Chlordimethylamin und dessen Additionsverbindungen mit Antimonchloriden

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~ ~ ~~ Z. anorg. allg. Chem. 433, 207-210 (1977) J. A. Barth, Leipzig Chlordimethylamin und dessen Additionsverbindungen mit Antimonchloriden Von WOLFGANG WEISS [I] und ARMIN SCHMIDT Stuttgart, Institut fur Anorganische Chemie der Universitat Inhaltsubersicht. Es wird iiber die Darstellung der explosivcn I: 1-Addukte (CH,),NCl* SbC1, (11) und (CH,),NCI. SbCI, (111) aus (CH,),NCI (I) und den entsprechenden Lewis-Sauren berichtet. Die Schwingungsspektren von 1-111 werden zugcordnet und diskntiert. Chlorodimethylamine and the Addition Compounds with Antimony Chlorides Abstract. (CH,),NCl (I) reacts with antimony chlorides to yield the explosive 1: 1-addition compounds (CH,),NCI . SbCI, (11) and (CH,),NCI. SbC1, (111). The vibrational spectra of 1-111 are assigned and discussed. In vorangegangenen Arbeiten [ 21 haben wir uber Umsetzungen von Bis- dimethylaminosulfanen bzw. Tetramethylthionylamid mit Antimon(V)-chlorid berichtet. Als Reaktionsnebenprodukte bilden sich dabei Dimethylammonium- und N,N-Dimethylmethylenimonium-Salze. Vorstellungen und Beobachtungen zum Verlauf dieser Reaktionen legten die Vermutungen nahe, daB Chlordimethyl- amin eine der Zwischenstufen im Reaktionsablauf sein konnte. Wir haben deshalb Chlordimethylamin (I) mit Antimon (111) - bzw. Antimon(V) -chlorid umgesetzt und dabei gefunden, da13 die primar gebildeten, als Bestkorper explosiven Addukte I1 und I11 in Folgereaktionen ebenfalls zu Dimethylammonium- und (CH,),NCl (CH,),NCl. SbC1, (CH,),NCl. SbCI, I I1 I11 N,N-Dimethylmethylenimonium-Salze zerfallen konnen. I n der vorliegenden Arbeit wird uber die Schwingungsspektren von 1-111 berichtet, die uns im Zusammenhang mit spektroskopischen Untersuchungen am Chlortrimethylammonium-Kation [3] interessierten. Uber die kompliziert ver- laufenden Zerfallsreaktionen von I1 und I11 referieren wir zu einem spateren Zeitpunkt. Das Schwingungsspektrum von (CH,),NCI ist unseres Wissens bishernicht volIstandig aufgenommen und zugeordnet worden. AuBer der Lage der NC1- Valenzabsorption 141 wurden nur einige Bandenlagen mitgeteilt [5]. In Tab. 1 wird daher das IR-Spektrum von I dem des Bromdimethylamins [5] und dem von JANDER [6] diskutierten des Joddimethylamins gegenubergestellt und zu- geordnet. Ein Raman-Spektrum von I konnte nicht erhalten werden, da auch bei Anwendung verschiedener Anregungslinien Zersetzung des Chloramins eintrat .

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Z. anorg. allg. Chem. 433, 207-210 (1977) J. A. Barth, Leipzig

Chlordimethylamin und dessen Additionsverbindungen mit Antimonchloriden

Von WOLFGANG WEISS [I] und ARMIN SCHMIDT S t u t t g a r t , Institut fur Anorganische Chemie der Universitat

I n h a l t s u b e r s i c h t . Es wird iiber die Darstellung der explosivcn I: 1-Addukte (CH,),NCl* SbC1, (11) und (CH,),NCI. SbCI, (111) aus (CH,),NCI (I) und den entsprechenden Lewis-Sauren berichtet. Die Schwingungsspektren von 1-111 werden zugcordnet und diskntiert.

Chlorodimethylamine and the Addition Compounds with Antimony Chlorides Abst rac t . (CH,),NCl (I) reacts with antimony chlorides to yield the explosive 1: 1-addition

compounds (CH,),NCI . SbCI, (11) and (CH,),NCI. SbC1, (111). The vibrational spectra of 1-111 are assigned and discussed.

In vorangegangenen Arbeiten [ 21 haben wir uber Umsetzungen von Bis- dimethylaminosulfanen bzw. Tetramethylthionylamid mit Antimon(V)-chlorid berichtet. Als Reaktionsnebenprodukte bilden sich dabei Dimethylammonium- und N,N-Dimethylmethylenimonium-Salze. Vorstellungen und Beobachtungen zum Verlauf dieser Reaktionen legten die Vermutungen nahe, daB Chlordimethyl- amin eine der Zwischenstufen im Reaktionsablauf sein konnte. Wir haben deshalb Chlordimethylamin (I) mit Antimon (111) - bzw. Antimon(V) -chlorid umgesetzt und dabei gefunden, da13 die primar gebildeten, als Bestkorper explosiven Addukte I1 und I11 in Folgereaktionen ebenfalls zu Dimethylammonium- und

(CH,),NCl (CH,),NCl. SbC1, (CH,),NCl. SbCI, I I1 I11

N,N-Dimethylmethylenimonium-Salze zerfallen konnen. I n der vorliegenden Arbeit wird uber die Schwingungsspektren von 1-111

berichtet, die uns im Zusammenhang mit spektroskopischen Untersuchungen am Chlortrimethylammonium-Kation [3] interessierten. Uber die kompliziert ver- laufenden Zerfallsreaktionen von I1 und I11 referieren wir zu einem spateren Zeitpunkt.

Das Schwingungsspekt rum von (CH,),NCI ist unseres Wissens bishernicht volIstandig aufgenommen und zugeordnet worden. AuBer der Lage der NC1- Valenzabsorption 141 wurden nur einige Bandenlagen mitgeteilt [5]. In Tab. 1 wird daher das IR-Spektrum von I dem des Bromdimethylamins [5] und dem von JANDER [6] diskutierten des Joddimethylamins gegenubergestellt und zu- geordnet. Ein Raman-Spektrum von I konnte nicht erhalten werden, da auch bei Anwendung verschiedener Anregungslinien Zersetzung des Chloramins eintrat .

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I m Bereich der CH-Valenzschwingungen beobachtet man 6 Absorptionsban- den zwischen 2 780 und 2 995 cm-1. Da I C,-Symmetrie besitzt, konnen 6 CH- Valenzabsorptionen erwartet werden. Wir halten es jedoch fur denkbar, dal3 einige der auftretenden Banden durch Ober- oder Kombinationsschwingungen der

Tabelle 1 Zuordnung der Schwingungsspektren der Halogendimethylanline

Zuordnung (CHS),NCl (I) (CH3),NBr [ 5 ] (CHaLNJ [ G I

t i v CHs 2995 st 2940 s t 2895 s 2870 sst 2820 rnst 2780 rnst

keine Angahen 6 CH. 1405 s t

I 1445 sst 1430 i n s t 1422 ss + 4 1262 ss

I e , y CHa Geg. T.

GI. T. 1204 nist 1 2 0 1 1150 GI. T. 1175 st 1172 Ueg. T. 1145 st 1148

v XC% as 1001 inst L O O 1 1030 S 899 mst 900 884

v N-Hal 592 s 525 4G7

b NC, 390ss ? ? 2G6

zwischen 1 422 und 1465 cm-1 absorbierenden CH-Deformationsschwingungen be- dingt werden. Eine Entscheidung konnen wir bei der qualitativen Zuordnung allerdings nicht treffen. Fur die e- und y - CH,-Deformationsschwingungen, von denen jeweils zwei Gleich- und Gegentaktbewegungen moglich sind, werden zwi- schen 1145 und 1262 cm-1 4 Banden gefunden. Die Gleichtaktschwingungen mochten wir den beiden mitkleren Banden xuordnen, da von den fur 111 beobach- teten 4 Banden die beiden mittleren im Ramanspektrum intensive Linien ergeben, was fur Gleichtakschwingungen zu erwarten ist. Die beiden NC-Valenzschwingun- gen absorbieren bei 1001 und 899 cm-1. Der Abstand zwischen antisymmetrischer und symmetrischer NC,-Valenzschwjngung betragt wje beim Dimethylamin etwa 100 cm-l [7], was auf einen Bhnlichen CNC-Valenzwinkel von 112" wie im Dime- thylamin [8] schlieoen 1aBt. Im Joddimethylamin konnte wegen des relativ grol3en Jodatoms der NC,-Winkel etwas aufgeweitet werden, was dann den beobachteten groljeren Abstand der beiden NC-Valenxabsorptionen mit 146 cm-l verursachen durfte. Nach MOLL [4] absorbiert die NCl-Valenzschwingung bei 592 cm-l, was mit unserer Messung ubereinstimmt. Die NC,-Deformationsschwingung durfte eine sehr schwache Absorptione bei 390 cm-1 verursaehen.

In Tab. 2 sind die S c h w i n g u n g s s p e k t r e n d e r A d d u k k t e I1 u n d I11 des Chlordimethylamins mit Antimonchloriden dem von I gegenubergestellt und zugeordnet. Addukte des Chlordimethylamins wurden bisher mit Bortrifluorid bzw. Schwefelsaure beschrieben [9] jedoch scliwingungsspektroskopisch nicht untersucht.

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Tabelle 2 Zuordnung der Schwingungsspektren des Chlordimethylamins sowie dessen 1 :I-Addukten mit Antimon(V)- hzw Ant,imon(III)-chlorid

Zuordnung (CH&NCI (I) (CH&NCl. ShCL (11) (CHs)aNCI SbCls (111) IRfi. IRfest IRfest ltafest

3100sm (br) 3040 Sch 3043 (13)

3018 (25)

2950 Sch 2952 (70) 2980m (hr)

Y CHs 3100 m

2993 st 3020 m

2940 st 2965 m 2930 m 2918 m

1463 sm ? 1449 sst 1450 (19)

2895 s 2870 sst 2820 mst 2780 mst

1445 sst 1430 mat 1435 sm 1440 s 1437 (19) 1422 ss 1418 mst 1429 sm 1427 (19)

i 6 CH. 1465 st 1465 Sch

1397 nist 1405 sm ?

@, y CHI Geg. T. 1262 8s 1265 s 1255 8s P GI. T. 1204 mst 1220 s m 1213 sm 1213 (44)

Geg. T. 1145 st 1158 st 1150 mst ?

Y SC, as 1001 mst 992 sst 964 mst ?

GI. T. 1175 s t 1172st 1172 mst 1174 (70)

S 899 mst 889 s t 865 st 870 (25) v NCI 590 s 600 m 636 m 637(155) 6 NCa 390ss ? 440 mst 490 m 492(198) 6 CNCl ? ? ? 248 (83 )

? ? 248 (83) v ShN ? 380 Sch 388 (43) Y SbCl, as

Y ShCl ax 345 sst 348(716) Y SbCI, s G1. T. ? 326(1000) Y SbC1, s Geg. T. 300 as 297(247)

- 190( 118) 6 ShCl 180(272) 165(290)

- -

- -

Die inneren Xchwingungen der Methylgruppen lassen sich durch Vergleich der Spektren von 1-111 problemlos zuordnen. Von den e- und -CH,-Schwin- gungen ordnen wir die Gleichtaktschwingungen den mittleren der beobachteten IR-Banden zu, die im Ramanspektrum intensive Linien ergeben. Die NC,- Valenzschwingungen werden beim Ubergang von I nach I11 langwellig verscho- ben. Das wird sicher dadurch bedingt, da13 die Polaritat der NC-Bindungen in dieser Reihe als Folge zunehmender Beanspruchung des freien Elektronenpaares am N-Atom erhoht wird. Das Antimon(V)-chlorid scheint dabei gegenuber I die deutlich starkere Lewis-Saure als Antimon(II1)-chlorid zu sein. Da der Abstand zwischen den beiden NC-Valenzschwingungen in I1 und I11 gegenuber I gleich bleibt, kann man annehmen, daB der NC,-Valenzwinkel in I nach Addition der Lewis-Saure nicht verandert wird. Die NC1-Valenzschwingung absorbiert in der Reihe 1-111 zunehmend kurzwelliger und liegt in I11 in ahnlicher Lage wie im Chlortrimethylammonium-Kation (620 cm-l) [3]. Dies 1aBt sich am besten er- klaren, wenn man annimmt, daB die Polaritat der NC1-Bindung beim Obergang von I nach I11 abnimmt, was aber nur moglich ist, wenn der Schwerpunkt der Ladung in der NC1-Binduag von I auf das C1-Atom hin verschoben ist. Dieses Ergebnis steht auch in Ubereinstimmung mit Untersuchungen von ALLENSTEIN

14 Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 433.

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[lo] iiber den Riclitungssinn des NC1-Bindungsmomentes in I. Die bei 440 bzw. 490 cm-1 auftretenden Banden in I1 und I11 diirften eher NC,-Deformationsbe- wegungen als SbN-Valenzschwingungen, die moglicherweise bei 248 cm-1 ab- sorbieren, zuzuordnen sein.

Von den SbC1-Schwingungen findet man die Valenzabsorptionen zwischen 297 und 390 cm-1. Eine Zuordnung mochten wir in Anlehnung an eine friihere Arbeit von uiis [Ill vornehmen.

Experimenteller Teil Alle Umsetznngen mussen in absolutem Dichlormethan unter AusschluB von Luftfeuchtigkeit

durchgefiihrt xerden. Die IR-Spektren wurden mit einem Spektrophotometer P E 457 der Firma Perkin Elmer aufgenommen. Zur Registrierung des Raman-Spektrums diente ein Laser-Geriit PHO der Firma Coderg. Angeregt wurde mit der 4880 A Linie eines Argonlasers.

Dimethylchloramin wurde nach [5] dargestellt. 1. (CH,),NCI . SbCI, (11). Zueinerauf -78°C gekuhlten Losung von 1,59 g (20,OmMol) Chlor-

dimethylamin in 10 ml CH,CI, nird unter Ruhren eine Losung von 4,56 g (20,O mMol) Antimon(II1)- chlorid in 20 ml CH,CI, getropft. Dabei fallt ein farbloser, mikrokristalliner Niederschlag, der bei -78°C abfiltriert und nach Wascheu mit gekiihltem CH,CI, i. Vak. bei -20°C getmcknet wird. I1 ist in CH,CI, etwas loslich und neigt in festem Zustand bei Raumtemp. zu Explosionen. AuBerdem esplodiert I1 auf Schlag und beim Erwarmen. Ausb. 3,6 g (58%) 11.

(CH,),KCl . SbC1, (307,G); C 7,39 (ber. 7,81); H 2,57 (1,97); N 4,20 (4455); CI 45,92 (4GJ0); Sb 39,40 (39,58).

2. (CH,),NCI - SbCI, (111). Die Darstellung erfolgt analog 1. Ansatz: 1,59 g (20,O mMol) (CH,),NCI und 5,98 g (20,O mMol) SbCI,.

Xusb. 4,G g (61%) farbloses, mikrokristallines und auf Schlag, wie rasches Erwiirmen explosives 111. Schmp. 257-22GO"C (Zers.).

(CH,),XCl. SbCl, (378,5); C 6,28 (ber. 6,35); H 1,58 (1,GO); N 3,60 (3,70); CI %,lo (56,19); Sb 33,OO (32,lG).

Wir danlren dem Institut fur Anorganische Chemie fur die Bereitstcllnng von Chemikalien und Geriiten. Der Deutschen Forschnngsgemeinschaft und dem Fonds der Chemie sind wir fur wert- vollc Hilfe zu Danli vcrpflichtet.

Literatur [I] W. WEISS. Teil der Dissertation, Universitat Stuttgart 1976. [3] W. WARTH~IIAXX 11. A. SCHMIDT, Z. anorg. allg. Chrm. 418, 57, 61, 145 (1975). [3] F. J. KRUGER u. A. SCHMIDT, Z. anorg. allg. Chcm. 427, 61 (1976). [4] F. MOLL, Naturwissenschaften 32, 569 (1965). [5] V. L. HEASLEY, P. KOVACIC u. R. M. LANGE, J. Org. Chcm. 31,3050 (1966). [GI J. JAXTUER, K. KXUTH u. W. RENZ, Z. anorg. allg. Chem. 393, 143 (1972). [ i ] J. R. BARCELO 11. J. BELLANATO, Spectrochim. Acta 8, 27 (1956). [8] J. E. WOLLRAB u. V. W. LAURIE, J. Chem. Phys. 48, 5058 (1968). [9] E. ALLENSTEIN LI. J. GOUBEAU, Z. anorg. allg. Chem. 322, 145 (1963).

[ l U ] E. ALLENSTEIN, Z. anorg. allg. Chem. 308, 3 (1961). [Ill K. J. RUOFF ti. A. SCHMIDT, Spectrochim. Acta A 39, 1165 (1976).

Bei der Redaktion eingegangen am 14. Olrtober 19iG.

Anschr. d. Vrrf.: \ T 7 ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ WEISS und Dr. ARMIN SCHMIDT, Inst. f . Anorg. Chemie d. Univ., Pfaffenwaldring 55, D-7000 Stuttgart-80