Chronische Lumbalgie und Lumboischialgie - dr-kasprzak.de · Behandlung einer Radikulopathie...

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Kasprzak_a Juli | 2016 CO.med Chronische Lumbalgie und Lumboischialgie Konservative Therapie aus sportmedizinischer Sicht Dr. med. Bernd A. Kasprzak, Prof. Dr. med. Armin Klümper Rund 70 % aller Deutschen haben mindes- tens einmal im Jahr akute Rückenschmer- zen. [1] Bestehen die Beschwerden länger als sechs Wochen, so werden sie als subakut und bei mehr als zwölf Wochen als chro- nisch bezeichnet. Die Ursachen können sehr vielfältig sein. Deshalb werden unspezifi- sche und spezifische Lumbalgien und Lum- boischialgien unterschieden. Nach Aus- schluss von spezifischen Kreuzschmerzen oder Lumbalgien aufgrund von Frakturen, bakteriellen Infektionen, Nervenerkran- kungen und Tumoren verbleiben noch 80 bis 90 % unspezifische Rücken- oder Kreuz- schmerzen. [2] Typische Ursachen für un- spezifische Kreuzschmerzen sind Über- und Fehlbelastung, aber auch Bewegungsman- gel und Inaktivität, muskuläre Dysbalan- cen durch Muskelverkürzungen und Muskel- abschwächungen, Funktionsstörungen von Lendenwirbelsäule (LWS) und Ileosakral- gelenken, Mobilitätsstörungen der Faszi- enstrukturen (Hypo- und Hypermobilität), eine veränderte Wirbelsäulenstatik durch Entwicklungsstörungen im Kindes- und Ju- gendalter, degenerative Schäden der klei- nen Wirbelgelenke, der Bandscheiben, der Wirbelkörper und des Spinalkanals, Stoff- wechselstörungen durch Verschlackung und Belastung mit Noxen sowie Toxinen, Stö- rungen im Bauchraum und nicht zuletzt durch chronischen Disstress oder seelische Konflikterlebnis-Schocks. Die unspezifischen chronischen Beschwer- debilder werden von der Klassischen Medi- zin (KM) physiotherapeutisch, psychothera- peutisch, durch symptomatische Schmerz- therapie und operativ behandelt. [3] Aus sportmedizinischer Sicht sind eine sym- ptomatische Schmerztherapie mit Symp- tomunterdrückung oder Blockierung sowie eine operative Entfernung der Symptomre- gion inakzeptabel. Gleichzeitig ist die Ver- wendung von Medikamenten mit Nebenwir- kungen auf Gesundheit und Leistungsfähig- keit nur im Notfall zu akzeptieren. Im Gegensatz zur KM bekämpft die Sportme- dizin keine Symptome, sondern stärkt die Selbstheilungskräfte, entgiftet und ent- schlackt den Körper und fördert die Resili- enz (seelische Belastbarkeit). [4] Zusätzlich ist die aktive Mitarbeit des Athleten / Pati- enten zur Schaffung von Gesundheitsvo- raussetzungen von großer Wichtigkeit. [4] Dazu gehören optimaler Lebensrhythmus, optimale Ernährung und Wasserzuführung, Stärkung der körperlichen und seelischen Belastungsfähigkeit, Vermeidung von Fehl- belastungen u. a. In Abbildung 1 wird das Behandlungsprin- zip dargestellt, welches in der Sporttrauma- tologischen Abteilung der Universität Frei- burg unter Leitung von Prof. Klümper in den 1960er- und 1970er-Jahren erforscht und danach ständig weiter entwickelt wurde. In Abhängigkeit von der Stärke der Be- schwerden und der Beschwerdevielfalt bei einer bestehenden Multimorbidität sind un- terschiedliche therapeutische Konsequen- zen erforderlich. Bei akuten Beschwerden sind physiothera- peutische Maßnahmen wie Wärme, Massage, Osteopathie u. a. perkutane Anwendungen zur Durchblutungsregulierung, Entzün- dungshemmung und Regenerationsanre- gung, Entlastung und Vermeidung von Fehl- belastungen sowie Abbau von Disstress häufig ausreichend für eine schnelle Rück- bildung des Beschwerdebildes. Bei starken Schmerzen mit chronischem Verlauf haben sich zusätzlich orale Medika- mente wie Magnesium und B-Vitamine zur Muskellockerung sowie Enzyme, Teufels- kralle, Kurkuma, Weihrauch, Omega-3- Fettsäuren u. a. zur Reduktion von Entzün- dung und Schmerz bewährt. Bei massiven Schmerzzuständen und starken Einschrän- kungen der Beweglichkeit wurden bereits 1964 von Prof. Klümper, zunächst unter Röntgenkontrolle, peridurale und perineu- rale Injektionen erprobt. Dabei wurden physiologische und homöopathische Sub- stanzen verwendet. Das Ziel war, bei einem Diskusprolaps (Bandscheibenvorfall) die Unterstützung der Selbstheilungskräfte und damit der Ver- Abb. 1: Therapie von chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparates

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Chronische Lumbalgie und LumboischialgieKonservative Therapie aus sportmedizinischer SichtDr. med. Bernd A. Kasprzak, Prof. Dr. med. Armin Klümper

Rund 70 % aller Deutschen haben mindes-tens einmal im Jahr akute Rückenschmer-zen. [1] Bestehen die Beschwerden längerals sechs Wochen, so werden sie als subakutund bei mehr als zwölf Wochen als chro-nisch bezeichnet. Die Ursachen können sehrvielfältig sein. Deshalb werden unspezifi-sche und spezifische Lumbalgien und Lum-boischialgien unterschieden. Nach Aus-schluss von spezifischen Kreuzschmerzenoder Lumbalgien aufgrund von Frakturen,bakteriellen Infektionen, Nervenerkran-kungen und Tumoren verbleiben noch 80bis 90 % unspezifische Rücken- oder Kreuz-schmerzen. [2] Typische Ursachen für un-spezifische Kreuzschmerzen sind Über- undFehlbelastung, aber auch Bewegungsman-gel und Inaktivität, muskuläre Dysbalan-cen durch Muskelverkürzungen und Muskel-abschwächungen, Funktionsstörungen vonLendenwirbelsäule (LWS) und Ileosakral-gelenken, Mobilitätsstörungen der Faszi-enstrukturen (Hypo- und Hypermobilität),eine veränderte Wirbelsäulenstatik durchEntwicklungsstörungen im Kindes- und Ju-gendalter, degenerative Schäden der klei-nen Wirbelgelenke, der Bandscheiben, derWirbelkörper und des Spinalkanals, Stoff-wechselstörungen durch Verschlackung undBelastung mit Noxen sowie Toxinen, Stö-rungen im Bauchraum und nicht zuletztdurch chronischen Disstress oder seelischeKonflikterlebnis-Schocks.

Die unspezifischen chronischen Beschwer-debilder werden von der Klassischen Medi-zin (KM) physiotherapeutisch, psychothera-peutisch, durch symptomatische Schmerz-therapie und operativ behandelt. [3]

Aus sportmedizinischer Sicht sind eine sym-ptomatische Schmerztherapie mit Symp-tomunterdrückung oder Blockierung sowieeine operative Entfernung der Symptomre-gion inakzeptabel. Gleichzeitig ist die Ver-wendung von Medikamenten mit Nebenwir-kungen auf Gesundheit und Leistungsfähig-keit nur im Notfall zu akzeptieren.

Im Gegensatz zur KM bekämpft die Sportme-dizin keine Symptome, sondern stärkt dieSelbstheilungskräfte, entgiftet und ent-

schlackt den Körper und fördert die Resili-enz (seelische Belastbarkeit). [4] Zusätzlichist die aktive Mitarbeit des Athleten / Pati-enten zur Schaffung von Gesundheitsvo-raussetzungen von großer Wichtigkeit. [4]Dazu gehören optimaler Lebensrhythmus,optimale Ernährung und Wasserzuführung,Stärkung der körperlichen und seelischenBelastungsfähigkeit, Vermeidung von Fehl-belastungen u. a.

In Abbildung 1 wird das Behandlungsprin-zip dargestellt, welches in der Sporttrauma-tologischen Abteilung der Universität Frei-burg unter Leitung von Prof. Klümper in den1960er- und 1970er-Jahren erforscht unddanach ständig weiter entwickelt wurde.

In Abhängigkeit von der Stärke der Be-schwerden und der Beschwerdevielfalt beieiner bestehenden Multimorbidität sind un-terschiedliche therapeutische Konsequen-zen erforderlich.

Bei akuten Beschwerden sind physiothera-peutische Maßnahmen wie Wärme, Massage,

Osteopathie u. a. perkutane Anwendungenzur Durchblutungsregulierung, Entzün-dungshemmung und Regenerationsanre-gung, Entlastung und Vermeidung von Fehl-belastungen sowie Abbau von Disstresshäufig ausreichend für eine schnelle Rück-bildung des Beschwerdebildes.

Bei starken Schmerzen mit chronischemVerlauf haben sich zusätzlich orale Medika-mente wie Magnesium und B-Vitamine zurMuskellockerung sowie Enzyme, Teufels-kralle, Kurkuma, Weihrauch, Omega-3-Fettsäuren u. a. zur Reduktion von Entzün-dung und Schmerz bewährt. Bei massivenSchmerzzuständen und starken Einschrän-kungen der Beweglichkeit wurden bereits1964 von Prof. Klümper, zunächst unterRöntgenkontrolle, peridurale und perineu-rale Injektionen erprobt. Dabei wurdenphysiologische und homöopathische Sub-stanzen verwendet.

Das Ziel war, bei einem Diskusprolaps(Bandscheibenvorfall) die Unterstützungder Selbstheilungskräfte und damit der Ver-

Abb. 1: Therapie von chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparates

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such die Rückbildung des Prolapses zu be-schleunigen. [5] Dadurch wurde der Thera-pieansatz der KM verlassen. Statt Hem-mung, Unterdrückung und Blockierung derSymptome wurden und werden wie gesagtdie körpereigenen Heilressourcen mobili-siert und gefördert. Da diese Therapiemaß-nahmen von großem Erfolg gekrönt waren,wurden sie auch bei den weniger spektaku-lären, aber sehr schmerzhaften chroni-schen Lumbalgien und Lumboischialgieneingesetzt.

• Bei periduraler Injektion hat sich eineKombination folgender Medikamente be-währt: Je eine Ampulle Sensiotin (heuteAtrop. sulf. D6 und Hypericum D6), Discuscompositum, Traumeel und Auffüllen auf10 ml mit Bicarbonate de Sodium.

• Perineural ist bei lumbaler Anwendungdie Kombination von je einer AmpulleSolcoseryl, Disci bamb, Allya injektopasund 5 ml Bicarbonate de Sodium optimalwirksam.

• Werden die perineuralen Infiltrationenbei Lumboischialgien im Bereich desOber-oder Unterschenkels durchgeführt,so werden 10 ml Bicarbonate de Sodiummit einer Ampulle Neytroph D7 kombi-niert.

• Auch ein Ileosacralgelenk-Syndrom kannUrsache oder zusätzliche Ursache vonchronischen Lumbalgien sein. Hier ist dieTherapie völlig abweichend. In diesen Fäl-len haben sich die „intraartikulären“ In-jektionen mit je einer Ampulle Traumeel,Rufebran rheumo, Rhus tox., 5-10 mg Tri-amcinolon und für beide IS-„Gelenke“ zu-sammen die Auffüllung auf 12 ml Bicarbo-nate de Sodium bewährt.

Eigene Untersuchungen zeigen, dass chro-nische Lumbalgien am häufigsten als akti-vierte Spondylarthrosen auftreten. In die-sen Fällen ist die Behandlung mit perineura-len Injektionen genauso zielführend wie dieBehandlung einer Radikulopathie (Nerven-wurzelreizung).

Die Platzierung der Kanülen an die verschie-denen Wirkorte erfolgt als Stichkanalanäs-thesie mit einem 1%-igen Lokalanästheti-kum.

Der Vorteil einer Injektionsbehandlung, imGegensatz zur oralen Medikation, besteht inder Möglichkeit, die therapeutischen Sub-stanzen in genügender Menge und direkt

zum Störzentrum zu befördern. Die oraleMedikation kann dagegen bereits im Darmdurch eine Störung der Resorption beein-trächtigt sein. Das betrifft besonders multi-morbide Patienten. Hinzu kommt, dass beieiner Entzündung mit Gewebeschwellungder Lymphfluss und die mikrokapilläreDurchblutung im Beschwerdebereich starkbeeinträchtigt sind. Das erklärt, weshalboral verabreichte Schmerzmedikamentedann nur noch unzureichend oder nichtmehr wirksam sind.

Durch die vorgestellte Injektionstherapiewird nicht nur die entzündliche Schwellungzurückgedrängt, sondern auch die mikroka-pilläre Durchblutung verbessert und deranabole Regenerationsstoffwechsel akti-viert. Dadurch wirken Schmerzmittel wiederbesser und länger und können schneller ab-gesetzt werden.

Völlig überflüssig wird damit der ohnehinproblematische Einsatz von 40 mg Cortisonoder mehr im Bereich der Wirbelsäule [11]mit seiner blockierenden Wirkung aufSchmerz und Entzündung. Beides sind Heil-reaktionen, die im Notfall reduziert, abernicht blockiert werden sollten.

Auch die Begründung des Cortisoneinsatzesund seine Diskussion in einer randomisier-ten Studie mit 461 Patienten im BritischenÄrzteblatt [11] geht aus naturheilkundli-cher Sicht von falschen Voraussetzungenaus. Der Vergleich: epidurale Verabreichungvon 40 mg Cortison gelöst in 29 ml Koch-

salzlösung mit alleiniger epiduraler Injekti-on von 30 ml 0,9%-iger Kochsalzlösung (alsPlacebomittel) ist die typische Symptom-Denkweise der KM.

Am Beispiel von Cortison kann klar ver-deutlicht werden, dass die KM das Prinzip„Hemmen, Bremsen und Blockieren“ alsKampf gegen die Krankheit betrachtet. DaNaCl nicht hemmt oder blockiert, wird esals unwirksam betrachtet und ist somit einPlacebomittel. Die KM hat noch nichtwahrgenommen, dass NaCl eine neurotro-pe Wirkung besitzt [12] und auf die Selbst-heilungskräfte gerichtet ist. Zusätzlich be-wirkt NaCl mit der Bindung von Säuren eineVerbesserung der mikrokapillären Durch-blutung [12] als wichtige Voraussetzungfür die Unterstützung der Selbstheilungs-kräfte. Deshalb ist NaCl auch kein Placebo-mittel.

Eigene Untersuchungen bestätigen seit Jahr-zehnten die effektive therapeutische Wirkungvon Kochsalz als Bicarbonate de Sodium.

Beispiel aus der Praxis

Schwieriger ist die Behandlung unspezifi-scher Kreuzschmerzen bei Multimorbidi-tät. Ein Beispiel mit den therapeutischenKonsequenzen wird im Folgenden vorge-stellt. In diesem Fall sind die Röntgenauf-nahmen der LWS in zwei Ebenen von großerWichtigkeit, sie sind in Abbildung 3 darge-stellt.

Abb. 2: (a) peridurale Injektion bei L3/4, freie Nadel L4/5; (b) perineurale Infiltrationenbei Radikulopathie oder aktivierter Spondylarthrose; (c) perineurale Infiltrationen des Un-terschenkels bei Lumboischialgie

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Diese Röntgen-Aufnahmen zeigen eineTorsionsskoliose und Steilfehlhaltung derLWS mit kyphotischer Knickbildung beiTH12/L1, einer Osteochondrose bei L5/S1,eine Spondylarthrose, eine Osteoporosemit ausgeprägter Sinterungskompressionvon L1 und ausgeprägter Calcifikation derAorta abdominalis (Abb. 3, Markierung mitblauen Pfeilen).

Torsionsskoliose

Infolge dieser degenerativen Schäden istdie muskuläre Stärkung der Bauch- und Rü-ckenmuskulatur durch Heilgymnastik unbe-dingt erforderlich. Durch eine stabile Mus-kulatur können die Bandscheibenschädenund die Kompressionsfraktur von L1 kom-pensiert werden. Allerdings ist aufgrund derTorsionsskoliose eine völlig andere Gymnas-tik notwendig.

Die Torsion (Verdrehung) ist zwar eine sinn-volle Stabilisierung der LWS bei einer Sko-liose, also einer seitlichen Verbiegung derWirbelsäule. Aber mit der Stabilisierung isteine Einschränkung der Beweglichkeit ver-bunden. Deshalb treten bei häufigen Bewe-gungen oder Belastungen der LWS in der Sa-gittalebene (Beugungen der Wirbelsäulenach vorn und Überstreckungen nach hin-ten) Fehlbelastungen der kleinen Wirbelge-lenke auf. Diese wiederholten Fehlbelastun-gen können langfristig zu einer Spondy-larthrose führen. Das bedeutet: die wichtigemuskuläre Stärkung der Bauch- und Rücken-

muskulatur darf bei der Gymnastik nicht intypischer dynamischer Weise erfolgen, son-dern muss isometrisch trainiert werden.

Die ap-Röntgenaufnahme zeigt, dass durchdie Torsion der LWS die dorsalen Dornfort-sätze als fast gerade Linie zur Darstellungkommen (Dornfortsätze mit roten Pfeilenmarkiert). Deshalb können Krankengymnas-ten die Funktionsstörung von außen nichtsicher beurteilen und benötigen unbedingtdie Diagnose der „Torsionsskoliose“.

Osteoporose und Aortensklerose

Die Diagnosen „Osteoporose“ und „ausge-prägte Aortensklerose“ haben für die Kreuz-schmerzen erst im fortgeschrittenen Stadi-um Bedeutung – sind aber deutliche Schädi-gungen des Körpers mit der Gefahr vonWirbelfrakturen und Durchblutungsstörun-gen, die therapeutisch beachtet werdenmüssen. Den Befund eines Kalkmangels inden Wirbelkörpern und eines Kalküber-schusses in der Aorta und anderen Faszien-und Knorpelstrukturen sehen die Autorenbereits seit Jahrzehnten.

Diese Befunde weisen darauf hin, dass Os-teoporose in den allermeisten Fällen keineKalkmangelstörung des Körpers, sondern ei-ne Kalziumverteilungsstörung darstellt.Deshalb ist die Empfehlung einer Kalzium-gabe oder eine verstärkte Ernährung mitMilchprodukten kontraproduktiv und nichtmehr haltbar.

Neben einem Kalkmangel im Knochen alsKriterium einer reduzierten Festigkeit, ver-liert der Knochen bei Osteoporose vor allemseine Elastizität! Diese Eigenschaft gewähr-leisten jedoch kollagene Fibrillen. Deshalbgenügt es nicht, allein mehr Kalzium in dieKnochen zu bringen. Denn der gesamte Kno-chenstoffwechsel muss parasympathisch-anabol aktiviert werden, um zugleich Fes-tigkeit und Elastizität zu gewährleisten.

Der menschliche Körper befindet sich das ge-samte Leben in einem ständigen Auf- undAbbau also Umbauprozess und damit in ei-ner dauernden Erneuerung seiner Körper-strukturen. Auf diese Weise kann sich derKörper an veränderte Belastungsanforderun-gen anpassen.

Eine verstärkte Osteoklasten-Aktivität(Knochenabbau) ist somit nicht automa-tisch unsinnig oder pathologisch. Entspre-chend dem biologischen Gesetz: „Was nichtgebraucht oder benutzt wird – bildet sichzurück“ kann eine verstärkte Osteoklasten-Aktivität durchaus sinnvoll sein. Das be-trifft zum Beispiel die Situationen bei Inak-tivität, Schwerelosigkeit oder geschädigtenKnochenstrukturen.

Diese Zusammenhänge werden von der KMnicht wahrgenommen. Denn alle Symptomewerden als Ausdruck einer Erkrankung inter-pretiert. Die Therapie der KM bei Osteoporo-se besteht deshalb in der Hemmung, Unter-drückung oder Blockierung der Osteoklas-ten-Aktivität. [9] Auf diese Weise wirdjedoch die Heilung, nämlich der Knochen-aufbau (Osteoblasten-Aktivität) in keinerWeise gefördert.

Deshalb wird aus sportmedizinischer Sicht(im Gegensatz zur KM) das gestörte Gleich-gewicht von Auf- und Abbau des Knochensin Richtung Knochenaufbau stimuliert, oh-ne die Osteoklasten-Tätigkeit zu hemmenoder zu blockieren. Das bedeutet, den ana-bolen Aufbaustoffwechsel durch Bewegung,Heilgymnastik und optimale Ernährung so-wie Wasserzufuhr anzuregen und durch dieTherapie mit Magnesium, Vitamin D3 undK2, Kieselerde (Silicea) sowie Kollagen-Auf-baumitteln und in ausgeprägten Fällen mitanabolen Hormonen zu unterstützen.

Spinalkanalstenose

Die Diagnose „Spinalkanalstenose“ wirdhäufig als Grund für ein operatives Vorgehenbei einer chronischen Lumbalgie oder Lum-boischialgie gesehen. Da im Spinalkanal der

Abb. 3: Röntgenbilder der LWS eines Patienten mit erheblichen chronischen Kreuzschmerzen

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LWS kein Rückenmark mehr vorhanden ist,sondern nur die Nervenstränge zu den ver-schiedenen Nervenaustrittsöffnungen ver-laufen, tritt eine Nervenschädigung nur ex-trem selten auf. Entscheidend ist in dieserSituation die Stabilität der LWS. Bei Spinal-kanalstenose in Kombination mit Spondylo-listhese (Wirbelgleiten) oder Segment- oderGefügelockerung ist die muskuläre Stabili-sierung von entscheidender Bedeutung undsollte isometrisch erfolgen. Im Gegensatzdazu verstärken Übungen zur Verbesserungder Beweglichkeit die Instabilität noch zu-sätzlich und sind deshalb kontraproduktiv.

Die Alternative eines operativen Vorgehensbei Spinalkanalstenose sollte aus sportme-dizinischer Sicht nur als letzte Option in Be-tracht gezogen werden. Diese ist gegeben,wenn die klinische Symptomatik einer Clau-dicatio spinalis oder eines Kaudasyndroms[6] vorliegt (vgl. Abb. 4).

Bei Lumboischialgien, den Kreuzschmerzenmit Ausstrahlung in die Gesäß- und Beinre-gion, sind die vorgestellten periduralen In-jektionen und perineuralen Infiltrationenvon besonderer Wichtigkeit.

Das Schema in Abbildung 4 zeigt die Zuord-nung der Symptome im Beinbereich wieSchmerzen, Kribbeln, Taubheit, Muskel-schwäche und Lähmungen mit ihrem Bezugzu den LWS-Segmenten. [7, 8] Dabei sinddie betroffenen LWS-Segmente bei der klini-schen Untersuchung druckschmerzhaft. Beivielen Patienten sind zwei oder drei Seg-mente gleichzeitig durch Druckschmerzhaf-tigkeit gekennzeichnet. In diesen Fällensollten nicht mehr als zwei peridurale Injek-tionen bei einer Behandlung erfolgen.

Diese Einschränkung erfolgt nicht wegender injizierten Substanzen, sondern wegendes verwendeten Lokalanästhetikums fürdie Stichkanalanästhesie. In den Peridural-raum sollte nur sehr wenig oder gar kein An-ästhetikum gelangen. Wird diese Empfeh-lung nicht beachtet, so kann ein Blutdruck-abfall oder eine vorübergehende Lähmungder Beinmuskulatur auftreten.

Bei Belastung von Segmenten der LWS istvon einer Radikulopathie (Nervenwurzelrei-zung) oder einer aktivierten Spondylarthro-se auszugehen. In beiden Fällen sind die pe-rineuralen Infiltrationen besonders wichtig.Mit gezielten periduralen Injektionen undperineuralen Infiltrationen können aus-strahlende Beschwerden sehr effektiv ver-mindert oder beseitigt werden.

Langzeitstudie

Über einen Zeitraum von 15 Jahren (2000-2015) erfolgte eine retrospektive Studie an379 Patienten mit chronischen Kreuz-schmerzen. Dabei wurden die Beziehungenzwischen den Beschwerdebildern und denRöntgenbefunden untersucht und die vor-gestellten Therapieoptionen überprüft.

Bei 241 Patienten bestand eine chronischeLumbalgie (weiblich 134, männlich 107),die sich in der Mehrzahl in einem Lebensal-ter zwischen 35-85 Jahren befanden.

Von den 138 Patienten mit einer chroni-schen Lumboischialgie (weiblich 86, männ-lich 52) hatte der Hauptanteil ein Alter zwi-schen 40-80 Jahren.

Abbildung 5 zeigt die detaillierten Röntgen-befunde bei Lumbalgie, Lumboischialgieund Diskusprolaps. Dabei kommt ein hoherAnteil von 67 % mit Fehlhaltungen (Steil-fehlhaltung und Hohlkreuz) zur Darstellung.

Diese Fehlhaltungen der Wirbelsäule kön-nen durch eine qualifizierte Heilgymnastikmittelfristig gut stabilisiert werden.

Einen noch höheren Anteil von ca. 80 % be-sitzt die Torsionsskoliose (Verbiegung undVerdrehung der Wirbelsäule). Ein gleich ho-her Prozentsatz von ca. 80 % wird auch beider Spondylarthrose festgestellt. Das istauch nicht verwunderlich, da bei Belastun-gen in der Sagittalebene die kleinen Wir-belgelenke falsch belastet werden und da-her Schaden nehmen. Gleichzeitig wurdenBandscheibenschäden bei 66 % nachge-

Abb. 4: Funktionelle Symptome der typischen lumbosakralen Kompressionssyndrome

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wiesen, und bei 45 % bestand eine Osteo-porose. Damit sind die aktivierte Spondy-larthrose in Verbindung mit Torsionsskolio-se, Fehlhaltung und Bandscheibenschädendie Hauptursachen für Kreuzschmerzen.Diese Feststellung wird von Schute [10] be-stätigt, der die Spondylarthrose in 80 bis85 % aller Wirbelsäulenbeschwerden alsUrsache sieht.

Auf der Grundlage der durchgeführten Un-tersuchungen ist die Torsionsskoliose nochvor Fehlbelastungen und Bandscheiben-schäden die häufigste Ursache für das Auf-treten einer Spondylarthrose. Allerdingswird diese Diagnose sehr häufig übersehen,und als Folge wird eine falsche Gymnastikdurchgeführt. Damit wird das Beschwerde-bild noch verstärkt.

Die Osteoporose ist zwar in den meisten Fäl-len nicht an der Schmerzproblematik betei-ligt, liefert aber einen deutlichen Hinweisauf einen gestörten Stoffwechsel mit Beein-trächtigung der Regenerationsfähigkeit.Deshalb weist die Osteoporose immer aufein multimorbides Geschehen hin.

Die Patienten mit Lumboischialgie weisendeutlich höhere Detailschäden auf (roteProzentzahlen) als die Lumbalgie-Ver-gleichsgruppe. Deshalb werden sie als diestärker fortgeschrittenen Beschwerdebilderbetrachtet. Diese Situation stellt keine Be-einträchtigung der vorgestellten Therapiedar. Sie ist jedoch ein Hinweis auf eine län-gere Therapiedauer.

Die Patienten mit Diskusprolaps konntenbei ihrer Vorstellung alle den diagnosti-schen Nachweis mithilfe von CT- oder MRT-Befunden führen. Diese Untersuchungenwiesen deutlich ausgeprägtere Schäden anden übrigen Bandscheiben und einen höhe-ren Anteil mit Torsionsskoliose auf. Daslässt den Schluss zu, dass eine längere Fehl-belastung und Schädigung des Regenerati-onsstoffwechsels der Bandscheiben vorlagund deshalb eine höhere Anfälligkeit für ei-nen Diskusprolaps bestand. Gleichzeitigzeigen die Untersuchungen, dass die Seg-mente L5/S1 und L4/5 am häufigsten voneinem Diskusprolaps betroffen sind.

Die erfolgreiche konservative Therapie beiDiskusprolaps wurde bereits in CO.med11/2012 mit dem Titel „Diskusprolaps aussportmedizinischer Sicht“ [5] vorgestellt.

Die Auswertung der Behandlungsdauer biszur Beschwerdefreiheit (Abb. 6) zeigte deut-liche Unterschiede im Therapiefortschrittzwischen Lumbalgie, Lumboischialgie undDiskusprolaps. Als beschwerdefrei wird defi-niert, wenn mehr als zwölf Monate nach derletzten Therapie keine Beschwerden in derbehandelten Region mehr aufgetreten sind.

Bei chronischer Lumbalgie sind mit der vor-gestellten Therapie 35 % der Patienten be-reits nach einem Monat beschwerdefrei, beichronischer Lumboischialgie 28 % und beiDiskusprolaps 12 %. Hinzu kommt jedoch,dass die z. T. massive symptomatischeSchmerztherapie, mit der sich die Patientenvorstellten [5], bereits nach zwei bis vier Wo-chen wesentlich reduziert oder abgesetztwerden konnte. Nach einem Jahr waren beiDiskusprolaps ca. 73 % beschwerdefrei undnur ein Fall wurde operiert. Von allen anderenFällen waren ca. 80 % nach einem Jahr ohneBeschwerden. Von 136 Fällen mit Lumbois-chialgie wurden nur zwei Patienten (1 %)operiert: ein Patient wegen Diskusprolapsund ein Patient wegen Spondylolisthese.

Bei einem normalen Heilungsverlauf sollteder Behandlungsabstand auf vier, sechs,acht und zwölf Wochen verlängert werden

Abb. 5: Röntgenbefunde bei Lumbalgie, Lumboischialgie und Diskusprolaps

Abb. 6: Therapiedauer bei chronischer Lumbalgie, Lumboischialgie und Diskusprolaps

Facharzt für Sportmedizin, Naturheil-verfahren, war viele Jahre in der Luft-fahrtmedizin und im Hochleistungs-sport tätig. Seit 1990 in eigener privat-ärztlicher Praxis mit Schwerpunkt„chronische Erkrankungen des Bewe-gungsapparates“ niedergelassen.

Kontakt:Theodor-Ludwig-Str. 24-26,D-79312 Emmendingenwww.dr-kasprzak.de

Dr. med. Bernd A. Kasprzak

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Literaturhinweis

können. Ist das nach ca. drei Jahren nochnicht erreicht, so bestehen in den meistenFällen multimorbide Störungen des Körpers,chronische Stresssituationen oder seelischeKonflikterlebnis-Schocks. Ist es nicht ge-lungen diese Problematik zu lösen, so ist dievorgestellte Therapie trotzdem sinnvoll.Denn auch bei diesen scheinbaren Therapie-versagern ist es möglich, die körperliche Be-schwerdesymptomatik, wenn notwendigüber Jahre, zu stabilisieren – und das ohneSchmerztherapie mit ihren zum Teil erhebli-chen Nebenwirkungen.

Abschließend soll noch darauf hingewiesenwerden, dass auch bei homöopathischenMedikamenten Unverträglichkeiten oderallergische Reaktionen auftreten können.Diese Unverträglichkeiten bestehen in wei-ter anhaltenden oder verstärkten Be-schwerden nach der Behandlung ohne po-sitive Therapiewirkung. Deshalb ist die Ver-träglichkeitsprüfung der verwendetenMedikamente mithilfe eines naturheil-kundlichen Testverfahrens wichtig. Das giltbesonders für „of label use“ verwendeteMedikamente.

Zusammenfassung

Kreuzschmerzen oder Lumbalgien sind in 80bis 90 % der Fälle unspezifisch. Bestehen sielänger als zwölf Wochen, werden sie alschronisch bezeichnet. Die Klassische Medi-zin behandelt diese Patienten symptoma-tisch mit Schmerzmitteln und operativ. ImGegensatz dazu wird hier ein konservativsportmedizinischer Therapieansatz vorge-stellt, der die Symptome nicht bekämpft,sondern die Selbstheilungskräfte unter-stützt und fördert.

Für ausgeprägte Schmerzzustände mit star-ken Einschränkungen der Beweglichkeit wur-den peridurale und perineurale Injektionenmit Verwendung von physiologischen undhomöopathischen Substanzen entwickelt.Im Gegensatz zur Schmerztherapie sind dieseBehandlungen ohne schädliche Nebenwir-kungen und stärken die Selbstheilungskräfteund damit die Regenerationsfähigkeit.

In einer Studie an 379 Patienten (durchge-führt von 2000 bis 2015) wurden Ursachender Beschwerdebilder untersucht und die Er-gebnisse der vorgestellten Therapieoptio-nen dargestellt. Bei der Behandlung vonLumbalgien, Lumboischialgien und Diskus-prolaps haben sich peridurale Injektionenund perineurale Infiltrationen mit physiolo-

gischen und homöopathischen Substanzenhervorragend bewährt. Sie stellen eine ef-fektive Alternative zur symptomatischenSchmerztherapie oder operativen Eingriffendar und zeichnen sich durch ihre optimaleVerträglichkeit aus.

vormals Leiter der Sporttraumatologi-schen Abteilung der Medizinischen Fa-kultät der Universität Freiburg, heuteals Emeritus lebend in Freiburg undSüdafrika.

Kontakt:über Dr. med. Bernd Kasprzak

Prof. Dr. med. Armin Klümper

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