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Der Bausachverständige 1 | 2016 | 22 BAUTECHNIK Grundlagen der WU-Konstruktion – von der Bedarfsermittlung zur optimalen Bauweise Neben der gemeinsam mit dem Nutzer erarbeiteten Be- darfsermittlung ist die Festlegung des für die Nutzung und Beanspruchung geeignetsten Entwurfsgrundsatzes bei wasserundurchlässigen Betonkonstruktionen für die Si- cherstellung der Gebrauchstauglichkeit und der Dauerhaf- tigkaeit entscheidend. Der bisher fast ausschließlich ange- wendete Entwurfsgrundsatz b) nach WU-Richtlinie weist den gravierenden Nachteil auf, dass bis zum Eintreten der erwarteten Selbstheilung Wasser ins Innere des Gebäudes fließt und Bedingungen für eine erfolgreiche Selbsthei- lung in der Praxis nur selten vorliegen. Im Beitrag werden Möglichkeiten und Randbedingungen für die Entwurfs- grundsätze a) und c) der WU-Richtlinie sowie Nutzungsan- forderungen genannt, bei denen diese Prinzipien ange- wendet werden müssen. 1 Einleitung Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen gelten seit vielen Jahrzehnten als bewährte Bauweise beim Bauen im Grundwas- ser. Entsprechend WU-Richtlinie [1] sind derartige Konstrukti- onen bei allen Wasserbeanspruchungsklassen für Bauwerke im Hoch- und Ingenieurbau, einschließlich weißer Decken einsetz- bar. Dennoch sind in den vergangenen Jahren wesentliche Ver- änderungen eingetreten, die es für Bauherrn, Planer und Bau- ausführende erforderlich machen, sich intensiver mit den unter- schiedlichsten Bauweisen und der Herangehensweise von Bauen im Erdreich vor Beginn der Baumaßnahme zu befassen. Als we- sentliche Änderung gegenüber früher gelten insbesondere hö- herwertige Nutzungsanforderungen und die deutlich schnellere Bauzeit. Dadurch haben insbesondere eine sorgfältige Bedarfs- ermittlung, eine auf die Nutzung und den Nutzungsbeginn ab- gestimmte Planung und die Koordination aller beteiligten Planer und der Ausführenden gegenüber früherer Vorgehensweise an Bedeutung gewonnen. 2 Bedarfsermittlung Mit Einbindung des planenden Architekten durch den Bauherrn hat der Architekt, gemeinsam mit dem dafür verantwortlichen Bauherrn, in der Projektvorphase Bedürfnisse und Erwartungen des Bauherrn in Bezug auf das zu errichtende Bauwerk, die Wirtschaftlichkeit und die Projektorganisation zu klären. Hilfe- stellungen dazu sind in [2,3] enthalten. Das Ergebnis der Bedarf- sermittlung ist als Nutzungsbedarfsprogramm zu dokumentie- ren und vom Bauherrn freizugeben und dient als Grundlage für die Definition und Erbringung von Planungsleistungen. In Bezug auf wasserundurchlässige Bauwerke ist im Rahmen der Bedarfsanalyse insbesondere zu klären: Art der Nutzung (z. B. hochwertige Nutzung nach [4], Tiefga- rage,… ) Beginn der Nutzung Zulässige Feuchtigkeit Termine, Beginn der Feuchteeinwirkung Zusätzlich bei Tiefgaragen Gebrauchstauglichkeit Dauerhaftigkeitsanforderungen Ausführungsvariante Nutzungsfreundlichkeit Im Zuge der Bedarfsermittlung sollte der Bauherr bereits über die Zusammenhänge zwischen Bedarf und Umsetzbarkeit bzw. Um- setzungsaufwand aufgeklärt werden, was dann im Zuge von Vari- antenstudien näher untersucht werden muss. Durch die Ergeb- nisse der Bedarfsermittlung wird die Grundlage geschaffen für die Definition, die Vergabe und die Erbringung der weiteren Planungs- leistungen. Für die Beurteilung der Beanspruchung muss ein durch den Bauherrn beauftragtes Baugrundgutachten vorliegen. Die Art der Nutzung der Untergeschosse beeinflusst die Ent- scheidung über die Bauart der Untergeschosse wesentlich. Je hochwertiger die Nutzung, umso mehr muss das Ziel verfolgt werden, Feuchteeinflüsse aus der äußeren Wasserbeanspru- chung auf die Nutzung möglichst vollständig auszuschließen. Die Art der Feuchtebeanspruchung ist dabei nicht wesentlich. Einzig ausschließlich durch Bodenfeuchtigkeit beanspruchte Bauteile sind unkritisch. Alle anderen Arten der Wasserbean- spruchung, insbesondere auch nur zeitweise aufstauendes Was- ser, stellen bei hochwertiger Nutzung hohe Anforderungen an die Baukonstruktion. 3 Bauarten für wasserbeanspruchte Untergeschosse Bauarten für wasserbeanspruchte Untergeschosse sind entwe- der nach DIN 18195 [5] abgedichtete Bauwerke oder wasserun- durchlässige Bauwerke nach WU-Richtlinie [1]. Claus Flohrer

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nik Grundlagen der

WU-Konstruktion – von der Bedarfsermittlung zur optimalen

Bauweise

Neben der gemeinsam mit dem Nutzer erarbeiteten Be-darfsermittlung ist die Festlegung des für die Nutzung und Beanspruchung geeignetsten Entwurfsgrundsatzes bei wasserundurchlässigen Betonkonstruktionen für die Si-cherstellung der Gebrauchstauglichkeit und der Dauerhaf-tigkaeit entscheidend. Der bisher fast ausschließlich ange-wendete Entwurfsgrundsatz b) nach WU-Richtlinie weist den gravierenden Nachteil auf, dass bis zum Eintreten der erwarteten Selbstheilung Wasser ins Innere des Gebäudes fließt und Bedingungen für eine erfolgreiche Selbsthei-lung in der Praxis nur selten vorliegen. Im Beitrag werden Möglichkeiten und Randbedingungen für die Entwurfs-grundsätze a) und c) der WU-Richtlinie sowie Nutzungsan-forderungen genannt, bei denen diese Prinzipien ange-wendet werden müssen.

1 Einleitung

Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen gelten seit vielen Jahrzehnten als bewährte Bauweise beim Bauen im Grundwas-ser. Entsprechend WU-Richtlinie [1] sind derartige Konstrukti-onen bei allen Wasserbeanspruchungsklassen für Bauwerke im Hoch- und Ingenieurbau, einschließlich weißer Decken einsetz-bar. Dennoch sind in den vergangenen Jahren wesentliche Ver-änderungen eingetreten, die es für Bauherrn, Planer und Bau-ausführende erforderlich machen, sich intensiver mit den unter-schiedlichsten Bauweisen und der Herangehensweise von Bauen im Erdreich vor Beginn der Baumaßnahme zu befassen. Als we-sentliche Änderung gegenüber früher gelten insbesondere hö-herwertige Nutzungsanforderungen und die deutlich schnellere Bauzeit. Dadurch haben insbesondere eine sorgfältige Bedarfs-ermittlung, eine auf die Nutzung und den Nutzungsbeginn ab-gestimmte Planung und die Koordination aller beteiligten Planer und der Ausführenden gegenüber früherer Vorgehensweise an Bedeutung gewonnen.

2 Bedarfsermittlung

Mit Einbindung des planenden Architekten durch den Bauherrn hat der Architekt, gemeinsam mit dem dafür verantwortlichen Bauherrn, in der Projektvorphase Bedürfnisse und Erwartungen des Bauherrn in Bezug auf das zu errichtende Bauwerk, die

Wirtschaftlichkeit und die Projektorganisation zu klären. Hilfe-stellungen dazu sind in [2,3] enthalten. Das Ergebnis der Bedarf-sermittlung ist als Nutzungsbedarfsprogramm zu dokumentie-ren und vom Bauherrn freizugeben und dient als Grundlage für die Definition und Erbringung von Planungsleistungen.

In Bezug auf wasserundurchlässige Bauwerke ist im Rahmen der Bedarfsanalyse insbesondere zu klären:�� Art der Nutzung (z. B. hochwertige Nutzung nach [4], Tiefga-

rage,… )�� Beginn der Nutzung�� Zulässige Feuchtigkeit �� Termine, Beginn der Feuchteeinwirkung �� Zusätzlich bei Tiefgaragen �� Gebrauchstauglichkeit�� Dauerhaftigkeitsanforderungen�� Ausführungsvariante�� Nutzungsfreundlichkeit

Im Zuge der Bedarfsermittlung sollte der Bauherr bereits über die Zusammenhänge zwischen Bedarf und Umsetzbarkeit bzw. Um-setzungsaufwand aufgeklärt werden, was dann im Zuge von Vari-antenstudien näher untersucht werden muss. Durch die Ergeb-nisse der Bedarfsermittlung wird die Grundlage geschaffen für die Definition, die Vergabe und die Erbringung der weiteren Planungs-leistungen. Für die Beurteilung der Beanspruchung muss ein durch den Bauherrn beauftragtes Baugrundgutachten vorliegen.

Die Art der Nutzung der Untergeschosse beeinflusst die Ent-scheidung über die Bauart der Untergeschosse wesentlich. Je hochwertiger die Nutzung, umso mehr muss das Ziel verfolgt werden, Feuchteeinflüsse aus der äußeren Wasserbeanspru-chung auf die Nutzung möglichst vollständig auszuschließen. Die Art der Feuchtebeanspruchung ist dabei nicht wesentlich. Einzig ausschließlich durch Bodenfeuchtigkeit beanspruchte Bauteile sind unkritisch. Alle anderen Arten der Wasserbean-spruchung, insbesondere auch nur zeitweise aufstauendes Was-ser, stellen bei hochwertiger Nutzung hohe Anforderungen an die Baukonstruktion.

3 Bauarten für wasserbeanspruchte Untergeschosse

Bauarten für wasserbeanspruchte Untergeschosse sind entwe-der nach DIN 18195 [5] abgedichtete Bauwerke oder wasserun-durchlässige Bauwerke nach WU-Richtlinie [1].

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Bei nach DIN 18195 abgedichteten Bauwerken galt zunächst immer der Grundsatz, das Bauwerk wannenartig abzudichten, damit die Abdichtung nicht hinterlaufen werden kann. Erst mit der Entwicklung von nachträglich aufgebrachten Abdichtungen im Verbund wurde dieser Grundsatz aufgeweicht, da derartige Systeme, bis zu einer bestimmten Wasserbeanspruchung auch dann nicht hinterlaufen werden können, wenn die Abdichtung im wasserbeanspruchten Bereich endet. Bei Bahnenabdichtungen sind dazu aufwändige Los-/Festflanschkunstruktionen und Detail-lösungen erforderlich. Abdichtungen nach DIN 18195 sind im Re-gelfall mehrlagig, um Schwächen einzelner Lagen (z. B. Verlet-zungen, Fehlstellen an Stößen) kompensieren zu können und müssen zielsicher vor Beschädigungen geschützt werden.

Nachteil aller nicht im Verbund liegenden Bauwerksabdich-tungen ist, dass die Abdichtungen im Falle eines lokalen Versa-gens nur dann repariert werden können, wenn diese freigelegt werden. Abdichtungen unter Bodenplatten können somit nicht repariert werden. Undichte abgedichtete Bauwerke werden des-halb häufig nachtäglich zur WU-Konstrukten ertüchtigt. Was-serundurchlässige Betonkonstruktionen nach WU-Richtlinie können bei direkter Zugänglichkeit der inneren Oberflächen bei Leckagen oder sich nicht selbst heilenden planmäßigen Rissen vergleichsweise einfach durch Injektionen mit Polyurethan er-tüchtigt werden.

Bei hochwertiger Nutzung [4] muss davon ausgegangen wer-den, dass die inneren Oberflächen nicht uneingeschränkt zu-gänglich sind und somit eine nachträgliche Ertüchtigung nur mit erheblichen nutzungseinschränkendem Aufwand möglich ist. Deshalb muss planmäßig eine Konstruktion gewählt werden, die von Beginn der Nutzung an uneingeschränkt dicht ist. Die Dichtheit von WU-Konstruktion wird wesentlich von drei Fak-toren beeinflusst:1. Dichtigkeit des Betons (vergleichsweise einfach erreichbar

durch die Verwendung von WU-Beton und entsprechend sorgfältigem Einbau und Verdichtung)

2. Dichtigkeit der Fugen, Durchdringungen und Einbauteile durch ein geschlossenes Fugenabdichtungssystem (alle Fu-geneinlagen an Stoßstellen dicht miteinander verbunden)

3. Vermeiden oder dauerhaftes Abdichten von Rissen (Ent-wurfsgrundsätze a oder c)

Befahrene Flächen in Tiefgaragen als WU-Konstruktion müssen ebenfalls als hochwertig genutzte Flächen eingestuft werden. Die konzentrierte Einwirkung von Chloriden verbietet das Vor-handensein von Rissen oder erfordert eine dauerhafte Abdich-tung. Außerdem tritt die beim Entwurfsgrundsatz b erforder-liche Selbstheilung der Risse wegen der kontinuierlich einwir-kenden Temperaturänderungen nicht zuverlässig ein.

4 Wasserbeanspruchung und Nutzungsklasse

Für die weitere Planung von wasserundurchlässigen Betonbau-werken müssen die Art der Wasserbeanspruchung durch das Vorliegen eines Baugrundgutachtens und die Art der Nutzung, durch die zuvor beschriebene Bedarfsermittlung bekannt sein. Demnach werden einzelne Bauteile entsprechend der WU-Richt-linie [1] Beanspruchungsklassen und Nutzungsklassen zugeord-net. Beanspruchungsklasse 1 gilt für drückendes und nichtdrü-ckendes Wasser und zeitweise aufstauendes Wasser. Beanspru-chungsklasse 2 gilt für Bodenfeuchte und nichtstauendes Sicker-wasser. Fälschlicherweise wird in der Praxis zeitweise stauende Wasserbeanspruchung unterschätzt und diese Bauteile der Be-

anspruchungsklasse 2 zugeordnet. Aus Sicht des Verfassers ist zeitweise stauendes Wasser als besonders kritisch einzustufen, da Undichtigkeiten nur während der stauenden Wasserbean-spruchung erkannt werden können, dies kann nach Übergabe während der Nutzung und auch nach Ablauf der Gewährlei-stung passieren. Mit Selbstheilung ist dabei nicht zu rechnen, so dass der Entwurfsgrundsatz b) dafür nicht angewendet werden kann. Wird die Beanspruchungsklasse 2 angenommen, ist dau-erhaft über die gesamte Lebensdauer des Bauwerks ein Aufstau-en des Wassers (auch temporär) auszuschließen.

Die in der Bedarfsermittlung festgelegte Nutzung muss der Planer bauteilbezogen in die Zuordnung zu Nutzungsklassen umzusetzen [1]. Nutzungsklasse 1 – kein Durchtritt von flüs-sigem Wasser – erfordert planmäßige Maßnahmen, die sicher-stellen, dass keine Feuchtstellen und auch keine wasserführen-den Risse und Fugen auftreten (auch nicht temporär). Unabhän-gig davon können ausführungs- und planungsbedingt an Fugen oder unplanmäßigen Rissen temporäre, unplanmäßige Wasser-durchtritte entstehen, die durch Instandsetzungsmaßnahmen zu beseitigen sind. Dazu ist jedoch eine Wasserbeanspruchung er-forderlich, die den Wasserdurchtritt zeigt. Nutzungsklasse 2 lässt planmäßig einen temporären Wasserdurchtritt zu, der auch langfristig zu Feuchtigkeit an der Bauteiloberfläche führen kann ohne sichtbare Wasseransammlungen an der luftseitigen Ober-fläche zu hinterlassen. Die Nutzungsklasse 2 ist auch mit dem Entwurfsgrundsatz b) erfüllbar, kann jedoch für einzelne Risse mit größerer als rechnerisch angesetzter Rissweite zu zusätz-lichen abdichtenden Maßnahmen führen.

5 Darstellung der Entwurfsgrundsätze

Um die Wasserundurchlässigkeit einer WU-Konstruktion gegen-über den beschriebenen Beanspruchungen sicherzustellen, un-terscheidet die WU-Richtlinie drei Entwurfsgrundsätze:Entwurfsgrundsatz a) Vermeidung von TrennrissenDurch konstruktive, betontechnische und ausführungstechnische Maßnahmen soll das Auftreten von Trennrissen vermieden wer-den. Unter den konstruktiven Maßnahmen versteht man im We-sentlichen die Reduzierung von Zwangsspannungen durch zwän-gungsarme Lagerung der Bauteile, die geeignete Anordnung und Wahl von Fugen und die Reduzierung der Einspannung und Fest-haltung der zu betonierenden Bauteile an bereits vorhandenen Bauteilen. In besonderen Fällen kann auch eine Vorspannung von Bauteilen in Betracht kommen. Die betontechnologischen Maß-nahmen zielen vor allem auf die Verring erung der Betontempera-tur durch Verwendung von Betonen mit geringer Wärmeent-wicklung sowie Begrenzung der Frischbetontemperatur ab. Schwindarme Betone reduzieren langfristig die Überlagerung der dadurch entstehenden Spannungen mit den Spannungen aus später einwirkenden Temperaturänderungen. Das Schwinden des Betons ist jedoch für den frühen Zwang nicht maßgebend. Aus-führungstechnische Maßnahmen sind insbesondere die Nachbe-handlung des Betons und die damit zu steuernde abfließende Hydratationswärme. Wärmehaltende Nachbehandlungsmaß-nahmen wirken sich insbesondere zugspannungsreduzierend in der Phase nach Überschreiten der maximalen Bauteiltemperatur aus und sollten grundsätzlich bei Anwendung des Entwurfs-grundsatzes a) angeordnet werden.Entwurfsgrundsatz b) Begrenzung der TrennrissbreiteDie rechnerisch zu erwartenden Zugspannungen infolge behin-derter Verformung im jungen und im späten Alter (Früh- und

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Spätzwang) werden durch Bewehrungsmenge und -führung so beherrscht, dass die daraus zu erwartenden Risse in ihrer Breite so begrenzt werden, dass die Voraussetzungen für eine mögliche Selbstheilung gegeben sind. Das Eintreten einer Selbstheilung ist jedoch sehr stark von vielen Faktoren abhängig, so dass keine zuverlässige Voraussage zum Zeitpunkt und zur Sicherstellung des Eintretens und der Selbstheilung genannt werden kann. Die hier-für erforderlichen rechnerischen Rissbreiten wcal liegen zwischen 0,10 und 0,20 mm und werden in der WU-Richtlinie in Abhängig-keit von Beanspruchungsklasse, Druckhöhe des ggf. anstehenden Wassers und Bauteildicke vorgegeben. Da auch nach Eintreten der Selbstheilung nicht sicher trockene Oberflächen zu erwarten sind, ist die Anwendung dieses Entwurfsgrundsatzes einge-schränkt und weitestgehend auf untergeordnete Bauteile be-schränkt. Auch Bauteile ohne sofortige Wasserbeanspruchung oder in der Wasserwechselzone scheiden dafür aus.Entwurfsgrundsatz c) Zulassen und planmäßiges Abdich-ten von TrennrissenBei dem Entwurfsgrundsatz c) werden Trennrisse zugelassen, bei denen eine Selbstheilung nicht erwartet wird und diese Risse deshalb zusätzlich dauerhaft abgedichtet werden müssen. Ziel der Anwendung des Grundsatzes ist insbesondere, dadurch die Anzahl der Risse zu reduzieren. Dies gelingt durch die Reduzie-rung der Bewehrungsmenge für Zwang und die Wahl größerer Bewehrungsdurchmesser. Die Begrenzung der Breite erfolgt nach [1] lediglich durch die Anforderungen der DIN EN 1992-1-1 [12-14] zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit. Dies kann jedoch aus Sicht des Verfassers dahingehend auf breitere zulässige Risse (theoretisch bis zur sicheren Einhaltung der Fließgrenze des Stahls erweitert werden, wenn die Risse dauerhaft und vollstän-dig verschlossen werden, so dass keine Umwelteinflüsse in den Rissen wirksam sind.

6 Anwendung der Entwurfsgrundsätze

Der Planer hat die Aufgabe, aus der Bedarfsermittlung, der vorlie-genden Beanspruchung und der festgelegten Nutzung bauteilab-hängig einen Entwurfsgrundsatz festzulegen, der die Nutzungs-anforderungen sicher erfüllt. Dabei sind insbesondere auch die Bedingungen während der Bauausführung zu berücksichtigen, die in Annahmen bei der Bemessung einfließen sollen. Beispiels-weise sind die Frischbetontemperaturen zu berücksichtigen oder planmäßig zu steuern, wenn Risse vermieden oder auf Einzelrisse begrenzt werden soll. Auch die Einwirkung der Umgebungstem-peraturen während der Bauzeit, die den Früh- und Spätzwang beeinflussen können, ist planmäßig zu berücksichtigen.

Der derzeit immer noch von Planern häufig beschrittene Weg, ungeprüft den Entwurfsgrundsatz b) – Begrenzung der Rissweite – anzuwenden kann fatale Auswirkungen auf die ge-plante Nutzung haben, wenn die gewünschte Selbstheilung nicht eintritt. Sind Bauteile in der Nutzung nicht mehr frei zu-gänglich und werden hochwertig genutzt, können nur die Ent-wurfsgrundsätze a) oder c) angewendet werden. Hochwertige Nutzung ist in [4] definiert. Insbesondere zählen dazu Bauteile, die durch Bodenaufbauten dauerhaft belegt sind, Technikräume mit großflächigen Technikkomponenten, Lagerräume mit hoch-wertigem oder feuchteempfindlichem Lagergut. Dabei ist je-doch zu berücksichtigen, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem die luftseitige Oberfläche des wasserundurchlässigen Bauteils nicht mehr zugänglich ist, rissauslösende Zwangspannungen (insbe-sondere Spätzwang) vermieden werden müssen. Jeder nach-

träglich entstehende Riss wird wasserführend sein, wenn eine Druckwasserbelastung (auch temporär) vorliegt.

Auch die wasserundurchlässigen Bodenplatten von Tiefgara-gen sind aus Sicht des Verfassers als hochwertig genutzte Bau-teile einzustufen, weil aus Dauerhaftigkeitsgründen keine offe-nen Risse zulässig sind, bzw. max. ein Jahr offen sein dürfen. Würde dafür der Entwurfsgrundsatz b) – Begrenzung der Riss-breite – angesetzt, würde sich insbesondere die Anzahl der zu erwartenden Risse deutlich erhöhen. Dies hat jedoch aus Dauer-haftigkeitsgründen zur Folge, dass alle Risse im Nachgang dau-erhaft abgedichtet werden müssen. Ein Injizieren der planmä-ßigen Risse mit kleiner Rissweite ist nicht zuverlässig möglich, da die Risse dafür eine Mindestrissweite von 0,2-0,3 mm aufweisen müssen. Eine rissüberbrückende Abdichtung der Risse (beispiels-weise mit Oberflächenschutzsystem OS 11 [6]) ist jedoch eben-falls nicht möglich, da aus der zu erwartenden nutzungsbe-dingten Temperaturänderung in Tiefgaragen Rissbewegungen zu erwarten sind, die auch selbstgeheilte Risse wieder wasser-führend werden lassen.

Sind Bauteiloberflächen uneingeschränkt zugänglich, könnten aus technischer Sicht alle Entwurfsgrundsätze angewendet wer-den, da auch bei nicht sofortiger Dichtheit jederzeit nachträglich abdichtende Maßnahmen ergriffen werden können.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist ein Einsatz des Entwurfsgrund-satzes b) – Begrenzung der Rissweite – nur dann sinnvoll, wenn der Nutzer akzeptiert, dass keinerlei Vorhersage über den Zeit-raum getroffen werden kann und Risse auch über einen langen Zeitraum wasserführend oder stark nässend sein können, bis die Selbstheilung einsetzt. Kann keine Selbstheilung erwartet wer-den (beispielsweise wegen kalklösender Kohlensäure im Grund-wasser oder wegen nicht auszuschließender temperaturbe-dingter Rissweitenänderung), darf der Entwurfsgrundsatz b) nicht verwendet werden. Wird vom Nutzer verlangt, jeden näs-senden Riss sofort durch abdichtende Injektion zu schließen, ohne die Selbstheilung abzuwarten, darf ebenfalls der EG b) nicht zugrunde gelegt werden, da die dann erforderliche Injekti-on der schmalen Risse nicht ausreichend sicher zum Ziel führt.

Die Art der Nutzung muss in der Bedarfsermittlung gemein-sam mit dem Bauherrn erfolgen. Die Einstufung, ob eine hoch-wertige Nutzung vorliegt, obliegt dem koordinierenden Archi-tekten. Alle anderen beteiligten Planer müssen vom koordinie-renden Planer über die Nutzung und die daraus folgenden An-forderungen für die Konstruktion aufgeklärt werden.

Den Entwurfsgrundsatz legt im Regelfall der Tragwerksplaner fest. Seine Aufgabe ist es deshalb, das Ergebnis seiner Planung schriftlich zu dokumentieren. Insbesondere sind darin auch die Folgen der Planung zu beschreiben. Wird beispielsweise mit der Entstehung von Rissen geplant oder kann eine spätere Rissbil-dung nicht ausgeschlossen werden, muss der Tragwerksplaner die freie Zugänglichkeit der Bauteile einfordern. Ist dies nicht möglich, muss die Konstruktionsart geändert werden.

Vielfach wird in Frage gestellt, ob wasserundurchlässige Be-tonkonstruktionen für alle Nutzungsarten einsetzbar sind. Aus Sicht des Verfassers sind für übliche Bauwerke des Hoch- und Ingenieurbaus wasserundurchlässige Betonkonstruktionen möglich. Sind wasserführende Trennrisse nicht zulässig, müssen durch die beschriebenen konstruktiven, ausführungstechnischen und betontechnischen Maßnahmen derartige Risse vermieden werden. Dazu kann es insbesondere bei großflächigen, geome-trisch komplizierten Grundrissen erforderlich werden, dass Maß-nahmen wie Vorspannung oder Kühlen des Betons geplant wer-

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�� Beton mit niedriger Frischbetontemperatur einsetzen (Emp-fehlung: < 20 °C), evtl. Beton kühlen.

Ausführungstechnische Maßnahmen

�� Betonage in den Abend- und Nachstunden,�� wärmehaltende Nachbehandlung nach Erreichen der Maxi-

maltemperatur,�� Zwischennachbehandlung durch Curing.

In Abb. 1 sind die Auswirkungen der betontechnischen und aus-führungstechnischen Maßnahmen auf die Entwicklung der Zug-spannungen qualitativ dargestellt.

Abb. 1: Betontechnische und ausführungstechnische Maßnahmen zur Reduzierung der Verformungen

8 WU-Koordinator

Die oben beschriebenen Zusammenhänge zeigen, dass zur nut-zungsgerechten Planung und Ausführung einer WU-Kons truktion eine Vielzahl von Planungsleistungen unterschiedlich eingebun-dener Planer erforderlich ist. So müssen beispielsweise betontech-nisch umsetzbare Kennwerte vom Tragwerksplaner erfragt und eingeplant werden. Bodenaufbauten müssen z. B. vom Objektpla-ner in Abstimmung mit dem Tragwerksplaner erfolgen, ebenso muss die TGA-Planung die Folgen der Tragwerksplanung (z. B. er-forderliche Zugänglichkeit von Außenwänden oder Bodenplatten bei Erwartung von Trennrissen) berücksichtigen. Die Tragwerks-planung muss beispielsweise auch berücksichtigen, welche Betone zum Zeitpunkt der erwarteten Bauausführung eingesetzt werden können oder welche Frischbetontemperaturen erwartet werden können. Ist dies nicht möglich, hat der Tragwerksplaner Bedin-gungen für die Ausführung vorzugeben, die der Ausführende dann auch einhalten muss. Dies zeigt, dass der Informationsfluss und die daraus erforderlichen Planungsmaßnahmen über viele Schnittstellen hinweg erfolgen und funktionieren muss, um die nutzungsbedingt erforderlichen Eigenschaften einer WU-Kon-struktion sicher am ausgeführten Bauwerk zu erhalten.

Die Koordination der beteiligten Planer sowie die Schnittstelle zu Bauherrn, Ausführenden, Betontechnologen, Transportbe-tonlieferanten usw. kann aus Sicht des Verfassers nur dann er-folgreich umgesetzt werden, wenn für das Teilbauwerk »Was-serundurchlässige Betonkonstruktion« ein zuständiger Pla-nungskoordinator eingesetzt wird.

Die bisherige Praxis, nur für die Fugenplanung und die Aus-führung der WU-Konstruktion WU-Fachfirmen mit ergänzenden Planungsleistungen zu beauftragen, ist deshalb oft nicht opti-mal, weil diese WU-Fachunternehmen und -planer lediglich Teil-aspekte der erforderlichen Planungs- und Ausführungsleistung

den. Alternativ kann jedoch auch die Konstruktion angepasst werden. Beispielsweise kann eine zweite, innere Bodenplatte, die entkoppelt von der wasserundurchlässigen Bodenplatte ist, die Nutzung uneingeschränkt ermöglichen, weil eventuelle Was-serzutritte durch die wasserdurchlässige Bodenplatte erfasst und schadlos abgeführt werden können. Je hochwertiger die Nut-zung desto höher ist der Konstruktionsaufwand für die was-serundurchlässige Betonkonstruktion. Die bisher häufig be-obachtete reine Bemessungslösung der WU-Konstruktion (bei-spielsweise nach dem Entwurfsgrundsatz b) durch den Trag-werksplaner wird hierbei nicht zum Ziel führen.

7 Umsetzung der Entwurfsgrundsätze

Zur Umsetzung der oben beschriebenen Entwurfsgrundsätze sind insbesondere bei a) und c) konstruktive, ausführungstechnische und betontechnische Maßnahmen erforderlich. In der WU-Richt-linie sowie insbesondere in den Erläuterungen der WU-Richtlinie [7] sind die zwangsmindernden Maßnahmen und deren Anwen-dung ausführlich beschrieben. In Abschnitt 9 wird die Umsetzung derartiger Maßnahmen an zwei Praxisbeispielen erläutert. Die An-wendung der Entwurfsgrundsätze und deren Umsetzung wurden auch für die Planung von WU-Dächern [8] und für Parkhäuser und Tiefgaragen [9] übernommen. In beiden Fällen sind nur die Ent-wurfsgrundsätze a) und c) technisch zielführend, da bei beiden Nutzungsarten Trennrisse nutzungsbedingt oder wegen der Si-cherstellung der Dauerhaftigkeit auszuschließen oder dauerhaft abzudichten sind. Insbesondere der Entwurfsgrundsatz a) stellt besondere Herausforderungen an die Planung dar, da hierbei riss-auslösende Zwangspannungen vermieden werden müssen.

Zwang entsteht durch behinderte Verformungen. Vermeiden von Zwang bedeutet somit, entweder Verformungen so klein zu halten oder Verformungsbehinderungen weitestgehend zu vermei-den, dass daraus keine rissauslösenden Zugspannungen entstehen. Die Vermeidung von Verformungsbehinderungen gelingt durch konstruktive und ausführungstechnische Maßnahmen, die Redu-zierung von Verformungen durch betontechnische und ausfüh-rungstechnische Maßnahmen. Die Vermeidung von Rissen in Wän-den gelingt sicherer als in Bodenplatten, da Wände einfach von angrenzenden Bauteilen entkoppelbar sind und die Abschnittslän-gen sich einfach durch Sollrissfugenprofile verringern lassen.

Konstruktive Maßnahmen:

�� vereinfachte Geometrie – möglichst Bodenplatten gleicher Dicke und ohne Versprünge auf der Unterseite,

�� reibungsmindernde Zwischenschichten unterhalb der Boden-platte (z. B. Brechsandschicht mit Folie),

�� Einspannungen vermeiden,�� Vorspannen der Bauteile,�� Temperaturgassen zwischen vorbetonierten Kanälen, Unter-

fahrten usw. und der Bodenplatte,�� kleinere, durch Arbeitsfugen unterteilte Betonierabschnitte,�� späte Temperatureinwirkung durch Planung möglichst ausschlie-

ßen, wenn späte Rissbildung ausgeschlossen werden muss.

Betontechnische Maßnahmen

�� Verwendung von Zementen mit niedriger Hydratationswär-meentwicklung,

�� Einsatz von Flugasche,�� Nachweis der Betondruckfestigkeit im Alter von 56 oder 90

Tagen (mit Tragwerkplanung abstimmen!),

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erbringen können. Vielfach ist zum Zeitpunkt des Einbindens der WU-Fachfirmen die gesamte übrige Ausbau- und die TGA-Pla-nung bereits abgeschlossen, so dass erforderliche Anpassungen nicht mehr erfolgen können.

Ebenso sollten für die Umsetzung der Planung in die Ausfüh-rung erforderliche qualitätssichernde Schritte geplant und die Ausführung überwacht werden. Dazu sollten Qualitätssiche-rungspläne von den ausführenden Unternehmen eingefordert werden und für die Überwachung können mit WU-Bauwerken erfahrene Sachverständige eingebunden werden.

Nichts sollte dem Zufall überlassen werden! Aus dem Quali-tätsmanagement sind Verfahren und Methoden bekannt, mit denen frühzeitig in der frühen Planungs- und Projektphase Schwachstellen und Fehlerquellen sowie deren Auswirkungen auf die Nutzung erkannt und beseitigt werden können. FMEA (Failure Mode and Effekt Analysis oder Fehlermöglichkeits- und Einfluss-Analyse) wird in der Bauindustrie noch vergleichsweise wenig angewendet, offensichtlich weil man es immer mit Einzel-objekten mit ständig wechselnden Randbedingungen zu tun hat. Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen werden nahe-zu in jedem größeren Objekt angewendet, so dass sich der Ein-satz systematischer Fehlervermeidungsstrategien dafür beson-ders eignet. In [10] sind die Grundsätze und die Anwendung der Fehlereinflussanalyse bei WU-Bauwerken beschrieben.

9 Beispiele für die Umsetzung bei tragenden Bodenplatten in Tiefgaragen [9]

9.1 Beispiel für Ausführungsvariante 1b mit Entwurfsgrundsatz a (hohe Robustheit)

Die Bodenplatte einer zweigeschossigen Tiefgarage eines Büro-gebäudes in Frankfurt war ursprünglich als »Wasserundurchläs-sige Betonkonstruktion« entsprechend Entwurfsgrundsatz b der WU-Richtlinie (Rissbreitenbegrenzung, Selbstheilung) und Aus-führungsvariante 1a mit rissüberbrückender OS 11-Beschich-tung geplant. Die Geometrie der Bodenplatte war zur wirt-schaftlichen Optimierung als aufgelöste Bodenplatte mit Einzel- und Streifenfundamenten unter den Stützen und unter den Außenwänden vorgesehen. Der Bemessungswasserstand für den Lastfall eines späteren Grundwasseranstiegs lag 10 cm über Bodenplattenoberkante. Die Herstellung der Bodenplatte war für den Hochsommer vorgesehen.

Entsprechend einem Konzept des Verfassers wurde eine Bo-denplatte entsprechend dem Entwurfsgrundsatz a (Risse vermei-den) der WU-Richtlinie [1] und den Hinweisen in DAfStb-Heft 555 [6] umgesetzt. Ein tiefer liegender Teil im Randbereich des Gebäudes wurde entsprechend Entwurfsgrundsatz c konzipiert. Als Ausführungsvariante der Tiefgarage wurde die Variante 1b des DBV-Merkblatts [9] mit einem ergänzenden Oberflächen-schutz (starres Beschichtungssystem, d= 1,5 mm) gewählt.

Zur Umsetzung des Entwurfsgrundsatzes a wurden folgende Maßnahmen umgesetzt:

Konstruktive Festlegungen

�� Bemessung der Bodenplatte nur für Last (ohne Zwang), da Zwang durch die nachfolgend beschriebenen Maßnahmen ausgeschlossen wurde,

�� Expositionsklasse XD3 (C35/45, W/Z=0,45, c min= 40 mm),�� Geometrie der Bodenplatte vereinfacht, �� Bodenplatte ist gleichmäßig dick und wurde vollständig von

aufgehenden Bauteilen getrennt und durch Dehnfugenpro-file an aufgehenden Bauteilen abgedichtet (Abb. 2),

�� drei Betonierabschnitte, Bodenplatte unterhalb der Rampe vorbetoniert (Abb. 3),

�� Gefällelose Betonoberfläche mit dem Hinweis an den Endin-vestor, dass Pfützen geringer Tiefe entstehen können,

�� Zwangarme Lagerung durch Brechsandschicht auf dem Un-terbau.

Betontechnische Maßnahmen:

�� Betonsorte C35/45 mit CEM II NW und Nachweis nach 56 Tagen,

�� Nachbehandlung mit Folie im Schutze des aufgehenden Bau-werks (Dauer zwei Wochen).

Abb. 2: Konstruktionsprinzip der Bodenplatte: Zwangarme Lagerung, Entwurfsgrundsatz a

Abb. 3: Grundriss der Bodenplatte mit Fugeneinteilung

Ausführungstechnische Maßnahmen

Die Bodenplatte wurde nicht im Hochsommer eingebaut. Durch die Trennung der Bodenplatte von den aufgehenden Bauteilen konnte die Bodenplatte bei günstigen Frischbetontemperaturen im Frühjahr des folgenden Jahres eingebaut werden. Damit wird eine Oberfläche wie bei einem Industrieboden erzielt, der nur eine sehr geringe Rauhtiefe aufweist, so dass ein wirtschaft-liches Oberflächenschutzsystem mit einer Dicke von nur 1,5 mm eingebaut werden kann. Die Bodenplatte weist keinen Riss auf und hat alle Merkmale einer robusten Konstruktion. Der ergän-zende Oberflächenschutz verhindert das Eindringen von Chlori-den und verbessert somit weiter die Robustheit. Der Nutzer wur-de auf die grundsätzlich erforderliche Wartung hingewiesen.

9.2 Beispiel für Ausführungsvariante 1b mit Entwurfsgrundsatz c

Die Bodenplatte einer zweigeschossigen Tiefgarage eines Ein-kaufszentrums in Bayern war ursprünglich als Wasserundurch-lässige Betonkonstruktion entsprechend Entwurfsgrundsatz b der WU-Richtlinie (Rissbreitenbegrenzung, Selbstheilung) und Ausführungsvariante 1a geplant. Die Geometrie der Bodenplat-

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te war zur wirtschaftlichen Optimierung mit Verdickungen un-ter den Stützen und unter den Außenwänden vorgesehen. Die durch Hangwasser verur sachte ständige Druckwasserbeanspru-chung beträgt ca. 10 m Wasserhöhe.

Durch Beratung des Verfassers wurde gemeinsam mit Bau-herrn, Tragwerksplanern und unter Einbeziehung des Prüfingeni-eurs eine auf die Sicherstellung einer robusten, dauerhaften und auf die Nutzung abgestimmten Konstruktion entwickelt. Ergebnis der Umplanung war eine Bodenplatte entsprechend Ausfüh-rungsvariante 1b und Entwurfsgrundsatz c der WU-Richtlinie bzw. des DBV-Merkblatts mit dem Ziel, Risse weitgehend zu ver-meiden. Ergänzend wurde ein starres, verschleißwiderstandsfä-higes flächiges Oberflächenschutzsystem OS 8 sowie OS 10-Riss-bandagen für vereinzelt nicht auszuschließende Risse angeordnet. Folgende konstruktive, betontechnologische und ausführungs-technischen Maßnahmen wurden planmäßig umgesetzt, um das Ziel der Robustheit und weitestgehender Rissevermeidung infolge Zwang zu erreichen.

Konstruktive Maßnahmen

�� Bemessungsrissweite für frühen Zwang 0,4 mm,�� Risse werden vollständig verpresst,�� Expositionsklasse XD3 (C35/45, W/Z=0,45, c min= 40 mm),�� Geometrie der Bodenplatte vereinfacht (mittlerer Bereich

dicker Querschnitt, Randbereiche dünner (entsprechend der Lastabtragung aus dem aufgehenden Bauwerk),

�� drei Betonierabschnitte, Beginn mit mittlerem Abschnitt,�� 1,5 % Gefälle der Betonoberfläche, ausgebildet in der geglät-

teten Bodenplatte (ohne Estrich oder Aufbeton).

Betontechnische und ausführungstechnische Maßnahmen

�� Betonsorte mit CEM IIIa und Flugasche, Nachweis Beton-druckfestigkeit nach 90 Tagen,

�� Die ursprünglich geplante Kühlung des Frischbetons zur voll-ständigen Vermeidung von Rissen wurde wegen der Nutzung als Tiefgarage verworfen, bei hochwertiger Nutzung als Ver-kaufsräume wäre eine Kühlung des Frischbetons zum Einsatz gekommen.

�� Bei der ersten Betonage der Kranfundamente wurde die Ent-wicklung der Temperatur im Bauwerk erfasst und der Zeit-punkt der max. Temperatur ermittelt.

�� Curing des Betons nach dem Einbau und Abziehen der Ober-fläche,

�� Auflegen von PE Folie nach dem Glätten,

�� Zusätzliche wärmedämmende Folie nach Erreichen der Maxi-maltemperatur (ca. zwei Tage) zur verzögerten Abkühlung, Dauer 10 Tage (siehe [11]).

Das Ergebnis der zwangreduzierenden Maßnahmen ist eine ca. 3400 m2 große massige Bodenplatte, die nur zwei Risse mit Riss-weiten < 0,2 mm im Bereich der Kranfundamente aufweist (Abb. 4), obwohl die Bodenplatte bei Frischbetontemperaturen von ca. 25 °C betoniert wurde.

Die Risse an den Kranfundamenten waren wegen der verfor-mungsbehindernden Wirkung der zuvor betonierten Kranfun-damente erwartet. Die Risse wurden vollständig verpresst und mit rissüberbrückenden Bandagen dauerhaft von oben abge-dichtet. Der flächige Oberflächenschutz OS 8 stellt für die erwar-tete hohe Frequentierung der Tiefgarage ein widerstandsfähiges System dar, das die Robustheit des Gesamtsystems noch erhöht, obwohl die Tiefgarage wegen der zwangreduzierenden Bauwei-se bereits alle Merkmale einer robusten Konstruktion aufweist. Die Konstruktion ist weit wirtschaftlicher als eine vergleichbare Konstruktion nach Entwurfsgrundsatz b).

Die Geschoßdecke über dem dritten Untergeschoß wurde nach dem gleichen Entwurfsgrundsatz wie die Bodenplatte ge-plant. Auch hierbei wurden zwangreduzierenden Maßnahmen umgesetzt, so dass auch hier ein starres Oberflächenschutzsys-tem mit wenigen ergänzenden rissüberbrückenden Bandagen umgesetzt werden konnte.

9.3 Negativ-Beispiel für Ausführungsvariante 1a mit Ent-wurfsgrundsatz b – Instandsetzungsbedarf nach drei Jahren

Die Bodenplatte einer Tiefgarage einer ca. 200 m langen Wohn-bebauung (Eigentumswohnanlage) wurde vom Tragwerksplaner des Bauträgers als Wasserundurchlässige Betonkonstruktion ent-sprechend Ausführungsvariante 1a und dem Entwurfsgrundsatz b nach WU-Richtlinie [1] bzw. DBV-Merkblatt [9] entworfen. Der Verfasser sollte die Dauerhaftigkeit der Tiefgarage bewerten. Für den Entwurfsgrundsatz b wurde eine rechnerische Rissweite von 0,2 mm zugrunde gelegt. Berücksichtigt wurde Zwang aus abflie-ßender Hydratation, kein Spätzwang. Die Wasserbeanspruchung besteht aus temporär aufstauendem Hangwasser, das jedoch vor-wiegend die wasserundurchlässigen Außenwände belastet. Die Bodenplatte weist zahlreiche Vertiefungen auf aus den Aufzugs-unterfahrten sowie blockweise unter den Stützenreihen angeord-nete Streifenfundamenten und zusätzliche Höhenversprünge. Die Bodenplatte ist in Längs- und Querrichtung gefällelos, wegen der Hanglage ist in Längsrichtung eine innenliegende kurze Rampe zur Überwindung des Höhensprungs angelegt.

Die Bodenplatte wurde entsprechend der Planung des Ob-jektplaners mit einem starren Oberflächenschutzsystem OS 8 mit planmäßiger Dicke von 1,5 mm beschichtet. Der Oberflä-chenschutz wurde bezüglich der Nutzungsfreundlichkeit zur ein-facheren Reinigung der Tiefgarage geplant. Die Bauausführung der Bodenplatte erfolgte im Hochsommer bei hohen Frischbe-tontemperaturen mit einem Beton der Güte C35/45 und einem Wasser-Zement-Wert von 0,5. Vor dem Einbau der Beschichtung wies die Bodenplatte zahlreiche Risse auf, die vom Beschichter oberflächlich verschlossen wurden. Nach ca. drei Jahren zeigte sich das in Abb. 5 auszugsweise dargestellte Rissbild mit über 1000 m Risslänge, der mittlere Rissabstand beträgt ca. 1,5 m. Die Wohnungseigentümer wurden nicht über eine erforderliche Wartung der Tiefgarage aufgeklärt, die Risse wurden nach ca. drei Jahren als Mängel beim Bauträger angezeigt.

Abb.4: Grundriss der Bodenplatte mit Schnitt, Kranfundament, 1. Betonierab-schnitt

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Bautech

nik

Nach Bauwerksuntersuchungen und Auswertung der Doku-mentation wurde festgestellt: �� Rissbreiten 0,1 -0,4 mm�� Betongüte C35/45�� W/Z-Wert 0,5�� Betondeckung 40 mm weitestgehend eingehalten�� Risse (überwiegend Trennrisse), derzeit keine Wasserführung�� Chloridgehalte bis ca. 1 M-% bezogen auf den Zementge-

halt, keine Korrosion an der Bewehrung.Der Tiefgarage kann keine hohe Robustheit attestiert werden, da die zahlreichen Risse erhebliche Risiken des Schadenseintritts be-inhalten und der Widerstand des Bauwerks nur mit dauerhaft funktionierender Abdichtung der Risse gegeben ist. Als Instand-setzungsmaßnahme wurde ein Oberflächenschutzsystem OS 11 a eingebaut, ein Wartungsintervall wurde einmal jährlich über die gesamte Restlebensdauer festgelegt. Da derzeit keine wasserfüh-renden Risse vorliegen, kann auch keine Selbstheilung der Risse erwartet werden, die der Tragwerksplaner zugrunde gelegt hat. Die hohen Temperaturdifferenzen infolge der starken Luftdurch-flutung der Tiefgarage von ca. 0 ° bis ca. 25 °C lassen ein erneutes Öffnen einzelner Risse erwarten. Bei der Vielzahl der Risse war ein Einsatz von leistungsfähigen Rissbandagen nicht sinnvoll.

10 Literaturreferenzen

[1] DAfStb-Richtlinie »Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton (WU-Richtlinie)« Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin

[2] DBV-Merkblatt »Qualität der Planung«, Deutscher Beton- und Bau-technik-Verein E.V., Berlin, Fassung

[3] Heinrich Bastert, Dennis Kiltz »Bedarfsplanung bei Parkbauten«, in DBV-Heft 27 » Wartung und Instandhaltung von Parkbauten«, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Berlin, Fassung 2013

[4] DBV-Merkblatt »Hochwertige Nutzung von Untergeschossen«, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Berlin, Fassung 2009

[5] DIN 18195 »Bauwerksabdichtungen«, Teile 2,4,6, Beuth-Verlag Berlin

[6] DAfStb-Richtlinie »Instandsetzung von Betonbauwerken« (RILI SIB), )« Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin

[7] DAfStb-Heft 555: Erläuterungen zur WU-Richtlinie; Deutscher Aus-schuss für Stahlbeton, Berlin

[8] DBV-Merkblatt »WU-Dächer«, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Berlin, Fassung

[9] DBV-Merkblatt »Parkhäuser und Tiefgaragen, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V. Berlin

[10] Flohrer, Claus: Planungsqualität mit System – Anwendung der FMEA für hochwertig genutzte Weiße Wannen; DBV-Heft 32 »Qua-litätssicherung beim Planen und Bauen«; Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Berlin, Fassung Juli 2015

[11] Flohrer, Claus: Sind WU-Dächer anerkannte Regel der Technik?, In

DBV-Heft »WU-Dächer Ergänzende bautechnische Grundlagen und Ausführungsbeispiel zum DBV-Merkblatt«, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Berlin, Fassung Juli 2015

[12] DIN EN 1992-1-1:2011-01, Eurocode 2: Bemessung und Konstrukti-on von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken – Teil 1-1: Allge-meine Bemessungsregeln

[13] DIN EN 1992-1-1:2011-01/NA, Nationaler Anhang – National fest-gelegte Parameter – Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontrag-werken – Teil 1-1: Allgemeine Be-messungsregeln und Regeln für den Hochbau.

[14] DIN EN 1992-1-1/NA Berichtigung 1:2012-06, Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 2: Bemessung und Kon-struktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau, Be-richtigung zu DIN EN 1992-1-1/NA:2011-01.

Abb. 5: Ausschnitt des Grundrisses der WEG-Tiefgarage mit den entstandenen Trennrissen nach Ausführungsvariante 1a und Entwurfsgrundsatz b

Der Autor

Prof. Dipl.-Ing. Claus Flohrer

Studium Bauingenieur TU Karlsruhe 1984-2015 Fa. HOCHTIEF Engineering GmbH

Funktionen: Bauleitung, Qualitätssicherung, Technische Beratung, Messtechnik, Baustofftechnik, Baukonstruktion Fachgebiete: Baustofftechnologie, Ausbaugewerke, Weiße Wannen, Parkhäuser/Tiefgaragen, Industrieböden, Schadensanalyse, Gutachten, Instandsetzungsplanung, ZfP Seit 1996 Ingenieurbüro Flohrer, Neu-Isenburg öbuv. Sachverständiger Betontechnologie, Instandsetzung und zerst.freie Prüfverfahren Lehrbeauftragter TAS Kaiserslautern, FH Wiesbaden Obmann »Hauptausschuss Bauausführung« beim DBV Obmann SIVV-Ausbildungsbeirat beim DBV Obmann DIN EN 13670/DIN 1045-3 Obmann DAfStb »WU-Richtlinie« Obmann DBV-Merkblatt »Parkhäuser und Tiefgaragen«

Ingenieurbüro Flohrer Hirtengasse 13 63263 Neu-Isenburg [email protected]