Christian Lindtner - Deutschland verletzt die Freiheit der Meinungsäußerung - Vierteljahreshefte...

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112 VffG · 1997 · 1. Jahrgang · Heft 2

 päischer Staat zum Ausgang des 20. Jahrhunderts meint, daßhistorische Probleme von Gerichten abgehandelt werden sol-len, und nicht von Historikern. Es ist ansonsten totalitärenStaaten vorbehalten, die Bürger für Meinungen zu bestrafen,von denen man meint, daß sie gegen das Staatsinteresse ver-stoßen. Das deutsche Sondergesetz bezüglich dessen, wasman in Bezug auf Auschwitz nicht sagen darf, ist ein Schand-

fleck und ein grober staatlicher Übergriff auf die Freiheit der Meinungsäußerung und der Forschung.Was den umfassenderen Völkermord in der Sowjetunion an-geht, verhält es sich beinahe umgekehrt. Ich bin persönlichvon einem Historiker einer Art nationalsozialistischer Nei-gung beschuldigt worden, weil ich in den 80er Jahren darauf 

 bestand, daß das Katyn-Massaker an polnischen Offizierenund Intellektuellen von sowjetischen Mördern begangen wor-den war und nicht von nationalsozialistischen. Im umgekehr-ten Fall gewann ein Historiker in Westeuropa und den USAgroße Anerkennung und akademisches Ansehen, weil er Sta-lins Verantwortlichkeit für Verbrechen bestritt, die, wie er-wähnt wurde, sowohl in Bezug auf Ausmaß und Dauer um-

fassender waren als die von Hitler und NS-Deutschland.Auf noch einem weiteren Gebiet gibt es einen eigentümlichenUnterschied in der Betrachtungsweise von Nationalsozialis-mus und Kommunismus. Thomas Thurah geht sehr hart mitdem Revisionisten David Irving ins Gericht, weil letzterer meint, daß es im Nationalsozialismus verschiedene Strömun-gen gab, eine gute und eine schlechte. Ich halte mich in dieser 

Frage nicht für so klug, wie es Thomas Thurah anscheinendist, aber es sollte doch wohl erlaubt sein, wenigstens die Fra-ge zu diskutieren.Umgekehrt hat einer der anerkanntesten amerikanischen Re-visionisten, Stephen Cohen, mit dem Spezialgebiet Sowjet-union der 20er und 30er Jahre bedeutende Anstrengungenentfaltet, um just zwischen einem guten und einem schlechten

Bolschewismus zu unterscheiden, der gute personifiziertdurch Nikolaj Bukharin und der schlechte durch Stalin. Ande-re Historiker haben Lenin und Stalin als Repräsentanten für den guten bzw. den bösen Sozialismus gebraucht.Zum Schluß: Es ist bedauerlich zu erfahren, daß jüdischeGruppen in den USA einen renommierten Verlag dazu brin-gen können, eine geplante Herausgabe z.B. von Irvings Goeb-

 bels-Biographie aufzugeben, nur weil sie diesen Menschennicht behagt. In den USA sind es nicht wie in Deutschland diePolitiker und Gerichte, sondern einflußreiche private Grup-

 pen, die bestimmen wollen, was die Bevölkerung lesen darf und was sie nicht lesen darf. Das ist ein grober privater Über-griff gegen die Meinungs- und Forschungsfreiheit.

Es gibt ja so vieles, was die eine oder andere “Gruppe” nichtlesen oder hören mag. Aber es ist natürlich völlig unannehm-

 bar, daß starke Organisationen auf diese Weise anderen ihrenWillen aufzwingen können. Das zeugt im übrigen auch vongeringem Glauben an das freie Wort – oder, wie die altenGriechen sagten: es schadet einer Sache nicht, daß sie erörtertwird.

Deutschland verletzt die Freiheit der MeinungsäußerungVon Dr. phil. Christian Lindtner 

Mehrere deutsche Wissenschaftler sitzen im Gefängnis oder sind auf dem Weg dorthin. Selbst der Abdruck einer offiziel-len Anklageschrift kann strafbare “Volksverhetzung” sein.Die Entwicklung muß für Dänemark, das vom südlichen

 Nachbarn auf vielfältige Weise abhängig ist, Anlaß zur Sorgesein.Wenn der Leser glaubt, daß öffentliche Buchverbrennungenglücklicherweise der Vergangenheit angehören, dann muß er seinen Glauben ändern. Er muß leider nur seinen Blick hinabauf unseren großen südlichen Nachbarn richten.Deutschland ist ja ansonsten kein rückständiges Entwick-

lungsland. Im Gegenteil, gerade diese Nation hat auf fast al-len Gebieten der Wissenschaft eine führende Stellung einge-nommen, und die Forschung und Technik anderer Länder hatdavon zu allen Zeiten voller Bewunderung und Lernbegier 

 Nutzen gezogen.Gerade das ist ein guter Grund achtzugeben, wenn es soweitkommt, daß selbst deutsche Politiker offen einräumen, daß esProbleme mit der Freiheit der Meinungsäußerung gibt, undeinige von ihnen beginnen, Druck auf die Gerichte auszu-üben, um politisch genehme Urteile durchzusetzen.In den letzten Monaten gab es mehrere beunruhigende Fällederartiger politischer Justiz, die Einzelpersonen und Verlage

 bestrafen und andere abschrecken sollen, jene Freiheitsrechte

in Anspruch zu nehmen, die ihnen ansonsten ausdrücklichdurch das Grundgesetz des eigenen Landes wie auch durchinternationale Absprachen und Abkommen zugesichertwerden.

In der Theorie erlaubt das deutsche Grundgesetz (Art. 5)selbstverständlich jedem, seine Meinung in Wort, Schrift undBild zu äußern, wie auch Kunst, Wissenschaft und Forschungals frei erklärt werden. Die Grenze wird – wie bei uns undanderenorts – nur durch den verständlichen Wunsch gezogen,die allerstörendsten, verletzendsten und anstößigsten Äuße-rungen zu dämpfen. Es muß eine gewisse Rücksicht auf denFrieden des Privatlebens und die öffentliche Ruhe und Ord-nung genommen werden.Aber in der Praxis ist das ganz anders. Was die deutsche Ge-setzgebung mit der einen Hand gibt, versucht sie dann mit der 

anderen zu nehmen. Mit Gefängnis bis zu 5 Jahren kann dasGesetz (§ 130 StGB) den bestrafen, der, wie es heißt, “zumHaß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt”. Eines sachli-chen wissenschaftlichen Beweises dafür, daß jemand tatsäch-lich, in der gegebenen Weise, mit einem bestimmten Ziel undmit einem konkreten Ergebnis überhaupt in einem bestimmtenMaß Haß gegen einen Teil der Bevölkerung zu wecken ver-mag oder vermochte, bedarf es nicht.Hier liegt das Problem. Es reicht aus, daß der Staatsanwalt

 behauptet, daß es einfach so ist, und daß der Richter bereit ist,hierauf einzugehen. (Der erste Richter, der dieses Spiel nicht

 begriff, wurde bereits gezwungen, vorzeitig in den Ruhestandzu gehen.)

Der Leser glaubt vielleicht, daß es damit nicht seine Richtig-keit haben kann? Aber es ist leider wahr, und mehrere Juri-sten wiesen zu recht darauf hin, daß wir hier einer modernenAusgabe der früheren Hexenprozesse gegenüberstehen.

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VffG · 1997 · 1. Jahrgang · Heft 2 113

Wurde man erst angeklagt, mit dem Teufel im Bunde zu sein,war es selten weit bis zum Galgen oder Scheiterhaufen. Dasgrößte von allen Verbrechen war, die Existenz des Teufels zu

 bezweifeln oder zu leugnen. Und wird man im heutigenDeutschland erst einmal angeklagt, zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln, so ist es meist nicht weit bis zur Gefängniszelle oder der Bücherverbrennung.

Ein politisches Gebot fordert, daß eine wissenschaftliche Kri-tik gewisser offizieller Geschichtsauffassungen bestraft wer-den muß, als sei sie gleichbedeutend mit Aufstachelung zumHaß gegen Teile der Bevölkerung. Eine entsprechende Politi-sierung der Justiz in Bezug auf die Geschichte kennt man vonStaaten mit kommunistischer Diktatur und z.B. der Domini-kanischen Republik.Eine solche Besessenheit hat Deutschland derzeit ergriffen,und da dies sehr wohl ansteckend sein kann, müssen wir inunserem Land besonders auf der Hut sein. Tübingen beheima-tet seit mehreren Jahren einen Verlag für geschichtliche Bü-cher und Zeitschriften (Grabert). Seine Publikationen kannman hierzulande in allen größeren wissenschaftlichen Biblio-

theken finden, und wäre das nicht der Fall, dann wäre es auchfür die dänische Geschichtsforschung ein Hemmschuh.1994 gab der Verlag ein großes Werk heraus: Grundlagen zur 

 Zeitgeschichte – ein Handbuch über strittige Fragen des 20. Jahrhunderts. Glücklicherweise konnte sich die KöniglicheBibliothek in Kopenhagen ein Exemplar dieser hervorragen-den Arbeit sichern, bevor die Polizei die Restauflage in Tü-

 bingen beschlagnahmte. Das Buch wurde verboten. Ver- brannt! Im Juni 1996 wurde der Verleger zu einer Geldstrafevon DM 30.000 verurteilt. Der mit Gefängnisstrafe bedrohteHerausgeber floh ins Ausland. Mehrere ausländische Autorendes Buches werden mit Strafverfahren bedroht, sobald siedeutschen Boden betreten, und ein deutscher Autor wurde zu

einer Geldstrafe verurteilt. Eine Privatperson wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, nur weil sie 5 Exemplare des Buches

 bestellt hatte – bevor es verboten wurde.Selbst der vom Gericht vernommene Sachverständige (der Historiker Dr. J. Hoffmann) erklärte, daß es sich um eine be-deutende wissenschaftliche Arbeit handele.Die Staatsanwältin, die überhaupt keine Historikerin ist, be-harrte wild – und ohne nähere Begründung und im Wider-spruch zum Sachverständigen des Gerichts – darauf, daß dasBuch ein “pseudowissenschaftliches Machwerk übelster Sor-te” sei. Mit dieser perfiden Verurteilung scheint sie ganz zuübersehen, daß nicht “Pseudowissenschaftlichkeit”, sondern“Aufstachelung zum Haß” Gegenstand der Anklage war. Da-mit gab sie ja indirekt zu, daß es ihr mehr um das politischKorrekte als um das wissenschaftlich Korrekte ging. Sie ent-larvte damit, daß die Anklagebehörde in Deutschland zuwei-len nur eine Marionette ist, daß die politische Macht in dierechtsprechende Macht eingriff, genau wie in gewissen totali-tären Staaten.Ein anderes groteskes Urteil wurde am 21. Juni 1996 inWeinheim gefällt. Hier wurde Günter Deckert, früher Gymna-siallehrer für Englisch und Französisch, zu 20 Monaten Ge-fängnis verurteilt – zusätzlich zu den 2 Jahren, die er gegen-wärtig bereits verbüßt. Zuvor war er zu mehreren Jahren ver-urteilt worden, nachdem er einen mündlichen Vortrag des be-

kannten amerikanischen Gaskammerexperten Fred Leuchter übersetzt hatte. Dieser Prozeß war wiederholt von einer In-stanz zur anderen gegangen, und es hat großes internationalesAufsehen erweckt, als Richter Rainer Orlet Deckert als “ver-

antwortungsgewußte Persönlichkeit mit klaren Grundsätzen” bezeichnete. (Als Kanzler Kohl und andere Politiker sicheinmischten und Druck ausübten, kostete das Richter Orletumgehend seine Stellung.) Und im Juni 1996 wurde Deckertdann erneut verurteilt.Der Staatsanwalt hatte vier Jahre Gefängnis gefordert (zusätz-lich zu den zwei Jahren – und weitere Anklageschriften sind

noch unterwegs !). Die Anklage lautete nun, daß Deckert1990 (!) einen Vortrag mit dem englischen Historiker DavidIrving geleitet hatte. Außerdem hatte Deckert, der auch einenkleinen Buchhandel hatte, einige Exemplare der  Grundlagen

 zur Zeitgeschichte verbreitet – und zwar bevor das Gericht imJuni 1996 entschied, daß das Werk verbrannt werden sollte.Schließlich hatte Deckert als Verleger einen Abdruck seiner früheren Verfahrensakten herausgegeben – im wesentlichendie Anklageschriften der Staatsanwaltschaft selbst und ähnli-ches Material. Und nun wurde Deckert angeklagt, er habedurch die Herausgabe der früheren Anklageschriften diesesStaatsanwalts zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufge-stachelt – noch dazu auf unwissenschaftliche Weise. Und ob-

gleich es keine Beweise gab, daß Deckert etwas Derartigestatsächlich getan hat, wurde er hart dafür bestraft. (Und in der Haft verweigert man ihm unter Mißachtung aller RegelnVollzugserleichterungen. Es handelt sich um reine Schikane).Günter Deckert ist durchaus nicht der Einzige. Mehrere ande-re deutsche Wissenschaftler sitzen bereits im Gefängnis oder sind auf dem Weg dorthin. Das gilt z.B. für den hervorragen-den Historiker Udo Walendy in Vlotho.Die Politisierung der Justiz in Deutschland ist eine Tatsache.Sie ist verschärft im Vergleich zu damals, als Dänen bestraftwerden konnten, wenn sie südlich der Grenze Vaterlandslie-der sangen. Töricht und lächerlich! Selbst wenn dies zur Zeitauf gewisse “empfindliche” Themen (vor allem die sogenann-

te Auschwitz-Lüge) beschränkt ist, muß es tief beunruhigen,daß sich dies ausbreiten kann.Das an Richter Rainer Orlet statuierte Exempel hat abge-schreckt. Politischer Druck zwang ihn vorzeitig in den Ruhe-stand. Der Staatsanwalt muß den politischen Signalen folgen.Er kann ruhig die wissenschaftlichen Tatsachen vom Tischfegen. Er kann sich über den Sachverständigen des Gerichtshinwegsetzen, falls der den Mut haben sollte, sich politischunkorrekt zu äußern. Und auch der Verteidiger hat Probleme:Ist er zu eifrig, dann endet er vielleicht auf der gleichen An-klagebank wie sein Klient.Es war daher wirklich mutig von Deckerts Verteidiger festzu-stellen, daß in Deutschland heute die Gedanken- und Mei-nungsäußerungsfreiheit nur auf dem Papier bestehen.Ich kenne selbst viele hervorragende deutsche Wissenschaft-ler, honorige Universitätslehrer, nette Forscher, die vor demGesetz bibbern und zittern.Das ist wahr und das ist schlimm. Auf vielen Gebieten ist diedänische Wissenschaft von der deutschen abhängig. UnfreieWissenschaft – und unfreie Justiz – die nur politischen Zielendienen, sind eine Pestilenz, die mit allen Mitteln bekämpftwerden muß.Die Freiheit, die wir hierzulande genießen, einigermaßen freidenken und sich äußern zu dürfen, gab es nicht umsonst, undsie ist auch nicht ein selbstverständliches Recht. Wir sollten

uns in diesem Zusammenhang vor Augen halten, daß wir hier einem Deutschen viel zu verdanken haben, nämlich demweitblickenden Johann Friedrich Struensee und seiner Reformzur Druckfreiheit 1770:

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