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5550 Jahre BergBau und Kupferverhüttung in tirol Cuprum Tyrolense

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5550 Jahre BergBau und Kupferverhüttung in tirol

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© Montanwerke Brixlegg AG, 20131. AuflageAlle Rechte vorbehaltenHerausgeber: Montanwerke Brixlegg AG, Klaus Oeggl, Veronika SchafferVerlag: Edition Tirol, www.edition-tirol.atRedaktion: Veronika SchafferGraphik: Effekt! www.effekt.it

ISBN-13 978-3-85361-171-5

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Die wirtschaftliche, demographische und soziale Entwicklung Brixleggs

Der Name „Brixlegg“

Der früheste Beleg für den Namen „Brixlegg“ stammt aus dem Jahr 788. In der sogenannten „Notitia Arnonis“, auch „Indiculus Arnonis“ ge-nannt, scheint der Ort als „Prisslech“ auf. Bei diesem Dokument handelt es sich um ein Besitz-verzeichnis der Salzburger Diözese, das Bischof Arn um 790 anlegen ließ. Dort finden neben Brixlegg auch zahlreiche andere Orte im heuti-gen Süddeutschland und Österreich ihre erste urkundliche Erwähnung. Leider ist es nicht im Original erhalten, es existieren jedoch mehrere Abschriften. Die älteste davon stammt aus dem 12. Jahrhundert und befindet sich in Salzburg. Die Stelle lautet:„[...] In pago qui dicitur inter valles:ad Ratfeld ecclesia cum territorio,ad Prisslech similiter [...].“

Übersetzung: „Im Gau, der „Zwischen den Tälern“ genannt wird: in Radfeld eine Kirche mit Landbe-sitz, in Brixlegg ebenso.“

In Urkunden der folgenden Jahrhunderte finden sich die unterschiedlichsten Schreibweisen des Namens (976: Prislecca, 1231-34: Prichslekke, 1270: Priselekk, 1374: Prichslek, 1521: in der Brichslegg…), die heute übliche Schreibung hat sich erst im 18. Jahrhundert vollständig durchgesetzt. Frühe Beispiele für die heutige Schreibung finden sich in einer Tirol-Karte des Warmund Ygl von 1604/05 (Abb. 2) sowie auf einem Bild des Künstlers Hilari-us Duvivier, das aus der Zeit um 1610 stammt und als „Jagdbild“ bekannt ist (Rebitsch F. 1988b:357).

beTTina anzingerInstitut für Geschichtswissen- schaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck

Zusammenfassung

Siedlungen in und um die heutige Marktge-meinde Brixlegg sind bereits seit der Bron-zezeit bezeugt. Die erste urkundliche Erwäh-nung erfolgte im Jahr 788 im sogenannten „Indiculus Arnonis“. Brixlegg hatte Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung im Zuge des zunehmenden Kupfer- und Silberbergbaus der Region und war auch Standort einer Kup-ferhütte, die vom bayerischen Herzog Ludwig

„dem Reichen“ begründet wurde. Diese ist 1463 erstmals belegt und war bis in die heu-tige Zeit fast ununterbrochen in Betrieb. Auch die Lände am Brixlegger Innufer als wichtige Station der Innschifffahrt trug im Mittelalter und in der frühen Neuzeit zur wirtschaftlichen Bedeutung der Siedlung bei. Seit dem 19. Jahr-hundert kam der Tourismus als wesentlicher Wirtschaftszweig dazu.

Abb. 1: Ausschnitt aus dem „Indiculus Arnonis“ (© Erzabtei St. Peter, Stiftsarchiv).

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Bettina
Typewriter
Anzinger, Bettina, Die wirtschaftliche, demographische und soziale Entwicklung Brixleggs, in: Oeggl, Klaus/Schaffer, Veronika (Hrsg.), Cuprum Tyrolense. 5550 Jahre Bergbau und Kupferverhüttung in Tirol. Reith i. A. 2013), 271–283.
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Der Namensbestandteil Brix- ist in mehreren keltischen Namen (zum Beispiel Brixen, A., I. < Brixina; Brescello, I. < Brixellum; La Bresse, F. < Brixia) anzutreffen und geht auf die keltische Wurzel *brig- „Hügel, Anhöhe“ zurück (Finsterwal-der 1990:566). Diese ist etymologisch verwandt mit neuhochdeutsch Berg, da sich beide von der indogermanischen Wurzel *bherĝh- „Höhe, Hügel“ ableiten (Matasović 2009, Lemma „brig“; Köbler 2000, Lemma „*bherĝhos“). Unwahrscheinlich sind Herleitungen des Namens vom heiligen Brictius oder dem Volk der Brixentes.

Zum Suffix -(l)egg gibt es verschiedene Thesen. Finsterwalder sieht darin das romanische Suffix -ecca mit ungeklärter Bedeutung (Finsterwalder 1990:567). Das deutsche Ortsnamensuffix -eck kann nicht nur „Ecke, Winkel“, sondern auch „Fel-senspitze, Berghang“ (DWB, Lemma „ecke, f.“) bedeuten und ist Teil vieler Burgnamen.

Damit ist eine Interpretation des Namens als „befestigte Siedlung auf einer Anhöhe“ möglich,

welche recht gut zur prähistorischen Siedlung am Mariahilfbergl passen würde. Dort wurden zahlreiche, bis zu 6000 Jahre alte Fundstücke entdeckt. Ein Stück Kupferschlacke wird der Münchshöfener Kultur zugeordnet und ist der früheste Hinweis auf Kupferverhüttung in der Region. Der Fund eines Schiffsmodells der Frit-zens-Sanzeno-Kultur aus Keramik ist das älteste Indiz für Schifffahrt auf dem Inn (Huijsmans 2001:18; Huijsmans dieser Band).

Zur Zeit der römischen Herrschaft verlief im Inn-tal eine „Via vicinalis“ (Provinzstraße). Bei Brixlegg befand sich eine Post- und Pferdewechselstation mit dem Namen „Masciacum“, von dem sich der Name „Matzen“ ableiten dürfte. Unwahrschein-lich ist, dass sie sich an dem Platz befunden hat, an dem später das Schloss Matzen erbaut wurde. Stattdessen käme ein Standort am Mühlbichl infrage (Rebitsch W. 1988a:102). Der Verlauf deckt sich möglicherweise sogar in etwa mit dem der heutigen Römerstraße.

Abb. 2: Ausschnitt aus der Karte des Warmund Ygl (© Tiris Historische Kartenwerke, Land Tirol).

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Brixlegg im Mittelalter

Etwa um das Jahr 560 begannen Baiuwaren im Unterinntal bis hinauf zur Zillermündung zu siedeln und verdrängten langsam die an-sässige romanische Bevölkerung. Die früheste Erwähnung Brixleggs findet sich in der oben bereits erwähnten „Notitia Arnonis“. Anlass für deren Entstehung war der Sturz des bayerischen Herzogs Tassilo III. durch Karl den Großen und die Eingliederung des Herzogtums Bayern ins Fränkische Reich. Im Zuge der politischen Umwäl-zungen wollte sich der Bischof die Kirchen und Ländereien seines Bistums, die es von den bay-erischen Herzögen und Adeligen erhalten hatte, durch Karl bestätigen lassen (Lošek 2006:11-12). Zu diesen Ländereien gehörten neben Brixlegg sieben weitere Siedlungen des Unterinntals.Die erwähnte Kirche wurde am Standort der heutigen spätgotischen Pfarrkirche vermutet. Bei Untersuchungen der Fundamente der Kirche konnten aber keine Hinweise auf eine ältere Kirche am selben Standort entdeckt werden (Kaltenhauser 1988:203). Der Standort der alten karolingischen Kirche bleibt damit unbekannt.Eine weitere frühe Quelle zur Geschichte Brixleggs ist das Rattenberger Salbuch, ein Be-sitzverzeichnis vom Beginn des 15. Jahrhunderts, das 1415/1416 im Auftrag des bayerischen Herzogs Ludwig VII. „des Bärtigen“ erstellt wurde. Solche Salbücher wurden zur gleichen Zeit auch für Kuf-stein und Kitzbühel angefertigt. Das Kufsteiner Salbuch ist allerdings nicht erhalten. Zu dieser Zeit gehörten die drei Landgerichte Kufstein, Rattenberg und Kitzbühel zum Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt, das 1445 an Bayern-Landshut fiel. Salbuch ist eine andere Bezeichnung für ein Urbar, ein Verzeichnis, in dem sämtlicher Landbesitz und die dem Eigentümer daraus zu-stehenden Einkünfte notiert werden. In dem Wort steckt das mittelhochdeutsche Wort sal (von althochdeutsch sala „Besitzübertragung“).Das Rattenberger Salbuch ist ein für die Zeit außergewöhnlich ausführliches Besitzverzeich-nis. Es enthält nicht nur die für Urbare üblichen Angaben zur Größe der einzelnen Güter und den zu leistenden Abgaben, sondern gibt darüber

hinaus auch über Abhängigkeitsverhältnisse der Bauern vom Grundherrn, die Familie der Bauern sowie über den Viehbestand Auskunft (Bachmann 1970:13-14; Rebitsch F. 1988a:119). Auch ist es nicht das Besitzverzeichnis nur einer Grundherrschaft, sondern aller, geistlicher und weltlicher, Grundherrschaften des Gerichts.

Nach den Angaben im Rattenberger Salbuch war Brixlegg zu dieser Zeit noch eine agrarische Siedlung. In Brixlegg und Zimmermoos werden insgesamt 38 Gebäude genannt, die meisten davon Bauerngüter, aber auch vier Mühlen (Re-bitsch F. 1988a:121-124). Die Abgaben wurden zum Teil in Münzgeld und zum Teil in Naturalien, vor allem Wein und Vieh, geleistet. Von diesen Wein-abgaben wurde bereits auf besonders günstiges Klima und intensiven Weinbau in der Region geschlossen, wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Bauern den Wein aus Südtirol kauften (Brand-stätter 1999:36).

Die Haupteinheiten in den Urbaren sind die Bau-erngüter, auch „Huben“ oder „Lehen“ genannt, deren Inhaber als „Hintersassen“ oder „Grundhol-den“ bezeichnet werden. Bereits im Mittelalter gab es auch außerhalb der Städte Menschen, die keiner landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgingen. Diese sogenannten Kleinhäusler waren bis zum Beginn der Neuzeit noch eine Seltenheit, da Ge-werbeausübung auf die Städte konzentriert blieb. Die Behausungen der Kleinhäusler nennt man Kleinhäuser, Söllhäuser, Selden oder Keuschen. Im Rattenberger Salbuch von 1416 werden für das gesamte Landgericht Rattenberg von 851 Häusern nur 22 Selden („Gütel und Selden“) ge-zählt (Jäger 1988:203).

In den drei bayerischen Gerichten war bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts die Lehensform des Freistifts üblich, bei dem der Grundherr die Hin-tersassen jährlich abstiften, also ihnen das Lehen kündigen konnte. Mit der Zeit setzte sich auch hier die im benachbarten Tirol bereits früher aufgekommene Erbleihe durch (Biasi 1974:43).

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Aufschwung der Siedlung als Standort der Hüttenwerke

Die Bedingungen für die Ansiedelung von Schmelzhütten waren in Brixlegg optimal. Die Bergwerke der unmittelbaren Umgebung lie-ferten Erze und auf dem Inn konnten Erze aus nahe gelegenen Bergrevieren, wie Schwaz und Kitzbühel, zur Hütte transportiert werden. Die Lände (Anlegestelle) am Inn befand sich direkt unterhalb der Hütte, etwa beim heute noch be-stehenden „Troadkasten“. Sogar von jenseits des Brenners gelegenen Bergwerken wie Klau-sen und Sterzing wurden Erze angeliefert, ab Hall per Schiff. Zum Betrieb der Schmelzöfen benötigte man Holzkohle. Dazu wurde Holz aus Brandenberg und dem Zillertal zum Inn gebracht, in Kohlemeilern verkohlt und am Inn zur Hütte transportiert. Eine solche Kohlstätte neben der Zillermündung zeigt eine Abbildung aus dem Schwazer Bergbuch von 1556 (Abb. 3).

Die erste Erwähnung der Brixlegger Hütte stammt aus dem Jahr 1463. Die Hütte selber ist mit Sicherheit etwas älter, da bereits in der Bergwerkserfindung zu Rattenberg von 1447 ein geschworener Silberbrenner erwähnt wird (Mutschlechner 1988a:63).

Der Begründer der Hütte war Ludwig IX. „der Reiche“ Herzog von Bayern-Landshut (1417-1479). Dieser Reichtum beruhte hauptsächlich auf dem Besitz der Bergwerke in den Gerichten Ratten-berg und Kitzbühel. Nachdem sein Sohn Georg kinderlos gestorben war, kam es 1504 zum so-genannten Landshuter Erbfolgekrieg, in dessen Folge die drei Gerichte Kufstein, Rattenberg und Kitzbühel an Maximilian I. fielen. Damit kam die im Gericht Rattenberg befindliche Hütte in den Besitz des Tiroler Landesfürsten. Anders als unter

Abb. 3: Ansicht des Kogls „Das Pirg, genannt der Kogl, ligt ain halbe Meil ob Rattenberg am Ziler. Ist vil Jar her daran Arzt gehawen, davon der kuniglichen Majestät von yeder Markh Silber 30 Kreuzer bezalt worden. Gehert in das Perkhgericht Rattenberg.“ Rechts im Bild der Ziller, links St. Gertraudi mit der Burg Kropfsberg, zahlreiche Gruben-gebäude mit Halden am Kogl und davor am Inn einige Kohlenmeiler (© Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck, Dip 856 Blatt 3).

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den bayerischen Herzögen konnten in dieser nun auch private Unternehmer ihr Erz schmelzen.Neben der landesfürstliche Hütte gab es in Brixlegg einige private Schmelzhütten. Einer dieser Schmelzhüttenbesitzer war Siegmund Fie-ger (die alte Schreibweise des Namens, „Fueger“, verleitet zur Verwechslung mit den Fuggern), der Sohn von Hans Fieger und Christina Tänzl. Ihm wurde 1517 ein Platz in Mehrn zur Errichtung

eines Hüttenwerks verliehen. Er war Gewerke und Schmelzhüttenbesitzer, sowie ab 1521 Be-sitzer von Schloss Matzen. Zudem unterhielt er in Schwaz ein weithin bekanntes Probierlabor, in dem Paracelsus die Probierkunst und die Alche-mie erlernte (Soukup 2007:210-213). Zwischen diesen beiden Disziplinen gab es im 16. Jahr-hundert noch keine strikte Trennung (Soukup 2007:142).

Bevölkerungsentwicklung

Einen Indikator für die Bevölkerungs- und Be-schäftigungsstruktur stellt die Zahl der Selden dar. Der Begriff „Selde“ (mittelhochdeutsch selde von althochdeutsch salida) wird für ein Haus, das kein Bauerngut ist, verwendet. Diese sind in Tirol bereits im 13. Jahrhundert belegt, aber noch sehr selten. Erst ab dem 16. Jahrhundert kommt es zu einer starken Zunahme. Voraussetzung war ein wachsendes Angebot an nichtbäuerlicher Arbeit. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts setzte sich im Unterinntal das Anerbenrecht mit geschlossener Hofübergabe durch, was zur Folge hatte, dass nichterbende Söhne ander-weitig Beschäftigung finden mussten. Im Osten Nordtirols führte dies zu einer weitaus höheren Seldendichte als im Westen, wo die Realteilung vorherrschend war. Die Bewohner der Selden hatten eine sozial niedrigere Stellung inne als die Bauern, da sie außer einem kleinen Haus mit Krautgarten keinen Grundbesitz hatten. Sie arbeiteten vor allem als Bergleute, Handwerker und Tagelöhner.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Brixlegger Hüttenwerk bildeten sich Seldenviertel, die zu einem großen Teil von Erzknappen und Hüt-tenarbeitern bewohnt waren (Jäger 1988:208-210). Zum Teil, beispielsweise in Zimmermoos,

siedelten die Knappen inmitten der bäuerlichen Bevölkerung.

Die gesamte Bevölkerung Brixleggs (inklusive Zimmermoos und Mehrn) wurde für 1635 auf 700 Einwohner geschätzt (Rebitsch F. 1988b:357). Über die soziale Zusammensetzung der Brixlegger Bevölkerung in der ersten Hälfte des 17. Jahr-hunderts kann die „Steuerberaitung des Landge-richtes Rattenberg“ aus dem Jahr 1630 Auskunft geben. Sie zeigt für Brixlegg eine extrem hohe Zahl der Söllhäuser oder Selden auf. Von den ins-gesamt 121 Häusern waren bloß 31 Bauernhäuser, 90 dafür Selden (Jäger 1996:118). Die Bauerngüter befanden sich dabei alle im Zimmermooser Vier-tel (Jäger 1988:204). Ähnlich hohe Seldenanteile wie Brixlegg wiesen Kramsach und Kundl auf, die ebenfalls Schmelzhüttenstandorte waren. Im gesamten Landgericht Rattenberg lag der Seldenanteil weit darunter bei etwa einem Drittel der Häuser. Über die Grenzen des Landgerichts hinausschauend finden sich hohe Seldenanteile vor allem in Hütten- und Bergbauzentren sowie entlang wichtiger Verkehrswege und im Umkreis der Gerichtssitze (Jäger 1988:506-507).

Tab. 1: Häuserstatistik aus der „Steuerberaitung des Landgerichts Rattenberg“ von 1630.

Häuser Bauernhöfe Selden Zimmermooser Viertel 63 31 32 51%Brixlegger Viertel 58 - 58 100%Brixlegg gesamt 121 31 90 74%Landgericht Rattenberg 1455 979 476 33%

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Eine der frühesten bildlichen Darstellungen von Brixlegg ist die sogenannte „Grenzkarte“ des Hilarius Duvivier aus der Zeit um 1635 bis 1637. Am markantesten ist der Komplex der Schmelz-hütte mit ihren vielen rauchenden Schloten dar-gestellt. Das Areal der Hütte reichte noch bis an die durch den Ort verlaufende Hauptstraße (heute die Marktstraße) heran und ist von einer durchgehenden Mauer umgeben, in der zwei Eingangstore sichtbar sind.

An dieser Straße befinden sich noch weitere bekannte Gebäude. Links davon ist die Kirche ab-gebildet, deren Einweihung 1520 gefeiert wurde. Im Gegensatz zur Rattenberger Pfarrkirche, die zwei Schiffe besitzt, das eine für die Bürger und das andere für die Knappen, wurde die Brixleg-ger Kirche einschiffig angelegt, da sie ohnehin hauptsächlich für die Berg- und Hüttenleute gedacht war. Brixlegg erfuhr die Ernennung zur eigenständigen Pfarre 1891. Bis zu diesem Zeit-punkt erfolgte die seelsorgerische Betreuung der Gemeinde durch die Pfarre Reith und die Rattenberger Augustiner.

Das gemauerte Gebäude im Vordergrund der Abbildung ist das heutige Gemeindeamt, zuvor das Gasthaus „Goldener Hirsch“. Dessen Umfas-sungsmauer führt nach hinten zu einem kleine-

ren Gebäude, bei dem es sich um den Eingang zum Stollen „Kaspar“ handeln dürfte. Rechts davon sind die Ruinen der Burg Mehrnstein zu erahnen. Der „Goldene Hirsch“ war 1730 im Besitz von Johann Jakob Jud, eines Hüttenbeamten, von dem sich die Bezeichnung „Judenwirt“ für dieses Haus ableitet. Darunter, am Bildrand, ist noch das Kupferschmiedhaus erkennbar, zu dem schon 1521 die Arbeit eines Kupferschmiedes belegt ist. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, dem „Goldenen Hirschen“ schräg gegenüber, befindet sich ein weiteres gemauertes Gebäude, in dem seit etwa der Mitte des 16. Jahrhunderts die Hüttenverwaltung untergebracht war. Ab 1814 beherbergte es auch die Forstverwaltung, von der sich der Name „Waldmeisterhaus“ ableitet. Ungefähr zu der Zeit muss es auch aufgestockt worden sein. In dieser Form ist es erhalten und heute unter dem Namen Judenstock bekannt, der vermutlich ebenfalls wieder auf Johann Jakob Jud zurückgeht (Rebitsch F. 1988b:352-353). Bei den Holzhäusern dürfte es sich um Häuser der Hüttenarbeiter handeln.

Abb. 4: Ausschnitt aus der „Grenzkarte“ des Hilarius Divivier von ca. 1635 (Rebitsch F. 1988b:351) (Privatbesitz der © Familie Inama-Sternegg, Burg Lichtwehr, mit freundlicher Genehmigung).

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Soziale Situation

Aus dem Jahr 1468 ist eine Urkunde der Bruder-schaft der Bergleute zu Rattenberg überliefert, in der ihre Aufgaben dargestellt und die Mitglieder verzeichnet wurden. Wie die meisten anderen Bruderschaften der Zeit erfüllte auch diese einen mehrfachen Zweck: Sie trug zum religiösen wie zum sozialen Wohlergehen der Brüder bei. Jedes Mitglied zahlte in die Bruderlade ein, aus der Messen und Kerzen gestiftet sowie Renten für vorübergehend oder permanent arbeitsunfähig gewordene Brüder und Begräbnisse bezahlt wur-den (Metzler 1963:23-25).

Einen tieferen Einblick in die Tätigkeiten der Bruderschaft der Bergleute zu Rattenberg gibt eine Abrechnung aus den Jahren 1749 bis 1751. Der Hüttenverwalter, der Hüttenkassier und der Hüttenbuchhalter scheinen gleichzeitig leitende Funktionen in der Bruderschaft innegehabt zu haben, da sie auf der Besoldungsliste aufschei-nen. Weitere Funktionäre waren die Mitglieder eines nicht näher definierten Ausschusses. Unter den Ausgaben sind unter anderem Gottesdiens-te, Sold der Funktionäre und Zahlungen an ge-schädigte Hüttenwerksarbeiter verzeichnet. Die

Pfarre Reith und die Rattenberger Augustiner teilten sich, wie bereits erwähnt, die Seelsorge in der Brixlegger Kirche „Zu St. Josef“ (heute heißt sie „Zu Unserer Lieben Frauen Vermählung“), und wurden von der Bruderschaft entsprechend ent-lohnt (Metzler 1963:52-53). Arztkosten scheinen in der Abrechnung keine auf, da der Rattenber-ger Stadtphysikus vom Schmelzhüttenamt zu Brixlegg eine Pauschale von jährlich 12 Gulden erhielt, damit er die Hütten- und Kohlearbeiter unentgeltlich behandelte.

Von Joseph II. wurden 1784 im Zuge seines Re-formprogramms die Bergwerksbruderschaften als religiöse Vereinigungen aufgelöst, die Bruder-laden als karitative Einrichtungen blieben jedoch erhalten. Wenige Zeit später, im Jahr 1786, wurde Brixlegg zur Lokalkaplanei erhoben, zur Pfarre aber erst 1891, über 100 Jahre später. Ebenso finanzierte das Hüttenamt eine grundlegende Schulbildung für die Berg- und Hüttenarbei-ter. Die Motivation dazu war offenkundig nicht Wohltätigkeit, sondern Sorge um geeigneten Nachwuchs.

Abb. 5: Kupferschmiedhaus (© Foto: B. Anzinger). Abb. 6: Pfarrkirche „Zu Unserer Lieben Frauen Vermäh-lung“, früher „Zu St. Josef“ (© Foto: B. Anzinger).

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„Vom löbl.(ichen) Hofkammeramt vom 1. Juni 1711. Nach fürstl.(ichem) Willen darf künftighin kein Hütt- oder Hutmann mehr aufgenommen werden, welcher nicht lesen oder schreiben kann. Hierentgegen es viele bedürftige Schmölz- und andere Bergwerksleut gibt, welche die Mittel nit haben, ihre Kinder dergleichen lernen zu lassen, so habt ihr ein Anstalt zu machen, daß es 6 oder 8 aufgeräumten Buben von Schmölzern und Knap-pen, gleich wie es zu Schwaz geschieht, zu Brixlegg zu einer tauglichen Person getan und selbe in lesen und schreiben unterrichtet und folglich die Kosten von dem Hüttamt gut gemacht werden.“(Metzler 1963:54-56)

Im Jahr 1758 betreute der Schullehrer bereits 12 Schüler und erhielt dafür 20 Gulden jährlich (Metzler 1963:54-56).

Zusätzlich wurde die soziale Absicherung der Bergleute früh obrigkeitlich verankert. In den Bergordnungen Herzog Georgs wird die Arbeit auf acht Stunden pro Tag beschränkt, die Ent-lohnung von Überstunden und Nachtschich-ten und die Feiertagsruhe festgelegt, die Löh-ne und das Beschwerderecht der Bergarbeiter wurden geregelt und für die Gruben wurden Sicherheitsmaßnahmen vorgeschrieben (Metzler 1963:26-27). Maximilian erließ für die Bergwerke bei Schwaz zwischen 1490 und 1518 zahlreiche Bergordnungen, die „Schwazer Erfindungen“. In diesen vermischten sich ältere Gewohnheitsrech-te und jüngere landesfürstliche Anordnungen. Dieses Schwazer Bergrecht war die Grundlage für die Bergrechte vieler anderer Reviere und hatte nach dem Übergang an Tirol auch im Landgericht Rattenberg Gültigkeit.Eine Zusammenfassung der besonderen Rechte der Bergwerksverwandten findet sich im „Schwa-zer Bergbuch“ von 1556. Die Bergwerksverwand-ten genossen besondere Freiheitsrechte. Davon war das Recht der Freizügigkeit, das heißt das Recht zur freien Wahl des Wohnortes, besonders wichtig. Dadurch waren die Berg- und Hütten-leute eine der mobilsten Bevölkerungsgruppen der Zeit. Ebenso waren sie von allen Zöllen und Steuern befreit. Mehrmals jährlich wurden die „gemainen Perckhrechte“ (Sitzungen des Bergge-richts) abgehalten. In den öffentlichen Verhand-lungen konnten alle Bergwerksverwandten Klage

erheben, beispielsweise um ausstehende Löhne einklagen. Streitfälle wurden, wenn es nicht zu einer gütlichen Einigung durch Vermittlung des Berggerichts kam, durch das Urteil des Bergrich-ters und der Geschworenen entschieden. Nur Verhandlungen zu schweren Vergehen wurden an das Landgericht übergeben (Bartels et al. 2006:643-645).

Diese Sonderrechte der Bergwerksverwandten wurden mit der Notwendigkeit begründet, für die gefährliche Arbeit, die Spezialkenntnisse erforderte, besondere Anreize zu schaffen. Ei-nige dieser Rechte wie die Feiertagsruhe und der 8-Stunden-Tag dürften jedoch nicht immer eingehalten worden sein. Dies war neben Ar-beitsvorschriften zum „dreifachen Scheidwerk“ und fortschreitender Teuerung der Lebensmittel der Auslöser der zahlreichen Knappenaufstände, die in Schwaz ab der Mitte des 16. Jahrhunderts alle paar Jahre ausbrachen (Metzler 1963:35; Srbik 1929:175-179).

Während zuvor nur in Erz und taubes Gestein unterschieden wurde, verlangten die Gewerken nun das „dreifache Scheidwerk“, eine Scheidung des Erzes in die drei verschiedenen Erzqualitäten „Stufe, Kern und Klein“. Dies erhöhte erstens den Arbeitsaufwand und machte zweitens die Tricks der Knappen unmöglich, erzhaltigem Ge-stein minderwertiges Material unterzumischen, um ihren Verdienst zu erhöhen. Dazu kam eine Preissteigerung beim sogenannten „Pfennwert“, den Kosten für den Proviant der Knappen, der ihnen vom Lohn abgezogen wurde. Dies führte zu mehreren „Rottierungen“ der Schwazer Knappen, wobei für 1558 auch eine Beteiligung der Ratten-berger Bergleute nachweisbar ist (Biasi 1974:89).Damit die Hüttenarbeiter keine langen Wege mehr zurücklegen mussten, um unter Umstän-den überteuerte Lebensmittel zu kaufen, wurde 1560 ein „Pfennwerthandel“ eingerichtet. Der Erzkäufer im Berggericht Rattenberg war für die Ausgabe der Nahrungsmittel, hauptsäch-lich Getreide und Schmalz, verantwortlich und durfte diese ausschließlich an Hütten-, Holz- und Kohlarbeiter abgeben (Mutschlechner 1988a:72). Das Getreide wurde in „Troadkästen“ (Getreides-peicher) am Inn gelagert.

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Handwerk

Trotz der guten Voraussetzungen in der Nachbar-schaft der Hütte kam die Gewerbeentwicklung in Brixlegg nur schleppend voran, da sie durch das Meilenrecht Rattenbergs behindert wurde. Das Meilenrecht ist ein Privileg einer Stadt, das besagt, dass in einem Umkreis von einer Meile (ca. 7,5 km) um die Stadt, der Bannmeile, niemand ohne Genehmigung der Stadt bestimmte Hand-werke betreiben darf. Rattenberg hatte dieses Privileg 1403 erhalten (Ascher 1988b:460) und versuchte es streng durchzusetzen. Diesbezüg-lich sind einige Dispute überliefert (Mutschlech-ner 1988b:458-459). Zum Beispiel belegt eine Urkunde aus dem Jahr 1521 einen Streit zwischen der Stadt Rattenberg und den Handwerkern des Landgerichts, in dem es um die Zahl der zuge-lassenen Handwerker ging. Dieser wurde durch einen Kompromiss beigelegt: in Reith, Brixlegg („in der Brichslegg“) und Kramsach sollten künf-tig nur je ein Schneider, Schuster und Weber mit je einem Knecht, sowie in Brixlegg zusätzlich ein Schmied samt Knecht arbeiten (Hölzl 2002:288).

In der oben erwähnten „Steuerberaitung des Landgerichtes Rattenberg“ aus dem Jahr 1630 sind von den Bewohnern einiger der Häuser auch die Berufe verzeichnet. So waren in den 58 Häu-sern im Brixlegger Viertel 17 im Bergbau oder als Hüttenarbeiter beschäftigt (Jäger 1988:208-210).

Auffallend ist, dass in dieser Auflistung kein Wirt genannt wird, da bereits 1511 in Brixlegg ein Wirts-haus zur Deckung des örtlichen Bedarfs zugelas-sen worden war. Konkrete Belege für Gasthäuser gibt es erst ab dem 17. Jahrhundert. 1664 erhielt der Hüttenverwalter Johann Gras das Recht, in seinem Haus auf zwei Jahre das Wirtsgewerbe betreiben zu dürfen. Einige Jahre später, im Jahr 1673, erhielt er von Kaiser Leopold I. das Adels- privileg und durfte sich „von Grasegg“ nennen (Mutschlechner 1988a:84-85). Das besagte Haus ist als „Herrnhaus“ oder Ansitz Grasegg bekannt. Im 2. Weltkrieg wurde es bis auf die Grundmau-ern zerstört und weitgehend originalgetreu an derselben Stelle wiederaufgebaut.

Tab. 2: Berufsstruktur der Söllleute im Brixlegger Viertel laut Steuerbeschreibung des Landgerichts Rattenberg von 1630 (Jäger 1988:208-210).

Bergbau und Hüttenwesen:

7 Erzknappen7 Schmelzer1 Schmelzhütten-Aufseher1 Bergwerkseinfahrer1 Grubenschreiber 1 Grubenschreiber

Steinbearbeitung, Bauwesen: 1 Hafner (Töpfer/Ofenbauer)

Metallbearbeitung:1 Hufschmied1 Kupferschmied

Holzbearbeitung: 1 Zimmermann

Textil, Bekleidung:1 Weber1 Schneider1 Schuster

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Versorgung und Infrastruktur

Im „Tiroler Landreim“ von 1558 wird die Lebens-mittelversorgung der Berg- und Hüttenleute in Tirol geschildert:

„Da führt man zu den Proviant und nicht etwa nur aus einem Land. Korn, Fleisch, Unschlitt aus Österreich,gutes Getreide gibt’s aus Bayern lobereich. Dazu noch, was wächst in Tirol, Etschwein gut, so viel man haben soll. Böhmen, Bayern und dazu die Pfalz, auch das Land ob der Enns reicht gutes Schmalz.Ungarn, Steiermark, Kärnten, Böhmerwald geben Vieh zu dem Unterhalt.“

(Kirnbauer 1964:29-30).

Neben der Schmelzhütte war die Innschifffahrt von zentraler Bedeutung für die Wirtschaft Brixleggs. Sie ermöglichte die Versorgung der Schmelzhütte und der wachsenden Siedlung und bot gleichzeitig Beschäftigung für zahlreiche Berufsgruppen wie die Schiffbauer (deren Bezeichnung „Schopper“ leitet sich vom Ausstopfen – „schoppen“ – der Ritzen zwischen den Schiffsplanken mit Moos ab), die Zimmerleute, die Holzknechte und -lie-feranten, die Wirte und die Pferdezüchter. Güter wurden in beide Richtungen transportiert. Bei der „Naufahrt“ ließ man die mit Salz aus Hall sowie jene mit Holz oder Wein aus den südlichen Teilen Tirols beladenen Schiffe stromabwärts treiben. Die Bergfahrt (stromaufwärts) erfolgte in Schiffs-zügen. Dabei mussten die unter anderem mit Getreide, Fleisch oder „Unschlitt“ (zum Beispiel zur Herstellung von Seifen und als Brennmaterial in den Grubenlampen benötigter Talg) beladenen Schiffe zu mehreren zusammengehängt und von 20 bis 30 Pferden gezogen werden. Wahrscheinlich wurde der Inn schon in der Römerzeit befahren, die Bergfahrt ist jedoch erst seit dem 14. Jahrhundert nachweisbar (Ascher 1988a:298-299).Mit dem zunehmenden Bergbau im 15. Jahrhun-dert stieg auch der Umfang der Innschifffahrt stark an. Der erhöhte Lebensmittelbedarf wurde vor allem auf dem Wasserweg bedient. Erze aus Schwaz, Kitzbühel, Klausen und Sterzing wur-den, soweit möglich, auf dem Inn nach Brixlegg zur Hütte transportiert und das geschmolzene

Silber auf demselben Weg zur Münze nach Hall. Diese lokalen Transporte waren in der Hand von einheimischen Schiffsleuten, die im Dienst der Gewerken standen. Auf eigenen Erzschiffen durften ausschließlich Bergwerkserzeugnisse und Kohle transportiert werden und sie durften den Innabschnitt zwischen Hall und Rattenberg nicht verlassen. Zu den wichtigsten ausgeführten Gütern kam das Kupfer dazu, das auf dem Was- serweg nach Linz und Wien sowie über Rosenheim nach München und Nürnberg verschifft wurde (Ascher 1988a:300). Der rege Schiffsverkehr soll neben den Schmelzhütten am Inn und der Inn-verbauung eine Ursache gewesen sein, weshalb die Innfischerei im 16. Jahrhundert zurückging (Biasi 1974:86).

1687 und 1718 wurden zur Versorgung hauptsäch-lich der Bergwerks- und Hüttenarbeiter aber auch der restlichen Bevölkerung zwei Troadkästen am Inn errichtet. Insgesamt waren es deren drei, der dritte muss davor schon bestanden haben, da bereits im 16. Jahrhundert ein Troadkasten erwähnt wird (Ascher 1988a:307). Bei diesem muss es sich um den sogenannten „Oberen Tro-adkasten“ handeln, der weiter vom Inn entfernt, etwa auf der Höhe der heutigen Bundesstraße, stand. Dieser wurde zusammen mit dem darin untergebrachten Werksarchiv bei einem Groß-brand 1875 zerstört; auf einem Plan des Werks aus dem Jahr 1863 ist er noch verzeichnet. Einer der zwei jüngeren Speicher sowie zwei Wappen-tafeln mit den Jahreszahlen 1687 und 1718 und den Symbolen der Knappen und Schmelzer sind bis heute erhalten.

Sowohl die Innschiffahrt als auch die Troad-kästen verloren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts massiv an Bedeutung. Getreide wurde nun nicht mehr per Schiff aus Bayern importiert, sondern aus Ungarn und Inneröster-reich über Salzburg mithilfe der neu errichteten Eisenbahn angeliefert (Ascher 1988a:308). Zwi-schen 1853 und 1858 wurde die Unterinntalstre-cke mit Bahnhöfen in Innsbruck, Hall, Schwaz, Jenbach, Brixlegg, Wörgl und Kufstein errichtet. Aus Kramsach stammte der Hagauer Marmor für die Eisenbahnbrücke in Brixlegg.

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Die ehemalige Mühle in Spitzham am Alpbach wurde 1895 zu einem der ersten Elektrizitätswer-ke Tirols umgebaut, das Brixlegg noch im selben Jahr (als erster Unterinntaler Landgemeinde) zu einer elektrischen Straßenbeleuchtung verhalf. Spitzham versorgte Brixlegg und Rattenberg mit Strom, bis es 1909 von der Kupferhütte gekauft wurde. In der Zwischenzeit war mit dem eben-falls am Alpbach gelegenen Lochham ein neues Elektrizitätswerk entstanden, das bereits zwölf umliegende Gemeinden mit Strom versorgen konnte (Bäcker 1963:93). Im Jahr 1927, im Jahr der Erhebung Brixleggs zur Marktgemeinde, wurden schließlich auch die Dampflokomotiven der Eisenbahn durch elektrisch betriebene ersetzt (Ascher 1988a:313). 1931/32 wurde eine neue Bun-desstraße zwischen Innsbruck und Wörgl gebaut, die die alte, mitten durch das Dorf verlaufende Hauptstraße (heute die Marktstraße) entlastete.Die Eisenbahnbrücke über den Inn war das Hauptziel des Bombenangriffs am 19. April 1945, wenige Tage vor Kriegsende, bei dem an einem Tag insgesamt 1500 Bomben abgeworfen wurden. Bei diesem Angriff wurde nicht nur die Brücke vernichtet, sondern auch das Hütten-werk sowie zahlreiche Häuser wurden teilweise schwer beschädigt oder komplett zerstört. Da die

Bevölkerung in die aufgelassenen Bergwerksstol-len (und andere Schutzstollen) in Matzenköpfl, Mühlbichl und Mariahilfbergl flüchten konnte, gab es zum Glück keine Todesopfer (Rebitsch W. 1988b:171-172).

Mit dem Wiederaufbauprogramm wurden nach 1945 nicht nur die im Krieg zerstörten und be-schädigten Häuser wiedererrichtet, am Mühl-bichl entstand zudem durch den Bau einer Hüt-tenarbeitersiedlung von etwa 20 Häusern ein neuer Ortsteil.

fazit

Schon seit prähistorischer Zeit wurde in Brixlegg Bergbau betrieben, seinen Aufschwung verdankt die Siedlung jedoch der Kupferhütte, mit der die heutige Marktgemeinde vom 15. Jahrhundert bis in die heutige Zeit aufs Engste verknüpft ist und die zu Recht als deren Kristallisationspunkt bezeichnet werden kann.

Abb. 7: Der letzte der ursprünglich drei Troadkästen am Innufer (© Foto: B. Anzinger).

Abb. 8: Wappentafel auf dem Troadkasten (© Foto: B. Anzinger).

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Autorenverzeichnis

Andreas Anzinger, Montanwerke Brixlegg AG, Werkstraße 1, 6230 Brixlegg, Austria, E-Mail: [email protected]

Bettina Anzinger, Institut für Geschichtswissen-schaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck, Innrain52, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Gebhard Bendler, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Josefa Berger, Institut für Geschichtswissen-schaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck, Innrain52, 6020 Innsbruck, Austria

Reinhard Bodner, Institut für Geschichtswissen-schaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck, Innrain52, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Klaus Brandstätter, Institut für Geschichtswis-senschaften und Europäische Ethnologie, Uni-versität Innsbruck, Innrain52, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Gert Goldenberg, Institut für Archäologien, Uni-versität Innsbruck, Langer Weg 11, 3. Stock, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Klaus Hanke, Arbeitsbereich für Vermessung und Geoinformation, Universität Innsbruck, Technik-erstraße 13, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Reinhard Hohlbrugger, Montanwerke Brixlegg AG, Werkstraße 1, 6230 Brixlegg, Austria,E-Mail: [email protected]

Melitta Huijsmann, 6091 Götzens, Austria, E-Mail: [email protected]

Werner Kössler, Montanwerke Brixlegg AG, Werk-straße 1, 6230 Brixlegg, Austria, E-Mail: [email protected]

Robert Krauss, 5760 Saalfelden, Austria

Matthias Krismer, Institut für Mineralogie und Petrographie, Universität Innsbruck, Innrain 52f, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Sarah leib, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck, Langer Weg 11, 3. Stock, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Franz Mathis, Institut für Geschichtswissenschaf-ten und Europäische Ethnologie, Universität Inns-bruck, Innrain52, 6020 Innsbruck, E-Mail: [email protected]

Peter Mernik, Berghauptmann i. R, 6020 Innsbruck, Austria

Michael Moser, Arbeitsbereich für Vermessung und Geoinformation, Universität Innsbruck, Tech-nikerstraße 13, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Georg Neuhauser, Institut für Geschichtswissen-schaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck, Innrain52, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Kurt Nicolussi, Institut für Geographie, Universi-tät Innsbruck, Innrain 52f, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Klaus Oeggl, Institut für Botanik, Universität Innsbruck, Sternwartestraße 15, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Ernst Pernicka, Institut für Ur- und Frühgeschich-te und Archäologie des Mittelalters, Universität Tübingen, Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Schloss Hohentü-bingen, 72070 Tübingen, Germany, E-Mail: [email protected]

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Josef Pesl, Montanwerke Brixlegg AG, Werkstraße 1, 6230 Brixlegg, Austria, E-Mail: [email protected]

Thomas Pichler, Institut für Geographie, Universität Innsbruck, Innrain 52f, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Gerhard Rampl, Institut für Sprachen und Litera-turen, Universität Innsbruck, Innrain52, 6020 Inns-bruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Veronika Schaffer, Institut für Geschichtswissen-schaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck, Innrain52, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Matthias Schubert, Institut für Ur- und Früh-geschichte und Archäologie des Mittelalters, Universität Tübingen, Institut für Ur- und Früh-geschichte und Archäologie des Mittelalters, Schloss Hohentübingen, 72070 Tübingen, Germany

Roland Sila, Bibliothek des Tiroler Landesmuse-ums Ferdinandeum, Tiroler Landesmuseen Betriebsgesellschaft m.b.H., Museumstraße 15, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Markus Staudt, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck, Langer Weg 11, 3. Stock, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Ulrike Töchterle, Institut für Archäologien, Uni-versität Innsbruck, Langer Weg 11, 3. Stock, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: ulrike.tö[email protected]

Gerhard Tomedi, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck, Langer Weg 11, 3. Stock, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Miriam Trojer, Institut für Geschichtswissen-schaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck, Innrain52, 6020 Innsbruck, Austria

Peter Tropper, Institut für Mineralogie und Petrographie, Universität Innsbruck, Innrain 52f, 6020 Innsbruck, Austria, E-Mail: [email protected]

Hans Wöbking, Montanwerke Brixlegg AG, Werkstraße 1, 6230 Brixlegg, Austria, E-Mail: [email protected]