COBURGER TAGEBLATT, SAMSTAG/SONNTAG, 28./29. … filelichte Lady Catherine Herbert. Aus dieser Ehe...

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COBURGER TAGEBLATT, SAMSTAG/SONNTAG, 28./29. OKTOBER 2006 33 Schauplatz Region Schauplatz Region Wurde Sir Henry Morgan in Bamberg geboren? HERKUNFT Eine Spur des gefürchteten Freibeuters führt angeblich in die Domstadt. „Das ist vergleichbar mit Pompeji!“ SCHATZSUCHE Der Oberfranke Rick Haupt entdeckte vor zwei Jahren die „Oxford“, Henry Morgans Flaggschiff. In der Piratenbasis Port Royal spürt er dem Leben des Freibeuters nach. „WIR STELLEN NUR EINE MÖGLICHKEIT VOR.“ RICK HAUPT ÜBER MORGANS GEBURTSORT VON JOCHEN NÜTZEL BAMBERG — Wikipedia, die In- ternet-Enzyklopädie, hatte als erste reagiert – und sich gleich wieder revidiert. Wer bis vorges- tern das Stichwort „Henry Mor- gan“ eingab, bekam zu lesen: „Sir Henry Morgan (*ca. 1635 in Bamberg; †25. August 1688 in Port Royal) war ein englisch- deutscher Freibeuter des 17. Jahrhunderts“. Wie kommt es, dass einer der größten Piraten der Karibik so urplötzlich in Oberfranken verortet wird? Auslöser dafür war eine Do- kumentation in der Reihe „Gali- leo“ auf Pro7. In der von Aiman Abdallah mo- derierten Sendung prä- sentierten der Kölner Forensiker Dr. Mark Be- necke und der gebürtige Oberfranke Rick Haupt (siehe Artikel rechts) eine Ahnentafel, die Henry Morgans Familienver- hältnisse beleuchtet. Aus diesem Stammbaum geht hervor, dass Henry Morgan der Sohn ist von Robert Morgan, der um 1630 als englischer Verbindungsoffizier in Deutschland stationiert gewe- sen sei, und Anna Petronella von Pollnitz, Tochter des Lippstad- ter Bürgermeisters. Vor 1635 sei das Paar nach Bamberg gezogen, wo um 1635 Johann Henry Mor- gan geboren worden sei. Eine Geburtsurkunde, die dies bele- gen könnte, gibt es nicht. Mit dieser These stehen Haupt und Benecke im Wider- spruch zur in der Forschung an- erkannten Genealogie Henry Morgans, wie sie unter anderem E. A. Cruishank 1935 in seinem Buch „The life of Sir Henry Morgan“ veröffentlichte. Dem- nach sieht die Ahnentafel wie folgt aus: Thomas Morgan ehe- lichte Lady Catherine Herbert. Aus dieser Ehe gingen die drei Söhne William, Robert und Ed- ward (* 1610, † 1665) hervor, und eben jener Edward – nicht Robert – soll Anna Petronella ge- ehelicht haben. Laut Quellenlage war Edward Morgan Oberst in der Armee der Royalisten, lebte nach der Hin- richtung Karls I. von England in Lippstadt im Exil, kehrte jedoch nach der Restoration 1651 nach England zurück, wo er schließ- lich Gouverneur von Jamaika wurde. Er machte ebenfalls eine Karriere als Freibeuter (als so genannter privateer), stellte eine Flotte gegen die Holländer auf und starb 1655 auf Trinidad. Henry Morgan wurde nach allen bisherigen Annahmen 1635 als Sohn Edward Morgans auf dem Landsitz Llanrhymney, in Gla- morgansshire/Wales geboren. „Rick Haupt und ich haben nie behauptet, dass nur Bamberg als Geburtsort in Frage kommt. Wir haben es als Möglichkeit in den Raum gestellt“, sagt Mark Be- necke dem TAGEBLATT. Und auch Rick Haupt räumt ein, dass es für diese Theorie genau so viele oder eben wenige Beweise gebe wie für die bislang geäußer- ten Vermutungen. Haupt: „An- ders als über seine Raubzüge wissen wir über Kindheit und Jugend Henry Morgans so gut wie nichts.“ Dass viele Morgans Doppelvornamen führten, frü- here Dokumentabschriften aber nur mit „Morgan“ unterzeich- net waren, erschwert die Suche. „Deswegen stehen wir vor dem Dilemma, dass wir nicht zwei- felsfrei sagen können, ob nun Edward der Vater Henry Mor- gans ist oder doch sein Onkel.“ Rick Haupt konnte bei seinen Nachforschungen in Port Royals Archiv verschiedene Dokumen- te einsehen, die andeuten, dass einer der Morgens (höchstwahr- scheinlich Edward) sich zusam- men mit Prinz Rupert zwischen 1651 und 1652/53 in der Karibik aufgehalten habe, um spanische Galeonen zu jagen und damit die Exilkasse von Charles II. aufzu- bessern. Haupt: „Wenn das wahr wäre, dann war der Mann, der sich zusammen mit Anna Petronella zu jener Zeit in Bam- berg aufhielt, wie einige Quellen behaupten, vielleicht doch sein Bruder Robert.“ Wenn ja, wür- de dies ein neues Licht auf Hen- ry Morgans Geburt werfen. „Es gibt einfach zu viele Widersprü- che, um das alles zu ignorieren. Wir sehen es als sehr positiv an, dass sich nun etliche Historiker noch intensiver mit dieser Sache befassen und wir dadurch der Wahrheit vielleicht doch näher kommen.“ Prinz Rupert von der Pfalz hielt sich angeblich nach seiner eigenen Karriere als Flotten- kommandeur und Buccaneer in der Karibik von 1654 bis 1660 in Deutschland auf, um finanzielle Mittel aus seinen Erbfolge- ansprüchen gegen seinen Bruder Karl-Ludwig und anderen Fi- nanzquellen aufzutun. Dabei ist es durchaus möglich, dass er sich mit Edward Morgan, den er aus dem englischen Civil War kannte und der in dieser Zeit ebenfalls als Verfolgter von Cromwell in Deutschland im Exil weilte, ge- troffen hat und sich mit diesem auch nach Bamberg begeben ha- ben könnte. Möglich, dass auch Edwards Bruder Robert an die- sen Vorgängen beteiligt war. Wie gesagt: möglich! Rick Haupt habe dies, das bestätigt auch Mark Benecke, der „Gali- leo“-Redaktion so mitgeteilt. „Die haben das, wohl der Dra- maturgie wegen, nur sehr ver- kürzt wiedergegeben.“ Henry Morgan – Freibeuter des Königs u u uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu u u uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu VON JOCHEN NÜTZEL COBURG/JAMAIKA — Die Zei- ten sind lange her, in denen Rick Haupt seine Brötchen als Hotelkaufmann verdiente. Mitte der 70er Jahre leitete der in Oberwarmensteinach (Landkreis Bayreuth) Gebore- ne für zwei Jahre als Geschäfts- führer das „Anno Dom“ im Bürglaß. „Ich habe sehr gute Erinnerungen an Coburg“, er- zählt Haupt dem TAGE- BLATT. Aber die Gastronomie war nicht seine wahre Passion. Und so wagte er vor mehr als 25 Jahren den Sprung ins kalte Wasser. Und zwar buchstäb- lich: Er verschrieb sich dem Filmemachen und drehte seit- dem fünfzig Dokumentarfilme für den „Discovery Channel“ über das Element, das ihn seit jeher faszinierte – das Meer. In Übersee und vor allem in der Karibik genießt der heute 56-Jährige Kultstatus, geht ein Raunen durch die Menge, wo immer er auftaucht. Sein Name steht für spektakuläre Expedi- tionen in die Tiefe, für exzel- lente Filmaufnahmen. Und für unglaubliche Funde. 1997 ent- deckte er die Überreste der verschollenen John-Franklin- Schiffe „Erebus“ und „Terror“ in der kanadischen Arktis. 2004 erregte der Franke zuletzt Riesenaufsehen: Haupt und seine Frau Sylvia Krüger hat- ten nahe Haiti, vor der Isle A`Vache, der Kuhinsel, allem Anschein nach die Reste der „Oxford“ identifiziert – jenes Flaggschiff, mit dem der be- rüchtigte Pirat Henry Morgan im 17. Jahrhundert auf Kaper- fahrt gegen die Spanier ging und das am 2. Januar des Jahres 1669 aus unbekannter Ursache explodierte und einige andere Schiffe der Flotte mit in die Tiefe riss. „Henry Morgan nimmt mittlerweile seit fast acht Jah- ren breiten Raum in unserem Leben ein“, sagt Rick Haupt. Kurios: Die Reste der mut- maßlichen „Oxford“ hatte der Taucher bereits 1999 inmitten eines riesigen Trümmerfeldes aufgestöbert; doch die Lage im politisch destabilisierten Haiti und der Untergang des eigenen Expeditionsschiffes verzöger- ten zunächst weitere Unter- nehmungen. „Ich gehe davon aus, dass vor diesem Abschnitt der Kuhinsel über 30 Wracks liegen. Es sieht dort unten aus wie der unaufgeräumte Keller eines Museums.“ Erst vier Jahre später machte Haupt den entscheidenden Fund, der für ihn die letzten Zweifel ausräumt, tatsächlich die „Oxford“ als Teil des riesi- gen Schiffsfriedhof identifi- ziert zu haben: „Zwischen den Korallen in einer Sandmulde fanden wir Kommodengriffe und Schlösser aus Messing – und Glasscherben. Aber nicht von einem Gefäß, sonder flach und glatt, wie von einem Fens- ter. Hier ruhte die Achtersekti- on eines großen Schiffes. Nur die Kapitänskajüte am Heck eines Schiffes der fraglichen Zeitperiode hatte Glasfenster und Möbel mit Messingbe- schlägen.“ „Henry Morgan nimmt seit acht Jahren einen breiten Raum in unserem Leben ein.“ RICK HAUPT/SYLVIA KRÜGER Derzeit wertet der Globetrot- ter in seinem deutschen Domi- zil in Reifferscheidt (Eifel) die jüngsten Aufnahmen und Re- cherchen aus Port Royal aus, Jamaikas ehemaliger Haupt- stadt und Morgans Basis. Mit Ehefrau Sylvia Krüger, der Ex- peditionsfotografin, bastelt er an einer neuen Dokumentation über die Piraten der Karibik, produziert von ihrer Filmfirma „Ocean´s Discovery“ . Bekannt ist: Port Royal wur- de am 7. Juni 1692 von einem Erdbeben und einem dadurch ausgelösten Tsunami nahezu vollständig zerstört. „Morgans Grab dort und sein Metallsarg wurden in die Tiefe gerissen und sind nie wieder aufge- taucht. Zahlreiche Straßenzü- ge rutschten ab in die Hafen- einfahrt und liegen jetzt einige Meter unter der Wasserober- fläche.“ Allerdings sind viele Mauern der Häuser noch gut sichtbar, sagt Haupt. „Meine Frau und ich sind mehrfach durch diese versunkenen Stra- ßen getaucht – was einerseits ein unglaubliches Erlebnis ist, andererseits ein unglaublich gruseliges, wenn man an die vielen Gebeine denkt, die hier ruhen. Und eklig und gesund- heitsgefährdend ist es auch, weil dort die Abwässer der Zweieinhalb-Millionen-Stadt eingeleitet werden und jeder Flossenschlag Unmengen von Exkrementen aufwirbelt.“ Ein Jammer, findet Haupt: „Für mich ist das die vielleicht größ- te bekannte Kulturstätte und absolut vergleichbar mit Pom- peji.“ Das aktuelle Bildmaterial soll aber nicht nur in einer Do- kumentation fürs Fernsehen Verwendung finden, sondern auch für Haupts zweiten Band einer Trilogie über die Pirate- rie in der Karibik. Nachdem er 2004 den ersten Teil mit dem Titel „Das Piratenschiff“ der Entdeckung der „Oxford“ ge- widmet hat, geht es im zweiten um Port Royal. Haupts Wissen um die Stadt als Hochburg der Freibeuter machte sich jüngst auch der Privatsender Pro7 zunutze. In einer „Galileo“-Dokumentati- on im Anschluss an die Aus- strahlung des Films „Fluch der Karibik“ gingen Haupt und der Kölner Forensiker Dr. Markus Benecke der Herkunft Die Suche als Buch u u uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu u u uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu des Freibeuters nach (siehe Ar- tikel links). Doch damit nicht genug: Auf einem ihrer jüngsten Tauchgänge haben Sylvia Krü- ger und Rick Haupt möglicher- weise in der südlichen Karibik noch ein Schiff aus Morgans Flotte entdeckt – genauer ge- sagt das, was Salzwasser und Bohrwürmer davon übrig ge- lassen haben. „Es könnte sich um eines der Schiffe handeln, die beim Angriff auf Panama dabei gewesen waren. Was die- sen Fund und seine Entschlüs- selung angeht, stehen wir noch am Anfang.“ Die Freude über die Entde- ckungen ist getrübt durch die Angst, Schatzsucher könnten die archäologische Stätte plün- dern. Immerhin hat die Regie- rung Haitis, nachdem die Do- kumentation international aus- gestrahlt wurde, eine Unesco-Konvention unter- zeichnet und bekräftigt, von nun an das Kulturerbe in ihren Gewässern schützen zu wollen. Allerdings werden von anderer Seite Stimmen laut, die Teile der georteten Schiffe bergen zu wollen. Ein neuer Wettlauf in der Karibik hat begonnen. Mark Benecke Ab 1665 beteiligte sich Henry Mor- gan an Raubunternehmungen eng- lischer Freibeuter, die von Jamaika aus gegen spanische Schiffe und Niederlassungen operierten. Pech: Als Morgan später nach Jamaika zurück kehrte, wurde er verhaftet und nach England gebracht, weil dessen König inzwischen Frieden mit Spanien geschlossen hatte. 1674 wurde Morgan begnadigt und in den Adelsstand erhoben. Als Gouverneur rüstete er die Küsten- festung von Port Royal mit Kanonen aus, um sie gegen Piraten (!) zu schützen. Morgan starb dort 1688. Kurios: Auf See hat er nur ein nach- weisbares Gefecht gewonnen! Die „Oxford“, Henry Morgans 1669 gesunkenes Flaggschiff, war mit 40 Metern Länge und 34 Ka- nonen das größte und schlagkräf- tigste englische Kriegsschiff in diesem Teil der Karibik. Rick Haupt hat die Statio- nen der Su- che nach der „Ox- ford“ in sei- nem Buch „Das Pira- tenschiff“ zusammengefasst.Der- zeit arbeiten der Taucher und sei- ne Frau Sylvia an einer Fortset- zung der Reihe über die Piraten in der Karibik. Band II der geplanten Trilogie beschäftigt sich mit Mor- gans Basis in Port Royal. Mehr im Netz www.oceansdiscovery.com. Rick Haupt Verklärte Welt: So wie Hollywood mit seinem „Fluch der Karibik“ das Piratenleben darstellt, dürfte es nicht so viel mit der Wirklichkeit gemein haben. Immerhin soll Jack Sparrow ein reales Vorbild gehabt haben: Sir Henry Morgan. Ob das stimmt? Was stimmt ist: Der gebür- tige Oberfranke Rick Haupt, einer der weltweit besten Taucher, entdeckte Reste von Morgans Schiffen. Fotomontage: Jochen Nützel

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COBURGER TAGEBLATT, SAMSTAG/SONNTAG, 28./29. OKTOBER 2006 33

Schauplatz RegionSchauplatz RegionWurde Sir Henry Morganin Bamberg geboren?HERKUNFT Eine Spur des gefürchtetenFreibeuters führt angeblich in die Domstadt.

„Das ist vergleichbar mit Pompeji!“SCHATZSUCHE Der Oberfranke Rick Haupt entdeckte vor zwei Jahren die „Oxford“, HenryMorgans Flaggschiff. In der Piratenbasis Port Royal spürt er dem Leben des Freibeuters nach.

„WIR STELLEN NUR EINEMÖGLICHKEIT VOR.“

RICK HAUPT ÜBER MORGANS GEBURTSORT

VON JOCHEN NÜTZEL

BAMBERG — Wikipedia, die In-ternet-Enzyklopädie, hatte alserste reagiert – und sich gleichwieder revidiert. Wer bis vorges-tern das Stichwort „Henry Mor-gan“ eingab, bekam zu lesen:„Sir Henry Morgan (*ca. 1635 inBamberg; †25. August 1688 inPort Royal) war ein englisch-deutscher Freibeuter des 17.Jahrhunderts“. Wie kommt es,dass einer der größten Piratender Karibik so urplötzlich inOberfranken verortet wird?

Auslöser dafür war eine Do-kumentation in der Reihe „Gali-leo“ auf Pro7. In der von AimanAbdallah mo-deriertenSendung prä-sentiertender KölnerForensikerDr. Mark Be-necke undder gebürtigeOberfrankeRick Haupt(siehe Artikelrechts) eine Ahnentafel, dieHenry Morgans Familienver-hältnisse beleuchtet. Aus diesemStammbaum geht hervor, dassHenry Morgan der Sohn ist vonRobert Morgan, der um 1630 alsenglischer Verbindungsoffizierin Deutschland stationiert gewe-sen sei, und Anna Petronella vonPollnitz, Tochter des Lippstad-ter Bürgermeisters. Vor 1635 seidas Paar nach Bamberg gezogen,wo um 1635 Johann Henry Mor-gan geboren worden sei. EineGeburtsurkunde, die dies bele-gen könnte, gibt es nicht.

Mit dieser These stehenHaupt und Benecke im Wider-spruch zur in der Forschung an-erkannten Genealogie HenryMorgans, wie sie unter anderemE. A. Cruishank 1935 in seinemBuch „The life of Sir HenryMorgan“ veröffentlichte. Dem-nach sieht die Ahnentafel wiefolgt aus: Thomas Morgan ehe-lichte Lady Catherine Herbert.Aus dieser Ehe gingen die dreiSöhne William, Robert und Ed-ward (* 1610, † 1665) hervor,und eben jener Edward – nichtRobert – soll Anna Petronella ge-ehelicht haben.

Laut Quellenlage war EdwardMorgan Oberst in der Armee derRoyalisten, lebte nach der Hin-richtung Karls I. von England inLippstadt im Exil, kehrte jedochnach der Restoration 1651 nachEngland zurück, wo er schließ-lich Gouverneur von Jamaikawurde. Er machte ebenfalls eineKarriere als Freibeuter (als sogenannter privateer), stellte eineFlotte gegen die Holländer aufund starb 1655 auf Trinidad.Henry Morgan wurde nach allenbisherigen Annahmen 1635 alsSohn Edward Morgans auf demLandsitz Llanrhymney, in Gla-

morgansshire/Wales geboren.„Rick Haupt und ich haben niebehauptet, dass nur Bamberg alsGeburtsort in Frage kommt. Wirhaben es als Möglichkeit in denRaum gestellt“, sagt Mark Be-necke dem TAGEBLATT. Undauch Rick Haupt räumt ein, dasses für diese Theorie genau soviele oder eben wenige Beweisegebe wie für die bislang geäußer-ten Vermutungen. Haupt: „An-ders als über seine Raubzügewissen wir über Kindheit undJugend Henry Morgans so gutwie nichts.“ Dass viele MorgansDoppelvornamen führten, frü-here Dokumentabschriften abernur mit „Morgan“ unterzeich-net waren, erschwert die Suche.„Deswegen stehen wir vor demDilemma, dass wir nicht zwei-felsfrei sagen können, ob nunEdward der Vater Henry Mor-gans ist oder doch sein Onkel.“

Rick Haupt konnte bei seinenNachforschungen in Port RoyalsArchiv verschiedene Dokumen-te einsehen, die andeuten, dasseiner der Morgens (höchstwahr-scheinlich Edward) sich zusam-men mit Prinz Rupert zwischen1651 und 1652/53 in der Karibikaufgehalten habe, um spanischeGaleonen zu jagen und damit dieExilkasse von Charles II. aufzu-bessern. Haupt: „Wenn daswahr wäre, dann war der Mann,der sich zusammen mit AnnaPetronella zu jener Zeit in Bam-berg aufhielt, wie einige Quellenbehaupten, vielleicht doch seinBruder Robert.“ Wenn ja, wür-de dies ein neues Licht auf Hen-ry Morgans Geburt werfen. „Esgibt einfach zu viele Widersprü-che, um das alles zu ignorieren.Wir sehen es als sehr positiv an,dass sich nun etliche Historikernoch intensiver mit dieser Sachebefassen und wir dadurch derWahrheit vielleicht doch näherkommen.“

Prinz Rupert von der Pfalzhielt sich angeblich nach seinereigenen Karriere als Flotten-kommandeur und Buccaneer inder Karibik von 1654 bis 1660 inDeutschland auf, um finanzielleMittel aus seinen Erbfolge-ansprüchen gegen seinen BruderKarl-Ludwig und anderen Fi-nanzquellen aufzutun. Dabei istes durchaus möglich, dass er sichmit Edward Morgan, den er ausdem englischen Civil War kannteund der in dieser Zeit ebenfallsals Verfolgter von Cromwell inDeutschland im Exil weilte, ge-troffen hat und sich mit diesemauch nach Bamberg begeben ha-ben könnte. Möglich, dass auchEdwards Bruder Robert an die-sen Vorgängen beteiligt war.

Wie gesagt: möglich! RickHaupt habe dies, das bestätigtauch Mark Benecke, der „Gali-leo“-Redaktion so mitgeteilt.„Die haben das, wohl der Dra-maturgie wegen, nur sehr ver-kürzt wiedergegeben.“

Henry Morgan – Freibeuter des Königsu uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu

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VON JOCHEN NÜTZEL

COBURG/JAMAIKA — Die Zei-ten sind lange her, in denenRick Haupt seine Brötchen alsHotelkaufmann verdiente.Mitte der 70er Jahre leitete derin Oberwarmensteinach(Landkreis Bayreuth) Gebore-ne für zwei Jahre als Geschäfts-führer das „Anno Dom“ imBürglaß. „Ich habe sehr guteErinnerungen an Coburg“, er-zählt Haupt dem TAGE-BLATT. Aber die Gastronomiewar nicht seine wahre Passion.Und so wagte er vor mehr als25 Jahren den Sprung ins kalteWasser. Und zwar buchstäb-lich: Er verschrieb sich demFilmemachen und drehte seit-dem fünfzig Dokumentarfilmefür den „Discovery Channel“über das Element, das ihn seitjeher faszinierte – das Meer.

In Übersee und vor allem inder Karibik genießt der heute56-Jährige Kultstatus, geht einRaunen durch die Menge, woimmer er auftaucht. Sein Namesteht für spektakuläre Expedi-tionen in die Tiefe, für exzel-lente Filmaufnahmen. Und fürunglaubliche Funde. 1997 ent-deckte er die Überreste derverschollenen John-Franklin-Schiffe „Erebus“ und „Terror“in der kanadischen Arktis.2004 erregte der Franke zuletztRiesenaufsehen: Haupt undseine Frau Sylvia Krüger hat-ten nahe Haiti, vor der IsleA`Vache, der Kuhinsel, allemAnschein nach die Reste der„Oxford“ identifiziert – jenesFlaggschiff, mit dem der be-rüchtigte Pirat Henry Morganim 17. Jahrhundert auf Kaper-fahrt gegen die Spanier gingund das am 2. Januar des Jahres1669 aus unbekannter Ursacheexplodierte und einige andereSchiffe der Flotte mit in dieTiefe riss.

„Henry Morgan nimmtmittlerweile seit fast acht Jah-ren breiten Raum in unseremLeben ein“, sagt Rick Haupt.Kurios: Die Reste der mut-maßlichen „Oxford“ hatte derTaucher bereits 1999 inmitteneines riesigen Trümmerfeldes

aufgestöbert; doch die Lage impolitisch destabilisierten Haitiund der Untergang des eigenenExpeditionsschiffes verzöger-ten zunächst weitere Unter-nehmungen. „Ich gehe davonaus, dass vor diesem Abschnittder Kuhinsel über 30 Wracksliegen. Es sieht dort unten auswie der unaufgeräumte Kellereines Museums.“

Erst vier Jahre später machteHaupt den entscheidendenFund, der für ihn die letztenZweifel ausräumt, tatsächlichdie „Oxford“ als Teil des riesi-gen Schiffsfriedhof identifi-ziert zu haben: „Zwischen denKorallen in einer Sandmuldefanden wir Kommodengriffeund Schlösser aus Messing –und Glasscherben. Aber nichtvon einem Gefäß, sonder flachund glatt, wie von einem Fens-ter. Hier ruhte die Achtersekti-on eines großen Schiffes. Nurdie Kapitänskajüte am Heckeines Schiffes der fraglichenZeitperiode hatte Glasfensterund Möbel mit Messingbe-schlägen.“

„Henry Morgan nimmt seitacht Jahren einen breitenRaum in unserem Leben ein.“RICK HAUPT/SYLVIA KRÜGER

Derzeit wertet der Globetrot-ter in seinem deutschen Domi-zil in Reifferscheidt (Eifel) diejüngsten Aufnahmen und Re-cherchen aus Port Royal aus,Jamaikas ehemaliger Haupt-stadt und Morgans Basis. MitEhefrau Sylvia Krüger, der Ex-peditionsfotografin, bastelt eran einer neuen Dokumentationüber die Piraten der Karibik,produziert von ihrer Filmfirma„Ocean´s Discovery“ .

Bekannt ist: Port Royal wur-de am 7. Juni 1692 von einemErdbeben und einem dadurchausgelösten Tsunami nahezuvollständig zerstört. „MorgansGrab dort und sein Metallsargwurden in die Tiefe gerissenund sind nie wieder aufge-taucht. Zahlreiche Straßenzü-ge rutschten ab in die Hafen-einfahrt und liegen jetzt einige

Meter unter der Wasserober-fläche.“ Allerdings sind vieleMauern der Häuser noch gutsichtbar, sagt Haupt. „MeineFrau und ich sind mehrfachdurch diese versunkenen Stra-ßen getaucht – was einerseitsein unglaubliches Erlebnis ist,andererseits ein unglaublichgruseliges, wenn man an dievielen Gebeine denkt, die hierruhen. Und eklig und gesund-heitsgefährdend ist es auch,weil dort die Abwässer derZweieinhalb-Millionen-Stadteingeleitet werden und jederFlossenschlag Unmengen vonExkrementen aufwirbelt.“ EinJammer, findet Haupt: „Fürmich ist das die vielleicht größ-te bekannte Kulturstätte undabsolut vergleichbar mit Pom-peji.“

Das aktuelle Bildmaterialsoll aber nicht nur in einer Do-kumentation fürs FernsehenVerwendung finden, sondernauch für Haupts zweiten Bandeiner Trilogie über die Pirate-rie in der Karibik. Nachdem er2004 den ersten Teil mit demTitel „Das Piratenschiff“ derEntdeckung der „Oxford“ ge-widmet hat, geht es im zweitenum Port Royal.

Haupts Wissen um die Stadtals Hochburg der Freibeutermachte sich jüngst auch derPrivatsender Pro7 zunutze. Ineiner „Galileo“-Dokumentati-on im Anschluss an die Aus-strahlung des Films „Fluch derKaribik“ gingen Haupt undder Kölner Forensiker Dr.Markus Benecke der Herkunft

Die Suche als Buchu uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu

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des Freibeuters nach (siehe Ar-tikel links).

Doch damit nicht genug:Auf einem ihrer jüngstenTauchgänge haben Sylvia Krü-ger und Rick Haupt möglicher-weise in der südlichen Karibiknoch ein Schiff aus MorgansFlotte entdeckt – genauer ge-sagt das, was Salzwasser undBohrwürmer davon übrig ge-lassen haben. „Es könnte sichum eines der Schiffe handeln,die beim Angriff auf Panamadabei gewesen waren. Was die-sen Fund und seine Entschlüs-selung angeht, stehen wir nocham Anfang.“

Die Freude über die Entde-ckungen ist getrübt durch dieAngst, Schatzsucher könntendie archäologische Stätte plün-dern. Immerhin hat die Regie-rung Haitis, nachdem die Do-kumentation international aus-gestrahlt wurde, eineUnesco-Konvention unter-zeichnet und bekräftigt, vonnun an das Kulturerbe in ihrenGewässern schützen zu wollen.Allerdings werden von andererSeite Stimmen laut, die Teileder georteten Schiffe bergen zuwollen. Ein neuer Wettlauf inder Karibik hat begonnen.

Mark Benecke

Ab 1665 beteiligte sich Henry Mor-gan an Raubunternehmungen eng-lischer Freibeuter, die von Jamaikaaus gegen spanische Schiffe undNiederlassungen operierten. Pech:Als Morgan später nach Jamaikazurück kehrte, wurde er verhaftetund nach England gebracht, weildessen König inzwischen Frieden

mit Spanien geschlossen hatte.1674 wurde Morgan begnadigt undin den Adelsstand erhoben. AlsGouverneur rüstete er die Küsten-festung von Port Royal mit Kanonenaus, um sie gegen Piraten (!) zuschützen. Morgan starb dort 1688.Kurios: Auf See hat er nur ein nach-weisbares Gefecht gewonnen!

Die „Oxford“, Henry Morgans1669 gesunkenes Flaggschiff, warmit 40 Metern Länge und 34 Ka-nonen das größte und schlagkräf-tigste englische Kriegsschiff indiesem Teil der Karibik. Rick

Haupt hatdie Statio-nen der Su-che nachder „Ox-ford“ in sei-nem Buch„Das Pira-

tenschiff“ zusammengefasst.Der-zeit arbeiten der Taucher und sei-ne Frau Sylvia an einer Fortset-zung der Reihe über die Piraten inder Karibik. Band II der geplantenTrilogie beschäftigt sich mit Mor-gans Basis in Port Royal.Mehr im Netzwww.oceansdiscovery.com.

Rick Haupt

Verklärte Welt: So wie Hollywood mit seinem „Fluch der Karibik“ das Piratenleben darstellt, dürfte es nicht so viel mit der Wirklichkeitgemein haben. Immerhin soll Jack Sparrow ein reales Vorbild gehabt haben: Sir Henry Morgan. Ob das stimmt? Was stimmt ist: Der gebür-tige Oberfranke Rick Haupt, einer der weltweit besten Taucher, entdeckte Reste von Morgans Schiffen. Fotomontage: Jochen Nützel