zugang an denAngebotsempfänger wirksam wird17. Gegenstand und Inhaltdes Vertrages müssen im Angebot so bestimmt oderbestimmbar sein, dass die Annahme durch ein einfaches„Ja“ erfolgen kann. Auch die Person des Angebotsempfän-gers muss bestimmt oder bestimmbar sein18. Eine Annahmedes Angebots unter Erweiterungen, Einschränkungen odersonstigen Änderung gilt gemäß § 150 Abs. 2 BGB alsAblehnung des Angebots, verbunden mit einem neuenAngebot. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, denVertragsinhalt möglichst mit dem Angebotsempfänger abzu-stimmen, um einen Vertragsschluss durch eine einfacheAnnahme zu gewährleisten. Sowohl das Angebot als auchdie Annahme sind unabhängig davon, welcher Vertragsteilanbietet und welcher annimmt, gemäß § 311 b Abs. 1 BGBbeurkundungspflichtig.

15 Schöner/Stöber Grundbuchrecht 12. Auflage Rdnr 1489 mit weiterenNachweisen: „Bedingte Ansprüche sind vormerkungsfähig, auch wenn derEintritt der Bedingung vom Verhalten des Verpflichteten oder Berechtigtenabhängig ist (Potestativbedingungen). Voraussetzung ist nur, dass bereitseine Bindung für den Fall künftigen Verhaltens gewollt ist; daher scheidenreine Wollensbedingungen, bei denen die Wirksamkeit des Rechtsge-schäfts als solches von der Billigung des Verpflichteten abhängt, alsGrundlage für vormerkbare Ansprüche mangels rechtsgeschäftlicherBindung aus“.

16 Münchner Vertragshandbuch I. 15 Ziff. 217 Palandt § 145 Rdnr. 118 Auf die rechtlichen Besonderheiten eines Vertragsangebots an einen noch

zu benennenden Dritter soll hier nicht eingegangen werden, da dies bei derBegutachtung des Angebots unter dem Blickwinkel des Instruments einerVorrechtseinräumung eine eher untergeordnete Rolle spielen dürfte. Fürdie rechtlichen Besonderheiten eines Vertragsangebots an einen noch zubenennenden Dritten vergleiche Haegele/Schöner/Stöber Rdnr. 904 ff mitweiteren Nachweisen

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Maurer · Vorrechte in der vertragsrechtlichen Praxis BWNotZ 3/04

Gemäß § 145 BGB ist der Anbietende an sein Angebotgebunden, sofern er nicht die Bindung ausgeschlossen hat.Bindung bedeutet hier, dass der Anbietende das Angebotgrundsätzlich nicht widerrufen und sich somit nicht einseitigvom abgegebenen Angebot lösen kann. Die Bindungbeginnt mit dem Zugang des Angebots und endet mit demErlöschen des Angebots gemäß § 146 BGB durchAblehnung des Angebots oder nicht rechtzeitige Annahme19.Aufgrund der Möglichkeit, die Bindung an das Angebot voll-ständig auszuschließen ergibt sich auch die Möglichkeit, dieBindung an das Angebot zu befristen.

Von der Bindung des Anbietenden an sein Angebot ist dieSetzung einer Annahmefrist gemäß § 148 BGB zu unter-scheiden. Ist eine Annahmefrist gesetzt, so kann eineAnnahme nach Ablauf der Annahmefrist nur noch nachVorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift § 149 BGB erfolgen und zum Vertragsschluss führen. Soweitdie Voraussetzungen des § 149 BGB nicht gegeben sind,verbleibt es bei dem Grundsatz des § 150 Abs. 1 BGB,wonach die verspätete Annahme als neuer Antrag desursprünglich Annehmenden gilt und ein Vertragsschlusssomit nur nach Annahme durch den ursprünglichAnbietenden erfolgt20. Aus den vorgenannten Gründen bie-tet es sich an, im Angebot eine Bindungsfrist zu setzen,wonach der Anbietende bis zu einem bestimmten Zeitpunktan das Angebot unwiderruflich gebunden ist. NachFristablauf erlischt die Bindung, nicht aber das Angebot alssolches. Somit kann das Angebot auch nach Ablauf derBindungsfrist angenommen werden, soweit es nicht vomAnbietenden zeitlich vorher widerrufen wurde. Der Widerrufist eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärunggemäß § 130 BGB, die der Anbietende gegenüber demAnnehmenden (in seiner Funktion als Angebotsempfänger)abgibt und diesem zugehen muss.

Das dem Angebotsempfänger aus dem Angebot erwach-sende Recht ist ein Gestaltungsrecht. Dieses Recht kannunter Umständen übertragbar gemäß § 413, 398 BGB,pfändbar gemäß § 851 Abs. 1 ZPO und vererblich gemäß § 1922 BGB sein. Maßgebend ist der durch Auslegunggemäß §§ 133, 157 im Einzelfall zu ermittelnde Inhalt desAngebots21. Aus diesem Grund ist es ratsam, die Frage derÜbertragbarkeit und Vererblichkeit des Angebots zu regeln.Der künftige Anspruch des Angebotsempfängers auf Über-tragung von Eigentum an Grundstücken oder grundstücks-gleichen Rechten ist gemäß § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB imGrundbuch durch Vormerkung sicherbar, soweit es sich umein bindendes formgültiges Veräußerungsangebot handelt22.Kriterium für die Absicherung künftiger Ansprüche durchEigentumsvormerkung ist eine vom künftigen Schuldner dessicherbaren Anspruchs nicht mehr einseitig zu beseitigendeBindung23. Für den Angebotsempfänger kann damit bereitsab Zugang des Angebots (und somit Eintritt derBindungswirkung) und nicht erst ab Annahme des Ange-bots eine Eigentumsvormerkung zu seinen Gunsten imGrundbuch eingetragen werden.

Beim Angebot des Erwerbers ist die Eintragung einerAuflassungsvormerkung für den anbietenden Erwerber man-gels eines einseitig vom Veräusserer nicht zerstörbarenRechtsboden des künftigen Anspruch nicht möglich.

Bei der notariellen Gestaltung eines Veräußerungsangebotsempfehlen mehrere Autoren von Formularhandbüchern dieAufgliederung der Urkunde in zwei Teile24:

Der erste Teil der Urkunde enthält

- das Angebot als solches

- Setzung einer Bindungsfrist und gegebenenfalls einer Annahmefrist

- Regelungen über den Widerruf und die Annahmeerklä-rung25

- Übertragbarkeit und Vererblichkeit der Rechte aus demAngebot bzw. deren Ausschluss

- Bewilligung einer Auflassungsvormerkung

- Bedingungen für die Annahme26, insbesondere eigen-ständige Zwangsvollstreckungsunterwerfung des Käu-fers in der Annahmeerklärung27

- Vollzugsvollmacht für die Notariatsangestellten28

Der zweite Teil der Urkunde enthält die kaufvertraglichenBestimmungen als solche29, soweit diese nicht in einer An-lage enthalten sind. Gemäß § 9 Abs. 1 Ziff. 2 BeurkG mussin der Angebotsurkunde auf die Anlage verwiesen, dieserbeigefügt und gemäß § 13 BeurkG mitverlesen werden.

Eine Unterart der Vorrechtseinräumung in Form eines bin-denden Vertragsangebots ist die Gestaltung des Angebotsals Angebotsvertrag30. Hierbei ist der Angebotsempfängerbei der Beurkundung des Angebots anwesend und alsBeteiligter gemäß § 9 Abs. 1 Ziff. 1 BeurkG im Urkundenein-gang aufzuführen. Er bestätigt den Zugang des Angebotsohne jedoch seine Annahmeerklärung abzugeben. Vielmehrerklärt der Angebotsempfänger beispielsweise:

19 Palandt aaO (Fußn. 17) Rdnr. 320 Palandt § 149 Rdnr. 1; § 150 Rdnr. 121 Palandt § 145 Rdnr. 522 Palandt § 883 Rndr. 1623 Palandt § 883 Rdnr. 15, BayObLG DNotZ 93,374

24 Brambring in Beck’schem Notarhandbuch Kapitel A I Rdnr. 389, Götte imRechtsformularbuch Wurm/Wagner/Zartmann Kap. 19 VII u.a.

25 § 152 BGB 26 Beck’sches Notarhandbuch aaO (Fußn. 24) , dass die Annahme des

Angebots nur wirksam ist, wenn Sie zur Niederschrift dem das Angebotbeurkundenden Notar erklärt wird

27 Beck’sches Notarhandbuch aaO (Fußn. 24) Rdnr. 385: „Es ist zweifelhaft,ob die Unterwerfung des Käufers unter die sofortige Zwangsvollstreckungals rein prozessuale Erklärung mit Annahme einen Vollstreckungstitelzustande kommen läßt (BayObLG MittBayNot 1992,190). Solange dieseStreitfrage nicht geklärt ist, wird der Notar die Zwangsvollstreckungs-unterwerfung zur Bedingung für die Annahme machen. Zur Vermeidungvollstreckungsrechtlicher Schwierigkeiten ist in der Annahmeurkunde derKaufpreiszahlungsverpflichtung nebst Zwangsvollstreckungsunterwerfungzu wiederholen“.

28 zum Streitstand: Grigas BWNotZ 2003 Seite 104 mit weiteren Nachweisen29 Beck’sches Notarhandbuch: In den kaufvertraglichen Bestimmungen ent-

fällt:- die Bewilligung einer Auflassungsvormerkung durch den Veräusserer- die Zwangsvollstreckungsunterwerfung des Erwerbers vgl. Beck’schesNotarhandbuch (Fußn. 27), Rdnr. 385

30 Münchner Vertragshandbuch aaO Ziff.3; Beck’sches Notarhandbuch aaO(Fußn.27) Rdnr. 389

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BWNotZ 3/04 Maurer · Vorrechte in der vertragsrechtlichen Praxis

- Zahlung eines Bindungsentgelts

- Tragung von Grundbuch- und Notarkosten

- Vollzugsvollmacht für die Notariatsangestellten31

- Stellung des Eintragungsantrages für die Eintragung derAuflassungsvormerkung gemäß § 13 GBO32.

3. Vorvertrag

Der Vorvertrag ist ein schuldrechtlicher Vertrag, in dem sichdie Parteien darüber einigen, einen anderen schuldrechtlichenVertrag, den sog. Hauptvertrag, abzuschließen. Der Vorver-trag begründet somit einen vertraglichen Kontrahierungs-zwang33, durch den die Verpflichtung zum späteren Abschlussdes Hauptvertrages begründet wird. Seine Zulässigkeit ergibtsich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit34. Wie auch dieübrigen Vorrechtstypen bezweckt der Vorvertrag regelmäßigeine Bindung der Parteien, wenn dem Abschluss des Haupt-vertrages noch ein oder mehrere tatsächliche oder rechtlicheHindernisse entgegenstehen35. An den notwendigen Inhalteines Vorvertrages können nicht die gleichen Anforderungengestellt werden wie an den Hauptvertrag.

Ein wirksamer Vorvertrag setzt aber neben dem Bindungs-willen der Parteien voraus, dass sich die Parteien über allewesentlichen Punkte geeinigt haben und der Inhalt des abzu-schließenden Hauptvertrages zumindest bestimmbar ist36.Der Vorvertrag kann je nach Vereinbarung nur für eine oderaber für beide Parteien verbindlich sein und verpflichtet ent-sprechend dieser Regelung einen oder beide Vertragspartnerzum Abschluss des Hauptvertrages37, also zur Abgabe einesAngebots und/oder je nach Bindung zur Annahme desAngebots des anderen38. Der Vorvertrag über die Veräuße-rung oder Erwerb von Eigentum an Grundvermögen odergrundstücksgleichen Rechten bedarf der notariellenBeurkundung gemäß § 311 b Abs. 1 BGB39. Da der Haupt-vertrag ebenfalls der notariellen Beurkundung gemäß § 311 bBGB bedarf, spricht dies aus kostenrechtlicher Sicht gegenden Vorvertrag. Soweit der Veräusserer aus dem Vorvertragzum Abschluss des Hauptvertrages verpflichtet wird, kannauch hier wie beim Veräusserungsangebot eine Auflassungs-vormerkung für den Erwerber im Grundbuch eingetragenwerden. Kriterium für diesen künftigen Anspruch aufGrundstücksübereignung ist auch hier die vom Veräussererals künftiger Schuldner des Übereignungsanspruchs einsei-tig nicht mehr zu beseitigende Bindung40.

Götte formuliert im Rechtsformularbuch Wurm/Wagner/Zartmann41 einen Vorvertrag über eine Wohnungseigen-tumseinheit, dessen Inhalt wie folgt skizziert wird:

- Zunächst wird festgehalten, dass die Parteien beabsichti-gen, einen Kaufvertrag (besser: Bauträgervertrag) über nochnicht errichtetes und noch nicht im Grundbuch angelegtesWohnungs- und Teileigentum mit dem Inhalt abzuschließen,wie er sich aus der beigefügten Anlage (entspricht demHauptvertrag Bauträgervertrag) ergibt. Es folgt die Verwei-sung auf die Anlage gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG undauf die Teilungserklärung und Bauerrichtungserklärung(Mutterurkunde) gemäß § 13 a BeurkG.

- Darauf folgt die beiderseitige Verpflichtung zu demAbschluss des als Anlage beigefügten Hauptvertrags,sobald die Baugenehmigung erteilt ist und die endgültigeTeilungserklärung nebst Aufteilungsplan und Abgeschlos-senheitsbescheinigung beim Grundbuchamt eingereichtoder vollzogen ist (der Vertragsgegenstand des Hauptver-trages also rechtlich existent ist).

- Weiter folgen Regelungen, dass die Verpflichtung zumAbschluss des Hauptvertrags entfällt, und zwar:

• einseitig für den Käufer, wenn die Baugenehmigung nichtbis zum (Endtermin) erteilt und/oder die Teilungserklärungnebst Aufteilungsplan und Abgeschlossenheitsbeschei-nigung nicht bis zum (Endtermin) beim Grundbuchamt voll-zugsreif eingereicht wurde,

• einseitig für den Verkäufer, wenn die Baugenehmigungnicht bis zum (Endtermin) und/oder die Abgeschlossen-heitsbescheinigung nicht bis zum (Endtermin) erteilt wurde42,

• für beide Vertragsbeteiligten, wenn nicht bis spätestens(Endtermin) Kaufverträge (besser: Bauträgerverträge) oderVorverträge über Wohnungs- und Teileigentum an demAnwesen abgeschlossen worden sind, deren Miteigen-tumsanteile zusammen mindestens 60 % des gesamteEigentums ausmachen, wobei die Kaufobjekte dieser Ur-kunde mitzuzählen sind43.

- Weiter folgt die Vollmacht beider Vertragsbeteiligter für dieNotariatsangestellten zum Abschluss des Hauptvertragesmit dem vereinbarten Inhalt und die Kostentragungs-regelung.

Die Bewilligung einer Eigentumsvormerkung nebst Antrags-stellung (im Stadium des Abschlusses des Vorvertrages nurauf dem noch nicht in Wohnungs- und Teileigentum aufge-teilten Baugrundstück) ist von Götte nicht vorgesehen undbei diesem Sachverhalt eher nicht sachdienlich, da dieEintragung der Eigentumsvormerkung im Hauptvertrag vor-gesehen und regelmäßig Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungist und Vormerkungen zulasten des noch nicht aufgeteiltenBaugrundstücks die Aufteilung in Wohnungs- und Teileigen-tum deutlich verkomplizieren.

31 Grigas, BWNotZ (Fußnote 28)32 dieser ist bei einem Vertragsangebot vom Vormerkungsberechtigten eigen-

ständig als Antrag gemäß § 13 GBO beim zuständigen Grundbuchamt zustellen.

33 Staudinger Vorbem. vor §145, Rdnr 5134 Palandt Einf. vor § 145, Rdnr 1935 Palandt aaO (Fußn. 34)36 Palandt aaO ( Fußn. 34) mit weiteren Nachweisen37 MüKo Vorbem. vor § 145, Rdnr 4038 Palandt aaO (Fußn. 34) Rdnr 2139 Palandt § 311 b Rdnr 1140 Palandt § 883 Rdnr. 1541 13. Auflage Kap. 40 VI, Muster 40p

42 Die Vorlage einer bis auf die Abgeschlossenheitsbescheinigung vollzugs-reifen Teilungserklärung liegt im Einflussbereich des Verkäufers. DerVerkäufer soll sich nicht willkürlich vom Vorvertrag lösen können sondernnur, soweit objektive Hindernisse dem Vertragsvollzug entgegenstehen.

43 Der Verkauf der übrigen Objekte des Anwesens ist z.B. wegen der Gefahrder Nichtfertigstellung, Leerstand, Insolvenzgefahr u.a. nicht nur imInteresse des Verkäufers sondern auch im Interesse des Käufers. Für die-sen Fall ist auch ein Rücktrittsrecht im Hauptvertrag Kaufvertrag (besser:Bauträgervertrag) vorzusehen.

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Maurer · Vorrechte in der vertragsrechtlichen Praxis BWNotZ 3/04

50 Staudinger aaO (Fußn. 46) Rdnr 71 mit weiteren Nachweisen vergl. auchMünchner Vertragshandbuch aaO (Fußn. 16) mit dem Bemerken, dass dieWirksamkeit des aufschiebend bedingten (Kauf-)Vertrages nur noch vomEintritt der Bedingung durch Ausübungserklärung abhängt, deren Abgaberegelmäßig im Belieben des Käufers steht.

51 Palandt Einf. v § 145, Rdnr. 2352 Palandt § 311 b Rdnr. 1153 Palandt Einf. v § 145 Rdnr 23, Schöner/Stöber Rdnr 145254 Staudinger aaO (Fußn. 46) Rdnr 7555 Staudinger aaO (Fußn. 46) Rdnr 76

4. Option

Der Begriff der Option beziehungsweise des Optionsver-trags ist in der Literatur strittig. Teilweise werden Options-verträge untergliedert in Verträge, die auf die Einräumungeines Ankaufsrechts, eines Wiederkaufsrechts gemäß § 456ff BGB oder eines Vorkaufsrechts gemäß §§ 463 ff BGBgehen und von den Rechtsinstituten des bindendenAngebots gemäß §§ 145 ff BGB, des Vorvertrages und derVorhand abgegrenzt44. Teilweise werden Angebot, Ange-botsvertrag, Ankaufsrecht, Vorvertrag und Vorhand unterdem Oberbegriff Optionsformen zusammengefasst45.

Bork46 definiert die Option als Möglichkeit für denBerechtigten, durch einseitige Willenserklärung einen Ver-trag zustande zu bringen oder zu verlängern; er grenzt dieOption vom Vorvertrag ab, der nur einen Anspruch aufVertragsabschluss begründet, aber keine Möglichkeit ge-währt, den Vertrag durch einseitige Erklärung herbeizufüh-ren. Als gesetzliches Beispiel für ein Optionsrecht nenntBork den Wiederkauf gemäß § 456 Abs. 1 Satz 1 BGB, wäh-rend es sich beim Vorkaufsrecht trotz der Formulierung des§ 464 Abs. 2 BGB nicht um eine Option handelt, da dasVertragsverhältnis nicht allein durch die Willenserklärung desVorkaufsberechtigten begründet wird, sondern außerdemvoraussetzt, dass der Verkäufer sich zum Verkauf ent-schließt47. Schließlich wird noch angeführt, dass die Optionauf einen Kaufvertrag auch Ankaufsrecht genannt wird48.

Diese Darstellung des Meinungsstandes zum Begriff Optionzeigt, dass dieser regelmäßig als Oberbegriff, nach ver-schiedenen Kriterien untergliedert, für einige in diesemBeitrag aufgezählten Vorrechtstypen verwendet wird. Dieseunterschiedliche Verwendung des Optionsbegriff mag aufden ersten Blick verwirrend und unbefriedigend sein; für dienotarielle Praxis dürfte dies jedoch ohne größeren Belangsein, da der beurkundende Notar allein nach dem Willen derVertragsbeteiligten aus dem hier mit dem OberbegriffVorrechte beschriebenen Vorrechtsinstrumentarium dasgeeignete Vorrecht auszuwählen, als solches zu bezeichnenund vertraglich auszugestalten hat.

Der Optionsbegriff wird aber in der Literatur nicht nur alsOberbegriff verwendet. Vielmehr wird unter Option auch derOptionsvertrag verstanden. Dieser soll hier unter dem Begriff„Option im engeren Sinne“ als Instrument der Vorrechtsein-räumung wie folgt näher erläutert werden:

Unter einem Optionsvertrag (Option im engeren Sinne) wirdein aufschiebend bedingter Hauptvertrag verstanden49. DieBedingung gemäß § 158 BGB für den Eintritt derRechtsfolgen des Hauptvertrages ist die Ausübung desOptionsrechts durch den Optionsberechtigten. Options-berechtigter kann je nach Fallgestaltung eine oder beideVertragsparteien sein. Bei dieser Bedingung handelt es sichnicht um eine Potestativbedingung sondern um eineWollensbedingung, weil die Bedingung nur in einer auf dieWirkungen des Rechtsgeschäfts bezogenen Willenserklä-rung, nicht in einem sonstigen willensabhängigen Verhalteneiner Partei steht. Die Wirksamkeit einer solchen Wollens-

bedingung wird hier für zulässig erachtet50. Zusätzlich kannals Bedingung für die Ausübung des Optionsrechts als sol-ches wie bei den vorgenannten Vorrechtstypen dasVorliegen weiterer Voraussetzungen beispielsweise Vorhan-densein eines Bebauungsplans mit einer bestimmtenMindestgeschoßflächenzahl vereinbart werden.

Der Optionsvertrag unterscheidet sich vom Vorvertrag, dasser keinen schuldrechtlichen Anspruch auf Abschluss desHauptvertrages, sondern ein Gestaltungsrecht begründet51.

Der Optionsvertrag bedarf gemäß § 311 b Abs. 1 BGB dernotariellen Beurkundung, da aufschiebend bedingt für denVeräusserer eine Veräußerungsverpflichtung und für denErwerber eine Erwerbsverpflichtung begründet wird52. DasBeurkundungserfordernis erstreckt sich jedoch nicht nur aufdie Veräußerungs- und Erwerbsverpflichtung, sondern aufden Vertrag im Ganzen. Es sind somit alle Vereinbarungengemäß § 311 b BGB beurkundungspflichtig, aus denen sichnach dem Willen der Partei das gesamte Vertragspaketzusammensetzt. Soll beispielsweise als Vertragsbestandteileines Pachtvertrages dem Pächter ein aufschiebend beding-tes Erwerbsrecht für das gepachtete Grundstück einge-räumt werden, so bedarf nicht nur der aufschiebend beding-te Erwerbsvertrag sondern auch der (an sich formlose)Pachtvertrag der notariellen Beurkundung.

Die Ausübung des Optionsrechtes (Optionserklärung) erfolgtdurch einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung, dieder Optionsberechtigte gegenüber dem Optionsverpflichte-ten abgibt und diesem gemäß § 130 BGB zugehen muss.Die Optionserklärung bedarf nicht der notariellenBeurkundung53 und ist somit formfrei, auch mündlich, mög-lich. Regelmäßig wird in der notariellen Urkunde jedochrechtsgeschäftlich eine Form für die Optionserklärunggemäß § 127 BGB vereinbart (z.B. Schriftform per Ein-schreiben mit Rückschein). Da sowohl die Übertragbarkeitals auch die Vererblichkeit des Optionsrechts vom Vertrags-willen der Parteien abhängt, ist auch dieser Punkt ausdrück-lich in der notariellen Urkunde zu klären. Soweit eine ausdrückliche Regelung hierüber fehlt, kann regelmäßig derParteiwille der Nichtübertragbarkeit des Optionsrechtsunterstellt und somit ein Abtretungsausschluss gemäß §§ 413, 399 BGB als vereinbart angesehen werden, da sichder Optionsverpflichtete mit der Optionseinräumung an eineganz bestimmte Person gebunden hat, dessen bestimmteEigenschaften (Kreditwürdigkeit, Geschäftsgebaren u.a.)ausschlaggebend für die Bestimmung des Optionsrechtswaren54. Gemäß § 857 ZPO ist das Optionsrecht somit regel-mäßig unpfändbar.

Weil für die Universalsukzession des § 1922 BGB § 399 BGBnicht gilt, ist das Optionsrecht vererblich, es sei denn, dassder Optionsvertrag eine höchstpersönlich zu erbringendeLeistung des Erblassers vorsah55.

Da die Veräußerungsverpflichtung aus dem Optionsvertragim Sinne von § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ein künftigerAnspruch sondern ein aufschiebend bedingter Anspruch ist,kann hier für den bedingten Erwerber eine Eigentumsvor-

44 vergl. Weber aaO (Fußn. 1)45 Langenfeld, Münchner Vertragshandbuch Band 4, 1. Halbband Ziff. 15 I 46 Staudinger, Vorbem zu §§ 145 ff, Rdnr 6947 Staudinger aaO (Fußn. 46)48 Staudinger aaO (Fußn. 46)49 Palandt Einf. v § 145 Rdnr 23

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56 Palandt § 883 Rdnr 1857 vgl. Vertragsmuster Ankaufsrecht Schöner/Stöber Rdnr 144458 Münchner Vertragshandbuch aaO (Fußn. 16) I 1559 hier wurde als einzige Bedingung die Ausübung des Optionsrechts durch

den Erwerber vereinbart, welche in seinem freien Belieben steht 60 Schöner/Stöber Rdnr. 1445

61 in Abgrenzung zu den gesetzlichen Vorkaufsrechten gemäß § 577 BGB, § 2034 BGB, §§ 24, 25 BauGB u.a.

62 Palandt Vorb v § 463 Rdnr 1

merkung im Grundbuch eingetragen werden, unabhängigdavon, ob Optionsberechtigter der bedingte Erwerber oderder bedingte Veräusserer ist56. In Abgrenzung dazu ist, wievorne bereits dargelegt, bei einem Erwerbsangebot dieEintragung einer Eigentumsvormerkung für den anbietendenErwerber gemäß § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB mangels einesvom Veräusserer nicht einseitig zerstörbaren Rechtsbodensdes künftigen Anspruchs nicht möglich.

Wie bereits beim Vertragsangebot und beim Vorvertrag dar-gestellt, bietet sich für die Vertragsgestaltung einesOptionsvertrags folgende Gliederung an:

Der erste Teil der Urkunde enthält

- die Einräumung des Optionsrechts im Form eines auf-schiebend bedingten Vertrages

- die Bedingungen, nach deren Eintritt der Vertrag wirk-sam wird, beispielsweise:

• Vorliegen eines rechtskräftigen Bebauungsplanes,der für das Vertragsobjekt eine bestimmte Geschoß-flächenzahl vorsieht,

• der Optionsberechtigte sein Optionsrecht gegenüberdem Optionsverpflichteten in Schriftform per Ein-schreiben mit Rückschein ausübt,

- Befristung des Optionsrechts (Ausübung bis zu einem bestimmten Endtermin)

- Bewilligung einer Eigentumsvormerkung nebst Antrag-stellung

- Regelungen über die Übertragbarkeit und Vererblichkeitdes Optionsrechts57.

Im zweiten Teil der Urkunde wird gemäß § 9 Abs. 1 Ziff. 2BeurkG auf die Anlage, die die Bestimmungen des Veräus-serungsvertrages enthält, verwiesen.

Als weiteres Formulierungsmuster für einen aufschiebendbedingten Erwerbsvertrag sei auf Langenfeld in MünchnerVertragshandbuch58 verwiesen, der die Urkunde nicht in Teil1 (Optionsbestimmungen) und Teil 2 (Verweisung gemäß § 9Abs. 1 Ziff. 2 BeurkG mit zu beurkundender Anlage) aufteilt,sondern die aufschiebende Bindung59 als solche und dieOptionsbestimmungen als einen zusätzlichen Paragraphenim Kaufvertrag integriert.

5. Ankaufsrecht

Wie beim Begriff der Option wird auch der BegriffAnkaufsrecht von der Literatur nicht als Vertragstyp als sol-cher im Katalog der Vorrechte sondern als Oberbegriff füreinzelne Vorrechtstypen verwandt. Insbesondere nachSchöner/Stöber60 kann ein Ankaufsrecht in verschiedenenRechtsformen verwirklicht werden, nämlich durch:

- ein einseitiges Vertragsangebot des Grundstückseigen-tümers,

- einen Vorvertrag auf Abschluss eines Kaufvertrages, oder

- einen durch spätere Ausübungserklärung aufschiebendbedingten Kaufvertrag.

Wie bei der Option bereits ausgeführt, ist die Verwendungdes Ankaufsrechts als Obergriff für einzelne Vorrechtstypennicht glücklich. Unter einem Ankaufsrecht ist vielmehr einaufschiebend bedingter Kaufvertrag zu verstehen, der demKäufer als Optionsberechtigten durch Ausübung desOptionsrechts die Möglichkeit bietet, den Kaufvertrag exnunc wirksam werden zu lassen.

Nach dieser Definition (Ankaufsrecht im engeren Sinne) istdas Ankaufsrecht immer ein Optionsvertrag. Die Abgren-zung des Ankaufsrechts vom Optionsvertrag ist durch sei-nen Namen bereits vorgegeben:

a) während beim Ankaufsrecht der aufschiebend bedingteVertrag immer ein Kaufvertrag ist, kann dies beimOptionsvertrag auch ein aufschiebend bedingter Tausch-vertrag, Schenkungsvertrag, Übergabevertrag, Mietvertrag,Pachtvertrag oder anderer Vertrag sein;

b) während beim Ankaufsrecht die Erwerbsoption immer fürden Käufer besteht, kann beim Optionsvertrag auch der Ver-äusserer (Vermieter/Verpächter/...) Optionsberechtigter sein.

Man kann somit das Ankaufsrecht auch als Unterfall desOptionsvertrages einordnen. Hinsichtlich der näheren Aus-führungen zum Ankaufsrecht kann somit voll inhaltlich aufdie Ausführungen zum Optionsvertrag verwiesen werden.

6. Vorkaufsrechte

Auch durch Bestellung eines rechtsgeschäftlichen Vor-kaufsrechts kann dem Vorkaufsberechtigten ein Vorrechteingeräumt werden. Das rechtsgeschäftliche Vorkaufsrecht61

gliedert sich in das schuldrechtliche Vorkaufsrecht (§§ 463bis 473 BGB) und das dingliche Vorkaufsrecht (§§ 1094 bis1104 BGB).

Das Vorkaufsrecht gibt dem Vorkaufsberechtigten dieBefugnis, einen Gegenstand durch Kauf zu erwerben, wennder Vorkaufsverpflichtete diesen Gegenstand an einenDritten verkauft. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechtskommt dann der Kaufvertrag zwischen dem Vorkaufsver-pflichteten (als Verkäufer) und dem Vorkaufsberechtigten (alsKäufer) mit dem gleichen Inhalt zustande wie der Kaufver-trag zwischen dem Vorkaufsverpflichteten (als Verkäufer)und dem Dritten (als Käufer)62.

Hierin zeigt sich bereits in Abgrenzung zu den vorgenanntenVorrechtstypen, dass dem Vorkaufsrecht wie dem Ankaufs-recht auch ein deutlich geringeres Anwendungsgebiet zurVerfügung steht, indem es zwingend vorgibt:

- dass der Vorkaufsberechtigte Erwerber des Vorkaufs-gegenstandes ist,

- dass der Vorkaufsberechtigte diesen Gegenstand nur imRahmen eines Kaufvertrages erwerben kann und

- dass der Vorkaufsberechtigte einen Kaufvertrag mit einemDritten bereits abgeschlossen haben muss.

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Maurer · Vorrechte in der vertragsrechtlichen Praxis BWNotZ 3/04

63 vgl. nur Münchner Vertragshandbuch Band 4 2. Halbband Abschnitt VI . 59,Beck’sches Notarhandbuch Abschnitt A VIII; Haegele/Schöner/StöberRndr. 1394 ff mit weiteren Nachweisen

64 Palandt § 463 Rdnr 265 Palandt aaO (Fußn. 64) Rdnr 5 und 766 Palandt aaO (Fußn. 64) Ziff. 467 Palandt § 464 Rdnr. 2

68 Palandt § 469 Rdnr 469 Palandt Vorb. v. § 463 70 beim Vorkaufsrecht zulasten eines Rechtes oder sonstigen Gegenstandes

bestehen die Verpflichtungen des Verkäufers gegenüber Vorkaufsberech-tigtem und Dritten gemäß §§ 453, 433 Abs. 1 BGB.

71 Palandt § 465 Rdnr 172 Palandt § 883 Rdnr 16

Nachfolgend soll das Vorkaufsrecht nicht in seiner gesamtenTiefe und Einzelproblematik dargestellt werden, da dies denUmfang dieses Beitrages bei weitem sprengen würde. Es seisomit auf die umfangreiche Literatur verwiesen63. DasVorkaufsrecht soll aber mit den vorgenannten Vorrechts-typen im Rahmen der bisher aufgeführten Merkmale wiefolgt verglichen werden:

a) schuldrechtliches Vorkaufsrecht, §§ 463 bis 473

Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht war bis zum Inkrafttre-ten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in den §§ 504 bis 514 BGB normiert. Das Schuldrechtsmoderni-sierungsgesetz hat das schuldrechtliche Vorkaufsrecht mitWirkung zum 1.1.2002 neu nummeriert, inhaltlich aberunverändert gelassen. Das schuldrechtliche Vorkaufsrechtkann für alle Gegenstände, somit für unbewegliche undbewegliche Sachen und auch für Rechte (z.B. GmbH-Geschäftsanteil) sowie Sachgesamtheiten (z.B. Einzelunter-nehmen) bestellt werden. Es wird begründet durch vertragliche schuldrechtliche Vereinbarung zwischen demVorkaufsverpflichteten (regelmäßig Eigentümer der Sache/Inhaber des Rechts) und dem Vorkaufsberechtigten. DerVertrag über die Bestellung eines schuldrechtlichenVorkaufsrechts bedarf der notariellen Beurkundung, wennBelastungsgegenstand ein Grundstück oder grundstücks-gleiches Recht oder ein GmbH-Geschäftsanteil ist64.

Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts(Vorkaufsfall) gemäß § 463 BGB ist das Bestehen eines wirk-samen formgültigen Kaufvertrages zwischen dem Vorkaufs-verpflichteten und einem Dritten. Bei Veräußerung desVorkaufsgegenstandes im Wege der Schenkung, Tausch,Einbringung in eine Gesellschaft sowie bei Übertragung desBelastungsgegenstandes im Wege der Miterbenausein-andersetzung liegt kein Vorkaufsfall vor; das Vorkaufsrechtkann somit nicht ausgeübt werden65. Bei einem Teilverkaufdes Belastungsgegenstandes besteht das Vorkaufsrechtauch an dem verkauften Teil. Wird das Vorkaufsrecht an demverkauften Teil nicht ausgeübt, besteht es für den restlichenBelastungsgegenstand weiter66.

Gemäß § 469 Abs. 1 BGB hat der Vorkaufsverpflichtete demVorkaufsberechtigten den Inhalt des mit dem Drittengeschlossenen Vertrags unverzüglich mitzuteilen.

Besteht nun ein Vorkaufsfall gemäß § 463 BGB, so kann derVorkaufsberechtigte, ohne dass er hierzu verpflichtet ist,durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung seinVorkaufsrecht gemäß § 464 BGB ausüben. Die Ausübungs-erklärung bedarf gemäß § 464 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht derfür den Kaufvertrag bestimmten Form sondern ist formfreimöglich67. Das Vorkaufsrecht kann nur innerhalb einerbestimmten Frist, nämlich gemäß § 469 Abs. 2 BGB nur biszum Ablauf von 2 Monaten, bei anderen Gegenständen (z.B.GmbH-Geschäftsanteil) nur bis zum Ablauf einer Wochenach dem Empfang der richtigen und vollständigenMitteilung gemäß § 469 Abs. 1 BGB ausgeübt werden.Weiter ist Voraussetzung für den Fristbeginn, dass ab demZeitpunkt der Mitteilung bereits ein rechtswirksamerKaufvertrag einschließlich eventuell erforderlicher behörd-

licher Genehmigungen vorliegt68. Die Frist kann vertraglichverkürzt oder verlängert werden. Insbesondere beim Vor-kaufsrecht über einen Geschäftsanteil ist eine Verlängerungder gesetzlichen Wochenfrist für die Ausübung des Vor-kaufsrechts dringend anzuraten.

Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts entsteht einKaufvertrag über den Belastungsgegenstand zwischen demVorkaufsverpflichteten und dem Vorkaufsberechtigten undzwar genau mit demselben Inhalt, wie dieser im Kaufvertragzwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Drittkäufervereinbart ist. Der Kaufvertrag zwischen dem Vorkaufsver-pflichteten und dem Drittkäufer ist durch die Ausübung desVorkaufsrechts grundsätzlich nicht berührt69. Der Verkäuferist also sowohl dem Vorkaufsberechtigten als auch demDritten gegenüber zur rechts- und sachmangelfreien Eigen-tumsverschaffung und Übergabe gemäß § 433 Abs. 1 BGB70

verpflichtet. Erfüllt der Verkäufer den Kaufvertrag mit demDritten durch Eigentumsverschaffung und Übergabe entspre-chend den Übereignungsvorschriften, so ist der Verkäufergegenüber dem Vorkaufsberechtigten gemäß § 280 BGBschadensersatzpflichtig. Umgekehrt ist der Verkäufer beiÜbereignung und Übergabe an den Vorkaufsberechtigtendem Drittkäufer gegenüber grundsätzlich zum Schadens-ersatz nach der vorgenannten Normen verpflichtet.

Für die Gestaltung sowohl des Drittkaufvertrages als auchdes Vorkaufsrechtsvertrages ist somit zu beachten:

aa) der Verkäufer hat den Verkauf an den Dritten davon ab-hängig zu machen, dass das Vorkaufsrecht nicht ausgeübtwird. Dies kann durch Vorbehalt eines Rücktrittsrechts fürden Fall der wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts erfol-gen. Weiter ist möglich, dass der Kaufvertrag gemäß § 158BGB unter der aufschiebenden Bedingung der Nichtaus-übung des Vorkaufsrechts bzw. unter der auflösendenBedingung der Ausübung des Vorkaufsrechts geschlossenwird.

Gemäß § 465 BGB entfalten diese den Verkäufer vorSchadensersatz wegen Nichterfüllung bewahrendenRegelungen nur Rechtswirkung im Drittkaufvertrag, beein-trächtigen aber das Vorkaufsrecht nicht71.

bb) um die Durchsetzbarkeit des Erfüllungsanspruchs aufÜbereignung des Vorkaufsberechtigten zu sichern, kannbereits ab Abschluss des Vorkaufsrechtsvertrages (und nichterst ab Ausübung des Vorkaufsrechts zur Sicherung dessomit bestehenden Übereignungsanspruchs) zur Sicherungdes künftigen Übereignungsanspruchs eine Eigentumsvor-merkung im Grundbuch eingetragen werden72. Im Unter-schied zum dinglichen Vorkaufsrecht gemäß §§ 1094, 1098BGB besteht der Vormerkungsschutz für den Vormerkungs-berechtigten nicht nur für Belastungen, die nach Ausübungdes Vorkaufsrechts eingetragen wurden, sondern bereits fürBelastungen, die zeitlich nach Eintragung der Vormerkungaber vor Ausübung des Vorkaufsrechts eingetragen sind.Der Schutz der Vormerkung geht damit weiter als der Schutzdes dinglichen Vorkaufsrechts.

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BWNotZ 3/04 Maurer · Vorrechte in der vertragsrechtlichen Praxis

79 ebenso beim durch Vormerkung gesicherten schuldrechtlichen Vorkaufs-recht

80 Palandt § 1098 Rdnr 781 Palandt aaO (Fußn. 80) Rdnr 2. Ein dingliches Vorkaufsrecht zu einem fest

bestimmten Kaufpreis oder Höchstpreis ist ungültig, aber gemäß § 140BGB in ein durch Vormerkung sicherbares schuldrechtliches Vorkaufsrechtumdeutbar.

82 Palandt § 1097 Rdnr 483 Palandt aaO (Fußn. 82)84 § 471 ist nicht abdingbar vergl. Palandt § 471 Rdnr 485 Palandt § 1094 Rdnr. 5

Die Berechtigung des Vorkaufsberechtigten aus demschuldrechtlichen Vorkaufsrecht ist gemäß § 473 BGB imZweifel weder vererblich noch übertragbar. Da § 473 BGBjedoch abdingbar ist, kann die Gläubigerposition desVormerkungsberechtigten vertraglich sowohl vererblich alsauch übertragbar gestaltet werden. Die Position desVorkaufsverpflichteten in Form einer natürlichen Person gehtbei dessen Tod gemäß § 1922 als Nachlassverbindlichkeitkraft Gesetzes auf seine(n) Erben über.

b) dingliches Vorkaufsrecht gemäß §§ 1094 bis 1104 BGB

Das dingliche Vorkaufsrecht entsteht als abstraktes dingli-ches Recht gemäß § 873 BGB mit Einigung zwischen demVorkaufsverpflichteten und dem Vorkaufsberechtigten überdie Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts und Eintra-gung im Grundbuch zulasten des Grundstücks des Vor-kaufsverpflichteten.

Als schuldrechtliches Grundgeschäft, ohne das das dinglicheVorkaufsrecht gemäß § 812 BGB kondizierbar wäre, ist bei-spielsweise eine entsprechende Bestellungsverpflichtung imRahmen eines Übertragungsvertrages, ein kaufähnlicherVertrag, eine Schenkung oder auch ein schuldrechtlichesVorkaufsrecht73 als solches denkbar74. Dieses schuldrechtli-che Grundgeschäft bedarf gemäß § 311 b Abs. 1 BGB dernotariellen Beurkundung. Jedoch wird der Formmangel beiEintragung des Vorkaufsrechts im Grundbuch gemäß § 311 bAbs. 1 Satz 2 BGB geheilt75. Aus dem Entstehungserfordernisder Eintragung des dinglichen Vorkaufsrecht im Grundbuchergibt sich, dass das dingliche Vorkaufsrecht nur zulasten vonGrundstücken und grundstücksgleichen Rechten, nicht aberzulasten beweglicher Sachen, Rechte oder sonstigerGegenstände vereinbart werden kann. Das schuldrechtlicheVorkaufsrecht kann nur zugunsten einer natürlichen oder juri-stischen Person76, nicht aber zugunsten eines jeweiligenEigentümers einer bestimmten Sache oder zugunsten einesjeweiligen Inhabers eines bestimmten Rechts begründet wer-den. Im Unterschied hierzu kann das dingliche Vorkaufsrechtgemäß § 1094 BGB in Form eines subjektivpersönlichenRechtes oder eines subjektivdinglichen Rechts begründetwerden, wofür im letzten Fall auf Antrag ein Herrschvermerkgemäß § 9 GBO im Grundbuch eintragbar ist.

Ergänzend zu den Sondervorschriften der §§ 1094 bis 1104BGB gelten die Vorschriften des schuldrechtlichen Vor-kaufsrechts gemäß §§ 463 bis 473 BGB77. Für den Vor-kaufsfall und die Ausübung des Vorkaufsrechts gelten somit§ 463 BGB und § 464 BGB. Auch bei Ausübung des ding-lichen Vorkaufsrechts bleibt die Übereignungs- und Überga-beverpflichtung des Vorkaufsberechtigten an den Drittkäuferunberührt. Weiter tritt inhaltlich die gleiche Verpflichtung aufÜbereignung und Übergabe an den Vorkaufsberechtigtenneben die ursprüngliche Verpflichtung78.

Wie beim schuldrechtlichen Vorkaufsrecht dargestellt, hatder Verkäufer im Kaufvertrag mit dem Dritten zum Schutzvor Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung dieeventuelle Ausübung des Vorkaufsrechts durch Verein-barung eines Rücktrittsvorbehaltes oder einer aufschieben-den oder auflösenden Bedingung zu beachten.

Während beim schuldrechtlichen Vorkaufsrecht ein Schutzdes Vorkaufsberechtigten vor beeinträchtigenden Verfügun-gen über den Belastungsgegenstand durch den Vorkaufs-verpflichteten nur durch Eintragung einer Vormerkungerreicht werden kann (und somit voraussetzt, dass Be-lastungsgegenstand des Vorkaufsrecht ein Grundstück odergrundstücksgleiches Recht ist), ist dieser Vormerkungs-schutz gemäß § 1098 Abs. 2 BGB Rechtsfolge des dinglichen Vorkaufsrechts. Der Schutz beginnt mit Eintra-gung des Vorkaufsrechts im Grundbuch79. Im Unterschiedzum durch Vormerkung gesicherten schuldrechtlichenVorkaufsrecht beginnt der Schutz vor vertragswidrigenBelastungen erst mit Eintritt des Vorkaufsfalls. Belastungennach Eintritt des Vorkaufsfalls sind dem Berechtigten gegen-über unwirksam. Belastungen, die aber vor Eintritt desVorkaufsfalls entstanden sind, sind jedoch auch demVorkaufsberechtigten gegenüber voll wirksam80.

Weiter ist als Unterschied zwischen dem schuldrechtlichenund dem dinglichen Vorkaufsrecht festzuhalten, dass dasschuldrechtliche Vorkaufsrecht auf einen bestimmten Kauf-preis begrenzt werden kann, was beim dinglichen Vorkaufs-recht nicht zulässig ist81. Während das schuldrechtlicheVorkaufsrecht nur für den ersten Vorkaufsfall bestellt werdenkann und bei Nichtausübung nach Eintritt des Vorkaufsfalleserlischt, kann das dingliche Vorkaufsrecht gemäß § 1097BGB für mehrere oder alle Verkaufsfälle bestellt werden.Dann ist die Ausübung des Vorkaufsrechts auch möglich,wenn der Vorkaufsberechtigte in früheren Vorkaufsfällen aufdie Ausübung verzichtet oder sie unterlassen hat82.

Die Erstreckung des dinglichen Vorkaufsrechts auf mehrereoder alle Verkaufsfälle muss im Grundbuch eingetragen sein,da sonst nur ein auf den ersten Verkaufsfall beschränktesdingliches Vorkaufsrecht entsteht83.

Während das schuldrechtliche Vorkaufsrecht gemäß § 471BGB zwingend84 ausgeschlossen ist, wenn der Verkauf desbelasteten Gegenstandes im Wege der Zwangsvoll-streckung oder aus einer Insolvenzmasse erfolgt, kann dasdingliche Vorkaufsrecht auch ausgeübt werden, wenn dasGrundstück von dem Insolvenzverwalter aus freier Handverkauft wird, § 1098 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Das subjektivpersönliche Vorkaufsrecht ist vor Ausübunggrundsätzlich nicht übertragbar und nicht vererblich, soweitnichts anderes vereinbart ist85. Die Übertragbarkeit und/oderdie Vererblichkeit ist als Inhalt des Rechts im Grundbucheinzutragen.

73 das dingliche Vorkaufsrecht ist aber kein verdinglichtes persönliches Vor-kaufsrecht, sondern diesem gegenüber völlig selbständig, vergl. PalandtÜberblick vor § 1094 Rdnr 1

74 Palandt § 1094 Rdnr 475 Palandt § 311 b Rdnr 5276 hierunter fällt gemäß § 124 HBG auch die OHG und KG als quasijuristische

Person 77 umgekehrt gelten für das schuldrechtliche Vorkaufsrecht allein die Vor-

schriften §§ 463 bis 473 BGB. Die Vorschriften für das dingliche Vorkaufs-recht gemäß §§ 1094 bis 1104 BGB sind für das schuldrechtlicheVorkaufsrecht nicht anwendbar.

78 Palandt § 1098 Rdnr 2

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86 vgl. nur Schöner/Stöber Rdnr 1603 mit weiteren Literaturhinweisen87 z.B. dieselben Voraussetzungen, nach denen bei der unentgeltlichen Ver-

mögensübertragung vertraglich vereinbart der Veräusserer vom ErwerberRückübereignung verlangen kann

88 Palandt § 497 Rdnr 389 Palandt aaO (Fußn. 88) Rdnr 6

90 Palandt aaO (Fußn. 88) Rdnr 391 Palandt § 497 Rdnr 892 wie auch beim Vorkaufsrecht, § 464 Abs. 1 Satz 2 BGB

Das subjektivdingliche Vorkaufskaufsrecht kann wie allesubjektivdinglichen Rechte als solches nicht übertragbarund nicht vererblich sein. Da subjektivdingliche Rechtegemäß § 96 BGB zwingend wesentliche Bestandteile desherrschenden Grundstücks sind und somit mit dem Eigen-tum an dem herrschenden Grundstücks verknüpft sind, folgtdie Berechtigung aus dem subjektivdinglichen Recht sowohlim Falle der rechtsgeschäftlichen Übertragung als auch imErbfall dem Eigentum am herrschenden Grundstück.

7. Wiederkaufsrecht, §§ 456 bis 462 BGB

Zum Schluss des Beitrages sei noch das Wiederkaufsrechtals Vorrechtstyp erwähnt. Die Regelungen des Wiederkauf-rechts waren bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmoder-nisierungsgesetzes am 1.1.2002 in den §§ 497 bis 503 BGBund sind ab diesem Zeitpunkt ohne inhaltliche Änderung inden §§ 463 bis 473 BGB geregelt.

Das Wiederkaufsrecht spielt regelmäßig eine wichtige Rollebei der notariellen Gestaltung sogenannter Einheimischen-modelle. Hinsichtlich der näheren Ausgestaltung und Einzel-problematik sei auf die einschlägige Literatur verwiesen86.

Doch wie bei der lebzeitigen unentgeltlichen Vermögens-übertragung mit Rückforderungsrecht im Fall des kinderlo-sen Vorversterbens und weiterer üblicher Tatbestände istauch beim entgeltlichen Veräußerungsgeschäft innerhalbder Familie denkbar, dass sich der Verkäufer ein Recht vor-behalten möchte, wonach er jederzeit oder nur bei Eintrittbestimmter Voraussetzungen87 den Gegenstand zurückerwerben möchte. Soweit es sich bei dem Veräußerungs-geschäft um einen Kaufvertrag handelt, kann dafür einWiederkaufsrecht vorbehalten werden. Soweit es sich beidem Veräußerungsgeschäft um ein anderes entgeltlichesGeschäft handelt, kann ein Rückerwerbsrecht im Rahmeneiner Option im engeren Sinne (aufschiebend bedingterRückerwerb) vereinbart werden.

Während beim Vorkaufsrecht immer ein Dreipersonenver-hältnis (Vorkaufsverpflichteter, Vorkaufsberechtigter undDritter) vorliegt, besteht beim Wiederkaufsrecht nur einZweipersonenverhältnis, wonach der Wiederkäufer denKaufgegenstand vom Wiederverkäufer zurückkaufen kann.Das Wiederkaufsrecht sollte zum besseren Verständniseigentlich als Rückkaufsrecht bezeichnet und so denVertragbeteiligten erläutert werden.

Der Wiederkaufvertrag ist ein aufschiebend bedingterVertrag, bei dem sich der Käufer aufschiebend bedingt ver-pflichtet, den zunächst erworbenen Gegenstand an denVerkäufer zurück zu übereignen88. Regelmäßig wird dasWiederkaufsrecht als Bestandteil des Kaufvertrages verein-bart, kann jedoch auch als vom Kaufvertrag unabhängigesRechtsgeschäft vereinbart werden. Mit Vereinbarung desWiederkaufsrechts wird der Verkäufer zugleich Wiederkäuferund der Käufer zugleich Wiederverkäufer. AufschiebendeBedingung ist die Ausübung des Wiederkaufsrechts in Formeiner einseitigen empfangsbedürftigen unwiderruflichenWillenserklärung, die der Wiederkäufer gegenüber demWiederverkäufer erklärt und diesem zugehen muss89.

Hierbei handelt es sich um eine zulässige Potestativbedin-gung90, die Ausübung des Wiederkaufsrechts steht also imBelieben des Wiederkäufers. Regelmäßig werden aber wei-tere Bedingungen für die Ausübung des Wiederkaufrechtsvereinbart, so zum Beispiel im Rahmen eines Grundstücks-kaufvertrags nach dem Einheimischenmodell, dass sich diedas Baugrundstück veräußernde Gemeinde den Wiederkaufvorbehält, wenn das Grundstück nicht innerhalb 2 Jahre abÜbergabe vom Käufer bebaut und bezogen ist. WeitereBedingungen für die Ausübung des Wiederkaufrechts beimKaufvertrag zwischen Eltern und Kind sind beispielsweisedas kinderlose Vorversterben des Erwerbers, derVermögensverfall des Erwerbers und andere Gründe, dieregelmäßig als Rückforderungsrecht im Rahmen einesSchenkungsvertrages oder Übertragungsvertrag im Wegeder vorweggenommenen Erbfolge vereinbart werden.

Der Wiederkaufvertrag bedarf grundsätzlich keiner Form,soweit nicht gemäß § 311 b Abs. 1 BGB oder § 15 GmbHGnotarielle Beurkundung für den Wiederkaufgegenstandesvorgeschrieben ist. Das Wiederkaufsrecht ist vererblich undübertragbar, soweit nichts anderes vertraglich vereinbartwird.

Für den Wiederkäufer kann bereits mit Abschluss desWiederkaufvertrages eine Auflassungsvormerkung imGrundbuch eingetragen werden, da der aufschiebendbedingte Übereignungsanspruch sicherbar91 ist. Dadurchkann für den Wiederkäufer die Durchsetzbarkeit des Über-eignungsanspruchs gegen Dritte gewährleistet werden,soweit Wiederkaufgegenstand ein Grundstück oder eingrundstücksgleiches Recht ist.

Soweit ein Wiederkaufpreis nicht vereinbart ist (Fixbetragoder amtlicher Schätzwert zur Zeit der Ausübung desWiederkaufrechts), gilt gemäß § 456 Abs. 2 BGB im Zweifelder Kaufpreis als Wiederkaufpreis.

Das Wiederkaufsrecht kann nur innerhalb der vertraglichvereinbarten, hilfsweise der gesetzlichen Frist nach § 462BGB ausgeübt werden. Das Wiederkaufsrecht bedarfgemäß § 456 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht der für den Wieder-kaufvertrag vorgeschriebenen Form92. Jedoch sollte auchhier, wie beim Vorkaufsrecht, vertraglich die Ausübungsformvereinbart werden.

Mit berechtigter Ausübung des Wiederkaufrechts wird derzunächst schwebend unwirksame Wiederkaufvertrag gemäߧ 158 BGB endgültig wirksam. Ab diesem Zeitpunkt ist derWiederverkäufer zur Übergabe und Übereignung desWiederkaufgegenstandes nebst Zubehör gemäß §§ 456,457, 433 Abs. 1 BGB, der Wiederkäufer zur Zahlung desWiederkaufpreises gemäß §§ 456, 433 Abs. 2 BGB ver-pflichtet. Soweit der Wiederverkäufer vor Ausübung desWiederkaufrechts eine Verschlechterung, den Untergangoder eine anderweitige Unmöglichkeit der Herausgabe ver-schuldet oder den Gegenstand nicht nur unwesentlich ver-ändert, so ist der Wiederverkäufer dem Wiederkäufer zumErsatz des daraus entstehen den Schaden gemäß § 457Abs. 2 BGB verpflichtet.

Soweit als Wiederkaufpreis der Schätzwert vereinbart ist, istdie Haftung des Wiederverkäufers gemäß § 460 BGB einge-schränkt.

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BWNotZ 3/04 Maurer · Vorrechte in der vertragsrechtlichen Praxis

Da es sich bei den Bestimmungen §§ 457 bis 460 BGB umschuldrechtliche Regelungen handelt, sind diese Regelun-gen vertraglich abänderbar.

III. Fazit

Für die Auswahl des für die Beteiligten passendenVorrechtstypus sind die Kriterien

- Art und Umfang der Bindungslage für den Vorrechtsver-pflichteten

- Möglichkeit der Abdingbarkeit gesetzlicher Vorschriftendes Vorrechtstypus

- vertraglich vereinbarte oder gesetzlich vorgegebeneMöglichkeiten der Ausübung des Vorrechts

- Rechtsfolgen bei der Ausübung des Vorrechts für denBeteiligten

- Möglichkeit der Sicherung des Vorrechtsberechtigtendurch Eigentumsvormerkung

- Formbedürfnis für den Vorrechtsvertrag und/oder deneventuell noch erforderlichen Hauptvertrag einschließlichder sich hieraus ergebenden Kostenfolge

unter Berücksichtigung des jeweils zugrunde liegendenSachverhalts und Parteiwillens zu prüfen.

93 Palandt § 457 Rdnr. 694 Palandt § 458 Rdnr 395 Verwendungen sind Vermögensaufwendungen, die der Sache zugute kom-

men, indem sie ihrer Wiederherstellung, Erhaltung oder Verbesserung die-nen (BGH), vergl. Palandt § 994 Rdnr. 1

96 Einrichtung ist eine Sache, die mit einer anderen Sache körperlich verbundenist und deren wirtschaftlichen Zwecken dient, vergl. Palandt § 258 Rdnr 1

Nach Ausübung des Wiederkaufrechts haftet der Wieder-verkäufer für zeitlich nach Ausübung des Wiederkaufrechtsentstehende Schäden durch Beschädigung, Untergang undUnmöglichkeit der Herausgabe, insbesondere wegenWeiterveräußerung, wie bei jedem Kaufvertrag nach allge-meinem Leistungsstörungsrecht ohne die Haftungsein-schränkung des § 457 Abs. 2 BGB93.

Hat der Wiederverkäufer vor der Ausübung des Wieder-kaufrechts über den Wiederkaufgegenstand verfügt, so hater die durch vertragswidrige freiwillige oder zwangsweiseVerfügung entstandenen Rechte Dritter gemäß § 458 BGBzu beseitigen. Dies entspricht der Rechtsmangelhaftunggemäß § 435 BGB beim Kaufvertrag. Ist dieser Beseit-igungsanspruch gemäß § 275 BGB unmöglich, so bestehtbei (regelmäßig gegebenem) Verschulden des Wiederver-käufers gemäß §§ 280, 283 BGB Anspruch des Wiederkäu-fers auf Schadensersatz statt der Leistung94. Ansprüche desWiederkäufers gegen Dritte bestehen gemäß §§ 883, 888BGB nur, soweit für den Wiederkäufer zur Sicherung desaufschiebend bedingten Übereignungsanspruchs eineVormerkung im Grundbuch eingetragen ist.

Gemäß § 459 BGB kann der Wiederverkäufer für werterhö-hende Verwendungen95, die er vor Ausübung des Wieder-kaufs gemacht hat, Ersatz verlangen, soweit dieserAnspruch nicht gemäß § 460 BGB eingeschränkt ist. Weiterkann der Wiederverkäufer eine Einrichtung96 wegnehmen,unabhängig davon, ob die herauszugegebende Sache mitder Einrichtung vor oder nach Ausübung des Wiederkauf-rechts versehen wurde.

Rechtsprechung

GmbHG § 8 Abs. 3, BeurkG §§ 16, 38, 40

Bei der öffentlichen Beglaubigung der Anmeldung einerGmbH zur Eintragung in das Handelsregister durchGeschäftsführer, die der deutschen Sprache nichtkundig sind, ist es weder erforderlich, dass der bei-gezogene Dolmetscher vereidigt wird, noch muss dieserdie Anmeldung unterschreiben.

OLG Karlsruhe Beschl. v. 08.11.2002 - 11 Wx 48/02

Aus den Gründen:

I.

Der Vertrag über die Gründung der betroffenen Gesellschaftmit beschränkter Haftung sowie ein Beschluss, durch denGesellschafter zu Geschäftsführern bestellt wurden, sind am 4. Dezember 2001 notariell beurkundet worden. DieGesellschafter sind Polen und beherrschen die deutscheSprache nicht. Die Niederschrift nebst Anlage (Satzung der

Gesellschaft) wurde den Beteiligten vom Notar in deutscherSprache vorgelesen und anschließend von dem anwesen-den Dolmetscher in die polnische Sprache übersetzt. Aufeine Vereidigung des Dolmetschers hatten die Beteiligtenausdrücklich verzichtet. Die Niederschrift wurde von denBeteiligten und vom Dolmetscher unterschrieben.

Am gleichen Tag meldeten die Gesellschafter die Gesell-schaft und ihre Bestellung als Geschäftsführer zur Eintra-gung in das Handelsregister an. Die Anmeldung enthält dienach § 8 Abs. 2 und 3 GmbHG erforderlichen Versicherun-gen. Im Beglaubigungsvermerk des Notars heißt es, dieRegisteranmeldung sei den Gesellschaftern von demDolmetscher in Gegenwart des Notars in die polnischeSprache übersetzt worden.

Mit Zwischenverfügung vom 20. Februar 2002 teilte dasAmtsgericht – Registergericht – mit, es bestehe ein Eintra-gungshindernis. Die Wirksamkeit der in der Anmeldung ent-haltenen Versicherungen sowie der Belehrung stehe nichtzweifelsfrei fest. Zur Anmeldung hätte ein vereidigterDolmetscher beigezogen werden müssen. Ein Verzicht aufdie Vereidigung sei nicht möglich, da das Registergericht

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Erklärungsempfänger sei. Ferner sei erforderlich, dass derDolmetscher mit unterzeichne.

Der hiergegen eingelegten Beschwerde half das Amts-gericht nicht ab. Das Landgericht wies die Beschwerde mitBeschluss vom 14. Mai 2002 zurück.

II.

Die Zwischenverfügung des Registergerichts und dieBeschwerdeentscheidung des Landgerichts sind aufzuhe-ben. Die Auffassung, bei der Anmeldung der GmbH zurEintragung in das Handelsregister müsse ein vereidigterDolmetscher beigezogen werden, der die Anmeldung auchmit unterschreibe, entbehrt der gesetzlichen Grundlage.

1. Nach § 7 Abs. 1 GmbHG ist die Gesellschaft bei demGericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung indas Handelsregister anzumelden. In der Anmeldung habendie Geschäftsführer nach § 8 Abs. 3 GmbHG zu versichern,dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 GmbHG entgegenstehen, und dasssie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüberdem Gericht belehrt worden sind. Die Anmeldung zurEintragung in das Handelsregister ist nach § 12 Abs. 1 HGBin öffentlich beglaubigter Form einzureichen.

2. Die Anforderungen an notarielle Beurkundungen sind imBeurkundungsgesetz geregelt.

a) Für die Beurkundung von Willenserklärungen, bei denenein Beteiligter der deutschen Sprache nicht hinreichendkundig ist, sieht § 16 Abs. 1 Satz 2 BeurkG vor, dass dieNiederschrift dem Beteiligten übersetzt werden muss. Fürdie Übersetzung ist, falls der Notar nicht selbst übersetzt,ein Dolmetscher beizuziehen (§ 16 Abs. 3 Satz 1 BeurkG). Istdieser nicht allgemein vereidigt, soll ihn der Notar nach § 16Abs. 3 Satz 3 BeurkG vereidigen, es sei denn, dass alleBeteiligten darauf verzichten. Die Niederschrift soll nach § 16 Abs. 3 Satz 5 auch von dem Dolmetscher unter-schrieben werden.

b) Die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregisterbedarf jedoch nicht der notariellen Beurkundung, sondernnur der öffentlichen Beglaubigung. Das bedeutet nach § 129Abs. 1 Satz 1 BGB, dass die Erklärung schriftlich abgefasstund die Unterschrift des Erklärenden von einem Notarbeglaubigt werden muss. Die Beglaubigung einer Unter-schrift ist die Öffentliche Beurkundung der Tatsache, dassdie Unterschrift von einer bestimmten Person herrührt unddass der Aussteller seine Unterschrift persönlich vor demNotar vollzogen hat (Keidel/Winkler, BeurkG, 14. Auflage, § 40 Rdn. 2). Anders als bei der notariellen Beurkundungeiner Willenserklärung ist es hier nicht erforderlich, dass dieErklärung von der Urkundsperson inhaltlich wahrgenommenund verantwortlich geprüft wird. Die Tätigkeit der Urkunds-person beschränkt sich vielmehr auf die Bezeugung derRichtigkeit der Unterschrift (BGHZ 37, 79, 86). Es entsprichtallgemeiner Auffassung, dass die strengen Anforderungendes § 16 BeurkG für die Beglaubigung einer Unterschriftnicht gelten (Limmer in Eylmann/Vaasen, BNotO, BeurkG, § 40 BeurkG Rdn. 11; Keidel/Winkler, BeurkG, 14. Auflage, § 40 Rdn. 40; Huhn/von Schuckmann, BeurkG, 3. Auflage, § 40 Rdn. 44; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 40 BeurkG Rdn. 25).Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Notars, welcheMaßnahmen er trifft, um Zweifel, Unklarheiten undTäuschungen auszuschließen. Nach dem Beglaubigungs-vermerk hat der Notar den anmeldenden Geschäftsführerndie Registeranmeldung durch einen Dolmetscher in die pol-

nische Sprache übersetzen lassen. Anhaltspunkte dafür,dass die Geschäftsführer gleichwohl keine sichere Kenntnisvon dem Inhalt der Anmeldung erlangt hätten, sind nichtersichtlich. Solche sind auch in der Zwischenverfügung desRegistergerichts nicht aufgezeigt.

c) Die Notwendigkeit einer Vereidigung des Dolmetschersund der Unterzeichnung der Anmeldung durch ihn kannauch nicht aus § 38 BeurkG abgeleitet werden. Nach dieserRegelung gelten für die Aufnahme von eidesstattlichenVersicherungen die Vorschriften über die Beurkundung vonWillenserklärungen – und damit auch § 16 BeurkG – ent-sprechend. Der Gesetzgeber verlangt jedoch in § 8 Abs. 3GmbHG von den Anmeldenden keine Versicherung an EidesStatt. Zwar ist die Abgabe einer falschen Versicherung imSinne von § 8 Abs. 3 GmbHG strafbewehrt. Auch entsprichtder Strafrahmen des § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG dem des § 156 StGB. Das genügt jedoch angesichts des eindeutigenWortlauts von § 8 Abs. 3 GmbH nicht, um eine Anwendungder §§ 38, 16 BeurkG auch auf die öffentliche Beglaubigungeiner Anmeldung zu rechtfertigen.

d) Die Notwendigkeit einer Vereidigung des Dolmetschersergibt sich ferner nicht aus § 9 FGG. Diese Bestimmungfindet auf öffentliche Beurkundungen keine Anwendung(Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Auflage, § 9 Rdn. 2).

e) Schließlich ist eine Vereidigung des Dolmetschers undseine Unterschriftsleistung bei der Anmeldung auch imHinblick auf die Belehrung nach § 53 Abs. 2 BZRG nichtgeboten. Die Belehrung nach § 53 Abs. 2 BZRG dient dazu,den Anmeldenden deutlich zu machen, dass sie selbst dannverpflichtet sind, eine strafrechtliche Verurteilung zu offen-baren, wenn diese Verurteilung nicht in das Führungszeug-nis oder nur in ein Führungszeugnis nach § 32 Abs. 3, 4BZRG aufzunehmen ist. Die Belehrung kann nach § 8 Abs. 3 Satz 2 GmbHG auch durch einen Notar vorge-nommen werden. Weder die Belehrung noch die Ver-sicherung der Anmeldenden, die Belehrung erhalten zuhaben, bedürfen nach dem Gesetz der notariellen Beur-kundung. Nimmt der Notar die Belehrung vor, handelt essich damit nicht um eine Tätigkeit nach § 20 BNotO,sondern um eine sonstige Tätigkeit nach § 24 BNotO. Auchinsoweit steht es daher im pflichtgemäßen Ermessen desNotars, in welcher Weise er sicherstellt, dass fremd-sprachige Beteiligte die Belehrung verstehen. Nach demBeglaubigungsvermerk hat der Notar den anmeldendenGeschäftsführern die Registeranmeldung, in der auch dieBelehrung durch den Notar vermerkt ist, durch einenDolmetscher in die polnische Sprache übersetzen lassen.Anhaltspunkte dafür, dass die Geschäftsführer gleichwohlnicht ordnungsgemäß belehrt wurden, sind nicht ersichtlich.Solche sind auch in der Zwischenverfügung des Register-gerichts nicht aufgezeigt.

Mitgeteilt vom Richter am OLG Dr. Deichfuß, Karlsruhe

EWGRL 335/69 Art. 3 Abs. 2; Art. 4

KostO § 36 Abs. 2; § 39; § 45; § 47UmwG § 6; § 13; 16; 80GenG § 1 ; § 7; § 157

1. Eingetragene Genossenschaften verfolgen einenErwerbszweck und sind daher gem. Art. 3 Abs. 2 EWGRL335/69 zur Anwendung der Gesellschaftssteuerrichtlinieden Kapitalgesellschaften gleichgestellt.

Rechtsprechung BWNotZ 3/04

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2. Die Verschmelzung zweier eingetragener Genossen-schaften durch Aufnahme stellt eine gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. c EWGRL 335/69 der Gesellschaftssteuer unter-liegende Erhöhung des Kapitals durch Einlagen dar.

3. Zur Auswirkung des Beschlusses des EuGH vom21.03.2002 – Gründerzentrum – auf die zu erhebendenGebühren für notarielle Leistungen, die von einembadischen Amtsnotar im Zusammenhang mit der Ver-schmelzung zweier eingetragener Genossenschaftenerbracht worden sind.

(Fortführung von OLG Karlsruhe v. 24.09.2002, Az. 14 Wx133/00, OLGR 2002, S. 437 ff. = Rpfleger 2002, S. 655 ff.= FGPrax 2002, 275)

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.12.2002 14 Wx 130/01

Aus den Gründen:

A.

1. Der Notar beim Notariat Ü. hat beurkundet:

a) in der Urkunde I UR 496/2000 – unter Verwendung einesFremdentwurfs – den Verschmelzungsvertrag zwischen derV.-bank e.G. mit Sitz in Ü. (Übernehmender Rechtsträger)und der S.- und K.-bank e.G. mit Sitz in B. (ÜbertragenderRechtsträger) und

b) am 19.04.2000 in der Urkunde I UR 495/2000 den in derVertreterversammlung der V.-bank e.G. vom 18.04.2000gefassten Verschmelzungsbeschluss.

Ferner hat der Notar am 19.04.2000 die Anmeldung derVerschmelzung zum Genossenschaftsregister beim Amts-gericht beurkundet (UR I 497/2000).

3. Gegen die Kostenrechnung in Höhe von DM 48.068,08hat die Kostenschuldnerin Erinnerung eingelegt.

Unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 29.09.1999, C-56/98 – „Modele“ – meint sie, die in Rechnung gestelltenNotargebühren stellten in Wahrheit eine der – die indirektenSteuern auf die Ansammlung von Kapital betreffenden –Gesellschaftssteuerrichtlinie 69/335/EWG des Rates vom17.07.1969 widersprechende Steuer dar. Die KostO sei imvorliegenden Fall wegen Verstoßes gegen Gemeinschafts-recht unanwendbar; die Kostenrechnung sei – ggfls. nachden tatsächlichen Aufwendungen für die erbrachte Dienst-leistung – neu zu erstellen.

Das Amtsgericht Überlingen hat die Erinnerung zurückge-wiesen.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das LandgerichtKonstanz zurückgewiesen.

B.

Die infolge Zulassung (§ 14 Abs. 3 Satz 2 KostO) statthafteund auch im übrigen zulässige weitere Beschwerde ist teil-weise begründet. Die angegriffene Kostenrechnung stehtzwar im Einklang mit den einschlägigen deutschenVorschriften, namentlich denen der KostO. Indessen sind dievon der Beschwerdeführerin beanstandeten Kostenansätzenicht mit der Regelung gemäß Art. 10 und Art. 12 Nr. 1 lit. e.der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.07.1969

betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung vonKapital in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Ratesvom 10.06.1985 („Gesellschaftssteuerrichtlinie“; imfolgenden auch „Richtlinie“ oder „RL“) vereinbar. Da diegenannten Richtlinienbestimmungen nach Auffassung desEuGH inhaltlich unbedingt und hinreichend genau abgefasstsind, begründen sie für die einzelnen Gesellschaften in denMitgliedsstaaten Rechte, auf die sie sich auch vor den natio-nalen Gerichten berufen können (EuGH, Urteil vom02.12.1997, C-188/95 – „Fantask – Tz. 53 [ZIP 1998, Seite206 ff.]; BayObLGZ 1998, S. 303 ff., 307; Gustavus, ZIP1998, S. 502 ff., 503). Die nicht mit der Richtlinie vereinbarenKostenansätze konnten daher keinen Bestand haben undwaren aufzuheben.

I.

1. Gemäß Art. 1 RL können die Mitgliedsstaaten der EG eineals „Gesellschaftssteuer“ bezeichnete harmonisierte Ab-gabe auf Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften imSinne der Richtlinie (Art. 3 Abs. 1 RL) oder ihnen gemäß Art. 3Abs. 2 RL gleichzusetzende Vereinigungen erheben. DieVorgänge, die der Gesellschaftssteuer unterliegen oder ihrunterworfen werden können, sind in Art. 4 RL abschließendaufgeführt. In Art. 10 RL ist bestimmt, dass von Gesell-schaften, Personenvereinigungen oder juristischen Per-sonen mit Erwerbszweck abgesehen von der Gesell-schaftssteuer „Steuern oder Abgaben“ auf die dort genannten auf Art. 4 RL bezogenen Vorgänge (lit. a und b)nicht erhoben werden, ferner nicht auf „die der Ausübungeiner Tätigkeit vorausgehende Eintragung oder sonstigeFormalität, der eine Gesellschaft, Personenvereinigung oderjuristische Person mit Erwerbszweck aufgrund ihrerRechtsform unterworfen werden kann“ (lit. c). Art. 12 Abs. 1RL normiert Ausnahmen von diesem Verbot.

2. Demgemäß sind die von der Kostenschuldnerin angegrif-fenen Kostenansätze dann – und nur dann – mit der Gesell-schaftssteuerrichtlinie unvereinbar, wenn sie, ohne unter dieAusnahmeregelung nach Art. 12 Abs. 1 RL zu fallen, vomVerbotstatbestand des Art. 10 RL erfasst werden.

Da die den hier angegriffenen Kostenansätzen zugrundelie-genden notariellen Leistungen – unter der Voraussetzung,dass die Richtlinie überhaupt auf eingetragene Genossen-schaften anwendbar ist – im Vorfeld der in Art. 4 RL genann-ten Vorgänge liegen und somit von den diese in Bezug neh-menden Verbotstatbeständen nach Art. 10 lit. a und b nichterfasst werden, kommt insoweit allenfalls ein Verbot nachArt. 10 lit. c RL in Betracht. Dabei ist das darin normierteBesteuerungsverbot – trotz fehlender ausdrücklicher Bezug-nahme auf Art. 4 RL – auf solche aufgrund der Rechtsformder Gesellschaft vorgeschriebene Formalien beschränkt, dieim Zusammenhang mit den in Art. 4 RL aufgeführten Vor-gängen stehen (vgl. EuGH, Urteil vom 27.10.1998, C-152/97– „Agas“ – Tz. 21 (WM 1999, Seite 343 ff., 345); Görk, DNotZ1999, Seite 851 ff., 868; ders., ZIP 2002, S. 667 ff., 668).

Die grundsätzliche Frage, ob die Gebühren für die notarielleBeurkundung eines unter die Gesellschaftssteuerrichtliniefallenden Vorgangs durch einen beamteten Notar im Ober-landesgerichtsbezirk Karlsruhe als „Steuer“ im Sinne derRichtlinie anzusehen sind, hat der EuGH inzwischen mittelsHinweis auf Tz. 23 seines allerdings die Verhältnisse inPortugal betreffenden „Modelo“-Urteils vom 29.09.1999, C-56/98 (ZIP 1999, S. 1681 ff.) bejaht (Tz. 27 f. desBeschlusses vom 21.03.2002, C-264/00 – „Gründerzen-trum“ – [ZIP 2002, S. 663 ff.]).

BWNotZ 3/04 Rechtsprechung

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II.

Für die einzelnen von der Kostenschuldnerin angegriffenenKostenansätze ergibt sich danach folgendes:

1. Beurkundung des Verschmelzungsvertrags

a) Der im vorliegenden Fall für die Beurkundung desVerschmelzungsvertrags erfolgte Ansatz einer Beurkun-dungsgebühr (§ 36 Abs. 2 KostO) von 30.220,00 DM sowieeiner Auswärts- und einer Unzeitgebühr (§ 58 Abs. 1 bzw.Abs. 3 KostO) von jeweils 60,00 DM widerspricht derGesellschaftssteuerrichtlinie.

aa) Die Gebühren unterfallen dem Verbotstatbestand gemäßArt. 10 lit. c RL:

(1) Als eingetragene Genossenschaft (e. G.) ist die Kosten-schuldnerin zwar keine „Kapitalgesellschaft“ im Sinne derRichtlinie (vgl. den abschließenden Katalog in Art. 3 Abs. 1RL). Indessen werden in Art. 3 Abs. 2 RL zur Anwendung derGesellschaftssteuerrichtlinie „den Kapitalgesellschaften alleanderen GeseIIschaften, Personenvereinigungen oder juris-tische Personen gleichgestellt, die einen Erwerbszweck ver-folgen“. Diese Merkmale sind bei der e. G. gegeben. Etwasanderes gilt nicht etwa deshalb, weil die e. G. als Erwerbs-und Wirtschaftsgenossenschaft auf die Förderung desErwerbes oder der Wirtschaft „ihrer Mitglieder“ gerichtet ist(vgl. § 1 Abs. 1 GenG). Denn die Mitgliedernützlichkeit desErwerbszwecks ist keine spezifische, sie von den anderenauf Erwerb gerichteten Vereinigungen unterscheidendeBesonderheit der e. G. (hierzu etwa Beuthien, GenG mitUmwandlungsrecht, 13. Auflage 2000, Rn. 6 zu § 1)

(2) Die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags ist aufeinen von Art. 4 Abs. 1 lit. c RL erfassten Vorgang bezogen.

Nach der genannten Vorschrift unterliegt der Gesellschafts-steuer „die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaftdurch Einlagen jeder Art“. Wie der EuGH für die französischeAktiengesellschaft entschieden hat, fällt darunter auch eineKapitalansammlung, die durch Verschmelzung zweierKapitalgesellschaften in der Weise erfolgt, dass das Kapitalder Übernehmenden Gesellschaft durch Einbringung desgesamten Vermögens der übertragenden Gesellschafterhöht wird (Urteil vom 13.02.1996, C-197/94 und C-252/94– „Bautiaa“ bzw. „Societe francaise maritime“ – insbeson-dere Tz. 33-36 [ABI. EG 1996 Nr. C 133/3-4]; vgl. ferner Vogt,WuB II N. Art. 12 RL 69/335 EWG 2.99 [Anm. zu EuGH, C-152/97 – „Agas“ -1]).

Für die hier vorliegende Verschmelzung zweier eingetrage-ner Genossenschaften durch Aufnahme gilt nichts anderes.Dabei ist die Verschmelzung zweier eingetragener Genos-senschaften – anders als das etwa bei der Verschmelzungzweier GmbHs oder zweier Aktiengesellschaften durchAufnahme der Fall ist (vgl. §§ 54, 55 bzw. §§ 68, 69 UmwG)– gemäß § 80 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 UmwG stets mit einerBildung weiterer Geschäftsanteile für die Genossen derÜbertragenden e. G., auf die im Rahmen des § 7 Nr. 1 GenGMindesteinlagen zu erbringen bzw. zu belassen sind, unddamit mit einer Erhöhung des Eigenkapitals der aufneh-menden e. G. verbunden.

(3) Da gemäß § 6 UmwG der Verschmelzungsvertrag zu sei-ner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung bedarf, stelltdiese im Sinne von Art. 10 lit. c RL eine sonstige „Formalität“dar, der die Gesellschaft zur Ausübung ihrer Tätigkeitunterworfen ist (vgl. EuGH, C-56/98 – „Modelo“ –, Tz. 26; C-264/00 – „Gründerzentrum“ –, Tz. 29).

bb) Die für die Beurkundung des Verschmelzungsvertragsangesetzte Gebühr stellt – entgegen der vom Landgerichtvertretenen Auffassung – keine „Abgabe mit Gebühren-charakter“ dar, die gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. e RL in Abwei-chung von Art. 10 RL erhoben werden kann.

(1) „Abgaben mit Gebührencharakter“ im Sinne der Gesell-schaftssteuerrichtlinie sind nur solche Abgaben, derenBerechnung auf der Grundlage der Kosten für die erbrachteLeistung erfolgt (EuGH, C-56/98 – „Modele“ –, Tz. 29; Urteilvom 21.06.2001, C-206/99 „SONAE“ –, Tz. 32 [EuZW 2001,S. 500 ff.]; Fabis, ZIP 1999, S. 1683 f.; Görk, DNotZ 1999, S. 851 ff., 862 ff.). Dabei kommt dem Umstand, dass dieGebühren für die Beurkundung von Verschmelzungsverträ-gen nach oben hin begrenzt sind (vgl. § 39 Abs. 4 KostO),keine entscheidende Bedeutung zu. Seine insoweit missver-ständliche Rechtsprechung (vgl. Tz. 30-32 des „Modelo“-Urteils), auf die sich das Landgericht gestützt hatte, hat derEuGH inzwischen im „SONAE“-Urteil dahin präzisiert, dassdas Bestehen einer Obergrenze für Abgaben der hiervoliegenden Art für sich allein diesen Abgaben einenGebührencharakter dann nicht verleihen kann, wenn dieObergrenze nicht so festgelegt ist, dass sie den Kosten derDienstleistung angemessen ist, für die die Abgaben dieGegenleistung darstellen (Nr. 2 der Urteilsformel sowie Tz. 36).

(2) Nicht nur unter Berücksichtigung des Umstandes, dassdie Beurkundung des Verschmelzungsvertrags unterVerwertung eines Fremdentwurfs erfolgt ist, stehen die hier-für angesetzten Gebühren von insgesamt 30.340,00 DM(Beurkundungsgebühr zzgl. Auswärtsgebühr zzgl. Unzeit-gebühr) in einem deutlichen Missverhältnis zu dem konkreterbrachten Aufwand. Eine Qualifizierung der für dieBeurkundung des Verschmelzungsvertrags angesetztenGebühren als „Abgabe mit Gebührencharakter“ scheidetdeshaIb aus.

b) Damit widersprechen die diesbezüglichen Kostenansätzedem Gemeinschaftsrecht mit der Folge, dass die Kosten-rechnung insoweit aufzuheben war. Die Sache wird daher anden Kostenbeamten zur Festsetzung einer im Einklang mitder Gesellschaftssteuerrichtlinie stehenden Gebühr für dieBeurkundung des Verschmelzungsvertrags zurückgegeben.Da der Gesetzgeber bislang noch keine richtlinienkonformeGebührenregelung zur Verfügung gestellt hat, wird derKostenbeamte den berücksichtigungsfähigen Aufwand inpauschalierender Weise zu ermitteln haben. Dabei können –wie der EuGH in seinem Urteil vom 02.12.1997, C-188/95 –„Fantask“ –, Tz. 33 (ZIP 1998, S. 206 ff., 210) für dieEintragung von Aktiengesellschaften ins Handelsregisterausgeführt hat – „sämtliche Kosten (berücksichtigt werden),die mit den Eintragungen zusammenhängen, einschließlichdes auf diese Vorgänge entfallenden Teils der allgemeinenKosten“.

Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Kosten-beamte bei Ermittlung der dem Land aufgrund derProtokollierung des hier in Rede stehenden Verschmel-zungsvertrags entstandenen Kosten die im Erlass desJustizministeriums Baden-Württemberg vom 22.05.2002 –Az. 5656/0227 – aufgeführten Pauschalsätze je Arbeits-stunde vorläufig und vorbehaltlich der noch zu ermittelndentatsächlichen Kosten zugrundelegt.

Rechtsprechung BWNotZ 3/04

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BWNotZ 3/04 Rechtsprechung

2. Beurkundung des Verschmelzungsbeschlusses der Vertreterversammlung

Auch der für die Beurkundung des Verschmelzungs-beschlusses der Vertreterversammlung der übernehmendene. G. erfolgte Ansatz einer Beurkundungsgebühr (§ 47 Satz1 KostO) von 10.000,00 DM sowie einer Auswärts- und einerUnzeitgebühr (§ 58 Abs. 1 bzw. Abs. 3 KostO) von je 60,00 DM widerspricht der Gesellschaftssteuerrichtlinie. DieAusführungen oben zu 1. – Beurkundung des Verschmel-zungsvertrags – gelten entsprechend:

Die Gebühr unterfällt dem Verbotstatbestand gemäß Art. 10lit. c RL, weil die notarielle Beurkundung des von denAnteilsinhabern gefassten VerschmelzungsbeschlussesVoraussetzung für dessen Wirksamkeit ist (§ 13 Abs. 3 Satz1 UmwG) und der Verschmelzungsbeschluss Bedingung fürdie Ausübung und Fortführung der eingetragenen Genos-senschaft in der von ihren Anteilsinhabern gewollten Formist (vgl. § 13 Abs. 1 UmwG).

Die für die Beurkundung angesetzten Gebühren stehen auchhier in einem erkennbaren Missverhältnis zu dem vom Landim konkreten Fall erbrachten Aufwand, so dass eineErhebung auch nicht nach der Ausnahmevorschrift Art. 12Abs. 1 lit. e RL erfolgen durfte.

Auch insoweit war die Kostenrechnung daher aufzuhebenund die Sache zur Festsetzung einer richtlinienkonformenGebühr an den Kostenbeamten zurückzuverweisen.

3. Beurkundung der Anmeldung zum Genossenschafts-register

Ob auch der Gebührenansatz für die Beurkundung derAnmeldung zum Genossenschaftsregister (§ 38 Abs. 2 Nr. 7KostO) von 805,00 DM nebst einer Auswärts- und einerUnzeitgebühr (§ 58 Abs. 1 bzw. Abs. 3 KostO) von je 60,00DM nach den oben zu 1. dargelegten Grundsätzen derGesellschaftssteuerrichtlinie widersprechen, vermag derSenat nicht abschließend zu beurteilen.

Freilich handelt es sich auch bei der diesen Gebührenan-sätzen zugrundeliegenden notariellen Tätigkeit um „Forma-litäten“ im Sinne von § 10 lit. C RL, weil die Anmeldung derVerschmelzung zur Eintragung in das Genossenschaftsre-gister gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 16 Abs. 1 UmwG),und zwar in öffentlich beglaubigter Form (§ 157 GenG).

Indessen steht einerseits nicht fest, ist andererseits aberauch nicht auszuschließen, dass die diesbezüglich ange-setzten Gebühren von insgesamt 825,00 DM den konkretenAufwand des Landes – insbesondere die Prüfungs- undVollzugstätigkeit des Notars sowie die damit verbundenenVor- und Nacharbeiten weiterer Notariatsbediensteter – nichtunwesentlich übersteigen. Damit steht nicht fest, ist aberauch nicht ausgeschlossen, dass auch diesen Gebührenkein „Gebührencharakter“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 lit. eRL zukommt. Daher war auch insoweit die Kostenrechnungaufzuheben und die Sache an den Kostenbeamten zurFestsetzung einer im Einklang mit der Richtlinie stehendenGebühr zurückzuverweisen.

Mitgeteilt vom Richter am OLG Karlsruhe, 14 Zivilsenat inFreiburg Dr. Ernst-Friedrich Krauß

Buchbesprechungen

Grundbuchrang und Grundbuchvormerkung für diePraxis der Gerichte, Notare, Anwälte und Immobilienwirt-schaft. Von Notar Bernd Steup. 2003, 242 Seiten. VerlagErich Schmidt, Berlin, € 39,80.

Das Buch gibt einen hervorragenden Einblick in die Materiedes Grundbuchrangs und des Rechts der Vormerkung. DieSichtweise des vertragsgestaltenden Juristen und dieaktuellen Gestaltungsprobleme der Vertragspraxis werdendurch viele praktische Beispiele und Hinweise veranschau-licht. Viele Streitfragen der komplexen Materie werden argu-mentativ aufgearbeitet. Neben kurzen Einführungen in diehistorischen, rechtsvergleichenden und sachlichen Grund-züge des Grundbuchverfahrensrechts und des Zwangsver-steigerungsrechts wird auf alle die Praxis berührendeProbleme und Streitfragen rund um den Rang und die Vor-merkung eingegangen, oft wird die herrschende Meinungunterstützt, manchmal auch kritisch hinterfragt. So behan-delt der Verfasser beispielsweise den gutgläubigen Erst-und Zweiterwerb einer Vormerkung (Rz. 389, dazu auchMauch BWNotZ 1994, 139), die Novation des Anspruchsund die Wiederverwendung einer erloschenen Eigentums-vormerkung (Rz. 343) und spricht sich für eine klarstellendeEintragung bei der Vormerkung aus (Rz. 348). Der Autor hältentgegen BGH (DNotZ 2002, 775; Böhringer ZEV 2002, 33)eine Vormerkung zur Sicherung der gesetzlichen Rück-übertragungsansprüche des Schenkers nach §§ 528, 530BGB für nicht zulässig (Rz. 230). Bejaht wird dagegen die

Sukzessivberechtigung bei einer Vormerkung (Rz. 256). DerAutor gibt dem altbewährten Rangrücktritt einer Vormer-kung hinter ein Finanzierungsgrundpfandrecht den Vorzuggegenüber einem Wirksamkeitsvermerk (Rz. 320). Verneintwird die Frage, ob eine Löschungserleichterungsklauselnach § 23 GBO bei vererblichen Rückübertragungsansprü-chen möglich ist (Rz. 294). Zum Meinungsstreit bei § 878BGB zieht der Verfasser die Konsequenz, dass zur Sicher-heit für den Rechtserwerber dieser auch den Eintragungs-antrag stellen sollte, damit die Anwendung des § 878 BGBunzweifelhaft vom Grundbuchamt bejaht werden kann (Rz. 128, vgl. auch Böhringer BWNotZ 1979, 141). Bei derProblematik „Rangeinheit von Haupt- und Veränderungs-spalte“ bekennt sich der Autor zur traditionellen Meinungund sieht keinen Grund, den von vielen Grundbuchämternseit Jahrzehnten eingeschlagenen Weg zu verlassen (Rz. 99). Vorsichtige Zweifel werden angemeldet an der„Sozialhilfefestigkeit von Übergaben auf das Ableben desÜbergebers und Absicherung des Übertragungsanspruchsbis dahin durch eine Eigentumsvormerkung (Rz. 432). Diesewahllos herausgegriffenen Themen sollen genügen um fest-zustellen, dass das Buch für alle praxisrelevanten Fragenpraxistaugliche Lösungen anbietet. Das Werk ist ein wert-voller Ratgeber im Rechtsalltag. Es ist beeindruckend, wiedie an sich trockene Materie in die spannende Realität desLebens integriert wird.

Prof. Walter Böhringer, Notar, Heidenheim/Brenz

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Buchbesprechungen BWNotZ 3/04

Handbuch der Stillen Gesellschaft, 6. Auflage. Begründetvon Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz Paulick, fortgeführt von Prof. Dr.Uwe Blaurock. Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln 2003. 845Seiten Lexikonformat gebunden € 128,00.

Die Rechtsordnung stellt den Beteiligten auf dem Gebiet desGesellschaftsrechts eine Vielzahl von Gesellschaftstypen zurVerfügung, aus denen sie – je nach handelsrechtlichen, wirt-schaftlichen, haftungsrechtlichen oder steuerlichen Überle-gungen – den Typ auswählen können, der ihnen zurVerwirklichung ihrer Zwecke am geeignetsten erscheint. DerWunsch nach einer günstigen Kapitalanlage, einerBegrenzung der Haftung auf die Einlage, einer möglichststeuerlichen Optimierung der Beteiligung sowie dasInteresse an einer Geheimhaltung der Einlage führen in derPraxis durchaus häufig zur Wahl der stillen Gesellschaft. Fürdie Beratungs- und vertragliche Gestaltungspraxis ist mitdem Instrument der stillen Gesellschaft als moderne und fle-xible Gesellschaftsform die Möglichkeit mannigfaltiger undideenreicher gesellschaftsrechtlicher Kombinationen eröff-net. So können beispielsweise atypische stille Beteiligungenauch in der Form vereinbart werden, dass der Stille nicht nuram laufenden Gewinn, sondern an der Geschäftsführung, anden Rücklagen oder dem Firmenwert teilnimmt oder ihmsogar derartigen Einfluss auf das Unternehmen eingeräumtwird, dass er den eigentlichen Betriebsinhaber in die Rolleeines Strohmannes verdrängt.

Zahlreiche gesetzliche Neuregelungen sowie eine Vielzahlvon Gerichtsentscheidungen, die seit dem Erscheinen der 5. Auflage im Frühjahr 1998 ergangen sind, machten nun-mehr die Neuauflage notwendig. Dies betrifft im zivilrecht-

lichen Teil etwa die Änderungen des Kreditwesengesetzesund der BRAO sowie das Handelsrechtsreformgesetz unddas Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz. Im steuer-rechtlichen Bereich haben insbesondere das Steuerent-lastungsgesetz 1999/2000/2002 und das Steuersenkungs-gesetz, aber auch das Steuervergünstigungsabbaugesetz zutiefgreifenden Änderungen geführt. Der steuerrechtliche Teildes Handbuchs, welcher gut 1/3 des Werkes umfasst, istdeshalb in den meisten Kapiteln völlig neu geschrieben undumstrukturiert worden.

Das Buch ist für alle Praktiker in der Rechts- undSteuerberatung, die eine stille Beteiligung organisieren odersich mit Einzelfragen aus dem Recht der stillen Gesellschaftbefassen, ein unentbehrliches Hilfsmittel. Es stellt dasgesamte Recht der stillen Gesellschaft einschließlich derdamit verbundenen steuerlichen Aspekte umfassend underschöpfend dar. Darüber hinaus besticht das Buch durchseine gründliche, übersichtliche und gut verständlicheDarstellung. Positiv hervorzuheben ist, dass sich am Endeeines jeden Kapitels nochmals eine kurze Zusammen-fassung findet. Damit kann sich der Leser stets einen gutenÜberblick über die einzelnen abgehandelten Teilbereicheverschaffen. Der Text ist mit Randnummern versehen. Dieserleichtert die Querverweisung sowie das schnelle undgenaue Auffinden gesuchter Stellen über das ausführlich ge-staltete Stichwortregister. In der Praxis einsetzbare Vertrags-muster runden das Buch ab. Die bereits der Vorauflage zuteilgewordene positive Beurteilung des Buches ist auch für dieNeuauflage uneingeschränkt aufrecht zu erhalten.

Notariatsdirektor Wolfgang Schmenger, Schwetzingen

ImpressumHerausgeber: Württembergischer Notarverein e.V., Stuttgart in Ver-bindung mit dem Badischen Notarverein e.V., Karlsruhe.

Schriftleiter: Achim Falk, Notar, Kronenstraße 34, 70174 Stuttgart(Tel. 0711/2 25 86 50), verantwortlich für Gesamtbereich ohneSparte Rechtsprechung und Dr. Jürgen Rastätter, Notar, Kurfürsten-anlage 23, 69115 Heidelberg (Tel. 0 62 21/59 14 70), verantwortlichfür Sparte Rechtsprechung.

Die BWNotZ erscheint vierteljährlich zweimal. Bestellungen undAnzeigenwünsche sind an die Geschäftsstelle des Württ. Notarver-eins e.V. in 70174 Stuttgart, Kronenstaße 34 (Tel. 07 11/2 23 79 51,

Fax 07 11/2 23 79 56, E-mail: [email protected]) zu richten.Der Bezugspreis beträgt jährlich € 45,– einschließlich USt und Ver-sandkosten und wird am 31. 5. des Bezugsjahres in Rechnunggestellt; Einzelhefte € 6,– einschließlich USt zuzüglich Versandkos-ten. Einzelhefte können nur von den letzten 5 Jahrgängen ein-schließlich des laufenden Jahrgangs bezogen werden.

Abbestellungen müssen 6 Wochen vor Ende eines Kalenderjahreserfolgen.

Gesamtherstellung: SCHNITZER DRUCK GmbH, Fritz-Klett-Straße 61– 63, 71404 Korb (Tel. 0 71 51-3 03-0, Fax 0 71 51-3 59 68).

BWNotZ-Leitsatzkartei

Die BWNotZ-Leitsatzkartei wird mit sofortiger Wirkung eingestellt.

Die Entscheidung wurde nach reiflicher Überlegung und schweren Herzens, nicht zuletzt aus Respekt vorder Leistung des langjährigen Bearbeiters und bisherigen Schriftleiters Notar a.D. Herbert Staudenmaier,getroffen. Sie war jedoch unumgänglich, da Herstellungsaufwand und -kosten in keinem Verhältnis mehrzur Zahl der tatsächlichen Nutzer stehen und die Möglichkeit der Nutzung umfangreicherer und aktuel-lerer elektronischer Datenbanken (insbesondere Juris Web im Bereich des Amtsnotariats) besteht.

Die Schriftleitung