Chemie

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N Si N R R N Si N R R N Si N R R H R' H R' HC CR' HC CR' -78°C/ Kat. R = 2,6-iPr 2 C 6 H 3 ; R' = H oder Ph RT Notizen Chemie Kontrollierte Kondensation Die heterogene Keimbildung bei der Kondensation von gasförmigem n-Pro- panol haben Winkler et al. untersucht [Science 2008, 319, 1374]. Als Substrate für die Keimbildung setzten sie gelade- ne und elektrisch neutrale Nanopartikel sowie positiv und negativ geladene Molekülionen ein. Die Größe dieser Substrate variierte von etwa 0,9 bis 4 nm. Größeneffekte dominierten das Kondensationsverhalten: je kleiner die Heterogenteilchen, desto niedriger die erforderliche Gasphasenkonzentration von n-Propanol. Geladene Partikel ten- dierten dazu, etwas effizienter Konden- sationskeime zu bilden als ungeladene Partikel vergleichbarer Größe. Negative Ladungen begünstigen die Keimbildung stärker als positive Ladungen. Das Kon- densationsverhalten lässt sich mit ein- fachen physikalischen Modellen prak- tisch quantitativ voraussagen. SLMS Silylene mit vielfältiger Reaktivität Silylene R 2 Si sind wie Carbene R 2 C hochreaktive Zwischenstufen in zahlrei- chen Reaktionen. Analog zu den Carbe- nen gelang es in den letzten Jahren, auch Silylene zu isolieren. Driess et al. berichten nun über eine ungewöhnliche Reaktivität des ylidartigen Silylen (1) gegenüber terminalen Alkinen [Angew. Chem. 2008, 120, 3294]: Bei Raumtem- peratur entsteht ausschließlich das C-H-Insertionsprodukt (2). Demgegen- über erhält man bei –78 °C das [2+1]-Cy- cloadditionsprodukt (3). Die Bildung von (3) erfolgt autokatalytisch und lässt sich durch die Zugabe eines Silacyclopropen- ylderivates beschleunigen, wobei der genaue katalytische Bildungsmechanis- mus noch zu klären ist. Sicher scheint, dass (3) kein Intermediat auf dem Weg zu (2) ist, da es beim Erhitzen nicht in letzteres übergeht. AS Alles unter Hochspannung Der breiten Anwendung gespann- ter (E)-Cycloalkene (1) als chirale Ligan- den oder (Metathese-)Polymerisations- substrate steht ihre schwere Zugäng- lichkeit entgegen. Fox et al. beschrei- ben jetzt die Photoisomerisierung von billigen (Z)-Cyclooctenen [J. Am. Chem. Soc. 2008, 130, 3760]. Die (E)-Isomere lassen sich durch Komplexierung an einer Silbernitrat-imprägnierten Säule im Grammmaßstab in guter Ausbeute isolieren. Nuckolls et al. setzen dage- gen auf eine doppelte Wittig-Reaktion und erhalten aus o-Phthalaldehyd (3) und dem Phosphoran (2) (5Z,11E)- Dibenzocyclooctatetraen (4) [Angew. Chem. 2008, 120, 3024]. Bereits Wittig selbst hatte – jedoch nicht mit seiner Reaktion – (4) gewonnen, aber nicht als trans-Isomer erkannt. UJ Ambipolarer Ladungstransport in DNA-Filmen Ambipolare elektronische Bauteile eignen sich als logische Schaltungen für Anwendungen in Biotransistoren und DNA-Halbleitern. Dabei bedeutet ambipolar, dass der Ladungstransport durch die Bewegung von sowohl Kat- ionen als auch Elektronen erfolgt – im Unterschied zum normalen Ladungs- transport, der nur auf Elektronen be- ruht. Um solche ambipolaren Bauteile auf Basis von DNA-Molekülen herzu- stellen, haben Roy et al. einen DNA- Film zwischen zwei Elektroden gegos- sen, den sie dann scherten [Adv. Mater. 2008, 20, 1258]. Beim Scheren des Fil- mes bildet sich zwischen den Elektro- den ein interpenetrierendes Netzwerk aus DNA-Molekülen. Die Elektroden zeigen dann ein ambipolares Verhalten über einen großen Bereich elektrischer Vorspannungen. OW Supraleitung Oxidische Supraleiter auf Kupferba- sis brachten vor etwa 20 Jahren große Durchbrüche sowohl hinsichtlich der Sprungtemperatur als auch beim grundlegenden Verständnis der Lei- tungsmechanismen. Durch veränderte Beimischungen ließen sich Sprung- temperaturen von über 100 K erzielen, jedoch erschien Cu als strukturgeben- des Element immer erforderlich. Nach- dem Takahashi et al. vor zwei Jahren gezeigt haben, dass Eisen ebenfalls als zentrales Metallatom nützlich sein kann [in LaOFeP, siehe J. Am. Chem. Soc. 2006, 128, 10012], ist es derselben Arbeitsgruppe jetzt gelungen, die Sprungtemperatur erheblich zu erhö- hen [Nature 2008, doi: 10.1038/ nature06972]. Sie ersetzten dazu Phos- phor durch Arsen, dotierten Fluorid ein und setzten den Festkörper unter Druck. Die polarisierbarere Fe-As-Bin- dung verursacht eine Sprungtempera- tur von 43 K – ein Wert, der außer von cupratbasierten Materialien noch von keiner anderen Stoffklasse erreicht wurde. AT Nachrichten aus der Chemie | 56 | Juni 2008 | www.gdch.de/nachrichten 628 R R PPh 3 Ph 3 P CHO OHC (Z)- h , 254 nm AgNO 3 -Säule (E)- 52 bis 77% R = H, Alkyl, OH, NR 2 20% + (1) (1) (2) (3) (4) (1) (2) (3)

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N

Si

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N

Si

N

R

R

N

Si

N

R

R

H

R'

H

R'

HC CR'HC CR'

-78°C/ Kat.

R = 2,6-iPr2C6H3; R' = H oder Ph

RT

�Notizen�

Chemie Kontrollierte Kondensation

� Die heterogene Keimbildung bei der Kondensation von gasförmigem n-Pro-panol haben Winkler et al. untersucht [Science 2008, 319, 1374]. Als Substrate für die Keimbildung setzten sie gelade-ne und elektrisch neutrale Nanopartikel sowie positiv und negativ geladene Molekülionen ein. Die Größe dieser Substrate variierte von etwa 0,9 bis 4 nm. Größeneffekte dominierten das Kondensationsverhalten: je kleiner die Heterogenteilchen, desto niedriger die erforderliche Gasphasenkonzentration von n-Propanol. Geladene Partikel ten-dierten dazu, etwas effizienter Konden-sationskeime zu bilden als ungeladene Partikel vergleichbarer Größe. Negative Ladungen begünstigen die Keimbildung stärker als positive Ladungen. Das Kon-densationsverhalten lässt sich mit ein-fachen physikalischen Modellen prak-tisch quantitativ voraussagen. SLMS

Silylene mit vielfältiger Reaktivität

� Silylene R2Si sind wie Carbene R2C hochreaktive Zwischenstufen in zahlrei-chen Reaktionen. Analog zu den Carbe-nen gelang es in den letzten Jahren, auch Silylene zu isolieren. Driess et al. berichten nun über eine ungewöhnliche Reaktivität des ylidartigen Silylen (1) gegenüber terminalen Alkinen [Angew. Chem. 2008, 120, 3294]: Bei Raumtem-peratur entsteht ausschließlich das C-H-Insertionsprodukt (2). Demgegen-über erhält man bei – 78 °C das [2+1]-Cy-cloadditionsprodukt (3). Die Bildung von (3) erfolgt autokatalytisch und lässt sich durch die Zugabe eines Silacyclopropen-ylderivates beschleunigen, wobei der genaue katalytische Bildungsmechanis-mus noch zu klären ist. Sicher scheint, dass (3) kein Intermediat auf dem Weg zu (2) ist, da es beim Erhitzen nicht in letzteres übergeht. AS

Alles unter Hochspannung

� Der breiten Anwendung gespann-ter (E)-Cycloalkene (1) als chirale Ligan-den oder (Metathese-)Polymerisations-substrate steht ihre schwere Zugäng-lichkeit entgegen. Fox et al. beschrei-ben jetzt die Photoisomerisierung von billigen (Z)-Cyclooctenen [J. Am. Chem. Soc. 2008, 130, 3760]. Die (E)-Isomere

lassen sich durch Komplexierung an einer Silbernitrat-imprägnierten Säule im Grammmaßstab in guter Ausbeute isolieren. Nuckolls et al. setzen dage-gen auf eine doppelte Wittig-Reaktion und erhalten aus o-Phthalaldehyd (3) und dem Phosphoran (2) (5Z,11E)- Dibenzocyclooctatetraen (4) [Angew. Chem. 2008, 120, 3024]. Bereits Wittig selbst hatte – jedoch nicht mit seiner Reaktion – (4) gewonnen, aber nicht als trans-Isomer erkannt. UJ

Ambipolarer Ladungstransport in DNA-Filmen

� Ambipolare elektronische Bauteile eignen sich als logische Schaltungen für Anwendungen in Biotransistoren und DNA-Halbleitern. Dabei bedeutet ambipolar, dass der Ladungstransport durch die Bewegung von sowohl Kat-ionen als auch Elektronen erfolgt – im Unterschied zum normalen Ladungs-transport, der nur auf Elektronen be-ruht. Um solche ambipolaren Bauteile

auf Basis von DNA-Molekülen herzu-stellen, haben Roy et al. einen DNA-Film zwischen zwei Elektroden gegos-sen, den sie dann scherten [Adv. Mater. 2008, 20, 1258]. Beim Scheren des Fil-mes bildet sich zwischen den Elektro-den ein interpenetrierendes Netzwerk aus DNA-Molekülen. Die Elektroden zeigen dann ein ambipolares Verhalten über einen großen Bereich elektrischer Vorspannungen. OW

Supraleitung

� Oxidische Supraleiter auf Kupferba-sis brachten vor etwa 20 Jahren große Durchbrüche sowohl hinsichtlich der Sprungtemperatur als auch beim grundlegenden Verständnis der Lei-tungsmechanismen. Durch veränderte Beimischungen ließen sich Sprung-temperaturen von über 100 K erzielen, jedoch erschien Cu als strukturgeben-des Element immer erforderlich. Nach-dem Takahashi et al. vor zwei Jahren gezeigt haben, dass Eisen ebenfalls als zentrales Metallatom nützlich sein

kann [in LaOFeP, siehe J. Am. Chem. Soc. 2006, 128, 10012], ist es derselben Arbeitsgruppe jetzt gelungen, die Sprungtemperatur erheblich zu erhö-hen [Nature 2008, doi: 10.1038/ nature06972]. Sie ersetzten dazu Phos-phor durch Arsen, dotierten Fluorid ein und setzten den Festkörper unter Druck. Die polarisierbarere Fe-As-Bin-dung verursacht eine Sprungtempera-tur von 43 K – ein Wert, der außer von cupratbasierten Materialien noch von keiner anderen Stoffklasse erreicht wurde. AT

Nachrichten aus der Chemie | 56 | Juni 2008 | www.gdch.de/nachrichten

628

R

R

PPh3Ph3P

CHOOHC

(Z)-

h , 254 nmAgNO3-Säule

(E)- 52 bis 77%R = H, Alkyl, OH, NR2

20%

+

(1)(1)

(2)

(3) (4)

(1) (2)(3)

Wolff-Umlagerung auf zwei Wegen

� Die photochemische Zersetzung von Diazoketonen (1), die Wolff-Um -lagerung, ist eine wichtige Methode, um Ketene (2) zu erzeugen. Ihr Ablauf ist jedoch im Vergleich zur thermi -schen Variante weniger verstanden. Platz et al. zeigen nun durch UV- und IR-Spektroskopie im Femtosekunden-bereich, dass sich (1) auf zwei konkur-rierenden Wegen umlagern kann

[J. Am. Chem. Soc. 2008, 130, 3746]. Nach Anregung zum Singulett (11*) erfolgt sowohl eine konzertierte Wan-derung und N2-Eliminierung zum angeregten Keten (12*), als auch eine Denitrogenierung unter Bildung des Singulett-Carbens (13*) in weniger als 1 ps. Aus (13) verläuft die Umlagerung zum Keten (2) mit 700 ps aber wesent-lich langsamer. UJ

Dipolkonforme Konformere

� Massenspektrometer separieren geladene Moleküle und Molekülfrag-mente mit einem elektrischen oder einem Magnetfeld. Das Verhältnis zwischen der Masse des Moleküls oder Fragments und dessen Ladung bestimmt die Trennbarkeit. Zwischen Konformeren konnte mit diesem Ver-fahren deshalb bisher nicht unter-schieden werden. Filsinger et al. zei-

gen nun anhand der cis- und trans-Konformere von 3-Aminophenol, dass es möglich ist, Konformere voneinan-der zu trennen und anzureichern – und zwar durch Variationen der Fre-quenz des elektrischen Wechselfeldes in einem Quadrupolmassenfilter

[Phys. Rev. Lett. 2008, 100, 133003]. Voraussetzung sind unterschiedliche Dipolmomente in den Konformeren. Diese Methode könnte für Unter-suchungen großer bioorganischer Moleküle bedeutsam werden. SLMS

Präsentierte Goldatome

� Die strukturelle Charakterisierung der metalloiden Goldclusterverbin-dung Au102(SPhCOOH)44 im Jahr 2007 durch Jadzinsky et al. eröffnete erst-mals den direkten Einblick in den strukturellen Aufbau großer thiolbe-deckter Goldcluster. Dabei zeigte sich ein ungewöhnliches Bindungsmotiv, bei dem zwei Liganden ein einzelnes Goldatom wie mit einer Zange aus der Oberfläche des Clusters herausziehen und präsentieren. Dass dieses Präsen-tiermotiv auch für andere metalloide Goldcluster wichtig ist, zeigen nun Jiang et al. [J. Am. Chem. Soc. 2008, 130, 2777]. Nach ihren Berechnungen führt das Motiv zu einer deutlich stabi-leren Form für Au38(SCH3)24. Da die prä-sentierten Goldatome eine andere Re-aktivität aufweisen und da das Heraus-ziehen einzelner Goldatome zu starken Veränderungen der physikalischen Ei-genschaften des Clusters führt, ist das Präsentiermotiv von fundamentaler Bedeutung für thiolbedeckte Goldclus-ter und Goldoberflächen. AS

Lechts und Rinks – unvelwechserbal

� Viele Feststoffe besitzen eine chira-le Struktur, die ihren Ursprung in der Chiralität ihrer Bausteine haben kann (aber nicht muss). Ein typisches Bei-spiel ist �-Quarz, dessen händige Struktur schon früh im Kristall erkannt wurde. Die klassische Methode zur Aufklärung von Festkörperstrukturen, die Beugung von Röntgenstrahlung, kann aus Symmetriegründen jedoch zwischen den beiden möglichen For-men nicht unterscheiden. Durch die Verwendung händig circular-polarisier-ter Röntgenstrahlung gelingt es Tanaka et al. nun, die beiden Formen von �-Quarz direkt zu unterscheiden [Phys. Rev. Lett. 2008, 100, 145502]. Dazu mussten die Autoren mit einer Strah-lungsenergie arbeiten, die kurz über der 1s-Absorptionskante des Siliciums lag. So ließen sich nichtdiagonale Am-plitudenwerte in der zweidimensiona-len Polarisationsmatrix erzeugen. AT

Ultrakalte anionische Wassercluster

� Anionische Wassercluster in der Gasphase ([H2O]n

–) sind ideale Modell-systeme zur Untersuchung der Eigen-schaften solvatisierter Elektronen in Wasser. Scheier et al. haben nun ultra-kalte, anionische Wassercluster (0,37 K) in nanoskopischen Heliumtröpfchen synthetisiert [J. Am. Chem. Soc. 2008, 130, 5573]. Dabei erhielten sie eine statistische Verteilung der Clustergrö-ße – ein scharfer Kontrast zu Unter-suchungen an wärmeren Wasserclus-tern, die bevorzugte diskrete Cluster-größen (magische Zahlen) aufweisen. Weitere Studien müssen zeigen, ob das Fehlen von magischen Zahlen ein kine-tischer oder ein thermodynamischer Effekt ist. AS

Nanoporöse Membranen

� Organische nanoporöse Materialien für Größenausschlussfiltrationen und formselektive Synthesen zeichnen sich durch ihre chemische Vielfalt und die gute Verarbeitbarkeit aus. Sie werden oft über Bottom-up-Strategien in Selbstorganisationsprozessen auf-gebaut. Mit einem polymerisierbaren

smektischen Flüssigkristall haben Broer et al. jetzt eine schaltbare nano-poröse Membran entwickelt [Adv. Ma-ter. 2008, 20, 1246]. In die vernetzte Polymermatrix bauten sie über Was-serstoffbrücken dimerisierte Carbon-säuresequenzen ein. Diese öffnen im Alkalischen und vergrößern den Ab-stand der Polymerketten von etwa 2,7 auf 3,4 nm. Obwohl Kationen wie Ba2+ und Nilblau von der Membran auf-genommen werden, stehen Durch-flussexperimente noch aus. OW

Ullrich Jahn, Prag Andreas Schnepf, Karlsruhe

Sven L. M. Schroeder, Manchester Andreas Terfort, Marburg

Oliver Weichold, Aachen

Nachrichten aus der Chemie | 56 | Juni 2008 | www.gdch.de/nachrichten

�Notizen� Chemie 630

μ = 2,3 D

μ = 0,7 D

elektrisches Feld (kV/cm)

Ener

gie

(cm

- ¹)

trans-3-Aminophenol

cis-3-Aminophenol

PhO

N2

BpO

N2 Bp

O

BpO

BpO

h

Bp

* *

*

<1 ps 30 ps

<1 ps

5 -10 ps

700 ps(1)

(11*) (12*)

(2)

(13*) (13)