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ARCHIMETRIX 1 corporate architecture Laut einer paneuropäischen Studie der Londoner CI-Agen- tur Henrion, Ludlow & Schmidt messen 95 % von 166 be- fragten Unternehmen der Corporate Identity eine „sehr“ oder „ziemlich wichtige“ Bedeutung zu, nur 4 % jedoch dem Aspekt Corporate Design und Architektur. Deutsch- land und Österreich liegen hier übrigens mit 13 % weit über dem Durchschnitt. In den Publikationen von Tagespresse und Fachzeitschriften spricht man von immer wieder von „Weltklasse-Architek- tur“, „Kunststück“ oder „gelungenem Ambiente“. Rezen- sionen solcher Art fördern ein positives Image und das Unternehmen als Bauherr bekommt indirekt einen „Strahl des Glanzes“ mit ab, gute Presse und Aufmerksamkeit. Attribute, die Werbeleiter und Marketing-Strategen über Jahre hinweg mühsam erkämpfen müssen. Architektur ist Gestaltung und visuell erfahrbar und in der Regel sehr langlebig. Richtig eingesetzt ist sie ein wert- volles strategisches Instrument zur Positionierung und Differenzierung im globalen Wettbewerb. Architektur setzt Zeichen, die ganz automatisch von verschiedenen Gruppen wahrgenommen werden. Der Dialog zwischen Betrachter und Bauwerk - also die KOMMUNIKATION mit Kunden und Besuchern - endet nicht bei der Fassade sondern reicht bis zur Identifikation mit dem Unternehmen. Die bewusste Auswahl von Materialien, Baustoffen, Far- ben, Beleuchtung und Möbeln spielt dabei eine wichtige psychologische Rolle. Gefallen sie dem Besucher, bleiben positive Erinnerungen zurück, wie: „ein kultiviertes Unter- nehmen“, „eine Atmosphäre, in der man sich wohl fühlt“ oder „ein Bau mit unverwechselbarem Stil“. Der Dienstleistungssektor bedient sich dieser Erkenntnisse seit Jahrzehnten und setzt den Gedanken der Corporate Ar- chitecture konsequent um. Beispiele dafür sind Tankstellen, Autohäuser und Restaurants, Einkaufsketten, Transport- unternehmen, Hotels, Banken und Versicherungen. Ein bewusster Einsatz von Corporate Design in der Architektur kann die Besuchs- und Einkaufbereitschaft wesentlich er- höhen. Mögliche Elemente der Corporate Architecture sind Archi- tekturkonzept, Gebäudekennzeichnung, ein einprägsames und übersichtliches Orientierungssystem, Farbcodierung, Innenraumgestaltung und Milieukonzept. Ansätze und Gesichter Die augenscheinlichste und einprägsamste Darstellung fin- det man sicher in der Form absolut gleich bleibender Ge- staltung (McDonalds, Tankstellen, etc.). Der hohe Wieder- erkennungseffekt und ein weltweit einheitliches Image der Unternehmen steht dabei im Vordergrund. Geschmacklich wie gestalterisch sind diese Formen jedoch oft Mittelpunkt von Diskussionen, erreichen aber sehr wirkungsvoll die an- gestrebten Zielgruppen. Corporate Architecture Die Rolle der Architektur in der Identität von Unternehmen Messehalle Leipzig Form und Struktur der Bahnhofsbauten Ausstellungspavillon Mini, BMW-Group

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1corporate architecture

Laut einer paneuropäischen Studie der Londoner CI-Agen-tur Henrion, Ludlow & Schmidt messen 95 % von 166 be-fragten Unternehmen der Corporate Identity eine „sehr“ oder „ziemlich wichtige“ Bedeutung zu, nur 4 % jedoch dem Aspekt Corporate Design und Architektur. Deutsch-land und Österreich liegen hier übrigens mit 13 % weit über dem Durchschnitt.

In den Publikationen von Tagespresse und Fachzeitschriften spricht man von immer wieder von „Weltklasse-Architek-tur“, „Kunststück“ oder „gelungenem Ambiente“. Rezen-sionen solcher Art fördern ein positives Image und das Unternehmen als Bauherr bekommt indirekt einen „Strahl des Glanzes“ mit ab, gute Presse und Aufmerksamkeit. Attribute, die Werbeleiter und Marketing-Strategen über Jahre hinweg mühsam erkämpfen müssen.

Architektur ist Gestaltung und visuell erfahrbar und in der Regel sehr langlebig. Richtig eingesetzt ist sie ein wert-volles strategisches Instrument zur Positionierung und Differenzierung im globalen Wettbewerb. Architektur setzt Zeichen, die ganz automatisch von verschiedenen Gruppen wahrgenommen werden. Der Dialog zwischen Betrachter und Bauwerk - also die KOMMUNIKATION mit Kunden und Besuchern - endet nicht bei der Fassade sondern reicht bis zur Identifikation mit dem Unternehmen.

Die bewusste Auswahl von Materialien, Baustoffen, Far-ben, Beleuchtung und Möbeln spielt dabei eine wichtige psychologische Rolle. Gefallen sie dem Besucher, bleiben

positive Erinnerungen zurück, wie: „ein kultiviertes Unter-nehmen“, „eine Atmosphäre, in der man sich wohl fühlt“ oder „ein Bau mit unverwechselbarem Stil“.

Der Dienstleistungssektor bedient sich dieser Erkenntnisse seit Jahrzehnten und setzt den Gedanken der Corporate Ar-chitecture konsequent um. Beispiele dafür sind Tankstellen, Autohäuser und Restaurants, Einkaufsketten, Transport-unternehmen, Hotels, Banken und Versicherungen. Ein bewusster Einsatz von Corporate Design in der Architektur kann die Besuchs- und Einkaufbereitschaft wesentlich er-höhen.

Mögliche Elemente der Corporate Architecture sind Archi-tekturkonzept, Gebäudekennzeichnung, ein einprägsames und übersichtliches Orientierungssystem, Farbcodierung, Innenraumgestaltung und Milieukonzept.

Ansätze und Gesichter

Die augenscheinlichste und einprägsamste Darstellung fin-det man sicher in der Form absolut gleich bleibender Ge-staltung (McDonalds, Tankstellen, etc.). Der hohe Wieder-erkennungseffekt und ein weltweit einheitliches Image der Unternehmen steht dabei im Vordergrund. Geschmacklich wie gestalterisch sind diese Formen jedoch oft Mittelpunkt von Diskussionen, erreichen aber sehr wirkungsvoll die an-gestrebten Zielgruppen.

Corporate ArchitectureDie Rolle der Architektur in der Identität von Unternehmen

Messehalle LeipzigForm und Struktur der Bahnhofsbauten

Ausstellungspavillon Mini, BMW-Group

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Corporate Architecture findet sich auch in der Analogien-bildung zwischen Produkt und Gebäude. Die symbolische Architektursprache dient der Vermittlung des individuellen Unternehmensprofils und seiner Tätigkeit nach dem Motto „form follows spirit“.

Eine differenzierte Gebäudedarstellung - beinahe als Wi-derspruch zur Corporate Architecture - beruht auf der exklusiven Zusammenarbeit Image verkaufender Unter-nehmen mit Image verkörpernden Architekten. Bei einer Gestaltung, deren Qualität für sich selbst spricht, hier wird allein Wert auf das innovative und ästhetische Potential des Bauwerks gelegt. Die Sitze großer Unternehmen wie IBM, Olivetti, Erco, Vitra sind dafür beste Beispiele.

Diese Ansätze beziehen sich hauptsächlich auf die AUSSEN-WIRKUNG der Unternehmen auf Passanten, Besucher und Kunden. Genauso wichtig sind aber auch die Bemühungen für die INNENWIRKUNG einer Corporate Architecture

einzuschätzen. Denn jeder Mitarbeiter nimmt das Erschei-nungsbild „seines“ Unternehmens wahr. Indem er sich darin bewegt und arbeitet, entwickelt er Vorstellungen über das gesamte Unternehmen. Kommt er zu einem positiven Ur-teil, entwickelt er ein „Zusammenhörigkeits- und Vertrau-ensgefühl“ - also ein „Wir-Bewusstsein“ oder „Corporate Feeling“. Diese Innenwirkung der Unternehmensarchitektur steht in direktem Zusammenhang mit der IDENTIFIKATION jedes Mitarbeiters mit seinem Unternehmen. Allein die Be-auftragung eines guten oder gar namhaften Architekten reicht dabei nicht aus. Hier spielen drei Gruppen von Fak-toren ein wichtige Rolle:

1. Die Image-Faktoren werden im Markenleitbild des Unternehmens definiert und wirken gleichermaßen nach innen und außen. Hier geht es vor allem um Fragen zur Positionierung am Markt:

Welche Philosophie propagieren wir (Haltung, Ideen und Einstellungen)?

Was ist unser Geschäft (Welche Art von Produkten stellen wir her bzw. was sind unsere Leistungen)?

Worin liegen unsere Stärken (Nutzungsargumente für die Käufer: z.B. Innovation, Vertrauen, Wirtschaftlichkeit, Lu-xus, etc.)?

Ziel dieser Bestrebungen ist sowohl die Schaffung einer größtmöglichen Harmonie zwischen Form und Inhalt als auch eine glaubhafte Dokumentation des Unternehmens.

Bibliotheque Nationale, ParisAblesbarkeit der Lagerstrukturen in Baukörper und Fassade

Konferenzpavillon Vitra (Tadao Ando) Corporate Design Manual BMW-GroupRichtlinie des Kommunikationsdesigns

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Klaus Jürgen Maack, Geschäftsführer des Leuchtenherstel-lers Erco beschreibt dieses Streben nach gestalterischer und unternehmerischer Einheit folgendermaßen: „Kongruenz herzustellen zwischen der Art, wie wir Produkte entwickeln und gestalten, der Art, wie wir Kommunikation betreiben und dem Gebäude, im dem Produktentwicklung und Kom-munikation schwerpunktmäßig stattfinden.“

2. Ergonomische Faktoren nehmen Einfluss auf das kör-perlich physiologische Wohlfühlen des Mitarbeiters am Arbeitsplatz. Die Orientierung liegt dabei in der optimalen Abstimmung der Büro- und Arbeitsräume auf die vorgese-henen Tätigkeiten. Ausreichende natürliche Belichtung und arbeitsgerechte Möbel verhindern frühzeitige Ermüdung, auch ökologische, sicherheitstechnische und gesundheit-liche Anforderungen spielen hier eine Rolle und fördern Motivation und Produktivität.

3. Sozial-energetische Faktoren tragen zur Förderung eines guten Innenklimas bei. Das kann sich in Form abwechs-lungsreich gestalteter Arbeits- und Aufenthaltsräume oder in einer gleichwertigen und nicht bevorzugten Ausstattung einzelner Arbeitsplätze positiv und stimulierend auf die Mitarbeiter auswirken. Neben der Höhe des Gehalts werden immer stärker solche Faktoren wie Arbeitslust, Lebensge-fühl, Spaß, Kreativität und ein positives Betriebsklima zu

wichtigen Kriterien bei der Wahl und der Beurteilung des Arbeitsplatzes durch die Mitarbeiter.

Hier liegen die Chancen einer positiven Unternehmensent-wicklung einerseits in der Sicherung der Mitarbeiter, also einer Verstärkung der Mitarbeiterbindung, und andererseits in den verbesserten Chancen, qualifizierten Nachwuchs durch die gestiegene Attraktivität der Arbeitsplätze zu werben.

Semantische Betrachtung

Sämtliche visuell in Erscheinung tretende Elemente eines Unternehmens oder einer Institution haben eine bestimmte Aussage, sie kommunizieren. In seinem Werk „Einführung in die Semiotik“ (München, 1972) stellt Umberto Eco fest, dass jedes Gebilde von verschiedenen architektonischen Codes überlagert ist. Von diesen sind vor allem der syn-taktische und der semantische Code von Bedeutung. Der semantische Code, für die zeichensprachliche Übermittlung verantwortlich, gliedert sich in einen denotierten und einen konnotierter Code. Die elementaren Grundeinheiten des syntaktischen Codes wie Wände, Pfeiler, Decken, etc. bilden dabei in Ihrer Kombination die tragenden Funktion – sie denotieren das statisch wirksame Prinzip. Der konnotierte Code erschließt uns die geistige, immaterielle Aussage des Gebäudes.

Die vielfältigen semantischen Codes mit konnotativem Gehalt beschreibt Eco am Beispiel der gotischen Kathedrale zum einen in romantischer Interpretation als keltische Wäl-der der Druiden zum anderen in religiöser Interpretation, die den vertikalen Schwung der Säulenhalle als Sinnbild des Aufstiegs der Seele zu Gott versteht.

Computergesteuerte Lichtführung in der Hauptverwaltung der Hongkong and Shanghai Banking Corporation (Foster Associates)

Büro- und Produktionsgebäude Seele:Planungsabteilung mit Sichtverbin-dung in die Produktionshalle (Kauff-mann, Theilig & Partner)

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Das Beispiel zeigt recht deutlich, dass die Form nicht aus-schließlich als Funktionsträger in Erscheinung tritt, sondern auch als bildhaftes Zeichen mit Bedeutungsinhalten. Und diese können Identität widerspiegeln, ein bestimmtes Ver-halten beeinflussen und prägen. Architektur nach der Ma-xime „form follows identity“ impliziert also dem Bauwerk einen komplexen konnotativen Gehalt, der so gesehen eine Grundvoraussetzung für eine qualitativ hochwertige Iden-tität darstellt.

Le Corbusier entwickelt in Ronchamp eine starke For-mensprache, die verschiedene Interpretationen zulässt: Die Form des Baus erinnert den einen möglicherweise an betende Hände und den anderen an eine Kopfbedeckung französischer Mönche oder an einen Schiffsrumpf, welcher Bezug zur Arche Noahs aufnimmt. Auch hier gibt es noch eine weitere, unmittelbar formale Verwandtschaft zum Dolmengrab heidnischer Vorfahren.

Dauerhaftigkeit, Unverwechselbarkeit, zeichenhafter Cha-rakter und Einmaligkeit sind also wichtige Faktoren der Umsetzung einer qualitativ hochwertigen und wirkungs-

vollen visuellen Erscheinung, wobei eine unmittelbare Symbolwirkung nicht zwingend notwendig ist. So ist das Aufnehmen von Stilelementen der Baukulturen der Antike oder die Adaption von Archetypen der Baugeschichte – also die bewusste Verwendung tradierter Formen – ein verbrei-tetes Mittel der Identitätsbildung bei Banken, Versicherun-gen und Institutionen. Dies reicht bis hin zu Tendenzen, zu denen Robert Venturi den aussagekräftigen Begriff vom „dekorierten Schuppen“ prägte, der auf die Kulissenarchi-tektur amerikanischer Kleinstädte anspielt.

Archetypen

Als Symbol religiöser und gesellschaftlicher Einheit in An-sätzen bereits bei den Griechen zu finden, im Römischen Reich technologisch ausgereift, zieht sich die Kuppel durch die Geschichte der Sakral- und Regierungsbauten bis in unsere Gegenwart. Sie verkörpert Ausdrücke und Ideale der Demokratie, Geschichtsbewusstsein, öffentlicher Raum.

Der mit dem ersten Preis ausgezeichnete Entwurf zum Umbau des Reichstags in Berlin von Sir Norman Foster sah zuerst eine andere Dachlösung vor. Mit der Überarbeitung

Denotation des syntaktischen Codes (links), gotische Kathedrale (rechts)

Notre Dame du Haut in Ronchamp

Capitol, Washington D.C.

Reichstag, Berlin

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des Konzepts, welche durch eine wesentliche Reduzierung des Raumprogramms notwendig wurde, ergab sich auch eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Bauherrn und Planer. Heute zeigt sich der Reichstag bedeutungsvoll mit einer unverwechselbaren Kuppel, welche die Wahrzeichen-funktion des Bauwerks entscheidend unterstützt und in der Silhouette Berlins unverwechselbar zum Ausdruck kommt. Um nur einige Bedeutungen zu formulieren: Transparenz, „das Volk über dem Parlament“, Ökologie und Technologie.

Noch älter, bereits von den Ägyptern auf die geometri-sche Grundform reduziert, gilt die Pyramide als Symbol der Macht, der Unvergänglichkeit oder Konservierung. Grabmale, Kultstätten, oder freimaurerische Symbolik. Sie dient ebenfalls der Identitätsbildung von Kulturen und Ideologien.

Seit prähistorischer Zeit gibt es säulen- und turmartige Ge-bilde, die mit kultischen und sexuellen Inhalten aufgeladen sind. Während der Turm im Mittelalter eher als Lagerraum und Fluchtstätte reicher Patrizier diente, ist er heute ge-winnbringende Immobilie multinationaler Unternehmen. Er symbolisiert vor allem Reichtum und Machtanspruch seiner Erbauer. Allerdings verliert sich der Demonstrati-onscharakter leicht im Aufkommen einer Vielzahl ähnlicher Objekte. Man denke an Städte wie New York, Hongkong und inzwischen auch Shanghai.

Wie in der verbalen Sprache kann man auch in der visuel-len Sprache ruhig, sachlich, zurückhaltend oder direkt bis penetrant auftreten. Das Wesentliche ist also immer die Konnotation der Identität bzw. der Absicht.

Aufmerksamkeitsgewinnung

Der Mensch sieht immer nur das, was er sehen will oder was er zu sehen gewohnt ist, es sei denn, man weist ihn speziell darauf hin.

Aufgrund der hohen Informationsdichte im städtischen Bereich sind also Prägnanz und Charakteristik wesentliche Grundvoraussetzungen für eine signifikante Erscheinung.

Sanddüne in der Sahara

Pyramiden von Gizeh

Patriziertürme in San Giminiano

Chrysler Building (links), Empire State Building von General Motors (rechts)

Supermarkt der Best-Kette

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Andererseits ist die Gestaltungsfreiheit des Architekten häufig eingeengt, vor allem im städtischen Kernbereich durch Gestaltungssatzungen oder denkmalpflegerische Auflagen. Dass hier dennoch wirkungsvoll Aufmerksamkeit und Interesse erzeugt werden kann, zeigen Geschäfte und Restaurants, die sich gegen eine Übermacht an Konkurrenz abheben können. Wichtige Mittel sind hierbei Wahrneh-mungstäuschung und Illusionserzeugung – umgesetzt in der räumlichen Struktur des Innenraums oder durch den gezielten Einsatz von Licht und Farbe.

Goethe ordnete in seinem Werk „Zur Farbenlehre“ (1810) die aristotelischen Temperamente - also menschliche Cha-raktereigenschaften - seinem Farbkreis zu. Farbe ist Erleb-nisverursacher und beeinflusst stark den Charakter eines Bereiches aufgrund ihrer Vielzahl an Bedeutungsinhalten und Interpretationsmöglichkeiten. Und da Farbe des Lichts bedarf, muss man davon ausgehen, dass die unmittelbare Atmosphäre wesentlich mitbestimmt ist von der gewählten Beleuchtungsart, die, richtig eingesetzt, entscheidend den visuellen Eindruck beeinflusst.

Über eine funktionelle und lichttechnische Ausleuchtung verschiedener Arbeitsbereiche hinaus werden also Farbe und Licht durch ihren strategischen Einsatz zu einem die visuelle Identität stark mitbestimmenden Faktor.

Identitätskrisen

Für den Architekten Andreas Theilig (Kauffmann, Theilig & Partner) ist das Corporate Design „quasi die dreidimensio-nale Reduktion einer mehrdimensionalen, mehrschichtigen Wertewelt“. Und da jedes Gebäude eine Gestalt hat, besitzt es infolgedessen auch eine Identität. Diese bewertet er als „oftmals erbärmlich und unbewusst, gelegentlich höchst bewusst und individuell, aber mehr und mehr neutral und austauschbar“. Sein Verständnis von Architektur ist die „Interpretation, Bewertung und Koordination auf eine Bauaufgabe einwirkender Aspekte“.

Weiterhin geht er davon aus, dass die zu kommunizierende Haltung oder Identität einer Gruppe, eines Unternehmens sich stetig wandelt, bedingt durch die Weiterentwicklung des Unternehmens selbst und die wirtschaftlichen und ge-

sellschaftlichen Einflüsse von außen. Messestände werden wieder abgebaut, CI-Manuals können geändert werden usw. Bauwerke tun sich da schwerer, sie haben nun mal eine wesentlich längere „Halbwertszeit“. Bauliche Bekennt-nisse aus den 1970er Jahren werden in der öffentlichen Diskussion heute geradezu als bedenklich gesehen – sie sind der „Maßanzug, der nicht mehr passt“. Das Gegenstück ist die neutrale Hülle, inhaltslos – sie ist der „Overall, den jeder anziehen kann, der aber keinem wirklich passt“.

Theilig beschreibt seinen Ausweg aus dieser prekären Situ-ation mit dem Begriff „Änderungsschneiderei“. Bauwerke sollen sich zum Wandel bekennen, Umbauten und Weiter-bauten sollen dokumentieren, offensiv und gestalterisch vom Planer koordiniert. Diesen Prozess der Veränderung sieht er als Botschaft, als Corporate Identity.

Corporate Identity

Die CD-Richtlinie des bayerischen Automobilbauers überlässt den jeweiligen Architekten nahezu vollständige Handlungsfreiheit, regionale Züge sind erwünscht. Das so genanntes „Global Face“ verlangt lediglich „Lösungen hoher architektonischer Qualität, die sowohl den Füh-rungsanspruch von BMW gestalterisch und atmosphärisch deutlich machen als auch durch Ökologie und Wirtschaft-lichkeit überzeugen“ (und damit die BMW-Wertewelt re-flektieren).

BMW zeigt deutlich, dass Corporate Identity einerseits als Prozess verstanden werden muss aber andererseits auch eine erstaunliche Stabilität erzeugt, wenn man Ideen po-sitiv besetzt und ständig aktualisiert. Als frühes Beispiel gilt der BMW-Pavillon am Lenbachplatz in München. Das Gebäude aus den 1950er Jahren vermittelt Transparenz. Die innovative Lichtführung durch ein Lichtleitsystem im Dach und abgehängte Lichtspiegel sorgen für eine gute Belichtung des Untergeschosses. Die edle Materialwahl in Architektur und Einrichtung bekräftigt den Status des Unternehmens.

Goethes Farbkreis

Pavillon am Lenbachplatz

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Mit dem Neubau des Firmensitzes in unmittelbarer Nach-barschaft zum Olympiagelände gelang es BMW, durch den einmaligen Event der Olympischen Spiele 1972 höchst-möglichen internationalen Bekanntheitsgrad zu erreichen. Um in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit das Bauprojekt durchzuführen, entschied man sich für ein neu-artiges Konstruktionsverfahren, welches bereits während der Bauphase auf den Innovationswillen des Unternehmens hinweist und nach Fertigstellung noch ablesbar ist: Mit-tels einer Lifttechnologie konnten die einzeln am Boden vorgefertigten Geschossdecken an ihrer vorgesehene Po-sition gehoben werden. Die einzelnen Geschosse wurden teilweise noch während des Hebevorgangs ausgebaut. Die Form- und Materialwahl des Turms als „Vierzylinder“ hat nicht nur einen nachvollziehbaren symbolischen Charakter sondern ermöglicht auch eine optimale, energiesparende Ausleuchtung der Büroflächen mit Tageslicht. Das Tradition und kulturelles Engagement verdeutlichende Museum mit dem Firmen-Signet ist für die Besucher des Olympiaturms unübersehbar positioniert.

Ein weiterer Ausstellungspavillon, der „Bubble“, trägt das Thema „Zukunftsarchitektur für ein Zukunftsthema“. Als architektonisches Symbol der Motorenentwicklung für den Brennstoff Wasserstoff diente er der Vorstellung des Kon-

zepts „Clean Energy“. Seine Form ist Sinnbild für das Was-ser, das aus dem Auspuff kommt. Später wurde er für ein halbes Jahr der Münchner Szene als In-Club zur Verfügung gestellt – mit der unterschwelligen Botschaft „Wasserstoff für jedermann“ by BMW.

Kommunikation

Das Erreichen eines gewünschten Meinungsbildes in der Öffentlichkeit kann nur durch das konsequente und konti-nuierliche Verfolgen einer bestimmten Unternehmensstra-tegie in allen Bereichen des Corporate Designs ermöglicht werden. Dazu gehört eben nicht zuletzt auch die Architek-tur. „Ständig in der Öffentlichkeit präsent, repräsentiert die visuelle Identität nicht nur das Unternehmen als solches, sondern trägt auch einen Teil der Verantwortung des ge-samtkulturellen Bildes einer Gesellschaft, die letztendlich auch der eigentliche Reflektor jeder unternehmensspezifi-schen Identitätsbemühung ist“ (Gert M. Mayr-Keber).

Das erste Axiom der Kommunikation des Psychologen Paul Watzlawick lehrt, dass man nicht nicht kommunizieren kann („Menschliche Kommunikation“, Bern 1969).

Auch wer schweigt, nimmt eine Haltung ein.

Der Bubble

BMW-„Vierzylinder“ und Museum am Olympiapark in München

Autoren:

ARCHIMETRIX VISUELLE KOMMUNIKATIONCornelia Panneck_Holger Siegel_GbR

Paul-Schneider-Straße 17 t +49 36 43 . 50 53 4599423 Weimar f +49 36 43 . 74 84 18www.archimetrix.de [email protected]

Dieses Script ist eine nichtkommerzielle Publikation der ARCHIMETRIX GbR und enthält Zitate und Bildmaterial aus folgend genannten Publikationen.

Quellen und Literaturhinweise:

Corporate Identity - Corporate Design KompendiumNorbert W. Daldrop | avedition GmbH | Stuttgart 1997

Corporate IdentityK. Birkigt, M. M. Stadler, H. J. Funck | Verlag moderne Industrie | Landberg 1998

Dynaform + CubeGernot Brauer | Birkhäuser Verlag für Architektur | Basel Boston Berlin 2002