Corona- AbstrichzentrenTagen hieß es noch: testen, testen, testen. Die zehn Abstrichzentren für...

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Corona- Abstrichzentren: Politik ändert Teststrategie A U F B A U A B B A U KBV-Patientenbefragung Ärztemangel als Herausforderung Klinik und Praxis Wie gefährlich sind eingewanderte Zecken und Mücken? Weiterbildung Die neue WBO erlaubt Simulations- trainings wie am Helios Klinikum Mitteilungsblatt der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen 93. Jahrgang | September 2020

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  • Corona- Abstrichzentren:

    Politik ändert Teststrategie

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    KBV-PatientenbefragungÄrztemangel als Herausforderung

    Klinik und PraxisWie gefährlich sind eingewanderte Zecken und Mücken?

    WeiterbildungDie neue WBO erlaubt Simulations-trainings wie am Helios Klinikum

    Mitteilungsblatt der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen93. Jahrgang | September 2020

  • Zielgruppengenau und treffsicher.

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  • 39 | 2020

    Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die vom Bundesgesundheitsministerium kurzfristig verkündete Einführung einer geltenden Testpflicht für alle Reiserückkehrer aus Risikogebieten und die freiwillige Testung aller Reiserückkehrer aus dem Ausland hat alle niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen sowie die KVN vor großen Herausforde-rungen gestellt. Jede der bisherigen Rechtsverordnungen hat die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen – aber auch die KVN - vor vollendete Tatsachen gestellt. Die fehlende Einbindung der ambulanten Versorgung in die politischen Entscheidungen hat für Verwirrung bei den Reiserückkehrern und jede Menge Frust in den Praxen gesorgt. Das Vorgehen des Verordnungsgebers, der Rechtsverordnungen wie am Fließband beschließt und das ohne eine echte Rückkopplung mit denjenigen, die am Ende die Verordnungen zeitnah umsetzen sollen, ist kontraproduktiv. Die KVN hat und wird auch weiterhin alle Beteiligten bei der Bekämpfung der Pandemie unterstützen. Wir weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei den Testungen von symptomlosen Bürgerinnen und Bürgern nicht um eine Aufgabe der vertragsärztlichen Sicherstellung handelt. Die Vermischung der beiden Strukturen sorgt immer wieder für Unsicherheit in der Bevölkerung und bei den Ärztinnen und Ärzten. Viele Fragen aus der Bevölkerung zu den Testszenarien gehen immer häufiger in den Praxen, bei der KVN und auch bei der Telefonnummer des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes unter 116117 ein und über-lasten dadurch die Praxen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KVN und die Hotline des Bereit-schaftsdienstes. Zudem haben die Praxisteams mit einem Übermaß an Bürokratie zu kämpfen. Die Vielzahl der Formulare und Verwaltungswege erzeugt ungeheuere bürokratische Aufwände. Dazu kommt, dass die Halbwertzeit von politischen Entscheidungen sinkt. Das zeigt sich im Umgang der Politik mit Reisen und Corona-Tests. Bei einer Videokonferenz der Ministerpräsidenten mit der Bundes-kanzlerin verständigten sie sich jüngst auf neue Regeln: weniger Tests, mehr Quarantäne. Vor ein paar Tagen hieß es noch: testen, testen, testen. Die zehn Abstrichzentren für Reiserückkehrer, die die KVN ad hoc eingerichtet hat, können nun wieder abgebaut werden. Rein in die Kartoffeln und wieder raus aus den Kartoffeln – dies ist keine echte Teststrategie. Mit freundlichem Gruß Mark Barjenbruch Vorstandsvorsitzender der KVN

    Rein in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln

    Editorial

    Dr. Jörg Berling Stellv. Vorstandsvorsitzender der KVN

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    ÄKNWeiterbildung 8 Sichere Beatmung und Reanimationstraining Die neue

    niedersächsische Weiterbildungsordnung erkennt nun Simulationstrainings an: An der Simulations- und Not-fallakademie (SiNA) am Helios Klinikum Hildesheim wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwa zu Be-ginn der Corona-Krise in sicherem Atemwegsmanage-ment geschult.

    Klinik und Praxis 12 Wie gefährlich sind eingewanderte Insekten? Dr. rer.

    nat. Masyar Monazahian vom Niedersächsischen Lan-desgesundheitsamt (NLGA) macht eine Bestandsauf-nahme und berichtet im Interview, was passiert, wenn eine invasive Mücke auf einen an Chikungunya Er-krankten trifft.

    COVID-19 16 Die Rolle der Kinder Das Ansteckungs- und Verbrei-

    tungspotenzial von Kindern und Jugendlichen in Hin-blick auf den SARS-CoV-2-Virus ist noch immer um-stritten: Die Öffnung von Schulen, Kitas und Krippen stellen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pande-mie auf die Probe.

    Gremien der Ärztekammer 20 Positionspapiere zu Telemedizin und Arztbrief Der

    Ausschuss für sektorenübergreifende Versorgung stellt die Balance zwischen Arztnutzen und Patientenwohl in das Zentrum seiner Arbeit.

    21 Schulfach Gesundheit Im ÄKN-Arbeitskreis „Präven-tion und Umwelt“ waren in der 18. Wahlperiode unter anderem die Legalisierung von Cannabis und die Ausbildung von Gesundheitskompetenzen unter Schülerinnen und Schülern ein Thema.

    8Simulationstrainings, wie sie die WBO anerkennt, bietet die Simulations- und Notfallakademie des Helios Klinikums an.

    22 Arbeitskreis Patientensicherheit: Die Schwerpunkte liegen auf Verbesserungen der sektorenübergreifenden Sicherheits- und Fehlerkultur und der Optimierung der Versorgungsqualität.

    MFA 23 Drei MFA-Absolventen aus Niedersachsen Emily Ja-

    cobs, Kerstin Knoke-Jammers und Reza Mohammadi berichten über ihren Beruf, ihre Ausbildung und ihre Prüfung zu Corona-Bedingungen.

    25 Trotz Pandemie ein Abschluss für 1.341 Absolventin-nen und Absolventen: Die Bezirksstellen der Ärzte-kammer Niedersachsen sagten die MFA-Freisprechun-gen ab und ehrten oft nur die besten Ergebnisse des Jahrgangs.

    Recht 27 Ein Kind ist kein Schaden Existiert trotzdem ein An-

    spruch auf Schadenersatz? Von Fall zu Fall: Aus der Praxis der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern

    Patientensicherheit 29 Fallanalyse in sieben Schritten Das Ziel einer neuen

    Handlungsempfehlung des Aktionsbündnisses Patien-tensicherheit (APS) ist es, die Frequenz von Fallanaly-sen zu erhöhen und die Ergebnisse zu verbessern.

    Qualitätsentwicklung 31 Die Entscheidung zum Kaiserschnitt Niedersächsische

    Gesamtauswertung der Qualitätssicherung in der sta-tionären Versorgung.

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    12 25Puppen als Patienten: Trotzdem absolvierten 1.341 Medizinische Fachangestellte ihre Prü-fungen mit teils äußerst guten Ergebnissen.

    Breitet sich das West-Nil-Virus aus? Interview mit Dr. rer. nat. Masyar Monazahian vom Niedersächsischen Landesgesundheitsamt

  • 59 | 2020

    KVNCorona-Pandemie 39 Wieder in der Pflicht KVN organisiert Corona-Mas-

    sentests für Urlaubsrückkehrer. Die Kosten dafür be-kommt sie erst nach geharnischtem Protest erstattet

    54 Paradigmenwechsel Corona-Tests: von „testen, testen, testen“ zu „erst Quarantäne, dann Test“

    Arzneimittel & Therapie 42 Antirheumatika als Risiko ATIS informiert: Nichtste-

    roidale Antirheumatika bergen meist kardiovaskuläre Risiken

    Selbstverwaltung 44 Mitmenschlichkeit hinter Gittern Medizin im Straf-

    vollzug soll den Standards „draußen“ entsprechen – doch die Voraussetzungen sind völlig anders

    46 Nicht ohne meinen Arzt Versichertenbefragung 2020: Viele sehen im Ärztemangel das größte Zukunftspro-blem. Kein Wunder – der Arztbesuch ist offenbar Teil des Alltags geworden

    Praxis und Versorgung 50 Neuerscheinungen 52 Bei Trennung Liquiditätsengpässe? Steuertipp: Modi-

    fizierte Zugewinngemeinschaft kann im Trennungsfall die gemeinsame Praxis schützen

    53 Desinfektionsmittel und Einmalhandschuhe Bestell-möglichkeit über das KVN-Portal eingestellt

    53 Neue Heilmittelrichtlinie Start verschoben 53 Weltalzheimertag Infomaterial verfügbar

    39Die ärztliche Tätigkeit in einer Justizvoll-zugsanstalt ist herausfordernd, aber auch befriedigend und eröffnet eine Perspektive in die Gefährdungen menschlichen Daseins.

    Nach Entscheidung der Bundesregierung: KVN hat an zehn Standorten in Niedersach-sen Corona-Testzentren eingerichtet oder wiedereröffnet.

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    Telemedizin & Digitales 55 Digitalisierung online WebSeminare der KVN über

    aktuelle Trends und Entwicklungen im Bereich eHealth 56 Von Doc zu Doc eArztbrief wird zusätzlich gefördert.

    Doch dafür muss die Technik stimmen 58 Barrierefreie Praxis Arztauskunft Niedersachsen bietet

    neue Suchmöglichkeiten

    Politik & Verbände 59 Aus anderen KVen

    Die Versichertenbefragung der KBV zeigt auch für 2020: Die Zufriedenheit der Bevöl-kerung mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten ist nach wie vor immens.

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    Standards 3 Editorial 6 Aktuell 33 ÄKN-Mitteilungen 60 KVN-Mitteilungen 66 Veranstaltungen 70 Rubrikenanzeigen 75 Impressum

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    Aktuell

    Eine mobile Teststation, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Leibniz Universität Hannover (LUH) und auch anderer Einrichtungen regelmäßig testen zu können, hat ein interdis-ziplinäres Team aus Forscherinnen und Forschern des Nieder-sächsischen Zentrums für Biomedizintechnik, Implantat-For-schung und -Entwicklung (NIFE) sowie der Medizinischen Hochschule Hannover und der LUH entwickelt. Das Modell-projekt Mobile Corona-Analytik (MCA) wird zeitgleich an den Standorten Hannover und Göttingen erprobt. Die LUH-Station besuchte jetzt Niedersachsens Gesundheitsministerin Dr. rer. nat. Carola Reimann und lobte die Initiative: „Mobile Teststa-tionen mit derart anspruchsvollen System-Lösungen können einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen das Corona-Virus leisten“, so Reimann. „Entscheidend ist dabei, dass die quali-tativ gesicherten Testergebnisse im hier vorgestellten Verfahren deutlich schneller vorliegen, als dies im normalen Ablauf möglich wäre, und die Meldekette komplett bedient wird.“ Das Ziel des MCA-Modellprojekts ist es, für unterschiedliche Standorte und Umgebungen – auch Wirtschaftsunternehmen kommen infrage – Strategien und Systeme zu etablieren, die einen realen Beitrag für den Umgang mit pandemischen Krisensituationen leisten. Dazu dienen eine umfassende Beratung in puncto Epidemieplan und Prävention, die Fest-legung geeigneter Testregimes sowie die hoch qualitative und schnelle Testung inklusive zugehöriger Meldekette unter der Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen.

    Durch das effiziente Testsystem ist es laut Entwicklerteam möglich, eine hohe Anzahl von Personen in einem beschleu-nigten Verfahren zu screenen. Um die nötige Sicherheit zu gewährleisten, befindet sich das Test-Team in einem Contai-ner und ist durch Sicherheitskleidung geschützt. Die Probe wird nach Standard des Robert Koch-Instituts entnommen und mittels PCR-Analytik nach dem Protokoll der Charité Berlin ausgewertet. Das Ergebnis liegt nach wenigen Stunden vor. Positive Ergebnisse werden diagnostisch über zertifizierte Labore bestätigt und sowohl dem Getesteten als auch dem lokalen Gesundheitsamt und dem Hausarzt gemeldet.

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    Polizei sucht Ärztinnen und Ärzte für Bereitschaftsdienst

    Die Polizeiinspektion Delmenhorst / Oldenburg-Land / We-sermarsch sucht Ärztinnen und Ärzte, die als sogenannte Be-reitschaftsärzte telefonisch angefordert werden können. Eine ärztliche Unterstützung benötigt die Polizei etwa, um Blut-entnahmen beziehungsweise körperliche Untersuchungen gemäß § 81a StPO vorzunehmen – meist in Verbindung mit Verkehrsdelikten wie Einfluss von Alkohol und anderen Be-täubungsmitteln. Außerdem ist bei Ingewahrsamnahmen unter Umständen die Behandlungsbedürftigkeit zu überprü-fen. Auch im Falle einer behördlichen Unterbringung, der sogenannten Zwangseinweisung, gemäß § 18 in Verbindung mit §16,17 PsychKG und außerdem zur Ausstellung von To-desbescheinigungen gemäß § 3 BestattG benötigt die Polizei die Unterstützung einer Ärztin oder eines Arztes. Derzeit gibt es nur einen Arzt, mit dem die Polizeiinspektion Delmenhorst / Oldenburg-Land / Wesermarsch zusammen-arbeitet. Um ihn zu entlasten, würde die Behörde gern ein

    größeres Register mit Bereitschaftsärztinnen und -ärzten aufbauen. Darin könnten zudem persönliche Wünsche ver-merkt werden, wie zum Beispiel keine Alarmierung zu Nachtzeiten, an Wochenenden oder an bestimmten Tagen. Sollte im Ausnahmefall kein Arzt zur Verfügung sein, würde sich die Polizei an das örtliche Krankenhaus in Delmenhorst wenden. Doch eine generelle Lösung stellt diese Möglichkeit für die Behörde nicht dar: „Das wäre weder für die Betrof-fenen noch für die Patienten des Krankenhauses wün-schenswert“, sagt Michael Rautenberg, Erster Polizeihaupt-kommissar und Leiter des Einsatz- und Streifendienstes. Ärztinnen und Ärzte, die Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Polizeiinspektion Delmenhorst / Oldenburg-Land / Wesermarsch haben, können sich bei Rautenberg unter der Telefonnummer 04221 1559 122 oder der E-Mail-Adresse [email protected] melden.

    r wbg

    Gezielte Tests, um den Betrieb an Kliniken, Unis und in Unternehmen aufrecht zu erhalten

    Teststation des Modellprojekts Mobile Corona-Analytik (MCA) an der Leibniz Universität Hannover (LUH)

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  • 79 | 2020

    Aktuell

    Labordiagnostik auf Dauer als festen Bestandteil des rheumatologischen Leis-tungsspektrums zu erhalten und auszu-bauen. Im ersten Schritt sucht der BDRh interessierte Rheumatologen mit eige-nem Labor und entsprechender Abrech-nungsgenehmigung, die bereit wären, ihre Erfahrungen zu teilen und Kollegin-nen und Kollegen einen Einblick in die Labordiagnostik zu geben. Rheumatolo -gen, die an dem Programm teilnehmen möchten, können sich auf der Homepa-ge des BDRh unter www.bdrh.de an-melden. Dort wird im nächsten Schritt auch eine Übersicht der teilnehmenden Praxen veröffentlicht. r ös

    Regionales Versorgungs-zentrum in Nordenham ge-fördert In Nordenham entsteht eines von drei Regionalen Versorgungszentren (RVZ) in Niedersachsen. Am 20. August hat Birgit Honé, Ministerin für Bun-des- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, dem stell-vertretenden Landrat des Landkreises Wesermarsch, Dieter Kohlmann, ei-nen ersten Förderbescheid in Höhe von rund 18.000 Euro überreicht. Damit ist die Stadt Nordenham die zweite von drei Kommunen, die im Rahmen des landesweiten Modell-projektes „Regionale Versorgungs-zentren“ einen Förderbescheid er-hält. Den Auftakt machte Mitte Juli der Landkreis Cuxhaven. Ziel der RVZ ist es, die ländlichen Räume Niedersachsens attraktiver und le-benswerter zu gestalten und auf-grund der demografischen Heraus-forderungen Versorgungsangebote unter einem Dach anzubieten. Die Versorgungszentren sollen ein kom-biniertes Angebot aus hausärztlicher Versorgung, Tagespflege und Bera-tungsangeboten bilden. Ärztinnen und Ärzten sollen dabei Anstellungs-möglichkeiten mit attraktiven flexi-blen Arbeitszeiten eröffnet werden, um so die Hausarztversorgung zu stärken. Darüber hinaus sollen die zentralen Anlaufstellen mit weiteren Angeboten ausgestattet werden, etwa Hebammendienste, Präventionskur-se, Ergo-/Physiotherapie, haushalts-nahe Dienstleistungen oder ein Café als Treffpunkt.

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    Der Berufsverband Deutscher Rheuma-tologen (BDRh) will auch in Zukunft die Durchführung von Leistungen des rheu-matologischen Speziallabors in den Rheumapraxen sicherstellen. Er erkennt teilweise Unsicherheit bei neu nieder-gelassenen Kolleginnen und Kollegen, diesen Leistungsbereich aufzubauen. Um diesen Bedenken zu begegnen und die Weiterbildungsmöglichkeit im Be-reich der spezialfachärztlichen Labor-diagnostik für die Rheumatologie zu er-weitern, wird der BDRh eine Plattform anbieten, auf der sich interessierte Fach-kollegen in Weiterbildung zum Rheu-matologen oder bereits praktizierende Rheumatologen an für die Ausbildung geeignete Praxen mit eigenem Labor wenden können. Ziel soll es sein, einen Zugang zur praktischen Weiterbildung und zum Qualitätsmanagement im Be-reich der Labordiagnostik z.B. im Rah-men einer Hospitation anzubieten. Da-mit sollen fachliche Qualifikationen ge-fördert werden, die es ermöglichen, die

    Rheumatologen wollen Weiterbildung in Labordiagnostik fördern

    Die Vorsitzenden der Vertreterver-sammlung der Kassenärztlichen Verei-nigung Niedersachsen (KVN), der Frau-enarzt Dr. Christoph Titz und der Haus-arzt Dr. Eckart Lummert, haben die Aussagen des Bundesdatenschutzbe-auftragten Ulrich Kelber zum geplanten Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) ausdrücklich begrüßt. Der Bundesda-tenschutzbeauftragte hatte öffentlich Verstöße gegen die Europäische Da-tenschutzgrundverordnung sowie ge-gen die Selbstbestimmung der Patienten über ihre Daten moniert. Auf die Datenschutzproblematik hatte die Vertreterversammlung der KVN be-reits in der Vergangenheit aufmerksam gemacht. „Durch das PDSG wird den Krankenkassen und der Pharmaindus-trie ein umfassender Zugriff auf Patien-

    tendaten gewährt – ohne dass diese die Möglichkeit haben, der Auswertung ih-rer Daten zu widersprechen. Dadurch wird in das geschützte Arzt-Patienten-Verhältnis eingegriffen“, so Dr. Titz. Dr. Lummert ergänzt: „Wird das Gesetz so umgesetzt, dann sind die Patienten-daten in Gefahr. Eine Einwilligung des Patienten zur Freischaltung seiner Da-ten spielt im Gesetzentwurf keine Rolle mehr. Unter dem Vorwand, den Weg für den digitalen Fortschritt zu ebnen, macht der Gesundheitsminister mit sei-ner Gesetzgebung sämtliche Errungen-schaften des Datenschutzes und der in-formationellen Selbstbestimmung per Handstreich zunichte. Wir hoffen, dass die Kritik des Bundesdatenschutzbe-auftragten nicht ungehört verhallen wird.“ r dh

    Vorsitzende der KVN-Vertreterversammlung unterstüt-zen Kritik des Bundesdatenschutzbeauftragten

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    Meldung über die Videosprechstunde in der Bezirksstelle Braunschweig - Korrektur

    Durch ein redaktionelles Versehen ist es im Beitrag zum Besuch der Niedersächsi-schen Sozial- und Gesundheitsministerin Dr. Carola Reimann in der KVN-Bezirksstelle Braunschweig zur Videosprechstunde in nä 8/2020, S. 7 zu einem Fehler gekommen. Die Projektkosten belaufen sich auf 5.000 Euro. Wir bitten um Entschuldigung. r dh

  • Je mehr der Aspekt der Patientensicherheit in der Vergan-genheit im Gesundheitswesen an Bedeutung gewann, desto größer wurde das Interesse an neuen Lehr- und Trainings-methoden wie den medizinischen Simulationen. Inzwischen blickt die Technologie auf eine jahrzehntelange Gene-se und Optimierung zurück. Als einer der ersten Simula-toren ging 1960 Resusci-An-ne, eine in Norwegen ent-wickelte Puppe zum Üben der kardiopulmonalen Wiederbelebung, in Serienprodukti-on. Die rasante Weiterentwicklung von Computertechnolo-gie und Softwareanwendungen um die Jahrtausendwende aber schuf erst die technischen Voraussetzungen für die heutigen High-Fidelity-Simulatoren. „Hier scheint es ein Problem mit einer zu geringen Sauer-stoffsättigung zu geben“, sagt Dr. med. Martina Wenker, nachdem sie beim Betreten des OP-Raums in der SiNA –Si-mulations- und Notfallakademie am Helios Klinikum Hil-desheim einen Blick auf den Monitor und in das Gesicht des Simulators geworfen hat. Dr. med. Stephan Düsterwald, Lei-tender Arzt des am 17. September 2015 eröffneten Simula-tionszentrums Hildesheim, stimmt der Präsidentin der Ärz-tekammer Niedersachsen zu und zeigt, wo sich die benötig-ten Hilfsmittel für eine endotracheale Intubation befinden: Alle Simulationsräume des jüngst in SiNA  – Simulations-

    und Notfallakademie umbenannten Trainingszentrums sind vollwertig mit unbenutzten Verbrauchsmaterialien und rea-listischen Nachbildungen der gängigen Medikamente aus-gestattet. Zum möglichst wirklichkeitsgetreuen Setting gehört

    auch, dass die Defibrillato-reneinheit oder die mobile Absaugung erst aus dem Flur herbeigeholt werden müs-sen, bevor sie eingesetzt wer-den können: „Wir haben ei-nige Herausforderungen und

    Schwierigkeiten in unsere Szenarien eingebaut“, berichtet Bastian Overheu, der als Geschäftsführender Leiter der SiNA das Trainingszentrum mit aufgebaut hat. Über Ausstattung und Möglichkeiten des seit April 2018 in einem eigens errichteten Neubau untergebrachten Simula-tionszentrums informierte sich Wenker jetzt unter anderem aus Anlass der am 1. Juli 2020 in Niedersachsen in Kraft ge-tretenen Novelle der Weiterbildungsordnung (WBO). „Das sind ausgesprochen realistische Situationen“, beschreibt Wenker die Trainingssettings. „Hier kann man beeindru-ckend wirklichkeitsnah üben, bevor man am Patienten ge-fordert ist.“ Deshalb begrüße sie es, dass im Zuge der neuen WBO ein Teil der ärztlichen Weiterbildung als Simulations-training absolviert werden könne: „Das ist ein enormer Qualitätsschub für die Aus-, Weiter- und Fortbildung aller Mitarbeiter im Gesundheitswesen.“

    Weiterbildung am High-Fidelity-Simulator Die neue niedersächsische Weiterbildungsordnung erkennt nun Simulationstrainings an: Dr. med. Stephan Düsterwald stellte ÄKN-Präsidentin Dr. med. Martina Wenker die Arbeit der SiNA – Simulations- und Notfallakademie am Helios Klinikum Hildesheim vor

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    Mit Patientensimulator und den entsprechenden Geräten können Teams sich im OP-Raum der Simulations- und Notfallakademie schulen lassen.

    „Wir haben einige Herausforderungen und Schwierigkeiten in unsere Szenarien einge-baut.“

    Bastian Overheu, Geschäftsführender Leiter der SiNA am Helios Klinikum Hildesheim

  • Wenker  – selbst Lungenfachärztin  – zeigt sich bei ihrem Besuch besonders beeindruckt von dem High-End-Lun-gensimulator, der die Anwendung nicht-invasiver und invasiver Beat-mungsmodi im Live-Szenario schult. Gemeinsam mit einem voll funktiona-len POCT-Blutgasanalysegerät könnten normale wie pathologische Lungenzu-stände dargestellt werden, berichtet Düsterwald  – zugleich Oberarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Helios Klini-kum Hildesheim – diesen Simulations-bereich. Insgesamt verfügt die SiNA über vier hochmoderne Patientensimu-latoren. Mit ihnen können geburtshilf-liche oder chirurgische Notfälle, schwere Verbrennungen oder die Re-animation bei Kindern, die Sedierung und das Notfallmanagement in der En-doskopie, die Versorgung eines Poly-traumas, das Anlegen von Thoraxdrainagen und vieles mehr trainiert werden. Für den 80-Stunden-Notarztkurs und das Notarztsimulationstraining (Na-Sim25) steht außerdem ein Ret-tungswagen zur Verfügung. „Genauso wie die Simulations-technik in den Rettungswagen eingebaut ist, sind alle Patien-tensimulatoren vollständig mo-bil und ermöglichen als echte in-situ-Trainings Veranstaltungen in anderen Kliniken oder Umgebungen“, sagt Overheu. Ein besonderes Highlight des SiNA ist der Geburtssimulator Lucina, der – gekoppelt an eine Microsoft Hololens – visuell

    mit Augmented Reality arbeiten kann. An Lucina können zum Beispiel Notärzte, aber auch Notfallsanitäter oder All-

    gemeinmediziner lernen, was sie bei geburtsunmöglichen La-gen des Kindes oder anderen Komplikationen unter der Ge-burt unternehmen können. Ein SiNA-Trainingssetting ist zum Beispiel die Schulterdystokie. Dabei bleibt unter der Geburt

    die Schulter des Kindes im Becken der Mutter hängen. An-hand der im Visier zu sehenden, quasi auf Lucinas Bauch projizierten Bilder der Hololens können die Teilnehmer ge-nau verfolgen, was passiert. Mobilisieren sie nun das Becken der Gebärenden etwa mit dem sogenannten McRoberts-

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    www.com2med.de

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    Lungenfachärztin Dr. med. Martina Wenker zeigte sich beim Besuch der SiNA besonders beeindruckt vom High-End-Lungensimulator, den ihr Dr. med. Stephan Düsterwald im OP-Simulations-Setting vorführte.

    „Das ist ein enormer Qualitätsschub für die Aus-, Weiter- und Fortbildung aller Mitarbeiter im Gesundheitswesen.“

    Dr. med. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen

  • Manöver, kann der Geburtsstillstand überwunden werden: Wenn die Beine der Mutter wiederholt gebeugt und über-steckt werden, vergrößert sich der Beckendurchmesser, die Schulter kommt frei und die Geburt kann erfolgreich beendet werden. Gemäß seinem Credo „Never first on the patient“ lädt Düs-terwald Ärztinnen und Ärzte in das Simulationszentrum ein, um sowohl zeitkritische als auch selten benötigte oder für den Patienten besonders unangenehme Verfahren zu üben: Rund 200 Kurse im Jahr bietet die SiNA in den Be-reichen Anästhesie, Intensivmedi-zin, Gastroenterologie, Gynäkologie oder Notfallmedizin für Kolleginnen und Kollegen aus den 86 Helios-Kliniken in Deutschland an. Aber die Kurse sind für die gesamte Ärzte-schaft und medizinischen Berufe offen: „Zu uns kann jeder kommen“, sagt Düsterwald. Immerhin fünf Prozent der Kurs-Teilnehmer seien keine Helios-Mitarbeiter. Neben der Vermittlung von medizinischem Know-how an den Einzelnen stehen interprofessionelle Teamtrainings im Mittelpunkt der Arbeit am Simulationszentrum: Dabei gilt es für die Teilnehmer, die Zusammenarbeit zu optimieren, indem fehlerhafte Prozesse und Kommunikationsstrukturen erkannt und im besten Falle überwunden werden. „Die Si-mulation bietet eine geschützte Lernatmosphäre“, betont Düsterwald. Für den Leitenden Arzt der Akademie ist das

    die unbedingte Voraussetzung, um an den „Human Factors“ zu arbeiten, die für rund 70 Prozent der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle in der Medizin verantwortlich sind. Wichtig sei vor allem das Debriefing im Anschluss an die im Regie-raum anhand moderner Audio-Video-Technik aufgezeich-neten Trainingsdurchläufe. In der Nachbesprechung werde das Geschehen gemeinsam analysiert. „Wie in der Erwach-senenbildung empfohlen, belehren wir nicht den Einzelnen

    über sein Fehlverhalten“, berichtet Düsterwald. „Wir setzen vielmehr auf Reflexion und Selbsterkennt-nis.“ Das betreffe ebenso die he-rausragenden Teams, die ihre Fälle mit Bravur meisterten. Bei ihnen

    werde analysiert, warum die Zusammenarbeit so gut funk-tioniert habe, kommentiert der Leitende Arzt: „Schließlich sehen wir überwiegend gute Leistungen und die sollen ge-festigt werden, damit sie kein Zufall sind.“ Das Konzept der Teamtrainings geht auf das Crew Resource Management (CRM) zurück, das aus der Luftfahrt stammt und zunächst der Schulung von Flugzeugbesatzungen dien-te. Erklärtes Ziel ist die Verbesserung von Kommunikation und Kooperation sowie eine gute Fehlerkultur. Um dies zu gewährleisten, setzen Düsterwald und Overheu auf gut aus-gebildete Instruktoren. Kursleiter wie Trainer an der SiNA sind allesamt erfahrene Fachärzte oder Fachpflegekräfte und haben eine Zusatzausbildung zum CRM-Simulations-instruktor (InFacT) durchlaufen. Sie begleiten die Teamtrai-

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    An Lucina – hier mit Bastian Overheu, dem Geschäftsfüh-renden Leiter der SiNA – können Kursteilnehmer ler-nen, mit Komplika-tionen unter der Geburt umzugehen.

    „Never first on the patient!“

    Dr. med. Stephan Düsterwald, Leitender Arzt der SiNA

  • nings im Regieraum und sorgen gemäß Drehbuch für die medizinischen Herausforderungen während der Simulation: „Ich habe drei Liter Blut im Simulator“, erzählt Overheu, „da kann ich den OP auch mal fluten, wenn nicht der rich-tige Katheter zum Einsatz kommt.“ Inzwischen hat die American Heart Association (AHA) die Arbeit des Zentrums zertifiziert und die SiNA als International Training Center (ITC) ausgewiesen. Aber es sind nicht immer nur die Extremsituationen und sel-tenen Fälle, die das SiNA-Team schult. Zum Start des Zen-trums vor fünf Jahren entschied die Krankenhausleitung zu-nächst, alle Mitarbeitenden in Reanimation zu unterweisen. Unterstützt werden die Trainer dabei von Brayden. Dieser Simulator lässt seine Blutgefäße rot leuchten, wenn die Herzdruckmassage richtig ausgeführt wird. „Man kann se-hen, wie das Gehirn wieder versorgt wird“, beschreibt Overheu das Trainingsgerät. Er erinnert sich gern daran, dass dank der Wiederbelebungstrainings unmittelbar ein Mensch gerettet wurde: Hüseyin Uzun, der damals im Uel-zener Klinikum Patienten durch das Krankenhaus transpor-tierte und begleitete, hatte 2017 an einem Reanimationskurs teilgenommen. Kurz darauf konnte er im Sportstudio bei ei-nem kollabierten 64-Jährigen durch Herzdruckmassage die Zeit überbrücken, bis der Notarzt kam. Der Mann überlebte. Besonders gefragt war das SiNA-Team auch im vergangenen Frühjahr, als die COVID-19-Pandemie startete: „15 Prozent

    des Personals hat sich weltweit während der Behandlung mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert“, erinnert Düsterwald. „Wir hier in Hildesheim haben mit unseren Kolleginnen und Kollegen ein für sie sicheres Atemwegsmanagement trainiert.“

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    Versorgung im Rettungswagen vor der COVID-19-Pandemie: Patien-tensimulatoren und Technik sind mobil.

    Pädiater und Simulationsinstruktor Darius Mielczarek bereitet ein Training mit dem Baby-Simulator vor.

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    Für die folgenden Gebiete erlaubt die WBO der Ärztekam-mer Niedersachsen ein Simulationstraining in der ärztlichen Weiterbildung: - Facharzt/Fachärztin für Allgemeinmedizin: Lebensret-

    tende Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Vital-funktionen und Wiederbelebung, welche durch Simu-lation ersetzt werden können (10)

    - Facharzt/Fachärztin für Anästhesiologie: fiberoptische Techniken einschließlich fiberoptische Intubationen; davon können bis zu 50 Prozent durch Simulation er-folgen – also 25

    - Facharzt/Fachärztin für Anästhesiologie: Zwischenfall-training

    - Zusatz-Weiterbildung Notfallmedizin: 50 Notarztein-sätze im öffentlichen Rettungsdienst (Notarzteinsatz-fahrzeug oder Rettungshubschrauber) bei einem zur Weiterbildung ermächtigten Arzt – davon können bis zu 25 Einsätze im Rahmen eines gemäß § 5 Abs. 10 an-erkannten standardisierten Simulationskurses erfolgen.

  • FSME (Frühsommer-Meningoenze-phalitis), Infektionen mit dem West-Nil-Virus oder dem Zikavirus, Chi-kungunya- und Dengue-Fieber: Die Fälle der von Zecken und Mücken in Deutschland übertragenen Erkran-kungen nehmen zu. Wie gefährlich sind außerdem die eingewanderten Zecken- und Mückenarten? Darüber, vor welchen Krankheiten man in Nie-dersachsen auf der Hut sein muss, spach das niedersächsische ärzteblatt mit Dr. rer. nat. Masyar Monazahian, Koordinator des Zentrums für Ge-sundheits- und Infektionsschutz (ZGI) am Niedersächsischen Landesgesund-heitsamt (NLGA). Herr Dr. Monazahian, fangen wir bei den Zecken an: 2019 wurde das Ems-land zum Risikogebiet für FSME (Früh-sommer-Meningoenzephalitis) ausge-rufen. Wie schätzen Sie das Aufkommen ein? Im vorigen Jahr hatten wir elf Fälle von FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) in Niedersachsen. Die Virus-Erkran-

    kung wird hauptsächlich durch einen Stich des „Gemeinen Holzbocks“ (Ixodes ricinus) übertragen. Es waren allerdings nicht alle Fälle autochthon. Nur in acht Fällen erfolgte die Ansteckung in Niedersachsen. Dabei hatten fünf ihren Ur-sprung in dem 2019 als Risikogebiet ausgewiesenem Ems-land und drei Fälle wurden aus anderen Gebieten berichtet: aus der Region Hannover, aus Cuxhaven und aus Göttingen. 2018 verzeichneten wir acht Fälle in Niedersachsen, bei denen ebenfalls fünf autochthon waren – vier aus dem Ems-land und einer aus Helmstedt. An diesen Zahlen sieht man, dass das FSME-Virus in Niedersachsen auch jenseits des Ri-sikogebiets Emsland angekommen ist. Die Dunkelziffer der Erkrankungen ist sicherlich wesentlich höher, weil nicht je-der Betroffene eine ausgeprägte Symptomatik zeigt. Wie gefährlich ist denn eine Erkrankung an FSME? Zwischen 80 und 90 Prozent der Fälle bleiben symptomfrei. Oder sie zeigen nur Anzeichen wie Husten und Schnupfen, die auch auf eine Sommergrippe hindeuten könnten und denen deshalb viele nicht weiter nachgehen. Manchmal ist die Diagnose FSME auch ein Zufallsbefund. Die Fälle, die

    Gefährlich wird es, wenn eine invasive Mücke auf einen an Chikungunya Erkrankten trifft Wie ist der Bestand an eingewanderten Zecken und Mücken in Niedersachsen? Interview mit Dr. rer. nat. Masyar Monazahian vom Niedersächsischen Landesgesundheitsamt (NLGA) über das Monitoring von Insekten und der Fälle übertragener Krankheiten

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    Dr. rer. nat. Masyar Monazahian, Koordinator des Zentrums für Gesundheits- und Infektions-schutz am Niedersächsischen Landesgesundheitsamt, untersucht Zecken am Mikroskop.

    Am häufigsten trifft man hierzulande auf den „Gemeinen Holzbock“ (Ixodes ricinus).

  • ich hier anführe, waren jedoch alles schwere Fälle mit einer massiven Symptomatik – das heißt mit einem doppelten Fieberschub, mit einer neuronalen Beteiligung bis hin zu ei-ner Meningitis, Enzephalitis oder im schlimmsten Fall Me-ningoenzephalitis, bei der auch das Rückenmark betroffen ist. Die meisten von einer schweren Erkrankung betroffenen Personen haben zwischen sechs Monate und einem Jahr damit zu kämpfen. Denn es gibt keine spezifische Thera-pie – es können nur die Symptome behandelt werden. Als wirksamer Schutz vor FSME gilt die Impfung: Sollte sich in Niedersachsen jeder impfen lassen? Eine konkrete Impfempfehlung der Ständigen Impfkommis-sion (STIKO) existiert bereits für Risikogebiete wie das Ems-land. In den anderen Regionen ist es immer eine Risikoab-wägung, ob man sich impfen lässt. Wer sich viel in der freien Natur aufhält und oft Kontakt zu Zecken hat, sollte eine FSME-Impfung in Betracht ziehen. Die Kosten werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen. Denn auch aus weiteren anderen Gebieten Niedersachsens sind dem NLGA autochthone Fälle von FSME-Erkrankungen be-kannt. Außerdem steigen die Zahlen für Deutschland an. Am 5. August 2020 hatten wir laut der Statistik des Robert Koch-Instituts bereits 414 FSME-Meldefälle, während wir zum gleichen Zeitpunkt im vorigen Jahr nur 292 Meldungen vorliegen hatten. Breitet sich nun in Deutschland mit der Hyalomma-Zecke außerdem eine neue Zecken-Gattung aus? Die tropische Hyalomma-Zecke, die sonst unter anderem im Mittelmeerraum oder auf dem Balkan vorkommt, steht seit rund drei Jahren mehr und mehr im Fokus. Es gab aber schon seit 2007 einzelne Funde in verschiedenen Gegenden Deutschlands außerhalb von Niedersachsen. In den ver-gangenen beiden Jahren wurden wir nun vermehrt auf Hya-lomma-Funde aufmerksam: 2018 waren es bundesweit 57 Funde und 2019 mehr als 100. Auch in Niedersachsen hatten wir vermehrt Funde. Allein im vorigen Jahr gab es 17 Nachweise. Das hängt damit zusammen, dass wir hier im Bundesland viele Pferdebesitzer haben und diese tropi-sche Zecke gern an große Warmblüter geht. Dort ist sie zum Beispiel beim Striegeln aufgefallen, denn mit ein bis zwei Zentimetern Größe ist sie rund sechs Mal so groß wie der heimische „Gemeine Holzbock“. Außerdem hat Hyalomma eine gelb-dunkle Tigerstreifung an den Beinen und läuft aktiv bis zu hundert Meter weit auf ihren Wirt zu. Gelegent-lich sind da auch die Menschen interessant. Wie gefährlich ist diese tropische Zecke für den Menschen, wenn er gestochen wird?

    Bei den Hyalomma-Zecken stehen zwei Erkrankungen im Vordergrund: Einmal ist es das Krim-Kongo-Hämorrhagische Fieber (CCHF). Aber das Krim-Kongo-Virus wurde bisher in keiner der in Deutschland gefundenen Hyalomma-Zecken nachgewiesen. Was man aber gefunden hat, sind Rickett-sien – und zwar die Art „Rickettsia aeschlimannii“. Diese Bakterien, die das Zecken-Fleckfieber verursachen, wurden 2019 in den bundesweit mehr als hundert untersuchten Ze-cken 41 Mal nachgewiesen. Wer an dem Fleckfieber er-krankt, wie es im Falle eines Pferdehalters aus Nordrhein-Westfalen im vorigen Jahr bekannt wurde, kann mit einem Antibiotikum wirksam behandelt werden. In diesem Jahr wurde aus Niedersachsen ein erster Hyalomma-Fund an ei-nem Pony gemeldet. Ist Hyalomma bereits bei uns heimisch geworden? Hyalomma legt ihre Eier in Erdhöhlen. Dort gedeiht die Brut am besten bei heißen Temperaturen und Trockenheit. Wür-den die Erdhöhlen durch viel Regen überschwemmt, könnte die Nachkommenschaft nicht überleben. Bei Hyalomma wissen wir derzeit noch nicht, ob sie bei uns heimisch ge-worden ist. Viele Experten gehen davon aus, dass sie bereits

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    Bei der Hyalomma-Zecke sind sich die Experten nicht einig, ob sie schon in Deutschland heimisch geworden ist.

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  • den Winter hier überlebt hat. Ich bin der Überzeugung, wir müssen noch weiter untersuchen, ob sie sich bei uns etabliert hat. Kommt der Klimawandel auch den Mücken zugute? Mücken lieben feuchtwarmes Wetter, damit sie sich entwi-ckeln können. Sie brauchen die Überflutungsgebiete der Flüsse, die Wassertonne im Garten oder die Blumengefäße auf dem Friedhof. Durch das feuchtwarme Klima, das in die-sem Jahr in einigen Gegenden geherrscht hat, werden wir vielerorts eine Mückenplage haben. Das hat auch die Mü-ckenexpertin Dr. rer. nat. Doreen Werner vom Leibniz-Zen-trum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) angekündigt. Wie setzt sich die Mückenpopulation hierzulande denn zusammen? Inzwischen leben in Deutschland auch tropische Mücken-arten wie „Aedes albopictus“ (Asiatische Tigermücke) und „Aedes Japonicus“ (Asiatische Buschmücke). Die Tigermü-cke – das wissen wir – ist endemisch in den Rheinauen und wandert sozusagen am Rhein nordwärts. Wir finden sie be-reits in den Niederlanden. Von dort wird sie zu uns einge-bracht über die Blumentransporte. Die Mückenlarven schwimmen im Wasser der Transportgefäße für die Blumen. Ein weiterer Weg des Eintrags ist der LKW-Verkehr, der die Tigermücken auch aus Italien zu uns bringt. Die Asiatische Buschmücke ist andererseits in der Gegend rund um Hil-desheim heimisch geworden. Außerdem gehören viele der

    rund 50 Mückenarten, die inzwischen hier heimisch sind, der Spezies der Gattung Culex an wie zum Beispiel die „Gemeine Stechmücke“ (Culex pipiens). Welche Mückenarten sind denn als Überträger von Krank-heiten relevant? Einige einheimische Mücken können durchaus Krankheits-erreger aufnehmen und weitertransportieren. Zum Beispiel beim West-Nil-Virus (WNV) geht der normale Zyklus vom Vogel auf die Mücke und zurück auf den Vogel. Die Culex-Mücke, die in ganz Europa heimisch ist, kennt man schon seit den Neunzigern des vorigen Jahrhunderts als Transpor-teur für das Virus. Dabei kommen Pferde und Menschen als Fehlwirte ins Spiel. Denn Mücken stechen etwa alle zehn Sekunden, nehmen ein wenig Blut auf und gehen dann wei-ter, bis sie vollgezogen sind. Inzwischen haben wir seit 2018 in Deutschland humane West-Nil-Virus-Fälle. 2018 waren das elf, 2019 zwölf und in diesem Jahr haben wir bisher sechs Fälle gesehen. Der Großteil der Erkrankungen aber be-trifft Reiserückkehrer aus Griechenland, der Türkei oder Ita-lien, wo das Virus und die Mücke endemisch sind. 2019 gab es aber auch die ersten fünf autochthonen Fälle in Deutsch-land – und zwar in Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Da-rüber hinaus waren alle Betroffenen von einer Mücke gesto-chen worden. Dieses Jahr wird nun darauf geachtet, ob es wieder zu autochthonen Infektionen mit dem West-Nil-Virus kommt. Übrigens überaus wichtig ist bei diesem Virus, dass es keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung gibt. Wie schwerwiegend ist denn eine Infektion mit dem West-Nil-Virus für den Menschen? 80 Prozent der Fälle laufen asymptomatisch ab. Etwa 20 Prozent der Erkrankten haben eine klinische Symptomatik mit plötzlichem Fieber. In wenigen Fällen – unter einem Prozent – kann die Krankheit einhergehen mit einer Enze-phalitis oder Meningoenzephalitis. Von einem schweren Verlauf sind meistens ältere Menschen jenseits der 70 be-troffen. Auch bei dieser Krankheit – das darf man nicht ver-schweigen – gibt es eine gewisse Letalität. Wie kann man sich schützen? Bisher gibt es keinen Impfstoff gegen das West-Nil-Virus. Man kann sich lediglich vor Mückenstichen schützen, indem man ein Repellent aufträgt. Unsere heimischen Cu-lex-Mücken und auch die Tigermücken sind sowohl tags-über als auch nachts aktiv. Zur Abwehr hilft daher nachts außerdem ein Mückennetz. Bisher gibt es weder eine The-rapiemöglichkeit noch einen Hinweis darauf, ob man nach der Erkrankung eine Immunität besitzt. Das ist anders bei FSME: Hat man einmal eine Infektion durchgemacht – auch

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    Zu den in Deutschland am häufigsten vorkommenden Mückenarten zählt Culex pipiens, die Krankheitserreger wie den West-Nil-Virus (WNV) aufnehmen und weitertragen kann.

  • ohne Symptomatik –, hat man eine lebenslange Immunität. Das gilt indes nicht für die FSME-Impfung, die regelmäßig aufgefrischt werden muss. Könnten die Symptome, die von FSME oder einer Infek-tion mit dem West-Nil-Virus hervorgerufen werden, zu-nächst auch auf eine COVID-19-Erkrankung hinweisen? Ja, derzeit denkt man bei diesen Symptomen eher an eine SARS-CoV-2-Infektion. Aber wenn das Ergebnis negativ ist, sollte man bei einer solchen Symptomatik auch andere virale Erkrankungen im Blick haben. Wenn ich eine Reise -anamnese habe, könnte es eben das West-Nil-Virus sein – oder FSME, wenn es doch einen Zeckenstich gegeben hat. Gibt es in Niedersachsen schon Tigermücken? Nein. Wir führen seit 2012 ein Mücken-Monitoring in be-stimmten niedersächsischen Regionen durch. Wir sammeln zum Beispiel Exemplare an Standorten in der Region Han-nover, in Wilhelmshaven, in Cuxhaven und in Hildesheim. Manchmal werden auch Exemplare von Gesundheitsämtern eingeschickt. Wir haben inzwischen weit mehr als 40.000 Mücken gesammelt und noch keine einzige Tigermücke ge-funden. Die Tigermücke als solches ist sehr markant: Sie ist nicht größer als 1-Cent-Stück, hat getigerte Beine, einen ge-tigerten Leib und einen markanten weißen Strich über den Kopfbereich. Wir haben unseren Bestand 2015 mit Frau Dr. Werner klassifiziert und haben außerdem mit Privatdozent Dr. rer. nat. Helge Kampen vom Friedrich-Loeffler-Institut untersucht, welche viralen Infektions-Erreger die Mücken enthalten. In keiner einzigen Mücke haben wir die außer-gewöhnlichen Infektions-Erreger für das Dengue-, das Chi-

    kungunya- oder das West-Nil-Fieber gefunden – und auch kein Zikavirus. Geht denn von den bereits eingewanderten Asiatischen Buschmücken eine Gefahr für die Bevölkerung aus? „Aedes japonicus“ ist ebenfalls eine außergewöhnliche tag- und nachtaktive Mücke, die diese gefürchteten Erreger übertragen kann – sprich Chikungunya- und Dengue-Fieber sowie das Zikavirus. Dafür muss aber ein infizierter Mensch vorhanden sein – bei Chikungunya ist der Mensch sogar der Wirt für das Virus. Dieser Mensch muss eine hohe Viruslast in sich tragen. Erst dann kann die Mücke bei einem Stich Viren mitnehmen und auf den nächsten Menschen übertra-gen. Dadurch kann so eine Mückenpopulation auch eine Epidemie auslösen, wie das 2007 in Italien der Fall war. Der Ursprung des Ausbruchs war ein Reiserückkehrer aus Indien, der hoch virämisch an Chikungunya erkrankt war. Die Mü-cke war bereits vorhanden und das führte am Ende zu mehr als 1.400 Sekundärfällen. Das gleiche gilt für Erreger wie Zika und Dengue. Eine Übertragung kann also nur stattfinden, wenn die ein-gewanderten Buschmücken die Viren eines Erkrankten aufnehmen? Wir hatten einen ähnlichen Fall vor drei Jahren in Baden-Württemberg in der Nähe von Freiburg. Dort war eine Pa-tientin an Chikungunya erkrankt und die Mücke ist dort ebenfalls endemisch. Da hätte es ebenfalls leicht zu einer Epidemie kommen können. Das verhindert zum Glück das Infektionsschutzgesetz, durch das Erkrankte mit solch au-ßergewöhnlichen Erregern schnellstmöglich erfasst und ge-meldet werden. In diesen Fällen können die Gesundheits-ämter unverzüglich tätig werden und die Streuung der Erre-ger verhindern. Das Interview führte Inge Wünnenberg.

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    Noch nicht nach Niedersachsen eingewandert ist die Asiatische Tigermücke („Aedes albopictus“). Ihr Aussehen ist sehr markant: Sie ist nicht größer als 1-Cent-Stück und sowohl Beine als auch Leib der Insekten sind getigert.

  • 16 niedersächsisches ärzteblatt

    Die Rolle der Kinder Das Ansteckungs- und Verbreitungspotenzial von Kindern und Jugendlichen in Hinblick auf das SARS-CoV-2-Virus ist noch immer umstritten: Die Öffnung von Schulen, Kitas und Krippen stellen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auf die Probe.

    Von Anfang an umstritten war die Rolle von Kindern und Jugendlichen bei der Verbreitung und Übertragung des SARS-CoV-2-Virus. Aufgrund der artifiziellen Situation, die Mitte März durch die Schließung von Krippen, Kitas und Schulen entstand, fällt es bis heute schwer, die Funktion der unter 20-Jährigen bei der Verbreitung von COVID-19 abschließend zu beurteilen. „Schon frühzeitig im Verlauf der Pandemie wurde klar, dass jüngere Kinder und auch Jugendliche seltener an COVID-19 erkrankt sind als Erwachsene“, sagt Professor Dr. med. Hans-Georg Kräuss-lich, Abteilungsleiter der Virologie am Zentrum für Infektio-logie des Universitätsklinikums Heidelberg. Das heiße aber noch nicht, dass sie auch seltener infiziert seien, bezie-hungsweise ob sie das Virus seltener an andere weitergäben, macht der Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg deutlich und verweist auf die widersprüchlichen Berichte. Aktuell ist somit nicht geklärt, ob Kinder genauso häufig wie Erwachsene infiziert werden. In Deutschland lag der Anteil der unter 20-Jährigen laut Recherchen des Science Media Center Germany (SMC) im Juni und Juli bei rund 20 Prozent – das entspricht in etwa ihrem Anteil an der Bevölkerung, der zurzeit bei 18 Prozent liegt. Außerdem hätten Studien aus Südkorea oder Italien gezeigt, „dass Kinder durchaus die Infektionen weiter übertragen können“, sagt Professorin Dr. med. Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe

    „Emerging viruses“ in der Abteilung für Infektionskrankhei-ten an der Universität Genf. Mehrere jüngst publizierte amerikanische Studien zum Bei-spiel der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Con-

    trol and Prevention (CDC) und in den renommierten Zeitschriften JAMA Interna-tional Medicine und JAMA Pediatrics haben sowohl un-termauert, dass sich Kinder jeden Alters infizieren kön-nen als auch, dass junge

    asymptomatische Infizierte zum Teil die gleiche Viruslast in ihren Abstrichen zeigen wie gleichaltrige symptomatische Patienten. „Hohe Viruslasten bei Kindern lassen es biolo-gisch plausibel erscheinen, dass Kinder die Infektion auch weitergeben können, wie dies für alle anderen Erkältungs-erreger auch der Fall ist“, wertet die Schweizer Virologin Eckerle die Ergebnisse der Studien. Maßnahmen zur Prävention von SARS-CoV-2-Ausbrüchen in Schulen Auch angesichts der Aufnahme des Schulbetriebs sowie der Öffnung von Krippen und Kindergärten nach den diesjähri-gen Sommerferien startete eine bundesweite Diskussion über die erforderlichen Maßnahmen zur Prävention von SARS-CoV-2-Ausbrüchen in den Einrichtungen. Die gene-relle Problematik dieses Schritts spricht Professorin Dr. Mir-

    „Hohe Viruslasten bei Kindern lassen es biologisch plausibel erscheinen, dass Kinder die Infektion auch weitergeben können.“

    Professorin Dr. med. Isabella Eckerle, Virologin an der Universität Genf

    Kinder und Jugendliche gehen jetzt wieder zur Schule. In großen Bereichen der Schulen herrscht Maskenpflicht.

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  • jam Kretzschmar vom Julius Center for Health Sciences and Primary Care der Universitätsmedizin Utrecht an, wenn sie auf das gesicherte Wissen verweist, dass Altersgruppen zwi-schen fünf und 20 Jahren eine wichtige Rolle in der Über-tragung von Virusinfektionen spielen: „Bei Influenza ist diese Rolle von Kindern und Jugendlichen nachgewiesen, und Studien haben gezeigt, dass Schulschließungen einen Effekt haben auf die Influenza-Ausbreitung.“ Das Niedersächsische Kultusministerium und Kultusminister Grant Hendrik Tonne haben deshalb in diesem Jahr als Zu-geständnis an die COVID-19-Pandemie Sonderregelungen für den Schulbetrieb eingeführt. Solange es nicht zu größeren Ausbrüchen kommt, gilt Reglement A: „Außerhalb von Un-terrichts- und Arbeitsräumen ist eine Mund-Nasen-Bede-ckung (MNB) in von der Schule besonders gekennzeichne-ten Bereichen zu tragen, in denen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zu Personen anderer Kohorten nicht gewährleistet werden kann. Das betrifft in der Regel Gänge, Flure, Versamm-lungsräume und so weiter, gegebenenfalls auch das Außen-gelände.“ Vertreter der Ärztekammer Niedersachsen fordern eine Maskenpflicht im Unterricht Angesichts der steigenden Infektionszahlen seit Mitte Juli forderten Vertreter der Ärztekammer Niedersachsen jedoch eine Maskenpflicht für die ersten zwei Wochen auch im

    Unterricht: „Wenn die Kinder und Jugendlichen ungeschützt in die Schule gehen, dann rechne ich mit verheerenden grö-ßeren Ausbrüchen“, warnte der Kinder- und Jugendarzt Dr. med. Thomas Buck, Mitglied im Vorstand der Ärztekammer Niedersachsen und Vorsitzender der Bezirksstelle Hannover zum Schulstart nach den Sommerferien. „Besser für eine absehbare Zeit mit Mundnasenbedeckung lernen, als wieder in einen längeren Lockdown zu gehen“, pflichteten ÄKN-Präsidentin Dr. med. Martina Wenker und ÄKN-Vizepräsi-dentin Marion Charlotte Renneberg bei. Auch der Virologin Eckerle zufolge verdichtet sich die Da-tenlage, „dass Kinder wahrscheinlich zum größten Teil sogar asymptomatisch infiziert sind, das heißt, obwohl sich das Virus hocheffizient in ihrem Nasen-Rachen-Raum ver-mehrt, merken sie nichts von der Infektion und erscheinen vollkommen gesund. Das ist natürlich zunächst einmal eine gute Nachricht für die Kinder, macht es allerdings viel schwieriger, Infizierte zu erkennen und entsprechend zu isolieren.“ Aus diesem Grund forderte Kinder- und Jugend-arzt Buck Ende August eine zunächst zeitlich beschränkte Maskenpflicht für Schüler und Lehrer von der Grundschule an: „Die meisten Kinder und Jugendlichen werden symp-tomfrei sein, aber sie können Überträger sein.“ Die Verwendung einer Alltagsmaske fordert ebenfalls die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in ihrer Anfang August herausgegebenen Ad-hoc-Stellungnah-me „Coronavirus-Pandemie: Für ein krisenresistentes Bil-

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    Umstritten ist die Frage, wie groß die Gefahr für eine Infekti-on mit dem SARS-CoV-2-Virus für Schüler und Lehrer in den Klassen ist. Vertreter der Ärz-tekammer Niedersach-sen plädieren für eine Maskenpflicht in den Klassen.

  • dungssystem“. Dort heißt es: „Um die Wahrscheinlichkeit der Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verringern, ist die Um-setzung der Abstands- und Hygieneregeln sowie ein häufiger Luftaustausch auch in Bildungseinrichtungen wesentlich. Wenn der notwendige Abstand nicht eingehalten werden kann, sollten Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse ei-nen Mund-Nase-Schutz auch innerhalb des epidemiologi-schen Gruppenverbandes tragen.“ Kein Test für alle Kinder mit Symptomen Was aber ist, wenn in den kommenden Wochen und Mo-naten Kinder an einer Infektion der oberen Atemwege er-kranken? Schon jetzt weist die „Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin“ (DAKJ) als Dachverband der kinder- und jugendmedizinischen Gesellschaften darauf hin, dass in den Arztpraxen eine Unterscheidung zwischen einer symptomatischen SARS-CoV-2-Infektion und Infek-tionen durch andere Erreger allein aufgrund der Befunde der ärztlichen Untersuchung nicht möglich sei. Doch ebenso unrealistisch sei „eine generelle Testung aller symptomati-

    schen Kinder und Jugendlichen auf SARS-CoV-2“. Das sei schon aus logistischen und Kapazitäts-Gründen im kom-menden Winterhalbjahr nicht durchzuführen, heißt es in dem Anfang August veröffentlichten Regelwerk zur „Auf-rechterhaltung eines Regelbetriebs in Gemeinschaftsein-richtungen“. Dr. med. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (bvkj), empfiehlt deshalb, Kin-der bei kleineren Infekten einfach zu Hause zu halten und gesund zu pflegen: „Bei Kindern mit milden selbstlimitie-renden Infektionszeichen (leichte Erkältung, Schnupfen ohne Fieber, nur milder Husten) oder nach einer kurzen Krankheitsepisode (weniger als 3 Tage) ist bei gutem Allge-meinzustand und Abklingen der Symptomatik eine Wieder-zulassung zur Gemeinschaftseinrichtung ohne ein ärztliches Attest möglich“, stützt das DAKJ-Maßnahmenpapier Fisch-bachs Position. Um die Infekte unter den Kindern und Jugendlichen zu de-zimieren, empfahl zudem Professor Dr. med. Johannnes

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    Selbst auf dem Schulhof stellt sich die Frage: mit oder ohne Mund-Nasen-Bedeckung. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, wie nützlich die Alltagsmasken sind.

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  • Hübner, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pä-diatrische Infektiologie, kürzlich in der „Welt am Sonntag“, Kinder in diesem Jahr gegen Grippe impfen zu lassen. „Wir wissen, dass Kinder den Influenza-Virus maßgeblich über-tragen“, sagte der Stellvertretende Klinikdirektor am Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München. Hübner sieht darin auch eine Möglichkeit, andere vor einer Infektion zu schützen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt die Influenza-Regelimpfung übrigens für alle Kinder zwi-schen sechs Monaten und fünf Jahren. Derzeit unterstützt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-In-stitut (RKI) die saisonale Influenzaimpfung für diese Ziel-gruppe nicht, wie sie im Epidemiologischen Bulletin Nr. 32/33 vom 6.8.2020 schreibt, sondern hauptsächlich nur für Menschen mit einem erhöhten Risiko für schwere Verläufe einer Influenza oder mit einem hohen Risiko einer Hospitalisierung. Als Grund gibt die STIKO an, die vorhan-denen Impfdosen würden nicht ausreichen, um die gesamte deutsche Bevölkerung zu impfen.

    Für ÄKN-Präsidentin Wenker und Vorstandsmitglied Buck haben die Schulbildung von Kindern und Jugendlichen und die sozialen Kontakte der Heranwachsenden große Priorität: Für die im Sommer von der Ärztekammer Niedersachsen mit gegründete Initiative Niedersächsischer Ethikrat (INE) gehören Kinder und Jugendliche zu jenen Gruppen, die von den Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie besonders betroffen waren und denen künftig im Zuge der Corona-Krise mehr Gehör verschafft werden soll. „Aus sozialpädia-trischer Sicht sollten bei allen erforderlichen einschränken-den Maßnahmen insgesamt die Interessen der Kinder und Jugendlichen grundsätzlich stärker berücksichtigt werden“, formulierte Buck in einem Memorandum für die INE, zu dem verschiedene niedersächsische Ärztinnen und Ärzte Input beigesteuert haben. Eine herausragend wichtige Maß-nahme sieht das Memorandum in einer qualifizierten me-dizinischen Beratung der Erzieherinnen und Erzieher sowie der Lehrerinnen und Lehrer im Hinblick auf das Infektions-geschehen: Eine medizinische Schulung sei wünschenswert, weil nicht alle derzeit durchgeführten Maßnahmen in Ein-richtungen medizinisch gut zu begründen seien. Die Maß-nahmen sind Buck zufolge zum Teil irrational und bedeuten erhebliche Einschränkungen für Kinder und Eltern.

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    „Aus sozialpädiatrischer Sicht sollten bei allen erforderlichen einschränkenden Maßnahmen insgesamt die Interessen der Kinder und Jugendlichen grundsätzlich stärker berück -sichtigt werden.“

    Dr. med. Thomas Buck, Mitglied im ÄKN-Vorstand und Vorsitzender der Bezirksstelle Hannover

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    Gremien der Ärztekammer

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    Am Anfang dieser Wahlperiode habe ich die „Wiederbele-bung“ dieses Ausschusses mitinitiiert. Es war damals schon klar, dass sich Gesundheitsversorgung in der Kammer in all ihren Aspekten nicht getrennt entwickeln und umsetzen lässt, sondern ein integrierendes und verbindendes Element in Form eines Ausschusses dafür sinnvoll ist. Dieser Aufgabe hat sich der „Ausschuss für Sektorenübergreifende Versor-gung“ verschrieben, dem neben mir  – Dr. med. Thomas Carl Stiller – als Vorsitzendem Jens Suckstorff als stellvertre-tender Vorsitzender sowie als Mitglieder Dr. med. Lukas Bockelmann, Dr. med. Gabriele Füllborn, Professor Dr. med. Ahmed Madisch, Dr. med. Hannah Tiggemann und Hans Martin Wollenberg angehören. Intern sprechen wir gern von sektorenverbindender Versorgung. Anfangs kon-zentrierten wir uns im Ausschuss auf die unterschiedlichen Versorgungsmodelle und -strukturen. Der sehr wichtige Themenbereich Digitalisierung im Ge-sundheitswesen gehört seit dieser Wahlperiode ebenfalls zum Aufgabenbereich des Ausschusses. Dazu haben wir das Positionspapier Telemedizin entwickelt, in dem wir uns für eine arzt- und patientengerechte politische Umsetzung der Digitalisierung im Gesundheitswesen einsetzen. Dabei haben die Ausschussmitglieder vor allem die tägliche Rou-tine und praktische Machbarkeit in den Sektoren vor Augen. Mit Anträgen aus unserem Ausschuss konnten wir beim Deutschen Ärztetag in Erfurt dazu beitragen, dass Teleme-dizin in den vorhandenen Versorgungsstrukturen bleibt und kein neuer konkurrierender Sektor zu den bestehenden Strukturen geschaffen wurde. Ein weiterer Antrag zielte da-rauf, dass es für Ärzte und Patienten keinen Zwang zu digi-talen Behandlungsangeboten geben darf, sondern sie wei-terhin ihre Versorgungsform frei wählen dürfen.

    In der Ausschussarbeit entwickeln wir gemeinsam Lösungs-ansätze und Vorschläge, um Diskussionen oder Verände-rungen anzuregen. Dabei haben wir immer die Balance zwischen Arztnutzen und Patientenwohl vor Augen. In die-sem Kontext haben wir uns auch mit innerärztlicher Kom-munikation beschäftigt, die der Grundpfeiler allen gemein-schaftlichen ärztlichen Handelns darstellt – und somit die Essenz der Verbindung zwischen den Versorgungssektoren. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung war unsere Anre-gung zum Verfassen von Arztbriefen (siehe nä Heft 4/2020, S. 19), mit der wir eine Entwicklung anstoßen wollen, die zu nutzerorientiert verfassten Arztbriefen führt. Gute Kom-munikation entlastet alle, die an der Behandlung eines Pa-tienten mitwirken und stellt zudem einen wichtigen Faktor der Patientensicherheit dar. An dieser Stelle entsteht eine notwendige Schnittmenge zum Qualitätsmanagement. Un-ser Ausschuss für Sektorenübergreifende Versorgung orien-tiert sich an den Bedürfnissen von Ärztinnen und Ärzten in allen Bereichen. Wir sind offen für Anregungen aus der täg-lichen Arbeit und freuen uns über Ihr Feedback.

    Dr. med. Thomas Carl Stiller Vorsitzender des Ausschusses für Sektorenübergreifende Versorgung

    Telemedizin und Arztbrief Der Ausschuss für Sektorenübergreifende Versorgung achtet auf das Patientenwohl

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    Dr. med. Thomas Carl Stiller, Vorsitzender des Ausschusses für Sektorenübergreifende Versorgung

    Jens Suckstorff, stellvertretender Vorsitzender

    Dr. med. Lukas Bockelmann

    Dr. med. Gabriele Füllborn

    Professor Dr. med. Ahmed Madisch

    Dr. med. Hannah Tiggemann

    Hans Martin Wollenberg

  • Der Vorstand der Ärztekammer Niedersachsen hat im Mai 2016 die Bildung eines Arbeitskreises „Prävention und Um-welt“ beschlossen. Als ständige Mitglieder wurden Dr. med. Thomas Buck als Vorsitzender und Professor Dr. med. Heyo Eckel als stellvertretender Vorsitzender berufen. Ge-mäß Vorstandsbeschluss wurden weitere Arbeitskreismit-glieder jeweils zu den konkreten Themen benannt. Cannabiskonsum Im Rahmen der Anhörung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration des Nieder-sächsischen Landtags wurde der ÄKN am 23. März 2017 Gelegenheit zu einer Stellungnahme zum Thema „Canna-biskonsum“ gegeben. Der zur Vorbereitung gebildete Ar-beitskreis erfasste dazu den aktuellen Sachstand und ermit-telte die möglichen Risiken des Konsums von Cannabispro-dukten. Zusammenfassend wurde festgestellt, dass eine Le-galisierung von Cannabis aus medizinischer Sicht abzuleh-nen ist. Erhöhte Krebsraten in Bothel und Rotenburg Im Zusammenhang mit der beobachteten Zunahme von Krebserkrankungen in der Samtgemeinde Bothel und der Gemeinde Stadt Rotenburg wurde ein weiterer Arbeitskreis mit Mitgliedern verschiedener Fachgebiete geschaffen. In den Sitzungen wurde zunächst der aktuelle Sachstand er-fasst. Außerdem wurden auf Grundlage der Ergebnisse der Krebsclusteruntersuchung in der Samtgemeinde Bothel Vor-schläge für das weitere Vorgehen erarbeitet. Schulfach Gesundheit Zur Entwicklung eines Konzepts für die Verbesserung der Gesundheitsförderung und Prävention an niedersächsischen Schulen wurde gemäß ÄKN-Vorstandsbeschluss vom 24. November 2017 eine Projektgruppe gebildet mit Vize-präsidentin Marion Charlotte Renneberg, den ÄKN-Vor-standsmitgliedern Dr. med. Wolfgang Lensing und Jens Wa-genknecht sowie dem Vorsitzenden des Arbeitskreises „Prä-vention und Umwelt“ Dr. med. Thomas Buck. Bei einer Besprechung der Projektgruppe mit Vertretern der Leuphana Universität Lüneburg am 1. Juni 2018 wurde ein-

    vernehmlich festge-stellt, dass ein lang-fristiger, systemati-scher Aufbau von Kompetenzen im Be-reich Gesundheit von Schülerinnen und Schülern angestrebt werden sollte. Außer-dem zeigte sich, dass bei der Aufstellung ei-nes Kompetenz-Ent-wicklungsprogramms die Ärztekammer dank ihrer ärztlichen Expertise ein wichti-ger Partner wäre. Es wurde vereinbart, dass die Leuphana Universität Lüneburg ein Konzept für eine Kooperation zum Zweck der Unterstützung und Verbesse-rung der Gesundheitsförderung und Prävention an nieder-sächsischen Schulen vorlegt. In seiner Sitzung am 12. Feb-ruar 2019 hat der ÄKN-Vorstand sowohl dieser Kooperation als auch dem vorgelegten Konzept zugestimmt. Gemäß Vorstandsbeschluss wurde außerdem das Nieder-sächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleich-stellung mit Schreiben vom 28. Februar 2019 gebeten zu prüfen, ob es seitens des Ministeriums Bedenken gegen ein solches Engagement der ÄKN gebe. Das Ministerium erklärte daraufhin, dass aus rechtlicher Sicht keine Bedenken be-stünden, obwohl die Beteiligung seiner Ansicht nach über den gesetzlichen Auftrag im Heilkammergesetz hinausgehe, demzufolge die ÄKN auf die ausreichende ärztliche Versor-gung der Bevölkerung hinzuwirken habe. Die Kammerver-sammlung hat in ihrer Sitzung am 25. September 2019 für eine Kooperation zwischen Ärztekammer und Leuphana Universität Lüneburg gestimmt. Dementsprechend wurde ein Projektbeirat gegründet, der seitens der Ärztekammer aus Vizepräsidentin Renneberg und Vorstandsmitglied Buck besteht.

    Dr. med. Thomas Buck Vorsitzender des Arbeitskreises „Prävention und Umwelt“, ÄKN-Vorstandsmitglied und Vorsitzender der Bezirksstelle Hannover

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    Schulfach Gesundheit Tätigkeitsbericht des ÄKN-Arbeitskreises „Prävention und Umwelt“ für die 18. Wahlperiode: Expertengruppen zu der Legalisierung von Cannabis, der Untersuchung erhöhter Krebsra-ten und der Ausbildung von Gesundheitskompetenzen unter Schülern

    Dr. med. Thomas Buck

  • Bereits im Jahr 2004 wurde eine Ar-beitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der Ärztekammer Nieder-sachsen (ÄKN) und der Schlichtungs-stelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern gegrün-det. Unter der Federführung der ÄKN-Präsidentin Dr. med. Martina Wenker formierte sich daraus im Mai 2011 der Arbeitskreis Patientensicherheit, der seither unter Leitung von Dr. med. Jo-hannes Herzog den Vorstand der Ärz-tekammer zu Fragen der Patientensi-cherheit berät. Der Arbeitskreis Patientensicherheit kommt ein- bis zweimal jährlich zu-sammen, um gemeinsam mit den Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern des Fachgebiets Patientensicherheit, ange-siedelt am Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen (ZQ) der ÄKN, Themenschwerpunkte mit Blick auf Aspekte der Patientensi-cherheit zu konsentieren. Darüber hi-naus sind einzelne Arbeitskreismitglie-der auch außerhalb dieser Treffen in spezifische Fragestellungen involviert und themenbezogen in die Initiierung, Entwicklung und Begleitung von in der Arbeitswelt umsetzbaren Projekten eingebunden. Im Arbeitskreis Patientensicherheit be-teiligen sich gegenwärtig: - Dr. med. Johannes Herzog (Vor-

    sitz), niedergelassener Facharzt für Innere Medizin,

    - Dr. med. Frauke Petersen, Fach-ärztin für Innere Medizin und Not-fallmedizin am Klinikum Lüneburg,

    - Marion Charlotte Renneberg, nie-

    pflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern

    Schwerpunkte des Arbeitskreises sind die Förderung einer auf systemische Verbesserungen ausgerichteten, sek-torenübergreifenden positiven Sicher-heits- und Fehlerkultur, die Stärkung der Behandlungs- und Patientensicher-heit und die Optimierung der Versor-gungsqualität im Interesse der Patien-tinnen, der Patienten und der Gesund-heitsprofessionellen.

    Lorenz Hein, M.Sc. ZQ, Patientensicherheit

    Der Arbeitskreis Patientensicherheit stellt sich und seine Themen vor Die Schwerpunkte des Arbeitskreises Patientensicherheit liegen auf Verbesserungen der sektorenübergreifenden Sicherheits- und Fehlerkultur, der Stärkung der Behandlungs- und Patientensicherheit und der Optimierung der Versorgungsqualität

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    Dr. med. Johannes Herzog, Vorsitzender der Bezirksstelle Lüneburg und des Arbeitskreises Patientensicherheit

    Dr. med. Frauke Petersen

    Privatdozent Dr. med. Guido Schmiemann

    Angela Schütze-Buchholz

    dergelassene Fachärztin für Allge-meinmedizin und stellvertretende Präsidentin der ÄKN,

    - Privatdozent Dr. med. Guido Schmie-mann, niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin und wissenschaft-licher Mitarbeiter sowie stellvertre-tender Abteilungsleiter in der Abtei-lung Versorgungsforschung am In-stitut für Public Health der Univer-sität Bremen,

    - Angela Schütze-Buchholz, nieder-gelassene Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und

    - Christine Wohlers, Juristin in der Schlichtungsstelle für Arzthaft-

    Christine Wohlers

    Marion Charlotte Renneberg

  • Die Beste des Jahrgangs: Emily Jacobs Ein Ergebnis von weit mehr als 90 Pro-zent gilt unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in den elf Be-zirksstellen der Ärztekammer Nieder-sachsen die Auszubildenden betreuen, als herausragende Leistung. Mit 95 Prozent im Gesamtergebnis aus prak-tischem und theoretischem Teil gelang Emily Jacobs aus der Bezirksstelle Ol-denburg in diesem Jahr trotz Corona-Krise und verändertem Prüfungsablauf ein absolut hervorragendes Resultat. Die gebürtige Oldenburgerin, die ihre Ausbildung zur Medizinischen Fach-angestellten in der Gemeinschaftspra-xis der Hausärztinnen Dr. med. Isabel Hammer und Dr. med. Veronika Klein im Oldenburger Stadtteil Etzhorn ab-schloss, entschied sich bewusst für ei-nen sozialen Beruf: „Das ist in meiner Familie gang und gäbe“, sagt die 20-Jährige, die von der Praxis übernom-men wird. Ihr hat schon während der

    Ausbildung neben den medizinischen Aufgaben besonders gefallen, in einer Landarztpraxis tätig zu sein, in der Wert auf persönlichen Kontakt gelegt wird und in der sich die Ärztinnen viel Zeit für ihre Patientinnen und Patienten nehmen. Ihre herausragende Leistung schreibt Jacobs vor allem der eigenen großen Leidenschaft für den Beruf zu sowie ihrer Strategie, die Zeit von Anfang an genutzt zu haben. Die COVID-19-Pan-demie habe zwar erhebliche Verände-rungen für den Praxisalltag mit sich gebracht und es sei eine Herausforde-rung gewesen, parallel für die Ab-schlussprüfungen zu lernen, räumt die frisch gebackene Medizinische Fach-angestellte ein: „Aber am Ende war es gut zu schaffen“, findet Jacobs. Anstel-le des sonst üblichen Rollenspiels im praktischen Teil habe man etwa den Prüfern an einem Dummy gezeigt oder mündlich erklärt, welche Maßnahmen in der entsprechenden Situation zu er-greifen seien.

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    Bestes Ergebnis, Zweitkarriere oder Neustart Drei frischgebackene Medizinische Fachangestellte aus Niedersachsen im Porträt: Emily Jacobs, Kerstin Knoke-Jammers und Reza Mohammadi berichten über ihren Beruf, ihre Ausbildung, die Gründe für ihre Berufswahl und ihre Prüfung zu Corona-Bedingungen

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    Die Jahrgangsbesten der Bezirksstelle Oldenburg beglückwünschten der neue Bezirksstellen-vorsitzende Professor Dr. med. Djordje Lazovic (r.) und Ausbildungsberater Dr. med. Norbert Kaiser: Tomke Busboom aus Uplenegen (l.) und Emily Jacobs erzielten die besten Ergebnisse im Einzugsgebiet der Bezirksstelle Oldenburg. Jacobs verzeichnete außerdem mit 95 Prozent niedersachsenweit das beste Resultat.

    Bei den Prüfungsvorbereitungen hat sich Jacobs zudem von Alexandra Gol-lenstede – der „tollen“ Erstkraft der Pra-xis – sehr gut unterstützt gefühlt: „Sie hat viele Fragen beantwortet und mit mir gelernt.“ Außerdem habe sie sich bereits zur Verah (Versorgungsassisten-tin in der Hausarztpraxis) qualifiziert – eine Fortbildung, die sich auch Jacobs nach einigen Jahren Berufserfahrung vorstellen kann. Denn für sie steht fest, dass sie der Allgemeinmedizin treu bleiben will: „Das ist genau das, was mich an dem Beruf so sehr anspricht.“ Zweitkarriere: Kerstin Knoke-Jammers 52 Jahre alt, fünf eigene Kinder, ein Pflegekind und eine pflegebedürftige Mutter in den Neunzigern: Das waren die Bedingungen, unter denen Kerstin Knoke-Jammers ihre Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten in Bramsche, einer Stadt im Landkreis Os-nabrück, antrat. Zuvor hatte sie einige Jahre in der Verwaltung der internisti-schen „Zuckerpraxis“, der Gemein-schaftspraxis ihres Mannes Dr. med. Ewald Jammers und von Dr. med. Tim Wohlberedt, mitgearbeitet. Zunächst seien ihre Tätigkeiten hauptsächlich auf die Praxisorganisation oder die An-meldung beschränkt gewesen. Dabei habe sie bemerkt, dass es ihr gelegent-lich an Fachwissen fehlte. Die Entscheidung, noch einmal eine neue Ausbildung zu beginnen, sei ihr nicht leicht gefallen, räumt die gelernte Industriekauffrau ein: „Aber ich wollte ursprünglich ohnehin einen medizini-schen Beruf erlernen“, erzählt Knoke- Jammers. Außerdem habe sie – unter-stützt von Kindern und Familie – nach all den Jahren Elternzeit der Ehrgeiz

  • gepackt. Deshalb habe sie die Ausbil-dungszeit bewusst nicht reduziert: „Mir hat die Schule sehr viel Spaß bereitet, warum sollte ich mir zusätzlich Stress bereiten und verkürzen?“ Sie sei zwar unter den Auszubildenden in ihrem Jahrgang mit Abstand die Älteste ge-wesen. Trotzdem hätten sich mit der Zeit alle daran gewöhnt und es sei ein gutes Miteinander gewesen – auch in den Lerngruppen. In der „Zuckerpra-xis“ ist es Knoke-Jammers wichtig, kei-ne Sonder- oder Vorzugsbehandlung zu erhalten: „Hier bin ich die Kollegin und nicht die Frau vom Chef“, sagt die frisch absolvierte Medizinische Fach-angestellte, „sonst funktioniert das nicht.“ Dank ihrer positiven Erfahrungen möchte sie anderen in einer ähnlichen Lebenssituation Mut machen, selbst später im Leben noch eine Ausbildung zu beginnen: „Das Alter ist kein Hin-derungsgrund“, betont Knoke-Jam-mers. Sie selbst habe es enorm genos-sen, etwas Neues zu beginnen und da-bei auch den Kopf anzustrengen. Au-ßerdem biete das MFA-Teilzeitmodell zum Beispiel selbst Frauen mit kleine-

    ren Kindern die Möglichkeit, eine Aus-bildung zu absolvieren. „Das lohnt sich jederzeit und man hat im Arbeits-leben einen ganz anderen Status durch solch eine Ausbildung.“

    r Inge Wünnenberg Neustart: Reza Mohammadi Erst 2015 aus Afghanistan nach Deutschland gekommen und im Juli 2020 schon frisch gebackener Medizi-nischer Fachangestellter (MFA)  – die Geschichte des 24-jährigen Reza Mo-hammadi ist die eines erfolgreichen Neustarts in Deutschland. Auf den MFA-Beruf aufmerksam wurde Mo-hammadi über seine Dolmetscher-Tä-tigkeit. Denn schnell nach seiner An-kunft in Deutschland lernte er die deut-sche Sprache und begann, als Dolmet-scher zu arbeiten. Etwa für die Deut-sche Gesellschaft für Allgemeinmedi-zin und Familienmedizin (DEGAM), für die er medizinische Infobroschüren für Geflüchtete in Persisch-Dari über-setzt hat – eine der afghanischen Amts-sprachen. Neben vielen medizinischen Fachbegriffen lernte er dabei auch den MFA-Beruf kennen und war sofort be-

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    geistert. Ein Freund, der selbst die Aus-bildung in einer Praxis begonnen hatte, bestärkte seinen Wunsch, das auch zu machen. „Ich habe dann einfach nach offenen Stellen in meiner Region ge-sucht, mich beworben und es hat ge-klappt“, sagt Mohammadi auf die Fra-ge, wie er den Ausbildungsplatz gefun-den hat. Im November 2017 begann er seine MFA-Ausbildung in der allge-meinmedizinischen Praxis von Dr. med. Jonas Niemann und Lars Kämpfer in Schweskau, wo er seit seinem er-folgreichen Abschluss im Juli weiterhin beschäftigt ist. Was junge Menschen aus Mohamma-dis Sicht für den Beruf mitbringen soll-ten? Ausgeprägte soziale Kompetenzen seien das A und O. Denn als MFA sei es vor allem wichtig, gut mit anderen Menschen umgehen zu können und im Team zu arbeiten. Er habe viel Spaß mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Dass er in seiner Klasse der einzige männliche Absolvent war, stellte für ihn kein Problem dar. Im Gegenteil: „Es sollten noch mehr Jungs den Beruf machen! Einfach, weil es so ein toller Beruf ist“, sagt Mohammadi. Die Arbeit sei jeden Tag aufs Neue interessant und das sei ihm wichtig. Die Vorstel-lung, einen Beruf auszuüben, bei dem er mit Bauchschmerzen zur Arbeit komme, sei für ihn unvorstellbar. Zu-dem böte eine MFA-Ausbildung neben dem Berufsabschluss gerade für Ge-flüchtete viele Vorteile. Er konnte seine Sprachkenntnisse verbessern, hat schnell Anschluss gefunden, Freund-schaften geschlossen und viele Be-kanntschaften gemacht: Für ihn – ne-ben der spannenden Tätigkeit – tolle Nebeneffekte seiner MFA-Ausbildung. Zwar seien Deutschkenntnisse eine wichtige Voraussetzung und es sei an-fangs eine Herausforderung, alles zu verstehen, aber man müsse die Sprache nicht schon von Anfang an perfekt be-herrschen. Mohammadi ist überzeugt, mit Neugierde, Mühe und viel Übung ist das zu schaffen – er ist das beste Beispiel dafür. r Esther Schmotz

    Eine Freisprechung im kleinen Kreis unter Corona-Bedingungen fand ebenfalls in der Bezirksstelle Osnabrück statt: Der Bezirksstellenvorsitzende Dr. med. Steffen Grüner beglückwünschte gemein-sam mit Bezirksstellen-Mitarbeiterin Maria Dreyer (hintere Reihe, v.l.n.r.), Dr. med. Karin Bremer und Anke Wübker vom Prüfungsausschuss die MFA-Absolventinnen (mit Zeugnissen, v.l.n.r.) Mareike Christoph, Marie Winking, Kerstin Knoke-Jammers, Celina Ditz und Laura Hermann.

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    Trotz Pandemie ein Abschluss für 1.341 Keine Freisprechungen für Medizinische Fachangestellte im großen Kreis: Fast alle ÄKN- Bezirksstellen ehrten nur die besten Absolventen aus ihrem Zuständigkeitsbereich.

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    Trotz Corona-Krise zeigten Ricarda Vinke (v.l.n.r.), Lara Heitker und Sophie Müller bei ihrer Abschlussprüfung in der Bezirksstelle Aurich äußerst gute Leistungen.

    Alexandra Friedrich erzielte unter den Absolventen der Bezirksstelle Lüne-burg das beste Ergebnis.

    Tanja Kestner (l.) und Katarzyna Buczma erhielten als zwei der drei Besten ihres Jahrgangs im Rahmen einer kleinen Freisprechungsfeier in der Bezirksstelle Hildesheim ihre Zeugnisse und eine Rose.

    Viel Unsicherheit herrschte in diesem Frühjahr auf Seiten der Auszubildenden, die in diesem Sommer ihre Abschluss-prüfungen absolvieren sollten. Würden die meisten von ih-nen – wie geplant – in den Beruf starten können? Am Ende machten die Ärztekammer-Bezirksstellen es mit großem Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich, dass die Prüfungen jeweils mit einem individuellen Konzept stattfinden konnten. Mit 1.341 Absolventinnen und Absol-venten war die Zahl der erfolgreichen Prüflinge sogar noch größer als im Vorjahr, als 1.200 frischgebackene Medizini-

    sche Fachangestellte ihre Urkunden und Zeugnisse noch in einem größeren Rahmen in Empfang nehmen konnten. Auch wenn im Corona-Jahr 2020 nur jeweils die Besten in den Bezirksstellen auf Abstand geehrt werden konnten, ver-meldeten die Bezirksstellen insgesamt gute Ergebnisse und zahlreiche Absolventinnen und Absolventen: Aurich  97, Braunschweig 179, Göttingen 94, Hannover 318, Hildes-heim  40, Lüneburg  72, Oldenburg  185, Osnabrück  161, Stade 64, Verden 82 und Wilhelmshaven 49.

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    Melina Priebe (vorn, v.l.n.r.), Anneke Lischewski und Lisa Tschenisch wurden für die drei besten Resultate ihres Jahrgangs in der Bezirksstelle Braunschweig von der Bezirksstellenvorsitzenden und ÄKN-Vize-präsidentin Marion Charlotte Renneberg (hinten links) und Dr. med. Renate Maria Koppe als Vorsitzende des Prüfungsaus-schusses und ehrenamtliche Ausbildungs-beraterin auf Abstand beglückwünscht.

    Ehrung der Jahrgangsbesten Jana Hoppe (v.l.n.r.), Bianca Maaß und Celina Arnold in Wilhelmshaven durch den Bezirksstellenvorsitzenden Jens Wagenknecht (hinten links), dem kommissarischen BZ-Geschäftsführer Ulf Herlyn und die Vorsit-zende des Prüfungsausschusses Ute Paumann.

    Diesmal nicht in der Aula der Georg-August-Uni-versität, sondern in den eigenen Räumen beglück-wünschte die Bezirksstelle Göttingen mit Isabel Prochnow (vorne), Clara Glätzner (rechts) und The-resa-Sophie Weska (hinten) die Besten aus ihrem Zuständigkeitsbereich.

    Das beste Prüfungsergebnis der Bezirksstelle Stade erzielte in die-sem Jahr Cynthia Osse, die von dem Bezirksstellen-Vorsitzenden Dr. med. Volker von der Damerau-Dambrowski (r.) und Geschäftsführer Timo Schwarz auf Abstand beglück-wünscht wurde.

  • Kasuistik Bei einer 41-jährigen Patientin war als eine Besonderheit bei einer ersten Geburt ein Uterus duplex und ein Schei-denseptum festgestellt worden. Die betreuende Gynäkologin wurde darüber durch den Arztbrief der Klinik informiert. Es bestanden außerdem noch Fehlbildungen der ableitenden Harnwege. Nach ihrem zweiten Kind entschied sich die Patientin auf-grund der finanziellen Situation für eine Empfängnisverhü-tung mit der Hormonspirale Mirena. Es erfolgte zur Vorbe-reitung eine Sonografie, bei der die Gynäkologin keine Auf-fälligkeiten – insbesondere keinen Uterus duplex – feststellte. Die Einlage wurde komplikationslos vorgenommen. Die Patientin wurde erneut schwanger. Im Entlassungsbrief zur dritten Geburt ist notiert: „Uterus duplex mit Mirena im nicht-graviden Horn.“ Die Patientin wechselte daraufhin die Gynäkologin. In der Kartei ist dort vermerkt: „Partner ist sterilisiert.“ Auf einem Ultraschallbild ist eindeutig ein Uterus duplex zu erkennen. Die Hormonspirale sei für die Empfängnisverhütung gänz-lich ungeeignet gewesen. Die erstbetreuende Gynäkologin habe dies gewusst.

    Stellungnahme der in Anspruch genommenen Ärztin Die Gynäkologin trägt vor, dass in dem Arztbrief zur ersten Geburt nur die Rede davon gewesen sei, dass eine Verlet-zung der Scheide unter dem Verdacht eines Scheidensep-tums und eines Uterus duplex aufgetreten sei. Dies habe sich bei den Nachuntersuchungen nicht bestätigt, zu keinem Zeitpunkt sei eine zweite Zervix festgestellt worden. Gutachten Der Entlassungsbericht zur ersten Geburt beschreibe explizit eine doppelte Anlage der Gebärmutter und der Scheide. Dies werde auch im Operationsbericht detailliert beschrie-ben, die Diagnose müsse als gesichert gelten. Alle vorliegenden Ultraschallbilder der Gynäkologin hätten eine Darstellung des Uterus im Längsschnitt gezeigt. Eine Aufnahme im Frontalschnitt liege bei den 28 Vaginalsono-grafien nicht vor. Eine Untersuchung der Gebärmutter in zwei Ebenen sei jedoch eindeutig Standard, um Auffällig-keiten wie die hier Vorliegende zu entdecken. Wenn dieser Standard eingehalten worden wäre, wäre bei der Vielzahl von Vaginalsonografien im Laufe der Zeit die Doppelbildung aufgefallen. Auf dem Bild im Frontalschnitt, das von der

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    Ein Kind ist kein Schaden: Existiert trotzdem ein Anspruch auf Schadenersatz? Von Fall zu Fall: Aus der Praxis der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern

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  • nach der dritten Geburt weiter behandelnden Gynäkologin angefertigt worden sei, sei der Uterus duplex eindeutig zu erkennen. Im Falle einer solchen Fehlbildung dürfe keine intrauterine Verhütung angewendet werden. Bei angeborenen Nieren-fehlbildungen komme es häufig zu parallelen Fehlbildungen des inneren Genitale. Daher hätte bei den gynäkologischen Untersuchungen darauf besonderes Augenmerk gelegt wer-den müssen. In Kenntnis der Diagnose „Uterus duplex“ hätte kein Intra-uterinpessar eingesetzt werden dürfen. Zweifel an der Rich-tigkeit der Diagnose eines Uterus duplex hätten spätestens vor Einsetzen des IUP ausgeräumt werden müssen. Bewertung durch die Schlichtungsstelle Die Schlichtungsstelle schloss sich dem Gutachten an. Bei korrektem Vorgehen  – alternative Kontrazeption anstelle des IUP — wäre es mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht zu einer weiteren Schwangerschaft gekommen. Allein fehlerbedingt ist nochmals eine dritte Schwangerschaft ein-getreten. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die mit der Geburt eines nicht gewollten Kindes für die Eltern verbundenen wirtschaftlichen Belastungen, insbe-sondere die Aufwendungen für dessen Unterhalt, nur dann als ersatzpflichtiger Schaden auszugleichen, wenn der Schutz vor solchen Belastungen Gegenstand des jeweiligen Behandlungsvertrags war. Dies war hier der Fall.

    Fazit Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil (BVerfG, Urteil v. 28. Mai 1993, Az.: 2 BVF 2/90) festgestellt, dass die Würde des Menschen (Art. 1 GG) es verbietet, das Kind als Schadensposten einzuordnen. Der Bundesgerichtshof hat dies dann insofern eingeschränkt, dass Unterhaltskosten eines nicht geplanten Kindes einen ersatzfähigen Schaden darstellen, da lediglich nach § 249 BGB zwei Vermögens-lagen miteinander verglichen werden (BGH, Urteil vom 28. März 1995, Az. VI ZR 356/93). Das Bundesverfassungsgericht hat dem zugestimmt (BVerfG, NJW 1998, 519). Voraussetzung ist aber, dass der Behand-lungsvertrag zum Zweck der Schwangerschaftsverhütung geschlossen wurde. Als die Gynäkologin die Spirale als Verhütungsmethode anbot und die Patientin dieses Angebot annahm, kam ein solcher Vertrag zustande.

    Professor Dr. med. Wolfgang Heidenreich Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Ärztliches Mitglied der Schlichtungsstelle Christine Wohlers Rechtsanwältin der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflicht-fragen der norddeutschen Ärztekammern Professor Dr. med. Walter Schaffartzik Ärztlicher Vorsitzender der Schlichtungsstelle für Arzt-haftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern

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    Recht

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    Nicht jeder Ultraschall ist geeignet, um Uterusfehlbildungen zu erkennen.

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  • Bei einer Fallanalyse handelt es sich in diesem Setting um die retrospektive systematische und systemische Aufar-beitung unerwünschter, das heißt eher behandlungs- denn erkrankungsbezo-gener Ereignisse. Durch die im Zuge der Aufarbeitung eines Falls abgelei-teten Maßnahmen, deren Umsetzung und Evaluation dienen Fallanalysen idealerweise der dauerhaften Erhö-hung der Patientensicherheit. Die pro-fessionelle Durchführung setzt ent-sprechende Rahmenbedingungen wie

    beispielsweise qualifizierte Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter, die syste-matische Fallauswahl anhand zuvor festgelegter Kriterien, die Klärung da-tenschutzrechtlicher Aspekte oder die Regelung der Beteiligung von Füh-rungskräften innerhalb des Analyse-prozesses voraus. Zu oft besteht aber noch Unklarheit über die Methodik sowie den damit verbundenen Nut-zen. Außerdem werden häufig die be-nötigten Ressourcen nicht zur Verfü-gung gestellt.

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    Patientensicherheit

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    Fallanalyse in sieben Schritten Das Ziel ist, die Frequenz von Fallanalysen zu erhöhen und die Ergebnisse zu verbessern: Die Expertengruppe „Fallanalyse“ des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS) hat unter Leitung von Angela Herold eine Handlungsempfehlung herausgegeben.

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