Cholesterol-Analoga für die Forschung — nichts ist wie das Original!

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142 WISSENSCHAFT BIOspektrum | 02.12 | 18. Jahrgang THOMAS MEYER, HOLGER A. SCHEIDT, LARS THOMAS, DANIEL HUSTER INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE PHYSIK UND BIOPHYSIK, UNIVERSITÄT LEIPZIG Cholesterol is a major component of eukaryotic cells. For membrane bio- physics and cell biology, fluorescent and ESR-active cholesterol ana- logues have been synthesized that should mimic the basic properties of cholesterol. However, data reported here shows that these molecules do not fully carry the important properties of cholesterol. In particular, the analogues fail to reproduce the condensation effect that is key for mem- brane fluidity and lateral organization of the lipids in the membrane. DOI: 10.1007/s12268-012-0153-4 © Springer-Verlag 2012 Bedeutung von Cholesterol in biologischen Systemen ó Alle Zellen sind von einer Zellmembran umschlossen. Diese natürliche Barriere schafft einen von der Umwelt abgeschlosse- nen Reaktionsraum und stellt die biologisch wichtigste Grenzfläche dar, an der eine Viel- zahl biochemischer Prozesse stattfindet. Zell- membranen bestehen aus einer Lipiddoppel- schicht mit Proteinen, die entweder die Mem- bran durchspannen oder an ihrer Oberfläche assoziiert sind. Eine wichtige Lipidkompo- nente ist das Cholesterol, das in allen tieri- schen Zellen vorkommt. Bei Säugetieren liegt der Cholesterolanteil in der Zellmembran je nach Gewebe bei bis zu 50 Prozent. In Pflan- zen und Pilzen übernehmen Stigmasterol bzw. Ergosterol die Funktionen von Cholesterol in der Zellmembran. Cholesterol stellt einen wichtigen Vorläu- fer für die Synthese von Vitamin D 3 und einer Vielzahl von Steroidhormonen und Gallen- säuren dar. Knock-out-Studien an Mäusen haben gezeigt, dass durch das Ausschalten des Gens Dhcr24 die Maus das Cholesterol nicht mehr vollständig synthetisieren kann. Im Gewebe dieser „hundertprozentig cho- lesterolfreien Mäuse“ lag nur die chemische Vorgängersubstanz Desmosterol vor. Diese Tiere zeigten zwar einen sehr milden Phäno- typ, waren aber nicht fortpflanzungsfähig [1]. Neben vielen anderen Funktionen beein- flusst Cholesterol die biophysikalischen Eigen- schaften der Zellmembran sehr nachhaltig. Die Anwesenheit von Cholesterol erhöht die mole- kulare Ordnung der Alkylketten der Phos- pholipide; man spricht von einem Lipidkon- densationseffekt, da sich die Packungsdichte der Phospholipide deutlich erhöht. Durch die Gegenwart von Cholesterol sinkt die Fläche pro Lipidmolekül in der Membran, gleichzeitig erhöht sich ihre hydrophobe Dicke, während die Fluidität abnimmt. Die morphologischen Veränderungen der Membran durch den Ein- bau von Cholesterol lassen sich beispielsweise durch Röntgendiffraktion oder 2 H-NMR-Spek- troskopie sehr gut beobachten [2, 3]. Der Lipidkondensationseffekt hat dramati- sche Auswirkungen auf die Wechselwirkun- gen der Moleküle in der Membran. In Gegen- wart von Cholesterol bilden die Lipiddoppel- schichten eine flüssig-geordnete (liquid-orde- red, lo) Phase. Sowohl in biologischen als auch in Modellmembranen führt die präferenziel- le Wechselwirkung zwischen Cholesterol und gesättigten Lipiden, insbesondere Sphingo- myelin, aber auch Proteinen zur Bildung von Membrandomänen. Seit der Beschreibung dieses als lipid raft bezeichneten Phänomens [4] haben sich nicht nur Biophysiker, sondern auch Zellbiologen intensiv mit diesem Pro- blem auseinandergesetzt. Für die zellbiolo- gische Forschung waren dabei Cholesterol- Analoga von entscheidender Bedeutung, wel- che durch chemische Modifikationen Fluores- zenzeigenschaften aufwiesen oder die Fluo- reszenz anderer Moleküle löschen bzw. für die Elektronenspin-Resonanz(ESR)-Spek- troskopie verwendet werden können (spin- markierte Analoga). Dies ermöglicht bei- spielsweise die Untersuchung der Domänen- bildung mittels konfokaler Mikroskopie oder das Studium des lipid trafficking [5]. Jedoch zeigt eine sehr umfangreiche Datenlage, dass bereits kleine Veränderungen an der Cho- Biomembranen Cholesterol-Analoga für die Forschung – nichts ist wie das Original! ˚ Abb. 1: Strukturformeln von nativem Cholesterol (A) und der Cholesterol-Analoga Cholestatri- enol (B), 25-Doxyl-Cholesterol (C) und TopFluor-Cholesterol (D)

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BIOspektrum | 02.12 | 18. Jahrgang

THOMAS MEYER, HOLGER A. SCHEIDT, LARS THOMAS, DANIEL HUSTER

INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE PHYSIK UND BIOPHYSIK, UNIVERSITÄT LEIPZIG

Cholesterol is a major component of eukaryotic cells. For membrane bio-physics and cell biology, fluorescent and ESR-active cholesterol ana-logues have been synthesized that should mimic the basic properties ofcholesterol. However, data reported here shows that these molecules donot fully carry the important properties of cholesterol. In particular, theanalogues fail to reproduce the condensation effect that is key for mem-brane fluidity and lateral organization of the lipids in the membrane.

DOI: 10.1007/s12268-012-0153-4© Springer-Verlag 2012

Bedeutung von Cholesterol inbiologischen Systemenó Alle Zellen sind von einer Zellmembranumschlossen. Diese natürliche Barriereschafft einen von der Umwelt abgeschlosse-nen Reaktionsraum und stellt die biologischwichtigste Grenzfläche dar, an der eine Viel-zahl biochemischer Prozesse stattfindet. Zell-membranen bestehen aus einer Lipiddoppel-schicht mit Proteinen, die entweder die Mem-bran durchspannen oder an ihrer Oberflächeassoziiert sind. Eine wichtige Lipidkompo-nente ist das Cholesterol, das in allen tieri-

schen Zellen vorkommt. Bei Säugetieren liegtder Cholesterolanteil in der Zellmembran jenach Gewebe bei bis zu 50 Prozent. In Pflan-zen und Pilzen übernehmen Stigmasterol bzw.Ergosterol die Funktionen von Cholesterol inder Zellmembran.

Cholesterol stellt einen wichtigen Vorläu-fer für die Synthese von Vitamin D3 und einerVielzahl von Steroidhormonen und Gallen-säuren dar. Knock-out-Studien an Mäusenhaben gezeigt, dass durch das Ausschaltendes Gens Dhcr24 die Maus das Cholesterolnicht mehr vollständig synthetisieren kann.

Im Gewebe dieser „hundertprozentig cho-lesterolfreien Mäuse“ lag nur die chemischeVorgängersubstanz Desmosterol vor. DieseTiere zeigten zwar einen sehr milden Phäno-typ, waren aber nicht fortpflanzungsfähig [1].

Neben vielen anderen Funktionen beein-flusst Cholesterol die biophysikalischen Eigen-schaften der Zellmembran sehr nachhaltig. DieAnwesenheit von Cholesterol erhöht die mole-kulare Ordnung der Alkylketten der Phos-pholipide; man spricht von einem Lipidkon-densationseffekt, da sich die Packungsdichteder Phospholipide deutlich erhöht. Durch dieGegenwart von Cholesterol sinkt die Flächepro Lipidmolekül in der Membran, gleichzeitigerhöht sich ihre hydrophobe Dicke, währenddie Fluidität abnimmt. Die morphologischenVeränderungen der Membran durch den Ein-bau von Cholesterol lassen sich beispielsweisedurch Röntgendiffraktion oder 2H-NMR-Spek-troskopie sehr gut beobachten [2, 3].

Der Lipidkondensationseffekt hat dramati-sche Auswirkungen auf die Wechselwirkun-gen der Moleküle in der Membran. In Gegen-wart von Cholesterol bilden die Lipiddoppel-schichten eine flüssig-geordnete (liquid-orde-red, lo) Phase. Sowohl in biologischen als auchin Modellmembranen führt die präferenziel-le Wechselwirkung zwischen Cholesterol undgesättigten Lipiden, insbesondere Sphingo-myelin, aber auch Proteinen zur Bildung vonMembrandomänen. Seit der Beschreibungdieses als lipid raft bezeichneten Phänomens[4] haben sich nicht nur Biophysiker, sondernauch Zellbiologen intensiv mit diesem Pro-blem auseinandergesetzt. Für die zellbiolo-gische Forschung waren dabei Cholesterol-Analoga von entscheidender Bedeutung, wel-che durch chemische Modifikationen Fluores -zenzeigenschaften aufwiesen oder die Fluo-reszenz anderer Moleküle löschen bzw. fürdie Elektronenspin-Resonanz(ESR)-Spek-troskopie verwendet werden können (spin-markierte Analoga). Dies ermöglicht bei-spielsweise die Untersuchung der Domänen-bildung mittels konfokaler Mikroskopie oderdas Studium des lipid trafficking [5]. Jedochzeigt eine sehr umfangreiche Datenlage, dassbereits kleine Veränderungen an der Cho-

Biomembranen

Cholesterol-Analoga für die Forschung– nichts ist wie das Original!

˚ Abb. 1: Strukturformeln von nativem Cholesterol (A) und der Cholesterol-Analoga Cholestatri -enol (B), 25-Doxyl-Cholesterol (C) und TopFluor-Cholesterol (D)

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lesterolstruktur zur signifikanten Beein-flussung der Membraneigenschaften füh-ren [6]. Demnach muss die Frage gestelltwerden, inwieweit die verschiedenen Ana-loga noch die Eigenschaften des originä-ren Cholesterols widerspiegeln.

Cholesterol-Analoga – the good,the bad and the uglyEs liegt eine Vielzahl von spin- und fluo-reszenzmarkierten Cholesterol-Analogafür die zellbiologische und biophysikali-sche Forschung vor. Diese lassen sich inMoleküle einteilen, die eine Eigenfluore-szenz besitzen (z. B. Dehydroergosteroloder Cholestatrienol), und solche, diedurch das kovalente Anbringen von Fluo-reszenz- oder Spinsonden die entspre-chenden Eigenschaften erhalten (z. B. 25-NBD-Cholesterol, 25-Doxyl-Cholesterol).Ein Teil dieser Moleküle ist kommerziellverfügbar. Wie oben angedeutet, stellendie Wechselwirkungen zwischen Cholest-erol und Phospholipiden bzw. Proteinenein fein ausbalanciertes Gleichgewicht dar,das bereits durch minimale chemischeModifikationen nachhaltig gestört wird.Um dem Cholesterolmolekül Fluoreszenz-bzw. ESR-Eigenschaften zu verleihen, sindjedoch recht signifikante Eingriffe in diemolekulare Struktur notwendig, sodasseine eingehende Prüfung der Eignung derAnaloga für die zellbiologische und bio-physikalische Forschung notwendig ist.

Unsere Arbeitsgruppe hat vor einigenJahren systematisch die Membraneigen-schaften von sieben Cholesterol-Analogauntersucht [7]. Dabei standen die Orien-tierung der Analoga in der Membran undder durch sie ausgelöste Kondensations-effekt im Mittelpunkt des Interesses. DieBilanz dieses Vergleichs fiel eher nüchternaus: Von den sieben untersuchten Cho-lesterol-Analoga lagen nur drei in der kor-rekten Orientierung in der Membran vor.Auch beim Lipidkondensationseffekt konn-ten die meisten Analoga nicht überzeugen:Lediglich Cholestatrienol als bestes fluo-reszierendes Analogon erreichte etwa63 Prozent des Effekts von nativem Cho-lesterol. Bei den spinmarkierten Analogaerzeugte dagegen 25-Doxyl-Cholesterolknapp 75 Prozent des Kondensationsef-fektes von Cholesterol. Das in der Zellbio-logie sehr häufig benutzte Dehydroer-gosterol fiel dagegen deutlich zurück undlag bei nur 38 Prozent des Kondensa-tionseffektes. Auch bei den anderen Cho-

lesterol-Analoga wurden nur maximal20 Prozent des Kondensationseffektes vonnativem Cholesterol beobachtet.

Damit konnte nur eine bedingte Emp-fehlung für das ESR-markierte 25-Doxyl-Cholesterol und das fluoreszierende Cholestatrienol ausgesprochen werden(Abb. 1), verbunden mit der Aussage, dassdie Ergebnisse jeglicher Cholesterol-Ana-loga mit großer Sorgfalt analysiert werdenmüssen. Jedoch muss berücksichtigt wer-den, dass für Fluoreszenz- bzw. ESR-Expe-rimente nur ein kleiner Teil (ca. ein Pro-zent der Lipidkonzentration) des Cholest-erols durch das entsprechende Sonden-molekül ersetzt wird, sodass die Fluiditätder Membran kaum beeinflusst ist, wohlaber die lokalen Wechselwirkungen zwi-schen dem entsprechenden Analogon undden umgebenden Lipiden bzw. Proteinen.Dieses ernüchternde Ergebnis führte inder Folge zu der Synthese von neuen Cho-lesterol-Ana loga, die verbesserte Eigen-schaften aufweisen sollten [8, 9].

TopFluor – ein neuesfluoreszierendes Cholesterol-AnalogonBisher ist von diesen Analoga nur TopFlu-or-Cholesterol mit einer fluoreszentenBodipy-Gruppe (Abb. 1D) kommerziellerhältlich. Grund genug, um auch diesesMolekül im Hinblick auf seine Eignung alsfluoreszierendes Cholesterol-Analogon zuuntersuchen. Analog zum Vorgehen in derVergangenheit untersuchten wir die Orien-tierung des Moleküls in der Membran unddie Eigenschaften, einen Kondensations-effekt in Modellmembranen aus 1-Palmit-oyl-2-oleoyl-sn-glycero-3-phosphocholin(POPC) zu induzieren.

Informationen über die Orientierungvon TopFluor in der Membran liefern 1H-NOESY-NMR-Experimente. Dabei werdenintermolekulare Kern-Overhauser-Effekte(NOEs, nuclear Overhauser effects) zwi-schen Protonen zweier Moleküle gemes-sen und ausgewertet. Befinden sich zweiProtonen in räumlicher Nähe von wenigerals 0,5 Nanometer, so erfolgt ein Magneti-sierungstransfer durch dipolare Relaxa-tion. Diese Technik ermöglicht es, die late-rale Organisation von Lipidmolekülen undihre Wechselwirkung mit kleinen Mole-külen in der Membran quantitativ zu stu-dieren [10].

Zur Bestimmung der Orientierung vonTopFluor in der Membran wurde der Mag-

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netisierungsaustausch zwischen Protonen derBodipy-Gruppe von TopFluor zu den ver-schiedenen Molekülsegmenten von POPCgemessen. Im NOESY-Spektrum zeigten sichmehrere Korrelationssignale zwischen Top-Fluor und verschiedenen POPC-Segmenten,insbesondere zur Kettenregion des Phospho-lipids. Dies spricht bereits für einen korrek-ten Einbau von TopFluor in die Membran, bei

der die Hydroxylgruppe zur wässrigen Phasehin orientiert ist.

Um die Aussagen der NMR-Experimentezu verifizieren, nutzten wir zusätzlich dieMethode der Fluoreszenzlöschung. In diesenExperimenten wurden Phospholipide mitSpinsonden an verschiedenen Stellen undsomit in verschiedenen Tiefen der Membranverwendet und ihr Einfluss auf die Bodipy-

Fluoreszenz analysiert. Als Fluoreszenzlö-scher wurden Phospholipidmoleküle mit derTempo-Gruppe im Kopfgruppenbereich sowieMoleküle mit der Doxyl-Gruppe an Position 5,10 und 16 der Alkylkette der Phospholipideverwendet. Durch räumliche Nähe zwischendiesen Gruppen und der Bodipy-Sonde amTopFluor kommt es zum Energieübertrag desFluorophors auf die Spinsonden, sodass dieFluoreszenz abnimmt. Die Ergebnisse zeigen,dass die Bodipy-Fluoreszenz am effektivstendurch die Doxyl-Gruppe am Kettenende derumgebenden Phospholipide gelöscht wird(40 Prozent Löschungseffizienz), dagegen hat-ten die Spinsonden im Kopfgruppen- bzw.oberen Kettenbereich der Phospholipide nureinen marginalen Einfluss auf die Fluore-szenz von TopFluor (null bis sieben ProzentLöschungseffizienz).

Damit ist klar, dass TopFluor eine Mem-branorientierung besitzt, die der von nativemCholesterol entspricht. Dies ist insofern über-raschend, als dass die zwitterionische Bodipy-Gruppe im hydrophoben Teil der Membranlokalisiert ist, was einer ungünstigen freienEnergie und damit einer geringen Membra-naffinität entsprechen sollte. Für die eben-falls zwitterionische NBD-Gruppe wurdegefunden, dass sie die Orientierung des ent-sprechenden Cholesterol-Analogons invertiert[7] und eine Lokalisation in der Grenzregionder Membran im Bereich des Glycerolrück-grats der Phospholipide bevorzugt [11].

Um den Einfluss von TopFluor-Cholesterolauf den Ordnungsgrad der Lipidketten vonPOPC zu untersuchen, wurden mittels sta-tionärer 2H-NMR-Spektroskopie die Ord-nungsparameter von POPC in Gegenwart von20 Molprozent TopFlour gemessen. Der Ord-nungsparameter S beschreibt die Bewe-gungsamplitude eines C-2H-Bindungsvektorsin der Alkylkette des Phospholipidmolekülsund kann mit 2H-NMR-Spektroskopie für jedeKohlenstoffposition in der Kette bestimmtwerden. Im Vergleich zu der nahezu freibeweglichen CH3-Gruppe am Kettenende sinddie CH2-Gruppen am Anfang der Kette deut-lich starrer. Durch die Gegenwart von Cho-lesterol kommt es zur Lipidkondensation,womit eine deutliche Erhöhung der Ketten-ordnungsparameter verbunden ist. Abbildung2 zeigt die 2H-Lipidordnungsparameter vonPOPC, das in der sn-1-Kette deuteriert wur-de. POPC-Membranen, die 20 MolprozentCholesterol(-Analoga) enthalten, zeigen einendeutlich höheren Kettenordnungsgrad. Dage-gen wird durch Zugabe von TopFluor dieLipidkettenordnung kaum beeinflusst, sodass

˚ Abb. 3: Prinzipieller Einbau von Cholesterol (A), Cholestatrienol (B), 25-Doxyl-Cholesterol (C)und TopFluor-Cholesterol (D) in die Membran (es ist nur eine Membranhälfte gezeigt). Alle Analo-ga werden in korrekter Orientierung eingebaut, jedoch zeigen nur Cholestatrienol und 25-Doxyl-Cholesterol einen Kondensationseffekt, der jedoch geringer ist als der für natives Cholesterol.TopFluor dagegen induziert keine Lipidkondensation. Als Lipidkondensation bezeichnet man dieEigenschaft von Cholesterol, die Lipidketten der Phospholipidmoleküle in der Membran zu ordnen,sodass sich die Packungsdichte der Lipide in der Membran drastisch erhöht. Dies wird durch einedeutliche Erhöhung der Ordnungsparameter der Lipidketten angezeigt.

A B C D

˚ Abb. 2: 2H-NMR-Ordnungsparameterprofile für POPC-d31-Membranen in Abwesenheit und inGegenwart von jeweils 20 Molprozent TopFluor-Cholesterol, 25-Doxyl-Cholesterol, Cholestatrienolbzw. nativem Cholesterol. Die Messungen wurden bei einer Temperatur von 30 °C durchgeführt.Ordnungsparameter geben die Amplitude der Bewegungen der C-2H-Bindungsvektoren auf einerZeitskala wieder, die schneller ist als ungefähr zehn Mikrosekunden. Ein Ordnungsparameter von1 bedeutet, dass der Bindungsvektor vollkommen rigide ist, Ordnungsparameter 0 zeigt an, dasser sich isotrop bewegt.

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geschlussfolgert werden kann, dass Top-Fluor-Cholesterol keine Lipidkondensationinduziert. Zum Vergleich sind in Abbil-dung 2 ebenfalls die Kettenordnungspro-file von 25-Doxyl-Cholesterol und Chole-statrienol gezeigt, die zumindest einemoderate Kondensation induzieren.

Somit weist TopFlour-Cholesterol zwardie gleiche Membranorientierung wie Cho-lesterol auf, versagt aber beim Lipidkon-densationseffekt vollständig. Dies kannmit der im Vergleich zum Molekülgerüstsehr großen Fluoreszenzgruppe erklärtwerden. Diese Gruppe nimmt im Mem-braninneren sehr viel Platz ein und ver-hindert so eine geordnete Ausrichtung derAlkylketten.

ZusammenfassungIn Abbildung 3 sind die Ergebnisse unsererUntersuchungen zur Eignung verschiede-ner Cholesterol-Analoga zusammengestellt.Cholestatrienol, 25-Doxyl-Cholesterol undTopFluor-Cholesterol werden zwar in derkorrekten Orientierung in die Membran ein-gebaut, jedoch zeigen nur Cholestatrienolund 25-Doxyl-Cholesterol einen einigerma-ßen vergleichbaren Kondensationseffekt aufdie Phospholipide. TopFluor-Cholesteroldagegen ist nicht in der Lage, einen Lipid-kondensationseffekt zu induzieren, und soll-te daher nur mit äußerster Vorsicht für bio-physikalische und zellbiologische Untersu-chungen eingesetzt werden. Aufgrund derkomplexen Struktur der Zellmembran undder vielseitigen Wechselwirkungen zwi-schen ihren verschiedenen Bestandteilenist es sehr schwierig, Cholesterol-Analogazu synthetisieren, die allen Charakteristikades Cholesterolmoleküls genügen. ó

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Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Daniel HusterUniversität LeipzigMedizinische FakultätInstitut für Medizinische Physik und BiophysikHärtelstraße 16–18D-04107 LeipzigTel.: 0341-97-15701Fax: [email protected]

AUTOREN

Thomas Meyer, Lars Thomas, Holger A.Scheidt und Daniel Huster (v. l. n. r.)

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Huster wurde2001 gegründet, nachdem er von einemPostdoktorandenaufenthalt in den USA zu-rückkam, um in Leipzig eine Nachwuchsgrup-pe im Biotechnologisch-BiomedizinischenZentrum der Universität Leipzig zu leiten. En-de 2005 zog die Gruppe an die UniversitätHalle-Wittenberg um, wo Huster eine zweiteNachwuchsgruppe leitete. 2007 erhielt erden Ruf auf die W3-Professur für Medizini-sche Biophysik an die Universität Leipzig, woer seit 2008 arbeitet. In der AG Huster sindetwa 20 Master- und Diplomstudenten, Doktoranden, Postdocs und Techniker be-schäftigt.