Chess960 Annotated Games Lektion 1 -...

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  • Chess960 Annotated Games Lektion 1

    Copyright 2007 Chess Tigers Universitt 1 Chess960 Annotated Games

    LEKTION 1

    Inhalt

    Begrung

    Meister gegen MeisterAnand - Aronian

    Amateur gegen AmateurSchmitt - Hagenbach

    Sehr geehrte Teilnehmer,

    ein herzliches Willkommenzur 4. Lektionsserie derChess Tigers Universitt!

    Chess960 erfreut sich sowohlim Profischach als auch aufAmateurebene stetig wachsen-dem Interesse. Seinen vorlufi-gen Hhepunkt erreichte dasneue Schach im Sommer 2007,als der momentan strksteSchachspieler der Welt, Vis-wanathan Anand, hchstper-snlich antrat, den amtierendenChess960-Weltmeister LevonAronian herauszufordern. Einpackendes Duell, welchesgleich in der ersten analysier-ten Meisterpartie Gegenstandsein wird.

    In den folgenden 40 Lektionenerklren Ihnen sowohl Meister-als auch Amateurspieler derChess Tigers & Friends anhandvon zwei Partien, wie manChess960 spielt oder bessernicht spielt. Die erste Partiestammt jeweils aus der Federeines Gromeisters, whrend inder zweiten Partie einer jedenLektion auch der Hobbyspielerzu Wort kommen darf.

    In dieser Lektion machen GMKlaus Bischoff und der Vorsit-zende der Chess Tigers Hans-Walter Schmitt den Anfang.

    Wir wnschenIhnen viel Vergngen!

    Ihre Chess Tigers Universitt

    Meister gegen Meister

    Fr die erste Lektion habe ichdie Partie Anand - Aronianausgesucht. Es handelt sich umdie vierte Partie aus demChess960 Weltmeisterschafts-kampf in Mainz 2007. DieserKampf gestaltete sich unglaub-lich spannend! Levon Aronianwar in der ersten Partie in Fh-rung gegangen, weil der aner-kannt schnellste Spieler derWelt die Zeit berschritt. Unddas kommt bei Vishy Anandwahrlich nicht alle Tage vor. Inder zweiten Runde konnte Le-von eine lange Belagerung vonVishy aushalten. Die drittePartie schien die Entscheidungzu bringen, doch Vishy vertei-digte sich unglaublich zh.Nach diesem hart erkmpftenRemis war er in einer Situa-tion, die jeder Turnierspielerkennt: Die letzte Runde musstegewonnen werden. Immerhinhatte er Wei.

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    Viswanathan Anand 2815Levon Aronian 2800CCM7 - FiNet Chess960 RapidWorld ChampionshipFinale (4), 2007

    SP 535

    1.c4 g6 2.d3 d5!? Ein Bauern-opfer im zweiten Zug kommtauch beim Chess960 nur sehrselten vor. 3.cxd5 a4+

    4.d2 4.b3?? d4-+ 4...c65.c3 a5 Mit 5...xc3+6.bxc3 cxd5 konnte Levon denBauern sofort zurckgewinnen.Aber wer gibt schon gerne denlangen Lufer? 6.e4 fd77.e3 b5?! Damit war Levonnach der Partie gnzlich unzu-frieden.

    Es war wohl besser, mit7...cxd5 8.exd5 e6 fortzuset-zen. Nach 9.f4 spielt Schwarz9...c6 nebst 00. Fr denBauern hat er reichlich Kom-pensation. 8.e2 a6 9.cd1c7 10.g3 b4 11.f4 cxd512.xd5 c2+ Auch so ge-winnt Schwarz den Bauernzurck, aber es wird rger aufder langen Diagonale geben.

    13.d2 xd3+ 14.e1 a5Nach 14...a6 15.e5 c816.1e3 xd2+ 17.xd2 hatSchwarz mit dem b4 groeSchwierigkeiten. 15.e5! Vishyschlgt zwei Fliegen mit einerKlappe. Er ffnet seine langeDiagonale und stellt gleichzei-tig den h8 kalt. 15...a616.g2?! Vielleicht zu origi-nell. Das einfache 16.f2 wargut genug. Aber Vishy wollte

    seine Trme so schnell wiemglich ins Spiel bringen.

    16...xd2+ 17.xd2 b518.a3 Es muss schnell gehen.Der weie Vorteil ist keines-wegs so stabil, wie er aussieht.Schwarz droht, sich mit f6 zubefreien. 18...e6

    19.axb4!? Das Ausrufezeichenist fr den Mumm! 19...axb4Nach 19...exd5 20.bxa5 d421.xd4 sieht mein RechnerAusgleich. Mir fllt es indesschwer, eine korrekte Stel-lungseinschtzung abzugeben.20.xa6 xa6 21.b6 e722.xd7 c8! Typisch Aron-ian! Er will seine Figuren ma-ximal aktivieren, weil ihm klarist, da er lange ohne den Kas-per auf h8 auskommen muss.23.b6 xc1 24.b7 c525.c8+ f8 26.d8+ g727.f3 c2 28.f2 Die Dro-

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    hung d3 musste bedient wer-den. Vishy opfert (verliert) denb2, aber er hat ja quasi eineFigur mehr. So langsam wurdebei beiden die Zeit knapp.

    28...xb2 29.d6 b1+30.d1 30.d2 sieht gut aus,behauptet mein Rechner. Aberdie mgliche Zugwiederholungnach 30...b2+ 31.e1 b1+32.d2 b2+ 33.e1 kamnatrlich nicht in Frage.30...a4 31.d2 b3 32.e2a3 33.c4 a1 34.b2 c635.c8 e4+ 36.c2 d537.xd5 exd5

    38.c7 38.f5 war interessant.Nach 38...h5 39.f6+ h740.xf7 muss Schwarz denLufer spucken, wie es so un-schn im Schachjargon heit.40...xf6 41.exf6 xf6 Dertechnische Job nach 42.b3 istaber gar nicht so einfach.

    38...a3 39.xf7+ Natrlichnicht 39.xf7? wegen39...c3+ 40.xc3 bxc3-+.39...g8 40.d7 Vishy hat denBauern zurck, und der h8 istimmer noch im Gefngnis.Aber jetzt ist der b-Bauerpltzlich gefhrlich. 40...b3+41.b1 c3+ 42.c1 a243.c7 d4 44.dc4

    44...g7?! 44...d3! war besser.Nach 45.b7 (45.c8+ g746.e6 e4 47.xd3 c2+48.d1 xh2) hat Schwarz45...e4! mit der Drohunga1. 45.c8+ f8 46.b8 Jetzthat Wei die Stellung im Griff.46...g7 Aber mit 46...e4konnte Schwarz noch kmpfen.Zwar hebt 47.xb3 die Matt-drohung auf, aber nach47...a1+ 48.c2 h1 will sichSchwarz am h-Flgel schadloshalten. 47.xb3 d5 48.b5e3 49.b1 a4? 50.xa4xc4 51.b7+ h6 52.c2a5 53.b5 Und Schwarz gabauf. Jetzt musste die Entschei-dung um den WM-Titel imTiebreak fallen.

    Ihr Klaus Bischoff

    Amateur gegen Amateur

    Die folgende Partie wurde inder vierten Runde des 3. Main-Taunus-Cups in Bad Soden amTaunus gespielt. Die Basis-Bedenkzeit betrug 60 Minutenund man bekam 30 Sekundenpro Zug dazu. Am 1. Tag wur-den zwei Partien, am 2. Tagdrei Partien und am Schlusstagnochmals zwei Partien gespielt.Diese Parte war die zweite amzweiten Tag - beide hatten 2,5Punkte aus den ersten 3 Run-den - und dem schwcherenWeispieler kam es darauf an,"exakt zu spielen". Dem Chef-Organisator der alljhrlichenChess Classic in Mainz und derInitiator dieses Turniers warklar, dass er gegen den Oberli-gaspieler Udo Hagenbach -hier an Startposition 7 gesetzt -nur eine Chance hat, wenn erprzise spielt und auf jedesTempo achtet. Die zehn Gebotebei Beginn einer Ches960Partie sich langsam vorzube-ten, ist ihm ohnehin in Fleischund Blut bergegangen. Wel-cher Bauer ist ungedeckt - hierder c-Bauer, wo stehen dieTrme, wie werden die Ecklu-fer mobilisiert, wie knnte einezweizgige Springerroute aufden c-Bauern gestaltet werden- in der Anfangsstellung knntec3, b5 oder d5, c7 einersticktes Matt bedeuten, wiekann das Zentrum beherrschtwerden, sind 518er Stellungs-muster schnell zu erreichen,usw.

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    Hans-Walter Schmitt 2065Udo Hagenbach 22533. Main-Taunus-CupBad Soden a. Ts. (4), 2007

    SP 467

    1.f4 gehrt zu den strkstenErffnungszgen neben 1.g3,1.b4 und dem gewhnungsbe-drftigen d3, der einfachdadurch missfllt, dass er dend-Bauern verstellt. Eleganterund logischer erscheint, dieSpringer nach z. B. 1.d4 hinterdem Bauern auf d3 zu platzie-ren. 1...d5 1...b6 2.d3= 2.b3Der Larsen-, Bird-Aufbau lsstschn gren. Es passiert haltimmer wieder, dass derMensch in bekannte, ge-schtzte, geliebte Stellungs-muster hinein will - genauso istes hier bei Wei, der diesenTyp im traditionellen Schach -Startaufstellung 518 - bereitssehr oft praktizierte. 2.c3 c62...b6= 3.g3 d6 Schwarzbehandelt die Springerent-wicklung klassisch - hinter dieaufgezogenen Bauern.

    4.d3 Ein unschner Zug, aberdie Springerfelder c4 und e4werden vom schwarzen d-Bauer beherrscht und in Ver-bindung mit spterem e2-e3hat Wei so eine stabile Auf-fangstellung. 4.e3 f6= 4...g65.xh8 xh8 6.e3

    6...e5 6...e6 7.e2= und6...c5 7.f3 b7 8.g2 e6 9.00= sind brauchbare Alternati-ven. 7.e2 e6 8.f2 c5=Beide Spieler zeigen eine vor-sichtige Erffnungsbehand-lung. Die schwarze Stellunggefllt besser wegen der Zent-rumsstruktur der Bauern. Dafrhat Wei Vorteil, wennSchwarz die g-Rochade ma-chen muss. Als Alternative hater aber auch noch die c-Ro-chade. 8...e4 9.dc3= 9.dc3Wei wartet noch mit der g-Rochade und hat jetzt auch die

    Mglichkeit, zur a-Seite zurochieren. Oft ist es auch beiklassischen Erffnungssyste-men so, dass man nicht zu frhrochieren darf, egal wohin,sondern erst dann, wenn aufdie eigene Stellung kein nach-haltiger Angriff mglich ist.Deshalb zwingt Wei denSchwarzen, sich im Zentrum zuerklren. 9...e4

    10.dxe4 Hier ist 10.d1 00011.a4 b8 12.00 h5= einegenauere Alternative. 10...dxe411.d1 11.00 c7= 11...000 12.00 c7 An dieser Stellesollte Schwarz mit 12...h513.a4 h4 14.a5 b5 15.d5vorgehen, oder mit 12...d713.a4 fd8 14.d2 h5 15.fd1c6 16.g2 die Trme ver-doppeln und hnlich das Spielbeschleunigen. Schwarz hat diebesseren Perspektiven gegendie g-Rochade. 13.a4 f514.g2 f6 15.d2 f716.fd1 xd2 17.xd2 d818.e1 Wei spielt sehr um-sichtig, geradezu betonartig.Die Stellung hat strukturelleVerteile fr Schwarz, aber diesind trotz schlechter Fritz11-Bewertung absolut beherrsch-bar. Der einzige Nachteil vonWei ist, dass der Knig zuweit vom Zentrum ist.18.xd8+ xd8 19.e1 d6

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    18...d6 18...xd2 19.xd2 a620.d1 19.f1 Wei spieltsehr przise und aktiviert denschlechten Lufer - auch imMittel- und Endspiel ist jedesTempo wertvoll. 19.b5 xb520.axb5 h6= 19...c6 20.d120.a5 xd2 21.xd2 d620...xd2 20...h6 21.a221.xd2 d6 22.xd6 xd6

    Diese Stellung zeigt noch sehrunangenehme Tendenzen frbeide Seiten: Die weie Bauernstehen richtig am h-Flgel imZusammenspiel mit dem wei-feldrigen Lufer und am k-nigsentfernten a-Flgel nicht sooptimal, besonders aufgrunddes Fehlens des Monarchen.Wenn Wei das Problem lsenkann, ist die Stellung remis,was auch das Ziel des Weienwar. 23.c1 Ziel: mehr be-herrschte Felder fr den wei-en Lufer 23...a6 24.f2 Derlangsame Knig gelangt berdie zentralen Linien zum a-Flgel. 24...b5 25.axb5 axb5

    26.e1!?= 26.e2 h6 27.h3b4 26...b4 27.d1 b5?! Ok,das ist ein stilles Remis-Ange-bot von Schwarz, die Stellungist es auch beinahe. 27...d728.c3 28.xb5 dxb529.d2 Genau rechtzeitig amrichtigen Ort. 29...d5 30.e2Am Leichtfigurenspiel der bei-den Kontrahenten gibt es nichtsauszusetzen. 30...c7

    31.c4 Das erzwingt die kom-plette Verriegelung der Stel-lung oder macht den weienKnig zur Angriffsfigur.31...bxc3+ 32.dxc3 dxc333.xc3 xc3?! 33...a734.g4 34.xc3=

    d7 35.h3 h5 36.h4 c637.c4 d6 38.b4 cxb439.xb4 Die Spieler hatten dieSofia-Regel intus und produ-zierten am Schluss eine drei-malige Stellungswiederholung- Remis. 39...d5 40.b5d6 41.b4 d5 42.b3d6 43.b4 Auch wenn eineChess960-Partie zwischen un-terschiedlich starken Gegnernmit hoher Aufmerksamkeit(Vorsicht, Prophylaxe) undvom schwcheren Gegner(Wei) von forcierten tempo-intensiven Plnen von der Er-ffnung ber das Mittelspielbis ins Endspiel geprgt wird,ist der strohtrockene Verlaufnicht gleichermaen uninteres-sant, sondern dem Schach-selbstverstndnis eines JosRaoul Capablanca (3. Welt-meister) geschuldet. Auch einRemis im Chess960 hat seineBerechtigung.

    Ihr Hans-Walter Schmitt