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So der Titel einesBuches von PeterScholl-Latour. Aberso könnte man auchNachrichten beschrei-ben, die in Deutsch-land über Israel ver-breitet werden.

Stichwort: Tem-

pelberg. Da wurde uns allen Ernstesweisgemacht, die Erneuerung einer pro-visorischen Brücke zum Mugrabi Toran der Klagemauer würde die heiligenStätten des Islam gefährden. Außerdemwürde Israel Ausgrabungen „unter“ derEl Aksa Moschee durchführen und inihrer Nähe „weitere Synagogen“ bauen.

Israel hatte damit begonnen, den al-ten Zugang zum Mugrabi-Tor, durchdas Touristen den Tempelberg betreten,durch einen neuen zu ersetzen. Der altewar bei einem Sturm und durch ein Erd-beben vor drei Jahren schwer beschä-digt worden. Die Brücke selbst würdedie Mauer gar nicht berühren, da einTeil der Erdrampe an der Westmauerdes Tempelberges stehen bleiben sollte.

Aber dort, wo Stützpfeiler für dieBrücke errichtet werden sollten, mussgemäß dem Gesetz erst einmal eineNotgrabung der Antikenbehörde denhistorischen Untergrund freilegen, umkeine archäologischen Relikte zu zer-stören. Das war ein gutes Stück außer-halb des Tempelberges. Bis zur El AksaMoschee sind es mehr als 50 Meter.

Und bei den „neuen“ Synagogen, dieangeblich in der „Nähe“ des Heiligtums

errichtet würden, handelt es sich um dieWiedererrichtung einer 1948 von denJordaniern gesprengten Synagoge mit-ten im jüdischen Viertel der Altstadt Je-rusalems, mindestens 300 Meter vonder El Aksa Moschee entfernt.

Stichwort: Jesus-Grab. Da werdenuns in einem aufwändigen Dokumen-tarfilm zehn Knochenkästen mit denvermeintlichen Überresten von Jesusund seiner Familie präsentiert. Am Kar-freitag soll der Film im deutschen Fern-sehen ausgestrahlt werden. Die Inschrif-ten der schon 1980 entdeckten Gebeins-kästen lauten unter anderem „Jesua,Sohn von Joseph“, „Judah, Sohn vonJeschua“ sowie zweimal „Maria“. Manhatte sogar DNA-Spuren analysierenlassen. Folgerung: Jesus und Maria hät-ten ein Ehepaar sein können. Juda wäredemnach ihr Sohn.

Auf solche Ideen kann man aber nurkommen, wenn man die neutestamentli-chen Berichte für unzuverlässig odergefälscht hält und außerdem nicht be-achtet, dass die Namen Jesus, Maria, Jo-seph und Judas in der Zeit des NeuenTestaments zu den mit Abstand häufigs-ten jüdischen Namen gehörten. Außer-dem ist es undenkbar, dass sich eine Fa-milie aus Nazareth über drei bis vier Ge-nerationen hinweg in Jerusalem begra-ben ließ.

Allerdings gab es Lügen um das leereGrab schon im Neuen Testament. LesenSie Matthäus 28,11-15!

Ihr

Lügen im Heiligen Land

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Krankheit und Gesundheit: Bibelbundtagung 2007Einladung zur Mitgliederversammlung nach Lemgo.

Gottesbilder und Gotteserkenntnis. Gottesbilder sind Pro-dukte des gefallenen Menschen (Johannes Pflaum)

Arbeit, Arbeitslosigkeit, Berufung und Beruf. Der Ideolo-gie des Individualismus die biblische Berufung entgegenstel-len. (Rainer Mayer)Einige Unterschiede zwischen der Ethik des Koran und des

Neuen Testaments (Benedikt Peters)

Die Anbetung der Weiblichkeit Gottes und das Bilderverbot.Dogmatische Beurteilung der „Bibel in gerechter Sprache“(Reinhard Slenczka)

Neue Fragen (Thomas Jeising)Rinder oder Kürbisblätter? Tödliche Bundeslade. Wie vielMänner mussten sterben? Warum tadelte Gott Israel, als es ei-nen König wollte? (Karl-Heinz Vanheiden)

Weiter Vielstimmigkeit zur „Seniorenehe” trotz Eindeutig-keit der Bibel (Thomas Jeising)Baptistischer Theologe schafft sich eigene Wahrheit(Karl-Heinz Vanheiden/Thomas Jeising)

Die Jesus-Freaks. Geschichte und Versuch einer Beurteilungaus lutherischer Sicht. (Jörg Kubitschek)

Bewertung von Glaubenskursen: Der Emmaus-Kurs. Aufdem Weg des Glaubens. … ankommen. Glaubenskurs. (Imma-nuel Grauer)Bücher: Schleichert: Wie man mit Fundamentalisten disku-

tiert, ohne den Verstand zu verlieren. Anleitung zum subversiven Denken. Laubach:Christen in der Endzeit. Weißenborn: Apostel, Lehrer und Propheten: Eine Einführungin das Neue Testament. Cleve: Satelliten-Atlas des Heiligen Landes. Schirrmacher;Suzter; Wäfler; Derron: Christ und Politik. Poplutz: Athlet des Evangeliums. Ruthe:Heilung seelischer Verletzungen. Obrist: Feste Israels mit messianischer Haggada: dieFeste erzählen Gottes Heilsgedanken. Von Siebenthal: Kurzgrammatik zum griechi-

schen Neuen Testament. Rottloff: Lebensbilder römischer Frauen. Kulturgeschichteder antiken Welt. Poppenberg: Der Fall des Affenmenschen. Junker, Reinhard; Scherer,Siegfried. Evolution. Ein kritisches Lehrbuch. Brand: Wie alt ist die Menschheit? De-mographie und Steinwerkzeuge mit überraschenden Befunden. Tubb: Völker im Lande

Kanaan, Völker der Antike. Schnabel: Sind Evangelikale Fundamentalisten? Hille:Wer ist Gott? Unser Glaube an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Alcorn: Der

Himmel: Was uns dort wirklich erwartet.

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Krankheit und GesundheitBibelbundtagung 2007

Gerne möchten wir Sie zur Tagung des Bibelbundes vom 2.-3.6.2007 nach Lemgo einladen!

Samstag 2. Juni 2007

17.30-18.45Uhr

Mitgliederversammlung des Bibelbundes. Auch interessierte Nicht-mitglieder sind herzlich eingeladen, sich über die aktuelle Arbeit desBibelbundes zu informieren.

18.45-19.30 Pause für Kaffee und Gespräche

19.30-20.15 Vortrag 1: Krankheit und Gesundheit in der Bibel (Michael Kotsch)

20.30-21.15Vortrag 2: Prinzipien für die Prüfung alternativer Heilmethoden -insbesondere Homöopathie und Akupunktur (Michael Kotsch)

21.15-21.40 Diskussion / Rückfragen zum Thema

Sonntag 3. Juni 2007

10.00 UhrGottesdienst: Die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Bibel(Karl-Heinz Vanheiden)

Vorstellung des Bibelbundes

Gastgeber wird sein:

Andreas-Gemeinde LemgoGrevenmarsch 32(Hansa Messe LemgoEingang Ost)32657 Lemgo

Wenn Sie für die Tagung ei-ne Übernachtungsmöglich-keit in Lemgo suchen, kön-nen Sie sich gerne an Micha-el Kotsch wenden.

[email protected]. 05261 80919

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Wegbeschreibung zur Andreas-Gemeinde in Lemgo:

Von Westen, Norden und Osten:

• A 2 bis Abfahrt (28) Ostwestfalen-Lippe/Lemgo, weiter Richtung Lemgo

• An der ersten Ampel (Ortseingang Lemgo, rechts ist McDonalds) rechts abbiegen

• An der nächsten Ampel links abbiegen

• Am ersten Kreisel links halten, dann weiter entsprechend der Anfahrtskizze

Von Süden:

• A 5 Richtung Kassel bis Kasseler Kreuz, dann auf die A 44 Richtung Dortmund bis Ab-fahrt (65) Warburg

• Richtung Brakel, Steinheim, Blomberg fahren

• Dem Straßenverlauf folgen bis Lemgo – durch den Ortsteil Brake

• Der Straße weiter folgen (Beschilderung Richtung Lage) – über einen Bahnübergang –am Bahnhof vorbei – am ersten Kreisel rechts abbiegen – dann weiter entsprechend derAnfahrtskizze

Vorstellung der Gemeinde und Wegbeschreibung auch unter:http://andreas-gemeinde-lemgo.de

Einladung zur Mitgliederversammlungam 2. Juni 2007, 17.30 bis 18.45 Uhr in Lemgo

Liebe Mitglieder, wir laden Sie hiermit herzlich zu unserer nächsten Mitgliederversamm-lung ein, die im Rahmen unserer Haupttagung stattfinden wird.

Tagesordnung:

1. Berichte der einzelnen Funktionsträger (Vorsitzender, Verlagsleiter, Regionalarbeit, Ge-schäftsführer)

2. Aussprache, Rückfragen und Vorschläge für die Arbeit des Bibelbundes (Es könnenhierfür auch schriftliche Beiträge eingereicht werden)

3. Entlastung des Vorstandes und des Ständigen Ausschusses für 20064. Sonstiges

Auch Nichtmitglieder sind herzlich eingeladen, an der Versammlung teilzunehmen und unsso auch intern kennenzulernen.

Michael Kotsch, Vorsitzender

3Bibel undGemeinde

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SEELSORGESEMINARTeil 1

Grundlagen bibl. Seelsorge18.-24. August, Seewis Schweiz

EBTC Berlin & Zürich

Havelländer Ring 40; D-12629 Berlin

Tel: 030 443 51 910; Fax: 443 51 919

[email protected]

Auf unserer Webseite finden Sie Informa-

tionen zu unserem Ausbildungsprogramm

- Bibelkunde und Auslegungspredigt.

Der Geschäftsführer des Bibelbundes,

Ansgar N. Przesang, ist Mitglied der

Fakultät des EBTC.

WWW.EBTC-ONLINE.ORG

Referente

Jim Pile und John Street

Wie in allen anderen Bereichen des

Lebens bildet die Schrift auch im Hinblick

auf Seelsorge die einzig verbindliche Basis.

und uns auch immer wieder vor Augen

führen, dass es letztendlich um die Ehre

und die Verherrlichung Gottes geht.

Eine ganz praktische Art und Weise

meinem Nächsten zu dienen ist, sich um

das Wohl seiner „Seele zu sorgen“.

Aber wir wollen nicht nur gut gemeinte Ratschlägeerteilen, sondern in Übereinstimmung mit der Bibelunseren Freunden mit Rat und Tat zur Seite stehen

Unser Ziel

Teil 3

Spezifische Seelsorgefälle13.-17. August, Berlin

APOLOGETIKSEMINARDatum

14.-17. Mai, Berlin

Referent

Oliver Schulz

Jeder Christ ist von der Bibel aufgefordert,

das Evangelium zu verkündigen und

seinen Glauben biblisch zu verteidigen. Mit

anderen über unseren Glauben zu

sprechen, das bekommen wir ja noch hin.

Und wie mache ich es auch noch

biblisch?

Aber wie verteidige ich meinen Glauben, wennunser Gesprächspartner nicht einfach Buße tut und

glaubt?

Unser Ziel

INFOS

HIRTENKONFERENZDatum

6.-8. September, Berlin

Referenten

Mike AbendrothJohn MacArthurFakultät des EBTC

Die Hirtenkonferenz soll ein Treffpunkt für

Hirten, Leiter und Gemeindemitarbeiter

sein und sie für ihren Dienst ermutigen und

stärken.

o klare Verkündigung der ganzen Heiligen

Schrift, nicht nur ausgewählter Themen

o aktives Gebetsleben

o Förderung biblischer Gemeinschaft

o vorbildlich geheiligtes Leben der Hirten

o Offenlegung von Irrlehren und Irrlehrern

Unser Ziel

Thema: Schütze die Herde Gottes durch...

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In der heuti-

gen Verkün-

digung und Seelsorge ist

viel vom „Gottesbild“ die Rede. Auf diesem psychologisierten Hintergrund wird das Got-

tesbild der betreffenden Person oft in einem untrennbaren Zusammenhang mit ihren Kind-

heitserfahrungen und den damit verbundenen Erinnerungen an den leiblichen Vater gese-

hen. Zu einem „guten“ Gottesbild kann nach dieser psychologischen Sicht deshalb nur der

gelangen, welcher zuvor sein falsches oder einseitiges Vaterbild aus der Kindheit aufgear-

beitet und korrigiert hat.

Nun ist es unbestritten, dass enttäu-schende oder oft sogar schlimmeund sehr verletzende Erlebnisse in

der Kindheit und Jugend tiefgreifende Spu-ren hinterlassen und solche Menschen aufalles andere als auf positive Erinnerungen aneinen liebevollen Vater zurückblicken kön-nen. Dennoch bleibt die Frage, wie sie zu ei-nem „richtigen“ Gottesbild kommen und obder heutige Umgang und die Interpretationvon richtigen und falschen „Gottesbildern“in der Verkündigung und Seelsorge tatsäch-lich mit dem Zeugnis der Heiligen Schriftübereinstimmt.

Dass diese Problematik thematisiertwird, ist sicher richtig, weil die Sicht, die wirvon Gott haben, in direktem Bezug zu unse-rem Denken, Fühlen und Handeln steht undunser ganzes Leben beeinflusst. Doch wennwir in dieser Fragestellung nicht in die Irregehen wollen, ist die Lösung des Problemsnicht, von einem „falschen“ zu einem „rich-

tigen“ Gottes-bild zu kommen.Wir müssen unsder Erkenntnisstellen, dass esnur ein einziges„richtiges“ Got-tesbild gibt –und zwar das,welches Gottvon sich offen-bart. Deshalb ist

es für unser geistlichesLeben und Wachstumvon grundlegenderWichtigkeit, dass wirvon unseren „falschen“Gottesbildern wegkommen und mehr undmehr das biblische Got-tesbild erkennen.

Gottesbilder sindoft Produkte des ge-fallenen Menschen

Nach dem Zeugnisder Heiligen Schrift ver-fügt der gefallene sündi-ge Mensch von sich aus über keine wahreGotteserkenntnis im biblischen Sinn (1Kor2,14):

Ein natürlicher Mensch aber nimmt nicht an,was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihmeine Torheit, und er kann es nicht erkennen,weil es geistlich beurteilt wird.

Durch sein Gewissen (Röm 1,32), dieNatur (Röm 1,19-20) und die Geschichte (Ps66,5-7) kann der gefallene Mensch erken-nen, dass es einen Gott geben muss. Dazuwurde jedem Menschen ein Ahnen in Bezugauf die Ewigkeit Gottes ins Herz gelegt(Pred 3,11). Aber weil der Mensch durch dieSünde in seinem Denken verfinstert ist (Eph4,18), ist es ihm unmöglich, von sich aus den

Johannes Pflaum

Johannes Pflaum, Jg.1964, verh., fünf Kin-der, gehört zum Vor-stand des Bibelbun-

des/CH und ist als Ver-kündiger und Bibelleh-

rer im übergemeindli-chen Dienst tätig.

• Richtige „Gottesbilder”

entstehen doch nicht

durch die Korrektur fal-

scher Vaterbilder

• Gotteserkenntnis beginnt

mit Gottesfurcht

• Nur Gott selbst kann uns

zeigen wie er ist

K O M P A K T

Gottesbilder und Gotteserkenntnis

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lebendigen Gott zu erkennen.Aus diesem Grund beginnt der

Mensch, sich selbst durch seine religiösenVorstellungen und Gedanken „Gottesbil-der“ zu machen. Diese Gottesbilder entspre-chen aber nicht dem Wesen des lebendigenGottes. Es gibt sie nicht nur in den verschie-denen Religionen. Auch ein Nachfolger vonJesus kann der Gefahr erliegen, sich ein Got-tesbild seiner eigenen Gedanken und Wün-sche zurechtzulegen, indem er biblischeAussagen nach seinen menschlichen Vor-stellungen interpretiert oder Schriftstelleneinseitig betont und andere Bibelverse zu-gunsten seiner eigenen Vorstellungen unter-schlägt.

Gottesbilder und Götzenbilder

Die Bibel spricht von „Gottesbildern“bzw. „Götterbildern“ im Zusammenhangmit den durch Menschen gemachten Göt-zen. Besonders in Jer 10,1-11; Jes 40,18-26;Jes 44,6-23 ist davon die Rede. Wie an die-

sen Stellen im Textzu-sammenhang deutlichwird, geht es bei denGötzen nicht nur umeine bildliche oderplastische Darstellung,sondern auch um diedamit verbundenen re-ligiösen Vorstellun-gen, die sich der

Mensch in seinen Gedanken über seinenGott zurechtlegt. Dabei versucht derMensch, seine Sicht der Götter mit mensch-lichem Denken zu erklären und zu beurtei-len. Ein Götzenbild ist damit immer ein vonMenschen festgelegter Rahmen, in welchemman seinen Gott mit seinen Absichten undseinem Handeln nach seinen eigenen Vor-stellungen festlegen, erklären und erfassenmöchte. Aus diesem Grund stellt der leben-

dige Gott den Göt-zen diesen gewal-tigen Satz gegenüber, der all unsere selbst-gemachten Gottesbilder sprengt (Jes40,18+25):

Mit wem wollt ihr Gott vergleichen, und wasfür ein Abbild wollt ihr ihm gegenüberstel-len? ... Mit wem denn wollt ihr mich verglei-chen, dem ich gleich wäre? spricht der Heili-ge.

Gotteserkenntnis – die unabdingbareVoraussetzung

Da es dem natürlichen Menschen nichtmöglich ist, den lebendigen Gott selbst zuerkennen, hat Gott sich in der HeiligenSchrift und in Jesus Christus offenbart. Indiesem Zusammenhang spricht die Bibelvon Gotteserkenntnis. Gotteserkenntnisnach dem biblischen Zeugnis bekommt einMensch nicht durch Aufarbeitung traumati-scher Kindheits-Erlebnisse – so nötig dieseAufarbeitung in anderer Hinsicht auch ist –sondern durch den Heiligen Geist, der ihmdas Wesen Gottes erschließt und Christusverherrlicht. Da Gott in seiner Größe, Herr-lichkeit, Allmacht und Weisheit für uns un-begreifbar ist, wird allein durch die biblischeGotteserkenntnis ein „richtiges“, ausgewo-genes Gottesbild vermittelt. Aus diesemGrund steht in Spr 1,7:

Die Furcht des HERRN ist der Anfang derErkenntnis.Schon wenn wir versuchen, Gottes Hei-

ligkeit und Gerechtigkeit auf der einen Seiteund seine Gnade und Liebe auf der anderenSeite auf eine Linie bringen zu wollen, wirdjedes menschlich zurechtgelegte Gottesbildgesprengt. Deshalb kann Paulus am Endevon Gottes Gerichts- und Liebeswegen mitseinem Volk Israel nur anbetend, von tieferGotteserkenntnis ergriffen, ausrufen (Röm11,33-36):

Johannes Pflaum6Bibel undGemeinde

2/2007

Nicht nur

Plastiken sind

falsche Gottes-

bilder, sondern

auch religiöse

Vorstellungen

von Gott

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O Tiefe des Reichtums, sowie derWeisheit als auch der Erkenntnis

Gottes! Wie unausforschlich sind seine Ge-richte und unausspürbar seine Wege! Dennwer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer istsein Mitberater gewesen? Oder wer hat ihmvorher gegeben, und es wird ihm vergoltenwerden? Denn von ihm und durch ihn undfür ihn sind alle Dinge! Ihm sei die Herrlich-keit in Ewigkeit Amen!

Durch den Propheten Jesaja macht Gottin Kapitel 55,8 deutlich, wie jedes von Men-schen über ihn zurechtgelegte Gottesbild indie Irre führt:

Denn meine Gedanken sind nicht eure Ge-danken, und eure Wege sind nicht meineWege, spricht der HERR. Denn so viel derHimmel höher ist als die Erde, so sind meineWege höher als eure Wege und meine Ge-danken als eure Gedanken.

Im Buch Hiob sehen wir, wie die dreiFreunde durch ihr selbst gemachtes Got-tesbild versuchten, Hiobs Leiden zu erklä-ren. Obwohl die drei Männer manchesWahre über Gott sagten, bastelten sie sichdaraus doch ein eigenes Gottesbild nachihren Vorstellungen zusammen. Fälschli-cherweise meinten sie deshalb die göttli-chen Ursachen und Hintergründe von Hi-obs Leid zu kennen. Aus diesem Grund ur-teilte am Ende der Herr über sie, dass sienicht Wahres über ihn geredet hatten (Hi42,7). Hiob, der Knecht Gottes, hielt anseinem Herrn fest, obwohl auch für ihn dasHandeln Gottes unverständlich war und erkeine Erklärung dafür finden konnte. AbKapitel 38 bekam Hiob keine Antwort aufdie Frage nach seinem Leid. Dafür offen-barte sich der allmächtige Gott seinemKnecht ganz neu in seiner Größe. Tief er-griffen von dieser gewaltigen Gotteser-

kenntnis verwarf Hiob seineselbst ausgedachten Gottesbil-der und bekannte (Hi 42,1-6):

Ich habe erkannt, dass du alles vermagst undkein Plan für dich unausführbar ist. Wer istes, der den Ratschluss verhüllt ohne Er-kenntnis? So habe ich denn meine Meinungmitgeteilt und verstand doch nichts, Dinge,die zu wunderbar für mich sind und die ichnicht kannte. Höre doch, und ich will reden!Ich will dich fragen und du sollst mich wis-sen lassen! Vom Hörensagen hatte ich vondir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich ge-sehen. Darum verwerfe ich mein Geschwätzund bereue in Staub und Asche.

Ein biblisches Gottesbild durch Gottes-erkenntnis

Gott möchtenicht, dass wir uns un-sere eigenen Gottes-bilder zurechtlegen.Die Beschäftigungmit dem eigenen Got-tesbild, die wir leiderauch in manchen Seelsorgekonzepten fin-den, entstammt nicht der Heiligen Schrift,sondern der Psychologie und einer Philoso-phie, die einen sich den Menschen offenba-renden Gott ausschließt. Der gottlose Philo-soph L. Feuerbach brachte dies so zum Aus-druck: Der Mensch projiziert seine Wünsche

an die Leinwand des Himmels – das ist Gott.

Es geht auch nicht darum, dass wir einselbstgemachtes Gottesbild A durch einGottesbild B ersetzen. Vielmehr müssen wirunsere Abhängigkeit von Gottes Selbstof-fenbarung in der Bibel, der Schöpfung undder Geschichte anerkennen. Dabei sind wirauf Gottes Wort angewiesen und damit ver-bunden auf das Wirken des Heiligen

Gottesbilder und Gotteserkenntnis

Gottes Wort und

Gottes Geist

führt zu rechter

Gotteserkenntnis

7Bibel undGemeinde

2/2007

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Geistes, der uns zur wahrenGotteserkenntnis führt und so

ein biblisches Gottesbild offenbaren möch-te. In der Bibel finden wir alles, was wir überGott und sein Wesen wissen müssen. Ausdiesem Grund führt auch nicht ein korrigier-tes Vaterbild zu einem besseren Gottesbild,sondern die biblische Gotteserkenntnis führtuns zu dem richtigen Vaterbild, wie Paulusin Eph 3,14-15 schreibt:

Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Va-ter, von dem jede Vaterschaft in den Him-

meln und auf Erden be-nannt wird.

Christus, das Bilddes lebendigen Got-tes

Jedes mensch-lich ausgedachte undzurechtgelegte sowiejedes psychologischkorrigierte Gottes-

bild führt in die Irre. Wahre Gotteserkennt-nis wird uns dann zuteil, wenn wir aufmerk-sam, mit suchenden, demütigen Herzen dasganze Wort Gottes lesen und studieren unduns besonders dem Bild zuwenden, in wel-chem sich der so unfassbare Gott in seinerGnade offenbart hat. Dieses Bild ist Christusselbst, wie wir in Kol 1,15 lesen:

Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, derErstgeborene aller Schöpfung.

Christus in seiner göttlichen Größe,Macht und Herrlichkeit, in seiner Liebe undseinem Erbarmen, aber auch in seiner unbe-stechlichen Heiligkeit und Gerechtigkeitmehr und mehr zu erkennen, heißt Gott zusehen! Aus diesem Grund bekannte derApostel Paulus (Phil 3,8):

Ja wirklich, ichachte auch allesfür Verlust um der unübertrefflichen Größeder Erkenntnis Christus von Jesus, meinesHerrn, willen, um dessentwillen ich alleseingebüsst habe und es für Dreck achte, da-mit ich Christus gewinne.

Wachset in der Erkenntnis Gottes

Ist es möglich, dass wir durch die Be-schäftigung mit unseren eigenen Gottesbil-dern und dem psychologisch-seelsorger-lichen „Arbeiten“ an denselben von derwahren Gotteserkenntnis weggeführt wer-den, die uns zu einem biblischen Gottesbildführen möchte? Versucht man etwa dadurchden lebendigen Gott und Jesus Christus,wenn auch unbeabsichtigt, dem Rahmenpsychologischer Erkenntnisse und den da-mit verbundenen menschlichen Vorstellun-gen und Wünschen anzupassen? War esnicht schon die Klage des Propheten Hosea(Hos. 4, 6):

Mein Volk kommt um aus Mangel an Er-kenntnis.

Lasst uns wegkommen von unserenselbstgemachten Gottesbildern. Stattdessensoll es uns zu einem Anliegen werden, in derGotteserkenntnis und dem damit verbunde-nen biblischen Gottesbild durch die HeiligeSchrift und durch die Erkenntnis unseresHerrn Jesus zu wachsen. So wie es Petrusam Ende seines zweiten Briefes, in welchemer auch vor den Gefahren lehrmäßigen Wir-rungen und Verirrungen warnt, zusammen-gefasst hat (2Petr 3,18):

Wachset aber in der Gnade und Erkenntnisunseres Herrn und Heilandes Jesus Christus!Ihm sei die Herrlichkeit, sowohl jetzt, alsauch bis zum Tag der Ewigkeit! Amen.�

Johannes Pflaum8Bibel undGemeinde

2/2007

Ein aufmerksames

Studium der

Heiligen Schrift,

ein demütiges

Herz und die

Hinwendung zu

Jesus Christus

helfen uns,

Gott zu erkennen

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In Zeiten verbreiteter, ja zuneh-

mender Arbeitslosigkeit ist der

Themenkreis Arbeit und Beruf in den Vorder-

grund der öffentlichen Diskussion gerückt.

Dabei werden gleichzeitig die Begriffe so durcheinandergewirbelt, dass eine Klärung des

Zusammenhangs erschwert wird. Beginnen wir darum mit einigen Beobachtungen.

1 Zur gegenwärtigen Situation

Von Berufung zu einer Tätigkeit kannheute kaum mehr die Rede sein, höchstensim Blick auf Künstler mit Ausnahmetalent.(Bei der Berufung in ein akademischesLehramt handelt es sich lediglich um einenverwaltungstechnischen Fachbegriff.)

Auch die Bedeutung des Wortes Beruf

ist zurückgegangen. Der Herkunft nach han-delt es sich bei diesem Wort um eine Kurz-form von „Berufung“. „Beruf“ ist daher ur-sprünglich ein in gleicher Weise sinndurch-tränktes Wort. In der Idealvorstellung er-greift man einen Beruf, zu dem man Talenthat, in dem man sich ausbildet, der die ganzePerson ausfüllt und den man ein Leben langausübt. Ganzheitlichkeit, Dauer, Qualifika-tion und Sinnerfüllung sind Merkmale derberuflichen Erwerbstätigkeit im klassischenbürgerlichen Sinn. In der arbeitsteiligen Pro-duktions- und Dienstleistungsgesellschaftsind diese Merkmale jedoch weithin verlo-rengegangen. Der Beruf wandelte sich zum„Job“, zur Tätigkeit, die keineswegs lebens-

lang bindet, dieauch nicht sinn-voll sein muss.Vielmehr geht esdarum, ein fi-nanzielles Ein-kommen zu er-zielen. – Der Be-griff „Beruf“blieb dennocherhalten als Be-zeichnung für

eine Tätigkeit, die aus-geübt wird, um den Le-bensunterhalt zu verdie-nen. Auf Formularen,etwa bei Angaben fürBehörden, wird nachdem „Beruf“ gefragt.Das Wort „Beruf“meint dabei jedoch le-diglich die Art der Er-werbstätigkeit.

In der Umgangs-sprache wird entspre-chend kaum noch vom„Beruf“ geredet, son-dern von Arbeit. Manfragt einander nicht:„Übst du einen Berufaus?“, sondern kurz:„Arbeitest du?“ bzw. inZeiten der Arbeitslosig-keit: „Hast du Arbeit?“Dabei erfährt das Wort„Arbeit“ eine spezifi-sche Einengung. Ge-meint ist nämlich dieaußerhäusliche Er-werbstätigkeit. Daherkommt es zu merkwür-digen Verschiebungen:Es hat sich durchge-setzt, dass auf Formula-ren unter „Beruf“ auch„Hausfrau“ angegebenwerden kann; jedoch istdas eine Verlegenheitslösung. Jedenfallsheißt es im allgemeinen Sprachgebrauch

Rainer Mayer

Prof. Dr. Rainer May-er, geb. 1941, verh.,

drei erw. Kinder, wirk-te zuletzt als Professor

für SystematischeTheologie und Reli-

gionspädagogik an derUniversität Mannheim.

Ehrenamtlich ist erauch im jetzigen Ruhe-stand im „Maulbronner

Kreis“ tätig, einerchristlichen Tagungs-und Hauskreisarbeit.

Anschrift:Malachitweg 370619 Stuttgart

[email protected]

Der Aufsatz wurde zu-erst im Rundbrief derBekenntnisbewegung

„Kein anderes Evange-lium“ Nr. 239 im De-

zember 2006 abge-druckt und wird hiermit freundlicher Ge-

nehmigung wiederge-geben.

Arbeit, Arbeitslosigkeit,Berufung und Beruf

• Beruf(ung) verpflichtet

zur Nächstenliebe

• Der Ideologie des Indivi-

dualismus verschärft

das Problem der Arbeits-

losigkeit

• Stärkung der Familie als

kleinster Zelle der

Gütergemeinschaft

K O M P A K T

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über eine Hausfrau: „Sie arbei-tet nicht“. Das ist natürlich Un-

sinn, denn eine Hausfrau, insbesondere mitKindern, arbeitet erwiesenermaßen mehr alsviele außerhäuslich Erwerbstätige. Aber wirsehen hier, dass die Vorstellung von „Ar-beit“ mit bezahlter Erwerbsarbeit fest ver-knüpft worden ist. – Das heißt wiederum,dass ein Arbeitsloser keineswegs stets nichtszu tun, also nichts zu arbeiten hat. Ein Ar-beitsloser kann außerordentlich tätig undsehr fleißig sein; nur erzielt er eben kein fi-nanzielles Einkommen.

Diese Verschiebungen im Sprachge-brauch haben zwei Ursachen, nämlich ers-tens die Produktionsweise in der modernenarbeitsteiligen Industrie- und Dienstlei-stungsgesellschaft, zweitensdie weitgehende Verknüpfungdes Sozialsystems (insbeson-dere in Deutschland) mit deraußerhäuslichen Erwerbstätig-keit.

Zum ersten Kriterium: Inder vorindustriellen Gesell-schaft waren Wohn- und Ar-beitswelt nicht getrennt. „Familienbetrieb“und „Produktionsbetrieb“ lagen unter dem-selben Dach. Niemand wäre auf den Gedan-ken gekommen, über eine Bauersfrau aufdem Hof zu sagen: „Sie arbeitet nicht“. Das-selbe gilt für die „Frau Meisterin“ in einerHandwerkerfamilie. Erst die bürgerlicheKleinfamilie nach der industriellen Revolu-tion schuf die „Hausfrau“, ebenso aber auchdie Arbeiterfrau, die ihre Arbeitskraft ver-kaufen muss, um die Familie finanzielldurchzubringen. Die Spaltung von Fami-lientätigkeit und außerhäuslicher Berufstä-tigkeit samt der Doppelbelastung für „be-rufstätige“ Frauen hat hier ihre Wurzel.

Zum zweiten Kriterium: Das Altersein-kommen über die Renten- und Pensionsbe-züge wurde mit der vorangehenden außer-

häuslichen Er-werbsarbeit ver-knüpft. Auch die Höhe hängt vom früher er-zielten Erwerbseinkommen ab. Dabei sindinsbesondere Hausfrauen, die Kinder groß-gezogen haben (in seltenen Fällen auchHausmänner), erheblich benachteiligt.Fälschlicherweise wird ja von der „Renten-versicherung“ gesprochen, während es sichin Wahrheit nicht um eine Rücklagen bil-dende Versicherung, sondern um ein Umla-geverfahren handelt, bei dem die jeweils er-werbstätige Generation die Altersbezügeder Elterngeneration finanziert. Daher ha-ben nur diejenigen, die Kinder großgezogenhaben, für ihre eigene Rente „gespart“, in-dem sie nämlich für das Umlageverfahren

vorgesorgt haben. Man sprichtauch vom „Generationenvertrag“.Wegen des demographischenWandels, verursacht durch Kin-derarmut, geraten folglich die So-zialsysteme in die Krise, von derheute allenthalben die Rede ist undderer die Politik nicht Herr wird,weil zu einer (freilich Schritt für

Schritt zu vollziehenden) grundlegendenSystemänderung Kraft, Mut und Ehrlichkeitfehlen. Insbesondere die Ehrlichkeit wirdzusätzlich durch die Ideologie verhindert,von der noch zu reden sein wird.

2 Ein Blick zurück

Die Arbeit ist eine Grundlage menschli-chen Lebens. Da der Mensch im Gegensatzzum Tier nicht in die ihn umgebende Natureingepasst ist, muss er sich durch Arbeit dasschaffen, was ihm das Leben in einer oftschwierigen Umwelt ermöglicht. Nach ei-nem Wort von Martin Luther ist der Mensch„zum Arbeiten geboren wie der Vogel zumFliegen“. Da die Arbeit jedoch mit Müheund Schweiß verbunden ist, hat die Arbeits-

Rainer Mayer10Bibel undGemeinde

2/2007

Zur grundlegenden

Systemänderung

fehlt der Politik

Kraft, Mut und

Ehrlichkeit

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teilung in menschlichen Ge-meinschaften zur Delegierung

von Arbeit geführt, sich also mit Herrschaftverbunden. Nach altorientalischen Mythenerschufen die Götter die Menschen, um sichvon ihnen bedienen zu lassen. Den Götternwar es zu anstrengend, selbst zu arbeiten.Entsprechend galt die Arbeit in antiken Ge-sellschaften für Höhergestellte als unwür-dig. Man wälzte sie auf niedere Volks-schichten und Sklaven ab. Im antiken Grie-chenland galt Handarbeit als „banausisch“(„banausos“ = „Handwerker“).

Diese Einstellung prägte auch dieabendländische Geschichte. Sie wurde aberüberlagert von der biblischen Sicht. Im Un-terschied nämlich zur außerbiblischen Um-welt gehört nach dem Alten Testament dieArbeit zu den positiven Aufgaben des Men-schen. Der Schöpfer setzte den Menschenin den Garten Eden, „um ihn zu bebauenund bewahren“ (1Mose 2,15). Arbeit ist pa-radiesisch! Die Mühe und die Last kamenerst durch den Sündenfall hinzu (1Mose3,16-19). Deshalb unterschied sich die Hal-tung zur Arbeit im Judentum in der Zeitvon Jesus Christus deutlich von der der hel-lenistischen Umgebung. Ein Rabbi sollteeinen Beruf ausüben. Jesus erlernte dasZimmermannshandwerk, Paulus war Zelt-macher.

Jesus berief die Jünger in seine Nachfol-ge. Er machte aus Fischern „Menschenfi-scher“ (Mk 1,17; Mt 4,19). Sie erhieltendurch ihre Berufung einen neuen Beruf. DieBerufung war das Umfassendere, der BerufAusdruck dieser Berufung. In diesem Sinnewaren die Jünger von Jesus „die ersten Be-rufsarbeiter der Geschichte“ (Walther Bie-nert). In der Tradition des Mittelalters wurdedies aber so interpretiert, als seien nur Mön-che und Kleriker Berufene. Die Berufungwurde im Rahmen einer Ständegesellschaftauf die Geistlichkeit beschränkt.

Martin Luther war es, derdiese Mauern zerbrach. SeinKriterium war die Nächstenliebe. Jeder sollin seinem Stand mit seiner Arbeit demNächsten dienen. Darum dient nach einemberühmten Wort Luthers die Magd, die dieStube fegt, dem Nächsten mehr als derMönch, der hinter Klostermauern nur fürsein eigenes Seelenheil „arbeitet“. DieMagd ist daher nicht weniger berufen als derKleriker. In diesem Sinne übersetzte Lutherin 1Kor 7,20 das griechische Wort „klêsis“

mit „Beruf“: „Ein jeglicher bleibe in demBeruf, darin er berufen ist.“ [In der revidier-ten Ausgabe von 1985 heißt es: „Jeder blei-be in der Berufung, in der er berufen wur-de.“] Er meinte damit,dass jeder an dem Platz,an den Gott ihn hinge-stellt hat, bestrebt seinsoll, mit seinem ganzenTun, also auch seinerArbeit, seiner geistli-chen Berufung alsChrist zu folgen unddem Nächsten darin zudienen.

Der neuzeitliche

Berufsbegriff leitet sich

also von der Berufung

zur Nachfolge von Jesus Christus ab. Nach-folge verpflichtet zum Dienst am Nächsten.Luthers Ausweitung über den Stand derKleriker hinaus wertete die weltlichen Tä-tigkeiten auf und machte sie zu „Berufen“.

In der nachfolgenden Geschichte ge-schah aber ein weiterer Wandel. Humanis-mus und Idealismus stellten nicht die Beru-fung durch Jesus Christus und den Dienstam Nächsten in den Mittelpunkt ihres ur-sprünglich von Luther hergeleiteten Berufs-begriffs, sondern die persönlichen Anlagen,Begabungen und Interessen des einzelnenMenschen. Jeder sollte sich entfalten und

Arbeit, Arbeitslosigkeit, Berufung und Beruf

Die Haltung zur

Arbeit unter-

schied das

evangelische

Christentum

wesentlich von

der antiken

und der mittel-

alterlichen

Gesellschaft

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2/2007

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seine Gaben entwickeln – dieAufklärung meinte noch zum

Nutzen der Gesamtgesellschaft, die sie or-ganisch als einen Leib auffasste, in dessenRahmen jeder seine Pflicht nach Stand undBegabung erfüllt. In der modernen Indu-striegesellschaft ließ sich die organischeSicht jedoch nicht mehr aufrechterhalten.Der Schuster, der dem Schneider die Schuhemachte, und der Schneider, der dem Schus-ter den Rock nähte, konnte in seiner Arbeitnoch eine direkte Beziehung zur Nächsten-liebe sehen. Wer am Fließband immer die-selben Handgriffe verrichtet, weiß nicht, fürwen er arbeitet und kennt vielleicht nichteinmal das Endprodukt. Die Arbeit dient

zum Broterwerb, sieist nicht sinnerfüllt;der Beruf wird zumJob. Das Ideal desBerufes aber bliebbestehen. Im bür-gerlichen Berufs-verständnis trat al-lerdings an die Stel-le der Nächstenliebeder Gedanke der

Selbstverwirklichung. – Nach wie vor seh-nen sich die Menschen auch heute nach ei-ner Erwerbstätigkeit, in der sie ihre persönli-chen Interessen zwecks Selbstverwirkli-chung entfalten können. Mehr und mehrsind jedoch auf dem Arbeitsmarkt nicht Be-rufe gefragt, sondern es werden, oft zeitlichbegrenzt, Jobs angeboten. So endet die bis-herige Geschichte des Berufes „in einer niedagewesenen Berufskrisis“ (Karl Dunk-mann).

3 Christsein und Beruf in unserer Zeit

Christen sind von der gegenwärtigen Si-tuation mitbetroffen. Auch sie stehen in derSpannung zwischen Berufung und Job, auch

unter ihnen gibt esErwerbslose. Wernicht Reichtümer geerbt hat, muss zusehen,wie er seinen Lebensunterhalt erwirbt.

In dieser Situation gilt es als erstes,nüchtern den neuzeitlichen Ideologien ent-gegenzutreten. Zwar gehört die Arbeit zumMenschsein; doch die Arbeit ist weder der

Himmel der Selbstverwirklichung noch die

Hölle der Selbstentfremdung. Nach demSündenfall gilt beides: Arbeit heißt einer-seits, mitwirken zu dürfen an Gottes Schöp-fungswerk und am Werk seiner Welterhal-tung; andererseits steht Arbeit unter demZwiespalt von Mühe, Schweiß und teilweiseauch Vergeblichkeit. Mühe, Schweiß undVergeblichkeit gelten selbst in dem optima-len Fall, dass ein Mensch eine Berufsarbeitausübt, in der er seine Talente voll entfaltenkann. Nehmen wir nur das Beispiel einesGenies wie Michelangelo, der aus einemMarmorblock die Gestalt des Mose heraus-meißelt, dem manchmal der Stein zer-springt, oder der auf hartem Gerüst, auf demRücken liegend, monatelang die Decke derSixtinischen Kapelle ausmalt. – Auch intel-lektuelle Arbeit ist mit Mühe, Selbstdiszi-plin, teilweise Askese verbunden, wenn sieerfolgreich sein soll. Auch hier gibt es ver-gebliche Anstrengungen, wenn das For-schen in eine Sackgasse gerät und man vonneuem ansetzen muss.

Die Arbeitslosigkeit ist ein großes per-sönliches und gesellschaftliches Problem.Sie wird jedoch durch die modernen Ideolo-gien verschärft statt gemildert. Grundfehlerist, dass der Gemeinschaftsgedanke – ange-fangen bei der kleinsten Einheit, Ehe undFamilie – zugunsten des puren Individualis-mus aufgegeben wurde. Die Ideologie lau-tet: Du musst dich selbst verwirklichen, unddas kannst du nur durch außerhäusliche Er-werbstätigkeit. Diese Ideologie zerstörtEhen und Familien. Das angestrebte Ideal

Rainer Mayer12Bibel undGemeinde

2/2007

Im bürgerlichen

Berufsverständnis

trat an die Stelle

der Nächstenliebe

der Gedanke der

Selbstverwirkli-

chung

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kann schon deshalb nicht er-reicht werden, weil es nicht ge-

nügend bezahlte Arbeitsplätze gibt. VomFamilieneinkommen ist nicht die Rede, nurvon den individuellen Arbeitsverdiensten.Der übertriebene Individualismus verleitetdazu, dass jeder an sich rafft, was er kann,ohne bereit zu sein, das Erworbene zu teilen.Der Staat muss mit Zwangsabgabesystemeneingreifen. Diesen wiederum versucht sichjeder zu entziehen, so gut er kann, seien esArbeitgeber oder Arbeitnehmer. Das Sys-tem gerät in die Dauerkrise.

Die Familie hingegen ist die kleinsteZelle der Gütergemeinschaft. Das ist wich-tig, gerade auch über die Generationen hin-weg: von Alt nach Jung und Jung nach Alt.Die Familie kann durch keinen staatlichenEingriff und keine Arbeitsmarktpolitik er-setzt werden. Darum muss endlich mit derDiffamierung der Familienarbeit Schlusssein. Christen sollten sich der Lüge wider-setzen, dass Kleinkinder in Horten mit au-ßerhäuslicher Ganztagsbetreuung bessergedeihen und mehr gefördert werden als inintakten Familien. Das Gegenteil ist derFall und wurde vielfach nachgewiesen (Lo-

renz, Meves u.a.). Nurin Notsituationen vonAlleinerziehendenoder bei zerrüttetenFamilienverhältnis-sen kann eine Betreu-ung im Hort ein Not-pflaster sein, aber

eben nur ein Notpflaster. (Es geht nicht pri-mär um finanzielle Fragen, wie manchmalsuggeriert wird, denn zerrüttete Familien-verhältnisse gibt es auch in reichen, jawohlhabenden Familien.) Totalitäre Staa-ten streben danach, die Kinder möglichstfrüh aus den Familien zu entfernen, um siein den Horten zu indoktrinieren. Es mussdeshalb nachdenklich stimmen, dass der

heutige politische Trend in die-se Richtung zielt.

Die außerhäusliche Erwerbstätigkeit istneben der Erzielung von Einkommen einMittel der gesellschaftlichen Teilhabe. Werseinen Arbeitsplatz verliert, büßt diese Mög-lichkeit der Teilhabe ein. Jedoch gilt dassel-be auch für Rentner, Pensionäre und Haus-frauen/Hausmänner. Die moderne offeneGesellschaft bietet dennoch vielfache Mög-lichkeiten an, sich außerhalb des Erwerbsle-bens gesellschaftlich zu engagieren: von derNachbarschaftshilfe über Bürgerinitiativenbis hin zu ehrenamtlichen Tätigkeiten inVereinen, Gemeinden und Politik.

Es gibt keine christliche Patentlösung

für die Knappheit an be-zahlten Arbeitsplätzenin unserem Land, diedurch Produktionsfort-schritte und wirtschaftli-che Globalisierung mit-bedingt ist. Jedoch gibtes keinen Mangel an Ar-beit. Es wird eher zu we-nig als zu viel gearbei-tet. Damit ist freilichnicht die gewerkschaft-lich ausgehandelte Ar-beitszeit gemeint. Viel-mehr: Immer wieder wird nach Hilfe geru-fen. Viele Menschen sind allein. Darum istes wichtig, Luthers biblischen Ansatz imBlick auf Arbeit, Arbeitslosigkeit, Berufungund Beruf wiederzugewinnen. Es gilt, in derjeweiligen Situation, in welcher der Einzel-ne sich vorfindet, dem isolierenden Indivi-dualismus abzusagen und nach Gottes Wil-len zu fragen. Die Aufgabe eines jedenChristen ist es, Jesus Christus nachzufolgenund dem Nächsten zu dienen mit den Gaben,die er empfangen hat. In diesem Sinne fallenBerufung und Beruf des Christen stets ineins. �

Arbeit, Arbeitslosigkeit, Berufung und Beruf

Die Familie

kann durch

keine Arbeits-

marktpolitik

ersetzt werden.

Darum muss

mit der Diffa-

mierung der

Familienarbeit

Schluss sein.

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2/2007

Nur in Notsitua-

tionen kann eine

Betreuung im

Hort ein Not-

pflaster sein

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Schleichert, Hubert. Wie man

mit Fundamentalisten disku-

tiert, ohne den Verstand zu verlieren. Anlei-

tung zum subversiven Denken. München:C.H.Beck 2005(5) 196 S. Taschenbuch:9,90 EUR ISBN 3-406-42144-X

Obwohl recht anspruchsvoll, ist dasTaschenbuch bereits in 5. Auflageerschienen. Es verspricht Argu-

mente gegen alle Art von Ideologie undReligion zu liefern, wobei es dem Autorhauptsächlich zu einer Abrechnung mitder katholischen Kirche geraten ist. Vor-bild und Gewährsmann für seine subversi-ve Kritik ist ihm Voltaire, den er mehrfach

ausführlich zitiert.Schleichert meint, dassVoltaires Kritik amChristentum besondersdeshalb so erfolgreichwar, weil er nicht ein-fach nur polemischagitierte, sondern weildie von ihm verwende-ten Fakten „korrekt zi-tiert“ und dadurch

unangreifbar und schlüssig gewesen wä-ren. „Sie sind böswillig, aber nicht erfun-den, nicht verfälscht … Er ist immer genauinformiert, wenn er angreift.“ S. 115

Schleichert listet nicht nur die Metho-den auf, mit denen man gegen Fundamen-talisten argumentieren kann, sondern be-schreibt auch deren Wirksamkeit bzw. Un-wirksamkeit. Das Ergebnis ist relativ nüch-tern. Logisch gesehen sei die Situation so-gar aussichtslos (S. 64). Aber man kann jaimmerhin die Quellen lächerlich machen

und durch einenmassiven Gegen-angriff die Aufmerksamkeit in andere Bah-nen lenken. (S. 54)

Ein Teil seiner subversiven (zerstören-den, umstürzlerischen) Methode besteht da-rin, dass er einerseits die möglichen Ant-worten der sogenannten Fundamentalistenaufzeigt (z.B. das Argument sei aus dem Zu-sammenhang gerissen), dass man sich da-von aber nicht aus dem Konzept bringen las-sen soll.

Die von ihm empfohlenen subversivenMethoden sind unter anderen diese: Im-mer genau informiert sein („Ich zeige diran, was du eigentlich glaubst!“ S. 116),sich an die jüngere Generation wenden,von den Schändlichkeiten der Religion re-den (Hölle und Verdammnis sind vielenChristen heute peinlich), die (oft ungelieb-ten) Fundamente der Ideologie aufzeigen,an die Schrecken von früher erinnern, lä-cherlich machen („Wer am gründlichstentöten will, der lacht“ S. 151), ausführlichdie „Absurditäten“ (z.B. Wunderberichte)darstellen, die Ideologie absichtlich mitschlechten Gründen verteidigen („Die per-fideste Art, einer Sache zu schaden, ist, sieabsichtlich mit fehlerhaften Gründen zuverteidigen.“ S. 168). So hofft SchleichertMenschen auf Dauer zu verunsichern.

Freilich könnte man Schleicherts Argu-mente auch gut gegen seine eigene Ideolo-gie, nämlich die des sogenannten Humanis-mus, verwenden.

Karl-Heinz Vanheiden08269 Hammerbrücke

14Bibel undGemeinde

2/2007

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Die Terrorakte vom 11.September haben welt-

weit nicht die gleichen Reaktionenausgelöst. In der westlichen Weltwar jedermann entsetzt. In der isla-mischen Welt versuchten Regie-rungsvertreter Abscheu zu demonstrieren, aber große Teile der Bevölkerung in islamischenLändern, vielleicht die Mehrheit, freuten sich über den Massenmord.

Ich nehme an, wir können in Bundesprä-sident Moritz Leuenberger so etwas wieeinen Exponenten des durchschnittli-

chen Schweizers sehen. Er reagierte auf dieNachricht von der Terrorattacke am 11. Sep-tember so, wie hier alle reagierten. Er warvor Entsetzen sprachlos. Am 18. September,also gerade eine Woche später, zitiert dieCoop-Zeitung den Bundespräsidenten:„Hass nicht mit Hass, Unrecht nicht mit Un-recht vergelten.“ Ich glaube, dass er damiterneut das gesagt hat, was die Schweizer alsKollektiv denken und empfinden. Woherkommt es, dass in der westlichen Welt dieÖffentlichkeit so reagiert (ganz abgesehenvon der Frage, ob das gerade in diesem Falldas allein Angemessene sei oder nicht)? Dasist ein Echo neutestamentlicher Lehren:„Vergeltet nicht Böses mit Bösem“ (Römer12,17).

Wie reagiert die Öffentlichkeit in einemislamischen Land auf entsprechende Ereig-nisse? Ist ein islamisches Land angegriffen

worden, stehtdas Kollektivder weltweitenislamischenUmma auf undantwortet:„Schlagt unsereFeinde tot!“ Inder pakistani-schen Stadt La-hore marschier-ten am 18. Sep-

tember 2001 aufgebrach-te Muslime mit Spruch-bändern durch die Stra-ßen: „Macht Afghanis-tan zum Grab der Ameri-kaner!“ Was hatte Ame-rika den Pakistanern an-getan? Nichts. Sie hattennur angekündigt, siewürden den Drahtzieherdes Terrors vom 11. Sep-tember 2001 aus seinemNest in Afghanistan aus-räuchern, nötigenfallsmit Waffengewalt.

Der Koran kenntkeine dem Neuen Testa-ment entsprechende An-weisung: „Widerstehtnicht dem Bösen. Wennjemand dich auf die linkeWange schlägt, dann hal-te ihm auch die rechtehin“ (Matthäus 5,39).Vielmehr lautet hier dieWeisung: „Rüstet widersie, was ihr vermögt an Kräften und Rosse-haufen, damit in Schrecken zu setzen AllahsFeind und euren Feind.“ (Sure 8,62). DerKoran kennt keine Aufforderungen wie:„Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euchhassen; betet für die, die euch verfolgen“(Matthäus 5,44). Das ist hingegen uns imWesten als sittliche Norm sehr bewusst,auch wenn die meisten von uns das Neue

Einige Unterschiede zwischender Ethik des Koran und des

Neuen Testaments

• Für den Koran ist es ab-

wegig, einen Feind zu

lieben.

• Der Koran impft Feind-

schaft gegen Anders-

gläubige ein.

• Das Kollektiv hat den

einzelnen Muslim im

Griff.

K O M P A K T

Benedikt Peters

Lic. phil. BenediktPeters, Jg. 1950,

verh., 4 Kinder, arbei-tet vollzeitlich und

international alsBibellehrer.

Anschrift:Eichenstr. 19,

CH-9320 [email protected]

Mit freundlicher Ge-nehmigung von Autor

und Verlag aus:Der 11. September,

der Islam und dasChristentum.

Bielefeld: CLV 2002

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Testament kaum je lesen. ImKoran ist der Feind ein Feind,

und einen Feind darf man, ja, muss man be-kämpfen. Es ist ein für moslemisches Urtei-len ganz abwegiger Gedanke, einen Feindzu lieben. Es findet sich in der Seele desMoslem kein Reservoir, aus dem er unterbestimmten Umständen solche Antwortenauf eine Gewalttat schöpfen könnte.

Krieg im Namen der Religion

Im Neuen Testament findet sich keineeinzige Aufforderung, irgend jemanden zutöten. Nicht eine einzige. Es wird zwar ge-sagt, dass es Widersacher des Glaubens gibt

(1. Korinther 16,9).Was soll man ihnengegenüber tun? DieApostel nannten nurdrei Waffen, mit denender Christ kämpfendarf: Dem Feind Gu-tes tun (Römer 12,20),das Gebet (Matthäus5,44) und die Predigt

des Evangeliums. Das Wort des Evangeli-ums ist das einzige Schwert, das er führendarf (Epheser 6,17). Jesus Christus, auf densich das Christentum ja beruft, verbot aus-drücklich den Gebrauch des Schwertes zurVerteidigung oder Ausbreitung seiner Sache(Matthäus 26,52). „Mein Reich ist nicht vondieser Welt... sonst hätten meine Dienergekämpft, damit ich den Juden nicht überge-ben würde“ sagte er, als er vor dem Mannstand, der als römischer Statthalter ent-schied, ob er hingerichtet oder freigelassenwerden sollte (Joh 18,36).

Der Reformator Martin Luther äußertesich in verschiedenen Schriften zur Tür-kengefahr seiner Zeit. In seiner Schrift„Vom Krieg wider die Türken“ von 1529schreibt er:

Die Pfarrer undPrediger sollenein jeglicher sein Volk aufs aller fleißigstevermahnen zur Buße und zum Gebet... Wol-len wir es nicht aus der Schrift lernen, somuss uns der Türk aus der Schwertscheidelehren, bis wir erfahren mit Schaden, dassChristen nicht sollen Kriegen noch demÜbel widerstehen.Das war die biblisch begründete Absage

der Reformation an die ganze Kreuzzugspo-litik, die seit 1096 die abendländische Kir-che bestimmt hatte. Der Reformator warnicht gegen Krieg als solchen, aber er verur-teilte den Krieg im Namen von Christus:

Wenn ich ein Kriegsmann wäre und sähe zuFelde einen Pfaffen oder ein Kreuzpanier, sosollte ich davon laufen als jagte mich derTeufel (Vom Krieg wider den Türken).Krieg durfte nur unter zwei Bedingun-

gen geführt werden: 1. Er ist im Namen desKaisers und unter seiner Oberhoheit zu füh-ren. 2. Er darf nur geschehen, wenn dasLand und seine Bewohner bedroht sind undgeschützt werden müssen.

Die Anweisungen von Jesus und seinenAposteln sind nicht immer befolgt worden,im Gegenteil. Wenn wir die Geschichte desChristentums mit der Geschichte des Islamvergleichen, haben die christlichen Kirchenkeinen Anlass, sich den Mohammedanernüberlegen zu fühlen. Kreuzzüge, Inquisiti-on, Zwangstaufen sowohl in der Alten wieauch in der Neuen Welt, Judenverfolgungen,Kollaboration der Kirchen mit Diktatorenund Massenmördern sind beschämende Tat-sachen. Für diese Dinge schämt sich jederChrist, egal ob er katholischer oder evange-lischer Konfession ist. Dass die Kreuzzügeein unverzeihlicher Verstoß gegen dieGrundlehren des Neuen Testaments waren,darüber sind sich alle im Westen einig. DieRömisch Katholische Kirche hat sich öffent-lich für ihre Verfolgung der Protestanten

Benedikt Peters16Bibel undGemeinde

2/2007

Die Anweisungen

von Jesus und

seinen Aposteln

sind leider nicht

immer befolgt

worden

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während der Reformation ent-schuldigt; die Evangelische

Kirche hat öffentlich ihre Schuld der Kolla-boration mit dem NS–Staat bekannt. Es gibtkeine bekannte christliche Kirche, die dieJudenverfolgungen durch die Kirche wäh-rend des Mittelalters und bis weit in dieNeuzeit hinein nicht verurteilte.

Man hat nie gehört, dass eine repräsen-tative Körperschaft islamischer Gelehrterund Würdenträger sich für ähnliche Misse-taten entschuldigt hätte. Woran liegt das?

Der Islam teilt die Welt in zwei Häuserein, in das Haus des Islam, woalles dem Propheten unterwor-fen ist, und das Haus des Krie-ges, wo sich seine Religion(noch) nicht durchgesetzt hat:

„Solange die ideale Einheitnicht erreicht ist, zerfällt dieWelt, die Menschheit in zweiHälften: die dâr al-islâm, ‚dasIslamgebiet’, das von einemVolk, den Muslimen, bewohntist und geleitet von einem Führer, demimâm, dem Chalifen, und die außerislami-sche Welt, die Nichtmuslime, deren Pflichtes im Grunde ist, den Islam anzunehmen.Zwischen beiden Hälften besteht Kriegszu-stand. Das außerislamische Gebiet ist dâr alharb, „Kriegsgebiet“, so lange, bis es sichdem Islam fügt und damit zu einem Teil derdâr al-islâm, wird.“ (Richard Hartmann, DieReligion des Islam. Eine Einführung. Wis-senschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt1992, S. 125).Der Koran sagt, es gebe im Glauben kei-

nen Zwang (2,257) Auf diese Stelle berufensich liberale Moslems heute gegenüber ih-ren militanteren Glaubensgenossen. Im Ko-ran steht aber auch:

„Kämpft gegen die, denen die Schrift gege-ben war (= Juden und Christen) und die nichtglauben … es sprechen die Nazarener: Der

Messias ist Gottes Sohn ... Al-lah schlage sie tot! (Sure9,30.31)„Bekämpft auf Allahs Pfad die euch be-

kämpfen... und erschlagt sie, wo immer ihrauf sie stoßt... Greifen sie euch an, schlagtsie tot. Das ist der Lohn der Ungläubigen“(2,186.187).Der Ausdruck „Allahs Pfad“ (Arabisch

sabîl ‚Allâh) bedeutet so viel wie Glaubens-krieg. Diese Tatsache allein spricht Bände.In der Bibel finden sich viele Ausdrücke wie„der Weg der Wahrheit“, die Wege des

Herrn usw. Damit ist nie Krieggemeint, sondern das persönli-che Glaubensleben des Gläubi-gen. Im Koran ist aber „derWeg Allahs“ der Krieg gegendie Andersgläubigen. Ich zitie-re noch einmal aus dem Werkdes Islamwissenschafters Ri-chard Hartmann (1881–1965)„Die Religion des Islam“, dasseit über 50 Jahren unter Orien-

talisten als Standardwerk gilt:Zu verwenden ist diese Almosensteuer... füracht verschiedene Zwecke... 7. für den PfadGottes, sabîl ‚Allâh, d. h. in erster Linie fürden Glaubenskrieg... (S. 85-86).Das beruht auf dem Koranvers 9,60:

„Die Almosen sind... für den Weg Allahs...“.Richard Hartmanns Aussagen sind darumunverfänglich, weil er wie fast alle Arabis-ten und Islamisten einer déformation profes-sionelle erlegen ist und darum fast nie in derLage ist, den Islam distanziert und damitauch kritisch zu sehen. Etwas Negativeswird er über sein geliebtes Studienfach niesagen, ist es doch sein Lebensinhalt.

Der Koran impft dem Gläubigen Feind-schaft gegen die Andersgläubigen ein:

„Nehmt keinen von ihnen (den Ungläubi-gen) zum Freund ... Und so sie den Rücken

Unterschiede zur Ethik des Koran

Man hat nie gehört,

dass eine repräsen-

tative Körperschaft

islamischer Gelehrter

und Würdenträger

sich für ähnliche

Missetaten

entschuldigt hätte

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2/2007

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kehren, so ergreift sie und schlagtsie tot, wo immer ihr sie findet

(4,91).Erlahmt nicht in der Verfolgung des Volks(der Ungläubigen) (4,105).

Wenn nun UsamaBin Laden alle Musli-me in der Welt lehrt:„Es ist die Pflicht je-des Muslim, Amerika-ner und ihre Alliierten,wo auch immer, zu tö-ten“, dann kann er sichauf die oben genann-ten Stellen im Koranberufen, und mankann ihm nicht einmalwidersprechen, wennman diesem Buch

glaubt. Man kann bestenfalls einige mildereAussagen gegen rabiatere Aussagen halten.

Selbstlob

Der Koran enthält folgendes Selbstlob,mit dem der Prophet des Islam sich und sei-nen Anhänger schmeichelt:

Ihr seid die beste Gemeinschaft, die für dieMenschen entstanden ist. Ihr heißt, wasRechtens ist und ihr verbietet das Unrechteund glaubt an Allah (3,106).Das ist so plump, dass es beim durch-

schnittlichen Europäer Erheiterung auslöst.Eigendünkel haust ohnehin in jedemAdamskind; es ist natürlich nicht besondersintelligent, diesen Dünkel noch mit solchenSprüchen zu fördern. Und wie das sich aufdas Selbstverständnis der Muslime nieder-schlägt, ist mit Händen zu greifen:

Das Bewusstsein, dass die, die Gottes Gebo-te nicht anerkennen oder leicht nehmen, ver-worfen sind, schenkt ihm (dem Muslim) dasGefühl der Überlegenheit, das ja überhaupt

ein so charakte-ristischer Zugdes Islam ist, und das hier leicht in geistli-chen Hochmut ausläuft und sich als Fanatis-mus auswirkt ... (Hartmann, S. 140).Das schreibt ein Fachgelehrter, der den

Islam äußerst wohlwollend betrachtet undentsprechend darlegt.

Weil Stolz und Einbildung uns angebo-ren sind, haben wir statt Eigenlob vielmehrals Korrektiv die nicht so schmeichelhafteWahrheit nötig, dass wir bloß Menschensind, und ganz sicher nicht besser als dieandern. Entsprechend werden uns im Neu-en Testament Vorbilder gegeben von Leu-ten, die an sich nichts Besonderes undschon gar nichts Besseres sehen konntenals an andern. Der Apostel Paulus sagt, dasser in einer Sache der Größte gewesen sei:im Sündigen (1. Timotheus 1,15). Und ererinnert die Korinther daran, dass Gott dasSchwache, das Unedle, das Erbärmliche inder Welt erwählt hat (1. Korinther 1,26).Auch wenn in Europa nur noch eine Min-derheit das Neue Testament liest, so istdoch dem Europäer Eigenlob ärgerlichoder lächerlich. Eine unter uns oft ge-brauchte Redensart lautet: „Eigenruhmstinkt.“ Uns ist irgendwie klar, dass Leute,die sich selbst schmeicheln und sich selbstbewundern, nur sich selbst betrügen.

Selbstbezichtigung und Selbstkritik

Der Koran enthält keine Lehre derSelbstverurteilung, wie es das Neue Testa-ment tut. Wir halten es für selbstverständ-lich, dass man irgend wann einmal den Bal-ken im eigenen Auge herausholt, nachdemman sich lange genug über den Splitter imAuge des Nachbarn aufgeregt hat (Matthäus7,1–5). Der Römerbrief lehrt uns: „Darumbist du nicht zu entschuldigen, o Mensch,wenn du richtest. Denn worin du den andern

Benedikt Peters18Bibel undGemeinde

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Bin Laden kann

sich auf Koran-

stellen berufen,

wenn er lehrt:

„Es ist die Pflicht

jedes Muslim,

Amerikaner und

ihre Alliierten, wo

auch immer, zu

töten.“

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richtest, verurteilst du dichselbst, weil du, der du richtest,

dasselbe tust“ (Römer 2,1). Eine analogeLehre findet sich im Koran nicht.

Daher rührt diese Unfähigkeit zurSelbstkritik, die eines der herausragendenMerkmale der islamischen Welt ist. Die we-nigen selbstkritischen Schriftsteller, Journa-listen und Intellektuellen, die diese Unfähig-keit sehr klar erkennen und beklagen, lebenmeist in europäischen Ländern oder inNordamerika. In ihrer Heimat sind sie nichtgeduldet. Als V. S. Naipaul im Oktober 2001den Nobelpreis für Literatur bekam, löstedas in der islamischen Welt heftige Reaktio-nen aus. Ich zitiere einige Auszüge aus demFeuilleton der Neuen Zürcher Zeitung vom17. Oktober 2001 unter der Rubrik „Naipaul– Ein Sündenfall? Proteste aus der arabi-schen Welt gegen die Nobelpreisvergabe“:

Dem Nobelpreiskomitee wurde vorgewor-fen, es habe V. S. Naipaul nicht zuletzt we-gen seiner äußerst kritischen Haltung gegen-über dem Islam ausgezeichnet.‘Alsharq-Alawsat’, eine führende arabischeZeitung, bezeichnete den Entscheid für Nai-paul sogar als ‚ethischen Sündenfall’.E. Said, seit dem Erscheinen seiner Studien‚Orientalism’ einer der gewichtigsten Stim-me in der Debatte über das Verhältnis von is-lamischer und westlicher Welt, schreibt: ‚Ichglaube, das Naipaul irgendwann einen ge-fährlichen intellektuellen Unfall erlitt... seinwahnhafter Antagonismus gegenüber demIslam hat sein Denken blockiert oder ihn ineiner Art geistigen Suizid getrieben...Der in Oslo lebende irakische Autor WalidQobeissi (schreibt), via Naipauls Werk habeman die islamische Welt auf die gravierendeKrise im Umgang mit ihrer Religion und ih-rem kulturellen Erbe hinweisen wollen.‚Wie der Westen sich mit den dunklen Seitendes Christentums auseinandergesetzt undsich vom unmenschlichen Erbe der mittelal-

terlichen Kirche losgesagt ha-be, so sollte auch der IslamSelbstkritik lernen, um seine heutigenSchwierigkeiten zu überwinden.Die letztgenannte selbstkritische Stim-

me eines Muslim ertönt nicht aus dem Her-zen der islamischen Welt, sondern aus demmenschenfreundlichen Norwegen. Zufall?

Paranoide Gemütslage

Die Unfähigkeit zur Selbstkritik erzeugtunweigerlich paranoides Denken. Bekannt-lich sehen Muslime beständig Feinde amWerk, die „den Islam“ unterwandern undvernichten wollen. Diese „Feinde“ sind im-mer die gleichen: DieJuden und die Amerika-ner. Die fixe Idee von ei-ner antiislamischen Ver-schwörung ist ein weite-rer fester Bestandteil dergesamtmuslimischenPsyche. Nach der Nie-derlage des Irak imGolfkrieg sagte ein ge-wisser Satauri Chad-schat, ein in Jerusalemwohnhafter Linguist,gegenüber dem amerikanischen Nachrich-tenmagazin „Time“: „Die Kapitulation derirakischen Truppen ist ein von den zionis-tisch beherrschten Medien inszenierterBluff.“ Die Sprache erinnert ganz an dieebenso paranoide gleichgeschaltete Presseder NS-Zeit.

Kurz nach dem Anschlag vom 11. Sep-tember hieß es weitherum in der islamischenWelt, der israelische Geheimdienst habe ihnverursacht. Mit welcher Absicht denn?Selbstverständlich: Um den Islam weltweitzu diskreditieren. Man schüttelt den Kopfund fragt sich, wie man so paranoid seinkönne. Der Vater eines der maßgeblichen

Unterschiede zur Ethik des Koran

Die fixe Idee

von einer anti-

islamischen

Verschwörung

ist ein weiterer

fester Bestand-

teil der gesamt-

muslimischen

Psyche

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Terroristen, der Ägypter Mo-hammed Atta, behauptete ge-

genüber Journalisten des „Spiegel“:Die Juden waren es! Der Mossad kann so et-was; so etwas kann nur der Mossad.Im gleichen Artikel äußern sich die

Spiegel-Reporter verwundert:Die Angehörigen jener mutmaßlichen Killervom 11. September sind davon überzeugt,dass ihre Lieben nichts mit der Katastrophezu tun haben. Wer mit ihnen spricht, stauntirgendwann darüber, dass sie so gar nichttrauern. Sie hassen. Und sie glauben tatsäch-lich, dass die Kinder Opfer einer Verwechs-lung sind – oder aber Opfer von Mordan-schlägen, Opfer eines irrwitzigen Geheim-dienstplanes. Jedenfalls Opfer und nie undnimmer Täter. (Spiegel 40/2001).Immer Opfer, nie Täter: das ist die typi-

sche Haltung, die Muslime gewohnheitsmä-ßig einnehmen. Alle sind gegen sie; sie sindimmer die Vergewaltigten, die ungerechtBehandelten, die Betrogenen.

Bassam Tibi, der in Göttingen einenLehrstuhl für Internationale Beziehungen hatund sich selbst als „liberalen Reform-Muslim“ bezeichnet (in B. Tibi: Fundamen-talismus im Islam. Eine Gefahr für den Welt-frieden? Wissenschaftliche BuchgesellschaftDarmstadt, 2000), hat ein umfangreichesBuch geschrieben mit dem Titel: „Die Ver-schwörung. Das Trauma arabischer Politik“(Hoffmann & Campe, 1993). Er sagt dort:

Die arabische Politik gipfelt im Glauben, derWesten schmiede seit den Kreuzzügen Ver-schwörungen gegen den islamischen Orient.Das Aufkommen des islamischen Funda-mentalismus stellt einen Höhepunkt diesesPhänomens dar. (Klappentext)Bezogen auf den irakischen Diktator

Saddam Hussein und die Haltung der isla-mischen Welt zum Golfkrieg schrieb er1991 in einem Artikel in der FrankfurterAllgemeinen:

In einer mani-chäisch zweige-teilten Welt, in der das Gute auf der einenSeite und das Böse, der Satan, auf der ande-ren steht, gibt es nur eine Lösung für den‚Verräter’, die physische Liquidation. Mitanderen Worten, es gibt in einer Atmosphä-re, in der das Verschwörungsdenken vor-herrscht, keinen Platz für ein Korrektiv.

Ganovenehre und Solidarisierungseifer

Man erkennt es aus islamischer Sichtnicht als Schuld an, wenn man Christen undJuden tötet:

Und wenn ihr die Ungläubigen trefft, dann he-runter mit dem Haupt, bis ihr ein Gemetzel un-ter ihnen angerichtet habt... Und dann entwe-der Gnade hernach oder Loskauf, bis der Kriegseine Lasten niedergelegt hat ... (47,4.5).Krieg gegen Juden oder Christen war

und ist alles nur Kampf für die gerechte Sa-che des Islam. Das Haus des Islam mussnicht nur verteidigt, es muss sogar ausge-dehnt werden. Und das bedeutet, dass manin der Welt des Islam immer noch so überdie Christen denkt wie in der längst verflos-senen Zeit der direkten Kämpfe zwischenAbendland und Morgenland. Während wirim Westen nicht im entferntesten mehr insolchen Kategorien urteilen, tut das die isla-mische Welt noch, und vor allem: sie kannes sich gar nicht vorstellen, dass der Westennicht auch in diesen Kategorien denkt. DerFührer der afghanischen Talibane (= Koran-schüler), Mullah Mohammad Omar, hältBin Ladin natürlich für unschuldig und be-hauptet, Amerika verwende ihn nur als Vor-wand, um einen Krieg gegen den Islam aus-rufen zu können. Jeder Europäer, der so et-was hört, zuckt mit den Schultern und fragtsich, wie jemand so paranoid sein könne.

Dass der afghanische Mullah, der einenVerbrecher deckt, nicht etwa ein Sonderfall

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innerhalb der islamischen Weltist, beweisen die jüngsten Fat-

was aus der islamischen Welt. Die aus Jor-danien zusammengerufenen islamischenWürdenträger ließen kürzlich aus Ammanverlauten:

Ein Bündnis mit den USAfür den Angriff aufirgend ein muslimisches Land ist durch dieScharia, das islamische Gesetz, verboten. Esist die Pflicht der Muslime, ihrer Rechtsge-lehrten, Herrscher und ihrer Völker, sich ge-gen dieses kolonialistische, amerikanische,kreuzfahrerische, jüdische und zionistischeKomplott zu stemmen... Sie müssen jedemangegriffenen muslimischen Volk jeglicheArt der Unterstützung gewähren. (Neue Zür-cher Zeitung vom 20. 09. 2001)Viktor Kocher, Autor des zitierten Bei-

trages, kommentiert richtig:Die Frage nach Schuld oder Beweis wirdhier überhaupt nicht gestellt. Ausschlagge-bend ist einzig die Religionszugehörigkeit,denn, heißt es, die göttliche Pflicht der Mus-lime sei, zusammenzustehen zur Verteidi-gung der islamischen Religion und ihrerLänder. Zum Beleg wird der Vers 71 aus derSure ‚at-Tauba’ aus dem Koran angeführt.Der Muslim wird in jedem

Fall einen anderen Muslim ge-genüber einem Ungläubigen de-cken. Es mag der Muslim einMassenmörder sein wie UsamaBin Laden, aber man solidarisiertsich als Muslim mit ihm, weil erein Muslim ist. Bei uns sprichtman in analogen Fällen von Ga-novenehre. Ein Zuhälter wird einen Kumpa-nen seines Gewerbes nicht an die Polizei ver-raten. Ganoven stehen zu einander. Man magzwar vor solcher Loyalität eine gewisse Be-wunderung haben, und doch ist uns die Ga-novenehre anstößig. Wir haben im NeuenTestament gelernt, dass wir auch engsteFreunde oder Familienangehörige nicht de-

cken dürfen, wenn sie Böses tun.Loyalität gegenüber dem Rechtmuss stärker sein als Loyalität gegenüberdem Sippenangehörigen. Das formulierte derNazarener so: „Wer Vater oder Mutter...Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, istmeiner nicht würdig“ (Mt 10,37).

Das ist auch ein Verbot von jeglichemNepotismus. Dass wir nicht immer danachhandeln, ist mir auch klar, aber es ist uns imRechtsbewusstsein präsent. Ein solchesRechtsbewusstsein hat der Muslim nicht.Bassam Tibi, der in Göttingen und Harvardlehrt, sagt von sich:

In meiner Kindheit und als Schüler in Damas-kus wurde mir vielmehr beigebracht, meineGruppenzugehörigkeit in den Vordergrund zustellen: ‚Ich bin muslimischer Araber, alsobin ich. Für die dominierenden arabischenKulturmuster ist der Begriff des Individuumsals Subjekt fremd. Erst in Europa habe ich ge-lernt, mich als ein freies Individuum zu be-greifen und entsprechend als autonomes Sub-jekt zu denken. (Tibi: Verschwörung, S. 12).Ich habe eine ganze Reihe von christli-

chen Freunden in Pakistan, die massiv ge-prellt worden sind. Ich kenne Familien, de-

ren Töchter von Muslimen be-lästigt worden sind. Kein Christkann in Pakistan etwas dagegenunternehmen. Fasel Masih, einlangjähriger Bekannter von mir,wurde aus dem Haus, das er inRawalpindi gekauft hatte, ver-trieben und konnte erst zurück-kehren, als er dem Nachbarn, der

ihn vertrieben hatte, eine großzügige „Ab-findung“ bezahlt hatte. Er konnte sich vorGericht nicht dagegen zur Wehr setzen. EinChrist bekommt vor keinem Gericht Recht,weil in diesem islamischen Land, wo es fastnur muslimische Anwälte gibt, kein Anwalteinen Christen gegenüber einem Muslimschützen würde. Es gilt als Verrat am Islam

Unterschiede zur Ethik des Koran

Der Muslim wird in

jedem Fall einen

anderen Muslim

gegenüber einem

Ungläubigen

decken

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und an der islamischen Umma,einem Ungläubigen gegenüber

einem Gläubigen Recht zu geben. Wer aberals solcher Verräter gebrandmarkt wird,kann seines Lebens nicht sicher sein.

Bassam Tibi, der wie oben gesagt, inEuropa frei und selbständig zu urteilen ge-lernt hat, bestätigt das:

„In einem der vielen Drohbriefe, die ichnach Fernsehsendungen oder auf Zeitungs-artikel hin erhielt, stand: ‚Du hast ein deut-sches Gehirn, bist ein Verräter.’ In einem an-deren Drohbrief stand: ‚Die Deutschen has-sen die Araber, deswegen holen sie so einenwie dich...’ Der Mann erwartete, dass einAraber als Kommentator seine ‚Brüder’stammesgemäß vor den fremden Deutschenverteidigt, nicht jedoch kritisch analysiert.“(Tibi: Verschwörung, S. 12).

Kollektiv und Denunziantentum

Der Moslem handelt im Kollektiv. Per-sönliche Verantwortung über kollektive Ver-antwortung zu stellen käme ihm nie in denSinn. Die endlosen Reihen betender Män-ner, die sich alle gleichzeitig in die gleicheRichtung niederwerfen und von Djakarta bisDakar alle in der gleichen Sprache ihreSprüche murmeln, ist ein sehr genaues Ab-bild für die gleichschaltende Macht des isla-mischen Denkens. Auch hier steht islami-sche Ethik diametral der christlichen Ethikentgegen. Gewiss, auch das Christentumweiß von einer Gemeinschaft der Gläubi-gen, der „einen allgemeinen Kirche“, wie sieim Apostolischen Glaubensbekenntnisheißt. Dennoch lernt der bibellesendeChrist, dass die Gemeinschaft aus Individu-en besteht, und dass der Einzelne mit seinerVerantwortung allein vor Gott steht. Dasdrückt das Neue Testament auf verschiedeneArt und Weise aus. Es sagt beispielsweise,dass der Name eines jeden Einzelnen der Er-

lösten im Himmelangeschrieben ist.Das ist ein Ausdruck von individueller Iden-tität. Es sagt auch, dass man in jedem FallGott mehr gehorchen muss als den Men-schen. Dieses Denken hat zu Zeiten vonDespotien immer wieder christlichen Wi-derstand erzeugt. Einzelne Christen standenim 16. Jahrhundert auf gegen die Despotieder Kirche von Rom. Einzelne Christenstanden im 20. Jahrhundert auf gegen dieDespotien des Nationalsozialismus und desKommunismus. Sie taten es nicht als Ange-hörige von Clans oder Stämmen, wie das beiallen Revolten in der arabisch-muslimi-schen Welt der Fall ist:

„In Nahen Osten müssen die Menschenunter der Geißel der orientalischen Despotieleben und leiden... Jedesmal, wenn die bisherunterdrückte Opposition an die Machtkommt, reicht es allenfalls zu einer neuenSpielart der orientalischen Despotie. Ein nä-heres Hinschauen zeigt, dass hier Oppositionnicht politische Opposition im demokrati-schen Sinne ist; oft handelt es sich um Clans,Stämme und Klientelen, die einander be-kämpfen und sich gegenseitig an der Machtablösen.“ (Tibi: Verschwörung, S. 14).

Das Kollektiv hat den Muslim viel stär-ker im Griff, als wir es uns im Westen vor-stellen können. Die Macht des Kollektivs er-zeugt auch das für unser Empfinden so an-stößige Denunziantentum. Nehmen wir einBeispiel: Aus Angst vor den anderen wagt ineinem muslimischen Land niemand das Fas-ten im Ramadan zu ignorieren. So bald je-mand gesehen wird, der zu unerlaubter Zeitetwas isst oder trinkt, wird er angezeigt, undes kommt spontan zu Aufläufen und Straf-aktionen. Wenn sie milde ausfällt, wird derDelinquent verprügelt, manchmal gelynchtoder erschossen. Dabei weiß man, dass vieleMuslime insgeheim während der Fastenzeitessen. (Fortsetzung folgt) �

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„Dasgöttli-

che Wort verbietetvon vornherein,Gott mit dem gleich-zusetzen, was Men-schen in ihrer Erfahrung erkennen. Jeder Versuch der Vernunft, das Wesen Gottes mit demnatürlichen Vorstellungsvermögen zu erfassen, macht aus Gott einen Götzen, jedoch ver-kündigt ihn nicht“ Gregor von Nyssa (335-394).1

1 Das gegenwärtig wirkende und ewigbleibende Wort Gottes

Es ist das Wunder der Heiligen Schriften Al-ten und Neuen Testaments, die ursprünglichnur in einzelnen Rollen oder Blättern aufbe-wahrt und im Gottesdienst verwendet wur-den, dass sie in einer wechselvollen Ge-schichte erhalten, gesammelt, in viele Spra-chen übersetzt und verbreitet worden sindbis auf den heutigen Tag. Das ist die sichtba-re Erfüllung der Verheißung:

„Denn ihr seid wiedergeboren nicht aus ver-gänglichem, sondern aus unvergänglichemSamen, nämlich aus dem lebendigen WortGottes, das da bleibt. Denn ‚alles Fleisch istwie Gras und alle seine Herrlichkeit wie desGrases Blume. Das Gras ist verdorrt und dieBlume abgefallen; aber des Herrn Wortbleibt in Ewigkeit’. Das ist aber das Wort,welches unter euch verkündigt ist.“ (1 Petr1,23-25; Jes 40,6).Davon lebt die Gemeinde von Jesus

Christus bis auf den Tag der Wiederkunft ih-res Herrn in seiner sichtbaren göttlichenHerrlichkeit. Deshalb sind die in der Bibelgesammelten Schriften keineswegs nur Tex-te der Antike, sondern sie haben ihren Ortund Gebrauch im Gottesdienst. Durch sie

spricht Gott zu uns, undwir sprechen zu Gott –auch heute.

Die Texte der Bibelwurden ursprünglichsorgfältig mit der Handabgeschrieben, oft aufhingebungsvoll kolo-rierten Blättern, bis siezum ersten Mal um1455 von Johannes Gu-tenberg in Mainz ge-druckt wurden. Bibelnwurden verbrannt, ihrBesitz und ihre Lektürewurden verboten, inZeiten der Verfolgungwurden sie geschmug-gelt, als kostbarer Besitzaufbewahrt und heim-lich weitergegeben,weil der Glaube darauf angewiesen ist unddavon lebt. Aber in Zeiten des Mangelskonnte das Bibeldünndruckpapier auch zumDrehen von Zigaretten verwendet werden.Rechter Gebrauch und Missbrauch des Wor-tes Gottes sind immer beieinander, wobeidie erste Frage ist, ob wir sie selbst auch re-gelmäßig lesen, uns nachdenkend aneignen

Reinhard Slenczka

Prof. Dr. ReinhardSlenczka, Jg. 1931,

war Professor für Sys-tematische Theologie

in Bern, Heidelbergund Erlangen. Seit sei-ner Emeritierung 1996

ist er Rektor der Lu-ther-Akademie Riga

(Lettland) und Leiterder pastoraltheol. Aus-bildung der Ev.-Luth.

Kirche Lettlands.

Die Anbetung der Weiblichkeit Gottesund das Bilderverbot2

Dogmatische Beurteilung der „Bibel in gerechter Sprache“3

1 De vita Moysis. MPG 44, 376 D.2 Ex 20, 4-6; Dtn 5, 8-10; 4, 9-20.3 Bibel in gerechter Sprache. Hgg.: Frank Crüsemann, Marlene Crüsemann, Erhard Domay, Jür-

gen Ebach, Claudia Janssen, Hanne Köhler, Helga Kuhlmann, Martin Leutzsch und LuiseSchottroff. Gütersloher Verlagshaus . Gütersloh 2006. 2007³, 2400 S.

2 Ex 20, 4-6; Dtn 5, 8-10; 4, 9-20.3 Bibel in gerechter Sprache. Hgg.: Frank Crüsemann, Marlene Crüsemann, Erhard Domay, Jür-

gen Ebach, Claudia Janssen, Hanne Köhler, Helga Kuhlmann, Martin Leutzsch und LuiseSchottroff. Gütersloher Verlagshaus . Gütersloh 2006. 2007³, 2400 S.

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oder nur über Verstehenspro-bleme diskutieren.

Die Übersetzung der Heiligen Schriftenist immer von neuem eine wichtige und ver-antwortungsvolle Aufgabe. Es gibt nicht nureine Vielfalt von Sprachen, sondern auchderen Wandelbarkeit. Wohl in allen Kirchenfindet sich eine große Zurückhaltung gegen-über einer Anpassung an die Umgangsspra-che. In den meisten griechischen und slawi-schen orthodoxen Kirchen gibt es bis heuteeine eigene Kirchensprache in Bibeln und inder Liturgie, ebenso wie in der Westkirchedie lateinische Kirchensprache bis zum Vati-canum II. (1962-1965). Das ist keineswegsnur ein starrer Konservativismus, sondern

man wehrt sich ausguten Gründen, dieTexte für die Begeg-nung mit der Heilig-keit Gottes in die ordi-näre Alltagssprache zuübertragen. Man weiß,dass eine Veränderungder biblischen Texteauch eine Verände-rung der liturgischenSprache, aber auch derSprache und Vorstel-lungen für die persön-

liche Frömmigkeit nach sich ziehen muss.Wer diese Sachverhalte kennt, wird leichtverstehen, dass es beim Verständnis der bi-blischen und liturgischen Texte nicht nur umhermeneutische Probleme, sondern umpneumatische Phänomene geht.

Auffallend ist auch in der deutschenKirchensprache, dass viele Wörter wieAmen, Halleluja, Zebaoth, Kyrie eleison,abba, dazu auch christologische Titel undPrädikationen wie Christus, Messias, viel-leicht auch Pantokrator, keiner Übersetzung

bedürfen. Daran istmindestens in Res-ten noch zu erkennen, wie das Wort Gottesauch sprachfähig macht, indem es Sprachebildet und bereichert. Am leichtesten aberwird übersehen und unterschätzt, wie die bi-blischen Texte mit ihren Begriffen und Bil-dern wie z. B. Herz, Gewissen, Seele, Sünde,Himmel und Hölle, Teufel und Engel seitJahrhunderten unsere Vorstellungswelt prä-gen und bereichern. Selbst so genannteAtheisten sind mit ihrer Negation darauf fi-xiert. Denn das gilt für alles, was wir vonGott wissen und reden, und das kommt gera-de nicht aus unserer Erfahrung, sondern ausGottes Offenbarung.

So zeigt sich auch, wie keineswegs nurdie Bibeltexte in die Umgangssprache über-tragen werden, indem wir „dem Volk aufsMaul sehen, wie sie reden“ (M. Luther),sondern indem auch die Alltagssprachedurch Wörter, Vorstellungen und Redensar-ten4 aus der Bibel bereichert und vertieftwird. Bildende Kunst und Literatur sind vollvon solchen Bereicherungen. Dazu gehörtauch die allgemeine Ethik sowie Rechtsbe-gründung und Recht. Je weniger jedoch diebiblischen Schriften bekannt sind, destomehr bleibt vieles davon unverständlich.Die Wirkung der Bibel ist also keineswegsnur auf die Kirche beschränkt; sie ist einElement unserer Kultur, auch wenn mancheTheologen immer nur an den Verstehens-problemen hängen bleiben, die sie meistselbst erfinden und dabei völlig den Blickfür die Wirkung, den Reichtum, die Schön-heit und vor allem die Heiligkeit der Heili-gen Schriften verlieren.

In der „Bibel in gerechter Sprache“ wer-den nun durchgehend die Gottesbezeich-nungen durch weibliche Ausdrücke verän-dert oder ersetzt. Dies berührt jedoch nicht

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Man wehrt sich

aus guten

Gründen, die

Texte für die

Begegnung mit

der Heiligkeit

Gottes in die

ordinäre

Alltagssprache

zu übertragen

4 Vgl. Heinrich Kraus, Geflügelte Bibelworte. Das Lexikon biblischer Redensarten. München1993.

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nur die Übersetzung von Tex-ten, sondern tiefgreifend auch

den Vollzug der Begegnung mit Gott imGottesdienst, im Bekenntnis und Zeugnissowie im Gebetsleben von Christen. Es gehtum die Offenbarung und Anbetung deswahren Gottes. Dies ist das sehr ernst zunehmende Problem bei dieser Bibelausgabe,die man nicht als Übersetzung, sondern alsideologische Textveränderung bezeichnenmuss.

2 Die Konkurrenz von Gottesbildern beiÜbersetzung und Bewertung biblischerSchriften

Es gibt immer wieder Bibelausgaben undÜbersetzungen5, die dem Volk nach demMund reden, um vermeintliche Verstehens-hindernisse zu jeweils herrschenden Mei-nungen und Vorstellungen zu überwinden.In der Mitte des 2. Jahrhunderts haben wirdas Beispiel des aus Kleinasien stammendenund vermutlich der Gnosis nahestehendenreichen Reeders Markion, der die alttesta-mentlichen und eine Reihe neutestamentli-cher Schriften aus dem kirchlichen Ge-brauch ausschließen wollte, weil sie nachseiner Meinung nicht mit der Gottesvorstel-lung von Jesus Christus vereinbar seien. DieAbneigung gegen einen zornigen und stra-fenden Gott mit seinem unbedingt geltenden

Gesetz wiederholt sich immerwieder bis zu der Forderung,das Alte Testament aus dem kirchlichen Ge-brauch zu entfernen. Was bei Markion der„fremde Gott“ ist, das ist bei Schleierma-cher „der andere Geist“6, und Hegel triebdies in seiner Jugendschrift „Der Geist desChristentums und sein Schicksal“ mit derKonfrontation von Humanitätsreligion derGriechen und dem „Dämon des Hasses“ imAT auf die Spitze: „Der unendliche Geisthat nicht Raum im Kerker einer Judensee-le“7. Mit seiner Autorität als Wissenschaft-ler erneuerte Adolf von Harnack die ThesenMarkions und forderte die völlige Abschaf-fung des Alten Testaments8. Kein Wunder,dass sich sogleich die frühen Nationalsozia-listen wie Artur Dinter9 auf solche Ergebnis-se „wissenschaftlicher Forschung“ berufenkonnten.

Allerdings wäre es falsch, in diesen Bei-spielen, die man heute empört als Antiju-daismus ablehnen wird, lediglich die Verir-rung einzelner zu sehen. Es geht vielmehrum die Grundsatzfrage, ob die HeiligenSchriften Alten und Neuen Testaments alsWort ein und desselben dreieinigen Gotteserkannt werden oder als Hervorbringungenmenschlicher Geistes- und Religionsge-schichte. Gott ist dann nicht Person, wie ersich in seinem Wort offenbart und auf dieseWeise angeredet und verkündigt werden

Die Anbetung der Weiblichkeit Gottes und das Bilderverbot 25Bibel undGemeinde

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5 Vorzügliche Untersuchungen zu den ideologischen Einflüssen bei neueren Bibelübersetzungenmit weiteren Literaturhinweisen bieten: Bernhard Rothen, Der Hang zur frommen Lüge. DieGute Nachricht als Beispiel einer natürlichen Theologie. In KuD 37, 1991, 280-306; ArminWenz, Schriftgemäße Bibelübersetzung? Kritische Anmerkungen zur ‚Guten Nachricht’. In:Ders., Sana Doctrina. Heilige Schrift und theologische Ethik. (= Neue Beiträge zur historischenund systematischen Theologie. 37) Frankfurt / M. u. a. 2004.84-120.

6 F. D. E. Schleiermacher (1768-1834), Der christliche Glaube § 132: Es „kann wohl nicht be-hauptet werden, dass das Gesetz von diesem selbigen Geist eingegeben sei“.

7 Hegels Jugendschriften, Hg. von Hermann Nohl. 260).8 Adolf von Harnack, Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott, 1924². Nachdr. 1985. Das

Alte Testament „seit dem 19. Jahrhundert als kanonische Urkunde des Protestantismus zu kon-servieren ist die Folge einer religiösen und kirchlichen Lähmung…Hier reinen Tisch zu machenund der Wahrheit in Bekenntnis und Unterricht die Ehre zu geben, ist die Großtat, die heute –fast schon zu spät – vom Protestantismus verlangt wird.“ (217. 222).

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kann, sondern die Gottesbe-zeichnungen werden aus

menschlichen Erfahrungen, Bedürfnissenund Ideologien, die wandelbar und durch diejeweilige Situation bedingt sind, auf Gottübertragen.

Die Forderung der Deutschen Christenauf der Sportpalastkundgebung des GauesGroßberlin vom 13. November 1933, in deres hieß: „Wir erwarten, dass unsere Landes-kirche als eine deutsche Volkskirche sich freimacht von allem Undeutschen in Gottes-dienst und Bekenntnis, insbesondere vom Al-ten Testament und seiner jüdischen Lohnmo-ral“ öffnete damals vielen die Augen für das,was aus der Begeisterung für eine politischeBewegung in das Verständnis der HeiligenSchrift als Fundament von Theologie undKirche und damit in den Gottesdienst der Ge-meinde eingedrungen war. Am 4. Januar1934 folgte die „Erklärung über das rechteVerständnis der reformatorischen Bekennt-nisse“ (1. Barmer Erklärung), in der es heißt:

„Die Kirche hört das ein für allemal gespro-chene Wort Gottes durch die freie Gnade desheiligen Geistes in dem doppelten, aber ein-heitlichen und in seinen beiden Bestandtei-len sich gegenseitig bedingenden Zeugnisdes Alten und des Neuen Testamentes, dasheißt in dem Zeugnis des Mose und der Pro-pheten von dem kommenden und in demZeugnis der Evangelisten und Apostel vondem gekommenen Jesus Christus.“

Wilhelm Vi-scher hat in seinemweithin vergessenen oder auch verdrängtenWerk „Das Christuszeugnis des Alten Testa-ments“ die theologische Einsicht, um die eshier und im weiteren gehen muss, gleich imersten Satz des Buches präzis formuliert:„Die Bibel bezeugt vollgültig, unter der Be-glaubigung durch den heiligen Geist, dassJesus von Nazareth der Christus ist. Darumist sie die heilige Schrift der christlichenKirche. Denn die christliche Kirche ist dieGemeinde aller Menschen, die auf Grunddes biblischen Zeugnisses erkennen undglauben, dass Jesus der Christus ist, d.h. derMessias Israels, der Sohn des lebendigenGottes, der Heiland der Welt“ 10 .

3 Eine neue, jedoch alte programmatischeIdeologie

Ob darüber in Theologie und Kirche heutenoch ein Konsens besteht, ist eine sehr erns-te Frage, die durch die „Bibel in gerechterSprache“ aufgeworfen wird. Unter drei The-menkreisen werden durch diese Überset-zung Wortlaut und Inhalt der HeiligenSchriften Alten und Neuen Testaments tief-greifend und ausgehend von aktuellen ge-sellschaftspolitischen Forderungen undIdeologien verändert:

Beseitigt werden soll 1. eine vermeintepatriarchalische Gesellschaftsordnung der

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9 Artur Dinter, 197 Thesen zur Vollendung der Reformation. 1926. These 1: „Das alte Testamentist kein göttliches offenbartes Buch, sondern das widerspruchsvolle Werk irrender Menschen. Esist von jüdischen Priestern teils aus jüdischen, teils aus nichtjüdischen Schriftwerken zusam-mengearbeitet worden. Es sind zahlreiche Schichten seiner Entstehung wissenschaftlich festge-stellt…“ These 29: „Die Heilandslehre ist für alle Menschen die gleiche. Ein Volk höherer Rasseaber wird sie anders auffassen und anders betätigen als ein Volk niederer Rasse.“ – Alfred Ro-senberg, Der Mythus des 20. Jahrhunderts (1930) lehnt die „Viehhalter und Zuhälter Geschich-ten“ des AT ab und fordert ein 5. Evangelium, das dem germanischen Geist und Bewusstseinentspricht.

10 Wilhelm Vischer(1895-1988) verfasste in dieser Zeit sein Werk „Das Christuszeugnis des AltenTestaments“, Zürich I Das Gesetz 1934 (19467); II Die Propheten 1941 (1946²). Dazu: StefanFelber, Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift. Eine Untersuchung zum Christus-zeugnis des Alten Testaments. (=FSÖTh 89) Göttingen 1999.

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Heiligen Schrift (10), in der dieFrauen unterdrückt und be-

nachteiligt werden. Dazu wird durchgehenddie sog. „inklusive Sprache“ eingeführt. Esist nun die Rede von Jüngern und Jüngerin-nen, von Sklavinnen und Sklaven, Herrinnenund Herren, von Jüdinnen und Juden, vonGriechinnen und Griechen, von Freundin-nen und Freunden, Priesterinnen und Pries-tern, Prophetinnen und Propheten, Lehre-rinnen und Lehrer, Christinnen und Chris-ten etc., auch wenn das im Originaltextüberhaupt nicht steht. Diese „political cor-rectness“ nach amerikanischem Vorbildwird zwar inzwischen geflissentlich in Poli-tik und Kirche befolgt, doch sie bleibt eineVerhunzung der Sprache und ist selbst fürVerfechter dieser Ideologie schwerlich les-bar. Grammatisch wird dabei einfach Genusund Sexus verwechselt. Bisweilen artet dasin Peinlichkeit aus, wenn z. B. mit Hebr 13,1die „Geschwisterliebe“ gefordert wird.

Allerdings findet sich im Unterschied zuvielen anderen deutschen Bibelübersetzun-gen und sogar einigen Kommentaren in Gen1,27 endlich einmal die genaue Wiedergabedes hebräischen Wortlauts, wo es nicht„Mann und Weib“ heißt, sondern adjekti-visch: „männlich und weiblich… hat Gottsie geschaffen“ (ebenso richtig Gal 3,28).Das dazu gehörende Objekt ist „Adam“ d. h.Mensch im Singular, und dies bedeutet, dassMensch als Gattung, als Bild und GleichnisGottes, männlich und weiblich von Gott ge-schaffen ist. Auch wenn „der Mensch“ nachdem grammatischen Genus Maskulinum ist,wird es niemand einfallen, Frauen nichtauch als Mensch zu bezeichnen. Leider wirddiese von Gott geschaffene Zusammenge-hörigkeit und gleiche Würde den Text ver-ändernd dadurch aufgehoben, dass die Gat-tungsbezeichnung „Mensch“ mit dem indi-vidualisierenden Plural „Menschen“ eindeu-tig falsch übersetzt wird. Nach der richtigen

Übersetzung des hebräischenUrtextes haben wir hier imwahren Sinne eine „inklusive“ Sprache, dievon der in der Schöpfung begründeten Zu-sammengehörigkeit von Mann und Frau undihrer gleichen Würde ausgeht. Was hinge-gen heute als „inklusive“ Sprache bezeich-net wird, ist in Wirklichkeit gerade „exklu-siv“, indem Mann und Frau voneinander un-terschieden und gegeneinander aufgebrachtwerden. Die daraus erwachsende tiefe Stö-rung im Verhältnis von Mann und Frau istheute unübersehbar, wenn Frauen sich ge-zwungen fühlen, unter Verachtung ihrerweiblichen Gaben und Aufgaben sich nachder Männlichkeit zu definieren, selbst wenndies, wie viele andere Gesellschaftslügen,emsig verdrängt wird.

Beseitigt werden soll 2. – um den jü-disch-christlichen Dialog zu fördern (10) –was man in den doch überwiegend jüdi-schen Texten für antijudaistisch ansieht.Hierzu mag die Bemerkung von Martin Bu-ber genügen, dass der Philosemitismus die-selben Wurzeln wie der Antisemitismus hat,und zwar deshalb, weil die Gegensätzlich-keit von Völkern und Rassen gerade auchdadurch hervorgehoben wird, dass man sieauf die eine oder andere Weise zu beseitigenversucht. Die in Gen1,26f begründete Ein-heit aller Menschennach Adam wird hierübergangen und aufge-hoben. Es ist jedochnicht zu übersehen, dassdie feministischen Ein-griffe in die unveränder-liche Heiligkeit desGottesnamens von rechten Juden als antiju-daistisch und als tiefe Verletzung ihrerFrömmigkeit empfunden werden müssen.Dabei ist es schon unglaublich, wie die in jü-dischen Bibelübersetzungen begegnende

Die Anbetung der Weiblichkeit Gottes und das Bilderverbot

Die feministi-

schen Eingriffe

werden von

Juden als tiefe

Verletzung ihrer

Frömmigkeit

empfunden

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Gottesanrede „der Ewige“flugs verweiblicht wird: „Ne-

ben der maskulinen Form ist gleichbedeu-tend die grammatisch weibliche Form mög-lich: ‚Die Ewige’ (20). Jeder Jude kann dasmit seinem religiösen Empfinden und seinenHebräischkenntnissen nur als Gottesläste-rung abweisen. Dass sich kein Jude bereitgefunden hat, an diesem Projekt mitzuarbei-ten, wird zwar von den Herausgebern alsDefizit bezeichnet, dürfte jedoch nach Lageder Dinge durchaus verständlich sein. ImGegensatz zu dem Bemühen, „von christli-cher Seite den Antijudaismus auch in derÜbersetzung zu überwinden“ (26) ist dieserText mit seinen ideologischen Entstellungenein absolutes Hindernis für ein Gespräch mitden anderen monotheistischen Religionenwie mit Juden und auch mit Moslems. Deralte Vorwurf des Polytheismus bei denChristen findet damit neue Nahrung.

Beseitigt werden sollen 3. Zustände so-zialer Ungerechtigkeit (11), und zwar eigen-artiger Weise nicht nur bei den Frauen undSklaven, sondern auch bei der Diskriminie-rung von „Gottlosen“, „als ginge es (bei die-ser Übersetzung des hebräischen Wortes‚rascha’) um Atheismus oder Unglauben“(11). Mit diesem Hinweis in der Einführungist bereits angedeutet, was von vielen Text-stellen in der Übersetzung bestätigt wird:Was der Mensch als Sünder ist, wird offen-bar durchgehend lediglich moralisierend alsTat und Verhalten aufgefasst, nicht jedochals Macht und Zustand in dem Bund zwi-schen Gott und Menschen. Gerechte sinddemnach solche, „die Gutes“ tun, Sünderhingegen solche, „die Unrecht tun“ oder„versagen“ (z. B. Röm 6; Mt 9,10.13; Lk 5,8u. ö.).

Als ein Hinweis für die durchgehendeMoralisierung der Sünde mag die verblase-ne Übersetzung von Röm 6,23 dienen:

„Denn der Sold,den die Sünden-macht zahlt, ist der Tod. Die Zuwendung,die Gott schenkt, ist ewig lebendiges Lebenim Messias Jesus, dem wir gehören.“ Wo je-doch von Sünde und Gnade nicht mehr klargeredet werden kann, verkommt das Evan-gelium. Die Zusammenfassung der Verkün-digung von Jesus Mark 1,15 lautet dann:„Der Augenblick ist gekommen, die Zeit isterfüllt. Die Gottesherrschaft ist nahe gekom-men! Kehrt zum Leben um und vertraut demEvangelium.“ Der Ruf zur Buße angesichtsdes kommenden Gerichts wird verwässertzu einer „wellness“-Theologie, wie sie lei-der von manchen Kanzeln tönt. In dieserHinsicht folgt die Übersetzung eben auchden Wünschen und Forderungen der Zeit.

4 Gottes Selbstoffenbarung oder mensch-liche Gottesbilder?

Die Verehrung weiblicher Gottheiten ist inder multikulturellen Umwelt des Alten wiedes Neuen Testaments etwas völlig Norma-les, daher erwächst daraus auch immer wie-der eine Versuchung für das Volk Gottes desalten wie des neuen Bundes. Der Prophet Je-remia wendet sich gegen die Anbetung derHimmelskönigin, die vor allem von denFrauen verehrt wird (Jer 7,17-19; 44,15-27).Der Prophet Ezechiel wendet sich gegen diefalschen Propheten und Prophetinnen, derenVerkündigung und liturgische Gestaltungihrem eigenen Geist, nicht aber dem WortGottes folgen (Ez 13). Dass ausgerechnet indiesem Text „Gott der Herr“ mit „die Ewi-ge“ wiedergegeben wird, kann man nur alsVerblendung, durch die der Textinhalt nichtmehr wahrgenommen wird, bezeichnen 11.

Was die feministische Ideologie heuteals etwas scheinbar Neues verbreitet, ist imGrunde eine ständig wiederkehrende Er-

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11 Vgl. auch: Offb 2, 14 ff. 20 ff; Kol 2.

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scheinung in der Geschichteder Religionen. Im Umkreis

des Christentums ist dabei vor allem auf diealte und neue Gnosis12 zu verweisen, diedurchgehend männliche und weibliche We-sen in ihren Hypostasen, Äonen und Emana-tionen als Offenbarung des Göttlichen be-schreibt13 bis hin zur Lehre vonden Archetypen, den „seelendra-matischen Vorgängen“, vonCarl Gustav Jung (1875-1961)mit seiner Ergänzung der Trini-tät zu einer Quaternität durchMaria als weibliches Element.

Damit kommen wir zu dementscheidenden Eingriff in denTextbestand der biblischen Schriften, dassdurchgehend die biblischen Gottesbezeich-nungen durch weibliche Bezeichnungen er-gänzt oder ersetzt werden. Das geschieht un-ter der Voraussetzung, dass Gott nicht dasSubjekt in seinem Wort ist, sondern Objektund Produkt menschlicher Vorstellungen,Bedürfnisse und Erfahrungen. Allerdingsmuss gleich darauf hingewiesen werden,dass diese Erscheinung keineswegs auf die-ses Projekt beschränkt ist, sondern, ob mandas will oder nicht, in der protestantischenTheologie sehr weit bis zur unreflektiertenSelbstverständlichkeit verbreitet ist.

Wir gehen nun aus von einigen Kerntex-ten, die zu den Grundlagen christlichen Le-bens gehören, um zu zeigen, was hier ge-schieht:

4.1 Das Vaterunser:

„So also betet: Du, Gott, bist uns Vater undMutter im Himmel…“ (Mt 6,9). Gott wirdnicht als Vater angeredet, sondern offenbardarüber aufgeklärt, dass er uns Vater undMutter ist. Im Paralleltext ist zu lesen „Du

Gott…“ statt „Vater“ (Lk 11,2).Manchen Gemeinden undSchulklassen wird diese Wieder-gabe des Vaterunsers seit Jahrenaufgezwungen; nicht wenigeGemeindeglieder werden aberdamit auch gezwungen, solcheGottesdienste nicht mehr zu be-suchen. Welche Folgen diese

neue Bibelübersetzung für die Gemeindeund ihren Gottesdienst nach den Vorstellun-gen ihrer Verfechter haben soll, dürfte sichauch in der zum Reformationsfest 2006 inFrankfurt/M. arrangierten Veranstaltung ge-zeigt haben, die schlechterdings nicht alsGottesdienst bezeichnet werden darf, wenndie Schriftlesungen und liturgischen Textenach dieser Übersetzung verwendet werdensollten. Mit Sicherheit hätten ihn sämtlicheReformatoren unter Protest verlassen, undbesonnene Christen, wenn sie wissen, wasihnen bevorsteht, werden überhaupt nichterst hingehen. Juden und Moslems, die manja gerne bei solchen Veranstaltungen dabeihätte, werden sich bei alttestamentlichen Le-sungen mit Entsetzen die Ohren zuhaltenund weglaufen.

Die Anbetung der Weiblichkeit Gottes und das Bilderverbot

Die Ideologie des

Feminismus ist

uralt und kehrt in

der Geschichte der

Religionen

immer wieder

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12 Vgl. hierzu Micha Brumlik, Die Gnostiker. Der Traum von der Selbsterlösung des Menschen.Frankfurt 1992. Dass der Name dieses Autors auf Seite 2399 unter den Mitgliedern des „Beiratszur Förderung, Unterstützung und Begleitung des Projektes ‚Bibel in gerechter Sprache’“ er-scheint, kann nur auf einem mir unerklärlichen Missverständnis beruhen.

13 Wenigstens ein paar Beispiele dafür aus den Textfunden von Nag Hammadi, „Die dreigestaltigeProtennoia“: Die Protennoia spricht zu den Gnostikern…ich bin mann-weiblich, ich bin Mutterund Vater, bei mir selbst wohnend, mich mit mir selbst vereinigend und mich selbst liebend, weildas All allein durch mich Bestand hat, bin ich der Mutterschoß der Erkenntnis des Alls, die ichgebäre das Licht…ich bin der unwiederholbare Ruf der Herrlichkeit der Mutter, die Herrlichkeitder Schöpfung Gottes, eine männliche Jungfrau aus einem verborgenen Verstand…“ Überset-zung nach ThLZ 99, 1974, 741 f. Vater, Mutter und Sohn bilden in Analogie zur menschlichenFamilie und Fortpflanzung die Dreieinigkeit (ebda 735).

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4.2 Die Taufe

Ebenso wird das Problem, das hier auf dieGemeinde zukommt, bei dem Tauf- undMissionsbefehl von Mt 28, 17-20 deutlich,wo es nun heißt:

„Die elf Jünger wanderten nach Galiläa aufden Berg, auf den Jesus sie hingewiesen hatte.Und als sie ihn sahen, huldigten sie ihm, einigeaber zweifelten. Jesus trat heran und sprach zuihnen: ‚Gott hat mir alle Macht im Himmelund auf der Erde gegeben. Macht euch auf denWeg und lasst alle Völker mitlernen. Tauchtsie ein in den Namen Gottes, Vater und Mutterfür alle, des Sohnes und der heiligen Geist-kraft. Und lehrt sie, alles, was ich euch aufge-tragen habe, zu tun. Und seht: Ich bin alle Tagebei euch, bis Zeit und Welt vollendet sind’.“Auch dies ist ein Text, der nicht nur je-

dem Christen im Ohr, ja im Herzen liegt, deraber durch die Taufe eine konstitutive Be-deutung und Wirkung für das Entstehen undBestehen der christlichen Gemeinde für alleZeiten hat. Wird eine Taufe mit diesen Ein-setzungsworten gespendet, dann ist sie un-wirksam und ungültig.

Dass der Paralleltext Mk 16,9-20 als se-kundäre Einfügung in Kleindruck wiederge-geben wird, entspricht der in Agenden undTaufhandlungen seit einiger Zeit verbreite-ten Praxis, den deutlichen Hinweis darauf,dass allein die Taufe aus dem Gericht rettet,zu verdrängen oder völlig zu streichen: „Werda glaubt und getauft wird, der wird seligwerden; wer aber nicht glaubt, der wird ver-dammt werden.“ Auch bei dem Text Mt28,20 entsteht der Eindruck, dass nicht mit

dem Ende der Weltdurch ein Endge-richt gerechnet wird, wie das durchgehendvom Wort Gottes bezeugt wird, sondern miteiner fortschreitenden Vollendung der Weltin ihrer Geschichte.

In der Erläuterung zu „taufen“ wird da-zu glatt behauptet, „dass ohne Taufe keinHeil bei Gott zu finden sei, ist ein Gedanke,der dem NT fremd ist, aber in einigen Hand-schriften später eingetragen wurde“ (2335).Man fasst sich bei solcher Unkenntnis un-willkürlich an den Kopf und fragt sich, wel-chen Unfug solche Theologen, denen ein-fachste Grundkenntnisse fehlen, in einerGemeinde anstellen14.

An solchen Kernstellen wie Vaterunserund Taufe zeigt sich nun, wie es durch dieschon philologisch an keiner Stelle zu recht-fertigende Eintragung weiblicher Elementein die Gottesbezeichnung zu einer tief grei-fenden Veränderung, ja sogar Aufhebungdes gesamten in der Selbstoffenbarung desDreieinigen Gottes begründeten christlichenGlaubens kommt. Dass darauf schon seitlängerem von Theologen aus dem engli-schen Sprachbereich hingewiesen und davorgewarnt wird, ist den Nachahmern der ame-rikanischen feministischen Theologie in ih-rer ideologischen Verblendung offenbar nie-mals zu Gesicht gekommen15.

4.3 Ergänzungen und Ersetzungen bei denGottesbezeichnungen:

Bei der Bearbeitung der Texte kam esdarauf an, weibliche Formen einzufügen,

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14 Um wenigstens auf einige Belege angesichts mangelnder Bibelkenntnis hinzuweisen: Act 2, 37ff; Röm 6; Gal 3, 27 f; 1 Petr 1, 3ff; 3, 21; Ti 3, 5; Eph 4, 5; Kol 2, 12 u. v. a. m.

15 Vgl. dazu u. a.: Geoffrey Wainwright, Doxology. 1982²: Der Verf. äußert deutliche Sympathienfür ‘inclusive language’. Doch gerade deshalb hat seine Warnung noch mehr Gewicht, wenn erschreibt: „Certain problems occur in connexion with the changes so far proposed when the refe-rence is to God. The constant use of ‘Creator’, ‘Redeemer’, ‘Sustainer’ might push the under-standing of the Trinity in an unacceptably modalist or economic direction. Forfeiture of sexuallanguage is to risk falling into impersonal neuter.” (352f).

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und männliche, vor allem „Va-

ter“ und „Herr“, zu vermei-den. Für die alttestamentlichen Texte wirddas Tetragramm „jhvh“ durchgehend mitder vokalisierten Form „ado-

naj“ wiedergegeben, was wört-lich „Herr“ heißt. Das hebräi-sche Wort verdeckt also nur diedeutsche Bedeutung. Jhvh elo-

him wird mit „adonaj, also

Gott“ wiedergegeben. Fernerwerden sowohl männliche „er“

wie auch weibliche „sie“ Perso-nalpronomina damit verbunden, z. B. Gen1, 27: „…männlich und weiblich hat er, hat

sie, hat Gott sie geschaffen“. Oder manliest „die Ewige“, auch „die Heilige“, „die

Gottheit“. Es werden hebräische Bezeich-nungen, die nicht aus dem Bibeltext kom-men, eingetragen wie „ha makom“ – „der

Ort“ oder auch „Schechina“, abgeleitetvon „schachan“ – „wohnen“, z. B. derTempel als der Ort, wo Gott seinen Namenwohnen lässt (z.B. 1Kö 8,13; 26,8 „der du

thronst über den Lobgesängen Israels“ Ps22,4 u. a. m.). Statt „Vater“ heißt es dann„Ursprung“ (Joh 8,18f; 1Kor 1,3; Eph6,23); statt „Herr“ steht dann „die Leben-

dige“ (durchgehend in Lk) oder auch „der

Befreier“, statt vom „Sohn“ wird meistensvom „Kind“ geredet, statt Geist liest man„die Geistkraft“. Dies aber zeigt, wie dieNamen der drei Personen der göttlichenDreieinigkeit, Vater, Sohn und Geist,durchweg durch weibliche Ergänzungenoder Ersetzungen verändert werden. Dasspistis – Glaube mehrfach als „Zuneigung“

wiedergegeben wird, z. B. Hebr 13,9, zeigt,dass man überhaupt kein Verständnis fürden Glauben und Gehorsam in der Bundes-treue Gottes hat. (Röm 3,1 ff.)

Zu diesem durchgehenden Befund mitder Verweiblichung von Gottesbezeichnun-gen ist zu sagen, dass keine davon philolo-

gisch zu belegen ist. Das aberbedeutet, es handelt sich nichtum eine Übersetzung des Urtextes, sondernum eine Textveränderung. Der entsprechen-

de Teil der Einleitung (16-21)lässt erkennen, wie man sichwindet, um diese einschneiden-den Eingriffe in den Text zu be-gründen. In der Kopfzeile jederlinken Seite sowie auf dem Sei-tenrand wird daher auch meis-tens der Begriff aus dem Urtextangegeben und es werden Aus-

wahlmöglichkeiten für die Gottesbezeich-nung notiert. Die weiblichen Elemente wer-den also dem Text und damit auch den Le-sern förmlich aufgezwungen. Diese Textezu lesen oder gar vorzulesen, ist ein Ding derUnmöglichkeit, was wohl auch von den Ur-hebern gesehen wird, wenn sie raten: „We-

gen der Anpassung der grammatischen Be-

züge empfiehlt sich bei öffentlichem Vorle-

sen eine Probelesung“ (17). Zu deutsch: derText ist weder lesbar noch vorlesbar; erdient lediglich als Demonstration für einebestimmte Ideologie.

Dieser Vorgang greift aber noch tieferin den ganzen christlichen Glauben ein.Protestantische Theologen müssen sichvon Juden an die Heiligkeit des Gottesna-mens erinnern lassen und vor allem daran,dass diese Namen nicht von Menschen er-funden und auf Gott übertragen werden,sondern dass Gott selbst seinen Namen of-fenbart (Ex 3,14 etc.), dass daraufhin seinNamen verkündigt und Gott von uns so er-kannt und angerufen werden kann. „No-

men Dei est Deus ipse“ – „Der Name Got-

tes ist Gott selbst“ – so lehrten die alten undalle rechtgläubigen Dogmatiker16.

Gerade wo die Eliminierung von antiju-daistischen Anklängen eines der drei Haupt-anliegen dieses Textes ist, muss man mitEntsetzen feststellen, dass dieses ganze Un-

Die Anbetung der Weiblichkeit Gottes und das Bilderverbot

Es handelt sichnicht um eine

Übersetzung desUrtextes, sondern

um eineTextveränderung

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ternehmen gerade internehmen gerade inseinem Kern tief-

greifend antijudaistisch ist. Nichtnur orthodoxe Juden werden mitAbscheu auf das reagieren, wassie hier in ihren Heiligen Schrif-ten vorgesetzt bekommen. Ingleicher Weise ist es auch anti-christlich.

5 Auflösung der Dreieinigkeit Gottes

Wenn evangelische Christen nicht ingleicher Weise wie Juden und Moslems da-rauf reagieren, dann wird das wohl daran lie-gen, dass jedes Gefühl für die Heiligkeit desNamens Gottes und für seine Offenbarung inseinem Wort verloren gegangen ist, weil mandie Heiligen Schriften lediglich als ge-schichtsbedingte Formulierung von Theolo-gien ansieht, und dazu rechnen auch die Got-tesnamen. Gerade deshalb muss man sichklar machen, dass auf diese Weise die Selbst-offenbarung des Dreieinigen Gottes als Vater,Sohn und Heiliger Geist, wie sich oben be-reits bei der Taufformel zeigte, bis in dieWurzeln zerstört worden ist. Dies soll im Fol-genden an den Aussagen über die drei Perso-nen der göttlichen Trinität gezeigt werden:

5.1 Gott, der Vater:

Durchgehend wird die Bezeichnung „Va-ter“ vermieden und entweder durch „Ur-sprung“ ersetzt oder durch „Mutter“ ergänzt.So heißt es im Gebet von Jesus im GartenGethsemane Mt 26,39: „Mein Gott, Vater undMutter, wenn es möglich ist…“ Diese Entstel-lung der Gebetsanrede von Jesus findet sichimmer wieder (Joh 8,18f u.a.m.). Konsequentwäre zu fragen, ob Jesus hier Gott als seine El-

ternanre-det, und damit stellt sich schondie Frage nach der Herkunft vonJesus.

Die Wiedergabe von Mt11,25-30 zeigt in gleicher Weise,wie nicht nur das Verhältnis Va-ter-Sohn, sondern zugleich dieUnterscheidung des Sohnes Got-

tes von denen, die durch ihn die Kindschaftempfangen, aufgehoben wird:

„Es war zu dieser Zeit, dass Jesus Gott ant-wortete und bekannte: ‚Ich singe dir Loblie-der, Gott Vater und Mutter für mich undmächtig im Himmel und auf der Erde…Duhast mir alles mitgeteilt. Niemand kennt michals dein Kind so wie du, väterlich und mütter-lich. Niemand kennt dich so väterlich undmütterlich, wie ich als dein Kind, und wie alleGeschwister, die ich darüber aufkläre…“In gnostischen Texten findet man solche

Vorstellungen; christlich sind sie auf keinenFall.

Von einer geradezu erschütternden Ge-fühllosigkeit ist die Banalisierung des Kla-gegebets Jes 63,15 ff:

„Blicke vom Himmel und sieh aus deiner hei-ligen und prächtigen Wohnung! Wo ist deinEifer, dein Heldenmut? Deine innersten Ge-fühle und deine Mutterliebe bleiben mir vor-enthalten. Du bist ja unser Vater, unsere Mut-ter. Abraham kennt uns nicht, Israel nimmtuns nicht wahr. Du bist Gott, unser Vater, un-sere Mutter. Unsere Befreiung seit jeher, dasist dein Name.“Eph 3,15 wird der nicht ganz leicht zu

übersetzende Text, in dem alles, was genea-logisch mit Vaterschaft (patria,) bezeichnetwird, von Gott, dem Vater, herkommt, philo-logisch eindeutig falsch so verdreht: „Des-

Reinhard Slenczka32Bibel undGemeinde

2/2007 Man muss mit

Entsetzen

feststellen, dass

dieses ganze

Unternehmen

im Kern tief

antijudaistisch ist

16 So z. B. Abraham Calovius (1612-1686), Biblia Testamenti Veteris Illustrata. Wittenberg 1672.314 zu Ex III; Biblia Novi Testamenti Illustrata. Hildburghausen 1719. 231 zu Mt 6, 9f: “NomenDei est Deus ipse, ut inter homines nominatur, h. e. agnoscitur et celebratur…“

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halb beuge ich meine Knie vorder schöpferischen Kraft (pa-

ter), die jedes Volk im Himmel und auf Er-den benannt hat…“ In diesem Fall wie auchbei der Ersetzung von „Vater“ durch „Ur-sprung“ (1Kor 1,3; Eph 6,23) wird eine per-sonale Bezeichnung durch eine neutrale an-onyme Bezeichnung im Sinne einer abstrak-ten Kausalität ersetzt. Außerdem zeigt sichhier, wie in der Vorstellung von einermenschlichen Übertragung von Gottesvor-stellungen, -bildern und -begriffen offenbarein religiöser Pluralismus verborgen ist,nach dem die Gottesbezeichnungen der ver-schiedenen Religionen einen gemeinsamenInhalt und Bezugspunkt haben17.

Auch die personale Bezeichnung „pan-tokrator“, „Allmächtiger“, wird neutrali-siert: „Ich bin das Alpha und das O, sagtGott, die Macht, die ist und die war und diekommt, die alles beherrscht“ (Offb 1,8).Vermutlich weil nun doch Offb 22,19 imBlick ist, heißt es dort jedoch: „Ich bin dasAlpha und das O, der Erste und der Letzte,der Anfang und das Ende“ (Offb 22,13).

Diese und viele weitere Eingriffe haben,wie leicht einzusehen ist, erhebliche Konse-quenzen für das gesamte christliche Glau-bensbekenntnis, angefangen beim erstenArtikel.

5.2 Der Sohn Gottes:

Neben dem bereits angeführten Tauf-und Missionsbefehl ist die Taufe von Jesusdurch Johannes ein Grundtext für die Offen-barung der Dreieinigkeit Gottes (Mt3,13-17; Mk 1,9-11; Lk 3,21f). Das offenba-rende und die Verheißung des Alten Bundeserfüllende Wort Gottes von Ps 2,4 wird ge-gen den Urtext so verändert: „Dieses istmein geliebtes Kind, ihm gehört meine Zu-

neigung“. Dabei ist schon zubedenken: Die Gottessohn-schaft von Jesus, der vom Vater in Ewigkeitgeboren und daher nach seinem Wesen Gottist, unterscheidet sich von der Gotteskind-schaft, die wir durch die Taufe auf den Na-men des Dreieinigen Gottes als Annahmezum Kind Gottes (adoptione Röm 8,15f;Gal 4,1ff) empfangen. Dieselbe Aufhebungder Beziehung von Vater und Sohn durchdie Ersetzung der Bezeichnungen aus demUrtext findet sich auch in Hebr 1,1ff.

Völlig unverständlich ist, dass dannauch die Gebetsanrede von Jesus „abba“,die aus guten Gründen aramäisch überliefertund so auch in vielen Übersetzungen festge-halten wird, an entscheidenden Stellen innach dem Textzusammenhang geradezu ge-schmackloser Weise pervertiert wird. So Mk14,36 beim Gebetsringen im Garten Gethse-mane: „Gott, Ursprung, von dem ich her-komme, dir ist alles möglich…“ Röm 8,15wird die durch die Gabe des Geistes von Je-sus in der Taufe eröffnete Möglichkeit fürdie Christen, Gott anzureden, wie es derSohn Gottes getan hat, bagatellisiert: „DuUrsprung allen Lebens, sei unser Schutz!“.Nur Gal 4,6 bleibt: „Abba! Vater“.

Den Sinnzusammenhang von Wort undLogos mit Gen 1,1ff zerstörend werden diegewichtigen Worte des Johannesprologsvöllig verzerrt:

„Am Anfang war die Weisheit und die Weis-heit war bei Gott und die Weisheit war wieGott. 2 Diese war am Anfang bei Gott. 3 al-les ist durch sie entstanden, und ohne sie istnichts entstanden…14 und die Weisheitwurde Materie und wohnte unter uns, undwir sahen ihren Glanz wie den eines einzig-geborenen Kindes von Mutter und Vater vol-ler Gnade und Wahrheit..18 Niemand hatGott je gesehen. Der Einziggeborene, der im

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17 Vgl. u. a.: John Hick, Gott und seine vielen Namen. Altenberge 1985. (God Has Many Names,Philadelphia 1982²); Pau. Knitter, No other Name? New York 1987.

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Mutterschoß des Vaters ist, jenerist uns vorangegangen.“

Diese theologisch wie philologisch fal-sche Übersetzung kann man nur mit einemGemälde von Rembrandt vergleichen, aufdas irgendjemand seine politischen Parolenmit Sprühfarben geschmiert hat.Und vor allem: Die Weisheit istnicht die zweite Person der Dreiei-nigkeit, sondern Eigenschaft undGabe Gottes, aber auch nur so unddann eine Eigenschaft von Men-schen, wenn sie denn erbeten undgeschenkt wird (1Kö 3).

Völlig entstellt wird auch dasWort von Jesus vom Bekennen und Verleug-nen:

„Denn zu allen, die sich zu mir bekennen vorden Menschen, werde auch ich mich beken-nen vor Gott, für mich Vater und Mutter imHimmel. Aber die mich verleugnen vor denMenschen, werde auch ich verleugnen vorGott im Himmel“ (Mt 10,32f).

Noch schlimmer Mk 8,38:„In dieser Generation, die den Bund mit Gottbricht, gibt es einige, die sich für mich undmeine Worte schämen. Für die wird sichauch die himmlische Menschengestalt schä-men, wenn sie im Strahlenglanz Gottes mitden heiligen Engeln kommt.“Dies hat überhaupt nichts mehr mit dem

Urtext zu tun, sondern das ist ein gesell-schaftspolitisches Pamphlet, in dem dieGrundlagen des Christusbekenntnisses auf-gehoben sind.

Die Kirchenväter wie Irenäus von Lyon,Gregor von Nyssa (s.o.), Gregor von Nazi-anz, Augustin und alle ihnen folgenden rech-ten Lehrer der Kirche haben immer daraufhingewiesen, dass die Namen Gottes nichteinfach Eigenschaften sind, die aus mensch-

lichen Vorstellun-gen auf Gott über-tragen werden, sondern in ihnen offenbarensich die wesenhaften Beziehungen (scheseis– relationes) zwischen den trinitarischenPersonen. In ihnen offenbart sich das Wesen

(Homousie) der DreieinigkeitGottes. Grundlegend offenbartsich in der Beziehung Gott Va-ter – Gott Sohn die Gemein-schaft des Wesens als Gott unddie Differenz der Personen ineinem Ich-Du-Verhältnis, wiees sich gerade bei der Taufe vonJesus und bei seinen Gebeten

manifestiert.Sowohl die Auseinandersetzung mit der

Gnosis, z. B. bei Irenäus von Lyon18 wieauch die sog. christologischen und trinitari-schen Streitigkeiten des 4. Jahrhundertswurden durchweg dadurch ausgelöst, dassneu entstandene theologische Lehren derAnbetung des Dreieinigen Gottes im Got-tesdienst der Gemeinde widersprachen. Eswurde also keineswegs eine Trinitätslehreoder Christologie entwickelt, sondern dieIntegrität des christlichen Gottesdienstes mitdem Lobpreis des Dreieinigen Gottes undder Taufe als realer Gemeinschaft mit Gottmussten verteidigt werden. Deshalb sind diechristologisch-trinitarischen Abgrenzungenstets auch mit Taufe und Abendmahl ver-bunden. So ging es durchweg darum, dieseRealität der Gemeinschaft mit dem WesenGottes festzuhalten. Gegenüber Arius wirddabei die falsche Auffassung vom SohnGottes energisch zurückgewiesen: „Auchwenn er als Gott bezeichnet wird (nämlichim Gottesdienst der Gemeinde), ist er dochnicht wahrhaftiger Gott“19. Hier begegnetdie Vorstellung von einer Übertragung von

Reinhard Slenczka34Bibel undGemeinde

2/2007

In den Namen Got-

tes offenbaren sich

die wesenhaften

Beziehungen

zwischen den trini-

tarischen Personen

18 Adversus Haereses.19 Athanasios von Alexandria, Oratio 1 adversus Arianos. C 6: ei de kai legetai theos, all' ouk alä-

thinos estin.

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Gottesbezeichnungen, denenkein reales Sein entspricht. In

gleicher Weise wird in der Confessio Augus-tana Art. I von der Einheit des Wesens undder Dreiheit der göttlichen Personen betont:„dass ein göttlich Wesen sei, welches ge-nennt wird und wahrhaftiglich ist (quae ap-pellatur et est) Gott, und seind doch dreiPersonen in demselben einigen gottlichenWesen, gleich gewaltig, gleich ewig, GottVater, Gott Sohn, Gott heiliger Geist, alledrei ein gottlich Wesen…“

Wenn man sich vor Augen führt, wiemit diesen falschen Übersetzungen das un-terschiedene Sein Gottes nicht nur aufgeho-ben, sondern durch weibliche Elemente ausder menschlichen Erfahrungswelt verändertund ersetzt wird, dann wir deutlich, dass da-mit der „magnus consensus“ mit der altenKirche und der gesamten rechtgläubigenChristenheit, der in CA I ausdrücklich be-tont und sorgfältig nachgewiesen wird,durchweg willkürlich zerbrochen ist.

5.3 Der Heilige Geist.

Es ist immerhin bedenkenswert, dass dieWörter für „Geist“ im Hebräischen feminin,im Griechischen neutrisch und im Lateini-schen wie auch im Deutschen und vielen an-deren Sprachen maskulin sind. Unter demZwang der ideologischen Vorgaben heißt esaber nun meistens: „die Geistkraft“. Auch dieBezeichnung der Person wird anonym gefasst,und das wird verbunden mit der Behauptung:„In nachbiblischer Theologie wird die Geist-kraft zu einer Person der göttlichen Dreifaltig-keit (Trinität)…“ (2377). Abgesehen davon,dass die altkirchlichen Konzile keineswegsneue Dogmen produzierten, sondern, wie ge-rade gezeigt, die Integrität des Glaubens in derEinheit des Geistes vor allem für den Gottes-dienst festhielten und gegenüber Irrlehren ab-grenzten (definierten), liegt auch hier wie bei

manchem anderen einfach man-gelnde Kenntnis der Schrift vor.Denn als Person und damit als Subjekt begeg-net uns der Geist als paraklêtos Joh 14, 16. 26;15, 26; 16, 7) sowie Röm 8, 16; 26f, wenn erfür uns eintritt und uns vor Gott vertritt. An al-len diesen Stellen wird jedoch dieser theolo-gisch und grammatisch eindeutige Sachver-halt plattgewalzt mit „die Geistkraft“.

6 Das Bilderverbot Ex 20, 4-6; Dtn 5, 8-10;4, 9-20

Luther hat in seinen Katechismen daszweite Gebot biblischer Zählung keineswegs,wie selbst von Theologen gelegentlich be-hauptet wird, gestrichen. Er hat es vielmehrmit dem ersten Gebot zusammengefasst unddie umfangreiche Sanktion mit Zorn undGnade als „Beschluss“ des Dekalogs imKleinen Katechismus und als Anhang zurAuslegung des ersten Gebots im Großen Ka-techismus eingefügt: „Du sollst dir kein Bild-nis noch irgendein Gleichnis machen…“ Derbiblische Kommentar zum Bilderverbot inDtn 4 schärft das ein: Gott begegnet seinemVolk im Wort, das gehört wird und geschrie-ben ist: „Seine Worte hörtet ihr, aber ihr sahtkeine Gestalt, nur eine Stimme war da. Under verkündete euch seinen Bund, den er euchgebot zu halten, nämlich die Zehn Worte, undschrieb sie auf zwei steinerne Tafeln“ (V.12-13). Gott begegnet seinem Volk aber nichtim Bild von dem, was er geschaffen hat. Des-halb wird mit aller Strenge gewarnt: „So hüteteuch nun wohl – denn ihr habt keine Gestaltgesehen an dem Tage, da der Herr mit euchredete aus dem Feuer-, dass ihr euch nichtversündigt und euch irgendein Bildnis macht,das gleich sei einem Mann oder Weib…“ (ge-nau muss es auch hier wie Gen 1, 27 heißen:männlich und weiblich. (V. 15-16).

Wenn man nun vor Augen hat, in wel-cher Weise in dieser Ausgabe der Heiligen

Die Anbetung der Weiblichkeit Gottes und das Bilderverbot 35Bibel undGemeinde

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Schriften die Namen Gottesverändert und durch andere er-

setzt worden sind, dann ist zunächst festzu-stellen, dass durchgehend Übertragungenaus dem Bereich von Gottes Schöpfung vor-genommen worden sind. Auf diese Weiseschafft sich der Mensch einen Gott nach sei-nem eigenen Bildnis.

Nun wird immer wieder auf Texte hinge-wiesen, in denen weibliche Verhaltensweisenmit Gott verbunden werden wie z. B. „Ichwill euch trösten, wie einen seine Mutter trös-tet“ (Jes 66,13) oder: „Kann auch ein Weibihres Kindleins vergessen, dass sie sich nichterbarme über den Sohn ihres Leibes? Und obsie seiner vergäße, so will ich doch deinernicht vergessen“ (Jes 49,15). An diesen undähnlichen Stellen geht es jedoch um Verglei-che oder Metaphern, nicht jedoch um Gleich-setzungen20. Wenn dies nicht beachtet wird,kommt es unweigerlich zu einer Übertretungdes Bilderverbots mit allen seinen Folgen.

Wenn durchgehend die BezeichnungenHerr, Vater ersetzt werden, dann geschiehtdies erklärtermaßen deshalb, weil man meint,auf diese Weise Unrecht wieder gut machenzu können. Begründet wird das in der feminis-tischen Theologie immer mit negativen Erfah-rungen in Ehe und Familie, die es ja durchausgeben mag. Doch dabei wird offenbar völligübersehen, dass man vorhandene oder einge-bildete soziale und politische Missstände nichtdadurch verändern kann, dass man andereGottesbilder produziert. Vielmehr wird aufdiese Weise genau die Grundlage aus demWort Gottes aufgehoben, von der aus, begin-nend mit Gen 1,27, gezeigt werden kann, wasin unserem Leben dem Willen Gottes zuwiderist. Andernfalls setzt sich der Mensch an dieStelle Gottes (Gen 3), auch in der Meinung, erkönne alle Folgen des Sündenfalls in dieserWelt bekämpfen und beseitigen.

Allerdingsmuss man auch se-hen, wie bei diesen Veränderungen und Er-setzungen in den Gottesnamen das Person-sein des Dreieinigen Gottes aufgelöst wird inBegegnungen, Gefühle und Erfahrungen,wie es das Kennzeichen aller Gnosis ist. Gottwird entmachtet, indem er seiner Herrschaftberaubt wird, nach der er Schöpfer, Erhalter,Richter und Retter der Welt und aller Men-schen ist, den wir als solchen „über alle Din-ge fürchten, lieben und vertrauen“ sollen.

Die ausgewählten Beispiele für die dog-matische Beurteilung bilden nur einen klei-nen Ausschnitt aus einem Gesamtbefund vontheologischen und philologischen Fehlern. Inden bisher vorliegenden Äußerungen zu der„Bibel in gerechter Sprache“ zeigt sich, wieman sich darüber entweder empören oderlustig machen kann. Nach meiner Einsichtkommt es jedoch in erster Linie darauf an zusehen, was an diesem Projekt symptomatischist für das, was bei uns in Theologie und Kir-che weit verbreitet ist. Kirchenleitungen, diedieses Projekt unterstützt haben und weiter-hin fördern, müssen sich vorwerfen lassen,dass sie damit die Kirche und den christlichenGlauben zerstören. Wie jedoch nichts ohneGottes Willen geschieht, so sollte uns auchdiese Bibelausgabe die Augen öffnen für das,was wir in der Lehre und daher weithin auchim Gottesdienst einfach verloren haben. Diesaber ist keineswegs eine Frage theologischerRichtungen und Schulen, sondern des theolo-gischen Grundwissens. Die ernste Frage zurPrüfung von uns selbst ist, ob der DreieinigeGott, den wir bekennen, anbeten und verkün-digen, nur ein Gedankenprodukt von Theolo-gen ist, oder ob er sich selbst in seinem Wortder Heiligen Schriften Alten und Neuen Te-staments offenbart, zu uns spricht und an unsund dieser Welt handelt. �

Reinhard Slenczka36Bibel undGemeinde

2/2007

20 Man wird wohl (hoffentlich) auch nicht auf den Einfall kommen, den Vergleich von Ps 78, 65fmit Gott gleichzusetzen.

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Vielen Dank für die neu eingesandten Fragen, diewir hier abdrucken mit der Bitte, sich an der Beant-

wortung zu beteiligen. Je nach dem drucken wir einzelne Ant-worten im kommenden Heft von „Bibel und Gemeinde“ oder fassen mehrere zusammen.Leider erreichen mich gelegentlich Fragen per E-Mail, aus denen nicht der Name des Fra-gestellers hervorgeht. In der Regel drucken wir Fragen nur mit dem Namen. Ausnahmenmachen wir nur dann, wenn eine Frage sich erst aus den Einsendungen mehrerer Leser er-geben hat und die Formulierung zuletzt redaktionell bearbeitet wurde. Antworten ohne Na-mensnennung können aber prinzipiell nicht abgedruckt werden.

1Kor 14,29 heißt es: „Propheten abersollen zwei oder drei reden, und die an-deren sollen beurteilen“. Ich beobachte

zwei Extreme: die einen sagen, es gebe mitdem Abschluss des Neuen Testaments garkeine Prophetie mehr; die anderen verehrendie „neuen“ Propheten als spräche Gott di-rekt vom Himmel. Welche praktische Be-deutung hat die Anweisung von Paulus heu-te?

Die Geschichte von der OpferungIsaaks erinnert sehr an heidnischeMenschenopfer. Mein Religionsleh-

rer sagte kürzlich, dass die Opferungsge-schichte aus heidnischen Erzählungen über-nommen sei. Er sagte unter anderem: „Mirgefällt nicht, dass Abraham nicht wenigs-tens verhandelt, bittet und fleht, sondernhandelt, als wäre es normaler Teil seinerKultur, sein Kind zu opfern.“ Muss man sa-gen, dass diese Geschichte heidnischen Ur-sprungs ist oder Abrahams Bindung im Hei-dentum widerspiegelt?

Wie kann man es erklären, dass Si-mon der Aussätzige in Mt 26,6 imHaus war, wo Aussätzige doch vor

die Stadt müssen? Stimmt die Erklärung,dass das Matthäusevangelium oder sogardas ganze Neue Testament einen hebräi-schen bzw. aramäischen Vorläufer hatte und

dass es sich bei „derAussätzige“ um einenÜbersetzungsfehlerhandelt?

Jesus sagte: „Ichwerde von nun annicht mehr von die-

sem Gewächs des Wein-stocks trinken, bis zuJENEM TAG, da ich esneu MIT EUCH trinkenwerde, in dem Reichmeines Vaters“ (Mt 26,29; Mk 14,25; Lk22,18). Einerseits blicktJesus bei diesem Mo-ment zurück auf dasPassah und die Befrei-ung aus Ägypten. Ande-rerseits blickt er in eineferne Zukunft. Meine Frage lautet: Wird die-ses zukünftige „Weingelage“ im 1000-jährigen Reich sein oder danach? Was fürein Tag wird JENER TAG sein? Könnte dieStelle in Jesaja 25,6b von dem selben Ereig-nis sprechen? Spricht die Stelle von einemzukünftigen Abendmahl in der Ewigkeit?

Stefan TaubeReutlingen

Thomas Jeising

Thomas Jeising Jg.1963, verh., drei Kin-der, hat 1991 das Stu-

dium an der FreienTheologischen Akade-mie abgeschlossen. Erist Prediger und Stell-

vertretender Vorsitzen-der des Bibelbundes.

Anschrift:Steinweg 6, D-34576

Homberg/EfzeEmail: jeising@

bibelbund.de

Neue Fragen

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Rinder oder Kürbisblätter?

1 Das Problem

Das große Wasserbecken im Tempel Sa-lomos, das einen Durchmesser von fünf Me-tern hatte, war unterhalb seines Randes mitzwei Reihen von eingegossenen Schmuck-elementen verziert, die nach 1Kö 7,24 dieForm von Koloquinten(blättern) REÜ hatte.Nach 2Chr 4,3 bestanden diese Schmuck-elemente aber aus Rindern.

2 Die Lösung

Die beiden hebräischen Worte in 1Kö7,24 (péqå`îm) und 2Chr 4,3 (béqårîm) sindsehr ähnlich. Deshalb könnte es sich in 1Kö7,24 vielleicht um einen Abschreibfehlerhandeln. Doch das gleiche Wort taucht nocheinmal in 1Kö 6,18 in anderem Zusammen-hang auf.

In 2Chr 4,3 werden die Gebilde nicht di-rekt als Rinder beschrieben, sondern als rin-derähnliche Formen. Offenbar waren sie sostark stilisiert, dass man auch etwas anderesdarin erkennen konnte. In 1Kö 7,24 werdensie deshalb als péqå`îm wiedergegeben. Das

Wort kommt sonst nurnoch einmal in der Bi-bel vor und zwar in 1Kö6,18, wo es die Schnit-zereien in der Täfelungdes Tempels im Zusam-menhang mit Blüten-kelchen beschreibt. Esist aber nicht sicher zudeuten. Es könnte alsKoloquinte (wilderKürbis mit apfelgroßenFrüchten) verstandenwerden oder einfach alsBuckel, wie es MartinBuber übersetzt.

3 Das Ergebnis

Die Verzierungen, die um das großeWasserbecken herumliefen, waren Buckelmit Strichen, die man als stilisierte Rinderauffassen konnte (Kopf mit Hörnern) oderals Kürbis mit Ranken.

______________________

Tödliche Bundeslade1 Das Problem

1. Samuel 6,19 (NeÜ) „Doch Jahweschlug die Leute von Bet-Schemesch,weil sie sich die Lade Jahwes angeschauthatten. Siebzig Männer mussten ster-ben.“

1.1 Wie viele Menschen sind durch den Anblickder Bundeslade gestorben?

Die meisten hebräischen Handschriftenund die Septuaginta überliefern, dass derAnblick der Bundeslade 50 070 Menschenaus Bet-Schemesch das Leben kostete. Nur

Karl-Heinz Vanheiden38Bibel undGemeinde

2/2007

Karl-HeinzVanheiden

Karl-Heinz Vanheiden,Jg. 1948, verh., zwei

erw. Kinder, seit 1989Bibellehrer im Reise-

dienst der Brüder-Gemeinden, seit 1998

Schriftleiter von „Bibelund Gemeinde”.

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wenige hebräische Handschrif-ten überliefern die Zahl 70 al-

lein.

1.2 Haben sie in die Bundeslade hineinge-schaut?

Viele englische Übersetzungen1 undKommentare2 schreiben im Gegensatz zuden meisten deutschen Übersetzungen, dassdiese Menschen die Bundeslade nicht nurgesehen, sondern in sie hineingeschaut hät-ten.

2 Die Lösung

2.1 Bei den 50 000 handelt es sich um einenÜberlieferungsfehler.

2.1.1 Dafür spricht die fehlerhafte Grammatik

Normalerweise wird eine große Zahl imHebräischen so geschrieben, dass die größe-re Zahl zuerst kommt. Es hätte zuerst dieFünfzigtausend, dann die Siebzig genanntwerden müssen. Im hebräischen Text dermeisten Handschriften ist es aber umge-kehrt.

Vor allem aber fehlt das verbindende„und“ zwischen beiden Zahlen, die so kei-nen Sinn ergeben.

Außerdem gibt es einige hebräischeHandschriften, die nur von siebzig Getöte-ten sprechen.

Es muss sich also um eine Randbemer-kung handeln, die bei einer sehr frühen Ab-schrift in den Text hineingekommen ist, so-

dass sie sogar von der Septua-ginta übernommen3 wurde.

2.1.2 Dafür spricht der Bericht des Josephus.

Flavius Josephus, der jüdische Histori-ker aus der Zeit des Neuen Testaments,schreibt in seiner Erzählung von diesen Er-eignissen nur von siebzig Getöteten und er-wähnt die 50 000 überhaupt nicht.4

2.1.3 Dafür spricht die Zeitgeschichte

Es ist praktisch undenkbar, dass damalsin dieser kleinen Stadt Bet-Schemesch50 000 Menschen wohnen konnten. Solchgroße Zahlen waren im 12. Jahrhundertv.Chr. selbst für Hauptstädte unerhört. DerText erwähnt auch keine Volksversammlungaus der weiteren Umgebung.

2.2 „Hineinschauen“ statt „anschauen“ istsprachlich möglich

Sprachlich ist es möglich, den Text so zuverstehen, dass die Menschen in die Ladehineingeschaut hätten.5 Auch der Textzu-sammenhang spricht dafür, denn die Ladekonnte ja die ganze Zeit von allen Menschenangesehen werden. Es lag keine Decke da-rüber wie bei ihrem Transport in der Wüste.Auch mehrere Rabbinen erklären den Textso.Andererseits wäre es erstaunlich, dass ein sounerhörter Vorgang wie das Öffnen der Bun-deslade nicht im Text erwähnt ist. Der he-bräische Begriff bezeichnet „ansehen, bese-hen oder auf etwas sehen mit Lust oder

Biblische Probleme 39Bibel undGemeinde

2/2007

1 Z.B. NIV, NAS, ASV, AVS2 Z.B. Walvoord/Zuck, The Interlinear Bible, The NIV StudyBible3 Diese hat freilich den Anfang des Verses ganz anders wiedergegeben: „Die Söhne Jechonjas

freuten sich nicht mit den Leuten von Bet-Schemesch, dass sie die Lade Jahwes geschaut hätten...“

4 Josephus. Jüdische Altertümer, Buch 6, Kapitel 1, Absatz 4.5 Wenn das stimmt, wäre es ein weiteres Argument für den Überlieferungsfehler bei der Zahl

50 000. Denn es ist undenkbar, dass so viele Menschen in die Bundeslade hätten hineinschauenkönnen.

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Schadenfreude, und bezeichnethier ohne Zweifel ein mit der

Heiligkeit der Lade Gottes unverträglichesvorwitziges Angaffen …“6

3 Das Ergebnis

Das Geschehen ist eine Demonstrationder Heiligkeit Gottes, die leichtfertige Neu-

gier bestraft. DieBundeslade wardas Symbol für die Gegenwart Gottes unterseinem Volk. Nach 4. Mose 4,5.15.20 durfteaußer den Priestern niemand auch nur einenAugenblick das Heilige sehen. Hier kostetedas Ansehen oder sogar das Hineinsehensiebzig Männern das Leben.

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Warum tadelte Gott Israel,als es einen König wollte?

1 Das Problem

Als die Führer Israels von Samuel ver-langten, einen König über sie einzusetzen,sagte Gott zu ihm: „Hör auf alles, was siedir sagen. Denn dieses Volk lehnt nicht dichab, sondern mich. Ich soll nicht länger ihrKönig sein.“ (1Sam 8,7)

Dabei hatte Gott doch schon Abrahamversprochen, dass Könige von ihm abstam-men würden (1Mo 17,6). Die prophetischenWorte im Jakobssegen zeigen, dass derkünftige Herrscher aus dem Stamm Judakommen sollte (1Mo 49,10). Und schließ-lich hatte Gott im sogenannten Königsge-setz (5Mo 17,14-20) schon einige hundertJahre vorher Richtlinien für einen König inIsrael festgelegt.

Weshalb war es nun falsch, dass Israeleinen König wollte?

2 Die Lösung

Der Zusammenhang von 1Sam 8 undvon 5Mo 17 lässt verstehen, warum der

Wunsch des Volkes praktisch eine Ableh-nung Gottes war.

2.1 Die Motive des Volkes waren pragmatisch

Die lange Herrschaft der Richter zeigteimmer wieder nur die Uneinigkeit des Volkesund erschien insgesamt als uneffektive undwenig erfolgreiche Regierungsmethode. Da-zu kam das schlimme Verhalten der derzeiti-gen Richter, der Söhne Samuels, die sichdurch ihr Amt bereicherten und bestechlichwaren (1Sam 8,3). Dem wollten sie durch ei-nen König abhelfen.

2.2 Die Motive des Volkes waren weltlich

Gott hatte Israel aus allen anderen Völkernausgewählt und zu einem heiligen Volk fürsich bestimmt, weil er es liebte und zu sei-nem Wort stand (5Mo 7,6-8). Es sollte sichdeutlich von den anderen Völkern unter-scheiden (4Mo 23,9).

Jetzt wollten die Israeliten aber aus-drücklich einen König, weil es bei den ande-

Karl-Heinz Vanheiden40Bibel undGemeinde

2/2007

6 Keil/Delitzsch: Die Bücher Samuels. S. 52

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ren Völkern so üblich war(1Sam 8,5). „Nein, wir wollen

einen König!“, riefen sie. „Dann werdenwir wie die anderen Völker sein: Unser Kö-nig wird uns richten, er wird vor uns herzie-hen und uns im Krieg anführen.“ (1Sam8,19f.)

2.3 Ihre Forderung ließ Gott völlig außer Acht

Im Königsgesetz war ausdrücklich vorge-schrieben, dass nur der König werden durf-te, den Gott ausgewählt hatte (5Mo 17,15).

Als die Ältesten Israels zu Samuel ka-men, fragten sie nicht nach Gott und seinerFührung, sondern forderten einen Königvon Samuel. Darin zeigt sich, dass sie dieHerrschaft Gottes über Israel abgelehnt hat-ten, wie es Gott ihnen dann auch vorwarf.Sie hatten Gott praktisch beiseite gesetzt.

Sie hatten völlig ignoriert, dass Gott siebeschützte und führte, nicht Samuel. Von

daher lehnten sie nicht Samuel,sondern Gott ab. Dadurch wür-den sie viele ihrer Freiheiten verlieren(1Sam 8,11-18).

3 Das Ergebnis

Gott tadelte sein Volk nicht, dass es ei-nen König wollte, sondern dass es ihn unab-hängig von ihm haben wollte und dass ihrMotiv darin bestand, dem Vorbild der heid-nischen Völker zu folgen.

Dass Gott ihnen dann zunächst Saul alsKönig gab, der nicht aus dem Stamm Judawar, sollte ihnen einerseits zeigen, dass siedoch auf Gott angewiesen waren, sie ande-rerseits auch etwas von den Folgen ihres ei-gensinnigen Handelns spüren lassen (alsdieser König dann Gott ungehorsam wurde)und sie schließlich darauf vorbereiten, denKönig anzuerkennen, der „nach dem HerzenGottes war“, David. �

__________________________

Der jetzige Leiter des Weißen Kreuzes inKassel, Rolf Trauernicht, spricht sich ge-gen die so genannte „Renter-Ehe” aus(Idea 5/2007 „Wenn Rentner in wilderEhe leben”), der frühere Leiter GerhardNaujokat aber plädiert dafür (Idea7/2007 „Vor Gott heiraten ohne Standes-amt”) und sieht sich durch eine bevorstehende Änderung des Personenstandsgesetzes er-mutigt. Dadurch wird es ab 1.1.2009 nicht mehr verboten sein, eine gottesdienstliche Trau-ung ohne rechtsverbindliche Eheschließung vorzunehmen.

Schaut man sich die Argumente an,könnte man meinen, die Sache mit derEhe sei offen und die biblischen Leitli-

nien frei auslegbar. Wer aber genauer hin-schaut, hat bemerkt, dass die seit Jahren an-haltende Diskussion um eine Befürwortungeiner „Ehe ohne Trauschein” für Rentnerohne Orientierung an den biblischen Leitli-

nien auszukommen scheint. Stattdessenkommt es bei den evangelikalen Befürwor-tern einer Lebensgemeinschaft von Rentner-paaren zu einer Inflation von Bezeichnun-gen: „Kirchen-Ehe”, „gesegnete Rentner-Partnerschaft”, „Seniorenehe”, „Rentner-Ehe”, „Alt-Ehe”. All das zeigt nur, dass dieEinführung eines Traugottesdienstes für un-

„Seniorenehe“ 41Bibel undGemeinde

2/2007

Weiter Vielstimmigkeit zur„Seniorenehe” trotz

Eindeutigkeit der Bibel

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verheiratete Rentner, die aufdiese Weise vor ihren christli-

chen Geschwistern als verheiratet, aberbeim Staat als unverheiratet gelten wollen,ein direkter Angriff auf die göttliche Ehe-ordnung darstellt. Wer darüber noch er-schrocken ist, dass Gerhard Naujokat geist-liche Hemmschwellen mit staatlichen Ge-setzen abbauen will, dem kann man nur eingesundes Empfinden bestätigen.

Wer sich aber die Mühe macht, das bi-blische Eheverständnis genauer unter dieLupe zu nehmen, wird sofort feststellen,dass die „Rentner-Ehe” keine Ehe darstellt,sondern ein Konkubinat, also das unverhei-ratete Zusammenleben gegen Gottes Ord-nung. Damit ist sie Unzucht. Ehe ist nämlich– anders als das verbreitete Empfindenmeint – nicht in erster Linie die private Lie-bes- und Vertrauensgemeinschaft von Mannund Frau, die die Gesellschaft eigentlich garnichts angeht. Sie ist vielmehr ein von Gotteingesetzter Bund mit rechtlichen Auswir-kungen. Diese betreffen neben der Familieder Eheleute die gesamte Gesellschaft.Wenn einzelne Gemeinden jetzt eine „Ehe”ohne rechtliche Auswirkungen schaffenwollten, allein auf der Grundlage einer un-verbindlichen Willenserklärung bis zum

Tod zusammenzu-bleiben, dann ste-hen sie damit ge-gen die Eheord-nung der Bibel.Nach der Bibelschafft eine Ehe-schließung neueVerwandtschafts-beziehungen. Siehat einen verbind-lichen Anfang undEnde und ist aufLebensdauer an-gelegt. Sie zieht

die Verpflichtungnach sich, dass dieEhepartner füreinander sorgen. Sie spiegeltin ihrem Bundescharakter den Bund wider,den Gott mit seinem Volk und durch Jesusmit allen Glaubenden geschlossen hat. Ohneden Rechtscharakter der Ehe wäre das un-denkbar. Wer andere Eheformen schaffenwill, stellt sich gegen Gott. Ganz gleich obdas unwissend geschieht oder sogar wohl-meinend. Gottes Ehre ist von jeder Formvon Unzucht und Ehebruch betroffen.

Christen müssen also um der Ehre Got-tes willen zum Ehebeginn öffentlich heira-ten. Dazu reicht in unserem Staatswesenaber ein Gottesdienst nicht aus. Das war frü-her sicher anders. Aber gerade weil derTraugottesdienst nicht mehr den öffent-lich-rechtlichen Charakter hat, kann das Per-sonenstandsgesetz jetzt geändert werden.Damit will der Gesetzgeber, anders als Ger-hard Naujokat es versteht, nicht dazu ermu-tigen, scheinbare Eheschließungen in derKirche vorzunehmen, sondern er sieht in derkirchlichen Trauung keine Konkurrenzmehr zum Eintrag in ein staatliches Ehere-gister. Es ist schon eigenartig, dass mancheChristen einen Ehebeginn wie im Mittelalterherbeiwünschen, aber gleichzeitig alle Vor-teile des modernen Meldewesens in An-spruch nehmen.

Besonders erschreckend ist, dass wirdie Diskussion nur aus einem Grund haben:es geht um’s Geld. Witwen wollen ihre Wit-wenrente nicht verlieren, obwohl die nur fürden Fall gedacht ist, dass eine Witwe keineandere Versorgung hat. Wenn sie wiederheiratet, ist diese aber durch ihren Mann ge-sichert. Manche Rentner im Konkubinatfürchten auch die Auseinandersetzung mitihren Kindern, die auf das Erbe warten, dasmit einer Heirat mindestens zum Teil demneuen Ehepartner vererbt würde. Aber viel-leicht hat auch Rolf Trauernicht recht, wenn

Thomas Jeising42Bibel undGemeinde

2/2007

• Diskussion ohne bibli-

sche Leitlinien

• Geistliche Hemm-

schwellen durch staat-

liche Gesetze abbauen

• „Rentner-Ehe“ ist ein

Konkubinat

• Diskussion hat nur ei-

nen Grund: Geld

• Gemeindezucht in Ehe-

fragen wird unmöglich

gemacht

K O M P A K T

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er diese Gründe vielfach fürvorgeschoben hält: vielleicht

sucht mancher wirklich nur ein Mäntelchenfür sein unzüchtiges Leben. Ichwill es nicht glauben. Nur kanndie Lösung nicht das Abwägenvon Vor- und Nachteilen sein.Christen können doch unmög-lich ihr Verhalten in Ehedingendavon abhängig machen, welcheVor- oder Nachteile es ihneneinbringt. Man stelle sich diesesPrinzip nur einmal auf andereethische Fragen angewendetvor.

Mir scheint, dass geschätzteLehrer der Gemeinde, zu denenich Gerhard Naujokat zähle, nicht wahrneh-men, was sie mit ihren Äußerungen anrich-ten. Sie ermutigen immer mehr Paare unver-heiratet zusammenzuleben, was – gewolltoder nicht – zu einer weiteren Entwertungder Ehe in der christlichen Gemeinde führt.Wie soll sie da Salz der Erde bleiben? Ge-meindezucht in Ehefragen wird durch dieseneue Beliebigkeit beim Eheanfang und -en-de beinahe unmöglich gemacht. Junge Paarewerden sich entgegen allen Beteuerungenein Vorbild nehmen oder sich in ihren Plä-

nen zum freien Zusammenle-ben nur bestätigt sehen. Seel-sorger, die sich darum mühen, Menschen

zum Vertrauen auf Gottes Wortund auf seine Fürsorge zu führen,müssen sich sagen lassen, sie sei-en unbarmherzig. Und Gemein-deleiter werden phantasievoll,wenn es um die Ausnutzung desSozialstaates geht.

In der Vielstimmigkeit derDiskussion sollte endlich wiederdeutlich der Ruf zu hören sein,die Bibel aufzuschlagen undwahrzunehmen, was Gott dort un-missverständlich und eindeutigzur Ehe sagt. Und dann lasst uns

Gott damit ehren, dass wir ihm vertrauen undgehorsam sind, auch wenn es uns Nachteilebringt oder sogar weh tut.

Thomas Jeisingstellv. Vorsitzender des Bibelbundes

In Bibel und Gemeinde 3/2006 hat sich Tho-mas Jeising mit allen Argumenten für die sogenannte Rentner-Ehe auseinandergesetztund gibt zahlreiche Hinweise für Seelsorger.Der Artikel kann auch als Sonderdruck beimBibelbund e.V. Berlin bestellt werden. �

___________________________

Baptistischer Theologe schafft sicheigene Wahrheit

Mit seiner neuesten Fundamentalis-tenschelte beweist der Kirchenhis-toriker und Ökumenewissen-

schaftler Prof. Erich Geldbach erneut, wie

kreativ er mit historischer Wahrheit umgeht.Wie er am 24. Januar bei einer Pfarrerfort-bildung in Bensheim7 darlegte, habe Jesusbereits Bibelkritik geübt und das Alte Testa-

„Seniorenehe“ 43Bibel undGemeinde

2/2007

Der Gesetzgeber

will nicht zu

scheinbaren Ehe-

schließungen in der

Kirche ermutigen,

sondern sieht darin

keine Konkurrenz

mehr zum Eintrag

in ein staatliches

Eheregister

7 Quelle: Idea Pressedienst 25.01.2007/12:34

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ment dabei massiv in Frage ge-stellt. Als Beweise sollen aus

dem Zusammenhang gerissene Bruchstückeder Bergpredigt dienen. Und so kreativ wieer mit der Bibel umgeht, kann er auch diehistorische Wahrheit über die Entstehungund die Lehren des so genannten „Funda-mentalismus“ nach seinem Belieben for-men. Dabei könnte Geldbach leicht erfah-ren, dass etwa der Bibelbund, den er als Trä-ger des Fundamentalismus angreift, älter istals dessen Ursprung in den USA. An seinemAnfang standen deutsche lutherische Theo-logen, die die Überzeugung von der Unfehl-barkeit der Heiligen Schrift gegenüber derBibelkritik neu betonten. Außerdem prägtdie Lehre von der Unfehlbarkeit der Schrift– wenn auch in unterschiedlicher Ausprä-gung – den gesamten Pietismus und die heu-tige evangelikale Bewegung. Aber dasscheint Geldbach nicht in sein frei entworfe-nes Geschichtsbild zu passen.

Und so geht es im Blick auf die Bibelmunter weiter: Die Fundamentalisten wür-den, so führt Geldbach aus, willkürliche Kri-terien zum Maßstab für Rechtgläubigkeitmachen. Dazu gehörte unter anderem eineverkürzte Darstellung des Kreuzesgesche-hens als Sühneopfer, ein Fürwahrhalten vonWunderberichten und das Rechnen mit der

leiblichenWiederkunftvon JesusChristus. Ab-gesehen da-von, dassGeldbach alsHistorikerwissen müss-te, dass dievon ihm auf-gezählten Kri-terien nichtwillkürliche

Erfindungen vonFundamentalistensind, sondern beinahe den gesamten Stromder Christenheit seit ihren Anfängen be-stimmt, fragt man sich wie Geldbach sichseine Bibel zurecht gemacht hat. Hat er nichtPaulus gelesen? Und was hält er eigentlichvon der Auferstehung des Herrn? Er machtnur deutlich, dass er offenbar weder anWunder noch an eine Auferstehung glaubt,weder an die von Jesus Christus noch an dieam Ende der Zeit. Hat er noch nie 1. Korin-ther 15 gelesen? Was für eine Hoffnungkönnte solch ein Mann bei einer Beerdigungden Angehörigen vermitteln? Der TheologePaulus hat anders geglaubt und gelehrt alsder Theologe Geldbach.

Von einem Historiker erwartet man,dass er Quellen erforscht und das hätte indiesem Fall bedeuten können, einmal beimBibelbund anzurufen und nachzufragen, obdieser wirklich Geld, Mitarbeiter, Literaturund Ideen aus den USA bekommt. Mal da-von abgesehen, dass einige Mitglieder desBibelbundes auch englischsprachige theolo-gische Literatur lesen und der Bibelbund diein Amerika formulierte Chicago-Erklärungteilt, ist der Bibelbund genauso wenig vonAmerika finanziert oder gesteuert, wie deut-sche Evangelikale Schweizer sind, weil siedie Lausanner Erklärung unterschrieben ha-ben. Aber Geldbach scheint es – obwohl erÖkumenewissenschaftler sein will – nichtnötig zu haben, mit der weltweiten Christen-heit im Austausch zu stehen. Er scheint mitder Welt seiner eigenen Ideen und Wahrhei-ten zufrieden zu sein. Da kann man nur hof-fen, dass die Pfarrer in Bensheim sich nichtvon solch einer Theologie haben prägen las-sen.

Karl-Heinz Vanheiden, Schriftleiter von„Bibel und Gemeinde“

Thomas Jeising, stellv. Vorsitzender desBibelbundes

Eigene Wahrheit44Bibel undGemeinde

2/2007

Ist das etwa kein Maßstab

mehr für Rechtgläubigkeit:

• das Geschehen am Kreuz

als Sühnopfer zu sehen,

• das Fürwahrhalten von bi-

blischen Wunderberichten,

• das Rechnen mit der leibli-

chen Wiederkunft von Je-

sus Christus?

K O M P A K T

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Wer oder was sind die Jesus Freaks?Übersetzen wir diesen Namen ins Deut-

sche, dann müssen wir von „Jesus-Fanatikern“ reden,von verrückten Typen für Jesus. Sie selbst sagen: „Jesus Freak sein ist ein Lebensgefühl.Freak sein, bedeutet, ausgeflippt, schräg, verrückt zu sein. Freaks sind Leute, die eher ge-gen den Strom der Gesellschaft schwimmen, die anders sein wollen. Insofern ist also jederechte Christ ein Jesus Freak. Jesus ist der ultimativ wichtigste Teil des Ganzen. (...)“1

Die Jesus Freaks sind eine Bewegung,die in ganz Deutschland (auch in Ös-terreich und der Schweiz) zu finden

ist. Auch in unserem näheren Umfeld sindsie aktiv. So mancher Jugendlicher aus unse-ren Gemeinden hat schon Kontakt mit JesusFreaks gehabt. Der Apostel Paulus schreibtuns, wir sollen alles prüfen, aber nur das Gu-te behalten (1Thess 5,21).

In diesem Referat wollen wir sehen, werdie Jesus Freaks sind, wie sie leben und wassie lehren. Am Schluss soll eine kritischeBeurteilung dieser Bewegung stehen.

1 Eigendarstellung der Jesus Freaks

Wenn wir wissen wollen, wer die Jesus Fre-aks sind, dann ist es nur recht und billig,wenn wir sie selbst zu Wort kommen lassen.In einer Broschüre der Jesus Freaks unterdem Titel: „Uns über wir“, stellt sich die Be-wegung selbst vor. Dort heißt es:

„Als Jesus Freaks behaupten wir, dass - trotzKreuzzügen, Hexenverbrennungen, lang-weiligen Kirchengottesdiensten, Geld schef-felnden Fernsehpredigern und all dem pseu-do-religiösen Getue - hinter der Sache mitJesus etwas Wahres und sehr Phantastischessteckt! Um ehrlich zu sein, glauben wir so-gar, dass es nichts Besseres auf dieser Weltgibt, als mit Jesus zu leben. Diese Beziehungzu Ihm ist der Sinn des Lebens! Dabei gehtes nicht um Religion oder irgendwelcheWeisheiten und Lebensregeln, sondern viel-mehr um eine persönliche Beziehung zum

Schöpfer dieser Welt.Jesus hat als Sohn Got-tes auf dieser Erde ge-lebt. Er ist für unsereSchuld am Kreuz ge-storben und von den To-ten auferstanden und istder Einzige, der heutedie Mauer zwischen unsund Gott einreißen kann.Jesus ist der Weg zuGott. Wir erleben, dassdie Bibel Worte mit Ex-plosionskraft hat und inihren Aussagen über dasLeben und Gott absolutwahr ist. In diesem Buchstellt sich Gott den Men-schen vor und zeigt sei-nen einzigartigen Planfür die Menschheit - undfür jeden Einzelnen. Wirglauben, dass er sich inbesonderem Maße denVerstoßenen und Ar-men, die außerhalb derWertenormen unsererGesellschaft stehen, zu-gewandt hat. Als JesusFreaks wollen wir so le-ben, wie Jesus es vorge-lebt hat. Jeder kann sokommen, wie er ist, egalwelchen sozialen Hintergrund er hat. UnserZiel ist dabei nicht, nur Unterhaltung zu bie-

Die Jesus Freaks

Jörg Kubitschek

Jörg Kubitschek, Jg.1974 ist Pastor der

Evange-lisch-Lutherischen

Freikirche inSaalfeld undAltengesees.

Anschrift: Saalstr.19, 07318 Saalfeld

Mit freundlicherGenehmigung aus:

„Theol. Handrei-chung und Informa-tion“, hg. vom Do-

zentenkollegium desLuth. Theol. Semi-

nars in Leipzig2006/Heft 3. DerBeitrag wurde als

Vortrag am25.3.2006 bei der

Gemeindevorsteher-tagung der

Ev.-Luth. Freikirchein Zwickau-Planitz

gehalten und für denDruck überarbeitet

Die Jesus Freaks

1 Uns über wir, ohne Ort und Jahr, S. 15.

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ten oder Not zu lindern, sondernviele mit dem auferstandenen Jesus

bekannt zu machen.“2

Diese Eigendarstellung der Jesus Freakslässt uns aufhorchen. Ist nicht vieles vondem, was hier gesagt wird, auch unser Ziel?Wir werden im Folgenden zu prüfen haben,ob und wie dieses Ziel der Je-sus-Freaks-Bewegung von ihr umgesetztwird. Vorher aber wollen wir uns anschauen,woher diese Bewegung kommt.

2 Geschichte der Jesus Freaks

Die Jesus-Freaks-Bewegung ist noch relativjung. Nach eigenen Angaben (Uns über wir)

begann alles 1991 ineinem HamburgerWohnzimmer. Hiertrafen sich drei Leute,die gemeinsam „Bockauf Jesus hatten“.„Auf diesen Jesus, warensie abgefahren und woll-

ten ihn unbedingt in Aktion erleben. In diesemWohnzimmer fingen viele von uns das ersteMal ohne Hemmungen an zu beten. Wir wa-ren vor Gott einfach so wie wir sind und woll-ten alles von ihm, was er für uns hatte. Diemeisten Leute, die dann später zu unseremTreffen hinzustießen, kamen, weil sie an Jesusglaubten, aber in ihrem Leben oft nicht in ihrerArt angenommen und akzeptiert wurden. DerJesus, den man in der Bibel findet, ist krass. Ernahm kein Blatt vor den Mund und kritisiertealles, was ihm nicht gefiel, und doch wurde je-der von ihm angenommen und geliebt. - Wirfragten Ihn: „Können wir so sein wie wir sindund trotzdem radikal mit Dir leben? Wiekönnte unsere Gemeinde aussehen? Wiekönnten Dinge wie Gottesdienst, Predigt, An-betung für uns gestaltet werden?“3

An dieserDarstellung ihrereigenen Geschichte wird schon deutlich,dass die Jesus Freaks als eine Protestbewe-gung entstanden sind. In den bekannten For-men und Bräuchen der Volkskirchen und ih-rer Gemeinden fanden sich die meist ju-gendlichen Gründer der Bewegung nichtmehr wieder. Um lebendigen Glauben nachihren Vorstellungen leben zu können, woll-ten sie eigene Wege gehen. Die erstenSchritte auf diesem Weg waren sogenannte„Jesus-Abhäng-Abende“. Diese Abendewaren Gebetstreffen, auf denen auch ver-schiedene Formen einer eigenen Gottes-dienstform ausprobiert wurden, jenseits vonOrgel, Liturgie und „verstaubten Ritualen“.

Das Wohnzimmer in Hamburg wurdebald zu klein. So zog man in ein Cafe um.Bis 1994 wuchs die Gruppe auf bis zu 200Leuten pro Veranstaltung. In dieser Gruppewurden nun auch Taufen und Trauungenvorgenommen. Von Hamburg aus breitetesich die Bewegung immer weiter aus. Einbesonderer Schwerpunkt lag dabei auf derArbeit mit Drogenabhängigen und solchen,die am Rand unserer Gesellschaft stehen.Bald gab es in vielen Städten ähnliche Grup-pen, welche die gleichen Ziele verfolgten.Um die vielen einzelnen Aktivitäten zu bün-deln, wurde „Jesus Freaks International“(JFI) gegründet, als offizieller Zusammen-schluss der einzelnen Gruppen und Gemein-den.

3 Leben der Jesus Freaks

3.1 Jesus Freaks International (JFI)

Es ist nicht einfach zu beschreiben, wer oderwas die Jesus Freaks eigentlich sind. Siesind nicht einfach eine Kirche in dem Ver-

Jörg Kubitschek46Bibel undGemeinde

2/2007

Es begann mit

drei Leuten, die

gemeinsam

„Bock auf Jesus

hatten“

2 Ebd., S. 6.3 Ebd.., S. 8.

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ständnis, wie wir das kennen.Vielmehr besteht die Jesus Fre-

aks Bewegung aus vielen unterschiedlichenGemeinden und Gruppen, die ihre ganz ei-genen Formen haben. Die Unterschiede derGemeinden betreffen dabei nicht nur Äußer-lichkeiten, wie wir noch sehen werden.Auch in ihrer theologischen Ausrichtungsind deutliche Unterschiede zu erkennen.Was all diese Gemeinden und Gruppen eint,ist die Vision einer lebendigen Beziehung zuJesus.

Bei aller Unabhängigkeit der einzelnenGemeinden und Gruppen, fehlt es auch denJesus Freaks nicht an Organisation undStruktur. Als Dachverband wurde „JesusFreaks International“ ins Leben gerufen. Andessen Spitze steht der Ä-Kreis. Im Internetwird dieser Rat mit folgenden Worten be-schrieben:

„Der Ä-Kreis hat die Gesamtleitung über dieBewegung (JFI). Das Ä steht für Ärscheoder für Älteste, je nach dem, wie man will.Dort sitzen nicht die ältesten Jesus Freaks -wobei die auch mal jünger waren und immeröfter die Stühle im Treppenhaus in An-spruch nehmen. Wie auch immer, die Auf-gabe des Ä-Kreises ist der Aufbau und dieUnterstützung der Jesus (Freaks) Bewe-gung. Er soll helfen, dass die Vision und dieWerte in den einzelnen Regionen, Gemein-den und Initiativen gelebt und umgesetztwerden.“4

Die Ausdrucksweise in dieser Beschrei-bung ist bewusst gewählt. Die Jesus Freaksbedienen sich ganz gewollt einer Jugend-sprache, die nicht selten ins Vulgäre abglei-tet.

Zur Struktur des JFI gehört die Auftei-lung Deutschlands in 10 Regionalbereiche.Hier gibt es wieder für jeden Bereich einLeitergremium. In den unterschiedlichenRegionen werden Tagungen für Mitarbeiter

gehalten oder Stellungnahmenabgegeben, wenn es Fragen undProbleme gibt. Sowohl der Ältestenkreis alsauch die Regionalleiter achten darauf, dassin den einzelnen Gemeinden die Visionenund Werte der Jesus Freaks umgesetzt wer-den. Dabei sind die Grenzen in der Praxissehr weit gesteckt. Die eigentliche Arbeitvor Ort geschieht in der jeweiligen Gemein-de und durch deren Gemeindeleiter.

3.2 Gemeinden

Auf der Internetseite der Jesus Freaks findetman die Angaben zu 84 Gemeinden inDeutschland, der Schweiz und Österreich.Allein in Sachsen gibt es 14 Gemeinden, un-ter anderem in Chemnitz, Geyer, Leipzig,Lengenfeld/Vogtland und Zwickau. Damitgehören die Jesus Freaks zu unserem kirch-lichen Umfeld.

In der Zwickauer „Freien Presse“ er-schien im April 2005 ein Artikel über die Je-sus Freaks in Zwickau. Dieser Artikel gabeinen Einblick in den Alltag einer Gemein-de, die ganz anders organisiert und orientiertist, als die herkömmliche Form der Gemein-dearbeit:

„Das Gemeindeleben der Jesus Freaks ent-spricht nicht ganz den althergebrachtenNormen. Die erwähnten ‚Abhänge-Aben-de’ oder Gottesdienste finden beispielswei-se jeden Samstagabend ab 18.10 Uhr imBurger King am Zwickauer Hauptmarktstatt. Dort sind immer zwei Tische für dieFreaks reserviert... Im Schnellimbiss wirdgepredigt, gebetet und mit Gitarren undBongos Musik gemacht, in aller Öffentlich-keit. Manchmal gebe es höhnischen Ap-plaus von den Nachbartischen, aber das stö-re sie nicht, meint der junge Gemein-de-Chef. Wichtiger ist den Freaks, dass sieso andere Menschen auf Jesus hinweisen

Die Jesus Freaks 47Bibel undGemeinde

2/2007

4 www.jesusfreaks.com

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können. Gottesdienste mit Abend-mahl finden vierzehntägig in einer

Wohngemeinschaft statt, sie laufen unterdem Begriff ‚Malfa’. Getauft wird in einemHotel-Pool in Weißenbrunn, im Sommerauch in der Mulde.“5

Was hier am Beispiel der Zwickauer Je-sus Freaks beschrieben wird, geschieht inähnlicher Weise auch in anderen Gemein-den. Was im Einzelnen passiert und wie ak-tiv eine Gemeinde ist, hängt nicht unwesent-lich vom Einsatz und den theologischenVoraussetzungen des Gemeindeleiters ab.

Eine Jesus Freaks Gemeinde setzt sichmeist aus einem „harten Kern“ und Gästenzusammen, die sich mehr oder weniger un-

verbindlich zu der Ge-meinde halten. Gliedder Gemeinde ist, wersich aktiv einsetzt undsich zur Gemeindeund ihrer Vision be-kennt. Auf die Frage,wie einer Glied seinerGemeinde würde, ant-wortete mir ein Ge-meindeleiter der Jesus

Freaks: „Wer auf meiner Telefonliste steht,gehört dazu.“

Die Jesus Freaks üben vor allem auf jun-ge Christen eine große Anziehungskraft aus.Ihre unkonventionelle Art über den Glaubenzu reden und den Glauben zu leben, ent-spricht in vielem den Vorstellungen unsererZeit. So finden sie in Universitätsstädtengroßen Zuspruch unter jungen Christen, diedurch ihr Studium von der Heimatgemeindegetrennt sind. Die Offenheit der Jesus Fre-aks, in der sie über ihren Glauben reden, istansprechend. Die Motivation vieler Ge-meinden und Gruppen zum öffentlichen Be-

kenntnis zu Jesusist groß. Das die-ses Bekenntnis inhaltlich in vielen Fragenoberflächlich und zum Teil unbiblisch ist,werden wir später noch erörtern.

Die Gemeinden der Jesus Freaks han-deln weitgehend unabhängig voneinander.Allerdings gibt es auch überregionale Ver-anstaltungen. Zu ihnen gehört das „Freak-stock“, eine jährliche Großveranstaltung,die große Resonanz hervorruft.

3.3 Freakstock

Nach eigenen Angaben ist das „Freak-stock“6 das „größte alternative Jesus-Festival Europas“. Einmal im Jahr findetes im thüringischen Gotha auf einer altenPferderennbahn statt. Freakstock, das sind100 Stunden Programm, auf 5 Bühnen mit50 Bands. Das Festival wird jedes Jahrgrößer, es kommen immer mehr Interes-sierte.

Dieses Fest ist für (christliche) Jugendli-che sehr attraktiv, weil hier für jeden (Mu-sik-)Geschmack etwas dabei ist. D.h. hiergibt es „christliche Musik“ wirklich allerderzeit angesagten Stilrichtungen, die mitder kommerziellen weltlichen Musik lockermithalten kann und deshalb „viel besser, fet-ter oder härter“ ist.

Freakstock ist eine zentrale Veranstal-tung der Jesus Freaks. Von einem „echtenJesus Freak“ wird erwartet dieses Festivalzu besuchen, wenn auch keine Pflicht dazubesteht. Allerdings handelt es sich hier nichtausschließlich um eine Open Air Musikver-anstaltung. Eigentlich ist dieses Festival alsSeminar gedacht, indem es hauptsächlichum Jesus und verschiedene Aspekte desGlaubens geht. Musik und Workshops bil-

Jörg Kubitschek48Bibel undGemeinde

2/2007

Glied der

Gemeinde ist,

wer sich aktiv

einsetzt und sich

zur Gemeinde

und ihrer Vision

bekennt

5 Freie Presse vom 19.4.2005.6 Name offenbar in Anlehnung an das legendäre Woodstock-Festival der amerikanischen Hippie-

bewegung im August 1969.

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den das nicht unwesentlicheRahmenprogramm der Veran-

staltung. Neben den Seminaren und der Mu-sik hat das Freakstock den Charakter einesgroßen Familientreffens der Jesus Freaks.Ein „Noch-Jesus-Freak“ beschrieb das Fre-akstock mit den Worten:

Für viele in der Bewegung ist diese Veran-staltung „das Ereignis des Jahres“. Sie sindvon ganzem Herzen mit enormen Anstren-gungen und Zeitaufwand darum bemüht,dieses Festival zu etwas ganz Besonderemzu machen, was man an zahlreichen weite-ren höchst kreativen und sehr ansprechen-den Angeboten merkt. (Bsp.: Hängemat-ten-Bereich zum Ausruhen, Tee-/Kaffeezelt,spontane Wellness-Angebote von Besu-chern selbst auf dem Zeltplatz, „Dixi-Land“(eine kleine, aus Dixi-Toiletten im Kreis ab-gesteckte Tanz-Zone des Festival-Geländesmit Bar, dekoriert mit Lichterketten, selbst-verständlich läuft in diesem Bereich Dixie-land Musik...). Auf dem Gelände sind Beterunterwegs, die die Aufgabe haben herumzu-laufen und zu beten, für das Festival und dieBesucher. Ein Extra-Zelt bietet Seelsorge an,man kann Eindrücke und Eingebungen ge-sagt, die Hände aufgelegt bekommen und ei-ne große Portion Euphorie mit nach Hausenehmen. Es wird auch in unverständlicherSprache für die Leute gebetet. - Man ist stetsbestrebt das Festival noch besser und tollerzu gestalten, es wird für wenig Geld wirklicheine Menge (Vergnügen, Seminare, Predig-ten, Workshops, Kinderbetreuung, Sport)geboten.Diese Veranstaltung ist deswegen

höchst beeindruckend auch für Nicht-Christen und hinterlässt bei jedem Besuchereinen bleibenden Eindruck, wenn auch nichtin allen Fällen einen guten!

Vermutlich wird diese Veranstaltung ausdiesen Gründen weiterhin stetig wachsen.Auf einem Ältestentreffen Mai 2003 wurde

das Problem angesprochen,dass viele Jesus Freaks nachdem Festival in ein tiefes Loch fallen. Mangab daraufhin die Empfehlung, nicht nur aufdem Freakstock geistliche Nahrung zu su-chen, sondern sich selbst über das ganzeJahr in der eigenen Gemeinde um sein geist-liches Wohl zu kümmern. (Keiner wird je-doch einen solchen vermeintlich geistlichenGefühls-Höhenflug ständig aufrecht haltenkönnen!).

4 Lehre der Jesus Freaks

Bisher haben wir uns das Leben und damitdie äußere Organisation der Jesus Freaks an-geschaut. Um die Jesus Freaks aber wirklichbeurteilen zu können, ist es unumgänglichsich der Lehre dieser Bewegung zuzuwen-den. Wer die Lehre der Jesus Freaks beurtei-len will, steht erst einmal vor einem Pro-blem. So bunt die Jesus Freaks in ihrer äuße-ren Erscheinung sind, so sind sie auch in ih-rer Lehre.

Die theologische Breite innerhalb derJesus Freaks ist gewollt. Es gibt ein Be-kenntnis zu den Grundfesten des Glaubens.Es beinhaltet den Glauben an den dreieini-gen Gott aus Vater, Sohn und Heiliger Geist.Auch die Bibel wird alsGottes Wort gesehenund geglaubt, jedoch inder Praxis vom HeiligenGeist getrennt:

„Das Zentrum:Grundlage unseres ge-samten Glaubens istdie Bibel. Für uns gilt:die ultimative Wahr-heit über Gott und dasLeben steht in greifba-rer Form da drin. Daran und an nichts ande-rem messen wir alles (Hebräer 4,12-13).Aber: Nicht das Buch ist unser Gegenüber,

Die Jesus Freaks

Die Bibel wird

als Gottes Wort

gesehen und

geglaubt,

jedoch in der

Praxis vom

Heiligen Geist

getrennt

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sondern der, der es in Auftrag ge-geben hat. Wir suchen die Realität

dessen, von dem die Bibel der Niederschlagist (2Timotheus 3,16).“7

Schwieriger wird es deshalb, wenn manins Detail geht und verbindliche Aussagenhaben will. Hier ist eine große Bandbreiteinnerhalb der Jesus Freaks zu beobachten.Besonders problematisch sind all die Dinge,die mit der Taufe, dem Heiligen Geist unddem Leben in der Heiligung zu tun haben.Hier gibt es gravierende Unterschiede zumlutherischen Bekenntnis und damit zum bi-blischen Glauben. Auf einige Punkte möch-te ich eingehen:

Wie theologische Fragen und Problemeinnerhalb der Jesus Freaks behandelt wer-den, zeigt ein Rundschreiben des Ä-Ratesvom 24. Januar 2006. In diesem Schreibengeht es um den Umgang mit theologischenFragen und der Abgrenzung zu anderenchristlichen Bewegungen und Kirchen. An-lass für dieses Rundschreiben war eine be-stimmte Frage, die innerhalb der JesusFreaks aufgekommen ist (Um-gang mit „Wort und Geist“ -Zentrum in Röhrnbach). Stattaber eine klare Antwort zu ge-ben, wurde durch den Ä-Rat ei-ne allgemeine Erklärung zumUmgang mit theologischenRichtungen und Strömungen gegeben. Un-ter anderem wird auf eine Prophetie(!) hin-gewiesen, die 2005 auf einem Seminar ge-geben wurde:

„Ich habe mich gefragt, warum ihr keine fes-te Lehrmeinung rausgebt und was das wohlbedeutet. Und dann hat Gott angefangen, da-rüber mit mir zu reden... Zuerst hat Gott mireine Pfeilspitze gezeigt und gesagt, dass die-se Spitze das Ergebnis fester Lehrmeinun-gen wäre. Dann sah ich einen Spatenspitze,

die war eben-falls sehrscharf, aber halt richtig breit, und das wardas Bild für die Bewegung (JFI), so mit dembreiten Spektrum an vorstehenden Lehrmei-nungen. Gott hat ganz doll betont, dass es ineurer (Ä-Kreis) Entscheidung liegt, die Be-wegung auch zu formen und ihr das Bild zugeben, für das ihr euch entscheidet! - Ich ha-be dann versucht, von Gott noch mehr überdiese Bilder zu erfahren, weil es mich ver-wunderte, dass es so unterschiedliche Gerätewaren. Also eine Kriegswaffe und ein Gerätfür den Ackerbau, habe aber nur noch dieGeräte im ‚Einsatz’ gesehen, also wie derSpeer hoch durch die Luft flog, und wie derSpaten in die Erde reingestampft wurde, undvoll mit Erde und Schlamm wieder rauskam.“„Bei der Interpretation dieses Eindrucks hat-ten wir keine Mühe. Sehr klar kommt he-raus, dass Gott uns Jesus Freaks vor dieWahl stellt, ob wir uns in eine denominatio-nell8 punktgenaue Nische begeben oder Pau-

lus folgend der gesamten Bandbreitegeistlicher Erkenntnis gerecht wer-den wollen. Interessant ist die Unter-schiedlichkeit der Geräte, eineKriegswaffe und ein Werkzeug. EinSpaten bewegt weitaus mehr Mate-rial als ein Speer. Theologie kann

zur Waffe werden, aber sie kann auch eineGesellschaft flächendeckend umwälzen. -Die Jesus Freaks haben den Ruf, Fischer zusein und keine Theologen. Mit breiten Net-zen werden wir Menschen auf unterschied-lichsten Erfahrungs- und Erkenntnisstufenantreffen. Allein die Vielfalt an Zugängen zuGott, die wir selbst repräsentieren, lässterahnen, wie viel (oder besser wie wenig)Stückwerk an Erkenntnis jeder Einzelne vonuns beanspruchen kann. – Die Theologie,

Jörg Kubitschek50Bibel undGemeinde

2/2007

„Die Jesus Freaks

haben den Ruf,

Fischer zu sein und

keine Theologen“

7 Uns über wir, S. 10.8 Denomination = (eingentlich „Benennung“), hier: kirchliche Gruppierung, Konfession.

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auf die es uns ankommt und auf de-ren Basis JFI steht, ist unser Glau-

bensbekenntnis. Daneben lassen wir einegroße Breite an Schriftverständnis zu. Wirglauben, dass Gott unsere Bewegung prägenwill, aber nicht durch Ausgrenzung theolo-gischer Ansichten, sondern dadurch, dassimmer wieder Aspekte seines Wortes gepre-digt werden, die uns wichtig sind. So ist essicher möglich, bei den Jesus Freaks anzu-fangen und nicht an Geistesgaben zu glau-ben, aber es wird nicht lange dauern, bisGott seinen Geist offenbart. Oder man kanndenken, dass Frauen nicht predigen dürfen,aber diese Ansicht wird schnell verschwin-den, wenn man in Gottes Strom ist. - DieProphetie enthält aber nicht nur eine Erklä-rung, sondern auch eine Aufforderung: Bittebenutze deine Erkenntnis nicht als Waffegegen andere. Es reicht, zu pre-digen und zu beten. - In diesemSinne: Schwerter zu Pflug-scharen, damit wir gemeinsamGottes Acker bebauen kön-nen.“9

An diesem aktuellen Bei-spiel wird die Problematik deut-lich, die sich bezüglich der Leh-re bei den Jesus Freaks ergibt.Fragwürdig ist an sich schon derHinweis auf eine aktuelle Prophetie. Zwarbekennen sich die Jesus Freaks zur Bibel alsGottes irrtumslosem Wort, aber danebenhofft und erbittet man sich direkte Weissa-gungen. Auf welche Irrwege dies führt, zeigtdie genannte Prophetie. Die Auslegung je-denfalls spricht deutlich gegen klare Worteder Bibel (z.B. Frauenordination).

Hinter all dem steht die Vision eines le-bendigen Glaubens, einer tiefen und engenBeziehung mit Jesus. Dabei vermeidet man es,diese Beziehung näher zu beschreiben oder zu

charakterisieren. Falls etwasfalsch läuft im Leben oder Glau-ben des Einzelnen, dann wird Jesus/der Heili-ge Geist das schon richten. Theologische Engekönne einer lebendigen Glaubensbeziehungnur im Wege sein.

Bei aller theologischen Weite der JesusFreaks gibt es aber auch Lehren und Meinun-gen, die klar ausgesprochen werden. Zu ih-nen gehört die Ablehnung der Kindertaufe.

Innerhalb der Jesus Freaks gibt es Leute,die mit gewisser Autorität zu theologischenFragen Stellung nehmen. Vor allem die Ge-meinde in Remscheid gibt jede Menge antheologischen Stellungnahmen heraus, unteranderem auch über die Taufe.

„Einigen hartnäckigen Gerüchten zum Trotzhat Taufe wirklich überhaupt gar nichts mitErrettung oder Christ-werden zu tun. Der

einzige Weg in den Himmel istGlaube an Jesus Christus als denfür unsere Sünden gekreuzigtenund auferstandenen Gottessohn:‚Wenn du mit deinem Munde Je-sus als den Herrn bekennst und indeinem Herzen glaubst, dass Gottihn von den Toten auferweckt hat,so wirst du gerettet; denn mit demHerzen glaubt man, um gerecht,und mit dem Munde bekennt man,

um gerettet zu werden; denn die Schriftspricht: Wer an ihn glaubt, wird nicht zu-schanden werden!’ (Römer 10,8-11, nachSchlachter). Jesus bringt das selbst schön aufden Punkt: ‚Wer glaubt und getauft wird,soll gerettet werden; wer aber nicht glaubt,der wird verdammt werden’ (Markus 16,16,nach Schlachter). Taufe hat also zunächsteinmal nichts mit Errettung zu tun...“10

Und zur Kindertaufe heißt es weiter:„Es gibt keine Bibelstelle, die klare Anwei-sung in diese Richtung gibt. Da der Bekennt-

Die Jesus Freaks

Zwar bekennen sich

die Jesus Freaks zur

Bibel als Gottes

irrtumslosem Wort,

aber daneben hofft

und erbittet man sich

direkte

Weissagungen

51Bibel undGemeinde

2/2007

9 Aus einem internen Papier..10 Auf Gemeindeseite Remscheid.

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nischarakter das tragende Elementder Taufe ist und somit eine eigene

Entscheidung aufgrund informierter Frei-willigkeit voraussetzt, kann man mit Fugund Recht die Kindertaufe als unbiblisch an-sehen. Wir werden deswegen auch keineKindertaufen akzeptieren.“11

Es ist hier nicht der Platz, um auf jedenIrrtum einzugehen, der sich in dieser Stel-lungnahme findet. Wir wissen, dass Taufeund Errettung sehr wohl etwas miteinanderzu tun haben und dass wir unsere Kinder ausgutem Grund taufen lassen.12 Was aber deut-lich wird, ist eine Lehre, die das biblische„allein aus Gnade“ zugunsten eines mensch-lichen Bekenntnisses verdrängt. Die Taufeist für viele Jesus Freaks ein Be-kenntnisakt zu Jesus.

Im Blick auf das Wirken desHeiligen Geistes steht für vieleJesus Freaks außer Zweifel, dasssich der Geist Gottes auch außer-halb der Bibel offenbart. DurchVisionen, Prophetien und unmit-telbare Eingaben redet und han-delt der Geist nach Ansicht derJesus Freaks. In der Konsequenz führt dasletztlich dazu, dass auf Prophetien oder di-rekte Lebensführung durch den HeiligenGeist großer Wert gelegt wird. „Gott hatmich wissen lassen, dass er eine neue Auf-gabe für mich hat.“ - „Jesus hat mir gesagt,dass ich dies oder jenes tun muss ...“ SolcheÄußerungen sind in Veröffentlichungen derJesus Freaks häufig zu lesen. Das alles führtzu einem Gefühlsglauben. Mit Jesus ist allestoll, mit ihm kannst du alles machen. Ob die-ser Glaube in seiner Oberflächlichkeit auchdann hilft, wenn das Leben nicht mehr sotoll ist, bleibt zu fragen.

Es gäbe noch viele Punkte, in denen wirdie Lehre der Jesus Freaks kritisch hinterfra-

gen könnten. Da-zu reicht unsereZeit heute nicht aus. Grundsätzlich mussman festhalten, dass es über das Glaubens-bekenntnis der Jesus Freaks hinaus eine Un-menge an theologischen Strömungen undAnsichten gibt. Was der eine für sich alsWahrheit erkannt hat, muss der andere nichtebenso für Wahrheit halten.

Eine Ursache für die Lehrvielfalt unterden Jesus Freaks werden wir darin sehenmüssen, dass diese Bewegung eine Laienbe-wegung ist. Gemeindeleiter sind oft sehr ak-tiv und motiviert. Was ihnen fehlt, ist einetiefere Erkenntnis der biblischen Wahrhei-ten. (In Bayern gibt es die eine oder andere

Gruppe, deren Gemeindeleiter16/17 Jahre alt sind...! Es kannsozusagen jeder, der von derGruppe akzeptiert wird und lei-ten will, auch ungeprüft eine Ge-meinde leiten oder Verantwor-tung für Hauskreis und andereLehrveranstaltungen überneh-men. Man wird dann von derGruppe/Gemeinde mit Handauf-

legung eingesetzt.) Für die Vorbereitung vonPredigten oder Hauskreistreffen greifen Ge-meindeleiter dann auf Literatur zurück, diein jugendlichem Stil den Anspruch auf Bi-beltreue erhebt. Meist sind dies evangelika-le, reformierte oder charismatische Bücher,deren Inhalt so in die Gemeinden getragenwird. Eine Festlegung der Jesus Freaks aufeine bestimmte konfessionelle Richtung istaber kaum möglich.

5 Kritische Beurteilung der Jesus Freaks

Wer oder was sind die Jesus Freaks? Wirkönnen mit Fug und Recht behaupten, dasssie ein „bunter Haufen“ sind. Zu den Jesus

Jörg Kubitschek52Bibel undGemeinde

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Es kann sozusagen

jeder, der von der

Gruppe akzeptiert

wird und leiten will,

auch ungeprüft

eine Gemeinde

leiten

11 Ebd..12 Vgl. dazu etwa: Fritz Horbank, Tauft sie! Was sagt die Bibel zur Kindertaufe? Zwickau 2001².

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Freaks gehören Punker, Ro-cker, ganz Normale und nicht

ganz Normale. Sie alle eint die Vision einesLebens mit Jesus und das Bekenntnis zuihm. Was wir den Jesus Freaks zugute haltenmüssen ist ihre Offenheit, mit der sie ihrenGlauben bekennen. Sie warten nicht darauf,dass die Leute zu ihnen kommen. Sie gehenselbst zu den Leuten. Dabei wenden sie sichvor allem an junge Leute. Ja, sie gehen zudenen, um die wir vielleicht einen Bogenmachen. Sie gehen zu Drogenabhängigen,zu Punkern, Asozialen, zu denen, die amRand der Gesellschaft leben. In ihrer unkon-ventionellen Art, ihren Glauben zu beken-nen und zu leben, finden sie offene Ohren.Jesus Freaks schrecken nicht davor zurück,ihre Lieder mit E-Gitarren und Schlagzeugzu begleiten. Ihre Gottesdienste können imSchnellimbiss oder einem Cafe stattfinden.Ihre Sprache ist bewusst jugendlich gehal-ten. „Jesus ist krass und sein Wort hat Ex-plosionskraft.“ Warum nicht? So könnteman in all diesen Dingen fragen. Auf jedenFall schaffen es die Jesus Freaks auf dieseWeise, Jesus unters Volk zu brin-gen, vor allem unter das junge,kirchenferne und oft kirchen-feindliche Volk. Dabei mag unsdie Frage kommen, ob alles, wasdie Jesus Freaks an Aktivitätenzeigen, der Heiligkeit und Herr-lichkeit von Jesus würdig ist. Obein Hardrockkonzert der rechteRahmen ist, um sich voller Dank-barkeit auf das Leiden und Ster-ben von Jesus zu besinnen? Aufder anderen Seite müssen wir unsfragen, welches Angebot wir fürdie jungen Leute haben, die durch die JesusFreaks angesprochen werden.

Kritischer als diese äußerlichen Dingeist die inhaltliche Ausrichtung der Jesus Fre-aks zu bewerten. Ihre Vision, eine Bewe-

gung für Jesus zu sein, ist si-cherlich zu begrüßen. Doch wiedie Jesus Freaks diese Vision inhaltlich indie Tat umsetzen, nicht. Jesus kennt in sei-nem Wort keine Weite für den Glauben ansich. Er will, dass man allen seinen Wortenglaubt (Joh 8,31f). Die Jesus Freaks nehmenzwar für sich in Anspruch, diesen Glaubenzu leben, doch in Praxis zeigt sich, dass siedabei auf eigenen Wegen gehen. BiblischeAussagen werden aus ihrem Zusammen-hang gerissen und auf die eigenen Ansichtenhingedeutet (vgl. die Aussagen über dieTaufe oder Prophezeiungen.) Den rechten,biblischen Glauben, der nicht nur beim blo-ßen Bekenntnis zu Gott und zu Jesus als demHeiland stehen bleibt, finden wir bei den Je-sus Freaks nicht.

Zu einem großen Teil liegt diese Freizü-gigkeit im Umgang mit dem Wort Gottes da-ran, dass die Jesus Freaks mehr oder wenigereine Laienbewegung sind, in der persönlicheGlaubenserfahrungen mehr zählen als eineklare Ausrichtung an der Lehre der gesamtenBibel. Die meisten Gemeindeleiter der Jesus

Freaks sind junge Leute, die kei-nerlei theologische Ausbildunghaben. Sie predigen und lehrennach ihrem Erkenntnisstand, dermeist persönliche und damit sub-jektive Erfahrungen und Eindrü-cke widerspiegelt.

Ebenfalls kritisch ist zu se-hen, dass die Jesus Freaks im Zu-sammenhang mit dem Glaubendas Handeln der Menschen zustark betonen. Zwar lehren sieauch, dass Jesus für unsere Sün-den gestorben ist. In der Praxis

aber dreht sich viel darum, was der Einzelnezum Beweis seines lebendigen Glaubens tunmuss. Da kann es auch sein, dass er im Got-tesdienst ekstatisch tanzen soll, um zu zeigen,wie lieb er Jesus hat.

Die Jesus Freaks

Auf der anderen

Seite müssen wir

uns fragen,

welches Angebot

wir für die jungen

Leute haben, die

durch die Jesus

Freaks

angesprochen

werden

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Ein Jesus Freak zu sein, istein lockerer, cooler „jesusmäßi-

ger“ Lifestyle. Dazu gehören Musik, Kla-motten, hingebungsvolles Verhalten, beidem man entweder mitmacht oder nicht.Wenn man aber nicht mitmacht, dann istman nicht cool genug. Unter Umständenwird man dann gefragt, ob es einem schlechtgeht. Dann wird für denjenigen gebetet.

In unseren Gemeinden wird es wichtigsein, auf diese gravierenden Defizite hinzu-weisen. In unserer Zeit gilt Äußerlichkeitviel. Die Jesus Freaks haben hier eine Men-ge zu bieten. Für die Seligkeit braucht esaber mehr, als lockere Sprüche.13 Hier gehtes um die Gewissheit über das, was zu glau-ben nötig ist.

Alles prüfenund das Gute be-halten. Wir dürfen dankbar sein, dass wir inunserer lutherischen Kirche eine klare Ver-kündigung haben. Wir sind froh, dass wirein Bekenntnis haben, an dem wir uns aus-richten können. Wir wollen uns aber auchfragen lassen, wie wir mit diesen Pfundenhaushalten. Was machen wir mit demSchatz, der uns anvertraut ist. Jesus will,dass wir ihn unters Volk bringen. Überlassenwir das Missionsfeld nicht Gruppen undKirchen, wie den Jesus Freaks! Sie gebenden Menschen nicht wirklich das, was siebrauchen, um Trost und Frieden für ihreSeelen zu finden. �

___________________________

Laubach, Fritz. Christen in der Endzeit.

Holzgerlingen: Hänssler-Verlag 2006. 64 S.Taschenbuch: 5,95 EUR. ISBN 3-7751-4550-8

Es wird ein Ende dieser Welt geben. DieGeschichte der Menschheit strebt ei-nem Ende zu. In seiner Endzeitrede

(Matthäus 24) hat Jesus seine Jünger ein-drücklich auf bestimmte Ereignisse der Zu-kunft hingewiesen und ihnen geboten, auf die„Zeichen der Zeit“ zu achten, seine Wieder-kunft zu erwarten. Es ist eines der zentralenThemen des NT, das seit mehr als zwanzigJahren auch in evangelikalen Gemeinden fastvollständig aus dem Blick geraten ist. FritzLaubach greift es engagiert und sachkundigauf. Er hält es für ein schwer wiegendes Ver-säumnis, dass die biblische Lehre von den„letzten Dingen“ in den Gemeinden (immermehr) vernachlässigt und ausgeklammert

wird. Anhand der pro-phetischen Aussagen derEndzeitrede Jesu unddem letzten Buch der Bi-bel, der Offenbarung,zeigt er nüchtern undpointiert wie in einemBrennglas die Ereignis-se, Gefährdungen undVerführungen der letz-ten Zeit auf.

Dieses packend geschriebene Büchleinist frei von jeglicher Spekulation und Phan-tasie. Es behandelt das prophetische Zeugnisdes NT nüchtern, sachlich und kompetent.Jeder Christ unserer Tage sollte es minde-stens einmal gelesen haben, mehren sichdoch die Zeichen dafür, dass die Schwellezur Endphase der letzten Zeit bereits über-schritten sein könnte.

Manfred Bönig 29635 Schneverdingen

Jörg Kubitschek54Bibel undGemeinde

2/2007

13 Vgl. dazu etwa auch die sogenannte „Volxbibel“, die vom Gründer der Jesus Freaks (MartinDreyer) herausgegeben wurde.

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Der Emmaus-Kurs

Emmaus. Auf dem Weg des Glau-

bens. Kursbuch 1; Basiskurs; WasChristen glauben. Wie Christen im

Glauben wachsen. Als Christ im Alltag le-ben. Hg. Michael Herbst, Aussaat, 2002

Der Kurs ist eine Übersetzung des engli-schen Originals: “Emmaus, The way offaith”1 von Cottrell, Stephen u.a. Er stammtaus dem kirchlichen Erwachsenenkatechu-menat der anglikanischen Hochkirche Eng-lands entsprechend unseren Landeskirchen,bzw. landeskirchlichen Gemeinschaften. Esknüpft an der „altkirchliche Übung des be-gleiteten Taufwegs“ an.2 Der „Emmaus-Weg“ beginnt mit dem Basiskurs. Weiter-führende Module zielen auf die Konkretisie-rung des Glaubens im Alltag ab.“3

Der Kurs wurde in England Mitte derneunziger Jahre unter dem Eindruck starkrückläufiger Kirchenmitgliedschaft entwi-ckelt. Zwei Kernaussagen, deren Bedarfdurch eine Studie4 ermittelt wurde, will Em-maus umsetzen: Glaube als längerer Beglei-tungsprozess und Zuerst kommt Wertschät-zung und Zugehörigkeit und Freundschaft,dann Glaube.

Der Emmaus-Kurs wurde von einerüberkonfessionellen Autorengruppe in Eng-land entwickelt. Er war dort ein auf Gemein-dewachstum angelegtes Konzept, das inmehr als 1000 Gemeinden eingesetzt wur-

de.5 In Deutschlandwird er infolge derEKD-Synode 19996 alsbesonders geeignetesInstrumente eines pro-jektorientierten Ge-meindeaufbaus emp-fohlen.7 Herausgeberder deutschen Ausgabeist Dr. theol. MichaelHerbst, Dekan derTheologischen Fakultätin Greifswald und Mit-begründer des „Institutsfür die Erforschung vonEvangelisation und Ge-meindeentwicklung“.

Erfahrungsberichteund Kontakte zu Perso-nen, welche den Kurseingesetzt haben, sindim Internet unterhttp://www.emmaus-kurs.net/erfahrungen-mitarbeiter.htm zu bekommen.

Gedankengang (Roter Faden)

Systematisch-theologische Gliederung:2x Gott-Vater; 2x Gott-Jesus; 1x Gott-Heiliger Geist; Entscheidungsabend. The-men wie Bibel, Beten, Gemeinschaft und

Bewertung von Glaubenskursen 55Bibel undGemeinde

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Immanuel Grauer

Immanuel Grauer,Jg.1978, verh., 4 Kin-

der, ist Jugendpredigerim Evangelischen Ver-ein für innere Mission

Augsburgischen Be-kenntnisses in Baden.

Anschrift: ImmanuelGrauer, Zehntsr.4,

D-76227 Karlsruhe,Immanuel.grauer@

ab-verein.de

1 Emmaus, The way of faith, Cottrell, Stephen u. a. The National Society/ Church House Publi-shing and the Bible Society 1996, 2. Aufl. 1998.

2 Stand: 19.12.2006.3 Ebd.4 Studie „Finding Faith Today“ von John Finney 1992.5 1996 wurden die ersten sechs Bücher von Emmaus veröffentlicht. 1998 folgten zwei weitere.

Damit war die Grundserie innerhalb von fünf Jahren entstanden. Der Nurture-Kurs war schon1987 entwickelt worden unter dem Namen „Christians for Life“.

6 Auf dieser Synode hat Eberhard Jüngel bei der Kirche ´Herzrhythmusstörungen` diagnostiziert,und man überlegte infolge dessen, wie man das Gemeindewachstum fördern könnte.

7 Ebd.

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Umgang mit Ressourcen wer-den erst in den nachfolgenden

Themenblöcken angesprochen. Hier könnenaber auch Unbekehrte weiter mit dabei sein.

Methodik/Pädagogik

Der Kurs ist aus dem Gedanken des Er-wachsenenkatechumenats entwickelt wor-den. Von daher ist er ein informierenderKurs. Bausteine des Kurses: Beiträge derTeilnehmer (Zeugnisse von gläubigen Teil-nehmern), kleine Arbeitsaufgaben (meist fürKleingruppen), Austauschgruppen, Lehr-

einheiten, Diskussion und Fragen in der

Gesamtgruppe, Bibelstudium, Film, Ge-

tränke und Gespräch

am Ende.8

Den Teilnehmernwerden Gebetshilfenund Bibelstellen zumvertiefenden Studiummit nach Hause gege-ben. Außerdem soll je-dem Teilnehmer ein Be-gleiter zur Seite gestellt

werden (meist der, der ihn eingeladen hat),der ihn auf dem Weg des Glaubens begleitet.

Es gibt einen detaillierten Zeitplan fürden Kursleiter. Aber inhaltlich keine rechteHilfe für die Lehreinheiten, lediglich Stich-punkte. In der Gestaltung des Abends istgroße Freiheit. Die Teilnehmenden bekom-men viel kopiertes Material zum Mitneh-men. Es ist allerdings zu umfangreich fürdas Mitlesen im Rahmen des Abends, aberes muss ausgeteilt werden, da verschiedeneAnweisungen darauf abgedruckt sind.

Themen

Da zu jeder Einheit essentiell die Ko-piervorlagen aus Anhang 4 gehören, bezieht

sich die Inhaltsan-gabe bei jedemThema immer auch auf die entsprechendeVorlage.

Themenblock 2 und 3 gehören eigent-lich auch zum Basiskurs, sind aber strenggenommen Vertiefungsthemen. Daher sollhier nur der erste Themenblock als „echter“Glaubenskurs besprochen werden.

Zuerst werden werden organi-satorische/administrative Fragen für eineKursgruppe besprochen; des weiteren Ein-beziehung der Gemeinde, Werbung für denKurs, Kontakt zu den Teilnehmern etc.

Themenblock 1: Was Christen glauben

Worauf es ankommt: Gott begegnet uns

Gibt es Gott wirklich? ThematischesZiel: An Gottes Existenz glauben ist nichtAnsichtssache sondern Einsichtssache. Gottbegegnet uns in Schöpfung, Gewissen undinnerer Ahnung der Höheren. Gott kannman kennenlernen. Meditation von Ps. 8.

Wir brauchen Gott in unserem Leben. Gute Gründe

Gleichnis vom verlorenen Sohn. EinMangel ist ein Mangel, auch wenn er nichtwahrgenommen wird. Wir sind angelegt aufdie Gemeinschaft mit Gott. Wir sind grund-sätzlich getrennt von Gott. Angst vor der Zu-kunft.

Jesus von Nazareth. Leben, Leiden und Sterben

Wer ist Jesus? Warum musste Jesus ster-ben? Wer ist Jesus? Passionsgeschichte.Filmszene „Kreuzigung“. Warum mussteJesus sterben? Hinweis auf Auferstehung.

Wie der Stein ins Rollen kam. Jesus ist aufer-

standen

Die Bedeutung des Kreuzes (Sühne-Ver-söhnung). Das historische Zeugnis der Auf-

Immanuel Grauer56Bibel undGemeinde

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8 Fettgedrucktes kommt jeden Abend vor.

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erstehung. Hinweis auf Bedeu-tung der Auferstehung als

Kernstück des christlichen Glaubens.

Sie werden begeistert sein. Der Heilige Geist

Erfahrungen mit dem Heiligen Geist,Verheißung des Geistes. Wie wirkt der Heili-ge Geist in unserem Leben? Ausblick aufnächste Einheit: Entscheidung. Anbietenvon seelsorgerlichen Gesprächen.

Wie man den ersten Schritt tut. Vom Christwerden

Christsein. Was ist ein Christ? (jemand,der auf die Gnade Gottes im Glauben ant-wortet), Die frohe Botschaft der Christen.Wie werde ich Christ? Nach Wahl, Entschei-dungsgebet. Für die Entschiedenen: Bitteum Empfang des Geistes unter Handaufle-gung. Einzelgespräche mit jedem Teilneh-mer in der kommenden Woche.

Themenblock 2: Wie Christen im Glaubenwachsen

i. Mit Gott im Gespräch bleiben. Beten ler-nen

ii. Wegweiser durch die Zeiten. Vom Um-gang mit der Bibel

iii.Gemeinsam unterwegs. Ohne Gemeindegeht es nicht

iv. Stärkung auf dem Weg. Abendmahl

Themenblock 3: Als Christ im Alltag leben

i. Mit Gott auf dem richtigen Wegii. Gemeinsam im Einsatziii.Gottes Geld in unseren Händeniv. Gottes Liebe verändert Beziehungenv. Komm geh mit mir in das Land

Anhang 1: Ein Schnupperabend:

Anweisung für einen lockeren Einfüh-rungsabend zum Thema Christsein. Mehr

als dürftige Hinweise für densich Vorbereitenden.

Anhang 2: Weggefährten auf dem Weg zumGlauben

Hinweis auf den Vorteil eines Wegge-fährten für die Teilnehmer des Kurses: Je-mand der betet, Kontakt hält. Nur getaufteMitglieder der Kirche sollen Weggefährtensein (warum?). Handzettel mit hilfreichenHinweisen für potentielle Weggefährten.Vorbereitungstreffen mit ausführlicher bibli-scher Schulung für die Weggefährten (Em-mausjünger als Weggefährten mit Jesus sindhier das Vorbild – von daher auch der Kurs-titel).

Anhang 3: Wir feiern auf dem Weg zumGlauben (Gottesdienstvorschläge)

Begleitende besondere Gottesdienste:Begrüßungsgottesdienst (im ersten The-menblock), Vorbereitungsgottesdienst (imdritten Themenblock), Tauf- oder Taufer-neuerungsgottesdienst, Verpflichtungsgot-tesdienst für die Nachfolge. Insgesamt sehrliturgisch mit Rede- und Antwortblöckenzwischen Kandidat/in und Liturg/in. Kaumeinsetzbar im freikirchlichen Rahmen.

Anhang 4: Unterlagen für die Teilnehmen-den (Kopiervorlagen)

Besprochen innerhalb des Themenblocks,siehe oben.

Zielgruppe

„Der Kurs wird am besten für drei Per-sonengruppen angeboten: Für am Glaubeninteressierte Menschen, für neu zum Glau-ben gekommene Menschen und für „alteHasen“ der Gemeinde, die sich eine Auffri-

Bewertung von Glaubenskursen 57Bibel undGemeinde

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schung ihrer Glaubensgrundla-gen wünschen.“9 Dennoch in-

haltlich eher für kirchlich geprägte Einstei-ger geeignet.

Besonderheiten

Der Kurs wurde innerhalb der anglika-nischen Hochkirche in England verfasst undeignet sich am besten zum Einsatz innerhalbder Landeskirche.

Das Kursmaterial ist in zwei Teile geglie-dert: Die Anweisungen für den Leiter, undder Anhang als Kopiervorlage. Der Kurs istals 15-Abende-Kurs aufgebaut. Allerdings ister sehr gut nach dem ersten Themenblock zubeenden, so dass man nicht mit Nichtbekehr-ten in alle Details des christlichen Lebenseintauchen muss. Solche Handhabung halteich für sinnvoll.

Zum Thema Heiliger Geist werden(leidlich) aktuelle Geisterfahrungen der cha-rismatischen Erneuerungsbewegung unkri-tisch diskutiert.

Bekehrung/ Entscheidung (Umgang,Zeitpunkt)

Im Rahmen eines eigenen Abends wirdauf dieses Thema eingegangen. Mit fünfsystematisch-lehrmäßigen Einheiten solldieser Abschluss des ersten Blocks mit derMöglichkeit der Bekehrung vorgestelltwerden. Bekehrung wird nicht aufge-schwatzt. Arminianistischer Ansatz (Beto-nung der menschlichen Entscheidung; nichtersichtlich, ob als Methodik oder theologi-sche Grundüberzeugung von der Willens-

freiheit des Men-schen): „Man wirdChrist, indem man sich bewusst entscheidet,Jesus Christus nachzufolgen…“10

Das Wirken Gottes in der Entscheidungwird nur am Rand thematisiert: Christ wirdman „indem man auf die Gnade Gottes mitGlauben antwortet.“11. Glaube wird als eineReise verstanden, auf der sich die Teilneh-mer befinden. In der Woche nach dem Ent-scheidungsabend werden alle Teilnehmerbesucht, und es wird im Gespräch noch maldas Verstandene besprochen und Entschei-dungsmöglichkeit geboten (nicht überre-det). Dazu finden sich mehrseitige Ge-sprächshilfen im Kursbuch.

Biblisch-Theologische Bewertung

Insgesamt ist der Kurs durchaus emp-fehlenswert, wenn auch streckenweise vontheologischer Pluralität (nicht Pluralismus!)und Liturgielastigkeit durchzogen.

Im Umgang mit der Bibel wird demTeilnehmer die Entscheidung überlassen, ober einen biblischen Sachverhalt für richtighält oder nicht12. Das biblische Zeugnis dazuwird dann als Selbstverständnis Jesu13 oderals Behauptung14 der Christen kommuni-ziert. Hier ist eine Rücksichtnahme auf dengesellschaftlichen Individualismus (ich ent-scheide, was für mich richtig ist!) zu bemer-ken. Allerdings wird aus dem Gesamtzu-sammenhang deutlich, dass die Autorendeutlich zur Wahrhaftigkeit der göttlichenOffenbarung im geschriebenen Bibelwortstehen.

Immanuel Grauer58Bibel undGemeinde

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9 Emmaus, Auf dem Weg des Glaubens Kursbuch 1; Basiskurs; Was Christen glauben. Wie Chris-ten im Glauben wachsen. Als Christ im Alltag leben. Hg. Michael Herbst, Aussaat, 2002, S. 18.

10 Ebd. Anhang 6/311 Ebd. S. 48.12 Ebd. Anhang 3/4, 4/313 Ebd. Anhang 3/414 Ebd. Anhang 4/2

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Im Abschnitt „HeiligerGeist“ wird in der Pneumato-

logie trotz grundsätzlich souveräner Wirk-weise des Geistes auch eine große Offenheitgegenüber charismatischen Erfahrungen ei-ner zweiten (und weiteren) Geisterfah-rung(en) mit Gaben der Zungenrede/Pro-phetie/Heilung15 deutlich. Mir scheinen die-se Positionen sehr unreflektiert dargestellt.Hier wird ein Spagat versucht zwischenklassischen evangelikalen und charismati-schen Positionen (obwohl wiederum deut-lich wird, dass die Autoren eher der evange-likalen Pneumatologie zugeneigt sind16).Leider ist das weder ausgewogen noch diffe-renziert, sondern eher sachlich-tolerant ge-gen jede Meinung. Hierbei ist auch die gene-relle Anweisung zur Handauflegung mitBitte um den Geistempfang nicht verständ-

lich, da die Schrift solches nurin Ausnahmefällen kennt17.

Die Harmatiologie (Lehre von der Sün-de) wird, gemessen am Gesamtumfang, aus-reichend dargestellt: Es wird deutlich, wiesowir Christus brauchen. Dennoch bleibt dieAnnahme des Angebots Gottes in jeder-manns Belieben gestellt. In der Frage desGläubigwerdens halten die Autoren sich zurarminianistischen Auffassung (mindestensin der Handhabung).

Biblisch nachvollziehbar ist der klas-sisch-dogmatische Aufbau von der eigentli-chen Theologie über die Christologie, je-weils eingebunden darin die Harmatiologieund Pneumatologie, woran sich dann eineEntscheidung knüpfen kann. Das ist sicher-lich eine Stärke des Kurses, die ihn gegen-über anderen hervorhebt. �

…ankommen!

Der Kurs: „…ankommen. Glaubens-kurs“, Kassel: Born, 2003; wurdevon einem evangelischen Autoren-

team um Herausgeber Thorsten Riewesell(Deutscher EC-Verband) und Andi Weiss18

(Evangelisch-lutherischer Diakon) verfasstund entstand in Zusammenarbeit von Jesus-House 2004 und der missionarischen Aktion„Ich glaub’s“ des Deutschen EC-Verbands.

Gedankengang (Roter Faden)

Im Prinzip ist der Kurs eine stark ver-schlankte, auf jugendliche Menschen ausge-

richtete Dogmatik. Die zentralen Themenbiblischer Dogmatik werden erörtert. Vater,Sohn, Heiliger Geist, Bibel, Gemeinschaft,Gebet, ewiges Leben. Die Teilnehmer sollenzu einem eigenen Bibelstudium angeregtwerden (das wird sozusagen verlangt/vor-ausgesetzt).

Methodik/Pädagogik

Jede Einheit folgt einem methodischenAufbau wie folgt:

Wake-Up: „Eisbrecher“, „Einstieg“.Beinhaltet eine Definition, Geschichte oder

Bewertung von Glaubenskursen 59Bibel undGemeinde

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15 Ebd. Anhang 5/3, 5/4; S. 4516 Ebd. S. 44; Anhang 5/4: Erfüllung kein einmaliges Erlebnis.17 Apg 8: Hier nicht als kausaler Zusammenhang, als Methodik hier sogar verurteilt V.19f; Apg 9:

Pl. Auch hier kein kausaler Zusammenhang ersichtlich; Apg 19 Zusammenhang ersichtlich,dennoch nicht als Methode gekennzeichnet. Insgesamt wünscht man sich bei den Autoren hiermehr Freiheit für das Wirken des Geistes – keine Festlegung auf einen Geistesempfang durcheine bestimmte Methode.

18 Weitere Infos unter www.andi-weiss.de

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einleitende Gedanken, sowie(normalerweise) eine Einlei-

tungsfrage zum Thema.Walk: Ein zentraler

Bibeltext zum Themawird versweise oder ab-schnittsweise oder nachHauptpunkten ausge-legt.

Inter-Aktiv: EinSpiel, eine Erörterung,eine Fragerunde (fürGruppen) soll das The-

ma locker, spaßig, oder erfahrungspädago-gisch aufarbeiten.

Save: Hier soll das bisher Aufgenom-mene mittels persönlicher Fragen oder Aus-tauschfragen für Gruppen selbst erarbeitendvertieft werden.

Bibellese: Es werden Texte für die kom-menden sieben Tage zur täglichen Bibellesevorgeschlagen. Eine Frage für jeden Textsoll das Ganze vertiefen.

Jeder der fünf methodischen Abschnittewird durch entsprechende Symbolik amBuchrand gekennzeichnet

Der Bibeltext wird mit Ausnahme der7-Tage-Bibellese abgedruckt.

Die verwendete Übersetzung ist „Hoff-nung für Alle“ (HfA).

Zum vorliegenden Kurs gibt es auch einMitarbeiterhandbuch und eine DVD.

Inhaltsangabe

Einleitung. Hinweise zum „Christwer-den“. Vier Schritte und Übergabegebet

Der Gott, der dich ruft. Frage nach Gott.Durch Geschichte des verlorenen Schafes(Lk15,1-7) ein Gottesbild vermitteln. Hinter-fragung des eigenen Gottesbildes.

Der Sohn, der dich rettet. Frage nachSünde. Berufung der Jünger (Lk 5,1-11).Thema Vergebung wird vertieft.

Der Heilige Geist, der dich inspiriert.Anhand der Pfingstgeschichte (Apg 2,1-12)wird Erfüllung, Begabung und Veränderungdurch den Heiligen Geist erörtert.

Das Wort, das dich trägt. PersönlicheBibelbeziehung. Die Geschichte vom klu-gen und törichten Mann (Mt 7,24-27) wirdals Lebensfundament erörtert.

Die Gemeinde, die mit dir unterwegsist. Gemeinschaft/Gemeinde. Lehre vomLeib des Christus (1Kor 12,12-27).

Das Gespräch, das dich verändert.Gebet. „Vaterunser“ (Mt 6,9-13), sowie einGebetsvorschlag

Das Leben, das dir alles eröffnet. Ewi-ges Leben. Anhand der Begegnung Nikode-mus - Jesus (Mt 6,9-13) wird das Thema:Reich Gottes/ewiges Leben erörtert.

Anhang. Zehn Tipps zum Bibellesen.Vorformulierte Gebete. Ausführungen überEC (Organisation, Satzung, Bekenntnis).Kontaktadressen. Buchtipps.

Zielgruppe

Jugendliche, die außenstehend oder ganzfrisch bekehrt sind, und z.B. durch „Jesus-House“/ „Ich glaub’s“ angesprochen wurden.

Besonderheiten

Rückbindung an „Jesus House“/“Ichglaub’s“. Dennoch problemlos gesondertverwendbar. Sehr starke Betonung der bibli-schen Rückbindung: Streckenweise reineAuslegung oder Bibelstudium im jugendli-cher Sprachstil.

Bekehrung/ Entscheidung (Umgang,Zeitpunkt)

Es handelt sich um den Nacharbeitskursvon „Jesus House“ (jugendevangelistischer

Immanuel Grauer60Bibel undGemeinde

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Zweig von ProChrist) und dermissionarischen Aktion „Ich

glaub’s“ des Deutschen EC-Verbandes. DerTeilnehmer wird als unbekehrt oder„frisch-bekehrt“ behandelt: „Vielleicht bist dubereits bei Jesus angekommen? HerzlichenGlückwunsch, dann soll dir dieses Buch hel-fen, die ersten Glaubensschritte zu gehen (…)Vielleicht bist noch zögernd und weißt nichtso recht, was du von der Sache mit Jesus hal-ten sollst? Herzlich willkommen! Dann möch-te dir dieser Kurs Klarheit verschaffen und dirhelfen zu verstehen, was die Grundlagen deschristlichen Glaubens sind…“19

Im einführenden Abschnitt „Wegweiserzum Weg…“ wird auf Hilfen und Folgen(Angriffe des Teufels) nach dem Christwer-den hingewiesen. Eine Seite wird im Vorfelddem Thema Bekehrung gewidmet („Schrittezu einem neuen Leben“, S. 6). Insgesamt istder Glaubenskurs sehr einladend. Das Ab-gleiten in ein „Wohlfühl-Evangelium“ wirdaber nur knapp vermieden (im Übergabege-bet wird Lebensübergabe, Sünde und Chris-tus als Herr, Bibel als Maßstab des Lebensangesprochen, jedoch in den vier erklären-den Einzelschritten fast ausschließlich einla-dend. Der Mensch steht im Mittelpunkt derEntscheidung: „Du kannst…“)

In den einzelnen Einheiten wird immerwieder werbend auf Gottes Angebot hinge-wiesen. Jedoch bei Einheit über die Gemein-de spricht der Autor eindeutig zu gläubigenMenschen, wie sie sich in die Gemeinde ein-bringen können/dürfen.

8 Biblisch-theologische Bewertung

Meines Erachtens fehlt kein wesentli-cher Punkt der biblischen Dogmatik, wel-

cher für eine tragfähige Ent-scheidung notwendig wäre. ImAllgemeinen werden die klassischen evan-gelikalen Grundpositionen vertreten.

Als sehr positiv empfinde ich die Wort-zentrierung des Gesamtkonzeptes. Die Bibel-frage wird, gemessen am Gesamtinhalt desKurses, recht ausführlich erörtert.20 Vertrau-en, Geborgenheit und Sicherheit werden imZusammenhang mit dem Wort Gottes impli-zit und explizit vermittelt. Allerdings wirdauch stark nachgefragt, was jeder einzelneTeilnehmer damit innerlich verbindet. Dasbirgt die Gefahr des beliebigen Subjektivis-mus in sich: „Was schätzt du an der Bibel?Was stößt dich ab?“21

Leider werden die Themen nicht umfas-send erarbeitet, sondern nur wichtigeAspekte erörtert. Hier wäre mehr Informati-on (im Vorfeld oder am Abend selber) wün-schenswert. Glaubenseinsteiger bekommenlediglich einen Geschmack vom Thema, oh-ne es tiefer zu erfassen.

Bei der vorgeschlagenen Sieben-Tage-Bibellese fällt die Kürze der Abschnitte undder vertiefenden Frage auf: Das scheint mirzu wenig Nahrung für jemand zu sein, derzum Glauben gekommen ist.

Soteriologisch wird immer, wenn es umdas „Zum-Glauben-kommen“ geht, rein ar-minianistisch argumentiert (ob theologischgewollt, oder „nur“ als evangelistische Stra-tegie verfolgt, ist nicht zu erkennen) – keinegöttliche Souveränität.

Ein paar kleinere Mängel: Ablasshandelwird fälschlicherweise als etwas abgetan,was ausschließlich im Mittelalter vorkam(S.16). Der ungebrochene neuzeitlicheAblasshandel der katholischen Kirche wirddabei (wohl aus Unwissen) ausgeklammert.

Bewertung von Glaubenskursen 61Bibel undGemeinde

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19 Aus dem Vorwort. Thorsten Riewesell u. a. .; …ankommen! Glaubenskurs, Kassel: Born, 2003,S. 3

20 Allerdings wird jedes Thema zu knapp behandelt, daher folgerichtig auch die Bibelfrage.21 S.34.

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Es besteht ein spaßig ge-meinter Hinweis auf die Fern-

sehserie „Ghostbusters“, der einfach in denRaum gestellt wird in einem positiven Zu-sammenhang, ohne Hinweis auf den Ok-kult-Charakter dieser Sendung (Am bestenhätten sie das einfach weg gelassen, weilzum Verständnis nicht nötig).

In der Einheit vom Heiligen Geist könn-te man fast den Eindruck bekommen, dassdie Autoren eine zweite charismatische Er-fahrung nach der Wiedergeburt (also einesogenannte „Geistestaufe“) befürworten22.Da das aber nicht in den Gesamtzusammen-hang der Theologie des Kurses passt, wirdes doch nur eine sprachliche Floskel sein,wenn von einer „Erfüllung durch den Heili-gen Geist“ gesprochen wird. Oder es ist nuran Unbekehrte gerichtet. In jedem Fall sind

Zielgruppe undFormulierung hieretwas missverständlich.

In Einheit sieben wird versucht das ewi-ge Leben darzustellen. Die Autoren stellendabei das „jetzt schon“ sehr schön heraus,aber das „noch nicht“ wird vernachlässigt.Ewiges Leben als „die Ewigkeit bei Gottverbringen“ kommt eindeutig zu kurz.

Insgesamt ist der Kurs meines Erachtensempfehlenswert23, jedoch nur für den Be-reich der Jugend und auch nur für interes-sierte Nichtbekehrte (für Uninteressierte istes zuviel Bibeltext, für Bekehrte zuwenigInformation zum jeweiligen Thema).

Der Kurs ist ob der Darstellung der In-halte durchaus empfehlenswert, jedoch mitder Einschränkung, dass jeweils eben dieseInhalte zu kurz dargestellt werden. �

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Weißenborn, Thomas. Apostel, Lehrer

und Propheten: Eine Einführung in das

Neue Testament: I: Evangelien und Apo-stelgeschichte, II: Leben und Briefe desApostels Paulus, III: 1Petrusbrief bis Offen-barung. Marburg: Francke, 2004-2005. 249S., 285 S., 217 S., Paperback: 15,00 EUR.ISBN 3-86122-676-6, 3-86122-710-X,3-86122-722-3

Ausführliche bibeltreue Einleitungenin das Alte und Neue Testament indeutscher Sprache sind rar. Neben

der evangelikalen NT Einleitung von E.Mauerhofer (Einleitung in die Schriften desNeuen Testaments: bearbeitet von DavidGysel, 3. Aufl.; Nürnberg: VTR, 2004, ein-bändig, 625 S.) gibt es jetzt mit ThomasWeißenborns Bänden eine weitere, sehr

brauchbare ähnlichorientierte NT Einlei-tung. Ich konzentrieremich hier auf Band 2 zuden Paulusbriefen, dochvorher knapp zum ers-ten und dritten Band.

Der erste Band be-ginnt nach dem Vorwort(7-10) mit einem knap-pen Überblick über die Welt des NT (11-59;geschichtlicher Überblick, verschiedenefrühjüdische Gruppierungen, die grie-chisch-römische Welt). Dann werden diesynoptischen Evangelien zusammen behan-delt (60-170), gefolgt von Johannesevange-lium (171-203) und Apostelgeschichte(204-49). Band drei behandelt 1Petrusbriefbis Offenbarung, gefolgt von einem Nach-

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22 S.30: „Gott, Vater, ich bitte dich, mich mit dem Heiligen Geist zu erfüllen…“ Durch die Anrede„Gott, Vater“ impliziert der Autor eine Gottesbeziehung, also eine Innewohnung des HeiligenGeistes, und bittet dennoch um eine Erfüllung durch den Heiligen Geist.

23 Mit Vorbehalt, da DVD und Mitarbeiterhandbuch nicht geprüft wurden.

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wort (198-210, im Wesentli-chen eine Meditation über Mt

2,1-11 mit evangelistischer Zuspitzung) undeinem Anhang (Literaturempfehlungen, Li-teraturverzeichnis, Erklärung der Fremd-wörter, Zeittafel zum NT, die Skizze „DieEntstehung des NT im Überblick“ stellt fürjedes ntl. Buch Verfasser, Entstehungsortund Abfassungszeit zusammen (216f).

Weißenborn, Dozent am Marburger Bi-belseminar (einer zum Gnadauer Verbandgehörenden Ausbildungsstätte, www.mar-burger-bibelseminar.de) umreißt seine Ziel-setzung als „... einen Überblick über die ge-samte Breite der heutigen Einleitungswis-senschaft zu geben und zwar unabhängigvon der Frömmigkeitsrichtung der jeweili-gen Autoren. Wo wir nichts Sicheres wissenkönnen, wird klar gesagt, dass es sich beidem Dargestellten um Annahmen und Ver-mutungen handelt und auf welchem Wegman zu ihnen gekommen ist“ (9). Sind his-torisch bedingte Entscheidungen in der Ein-leitungswissenschaft derart und durchwegvon der „Frömmigkeitsrichtung“ abhängig?So gehören nicht alle Vertreter der Provinz-hypothese für den Galaterbrief einer Fröm-migkeitsrichtung an, man denke nur an R.Riesner, C. Breytenbach, T. Witulski und R.Schäfer!

W. beginnt den zweiten Band mit einerEinführung zu „Briefe(n) in der Antike undim Neuen Testament“ (11-27): antike Brie-fe, Typisches für Paulusbriefe, Briefein-gang, Briefschluss, Zitate und Anspielun-gen/mögliches Traditionsgut, eigenhändiggeschriebene und diktierte Briefe, selbstän-dig arbeitende Sekretäre, Pseudepigraphie[sic]; vgl. dazu den hervorragenden Über-blick bei P. Eckstein, Gemeinde, Brief undHeilsbotschaft: Ein phänomenologischerVergleich zwischen Paulus und Epikur, HBS42 (Freiburg, Basel, Wien: Herder, 2004),19-46. Zur Pseudepigraphie schreibt W.: „...

dann sind Pseudepigraphenschlichtweg Fälschungen – undmüssen auch in den ersten Gemeinden alssolche verstanden worden sein“. W. selbstwill (mit vielen weiteren Gründen) dem Ur-teil des Urchristentums und der alten Kirchefolgen. Ferner gibt W. einen Überblick überdas Leben des Paulus (28-56).

Anschließend widmet sich W. den ein-zelnen Paulusbriefen. Ich greife einige um-strittene Positionen heraus. W. argumentiertfür die Einheitlichkeit des 2. Korintherbriefs(90-92), die Empfänger des Galaterbriefssind in der Provinz Galatien zu suchen (diesog. Provinz- oder Südgalatien-Hypothese,98-106), ferner ist der Brief früh zu datieren(„unmittelbar nach dem ‚antiochenischenZwischenfall’ und da-mit unmittelbar vor dem‚Apostelkonzil’“, 115),Epheser als ein echterBrief des Paulus an dieGemeinde in Ephesus(136-48; mit guterGrundsatzdiskussion,149-53), Philipperbriefaus Rom (176), Kolos-ser als echter Paulusbrief (187-94), beideThessalonicherbriefe von Paulus „(mit)zwei Schreiben, die derselbe Verfasser kurznacheinander versandt hat, lassen sich so-wohl die Unterschiede als auch die Gemein-samkeiten erklären“, 217), „die Briefe an Ti-motheus und Titus lassen sich durchaus alsauthentische Paulusbriefe verstehen“ (252).Im Philemonbrief sieht W. einen „Aufruf zuseiner sanften Revolution“ (273-76).

Dabei referiert und diskutiert W. durch-weg andere Positionen ausführlich und fair.Detailliert und überzeugend begründet W.seine konservativ/evangelikalen Positionen,die dem deutschsprachigen (evangelischen)Forschungskonsens fast durchgängig wider-sprechen. Es bleibt nur zu wünschen, dass

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W.s Positionen mit derselbenFairness begegnet wird, die er

anderen zuteil werden lässt. Vertreter deskritischen Konsenses hätten mit W. eine gu-te „Reibefläche“, wenn sie statt des üblichenIgnorierens solcher Positionen die Ausein-andersetzung suchten, um W.s Positioneneigene Argumente entgegenzusetzen.Leichter sollten sie es sich (und ihren Stu-dierenden) nicht machen!

Der Anhang bietet Literaturverzeichnisund eine Erklärung der Fremdwörter. Dasthematische Vorgehen bei den einzelnenBriefen ist unterschiedlich, da der Autor kei-nem festen Schema folgt (wie etwa die NTEinleitung von Udo Schnelle). Am Schluss

jedes Kapitels findensich Endnoten mit ver-streuten Hinweisen zurgegenwärtigen For-schung, jedoch keinsystematischer Über-blick oder eine Aufstel-lung von wichtigenKommentaren und Stu-dien.

Das allgemeinver-ständlich und flüssig geschriebene Bucheignet sich für Gemeindebibelarbeit auf ho-hem Niveau (z.B. als Ergänzung zu W. A.Elwell, R. W. Yarbrough, Studienbuch Neu-es Testament; Wuppertal: R. Brockhaus,2001), für den Religionsunterricht sowie alsLehrbuch für die Bibelkunde und NT Einlei-tung an Bibelschulen und Seminaren. Fernergibt es (zusammen mit Mauerhofer und dengroßen englischen evangelikalen NT Einlei-tungen) Studierenden (und Dozenten!) annicht-evangelikalen Ausbildungsstätten ei-nen hervorragenden Überblick über Positio-nen, die hierzulande oft verschwiegen odervon vornherein als veraltet oder lächerlichabgetan werden, so dass W.s Aussage imVorwort „Das letzte Urteil bleibt damit Ih-

nen überlassen“(9) heute leiderkaum umgesetzt wird. Wie blass und ver-wirrend wird eine „kritische Forschung“, dieihre eigenen Ergebnisse für selbstverständ-lich nimmt und teils kaum noch zu wissenscheint, was genau zu kritisieren sie einstangetreten war. W. möchte „Hintergrundin-formationen zu den ntl. Büchern, die einer-seits für alle Interessierten verständlich sind,andererseits aber auch einen Überblick überdie Diskussion unter den Theologen geben“.Beide Ziele hat er erreicht.

Für einen Überblick über den For-schungsstand zu den einzelnen Briefen wirdman am besten auf Schnelle oder D. A. Car-son, D. J. Moo (An Introduction to the NT,2. Aufl.; Grand Rapids: Zondervan, 2005,784 S., deutsche Übersetzung in Vorberei-tung, Gießen: Brunnen) zurückgreifen. Zufragen wäre ferner, ob sich neben dem Kapi-tel zu Leben und Werk des Paulus auch einAbschnitt über die paulinische Theologiebzw. über die neuere Paulusforschung ge-lohnt hätte (dazu vgl. J. D. G. Dunn, Hrsg.,The Cambridge Companion to St. Paul;Cambridge: CUP, 2003 oder B. Withering-ton, The Paul Quest: The Renewed Searchfor the Jew of Tarsus; Downers Grove, Lei-cester, IVP, 1998).

Andere Themen der ntl. Einleitung wiedie Geschichte und Kritik des ntl. Textesund die Entstehung des Kanons des NT wer-den nicht behandelt; dafür vgl. G. Hörster,„Textkritik“ in H.-W. Neudorfer, E. J.Schnabel (Hrsg.), Das Studium des NeuenTestaments I: Eine Einführung in die Me-thoden der Exegese, BWM 434 (Wuppertal:R. Brockhaus; Giessen: Brunnen, 1999)51-68 und U. Swarat, „Geschichte des neu-testamentlichen Kanons“, in H. -W. Neudor-fer, E. J. Schnabel (Hrsg.), Das Studium desNeuen Testaments II: Exegetische und her-meneutische Grundfragen, BWM 8 (Wup-

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nen, 2000), 267-89 und Car-son/Moo, Introduction, 24-31,

726-43. Carson und Moo bieten ferner einenhervorragenden Überblick über die Ge-schichte und den gegenwärtigen Stand derntl. Forschung (31-76); auf Deutsch vgl. H.W. Neudorfer, E. J. Schnabel, „Die Interpre-

tation des Neuen Testaments inGeschichte und Gegenwart“, inNeudorfer/Schnabel, Studium I, 13-38.

Christoph Stenschke51702 Bergneustadt

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Cleve, R.L.W. (Hg.). Satelliten-Atlas des

Heiligen Landes. Band 2. Die Regionen.Mit interaktiver CD-ROM. Nicosia (Zy-pern): Rohr 1999. 248 S. Gebunden (32,5 x24,5 cm): 24,95 EUR.ISBN: 3-7751-2040-8

Es handelt sich um einen großformati-gen Bildband mit atemberaubendschönen Farbfotografien und Satelli-

tenaufnahmen des Heiligen Landes. Durchdie Schrägdarstellung der Satellitenbilderergibt sich ein schöner natürlicher Blickwin-kel. Satelliten-Daten werden dann am be-sten wiedergegeben, wenn das Licht schrägüber das Land scheint. So bekommt man ki-lometerweite Einblicke über das kleineLand Israel.

Der Atlas ist in fünf Regionen aufge-teilt: Galiläa, Samaria, Judäa, der Süden unddie Sinai-Halbinsel. Außerdem ist auf denSatelliten-Karten immer zu erkennen, ob be-stimmte Straßen oder Orte der Frühzeit zu-zuordnen sind (bis Esra/Nehemia) oder derrömischen oder der Kreuzritter-Zeit.

Auch jedes der vielen einzigartigenFarbfotos (laut Autorenangabe die bestenaus 35 Jahren) wird gut erläutert und im-mer in den biblischen Rahmen gestellt. DieAutoren gehen immer darauf ein, bei wel-cher Bibelstelle dieser Landstrich eine Rol-le spielt oder welche Geschichte sich andiesem Ort abspielte. Dazu hilft auch dasGlossar (S. 237), das nicht so geläufigeFremdwörter wie „Alluvium“ oder „Has-

monäer“ erklärt undvor allem der Indexzum vorliegendenBand (ab S. 245), deralle Karten auflistet,auf denen der entspre-chende Ort vorkommt,sodass man ihn aus ver-schiedenen Perspekti-ven entdecken kann.

Das ganz Besondere an diesem Atlas istaber die Software auf der beigelegten CD,mit der man eigene Flüge über Israel simu-lieren kann. Der Flug-Simulator erlaubt ei-gene Routen und frei gewählte Flughöhen.Die Bildauflösung hat natürlich ihre Gren-zen, sodass die Ansicht in allzu großer Näheunscharf wird. Ausnahme ist Jerusalem, woman so nah herankommen kann, dass manAutos und sogar einzelne Menschen ausma-chen kann.

Das Navigieren ist recht einfach gestal-tet und ermöglicht die Flug-Simulation aufallen neueren Computern. Vom Internet lässtsich eine deutsche Bedienerführung herun-terladen. Die Erklärungen zu den Orten unddie beigegebenen Bibeltexte sind allerdingsnur in Englisch. Auf dem Haupt-Bildschirmkann man wählen zwischen dem 3D-Satel-liten-Atlas, den dazugehörigen Texten, fürbestimmte Gebiete höher auflösende Luft-bilder (z.B. für Akko/Ptolemais) und Fotos.Letztere können zusätzlich vergrößert undgedreht werden.

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Ein ausgezeichnetes undsehr nützliches Werk für Lehrer

und Studenten und alle, die sich gründlicher

mit der Bibel undihrer Geografiebefassen wollen.

KH. Vanheiden 08269 Hammerbrücke____________________________

Schirrmacher, Thomas; Suzter, Daniel;

Wäfler, Markus; Derron, Stéphane.

Christ und Politik. 50 Antworten auf Fra-gen und kritische Einwände. Bonn: VKW2005. 74 S. Paperback: 5,90 EUR. ISBN:3-938116-08-0

Mit dem Bändchen „Christ und Poli-tik“ versucht das Autorenteam aufFragen und Einwände zum Engage-

ment von Christen in der Politik einzugehen.Neben Prof. Dr. Thomas Schirrmacher, demRektor des Martin Bucer Seminars in Bonn,

sind es Lic. StephanDerron, Daniel Suterund Nationalrat MarkusWäfler, die sich den Fra-gen stellen. Da Suter,Derron und Wäfler aktivin der Eidgenössi-schen-DemokratischenUnion (EDU) ihr politi-sches Zuhause haben,

sind die Fragen oft aus schweizerischem Hin-tergrund beantwortet. Das bedeutet abernicht, dass das Bändchen zu den bundesdeut-schen Verhältnissen nichts zu sagen hätte.Vielmehr gehen die Autoren grundsätzlicheFragen an, die sie aus geistlicher und gleich-zeitig politisch verantwortlicher Sicht beant-worten. Probleme und Fragen wie: „Politikim Neuen Testament“; „Politik oder Gemein-debau?“, „Sind Politik und Christsein verein-bar?“ oder auch „Politik in der Endzeit“ wer-den besprochen. Die Autoren vertreten dieÜberzeugung, dass wir Christen auch einenpolitischen Auftrag haben.

Unter anderem aus dem Gedanken derNächstenliebe (S.35) und dem „LehrauftragChristi“, der „alle Lebensbereiche“ umfasst(S.37), nehmen sie den Auftrag für politi-sches Handeln von Christen.

So vertreten sie die These „Die persön-liche Umkehr zu Gott ist der Ausgangs-punkt einer Erneuerung, die auch in der Po-litik wirksam wird“ (S. 31). Im Blick aufdie Schwierigkeiten eines eindeutigen öf-fentlichen Votums in der Endzeit sagen sie„Eine vom Untergang bedrohte Gesell-schaft hat das Recht auf christliche Politi-ker, welche die Lehre von Jesus Christusmit Wort und Tat bezeugen.“ Gerade imBlick auf Recht und Ordnung (S.53) odersoziale Fragen (S.54) sehen sie die Not-wendigkeit von Politikern, die feste ethi-sche Grundlagen haben (S.50). Die These„Soziale Gerechtigkeit misst sich daran,wie es den Schwachen im Lande geht“(S.57) gibt einen deutlichen Schwerpunktchristlicher Sozialpolitik wieder. Sicher ha-ben die Autoren recht, wenn sie sagen:„Frühere Generationen waren den christli-chen Werten nicht darum geneigter, weilman früher frömmer war, sondern weilChristen früherer Generationen in der Poli-tik für biblische Werte gekämpft haben“(S.65). Sicher wird nicht jeder Christ dieForderung „Jede Gemeinde sollte ein biszwei Personen in die Politik aussenden“(S.72) mittragen können und wollen, aberaufgrund des NT sollten wir die biblischfundierte letzte These „Das Gebet für diePolitik darf in keiner Gemeinde fehlen“(S.73) ernst nehmen (1Tim 2,2).

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Die im Interviewstil aufge-baute Broschüre gibt hilfreiche

Anregungen für Menschen, die sich fragenob und wie sie öffentliche Verantwortungwahrnehmen können. Ob politisches Enga-gement in der deutschen Demokratie mitseiner Parteienstruktur, der 5% Klausel beiden Wahlen und dem starken Einfluss des

Zeitgeistes auf die Parteien, zuerkennbaren Ergebnissen führt,ist allerdings unklar. Hier sind die bundes-deutschen Verhältnisse zu verschieden vonden übersichtlichen Strukturen in der klei-nen und in Kantone gegliederten Schweiz.

Rainer Wagner67433 Neustadt

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Poplutz, Uta. Athlet des Evangeliums. Ei-ne motivgeschichtliche Studie zur Wett-kampfmetaphorik bei Paulus. Freiburg: Her-der 2004. 456 S. Gebunden: 60,00 EUR.ISBN: 3-451-28508-8

Während Jesus in seinen Gleichnis-sen in vielfältiger Weise Bezugnimmt auf die ländliche Lebens-

welt und die soziale Wirklichkeit Galiläas,um das Wesen der Herrschaft Gottes undseines Kommens zu erläutern (vgl. W. Bö-sen, Galiläa als Lebensraum und Wirkungs-feld Jesu: Eine zeitgeschichtliche und theo-

logische Untersuchung,2. Aufl.; Freiburg: Her-der, 1990, 189-200),greift Paulus an vielenStellen auf die hellenis-tisch-römische Welt zu-rück, um durch ver-schiedene Bilder geistli-che Wahrheiten zu ver-anschaulichen (vgl. denÜberblick bei D. J. Wil-

liams, Paul’s Metaphors: Their Context andCharacter, Peabody: Hendrickson, 1999).Zu dieser Bilderwelt gehört auch der antikeSport, selbst wenn Paulus schreiben kann,dass die leibliche Übung zu wenig nütze ist(1Tim 4,8) und beinahe untrennbar mit heid-nischer Religion verwoben war (vgl. auch1Makk 1,12-16, 2Makk 4). Diesem Themawidmet sich die vorliegende Studie.

In der Einleitung umreißt P. die Rele-vanz des Themas, die Forschungsgeschichteund beschreibt Zielsetzung und Vorgehens-weise der Untersuchung (3-15). Nach derfolgenden sprach- und metapherntheoreti-schen Grundlegung (17-31) gibt P. im erstenTeil einen guten Überblick über Geschichteund Wirkung der sportlichen Wettkämpfe inder Antike. Sie beginnt mit antiken und mo-dernen Begriffsbestimmungen (35-70), be-schreibt Wesen und Ablauf verschiedenerbekannter sportlicher Wettkämpfe der Anti-ke (71-99; u.a. die Olympien des Zeus – vondenen sich die heutigen Olympischen Spieleableiten – und die Isthmischen Spiele zu Eh-ren des Poseidon in der Landenge von Ko-rinth), die Rolle von Frauen in antiken Wett-kämpfen und die Vorbereitung auf Wett-kämpfe (Gymnasion, Organisation undTraining). Nach Schilderung der antikenWirklichkeit untersucht P., welche Rolle dersportliche Wettkampf im übertragenen Ge-brauch in der hellenistisch-römischen Lite-ratur spielt (101-217). Wettkampfmetaphernwaren in der heidnischen und jüdischen Li-teratur vor Paulus weit verbreitet (Philo, Jo-sephus, 4. Makkabäer). Der Wettkampfwurde zu dem Symbol des nach Weisheitund Wahrheit strebenden Philosophenschlechthin.

Auf diesem Hintergrund wendet sich P.im zweiten Teil den Vorkommen bei Pauluszu. „Leidenskampf und Ruhmeskranz: DieAgonmetaphorik im 1Thessalonicherbrief“

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behandelt 1Thess 2,1-2 („Gelit-ten, misshandelt, gekämpft“)

und 2,19 („Hoffnung, Freude, Ruhmes-kranz“). Dann geht es ausführlich um 1Kor9,24-27 mit der Aufforderung an die Korin-ther, so zu laufen, dass sie gewinnen(245-91; der Läufer im Stadion, das Preis-geld, das Vorbild des Paulus).

Der Philipperbrief wird in zwei Briefeaufgeteilt und in zwei Kapiteln behandelt(dazu vgl. T. Weißenborn, Apostel, Lehrerund Propheten II: Leben undBriefe des Apostels Paulus; Mar-burg: Francke, 2004, 166-71):Im sog. „Gefangenschaftsbrief“(Phil 1,1-3.1; 4,1-7; 293-328)geht es um die Aufforderung zurNachahmung im Kampf(1,27-30), die Gefahr, ins Leeregelaufen zu sein (2,16), den Sie-geskranz des Apostels (4,1) so-wie um die Ermutigung, dassniemand allein kämpft (4,3). Imsog. „Kampfbrief“ (Phil 3,2-21; 4,8f,349-73) untersucht P. Philipper 3,12-16(‚Das Ziel verfolge ich …!’: Paulus als ‚Vor-läufer’ der Gemeinde).

Unter dem Zitat aus Galater 5,7 „Gut seidihr gelaufen …“ beschreibt P. die Wettkampf-bilder im Galaterbrief (329-47; Gal 2,2: nichtins Leere laufen, 5,7: Ansporn und Ermunte-rung zu einem guten Lauf). Im Römerbrief(375-92) sieht P. Wettkampfmetaphorik in9,16 („so liegt es nun nicht an jemandes Wol-len oder Laufen, sondern an Gottes Erbar-men“), kaum ausgeprägt dagegen in der Auf-forderung des Paulus an die Gemeinden, mitihm im Gebet zu kämpfen (15.30).

Uta Poplutz hat sich mit ihrer Untersu-chung auf die in der kritischen Wissenschaftals echt anerkannten Paulusbriefe be-schränkt. Weitere Studien müssten mit ähn-licher Methodik und Ausführlichkeit die an-

deren Paulusbriefeuntersuchen (z.B.Kol 2,18; 3,15; 1Tim 4,7; 6,12; 2Tim 2,5;4,7f; Vorarbeiten bei E. Sauer, Es geht umden ewigen Siegeskranz: Kampf- und Sport-bilder des Neuen Testaments als Ansporndes Glaubens; Wuppertal: R. Brockhaus,1955). Zu thematisieren wäre auch, wie zwi-schen Metaphern aus dem Sport und militä-rischen Metaphern (Zusammenstellung beiWilliams, Paul’s Metaphors, 211-44) unter-schieden werden kann, da beide Aspekte,

zumindest in der griechischenZeit, eng miteinander verbundenwaren. Sind einige der Stellen,die P. den Sportmetaphern zu-rechnet, nicht eher militärischeBilder (z.B. die Philipperstellen,326f)?

Insgesamt eine wichtige undanregende Untersuchung, diezum Verstehen der dahinter lie-genden sportlichen Wirklichkeitund der Wettkampfmetaphern

bei Paulus Wesentliches beiträgt. Bei etwasAusdauer wird man von den Auslegungender Einzeltexte im eigenen Studium und inder Predigtvorbereitung profitieren. Zumanderen wird durchweg deutlich, wie be-herzt Paulus sich der Gegebenheiten seinerWelt und ihrer Bildersprache bedient, umgeistliche Wahrheiten auszudrücken undseine Gemeinden zu ermutigen und zu er-mahnen. Manche christliche Predigt und nö-tige Ermahnung wäre weniger langweiligund spröde, wenn heutige Verkündiger mu-tiger und spritziger Sachen und Bilder ausihrem Umfeld heranziehen würden, um denZuspruch und Anspruch des Evangeliumszupackend zu formulieren – auch mit demRisiko, dass hin und wieder ein Schnell-schuss ins Abseits geht.

Christoph Stenschke51702 Bergneustadt

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Eine wichtige und

anregende Unter-

suchung, die aber

die von der kriti-

schen Theologie als

„unecht“ angese-

henen Paulusbriefe

auslässt

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Ruthe, Reinhold. Heilung

seelischer Verletzungen. Me-

ran: ERF-Verlag 2005. 3CD: 21,30 EUR.

ISBN: 3-89175-198-2

Ruthe spricht über Vergeben und Ver-

gessen. Er zeigt auf, wie wichtig es

ist, gründlich über eine Sache zu

sprechen, damit man sie unter die Füße be-

kommt. Es kann nämlich leicht sein, dass

Entschuldigungen unehrlich sind und nur an

der Oberfläche bleiben. Auch Entschei-

dungsschwäche zum Beispiel kann solch ei-

nen anderen Hintergrund haben. Ruthe

meint, viele Gebete seien nutzlos, weil wir

um Heilung von Symptomen beten und

nicht um die eigentlichen Dinge. Er zeigt,

dass Reue eine Sackgasse ist und mit innerer

Umkehr nichts zu tun hat. Es muss Buße ge-

schehen, denn Buße ist ein Gesinnungswan-

del und viel mehr als ein guter Vorsatz. Wer

Buße tut, sagt Ja zu Gott und Nein zur Sün-

de!

Der Autor und Sprecher will Seelsor-

gern helfen, Dinge bei Ratsuchenden zu er-

kennen, wenn die Gefühle verrückt spielen.

Er macht klar: Vergeben wollen ist ein Ent-

schluss. Gott muss die Gefühle verändern.

Wir müssen gehorchen, den Rest tut Gott.

Das ist die Antwort auf das Problem unserer

Gefühle. Er geht auch auf Schuldgefühl und

Gewissen und falsche Schuldgefühle ein.

Auf CD Nr. 2 behandelt Ruthe Lebens-

lügen, die das Erfassen der Vergebung unter-

graben und sogar verhindern können. Mag

sein, dass es für den Seelsorger hilfreich ist,

verschiedene Typen zu kennen.

Positiv ist auf jeden Fall, dass

Sünde deutlich angesprochen wird. Ruthe

erklärt, wie der Täter sich im Herzen der

Opfer einnistet, um sie zu missbrauchen.

Und daraus müsse er heraus geworfen wer-

den. Hier folgt der Autor allerdings der ei-

genartigen Regel von Anselm Grün: Man

solle sich durch Wut von dem anderen be-

freien, dem Verletzer das Haus verbieten.

Man solle ihm vergeben, ihn aber dann seine

Straße ziehen lassen.

Wichtig Ruthes Rat für Eheseelsorge:

Arbeiten Sie nur mit einem Partner, werden

Sie belogen. Manchmal müssen selbst die

Gebetsanliegen neu formuliert werden, weil

es nicht nur um die Symptome geht, sondern

um die eigentliche

Schuld.

CD Nr. 3 behandelt

den Prozess der Verge-

bung, besonders wenn

die Verletzungen tief

sitzen. Ruthe legt gro-

ßen Wert auf das, was man betet und lässt

die Ratsuchenden auch erzählen, worum sie

konkret beten. Versöhnung und Vergebung

sind Heilmittel, die jeder ohne Kosten er-

werben kann. Wer vergeben kann, baut Hass

und Feindseligkeit ab und baut Brücken.

Ruthe bietet sehr viele praktische und

im Großen und Ganzen biblische Ratschlä-

ge, wenn man bereit ist so lange zuzuhören

und die Eintönigkeit seiner Stimme erträgt.

Karl-Heinz Vanheiden

08269 Hammerbrücke

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Obrist, Hanspeter. (Hg.) Feste Israels mit

messianischer Haggada: die Feste erzäh-

len Gottes Heilsgedanken. Gießen/Basel:

Brunnen, 2006. 108 S. Taschenbuch: 5,95

EUR. ISBN 3-7655-1372-5

In dem kleinen Buch über die Feste Isra-

els stellt die Arbeitsgemeinschaft für das

messianische Zeugnis an Israel (AMZI)

Informationen aus der Bibel und aus dem

Judentum zusammen, die den Festtagska-

lender Israels betreffen. Sie sind aus der re-

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2/2007

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gen Vortragstätigkeit vonHanspeter Obrist und Jurek

Schulz hervorgegangen. Die AMZI, für diebeide arbeiten, unterstützt jüdisch-messiani-sche Gemeinden ebenso wie arabisch-christliche Gemeinden und bemüht sich inIsrael um Versöhnung auf der Basis deschristlichen Glaubens. In Europa informiertsie über die messianische Bewegung undgibt fundierte Informationen über die Situa-tion im Nahen Osten.

Der vorliegende Band beschreibt imersten Teil sowohl den Ursprung der bibli-

schen Feste als auch dieheutige jüdische Tradi-tion der Feste. Immerwird auf die messiani-sche Bedeutung hinge-wiesen, die in JesusChristus ihre Erfüllungfand. Darüber hinausfinden sich Informatio-nen über weitere nicht

biblische jüdische Feste. An mehreren Stel-len werden Hinweise gegeben, was diechristliche Gemeinde aus den Festen lernenkann.

Folgerichtig findet sich im zweiten Teileine Liturgie, die es möglich macht, einen

Passah-Sederabendzu feiern. Die Li-turgie entspricht der Form, wie sie in vielenmessianischen Gemeinden in Israel gefeiertwird. Im dritten Teil finden sich noch einigeHinweise zumWeihnachtsfest aus jü-disch-messianischer Sicht und Tabellen mitFestterminen und den jüdischen Fest- undWochenlesungen aus dem Alten Testament.

Das Buch verhilft zu einem guten Ver-ständnis der Feste Israels und ihrer messia-nischen Bedeutung. Leider macht es zuschwach auf die Folgen der Zerstörung desTempels aufmerksam, die dazu geführt hat,dass die meisten biblischen Feste gar nichtmehr gefeiert werden können, weil der Op-ferdienst in ihrem Mittelpunkt stand. Dierabbinischen Umdeutungen und Ersetzun-gen für den Opferdienst kommen m.E. mitzu wenig Kritik zur Sprache. Es macht fürdie christliche Gemeinde sicher keinen Sinn,die jüdischen Feste zu kopieren, aber siekann für ihre eigenen Feste aus der reichenSymbolik der Bibel und des Judentums An-regungen gewinnen, wie sie Christus feiernkann.

Thomas Jeising34576 Homberg

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Siebenthal, Heinrich von. Kurzgrammatik

zum griechischen Neuen Testament. Gie-ßen: Brunnen 2005. 51 S. Paperback: 19,95EUR. ISBN 3-7655-9491-1

Diese Kurzgrammatik ist eine Kurz-fassung der Griechischen Gramma-tik zum Neuen Testament desselben

Autors (zusammen mit Ernst Hoffmann) –172 Seiten gegenüber 707 bei fast gleichemFormat. Sie kann und will die umfangrei-chere Grammatik nicht ersetzen. Was ge-genüber dieser z.B. völlig fehlt, ist das prak-

tische Bibelstellenregis-ter. Dieses war mirschon häufig nützlich,wenn der Vers, über denich gearbeitet habe, ge-rade als Beispiel in derGrammatik angeführtwar. Die Kurzgramma-tik erwähnt natürlichauch Bibelverse, enthältaber eben kein Register, um sie zu finden.

Inhaltlich fehlt der Kurzgrammatik je-doch nichts; das Wesentliche der umfangrei-

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cheren Grammatik wird kurzund knapp präsentiert. Es sind

viel weniger Beispiele angeführt, und nichtzuletzt trägt auch ein strafferes Layout zurKürzung bei.

Die Benutzung beider Grammatikenwird dadurch erleichtert, dass die Kurz-grammatik bei Bedarf auf die jeweiligen Pa-ragraphen der großen Grammatik verweist(durch „H-S § xx“). Ein weiterer Zusam-menhang wird hergestellt zum NeuenSprachlichen Schlüssel zum griechischen

Neuen Testament desselbenAutors, so dass auch dieser mitnoch mehr Gewinn benutzt werden kann.

Derjenige, der ausschließlich zu Hausearbeitet und auf die in der großen Gramma-tik gebotene Materialfülle nicht verzichtenwill, braucht die Kurzgrammatik eigentlichnicht. Wer jedoch unterwegs arbeiten oderdas Werk z.B. zum Unterricht mitnehmenmöchte, der ist mit der Kurzgrammatik be-stens bedient.

Martin Schweikert, 79585 Steinen

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Rottloff, Andrea. Lebensbilder römischer

Frauen. Kulturgeschichte der antiken Welt.Mainz: Philipp von Zabern, 2006 167 S.Hardcover: 29,90 EUR. ISBN 3-8053-3546-6

In der teils engagiert geführten Debatteum die Rolle der Frau in den neutesta-mentlichen Gemeinden wird neben dem

Ringen um die genaue Auslegung von um-strittenen Einzeltexten des NT auch auf dieRolle von Frauen in der hellenis-tisch-römischen Welt als Parallele oderKontrast verwiesen. Dabei entsteht oft derEindruck, dass die Vertreter verschiedenerPositionen durch solche Verweise auf dieUmwelt des NT ihre Position untermauernund auf den zu ihrer Position passenden„Hintergrund“ verweisen. Doch wie war esum die Frauen in der Antike tatsächlichbestellt? Der vorliegende hervorragend illu-strierte und bebilderte Band der Althistori-kerin Rottloff bietet dazu allgemeinver-ständliche und kompetente Informationen.Dabei verbindet Rottloff Überblicke überdie verschiedenen Lebensbereiche antikerFrauen, die sich am Lebenslauf orientierenund knapp dreißig Einzelporträts von Frau-en, wie sie aus literarischen Quellen, In-schriften oder archäologischen Funden er-

hoben werden können(Umfang je nach vor-handenen Quellen). Soerhalten „die Frauen“Gesichter und die allge-meinen Ausführungenwerden durch Einzel-beispiele plastischer.Bei den Porträts sindFrauen aus jenen Ge-sellschaftsschichten vertreten, die überhauptentsprechende Spuren hinterlassen konnten.Die Frauen aus den Unterschichten werdenin den Überblicken mit berücksichtigt. Lei-der wird keine der im NT erwähnten Frauenporträtiert.

Unter der Überschrift „UngeliebteTöchter“ (12-30) geht es um Geburt undKindheit von Mädchen, anschließend umVerlobung und Hochzeit („Vom kleinenMädchen zur Matrone – ein allzu plötzlicherÜbergang ins Erwachsenenleben?“, 31-46;Kleidung, Hochzeitstage, Zeremonien, Mit-gift, Tod vor der Hochzeit), Ehealltag(46-70, Haus und Familie, Kinder als er-sehnte Freude und tödliches Risiko, Emp-fängnisverhütung und Abtreibung, Trachtund Schmuck, Scheidung und Witwen-schaft), „Vermögende Frauen – Großgrund-besitzerinnen und Stifterinnen“ (71-88, u. a.

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„Babatha – eine Grundbesitze-rin in den Wirren des

Bar-Kochba-Aufstands“); Göttinnen undheilige Frauen (Glaube und Aberglaube inrömischer Zeit, 89-114; hier geht es nachVestalinnen, Magie, Hexerei und Fluchta-feln auch um einige Frauen aus der AltenKirche). Weitere Kapitel beleuchten „Händ-lerinnen, Hebammen und Heilerinnen – Be-rufstätige Frauen in der Kaiserzeit“(115-39), Frauen in den römischen Provin-zen (140-50, „Verstorben in der Fremde“sowie Frauen und römisches Militär), Skla-vinnen als die dienstbaren Geister des römi-schen Hauses (151-56, Wie wurde manSklavin?, Verkauf und Aufgaben von Skla-vinnen), Frauen außerhalb der Gesellschaft(157-69, Schankmädchen und Prostituierte,Frauen als Tänzerinnen, Musikantinnen,Schauspielerinnen und Gladiatorinnen) so-wie den Tod und die Bestattung von Frauen(170-77). Der Band endet mit ausführlichenLiteraturhinweisen (181-94).

Neben dem Beitrag zur eingangs er-wähnten Debatte erhalten die Leser viele In-formationen, um die Frauen auf den Seitendes NT besser verstehen zu können. EinigeBeispiele: Tabita aus Joppe und die Purpur-händlerin Lydia (Apg 9,36-42; 16.14f; Ab-schnitt zu Textilherstellung und Handel,131f), den Tanz der Salome (Mk 6,22; Tän-zerinnen auf S. 162), die Witwen in 1Tim

5,3-16 (70), dieDiskussion um dieUnzucht in Korinth (1Kor 5 und 7, 156-61),die Anweisungen des 1Petrusbriefs zur äu-ßeren Erscheinung christlicher Frauen(3,3-5; 63-69, Abbildungen auf S. 51, 155),Phöbe als Beistand der Gemeinde Kench-reäas (Röm 16,1, 73-88). Auch die Abbil-dungen sind instruktiv, so z.B. die auf S. 25abgebildete Darstellung auf einem Sarko-phag, auf der die Eltern um das auf einemBett liegende verstorbene Mädchen trauern(25; vgl. Mk 5,35-43). Es ist spannend,wenn einem manches Licht aufgeht undman beginnt, sich die Einsichten für das NTan den Rändern zu vermerken!

Der Band befähigt seine Leser, sich eineigenes Bild von Leben und Bedeutung vonFrauen in der antiken Welt zu machen. Esbleibt den Lesern selbst überlassen, die Be-deutung dieses Bildes für unser Verständnisumstrittener ntl. Stellen zu formulieren. Aufjeden Fall wird deutlich, dass man ange-sichts dieses differenzierten Bildes mit Pau-schalurteilen über die Frauen der ntl. Um-welt vorsichtig sein sollte. Für das NT wärenbei allen Gemeinsamkeiten im Leben undVerständnis von Frauen mit der hellenis-tisch-römischen Welt auch frühjüdische Be-sonderheiten zu bedenken.

Christoph Stenschke51702 Bergneustadt

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Poppenberg, Fritz. Der Fall des Affen-

menschen. Die Evolutionstheorie kann dieHerkunft des Menschen nicht erklären.Filmdokumentation. Fritz Poppenberg,2004. 50 Minuten Kassette: 25,00 EUR.ISBN 3-936344-36-1

Der Titel des Films lässt sich auf zweiWeisen deuten: Zum einen ist er –wie der Untertitel aussagt – eine Do-

kumentation darüber,wie die mit vielen Mü-hen – und in einem Fallauch unlauteren Mitteln– aufgebauten Kandida-ten für das Zwischen-glied zwischen Affeund Mensch einer nachdem anderen wiederfallen gelassen werden

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mussten. Es wird in allgemeinverständlicher Form in die The-

matik eingeführt, Vorkenntnisse sind nichtnötig. Genannt werden insbesondere diePiltdown-Fälschung, der Neandertaler (dersich in der Forschung vom wilden Affen-menschen in einen echten Menschen ge-wandelt hat, der in die Variationsbreite desmodernen Menschen passt), Ramapithecusund die Australopithecinen. Zu diesen The-men kommen auch Dr. Michael Brandt undDr. Sigrid Hartwig-Scherer, Mitarbeiter derStudiengemeinschaft Wort und Wissen, zuWort.

Fazit: Die Lücke zwischen Tier undMensch konnte bis heute nicht geschlossenwerden. Selbstverständlich kann der Filmdas nicht in aller Ausführlichkeit belegen.Es gibt jedoch Fachliteratur, die das kann;hier wären zu nennen von Michael Brandt„Gehirn - Sprache - Artefakte” (www.wort-und-wissen.de/si/bio/gehirn.html), „Der Ur-sprung des aufrechten Ganges” (www.wort-und-wissen.de/si/bio/gang.html) undvon Sigrid Hartwig-Scherer „Ramapithecus- Vorfahr des Menschen?” (www.wort-und-wissen.de/si/bio/ramapi.html).

Die zweite Bedeutung des Titels beziehtsich auf ein Experiment, nach dem der Re-gisseur recherchiert und Indizien zu Tagegebracht hat. Dieses Experiment, das alsAufhänger des Films dient, soll in den20er/30er Jahren des 20. Jahrhunderts inGhana stattgefunden haben: sowjetischeWissenschaftler haben wohl versucht,

Mensch und Schimpanse zukreuzen – erfolglos.

Zu Wort kommt in dem Film auch derKölner Genetiker Dr. Wolf-Ekkehart Lön-nig, der den postulierten Evolutionsmecha-nismus Mutation relativiert: Gemäß seinenForschungen sind Mutationen grundsätzlichungeeignet, in der Natur lebensfähige Pflan-zen zu erzeugen.

Alles in allem eine sauber recherchierte,weitestgehend unpolemische Dokumentati-on. Als Alternative zur synthetischen Evolu-tionstheorie wird ganz kurz der Ansatz des„Intelligent Design” vorgestellt.

Als Beigabe befindet sich auf der DVDauch ein ca. 25-minütiges Gespräch des Re-gisseurs mit Dr. Lönnig, das mindestens sointeressant ist wie der Film selbst. Lönnig,der Wert darauf legt, nicht „Kreationist” ge-nannt zu werden, weil er nicht an eine6-Tage-Schöpfung glaubt, erklärt nebenspezifisch genetischen Themen auch Allge-meines, das man in der Auseinandersetzung„Schöpfung/Evolution” wissen sollte. Sehrinteressant sind auch seine Ausführungenüber die teilweise erfolgreichen Bemühun-gen, seine Webseite auf dem Server einesMax-Planck-Instituts (seines Arbeitgebers)sperren zu lassen, weil sie „religiös moti-viert” sei. Auf dieser Webseite übt er jedochrein naturwissenschaftlich/mathematischeKritik an der Evolutionstheorie (nähere In-formationen: www.weloennig.de/internetli-brary.html).

Martin Schweikert 79585 Steinen

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Junker, Reinhard; Scherer, Siegfried.

Evolution. Ein kritisches Lehrbuch. Gie-ßen: Weyel 2006 (6. Aufl.). 336 S. Hardco-ver: 24,90 EUR. ISBN 3-921046-10-6

Dies ist das Lehrbuch, das 2006 indeutschen Massenmedien so massivangegriffen und als „Kreationistenfi-

bel“ diffamiert wurde. Seinen Inhalt be-

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zeichnete die Frankfurter All-gemeine Sonntagszeitung am

8.10.2006 als „kruden Mix aus gefälschtenFakten und Spekulationen“. Schade, dassdie meisten Kritiker es nicht für nötig hiel-ten, es überhaupt zu lesen...

Die 6. Auflage dieses anspruchsvollen,aber ausgezeichnet aufgemachten Klassi-kers evolutionskritischer Biologie zeichnetsich durch einige Neuerungen aus. VieleAbschnitte wurden seit der 5. Auflage von2001 stark überarbeitet, besonders im Be-reich Vergleichende Biologie und Paläonto-logie. Neu hinzugekommen ist ein Kapitelüber die Entstehung biologischer Informati-on und eins über den Ansatz des „IntelligentDesign“.

Schon wer das Vor-wort liest, kann das An-liegen des Werkes ei-gentlich nicht missver-stehen. Das Lehrbuchwill die von der Evolu-tionsbiologie erarbeite-ten Einsichten in die ge-niale Anpassungsfähig-

keit lebender Systeme, die man auch „Mi-kroevolution“ nennen kann, positiv darstel-len. Gleichzeitig betrachtet es aber die kriti-

sche Diskussionals Zeichen vonWissenschaft und kritisiert deshalb deutlichdie Hypothesen von Makroevolution. Weit-hin unbekannte Deutungsprobleme und of-fene Fragen von Evolutionstheorien werdensystematisch thematisiert.

Dabei wird von vornherein auch gra-fisch deutlich gemacht, an welcher Stelle eszu Grenzüberschreitungen kommt. Das giltfür den Naturalismus ebenso wie für Schöp-fungslehren (z.B. S. 47 und 113). Teil VIIdes Buches beschäftigt sich speziell mit die-sen Grenzüberschreitungen, nämlich derDeutung des Lebens unter der Vorausset-zung von Schöpfung. Es sollte jedem klarsein, dass sich vergangene Ereignisse prinzi-piell nicht empirisch erforschen lassen undman deshalb verschiedene Ursprungskon-zepte entwerfen kann, was aber von Vertre-tern eines Evolutionismus heftig bestrittenwird.

Das Lehrbuch ist ein ausgezeichnetesBeispiel für gründliche und saubere Arbeitund wird wahrscheinlich auch deshalb soheftig angegriffen, wohlgemerkt, nicht wi-derlegt.

Karl-Heinz Vanheiden08269 Hammerbrücke

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Brand, Michael. Wie alt ist die Mensch-

heit? Demographie und Steinwerkzeuge mitüberraschenden Befunden. München: Kne-sebeck 2004. 160 S. Hardcover: 14,95 EUR.ISBN 3-7751–4487–0

Im Rahmen der Evolutionslehre wird dasAlter der Menschheit auf ca. 2 MillionenJahre geschätzt. Grundlage für diese An-

gabe ist die radiometrische Datierung vonKnochenresten.

Michael Brandt untersucht in seinemBuch zwei Themen, die Hinweise auf die

Richtigkeit der Altersschätzung geben kön-nen: die Geschwindigkeit des Bevölke-rungswachstums und die Menge an hinter-lassenen Steinwerkzeugen.

Man geht heute davon aus, dass das Be-völkerungswachstum im Paläölithikum ex-trem niedrig war und dass es erst ab demNeolithikum (vor ca. 10 000 Jahren) zu einerdeutlichen Zunahme der Wachstumsratenkam. Dieser Befund stellt für die Evolu-tionslehre ein Problem dar. Brandt weistnach, dass die Erklärungen, die dafür gege-ben werden, nicht stichhaltig sind. Dabei

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zieht er Vergleiche mit heuti-gen „Wildbeutern“, z.B. den

Buschmännern. Es zeigt sich, dass die Le-bensbedingungen in vorgeschichtlicher Zeithäufig günstiger waren als später und nichtals Ursache für das niedrige Bevölkerungs-wachstum angeführt werden können. Auchandere Erklärungen (wie z. B. wiederkeh-rende Epidemien) sind nicht glaubwürdig.

Der Verbrauch an Steinwerkzeugenlässt sich anhand lebender „Wildbeuter“ ab-schätzen. Demnach müssten die vorge-schichtlichen Hinterlassenschaften an sol-chen Werkzeugen einen weit größeren Um-fang haben als das tatsächlich der Fall ist.Auch die nachgewiesene Siedlungsstabilitätüber zehntausende von Jahren (im etablier-ten Denkrahmen) an bestimmten Orten (z.B.Karain in Anatolien) ist ein Problem, weildie Anzahl der vorgefundenen Werkzeug-reste viel zu gering für die angenommenenlangen Zeiträume ist.

Als Lösung schlägt Brandteine drastische Verkürzung derMenschheitsgeschichte auf einige Jahrtau-sende vor, wie es auch zu einer biblisch be-gründeten Geschichtsschau passt.

Dadurch werdenaber die absoluten Da-tierungsmethoden (z. B.Radiokarbonmethode)in Frage gestellt, wasnicht unproblematischist und von Wissen-schaftlern (s. Literatur-verzeichnis des Buches)diskutiert wird.

Das Buch besticht durch Faktenreich-tum und Sachlichkeit. Ohne dass es irgend-welcher Polemik bedarf, wird der „Weltan-schauungscharakter“ der Evolutionslehrefür den Leser sichtbar. Für am Thema Inter-essierte ist es eine gute Empfehlung.

Thomas Freudewald08301 Bad Schlema

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Tubb, Jonathan N. Völker im Lande Ka-

naan, Völker der Antike. Stuttgart: KonradTheiss, 2005. 152 S. Hardcover: 30,00 EUR.ISBN 3-8062-1863-3

Christen reden zuweilen von der„Sprache Kanaans“, ohne dass es da-bei um die Sprache der Völker im bi-

blischen Lande Kanaans ginge, oder stol-pern in den historischen Büchern (1-5 Mose,Josua, Richter) immer wieder über kurzeoder lange Aufzählungen der verschiedenen„-iter“-Völker, die vor oder neben Israel dasLand Kanaan bevölkert haben. Doch werwaren diese Völker?

Der vorliegende Band ist die deutscheAusgabe von Peoples of the Past: Canaani-tes (London: The British Museum Press,

1998). Nach einer kurzen sehr guten Einlei-tung in Geschichte und Methoden der Ar-chäologie des alten Vorderen Orients be-schreibt Tubb einleitend „Kanaan und seineBevölkerung“ (13-22). Dabei geht es imWesentlichen um die Bibel als geschichtli-che Quelle, die sog. Biblische Archäologieund den geografischen Hintergrund (Topo-grafie und Klima, 19-22). Anschließendfolgt Tubb einem chronologischen Abriss(Vorgeschichte: Jungsteinzeit und Kupfer-steinzeit (8500-3300 v. Chr.); die Frühbron-zezeit und die ersten Städte (3300-2400 v.Chr.); Rezession als Zwischenspiel: DieFrühbronzezeit IV (2400-2000 v. Chr.); dieMittelbronzezeit und die Hyksos (2000-1550 v. Chr.); Leben unter fremder Herr-schaft: Die Spätbronzezeit (1550-1150 v.

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Page 78: C:Dokumente und EinstellungenKHVEigene ...bibelbund.de/wp-content/uploads/2014/06/bug2007-2.pdf · 18.45-19.30 Pause für Kaffee und Gespräche 19.30-20.15 Vortrag 1: Krankheit und

Chr.), die Seevölker und das„ägyptische Kanaan“, die frühe

Eisenzeit und der Aufstieg Israels (1150-900 v. Chr.), die späte Eisenzeit (900-539 v.Chr.), die Perserzeit (539-332 v. Chr.) unddas kanaanitische Erbe, nämlich Griechen,Römer und Phönizier (S. 123-35). Eine Zeit-tafel, Anmerkungen, Literaturhinweise undSachregister schließen den (mit etwas Mü-he) allgemeinverständlichen Band ab. DerSchwerpunkt liegt auf einer Grabung in Jor-danien, an der Tubb im Auftrag des Briti-schen Museums seit 1985 beteiligt ist (Be-schreibung S. 36-44). Der Band ist mit vie-len schwarz-weißen Photographien und Illu-strationen sowie 18 Farbtafeln versehen. Diebeiden Karten auf S. 6f sind wenig detailliertund bilden leider nicht die Topographie ab.

Tubb gibt einen gu-ten Überblick über denStand der archäologi-schen Erforschung derVölker Kanaans. Ent-täuschend ist dagegenseine Einschätzung undBehandlung des AltenTestaments als histori-scher Quelle. Er bleibt

ganz den Ansätzen, Ergebnissen und der Re-konstruktion der Geschichte Israels nach derhistorischen Kritik verpflichtet. Für Tubbwaren die Israeliten selbst Kanaanäer: „Das‚historische’ im Unterschied zum ‚literari-schen’ Israel [der biblischen Texte] war inWirklichkeit eine Untergruppe, ein eigenerStammesverband innerhalb der kanaaniti-schen Kultur“ (15). Die Bibel darf nicht alshistorische Primärquelle herangezogen wer-den, denn: „Nicht ein einziges Buch des ATkann als zeitgenössisches Dokument gelten,alle seine Schriften beruhen auf Texten, die

in den meisten Fäl-len erst mehrerehundert Jahre nach den Ereignissen verfasstworden sind“ (16, vgl. auch 18f). Für dieGeschichten der Bibel fordert Tubb: „Manmuss sie nur neu bewerten als Teil des litera-rischen Erbes der Nation, der nur bedingt et-was mit der historischen Realität zu tun hat“(18). Gegen die Bibel führt Tubb an: „Beider Durchsicht der archäologischen Befun-de fällt besonders die kulturelle Kontinuitätder kanaanitischen Zivilisation zumindestseit dem 4. Jahrtausend bis in der Zeit derAbfassung oder Kompilation der biblischenTexte auf“ (19). Daher kann von einem ausÄgypten ins Land ziehenden Volk Israelkeine Rede sein. Dass die Bibel selbst vondieser (für Israel in vielfacher Hinsicht) ver-hängnisvollen Kontinuität mit den Götternund Sitten der Völker des Landes spricht,entgeht dem Autor.

Dieses Buch stellt die Kanaaniter dermodernen archäologischen Forschung dar,die freilich ihre Funde ebenfalls interpretiert(teils vom historisch-kritischen Verständnisdes AT her) und teils bewusst auf die bibli-schen Texte und auch auf andere vorder-orientalische Quellen verzichtet. Nicht um-sonst gibt es für beide Texte kein Register!Eine derartige Selbstbeschränkung ist frag-würdig gerade angesichts der sowohl spärli-chen und in sich oft mehrdeutigen materiel-len Überlieferung. Daher ist der Nutzen fürden Bibelleser beschränkt. Spannend wäreein Buch, das die Kanaaniter in der bibli-schen Überlieferung darstellt ohne dabei ar-chäologische Funde zu vernachlässigen.

Christoph Stenschke51702 Bergneustadt

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Page 79: C:Dokumente und EinstellungenKHVEigene ...bibelbund.de/wp-content/uploads/2014/06/bug2007-2.pdf · 18.45-19.30 Pause für Kaffee und Gespräche 19.30-20.15 Vortrag 1: Krankheit und

Schnabel, J. Eckhard. Sind

Evangelikale Fundamentalis-

ten? Holzgerlingen: Hänssler 2006. 112 S.Taschenbuch 7,95 EUR. ISBN 3-7751-4536-2.

Wer bei diesem Titel eine Auseinan-dersetzung mit der aktuellen Fun-damentalismus-Debatte, die wir

z.Zt. in deutschen Medien beobachten kön-nen, erwartet, wird enttäuscht sein. Wir ha-ben es hier mit einer inhaltlich unveränder-ten Neuauflage des unter gleichem Titel imJahr 1995 im Brockhaus Verlag Wuppertalund Zürich erschienenen Buches zu tun.

Weder wird die veränderte Wahrneh-mung des Begriffes Fundamentalismus seitdem 11.09.2001, noch die Selbstverständ-lichkeit, mit der heute islamische gewaltbe-reite Extremisten, konservative christlicheKreise in den USA und deutsche Kreationis-ten in einem Atemzug genannt werden, the-matisiert. Wir haben es hier nicht mit eineraktuellen Zeitanalyse zu tun. Der Autornimmt dazu im Vorwort zur NeuauflageStellung: „Weil die zentralen Fragen zumSelbstverständnis der Evangelikalen diegleichen geblieben sind, wurde bei der Neu-auflage auf eine Aktualisierung verzichtet.“(S. 12).

Es geht in diesem Büchlein nicht so sehrum die Frage, ob Evangelikale Fundamenta-listen sind. Vielmehr nimmt der Autor dieseFrage auf, um dann nach einer Klärung desBegriffes „Fundamentalismus“ im erstenTeil des Buches, im zweiten Teil die Not-wendigkeit von Glaubensfundamenten undim dritten Teil die Gefährdung des „Funda-mentalismus“ für den christlichen Glaubenherauszuarbeiten.

Man erfährt nichts, was man nicht schonmal woanders gehört oder gelesen hat, aberdas Thema wird kompakt dargelegt. Hier

liegt meiner Meinung nach dieStärke des Buches: Wer sich ei-nen ersten Überblick über die Position deschristlichen Fundamentalismus im Spek-trum der christlichen Frömmigkeitsstile undGlaubensauffassungen verschaffen will,wird mit diesem Buch gut beraten sein. Be-sonders der dritte Teil: Wahrheit ohne Lie-be: „Fundamentalismus“ als Gefährdung, istfür den Leser, der dem christlichen Funda-mentalismus nahe steht, eine gute Reflekti-on auf seinen eigenen Standpunkt.

Sind Evangelikale Fundamentalisten?Diese Frage wird bis zum Schluss nicht pau-schal beantwortet. Der Autor, Professor fürNeues Testament an der Trinity EvangelicalDivinity School inDeerfield bei Chicago,der sich selbst den Wer-ten des christlichenFundamentalismus ver-pflichtet weiß, kommtzu folgendem Fazit:„Wo mit „Fundamenta-lismus“ jedoch Qualitä-ten angesprochen sind,die Christen aufgrundder biblischen Vorgaben nicht preisgebenkönnen und wollen, halten wir trotz polemi-scher Pauschalkritik fröhlich an diesen fest,weil sie zum Glauben gehören. (…) Hütenwir uns davor, diese Grundelemente bibli-schen Glaubens in ihrer Bedeutung herun-terzuspielen, nur weil ihre Betonung heutenicht populär ist und weil wir Angst haben,uns zu blamieren.“ (S. 94).

Ein ausführliches Quellenverzeichnis,eine Bibliographie zum Thema Fundamen-talismus (Stand 1994) und ein Namensver-zeichnis bilden den ausführlichen Anhangdes Büchleins.

Tobias Wagner06295 Lutherstadt Eisleben

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Hille, Rolf. Wer ist Gott? Un-

ser Glaube an den Vater, den

Sohn und den Heiligen Geist. Wuppertal:Brockhaus 2007. 128 S. Paperback: 9,95EUR. ISBN 3-417-29105-4

Über das Geheimnis der DreieinigkeitGottes nachzudenken – das ist für je-de Christen-Generation immer wie-

der eine Herausforderung und zugleich Er-mutigung, obwohl alle Erkenntnis der Trini-tät Gottes immer sowohl bruchstückhaft alsauch ein unerklärbares Geheimnis bleibt.Viele Christen an der Gemeindebasis kön-nen mit der so kompliziert erscheinendenTrinitätslehre wenig anfangen. Für sie ist

das alles nur theologi-sche Spekulation mitvielen abstrakten Be-griffen, die der Laiekaum nachvollziehenkann. Wenn fünf kom-petente Dozenten desTübinger Albrecht-Bengel-Hauses es wa-gen, mit ihren Beiträgenmehr Klarheit und Licht

in die bereits seit Jahrhunderten währendetheologische Diskussion zu bringen, danndarf man gespannt sein. Entsprechend ihrentheologischen Fachdisziplinen gehen sie indiesem Studienbuch den Fragen der Trini-tätstheologie nach.

Eberhard Hahn stellt in seinem Beitragden Zusammenhang von dogmatischen Po-sitionen zur Trinitätslehre und der liturgi-schen Praxis der Kirche dar. Rolf Hille, alsHerausgeber, geht es um die Beziehung zwi-schen der heilsgeschichtlichen („ökonomi-schen“) und der sogenannten „immanentenTrinität“, d.h. der Relation der göttlichenPersonen zueinander. Ist die Trinitätslehrebiblisch begründet? – dieser Frage stellt sichUwe Rechberger und zeigt im Alten und

Neuen Testamentdie deutlichenSpuren des dreieinigen Gottes. Steffen Kern

unterstreicht die Bedeutung von fundamen-taltheologischen Einsichten für die prakti-sche Theologie. Und Rolf Sons geht in sei-nem Artikel Luthers Erklärung zum aposto-lischen Glaubensbekenntnis entlang und be-schreibt die großen Taten der Heilsge-schichte als Werk des dreieinigen Gottes.

Insgesamt sind alle diese sorgfältigenBeiträge informativ, begründet und theolo-gisch ausgewogen. Sie vermitteln vieleAspekte, zeigen interessante Perspektivenauf – und fordern heraus, das eigene „be-grenzte“ theologische Denkgebäude in die-ser Frage neu zu durchdenken. Man liestdieses Buch mit Gewinn – auch wenn esdurchweg (für den sogenannten „Laien“)theologisch sehr anspruchsvoll ist. Hätteman den hoch interessanten und grundle-genden Beitrag von Uwe Rechberger (Ist dieTrinitätslehre biblisch begründet?) zu Be-ginn des Buches platziert, dann wären dieanderen Beiträge für den theologisch nichtganz so versierten Leser wesentlich ver-ständlicher. Schade, dass Herausgeber undVerlag dies nicht berücksichtigt haben. Vondem Beitrag von Steffen Kern (Der dreieini-ge Gott in Verkündigung und Unterricht)hätte man sich mehr Praxisbezug ge-wünscht. Dieser Artikel ist theologisch sodicht, dass es Mühe macht, seinen Ausfüh-rungen noch aufmerksam zu folgen. Erst aufden letzten Seiten (Schüleräußerungen über„Gott“) bekommt sein Beitrag Leben undFarbe. Im Beitrag von Rolf Sons ist beson-ders das Kapitel: „Von den Gestaltungswei-sen geistlichen Lebens“ eine ausgesprochengute und praxisbezogene Erörterung für dasLeben im Glauben an den einen, trinitari-schen Gott.

Dieses theologische Studienbuch ist eingut strukturiertes, übersichtliches Arbeits-

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Page 81: C:Dokumente und EinstellungenKHVEigene ...bibelbund.de/wp-content/uploads/2014/06/bug2007-2.pdf · 18.45-19.30 Pause für Kaffee und Gespräche 19.30-20.15 Vortrag 1: Krankheit und

buch zu den wichtigsten Posi-tionen der überaus komplexen

Trinitätsfrage, sowohl für Theologiestuden-ten und Bibelschüler, wie auch für Pastorenund Religionslehrer. Aber auch jeder theo-logisch interessierte Laie wird das Buch mit

Gewinn lesen. Es gehört in dieHand aller, die in und mit ihrerVerkündigung biblisch gesunde Lehre wei-tergeben möchten.

Manfred Bönig29635 Schneverdingen

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Alcorn, Randy. Der Himmel: Was uns dort

wirklich erwartet. Holzgerlingen: Hänssler2005. 377 S. Hardcover: 19,95 EUR. ISBN3-7751-4407-2

Während die Sterbeforschung (Eli-sabeth Kübler-Ross, RaymondMoody, Bernard Jakoby) seit

mehr als 25 Jahren versucht, der Frage nach-zugehen, was nach dem Tod kommt, sindBücher, die das Danach vom biblischenZeugnis her beleuchten eher rar. Und das,was hier und da fragmentarisch in Büchernund Predigten zu dem Thema gesagt wird –darin muss man dem Autor Randy Alcornsicher recht geben – ergibt nur ein sehr un-klares Bild. Das vorliegende Buch füllt da-mit eine wichtige Lücke. Randy Alcorn ge-hört mit seinen über 25 Büchern zu den gerngelesenen Autoren im anglikanischenRaum. Bevor Alcorn 1990 sein Missions-werk ‚Eternal Perspective Ministries’(EPM) gründete, war er 13 Jahre als Pastoreiner Gemeinde in Oregan (USA) tätig, woer heute noch lebt. Wie der Name des vonihm geleiteten Missionswerkes schon sagt,will Alcorn Antworten auf Lebensfragenvon der Perspektive der Ewigkeit her durchLehre und Lebensberatung geben. EPMscheint das Ergebnis langjähriger Beschäfti-gung mit dem Thema ‚Himmel’zu sein. Daswird beim Lesen des Buches deutlich.

Der Untertitel des Buches regt zum Le-sen an. Aber kann uns der Autor wirklichsagen, was uns im Himmel erwarten wird?

Alcorn beginnt seineDarlegungen mit einer‚Theologie des Him-mels’. Es erscheint zu-nächst etwas verwir-rend, wenn er in derEinleitung schreibt:„Das Kernstück vonTeil I befasst sich mitdem zentralen Themades Buches, der neuen Erde“ (S.10). Gehtes ihm um den Himmel oder um die ‚neueErde’ oder meinen beide Begriffe das glei-che? Erst im Laufe der Lektüre wird demLeser zunehmend klarer, dass ‚Himmel’für Alcorn einen Oberbegriff darstellt, deralles umschreibt, was uns in der Zukunftnach diesem Leben erwartet. Mit ‚Zwi-schenhimmel’ bezeichnet er den Ort, andem sich die Verstorbenen zwischen Todund Auferstehung aufhalten und die ‚neueErde’ ist schließlich der von Anfang an füruns Menschen vorgesehene Lebensraum,an den wir nach der Auferstehung gelan-gen.

Im zweiten Teil geht Alcorn dann aufverschiedene Fragen zum Thema ein. Eswird immer wieder deutlich, dass es Fragensind, die ihm bei seiner Lehrtätigkeit gestelltwurden und oft findet man darin seine eige-nen Fragen wieder.

Im dritten Teil beschreibt er dann an-satzweise, welche Konsequenzen die darge-legten Ausführungen über die zukünftige

Rezensionen 79Bibel undGemeinde

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Welt für unser Leben im Hierund Jetzt haben.

Das gesamte Buch ist im Stil einer Kate-chese geschrieben, indem der Autor immerwieder Fragen stellt, die er dann beantwor-tet. Dieser Stil erleichtert aufgrund seinerKurzweiligkeit das Lesen.

Inhaltlich kann man die Aussagen desBuches auf folgende These reduzieren:Gott hat diese Erde als Lebensraum fürden Menschen geschaffen und sein Schöp-fungswerk als „sehr gut“ bezeichnet (1Mo1,31). Die Sünde ist dann zwar dazwi-schen gekommen, hat aber Gott nicht vonseiner ursprünglichen Absicht wegge-bracht, dass seine Geschöpfe auf einer Er-de zusammenleben und ihn als ihrenSchöpfer verherrlichen. So entsprechensich Anfang und Ende der Geschichte die-ser Zeit. Dennoch wird es keine reine Wie-derherstellung des Anfangszustandes wer-den, denn am Anfang wird uns ein Gartenin Eden beschrieben (1Mo 2,8), in demzwei Menschen lebten – am Ende begeg-net uns eine Stadt (Offb 21,2), in der be-kanntlich viele Menschen leben. Aberauch wenn die neue Welt nicht einfach

identisch sein wirdmit dem Zustandvor dem Sünden-fall – grundlegendwerden sie sich äh-neln, denn warumsollte Gott etwas,was er als „sehrgut“ geschaffenhat, verwerfen?

Hat man dieseGrundthese des Au-tors erfasst, so kannman sich die meis-ten Antworten aufdie aufgeworfenen

Fragen bald selberzusammenreimen.Wie wird das Leben auf der neuen Erdesein? – Im Prinzip so wie das Leben hier –nur eben ohne die negativen Elemente wieSünde, Krankheit, Tod und Vergänglich-keit.

Beim Lesen ist man auf der einen Seiteüberrascht, an wie vielen Stellen die BibelBezug nimmt auf die zukünftige Welt. Aufder anderen Seite sind es dennoch größten-teils Andeutungen, so dass die meisten Ant-worten eben nicht aus klaren biblischenAussagen gewonnen werden, sondern Ab-leitungen aus der beschrieben Grundthesedarstellen. So kann dem Leser trotz der stei-len Aussage im Untertitel und dem über-zeugten Ton der gegebenen Antworten dasGefühl nicht wirklich genommen werden,das vieles letztlich doch nur Vermutungenund Ableitungen sind. Wie es wirklich seinwird kann auch Alcorn nicht sagen, und esbleibt abzuwarten.

Der Autor verfolgt in dem Buch letztlichein Ziel: Er will im Leser eine Freude auf diezukünftige Welt wecken, indem er dieseneue Welt möglichst plastisch beschreibt.Das wiederum wirft Fragen auf: Wird derHimmel in der Beschreibung von Alcornnicht gar zu irdisch dargestellt? Wollen dieBeschreibungen der Bibel nicht doch eineErwartung in uns wecken, die weit über dashier Erlebte hinausgehen (vgl. u.a. Offb21+22)?

Abschließend kann man sagen, dass esAlcorn gelungen ist, diese Freude auf die zu-künftige Welt zu wecken, und das macht dasBuch lesenswert, trotz mancher Fragen diebleiben.

Waldemar Penner01277 Dresden

80Bibel undGemeinde

2/2007

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