Norbert Claen

Das Wissen der Tolteken

Norbert Claen

Das Wissen der Tolteken

Carlos Castaneda

und die Philosophie des Don Juan

Hans-Nietsch-Verlag

Originalausgabe bei Verlag Terra Magica Nostra & Edition Tonal, 1992

Neuauflage Mrz 2014

2002 by Hans-Nietsch-Verlag Alle Rechte vorbehalten.Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrcklicherGenehmigung des Verlages gestattet.

Cover und Umschlaggestaltung: Rosi Weiss Fotos Cover: Eric Isselee, Sekar Balasubramanian, Joao Virissimo, Jesse Kraft/123rf.comSatz: Hans-Jrgen MaurerDruck: SOWA Sp. z o.o., Warszawa/Polen

Hans-Nietsch-VerlagAm Himmelreich 779312 Emmendingen

www.nietsch.de info@nietsch.de

ISBN 978-3-86264-265-6

Fr den Geist, der den Kosmos erhlt

Ich danke meinen Eltern, Freunden und allen anderen, die mir aufmeinem Weg geholfen haben.Mein besonderer Dank gilt meinem Freund Jorge Miranda-

Luizaga, der mir einen tiefen Blick in die indianische Denkweiseermglichte; dem Privatdozent Dr. S. Blasche fr ein Verstndnisder Werke Husserls; Dr. A. Gentner fr seine persnliche Unter-sttzung; meinen Gefhrten, die ich nicht mit Namen nennenkann. Mein besonderer Dank gilt auerdem der Kraft, der Erde,den Nachtfaltern, den Pflanzen, den Tieren und den Steinen aufmeinem Weg.Mein spezieller Dank gilt Dr. R. Mertens, stellvertretend fr

das ganze Team der Kinderklinik des Klinikums der RWTH-Aachen.Mein ganz besonderer Dank gilt Richard Yensen und Donna

Perz Venero fr das Schlieen des Kreises; er gilt nicht zuletztauch meinem Freund Hawky, der mir in das Unbekannte voran-gegangen ist. Auerdem danke ich allen, die bei der Entstehungdieses Buches mitgeholfen haben.

Inhalt

Vorwort zur Neuausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10Einfhrung14

Teil I Der Nagualismusals Philosophie der Tolteken . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

1 Das Erscheinende C. Castaneda und E. Husserl . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

1.1 Die Weltbeschreibung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351.2 Das Tonal und der

erste Ring der Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45Das Verborgene C. Castaneda und C.G. Jung . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

2.1 Traum, Tod und Transzendenz . . . . . . . . . . . . . . . 652.2 Das Nagual und der

zweite Ring der Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 Das Bindeglied

C. Castaneda und M. Eliade. . . . . . . . . . . . . . . . . . 873.1 Kosmologie und Mythos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 993.2 Die Ganzheit des Selbst

als befreite Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Teil II Die praktischen Knste der Tolteken . . . . . . . . 125

4 Die Kunst des Pirschens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1304.1 Die Rekapitulation des Lebens . . . . . . . . . . . . . . 1404.2 Das Nicht-Tun des Selbst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1494.3 Die Heilkunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1625 Die Kunst des Trumens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1755.1 Traumkrper und Nagualtier. . . . . . . . . . . . . . . . 186

5.2 Das Nicht-Tun der Blickfixierung. . . . . . . . . . . . 1975.3 Das Mysterium der Bewutheit . . . . . . . . . . . . . 2096 Die Bemeisterung der Absicht . . . . . . . . . . . . . . . 2216.1 Persnliche Kraft und unbeugsame Absicht . . . 2326.2 Gesten und Vorlufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2436.3 Omen und Orakelkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2537 Der Kriegertrupp des Nagual . . . . . . . . . . . . . . . 2638 Die Erde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2759 Schlubetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

Anhang

Carlos Castaneda: Sechs grundlegende Lehrstze . . . . . . . . . 292Anmerkungen und Quellennachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

Vorwort zur Neuausgabe

Als ich vor zwanzig Jahren das erste Mal ein Buch von CarlosCastaneda in die Hand nahm, hatte ich nicht die leisesteAhnung, auf was ich mich da eingelassen hatte. Ich suchte nichtsdergleichen wie eine Welt der Zauberei oder ein Wissen derTolteken. Ein Zauberer war fr mich lediglich jemand, der mitTaschenspielertricks Zuschauer belustigt und zu nicht mehr fhigist, als ein Kaninchen aus einem Zylinder zu ziehen.Doch unter den Umstnden, unter denen meine erste Begeg-

nung mit den Lehren des Don Juan stattfand, wurden diese frmich sowohl zur Lebenshilfe als auch zum Lebensweg. Zu jenerZeit war ich an einem leukmieartigen Krebs erkrankt und befandmich in einer harten, mehrjhrigen Therapie. Da kam mir die tol-tekische Lehre vom Leben der Krieger, die alles als Herausforde-rung annehmen statt ber ihr Schicksal zu klagen und in Selbst-mitleid zu versinken, gerade recht. Sie gab mir den Mut, denKampf gegen die Krankheit vorbehaltlos aufzunehmen und letzt-lich siegreich daraus hervorzugehen.Castanedas Bcher boten zudem eine Flle von Techniken, die

es mir ermglichten, selbst Einblick in die Welt der Zauberei zunehmen. So experimentierte ich z.B. mit der Kunst des Trumensund hatte schon bald erstaunliche Erfolge, die mich ber die Gren-zen alltglicher Erfahrung hinaustrugen. Ich begann zu begreifen,da der sterile Zeitgeist der Moderne uns wesentliche Aspekte desDaseins vorenthlt, und konzentrierte mich mehr und mehr aufdie praktische Erfahrbarkeit des Wissens der Tolteken.Im Laufe der Zeit fand ich Mitstreiter, die sich ebenfalls den

anderen Realitten ffneten, die Castanedas Werke uns zugnglich

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gemacht hatten. Dies besttigte meine Ahnung von der universellen,pragmatischen Nachvollziehbarkeit der Lehren des Don Juan.Aber ich begriff auch, da mein Verstand nach einer Erklrung alldessen verlangte, was ich erlebt hatte und immer noch erlebe. Sobegann ich einige Jahre nach dem Erstkontakt ein Studium derPhilosophie, das mir ein tieferes Verstndnis der toltekischen Leh-ren erschlo.Es stellte sich heraus, da das Wissen der Tolteken im Lichte

der Philosophiegeschichte gar nicht so fremdartig ist, wie der ersteEindruck vermuten lt, sondern da es eine geradezu zwingendeFolgerichtigkeit besitzt, die in Strenge und Konsequenz keinerabendlndischen Wissenschaft nachsteht. Der Eindruck derFremd artigkeit entsteht vielmehr aus dem fr uns Europerschwer zugnglichen indianischen Kontext, aus dem jene Lehrenentsprungen sind. Zum Glck fand ich whrend des Studiumseinen Lehrer, Dr. Jorge Miranda-Luizaga, der sich nicht nur mitindianischer Philosophie auskennt, sondern selbst Indianer ist.Mit Geduld und Humor erschlo er mir eine weitere Ebene desVerstndnisses der Werke Castanedas.All diese Ereignisse und Erfahrungen fhrten zur Nieder-

schrift dieses Buches, in dem ich versucht habe, beide Annhe-rungsweisen an das Wissen der Tolteken darzustellen: den Weg desVerstandes in Form eines Vergleichs mit Anstzen abendlndi-scher Philosophie und den Weg des Herzens und der Praxis inForm einer ausfhrlichen Schilderung der wichtigsten Techniken,so wie meine Gefhrten und ich sie erlebt haben. Jede andere Her-angehensweise wre einseitig und knnte der ganzheitlichen Aus-richtung des toltekischen Wissens nicht gerecht werden.Seit der Verffentlichung der Originalversion dieses Buches

im Jahre 1992 ist eine Dekade vergangen, und es hat sich einigesgetan. Bis zu seinem Tod im April 1998 verfate Carlos Castane-da vier weitere Werke, und auch seine Gefhrtinnen Taisha Abe-lar und Florinda Donner-Grau verffentlichten Bcher ber ihreLehrzeit bei Don Juan. Zum Erstaunen vieler Leser traten derpublikumscheue Castaneda und seine Gefhrtinnen in dieser Zeitauch mit Vortrgen, Workshops und Seminaren an die ffent-lichkeit und starteten mit Tensegrity, einer modernen Variante

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von magischen bungen der Zauberer, eine Bewegung, die biszum heutigen Tage von ihren Schlern fortgefhrt wird.Es erschien mir wenig sinnvoll, all die Erlebnisse, Erkenntnisse

und Erfahrungen aus jener Zeit in die Neuausgabe dieses Buches ein-zuflechten, zumal ich sie in einem weiteren Buch, Carlos Castane-da und das Vermchtnis des Don Juan (ebenfalls erschienen imHans-Nietsch-Verlag) in Form einer ergnzenden Chronik zusam-mengefat habe. Bei der berarbeitung des vorliegenden Werkshabe ich mich daher lediglich auf die notwendige Korrektur kleine-rer Fehler und die Aktualisierung von Daten und Fakten beschrnkt.Die Ereignisse der vergangenen Jahre haben besttigt, da der

Inhalt dieses Buches so aktuell ist wie nie zuvor eine Tatsache,die mich beraus freut. Eine neue ra hat begonnen, in der dasWissen der Tolteken offenbar nicht lnger aus dem ffentlichenBewutsein ausgespart werden soll. Ich hoffe, da mein Buch einbescheidener Beitrag zu diesem neuen Bewutsein ist und da esdem ein oder anderen Leser den Mut geben kann wie Castanedaihn mir gab sich wirklich fr das ehrliche, starke und freie Lebeneines Kriegers zu entscheiden. In diesem Fall htte es seinenZweck erfllt.

Norbert ClaenJuli 2002

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Einfhrung

Seit dem Erscheinen des ersten Castaneda-Bandes Die Lehrendes Don Juan ist die Flut an Fragen und Spekulationen berden Autor und seinen Lehrer, den indianischen Zauberer JuanMatus von Castaneda respektvoll Don Juan genannt , nichtabgeklungen. Was war geschehen?Carlos Castaneda kam im Jahre 1960 als Student der Ethnolo-

gie in das Grenzgebiet Arizona (USA) Sonora (Mexiko), umFeldforschungen ber den Gebrauch von Heilpflanzen und nar-kotischen Gewchsen bei den dort lebenden Indianern zu machen.In einer Busstation an der Grenze begegnete er dem brujo1 JuanMatus und wurde, noch bevor er sich dessen klarwerden konnte,erwhlter Schler des alten Zauberers. Getreu seinen traditionel-len Lehren demontierte Don Juan die Weltsi