Chemische Identität einzelner Partikel

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b Die klassische Ramanspektro- skopie analysiert die gesamte Probe eines Materials. In Verbindung mit statischer Bildanalyse ist sie eine leistungsfähige Methode, um die chemische Identität einzelner in ei- ner Probe dispergierter Partikel zu bestimmen. Damit eignet sie sich dazu, komplexe Partikelcharakteri- sierungsprobleme zu lösen, bei de- nen Partikelgröße und -form allei- ne nicht ausreichen. Das Morpho- logi G3-ID von Malvern misst Komponenten in Pulvermischun- gen und Suspensionen und identi- fiziert Verunreinigungen oder ver- dächtige Partikel in Produktformu- lierungen. Dabei eignet es sich für Nutzer mit begrenzter Erfahrung in Spektroskopie wie für erfahrene Wissenschaftler. Probenvorbereitung: Agglomerate trennen b Der Software-geführte Betrieb nach Vorschrift (standard oper- ation procedure, SOP) führt den Anwender von der integrierten Probendispergierung für trockene Pulver hin zur Bestimmung von Größe, Form und chemischer Ana- lyse mit automatischer Auswahl, Targeting und Klassifikation von Tausenden einzelner Partikel. Da- bei gliedert sich die Messung in die Schritte Vorbereitung, Messung und Identifizierung. Ziel der Probenvorbereitung ist die räumliche Trennung von ein- zelnen Partikeln und Agglomera- ten. Die integrierte Dispergierein- heit für trockene Pulver vereinfacht die Probenvorbereitung und macht sie reproduzierbar. Die eingebrach- te Dispersionsenergie lässt sich ge- nau steuern, um den Messvorgang für unterschiedliche Proben zu op- timieren. Die Proben, auch solche mit stark agglomerierten Materia- lien, werden dispergiert, ohne dass explosionsartiger Druck auf die Partikel einwirkt und fragile Teil- chen beschädigt. Statistik und chemische Identifizierung b Das Morphologi G3 beschreibt für jedes Partikel Form und Größe mit bis zu 20 verschiedenen Para- metern. Die Software vergleicht und gruppiert Daten, um Unter- schiede und Ähnlichkeiten zwi- schen den Messungen herauszufin- den. Das Mikroskop im Gerät scannt die Probe und nimmt dabei Bilder jedes einzelnen Partikels auf, dabei bleiben die Partikel im Fokus. An- hand der einzeln gespeicherten Graustufenbilder für jedes Partikel lassen sich die quantitativen Ergeb- nisse qualitativ verifizieren. Das Gerät sucht automatisch Teilchen, die für die chemische Identifizierung von Interesse sind, und zwar auf Basis vordefi- nierter Klassifizierungsregeln. Mit dem Ramanspektrum von der Mitte der Masse eines jeden Teil- chens identifiziert die integrierte Software die Substanzen auf Basis etablierter spektroskopischer Al- gorithmen. Dies ermöglicht so- wohl die Zählung definierter Klassen von Teilchen als auch die Erstellung eines Berichts über die Verteilung von Komponenten be- stimmter Partikelgröße und -form. Im Single-Point-Modus kann der Nutzer Partikel für die chemi- sche Analyse manuell auswählen. Für einen Vergleich mit externen forensischen Datenbanken steht eine Exportfunktion zur Verfü- gung. Die Hauptanwendung dieser Kombination aus Partikelcharakte- risierung und Ramanspektroskopie ist die Bestimmung komponenten- spezifischer Partikeleigenschaften von Mischungen. Arzneimittel und illegale Drogen: Streckmittel und Hilfsstoffe b Fragen in der Pharmaindustrie sind zum Beispiel die Bestimmung der Teilchengrößen von Arznei- mittelwirkstoffen in Nasensprays und Asthma-Inhalatoren oder die Identifizierung unbekannter oder Deborah Huck-Jones, Renate Hessemann Probleme der Pulvercharakterisierung, bei denen Größe und Form der Partikel alleine nicht genügend Informationen liefern, löst die Kombination aus Bildanalyse und Ramanspektroskopie. Zwei Beispiele sind Drogenfahndung und Zementproduktion. Chemische Identität einzelner Partikel BAnalytikV Nachrichten aus der Chemie| 62 | September 2014 | www.gdch.de/nachrichten 886

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b Die klassische Ramanspektro-skopie analysiert die gesamte Probe eines Materials. In Verbindung mit statischer Bildanalyse ist sie eine leistungsfähige Methode, um die chemische Identität einzelner in ei-ner Probe dispergierter Partikel zu bestimmen. Damit eignet sie sich dazu, komplexe Partikelcharakteri-sierungsprobleme zu lösen, bei de-nen Partikelgröße und -form allei-ne nicht ausreichen. Das Morpho-logi G3-ID von Malvern misst Komponenten in Pulvermischun-gen und Suspensionen und identi-fiziert Verunreinigungen oder ver-dächtige Partikel in Produktformu-lierungen. Dabei eignet es sich für Nutzer mit begrenzter Erfahrung in Spektroskopie wie für erfahrene Wissenschaftler.

Probenvorbereitung: Agglomerate trennen

b Der Software-geführte Betrieb nach Vorschrift (standard oper-ation procedure, SOP) führt den Anwender von der integrierten Probendispergierung für trockene Pulver hin zur Bestimmung von Größe, Form und chemischer Ana-lyse mit automatischer Auswahl, Targeting und Klassifikation von Tausenden einzelner Partikel. Da-bei gliedert sich die Messung in die Schritte Vorbereitung, Messung und Identifizierung.

Ziel der Probenvorbereitung ist die räumliche Trennung von ein-zelnen Partikeln und Agglomera-ten. Die integrierte Dispergierein-heit für trockene Pulver vereinfacht die Probenvorbereitung und macht sie reproduzierbar. Die eingebrach-te Dispersionsenergie lässt sich ge-nau steuern, um den Messvorgang für unterschiedliche Proben zu op-timieren. Die Proben, auch solche mit stark agglomerierten Materia-lien, werden dispergiert, ohne dass explosionsartiger Druck auf die Partikel einwirkt und fragile Teil-chen beschädigt.

Statistik und chemische Identifizierung

b Das Morphologi G3 beschreibt für jedes Partikel Form und Größe mit bis zu 20 verschiedenen Para-metern. Die Software vergleicht und gruppiert Daten, um Unter-schiede und Ähnlichkeiten zwi-schen den Messungen herauszufin-den.

Das Mikroskop im Gerät scannt die Probe und nimmt dabei Bilder jedes einzelnen Partikels auf, dabei bleiben die Partikel im Fokus. An-hand der einzeln gespeicherten Graustufenbilder für jedes Partikel lassen sich die quantitativen Ergeb-nisse qualitativ verifizieren.

Das Gerät sucht automatisch Teilchen, die für die chemische

Identifizierung von Interesse sind, und zwar auf Basis vordefi-nierter Klassifizierungsregeln. Mit dem Ramanspektrum von der Mitte der Masse eines jeden Teil-chens identifiziert die integrierte Software die Substanzen auf Basis etablierter spektroskopischer Al-gorithmen. Dies ermöglicht so-wohl die Zählung definierter Klassen von Teilchen als auch die Erstellung eines Berichts über die Verteilung von Komponenten be-stimmter Partikelgröße und -form.

Im Single-Point-Modus kann der Nutzer Partikel für die chemi-sche Analyse manuell auswählen. Für einen Vergleich mit externen forensischen Datenbanken steht eine Exportfunktion zur Verfü-gung.

Die Hauptanwendung dieser Kombination aus Partikelcharakte-risierung und Ramanspektroskopie ist die Bestimmung komponenten-spezifischer Partikeleigenschaften von Mischungen.

Arzneimittel und illegale Drogen: Streckmittel und Hilfsstoffe

b Fragen in der Pharmaindustrie sind zum Beispiel die Bestimmung der Teilchengrößen von Arznei-mittelwirkstoffen in Nasensprays und Asthma-Inhalatoren oder die Identifizierung unbekannter oder

Deborah Huck-Jones, Renate Hessemann

Probleme der Pulvercharakterisierung, bei denen Größe und Form der Partikel alleine nicht genügend

Informationen liefern, löst die Kombination aus Bildanalyse und Ramanspektroskopie. Zwei Beispiele

sind Drogenfahndung und Zementproduktion.

Chemische Identität einzelner Partikel

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Nachrichten aus der Chemie| 62 | September 2014 | www.gdch.de/nachrichten

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verdächtiger Partikel in injizierba-ren Produkten. Auch Behörden untersuchen Arzneimittel und il-legale Drogen. In beiden Fällen sind dabei nicht nur die Unter-scheidung von Wirk- und Hilfs-stoffen sondern auch von Fäl-schung und Original wichtige Punkte.

Einerseits finden sich Zumi-schungen pharmakologisch akti-ver Substanzen (beispielsweise Coffein, Kreatin, Lidocain, Phena-cetin) in Drogen, die ihre Wir-kung oft verstärken. Andererseits werden Drogen pharmakologisch inaktive Stoffe wie Zucker (Lacto-se, Saccharose und Glucose) un-tergemischt, um sie zu strecken und die Gewinne für die Händler zu erhöhen. Oft gefährden toxi-sche Substanzen in den Mischun-gen das Leben der Drogenkonsu-menten.

Die Charakterisierung der Sub-stanzen mit der Kombination aus Bildanalyse und Ramanspektrosko-pie sowie die vergleichende Analy-se zweier oder mehrerer Proben lie-fern detaillierte Kenntnisse über Streckmittel und Verschnittstoffe und damit auch über die Vertriebs-wege illegaler Drogen.

Die Ergebnisse der Versuche im Malvern-Labor mit freiverkäufli-chen Arzneimitteln, darunter Para-cetamol und Acetylsalicylsäure, und Hilfsstoffen wie Laktose zeigt die Abbildung. Die Drogenuntersu-chung liefen in Kooperation mit Universitäten.

Die Zusammensetzung von Zement

b Etwa die Hälfte der mit der Zementproduktion verbundenen CO2-Emissionen hängt mit der Kal-zinierung von Kalkstein für Erzeu-gung von Klinker, eine Mischung aus CaO, SiO2 und Al2O3, zusam-men. Dieser, mit Gips gemischt, ist als Portlandzement die am weites-ten verbreitete Zement art.

Eine weitere Zementart sind Pozzolan-basierte Zemente. Sie wurden bereits in der Antike ge-nutzt und sind heute aus Umwelt-

gründen wieder auf dem Vor-marsch. Zudem setzt die industriel-le Zementproduktion zunehmend die SiO2-reichen Pozzolan-Materia-lien wie Flug- und Vulkanasche ein, um einen Teil des Portlandze-ments zu ersetzen und dadurch CO2-Emissionen und Kosten zu senken.

Zement kann mehr als 20 Kom-ponenten enthalten, darunter ver-schiedene Polymorphe. In einer Studie wurden sechs der am häu-figsten verwendeten Komponen-ten, und zwar Klinker, Quarz, Gips, Anatas und zwei Polymor-phe von Calciumcarbonat klassifi-ziert. Die unterschiedlichen Kom-ponenten bedingen einerseits un-terschiedliche Eigenschaften des Zements und verursachen ander-seits unterschiedliche Produkti-onskosten. Daher trägt diese Ana-lyse dazu bei, die Zusammenset-zung des Zements für eine be-stimmte Anwendung zu definieren und gemäß der Spezifikation zu mischen.

Wenn Größe und Form der Par-tikel in den verschiedenen Kompo-nenten in einer Zementmischung bestimmt und anschließend per Ramananalyse charakterisiert wer-den, können die Ergebnisse dazu dienen, Chargen und Produkte zu vergleichen. Dies verbessert das Produktverständnis und kann dazu beitragen, Probleme in der Pro-duktentwicklung oder während der Produktion zu lösen.

Deborah Huck-Jones ist promovierte Chemi-

kerin und Produktspezialistin für Morphologi-

cal Imaging bei Malvern Instruments, Mal-

vern, UK.

Renate Hessemann ist Marketingmanagerin

für Deutschland, die Schweiz und Österreich

bei Malvern Instruments, Herrenberg. Sie

zeigt das Morphologi G3-ID auf der Powtech

in Nürnberg, Halle 1 Stand 357, 30.9. bis 2.10.

[email protected]

Literatur

Malvern Application Note AN140221:

www.malvern.com/de/support/

resource-center/application-notes/

AN140221DiluentsInStreetDrugs.aspx,

Malvern Application Note AN40212

www.malvern.com/de/support/

resource-center/application-notes/

AN140212ComponentCementsG3iD.aspx

Ablauf einer Identifi-

kation von Wirkstof-

fen, Hilfsstoffen und

möglichen Streck-

mitteln.

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