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Risiken im Lebenszyklus Theorie und Evidenz

Axel Börsch-Supan

69-2005

Januar 2005

[Version 22. Januar 2005]

Risiken im Lebenszyklus Theorie und Evidenz

Axel Börsch-Supan Mannheim Institute for the Economics of Aging (MEA), Universität Mannheim, und

National Bureau of Economic Research (NBER), Cambridge, Mass., USA

ZUSAMMENFASSUNG

Der einzelne Mensch ist im Lebensverlauf erheblichen biometrischen, ökonomischen, familiären und politischen Risiken ausgesetzt. Viele meinen, diese wären in den letzten Jahren größer geworden. Haben wir die richtigen Institutionen, um diese Risiken effizient abzudecken? Unter Institutionen verstehen wir individuelles Sparen, familiäre Hilfe, private Versicherungen und schließlich den Staat mit seinen Sozialversicherungen. Wo und wann funktionieren diese Institutionen? Wo und wann nicht? Was muss man tun, um sie zu verbessern? Wie sieht modernes „Social Risk Management“ aus? Der erste Teil dieses Übersichtsbeitrags skizziert die wirtschaftstheoretischen Grundlagen des Sparverhaltens, der Portefeuillewahl und der Versicherungsnachfrage. Im Hauptteil werden die empirischen Befunde gesammelt, um im dritten Teil wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen zu ziehen.

ABSTRACT

Individuals are exposed over the life cycle to considerable biometric, economic, family and political risks. Do we have the right institutions to cover these risks efficiently? We use the term “institutions“ in a broad sense comprising individual saving, family help, private insurances and finally the state with its social insurance systems. Where and when do these institutions work efficiently and effectively? Where and when do they fail? What needs to be done to improve them? How does modern „social risk management“ look like? The paper sketches the theoretical underpinnings of saving behavior, portfolio choice and insurance demand and collects the empirical evidence in order to draw economic policy conclusions.

Adresse: Prof. Axel Börsch-Supan, Ph.D. Mannheim Institute for the Economics of Aging (MEA) Universität Mannheim D-68131 Mannheim Tel.: +49-621-181-1862 Email: [email protected]

Danksagungen: Dieser Beitrag beruht auf einem Vortrag, der zum Abschluss der Jahrestagung 2004 des Vereins für Socialpolitik in Dresden sowie als Erich-Schneider-Gedächtnisvorlesung in Kiel gehalten wurde. Ich danke den Teil-nehmern der beiden Veranstaltungen sowie Günter Franke, Alexander Ludwig, Melanie Lührmann, Friedrich Schneider und Matthias Weiss für ihre hilfreichen Kommentare. Für die finanzielle Unterstützung bin ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des SFB504, sowie dem Land Baden-Württemberg und dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft im Rahmen der MEA-Grundfinanzierung zu Dank verpflichtet.

1

Risiken im Lebenszyklus: Theorie und Evidenz von Axel Börsch-Supan

1. Einleitung

Menschen sind im Lebensverlauf erheblichen biometrischen, ökonomischen, familiären und

politischen Risiken ausgesetzt. Die drei biometrischen Risiken umfassen das Risiko, durch

körperliche oder psychische Krankheiten erwerbsunfähig zu werden, zweitens das

Hinterbliebenenrisiko derjenigen, die finanziell auf andere Menschen angewiesen sind, und drittens

das Langlebigkeitsrisiko, also das Risiko, länger zu leben als die angesammelten Ressourcen

ausreichen. Unter den ökonomischen Risiken stehen insbesondere das Risiko der Arbeitslosigkeit und

das Risiko des Wertverlusts angesammelten Kapitals in der öffentlichen Diskussion. Hierbei ist

beachtenswert, dass nicht nur das Finanzvermögen durch Inflations-, Kurs- und Zinsrisiko in Gefahr

geraten, sondern auch das Humankapital obsolet werden kann, wenn einst erlernte Fähigkeiten nicht

mehr nachgefragt werden. Politische Risiken reichen von den Regel- und Gesetzesänderungen, die

früher erworbene Ansprüche in Frage stellen, bis zur vollständigen Enteignung. Schließlich verstehen

wir unter den familiären Risiken das Risiko der Trennung oder Scheidung, aber auch das Risiko der

Kinderlosigkeit.

Viele – vor allem in Deutschland – meinen, dass die Risiken, denen der einzelne Mensch ausgesetzt

ist, in den letzten Jahren deutlich größer geworden sind. Ich habe keine Antwort auf die Frage, ob

dieses allgemeine Empfinden begründet ist, denn wir haben kein gutes Maß für das „aggregierte

Risiko“, dem wir im Lebensverlauf ausgesetzt sind. Einige Risiken sind geringer geworden, z.B.

viele Krankheitsrisiken. Andere Risiken sind dagegen deutlich gestiegen, z.B. das Risiko der

Ehescheidung. Die Reform der Sozialsysteme hat zu einer allgemeinen Verunsicherung beigetragen

und mag auch objektiv die ökonomischen Risiken während einer Übergangsphase erhöhen. Ob dies

auch langfristig gilt, ist umstritten; manche hoffen, dass die Risiken nach der Übergangszeit

zusammen genommen geringer werden. Viele Risiken sind zudem schwer zu quantifizieren, so z.B.

die politischen Risiken. Über andere Risiken wiederum herrschen Vorstellungen, die schlichtweg

falsch sind – so wird das Risiko der ungewollten Kinderlosigkeit, das bei einer 35jährigen Frau etwa

25% beträgt, in Zeiten eines immer späteren Kinderwunsches völlig unterschätzt. Schließlich und am

wichtigsten: Selbst wenn wir die Risiken gut quantifizieren könnten und die korrekten

Schadenswahrscheinlichkeiten allgemein bekannt wären, so ist die Bewertung eines gestiegenen oder

gesunkenen Gesamtrisikos nur im Zusammenhang mit der Entwicklung des Erwartungswerts der

Zielgröße sinnvoll. Ein höheres Risiko friktioneller Arbeitslosigkeit ist nicht per se ein Schaden,

wenn durch eine vermehrte Arbeitsmarktflexibilität das mittlere Lebensarbeitseinkommen deutlich

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steigt. Wie bei einer Finanzanlage kommt es auch bei den sozialen Risiken auf die Kombination von

Risiko und Ertrag an. Ein höherer Ertrag – hier das mittlere Lebensarbeitseinkommen – kann ein

höheres Risiko rechtfertigen – in unserem Beispiel die höhere friktionelle Arbeitslosigkeit.

Die Hauptfrage, die sich dieser Beitrag stellt, ist: Haben wir die richtigen Institutionen, um die

biometrischen, ökonomischen, familiären und politischen Risiken, denen wir im Lebensverlauf

ausgesetzt sind, effizient abzudecken? Unter Institutionen verstehen wir dabei – vom Einzelnen

ausgehend bis zu den gesamtgesellschaftlichen Institutionen – individuelles Sparen, die familiäre

Hilfe, private Versicherungen und die Zweige der Sozialversicherung. Wo und wann funktionieren

diese Institutionen? Wo und wann nicht? Haben sich die Institutionen, die historisch gewachsen sind,

hinreichend an die veränderten Rahmenbedingungen der Politik, der Wirtschaft und der

Demographie angepasst? Was muss man tun, um sie zu verbessern? Kurzum, dieser Beitrag

beschäftigt sich mit dem „Social Risk Management“.

Um eine fundierte Grundlage für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen zu liefern, skizziert

der erste Teil dieses Beitrags die modernen Ergänzungen der etablierten ökonomischen Theorien des

Sparverhaltens, der Portefeuillewahl und der Versicherungsnachfrage (Abschnitt 2). Wir werden

sehen, dass die Wirtschaftstheorie schnell an ihre Grenzen stößt, wenn es um eine quantifizierbare

Gegenüberstellung von Ertrag und Risiko geht, z.B. bei der Modellierung, wie sich

Einkommenswachstum und Einkommensschwankungen im Lebenszyklus im Zuge fundamentaler

Sozialreformen ändern.

Den theoretischen Grundlagen werden im zweiten Teil die empirischen Befunde gegenübergestellt

(Abschnitte 3 bis 5). Der internationale Vergleich zeigt, dass sich das Sparverhalten langfristig an die

Sozialversicherungen anpasst: Niedrigere Ersatzleistungen gehen mit höherer Eigenersparnis einher.

Dies gilt allerdings nicht kurzfristig und auch nicht für das untere Einkommensdrittel. Stark von der

ökonomischen Standardtheorie abweichend ist die in der Realität zu beobachtende Portefeuillewahl.

Die Anteile, die Arbeitnehmer in das Unternehmen ihres Arbeitgebers investieren, sind aus dieser

Sicht viel zu hoch, die internationale Diversifizierung und der Aktienanteil viel zu gering. Steuerliche

Vorteile beeinflussen die Portefeuillewahl sehr stark, aber kaum die Höhe der Gesamtersparnis.

Wichtige empirische Ergebnisse liegen auch für das Funktionieren der Versicherungsmärkte vor. Im

internationalen Vergleich weisen Leibrenten in Deutschland kaum selektionsbedingte

Preisverzerrungen auf; hingegen kann man in Großbritannien und den USA nicht von perfekten

Annuitätenmärkten sprechen. Simulationsmodelle zeigen, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge

ein deutlich höheres Renditerisiko aufweist als die umlagefinanzierte gesetzliche Rente – aber selbst

bei einer sehr ausgeprägten Risikoaversion würde man im Rahmen des Risiko-Ertrags-Kalküls einen

Mix mit erheblicher Kapitaldeckung einer weiteren Ausweitung des Umlagesystems vorziehen. Als

3

größtes Risiko der freiwilligen privaten Altersvorsorge erweist sich die hohe Abbruchquote.

Die Evidenz zeigt also, dass nicht nur viele Märkte unvollkommen, sondern auch viele Menschen mit

einem optimalen privaten Risikomanagement überfordert sind. Der Staat hat daher auch in einer hoch

entwickelten modernen Marktwirtschaft weiterhin eine unverzichtbare Rolle im „Social Risk

Management“. Mit den entsprechenden wirtschaftspolitischen Implikationen schließt der dritte Teil

dieses Beitrags (Abschnitt 6). Da demographisch bedingt die Rolle der Familie als Risikoausgleichs-

instrument weiter abnehmen wird, kommt der Aufgabenteilung zwischen der privaten und der

sozialen Versicherung besondere Bedeutung zu – hier ist der Staat zunehmend weniger als Anbieter

von Versicherungsleistungen gefragt, aber verstärkt als diejenige Institution, die die Rahmenordnung

setzen muss.

2. Moderne Theorien der Ersparnis, der Portefeuillewahl und der Versicherung

Vom Einzelnen ausgehend, ist die Ersparnisbildung die erste Institution, die dazu dient, Risiken

aufzufangen. Ironischerweise hat die Haupttheorie der Ersparnisbildung, nämlich die

Lehrbuchvariante der Lebenszyklushypothese von Modigliani (mit Brumberg, 1954), erst einmal gar

nichts mit Risikoabdeckung zu tun. Sie beschreibt in einer völlig deterministischen Welt, wie durch

intertemporale Substitution (Ersparnisbildung in den mittleren Lebensjahren und Vermögensabbau in

den Ruhestandsjahren) der Konsum über den Lebenszyklus geglättet wird, wenn die Nutzenfunktion

des Einzelnen konkav ist. Die Diskussion um die private Altersvorsorge spiegelt die dahinter

liegende Begriffsverwirrung wider: ein teilweiser Ersatz der gesetzlichen Renten“versicherung“

durch private Kapitalakkumulation hat wenig mit der Abdeckung von Risiken zu tun, sondern

verändert vielmehr die Natur des Sparvorgangs. Nur ein Teil der gesetzlichen Rentenversicherung ist

ein Versicherungsvorgang (nämlich die Abdeckung der biometrischen Risiken), während der Rest

einer virtuellen Ersparnisbildung entspricht, die gemäß den Rentenreformen 2001 und 2004 teilweise

durch einen expliziten Sparvorgang ersetzt werden soll (Feldstein, 1974).

Risikoabdeckung durch Ersparnis kommt erst dann zustande, wenn die Ersparnis höher ausfällt, als

es unter der deterministischen Lebenszyklustheorie prognostiziert wird. Die Theorie des „Vorsichts-

sparens“ (Zeldes, 1989; Kimball, 1990; Lusardi, 1997) zeigt, dass Menschen mit konvexer

Grenznutzenfunktion (d.h., die dritte Ableitung der Nutzenfunktion ist positiv) umso mehr sparen, je

höher ihr Einkommens- oder Zinsrisiko ist. Das Vorsichtssparen führt zu einer Reservebildung und

damit auch zu einem vererbbaren Vermögen, selbst wenn keine altruistischen Vererbungsmotive zu-

grunde liegen. In der Altersvorsorge drückt sich das Vorsichtsmotiv – nun bezogen auf die Unsicher-

heit des Todeszeitpunkts – in der Nachfrage nach Annuitäten (Leibrenten) aus, vgl. weiter unten.

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Die Reservebildung wird verstärkt, wenn es Kreditbeschränkungen gibt (Jappelli und Pagano, 1989)

oder die Menschen nicht dem finanzmathematischen Mean-Variance-Kalkül folgen, sondern das

„Shortfall Risk“ minimieren wollen, also das Risiko, eine zu geringe Reserve zu haben (Albrecht et

al., 1998). Moderne Theorien der Ersparnisbildung schließen diese Komplikationen in ihren

mathematischen Optimierungsmodellen relativ problemlos ein („Neoclassical Repair Shop“).

Ob die Menschen so denken, wie es diese komplexen Optimierungsmodelle unterstellen, mag man

bezweifeln. Hier haben sich zwei Denkschulen gebildet. Die eine Schule (prominent vertreten durch

Thaler, vgl. die Übersicht in Börsch-Supan, 2000) lehnt das Optimierungsmodell rundweg ab und

verfolgt Ansätze, die rein behavioristisch sind, etwa in der Form von Faustregeln, „Mental Accounts“

etc. (Thaler and Shefrin, 1986; Wärneryd, 1996; Laibson, 1997; O’Donoghue, T., and M. Rabin,

1999). Die Risikoabdeckung geschieht durch Regeln, die es fast tabuartig verbieten, Reserven –

außer im höchsten Notfall – anzugreifen. Die andere Schule argumentiert mit dem Bild des

Billardspielers (Milton Friedman), der zwar rein intuitiv agiert, dessen Handlungsergebnisse (also die

Trajektorien der Billardbälle) sich aber dennoch mit den Gesetzen der Mechanik beschreiben lassen.

Der Billardspieler verhalten sich also „als ob“ sie die Gesetze der Mechanik direkt befolgen, obgleich

sie aus Erfahrung und Intuition handeln. Daher schließt sich die Verwendung behavioristischer

Faustregeln im Zusammenspiel mit sozialem Lernen nicht prinzipiell mit „als ob“ Optimierung aus.

Die Wirtschaftstheorie hat über das Modiglianische Lehrbuchmodell der Lebenszyklusersparnis

hinaus kein geschlossenes Modell der Ersparnisbildung anzubieten. Der neoklassische Repair Shop,

die konsequenten Behavioristen und die revanchistischen Vertreter der „als ob“ Optimierung haben

noch keine gemeinsame Plattform gefunden. Und so bietet die Wirtschaftstheorie noch keine

zufrieden stellende Antwort auf drängende Fragen wie: Warum kommt die private Altersvorsorge so

schleppend in Gang? Wie viel private Ersparnis wird durch die staatliche Altersvorsorge verdrängt?

Die Theorie der Portefeuillewahl und der Versicherungsnachfrage ist in weiten Bereichen isomorph.

Die Wahl der Portefeuilleanteile einer sicheren und einer riskanten Anlage ist mathematisch

äquivalent zur Wahl der Selbstbeteiligungsrate einer Versicherung (Gollier, 2001). Dieses an und für

sich elementare Ergebnis hat noch wenig Einzug in die Diskussion über Sozialversicherungen

(Selbstbeteiligung in der gesetzlichen Krankenversicherung, Leibrentenanteil an der privaten

Altesvorsorge) gefunden.

Statische Portefeuille- und Versicherungsmodelle wie in Gollier (2001) greifen allerdings zu kurz,

um das Risikoverhalten im Lebenszyklus zu beschreiben. Dynamische Portefeuille- und

Versicherungsmodelle werden jedoch schnell komplex, wenn man Kreditrestriktionen in der Jugend,

die Unteilbarkeit von Investitionen in ein Eigenheim und Lebenszykluseffekte (Einkommensverlauf,

Ausgabenverlauf) einbezieht (Hajivassiliou und Ioannides, 1994).

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Interessanterweise können dynamische Portefeuillemodelle mit Kreditrestriktionen, wenn sie in ein

allgemeines Gleichgewichtsmodell eingebettet werden, als Nebeneffekt auch das „Equity Premium

Puzzle“ erklären, d.h. die von Mehra und Prescott (1985) erstmals thematisierte mittlere Überrendite

von Aktien relativ zu festverzinslichen Wertpapieren. Im Modell von Constantinides et al. (2002)

z.B. ist das Angebot an festverzinslichen Anleihen und Aktien fest. Ohne Beschränkungen der

Kreditaufnahme konsumiert die junge Generation teilweise auf Kredit und investiert zugleich

kreditfinanziert im höher rentierlichen Aktienmarkt. Wenn die Haushalte aber kreditbeschränkt sind,

entsteht ein Aufschlag auf die Aktienrendite über die normale Risikoprämie hinaus. Kreditbeschränkt

müßte die junge Generation zur Finanzierung ihres eigentlich gewünschten Aktienengagements ihren

Konsum reduzieren, was sie aber nur zum Teil macht, da ihr der Konsum großen Nutzen bringt.

Während die junge Generation somit kaum auf dem Kapitalmarkt aktiv wird, findet die

Rentnergeneration nur wenige Anbieter für die von Ihr nachgefragten festverzinslichen Anleihen.

Damit fällt die Rendite der festverzinslichen Anleihen niedriger aus, während gleichzeitig die

Unternehmen ihre Aktien zu höheren Renditen anbieten müssen, wodurch sich der Renditespread –

eben die „Equity Premium“ – zwischen Aktien und festverzinslichen Anleihen ergibt. Derartige

Modelle können numerisch als Simulationsmodelle gelöst werden und – im Rahmen ihrer immer

noch sehr abstrakten Modellierung – quantitative Aussagen machen, vgl. etwa die Anwendung des

MEAPORTA-Modells von Börsch-Supan, Ludwig und Sommer (2003) auf Portefeuille- und

Renditeeffekte des demographischen Wandels.

Die Kernproblematik der Sozialreformen, d.h. die Abwägung zwischen „sozialem Risiko“ und

„sozialem Ertrag“ über den Lebenszyklus (gemessen z.B. als Schwankungen und Erwartungswert des

Pro-Kopf-Lebenseinkommens), lässt sich nur im allgemeinen Gleichgewicht verstehen, da sich das

Einkommenswachstum simultan mit Arbeitsangebot und –nachfrage, Ersparnis und Investitionen

ergibt. Eine höhere Eigenvorsorge über Kapitalmarktprodukte in der Altersvorsorge macht das

Lebenseinkommen vom stochastischen Zinssatz abhängt, verringert aber den

umlagefinanzierungsbedingten Steuerkeil zwischen Arbeitsangebot und –nachfrage. Um dies zu

modellieren, sind stochastische Modelle überlappender Generationen (OLG-Modelle) notwendig. Die

entscheidenden beiden Elemente solcher Modelle sind zum einen die Stochastik, die das Risiko

definiert (z.B. Lohn- und Renditeschwankungen, die durch Produktivitätsschocks generiert werden),

und zum anderen die Verzerrungen, die durch Zwangsversicherungen entstehen (die ihrerseits

wiederum aus der Unmöglichkeit perfekter privater Versicherungsmärkte folgen), vgl. Sinn (1995).

Ansätze für solche Modelle stecken noch in den Kinderschuhen. Wichtige Meilensteine sind die

Arbeiten von Storesletten et al. (1999), Ball und Mankiw (2001), Krüger und Kübler (2002), sowie

Shiller (2003). Ansätze zu einem quantifizierbaren OLG-Modell mit rudimentärer Stochastik bietet

das Modell von Nataraj und Shoven (2003) sowie das MEAOLGA-Modell von Börsch-Supan,

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Ludwig und Winter (2002, 2005). Solche Modelle müssen letztlich die Basis für ein

nachvollziehbares „Social Risk Management“ sein; dahin ist es jedoch noch ein gewisser Weg.

3. Empirische Befunde zur Ersparnisbildung

Es ist mittlerweile eine vielseits bestätigte Beobachtung, dass der Verlauf der Ersparnisbildung im

Lebenszyklus nicht der Lehrbuchabbildung folgt, nach der in der Jugend gespart und im Alter

entspart wird. Abbildung 1 zeigt den Verlauf in Deutschland. Wichtig ist die Tatsache, dass in

Abbildung 1 der Altersverlauf der Sparquote für jeden Geburtsjahrgang einzeln aufgeführt wird, so

dass Alters- und Jahrgangseffekte nicht vermengt werden. Ähnliche Lebenszyklusprofile findet man

auch fast überall im Ausland (Börsch-Supan, 2002, einschließlich methodischer Bemerkungen zu der

korrekten Erstellung von Lebenszyklusprofilen).

Abbildung 1: Sparquoten im Lebenszyklus nach Alter und Geburtsjahrgang

0%

2%

4%

6%

8%

10%

12%

14%

16%

20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85

Altersgruppe

Spar

quot

e

190919141919192419291934193919441949195419591964

Quelle: Börsch-Supan et al. (2001). Anmerkung: Die Abbildung stellt die Nettosparquote nach Alter

und Geburtsjahrgang des Haushaltsvorstandes dar.

Charakteristisch ist die zwar niedrigere, aber immer noch deutlich positive Ersparnis im Alter. Ein

Vermögensabbau kann im Mittel nicht beobachtet werden. Die Modiglianische

Lebenszyklushypothese kann daher nur einen Teil der Ersparnisbildung erklären. Anhand der

Sparmotive, die Befragte angeben, wird klar, dass das Vorsichtsparen zumindest in Deutschland eine

wichtige Rolle spielt. Auf einer Skala von 0-10 bewerten die Befragten Vorsichtssparen etwa ebenso

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wichtig wie Altersvorsorge, ganz im Gegensatz z.B. zu Vererbung oder Steuervorteilen, vgl. Tabelle

1.

Tabelle 1: Wichtigkeit von Sparmotiven

Unwichtig (0-3) Mittel (4-6) Sehr wichtig (7-10)

Altersvorsorge 12 % 20 % 68 %

Unvorhergesehene Ereignisse 7 % 22 % 71 %

Vererbung 69 % 19 % 12 %

Staatliche Förderung 46 % 24 % 30 %

Quelle: Börsch-Supan und Essig (2002)

Dass die gängige Lehrbuchtheorie modifiziert werden muss, wird auch aus der Einschätzung des

Sparverhaltens deutlich: 40,1% der deutschen Haushalte beschreiben ihr hauptsächliches

Sparverhalten als „regelmäßig einen festen Betrag ansparen“ (z.B. über einen Sparvertrag oder eine

kapitalgedeckte Lebensversicherung), während nur 23,1% der Haushalte dann spart, wenn das

Einkommen hoch oder die Konsumausgaben niedrig sind (vgl. Tabelle 2). Die Ersparnis hat daher

eine (wohl hauptsächlich vertragsgebundene) permanente Komponente, so dass der Konsum bei

Einkommensschwankungen eine transitorische Komponente erhält.

Tabelle 2: Typisches Sparverhalten

Ich lege regelmäßig

einen festen

Betrag an

Ich lege regelmäßig

etwas an, der Betrag ist

aber flexibel

Ich lege dann etwas an,

wenn etwas zum Sparen übrig bleibt

Ich habe keinen

finanziellen Spielraum

zum Sparen

Ich spare nicht, sondern will lieber das

Leben genießen

Alle 40 % 18 % 23 % 16 % 2 %

Alter unter 35 49 % 14 % 21 % 15 % 1 %

Alter 35-55 38 % 18 % 24 % 18 % 2 %

Alter über 55 30 % 27 % 25 % 10 % 8 % Quelle: Börsch-Supan und Essig (2002)

Was lehrt uns die Empirie der Ersparnisbildung in Sachen „Social Risk Management“? Funktioniert

die Institution „Ersparnisbildung“ in Deutschland als Instrument der Risikoabdeckung? Dies ist eine

schwierige Frage, weil Deutschland sich im Übergang befindet. Bislang sind weite Kreise der

Bevölkerung auch im Alter und auch bei relativ niedrigen Einkommen (d.h. mit Ausnahme des

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untersten Quintils) mit einem im internationalen Vergleich sehr hohen finanziellen Polster

ausgestattet. Börsch-Supan und Stahl (1991) sprechen von einer „Überannuitisierung“, Reil-Held

(2004) von einem „Verschiebebahnhof“, in dem hohe umlagefinanzierte Rentenzahlungen

(öffentliche Transfers der jungen zur Rentnergeneration) zu hohen Erbschaften und Inter-Vivos-

Übertragungen führten (private Transfers der Rentner- zur jungen Generation). Essig (2004) zeigt,

dass sich das Bild allmählich ändert. Nach seinen Berechnungen hat der Durchschnittshaushalt im

Altersbereich von 40 bis 65 Jahren immer noch ein dickes Sparpolster: seine Ersparnisse sind

hochgerechnet mehr als doppelt so hoch, wie sie nötig wären, um die Einschnitte in der gesetzlichen

Rentenversicherung aufzufangen (über 200% der Rentenlücke). Für den Medianhaushalt sieht es

schon knapper aus (132% der Rentenlücke), und bei den unteren beiden Einkommensquintilen, also

über 40% der 40 bis 65 jährigen Haushalte, besteht eine Deckungslücke, wenn diese ihre Ersparnis

nicht erhöhen. Der Übergang zu einer stärker eigenfinanzierten Altersversorgung funktioniert also in

Deutschland noch nicht.

Abbildung 2: Sparquoten im Lebenszyklus: Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande

Ersatzquote Öffentlich Insgesamt

Italien

Frankreich

Deutschland

90%

80%

70%

80%

79%

82%

-20,0%

0,0%

20,0%

40,0%

60,0%

80,0%

100,0%

120,0%

140,0%

25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75

Alter

Nor

mie

rte

Spar

quot

e

Niederlande 50% 78%

Quelle: Kompiliert aus Börsch-Supan (2002). Anmerkungen: Die um Kohorteneffekte bereinigten Sparquoten sind auf 100% im Alter von 40 Jahren normiert. Die Ersatzquote der öffentlichen Altersversorgung sind die Zahlungen aus öffentlicher Rente bezogen auf das Arbeitseinkommen vor dem Ruhestand, während die Gesamtersatzquote definiert ist als Summe der privaten Vermögensentnahme und der Zahlungen aus öffentlicher Rente, bezogen auf das Gesamteinkommen vor dem Ruhestand. Zähler wie Nenner sind in beiden Fällen Einkommen nach evtl. Steuern.

Allerdings zeigt die international vergleichende Evidenz, dass dieser Übergangsprozess langfristig zu

funktionieren scheint. Abbildung 2 deutet an, dass die Lebenszyklussparprofile umso stärker denen

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der Modiglianischen Lehrbuchversion ähneln, je niedriger die Ersatzquote der öffentlichen

Altersversorgung ist (d.h. die Zahlungen der öffentlichen Rente bezogen auf das Arbeitseinkommen

vor dem Ruhestand). Gleichzeitig zeigen die Zahlen am rechten Rand der Abbildung 2, dass die

Gesamtersatzquote (also die Summe aus privater Vermögensentnahme und öffentlicher Rente,

bezogen auf das Gesamteinkommen vor dem Ruhestand) unabhängig von der Ersatzquote der

öffentlichen Altersversorgung bei etwa 80% liegt. In anderen Worten, im internationalen Vergleich

zeigt sich eine fast perfekte Substitutionsbeziehung zwischen öffentlicher und privater

Altersversorgung, die offenbar historisch gewachsen ist. Der Vergleich beruht auf vier Ländern, was

zur vorsichtigen Interpretation mahnen soll. Die Daten der übrigen zwei Länder, die in Börsch-Supan

(2002) vertreten sind, bestätigen die Konstanz der Gesamtersatzquote, allerdings konnten keine

Lebenszyklussparprofile konstruiert werden, da es bislang kaum international vergleichbare

Spardaten gibt.

Einer Beschleunigung des Übergangsprozesses zu einer stärker eigenfinanzierten Altersversorgung

sind Grenzen gesetzt. Es gibt weder einen eindeutigen theoretischen Grund (Einkommens- und

Substitutionseffekt sind bekanntermaßen gegenläufig) noch überzeugende empirische Evidenz, dass

eine steuerliche Förderung die Ersparnisbildung insgesamt erhöht (Skinner und Hubbart, 1996;

Börsch-Supan, 2005), sondern nur, dass sie die Ersparnisbildung sehr dezidiert in bestimmte

Bereiche lenken kann (Venti and Wise, 1990), gleichzeitig aber zumindest teilweise aus anderen

Bereichen abzieht (Gale and Scholz, 1994).

4. Empirische Befunde zur Portefeuillewahl

Dies führt uns zur Portefeuillewahl. Es gibt zahlreiche empirische Untersuchungen, die die effektive

Lenkungsfunktion steuerlicher Förderung bestimmter Anlageformen nachweist. Brugiavini (1987),

Jappelli (1995), vor allem aber Attanasio und Brugiavini (1997) zeigen überzeugend für Italien, wie

die Anlage in Altersvorsorgeprodukte steigt, wenn diese steuerbegünstigt werden. Alessie, Kapteyn

und Klijn (1997) und Euwals (2000) zeigen die Wirkung vergünstigter Betriebsrenten in den

Niederlanden. Brunsbach und Lang (1998) und Walliser und Winter (1999) weisen nach, dass die

Förderung von Kapitallebensversicherungen in Deurtschland deren Nachfrage signifikant gestärkt

hat. Die Finanzpolitik kann also, um den Übergangsprozesses von der fast ausschließlich öffentlichen

zu einer mehr privat finanzierten Altersversorgung zu beschleunigen, durchaus steuerliche Förderung

verwenden. Angesichts der am Ende des letzten Abschnitts zitierten Resultate wäre es aber falsch,

davon auszugehen, dass durch die Förderung ausschließlich neue Ersparnisbildung generiert wird.

Stattdessen dürfte ein signifikanter Teil der Ersparnis von anderen Sparformen abgezogen werden.

Schätzungen dieses Verdrängungseffektes variieren zwischen einem Drittel und einer Hälfte (Börsch-

10

Supan, 2005).

Das zweite gut etablierte empirische Resultat zur Portefeuillewahl ist der geringe

Diversifikationsgrad. Er zeigt sich in drei Facetten, die für das „Social Risk Management“ relevant

sind: Haushalte halten zu wenig Aktien, diversifizieren zu wenig ins Ausland, und halten einen zu

großen Anteil des Vermögens in der Unternehmung, in der sie selbst angestellt sind.

Abbildung 3: Aktienanteil der Haushalte nach Vermögensdezil

Ass

et s

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of s

tock

s

Financial wealth decile

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

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Vermögensdezil

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uille

Vermögensdezil

Quelle: Guiso et al. (2003). Anmerkung: Der Aktienanteil beinhaltet sowohl direkt als indirekt gehaltene Aktien. Letztere bestehen häufig in der Form von gemischten Fonds und Betriebspensionen mit Vorzugsaktien des eigenen Unternehmens. Der indirekte überwiegt den direkten Anteil insbesondere in den unteren Einkommensdezilen.

Abbildung 3 zeigt, dass deutsche Haushalte im internationalen Vergleich einen besonders niedrigen

Aktienanteil in ihrem Portefeuille haben. Selbst im obersten Dezil der Vermögensverteilung liegt er

nur knapp über 10%. Der geringe Anteil an Aktien im Portefeuille ist nur bei einer extrem hohen

Risikoaversion durch die höhere Varianz der Aktienerträge erklärbar. Präziser formuliert: Wenn das

Vermögen zum Ausgleich von Risiken im Lebenszyklus mittel- oder langfristig angelegt wird, ist die

Varianz der Aktienerträge im Vergleich zu anderen Anlageformen zwar höher, aber nicht so hoch,

dass sie bei normaler Risikoaversion zu einem derart niedrigen Aktienanteil führt.

Auffällig ist auch der im internationalen Vergleich geringe Aktienanteil im Portefeuille institutio-

neller Anleger, vgl. Tabelle 3. Zudem fällt auf, dass das Volumen der Vermögen, die von institu-

tionellen Anlegern verwaltet werden, in Deutschland relativ gering ist, vgl. Börsch-Supan, Köke und

Winter (2005). Der geringe Aktienanteil lässt sich im übrigen nicht durch eine Gefährdung des

Aktienvermögens durch den demographischen Wandel rechtfertigen: Börsch-Supan, Ludwig und

11

Sommer (2003) zeigen, dass die „Equity Premium“ demographiebedingt tendenziell ansteigen wird.

Tabelle 3: Aktienanteil der institutionellen Anleger

Deutschland Frankreich Großbritannien Italien USA

Alle Anlagen als % des BIP

81 % 132 % 191 % 94 % 191 %

Festverzinslich 42 % 47 % 15 % 54 % 35 %

Darlehen 28 % 3 % 1 % 0 % 9 %

Aktien 24 % 43 % 65 % 18 % 44 %

Sonstige 6 % 7 % 19 % 27 % 11 % Quelle: GDV (2004), Tabelle 73, basierend auf der OECD Institutional Investors Statistic. Institutionelle Anleger umfassen Versicherungs- und Investmentgesellschaften sowie Pensionsfonds.

Auch die internationale Diversifikation ist gering. Laut French und Poterba (1991) werden 98% der

japanischen Ersparnisse in Japan, 94% der US-amerikanischen Ersparnisse in den USA, und 82% der

britischen Ersparnisse in Großbritannien angelegt. Im niederländischen Betriebsrentensystem, der

wichtigsten Säule der dortigen Altersversorgung, lag der Anteil der ausländischen Anlagen in den

80er und 90er Jahren bei 20%, in den letzten Jahren ist er – wohl als Folge der Euro-Einführung – auf

40% gestiegen. Für deutsche Betriebsrenten gibt es bedauerlicherweise mangels einer zwar lange

geplanten, aber bislang nicht ausgeführten Betriebsrentenumfrage keine dementsprechenden Zahlen.

Allerdings lässt der nach wie vor hohe Direktzusagenanteil, vgl. weiter unten, ebenfalls auf eine

geringe Auslandsdiversifikation schließen. Dieser „Home Bias“ ist zumindest für Deutschland

schädlich: Im Zuge des demographischen Wandels wird die Durchschnittsrendite im Ausland höher

ausfallen als in Deutschland (Börsch-Supan, Ludwig und Winter, 2005), eine Umschichtung in mehr

ausländische Vermögenswerte ist also auch aus Renditegründen potentiell lohnenswert.

Drittens ist die Konzentration der Anteile im Unternehmen, in dem man selbst angestellt ist, zum Teil

erschreckend hoch. Enron ist kein Einzelfall. Poterba und Wise (1998) zeigen, dass in den 42% der

Unternehmen, in denen man die Betriebsrente in eigenen Unternehmensanteilen anlegen kann, knapp

60% des Betriebsrentenvermögens auch tatsächlich in eigenen Unternehmensanteilen angelegt wird.

Poterba (2003, 2004) geht dieser Konzentration in einzelnen Unternehmen nach, bei General Electric,

dem größten Arbeitgeber der USA, liegt er z.B. bei 68%.

In Deutschland liegt der Anteil der Direktzusagen an der betrieblichen Altersvorsorge bei über 59%

(ABA, 2004). Davon mag ein Teil durch Anlagen des Unternehmens in anderen Unternehmen

12

gedeckt sein. Dies ist mangels einer Betriebsrentenumfrage nicht bekannt. Da in der Regel jedoch

eigene Rückstellungen verwendet werden, dürfte auch in Deutschland die Risikokonzentration im

eigenen Unternehmen sehr hoch sein. Der einzelne Anleger ist durch den Pensionssicherungsverein

gegen die Insolvenz des eigenen Unternehmens geschützt; ob dies jedoch eine gesamtwirtschaftlich

effiziente Form der Risikoabsicherung ist, ist zweifelhaft.

Eine sorgfältigere empirische Diversifikationsanalyse Deutschlands benötigt die entsprechenden

Daten. Berücksichtigt werden muss auch die indirekte Diversifikation durch ausländische Direkt-

investitionen deutscher Firmen, an denen deutsche Arbeitnehmer beteiligt sind. Insgesamt fällt der

empirische Befund jedoch so deutlich aus, dass er die Schlussfolgerung nahe legt, dass das „Social

Risk Management“ Deutschlands in punkto langfristiger Risikodiversifizierung in allen drei ange-

sprochenen Dimensionen – Investitionen in riskantere Anlagen, Investitionen in ausländische

Anlagen und Investitionen in andere Anlagen als die derjenigen Unternehmung, in der man angestellt

ist – verbesserungswürdig ist.

5. Empirische Befunde zur Funktion der Versicherungsmärkte

Die meisten der in der Einleitung genannten Risiken im Lebenszyklus werden direkt oder indirekt

über Versicherungen abgedeckt. Die „Selbstversicherung“ über die eigene Ersparnis hat für normale

Einkommensverhältnisse schnell ihre Grenzen erreicht, die Familie als „implizite Versicherungs-

gesellschaft“ (Kotlikoff und Spivak, 1981) verliert an Bedeutung durch die steigenden

Scheidungsraten und die sinkenden Kinderzahlen, und auch Unternehmen – insbesondere kleinere

Betriebe –nutzen Versicherungsgesellschaften für die Abwicklung der betrieblichen Altersvorsorge.

Funktionieren die privaten und sozialen Versicherungsmechanismen in Deutschland?

Wir beginnen mit den Sozialversicherungen. Die Probleme der umlagefinanzierten Sozial-

versicherungen sind wohlbekannt (OECD, 1988; Weltbank, 1994; Börsch-Supan, 1998;

Nachhaltigkeitskommission, 2003) und müssen hier nicht thematisiert werden, wohl aber das

konzeptionelle Missverständnis, das uns schon am Beginn dieses Beitrags beschäftigt hat. Ein großer

Aufgabenbereich der Sozialversicherungen besteht nicht in der Versicherung im eigentlichen Sinn,

sondern in der intertemporalen (und teilweise auch interpersonalen) Umverteilung. Am deutlichsten

wird das in der Altersvorsorge, in der die gesetzliche Rentenversicherung zwar auch gegen die die

drei biometrischen Risiken Erwerbsunfähigkeit, Hinterbliebenschaft und Langlebigkeit versichert,

aber im wesentlichen die Beiträge, die eingezahlt werden, auch wieder auszahlt. Um präzise zu sein:

die Streuung der Auszahlungen ist gering im Vergleich zur mittleren Auszahlung. Praktisch jeder

Arbeitnehmer erhält auch eine Rente – die Wahrscheinlichkeit, das Alter von 60 zu erreichen,

gegeben, dass man 20 Jahre alt ist, liegt bei 92%. Die gesetzliche Rentenversicherung gleicht in

13

diesem Sinne eher einer Kapitallebensversicherung als einer Risikolebensversicherung. In der

Pflegeversicherung erhält dagegen im Schnitt nur jeder dritte Einzahler im Lebensverlauf auch

Leistungen. In Katastrophenversicherungen (etwa der Brandversicherung), ist das Verhältnis

zwischen Streuung und Mittelwert noch höher.

Dementsprechend werden die Ausdrücke „demographisches Risiko“ und „politisches Risiko“ oft

irreführend verwendet: die Tatsache, dass es demnächst weniger Einzahler pro Rentner geben wird,

verringert den Erwartungswert der Renten in recht gut vorhersehbarer Weise, so dass hier keine

wesentliche Unsicherheit über das Eintreten eines Ereignisses besteht. Die Unsicherheit über den

zukünftigen Zahlbetrag wird weniger von der Demographie als von der zukünftigen

Produktivitätsentwicklung beeinflusst. Dementsprechend wird auch fälschlich von politischem Risiko

gesprochen, wenn die Renten im Verlauf des demographischen Wandels angepasst werden (z.B. in

McHale, 1999; Borgmann und Heidler, 2003). Im Extremfall gibt es einen ex ante bekannten deter-

ministischen mathematischen Zusammenhang zwischen dem zukünftigen Rentenniveau und der ex

ante weitgehend bekannten demographischen Entwicklung. Solch einen deterministischen

Zusammenhang verkörpert z.B. der Nachhaltigkeitsfaktor des neuen deutschen Rentenrechts. Das

politische Risiko besteht bei Bestehen eines solchen Mechanismus nur noch darin, dass dieser per

Mehrheitsentscheidung des Parlaments wieder außer Kraft gesetzt wird.

Demographische Projektionen sind jedoch nicht exakt. Daher verbleibt ein demographisches

Restrisiko. Auch die zukünftigen politischen Reaktionen sind nicht bekannt. Es verbleibt daher ein

politisches Restrisiko – z.B. darin bestehend, dass eine Änderung oder Aussetzung des

Nachhaltigkeitsfaktors entweder die jüngere oder die ältere Generation mehr belasten wird als

gegenwärtig geplant ist. Brauchbare Abschätzungen beider Risiken gibt es bislang nicht. Für die

demographischen Fehlprojektionen gibt es bislang kein stabiles statistisches Modell (vgl. Lee, 2004),

und schon gar nicht für das politische (Rest-)Risiko.

Es ist aus diesen Gründen auch sehr schwer, eine der zentralen Fragen des „Social Risk Manage-

ments“ zu beantworten, nämlich ob die staatliche Sozialversicherung oder die private am

Kapitalmarkt orientierte Versicherung im sozialen Risiko-Ertrags-Kalkül dominiert. Wie bereits

erwähnt, kann diese normative Frage nur in einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtsmodell

beantwortet werden, in dem eine umlagefinanzierte Sozialversicherung das Arbeitsangebot verzerrt,

was wiederum den Wachstumspfad beeinflusst, so dass ein Zielkonflikt zwischen hoher

umlagefinanzierter Absicherung und geringer Arbeitsangebotsverzerrung vorliegt. Als Zielgröße

wird zumeist die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt, z.B. als Konsum- und Freizeitnutzen, definiert.

Nataraj und Shoven (2003) stellen ein solches Modell vor, das eng mit den theoretischen Arbeiten

von Krüger und Kübler (2001) zusammenhängt. In ihm werden Produktivitätsschocks auf die

14

Lohnentwicklung (und damit auf die implizite Rendite des staatlichen Umlageverfahrens, d.h. der

interne Zinsfuß aus den Ein- und Auszahlungen der umlagefinanzierten Rentenversicherung) und die

Zinsentwicklung (und damit auf die Rendite der kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge)

übertragen. Die umlagefinanzierte Rente wird im Modell von Nataraj und Shoven (2003) jährlich

dem Lohn angepasst („dynamisiert“), während die kapitalgdeckte private Altersvorsorge nach dem

Prinzip der Beitragszusage („Defined Contribution“) ausgestaltet ist, so dass die impliziten Renditen

des Umlageverfahrens weit weniger schwanken als die der privaten Altersvorsorge. Bei vollständiger

Umlagefinanzierung sind jedoch die wachstumsmindernden Verzerrungseffekte groß, so dass die

erwartete Rendite im Umlageverfahren deutlich geringer ist als die der privaten Altersvorsorge.

Abbildung 4 zeigt das Ergebnis. Nataraj und Shoven (2003) zeigen, dass für eine breite Spanne von

Parameterwerten (die ihrer Meinung nach „alle vernünftigen Werte umfassen“, z.B. Koeffizienten

der relativen Risikoaversion zwischen 0 und 10) sich wohlfahrtsoptimierende Anteile der

Umlagefinanzierung ergeben, die zwischen 0 und 40% der Altervorsorge liegen. Beachtenswert ist

die geringe Überlappung der beiden Renditeverteilungen in Abbildung 4 – fast handelt es sich um

stochastische Dominanz.

Abbildung 4: Verteilung der (impliziten) Renditen

ReinesUmlageverfahren

Beitragsgebundene Privatvorsorge

Rendite im Lebenszyklus

Häu

figke

it

ReinesUmlageverfahren

Beitragsgebundene Privatvorsorge

Rendite im Lebenszyklus

Häu

figke

it

Quelle: Nataraj und Shoven (2003). Anmerkung: Die Renditen eines Altersvorsorgesystems sind definiert als interner Zinsfuß aus den Ein- und Auszahlungen dieses Systems.

Die eigentlichen Probleme der privaten Altersvorsorge scheinen denn auch auf anderen Gebieten zu

liegen als einer ungünstigen makroökonomischen Risiko-Ertrags-Relation. Ein ernsthaftes Problem

der freiwilligen privaten Altersabsicherung ist die adverse Selektion. Sie führt im Falle privater

Rentenversicherungen zu Leibrenten, die teurer sind als in einer Zwangsversicherung. Die in Tabelle

15

4 aufgeführten „Money’s Worth Ratios“ (das Verhältnis der tatsächlich ausgezahlten Leibrente zur

versicherungsmathematisch fairen Leibrente) zeigen die selektionsbedingten Aufschläge. Für einen

65jährigen Durchschnittsamerikaner beträgt der Aufschlag nach Mitchell et al. (1999) 18,6%, da er

statt 100% nur 81,4% des versicherungsmathematisch korrekten Wertes erhält. Hat der Amerikaner

nicht die Lebenserwartung der altersgleichen Bevölkerung, sondern die Lebenserwartung seiner

Altersgenossen, die ebenfalls eine Leibrente abschließen, reduziert sich der Aufschlag auf 7,3%. In

Großbritannien, in dem Leibrenten seit längerem weit verbreitet sind, sind die Aufschläge deutlich

niedriger. In Deutschland bekommen die Leibrentenkunden laut von Gaudecker und Weber (2004)

im Mittel genau das, was sie auch bei einer Zwangsversicherung bekommen würden.

Tabelle 4: „Money’s Worth Ratios“ von Leibrenten

Deutschland Italien Schweiz Großbritannien USA

Alle Männer 0.887 -- 0.965 0.897 0.814

Nur teilnehmende Männer 0.980 0.958 1.169 0.966 0.927

Alle Frauen 0.939 -- 1.029 0.910 0.852

Nur teilnehmende Frauen 1.013 0.965 1.152 0.957 0.927 Quelle: von Gaudecker und Weber (2004)

Diese Aufschläge müssen mit den Arbeitsangebotsverzerrungen verglichen werden, die bei einer

Zwangsversicherung entstehen. Mir ist keine Arbeit bekannt, die das versucht. Eine sehr grobe

Überschlagsrechnung kann man mit Hilfe von Abbildung 4 machen: Reduziert man die Renditen in

Abbildung 4 um 10%, bleibt die zentrale Aussage von Nataraj und Shoven (2003) unberührt.

Ein zweites Problem der privaten Altersvorsorge liegt noch elementarer in ihrer Freiwilligkeit. Was

die Verzerrung einer Zwangsversicherung minimiert, schafft neue Probleme an anderer Stelle. Zum

einen zeigt die bereits zitierte Arbeit von Essig (2004), dass etwa 40% der deutschen Haushalte auf

den Übergang zu mehr Eigenvorsorge in dem Sinne nicht ausreichend reagiert haben, dass ihre

hochgerechnete Ersparnis nicht ausreicht, um die zukünftigen Rentenkürzungen zu decken. Zum

zweiten zeigen longitudinale Daten, dass langfristige Versicherungsverträge, die die Risiken im

Lebenszyklus abdecken sollen, in erschreckend hohem Maße unterbrochen werden. Laut einer

Bertelsmann-Studie (Leinert, 2003) werden nur 50% der abgeschlossenen

Kapitallebensversicherungen und privaten Rentenversicherungen bis zum Ende durchgehalten.

Häufigster Abbruchgrund sind Schulden (26%), Scheidung (16%) und Arbeitslosigkeit (13%).

Ähnliche Zahlen sind aus Großbritannien bekannt. Andererseits werden die meisten Verträge bislang

kurz vor dem Ruhestand abgebrochen, also zu einem Zeitpunkt, in dem offensichtlich die finanzielle

Situation im Ruhestand gut abschätzbar ist.

16

6. Wirtschaftspolitischer Ausblick

Die Fortschritte, das Risiko im Lebenszyklus besser zu verstehen, waren in den letzten Jahren groß.

Für das Sparverhalten gibt es zwar nach wie vor keine „Unifying Theory“, aber wir haben mittler-

weile ein viel subtileres Instrumentarium als die Lehrbuch-Lebenszyklushypothese zur Verfügung,

um zu verstehen, warum die Ersparnis deutlich permanenter und der Konsum deutlich transitorischer

als im Lehrbuch ist. Auch die Empirie hat wichtige Resultate geliefert. Internationale Vergleiche

zeigen, dass sich das Sparverhalten langfristig an die Sozialversicherungen anpasst und niedrigere

Ersatzleistungen mit einer höheren Eigenersparnis einhergehen. Kurzfristig und im unteren

Einkommensdrittel gilt dies jedoch nicht. Dies ist ein erster wichtiger wirtschaftspolitischer

Ansatzpunkt. Weitere Ansatzpunkte für die Wirtschaftspolitik liegen in der beobachteten

Portefeuillewahl, denn die Anteile, die Arbeitnehmer in das Unternehmen ihres Arbeitgebers

investieren, sind erschreckend hoch, während die internationale Diversifizierung und der Aktienanteil

sehr gering sind. Die Empirie zeigt auch klar, dass steuerliche Vorteile die Portefeuillewahl sehr stark

beeinflussen. Dies ist allerdings zu einem großen Teil ein Verschiebebahnhof, denn ein Einfluss

staatlicher Förderung auf die Höhe der Gesamtersparnis kann nicht nachgewiesen werden.

Simulationsmodelle zeigen auch, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge zwar ein höheres Rendite-

risiko aufweist als die umlagefinanzierte gesetzliche Rente – aber selbst bei einer sehr ausgeprägten

Risikoaversion würde man im Rahmen des Risiko-Ertrags-Kalküls einen Mix mit deutlicher Kapital-

deckung einer weiteren Ausweitung des Umlagesystems vorziehen. Dies ist in Deutschland nicht nur

für die Altersvorsorge, sondern auch die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung relevant. Als

größtes Risiko der freiwilligen privaten Altersvorsorge erweist sich die hohe Abbruchquote.

Aus diesen Beobachtungen ergeben sich einige klare Handlungsanweisungen an den Staat als Hüter

der Rahmenordnung und als Ausgleichsinstitution, wenn die Märkte unvollkommen sind. Viele

Konsequenzen der Sozialreformen – insbesondere die dringende Notwendigkeit von mehr Eigen-

vorsorge – sind noch nicht bei allen Bürgern angekommen. Die Teilnahme an privater Altersvorsorge

ist recht groß in den beiden oberen Einkommensdritteln, aber sehr gering im unteren. Dies gilt nicht

nur für Deutschland, wo die Institution der dritten Säule noch recht neu ist, sondern auch für Groß-

britannien und die Vereinigten Staaten. Ohne ein deutlich stärkeres Engagement des Staates in der

Informationsverbreitung (was kommt auf den Einzelnen zu?) und in der Ausbildung („Financial

Literacy“ als Ausbildungsziel) wird Deutschland es nicht schaffen, flächendeckend dem Risiko der

Altersarmut zu entgehen bzw. auf eine teure Mindestsicherung angewiesen sein. Ein besseres

Verständnis, was Diversifikation bedeutet, scheint wichtig zu sein, und ebenso mehr Aufklärung

darüber, welche finanziellen Konsequenzen der Abbruch privater Vorsorgemaßnahmen hat.

Der Grat zwischen den Nachteilen einer Zwangsversicherung und den Nachteilen einer freiwilligen

17

Versicherung ist schmal. Die vorliegende Evidenz weist trotz aller eben angesprochenen

Informations- und Kenntnisprobleme in die Richtung, von einer umfassenden Zwangsversicherung

(einschließlich eines Obligatoriums in der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge) abzusehen,

da die Verzerrungswirkungen einer Zwangsversicherung, die dann wie eine Steuer wirkt, sich in den

Simulationsstudien als sehr groß erwiesen haben.

Der Staat hat auf diesem Gebiet viele praktische Aufgaben, die oberflächlich gesehen vielleicht sogar

banal erscheinen, in ihrer Summe ein problemloses Zusammenspiel zwischen Privat- und

Sozialversicherung aber erst ermöglichen. Schweden ist ein gutes Vorbild, das Information und

Ausbildung mit einer staatlicherseits definierten Standardlösung kombiniert. Ein staatlich

eingesetztes, aber inhaltlich unabhängiges „Clearing House“ vermittelt in Schweden individuelle

Informationen zum Altersvorsorgeanspruch aller Teilsysteme zusammen mit Produktinformationen

über Alternativen zu der gemischt umlagefinanzierten und kapitalgedeckten Standardversorgung. In

der deutschen Betriebsrente wurde mit der Einführung der Entgeltumwandlung in eine Rente ein

erster wichtiger Schritt gemacht, aber ein Automatismus, der eine Standardabsicherung nach

schwedischem Vorbild bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages einführt, verbunden mit einem

jederzeitigen Austrittsrecht, würde zu weit mehr Akzeptanz führen.

Das politische Risiko der umlagefinanzierten sozialen Sicherungssysteme ist hoch, weil notwendige

fundamentale Reformen bislang nicht stattgefunden haben (gesetzliche Kranken- und

Pflegeversicherung) oder unvollständig waren (gesetzliche Rentenversicherung). Der Nachhaltig-

keitsfaktor der gesetzlichen Rentenversicherung funktioniert nur in Verbindung mit einer

schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahren ab 2011. Ob diese bis dahin

Gesetz geworden ist oder die Beiträge erhöht werden müssen oder weitere Kürzungen des

Rentenniveaus in Kauf genommen werden, ist derzeit ungewiss – genau darin besteht das politische

Risiko. Dass innerhalb der nächsten fünf Jahre eine der drei Maßnahmen getroffen werden muss, ist

dagegen so sicher wie der demographische Wandel selbst.

Dieser Beitrag hat sich auf die Alterssicherung konzentriert. Die Probleme des Gesundheitswesens

sind zu einem großen Teil äquivalent, da die gesetzliche Krankenversicherung fast ausschließlich im

Umlageverfahren funktioniert und der Löwenanteil der Gesundheitsausgaben im Alter anfällt. Diese

Parallele hat bislang zu wenig Bedeutung erhalten. Das politische Risiko im Bereich der

Krankenversicherung ist sehr groß, da eine klare Reformrichtung derzeit nicht erkennbar ist.

18

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Discussion Paper Series

Mannheim Research Institute for the Economics of Aging Universität Mannheim

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Nr. Autoren Titel Jahr56-04 Axel Börsch-Supan Was bedeutet der demographische Wandel für die

Wirtschaft Baden-Württembergs?04

57-04 Hendrik Jürges Self-assessed health, reference levels, andmortality

04

58-04 Alexander Ludwig Improving Tatonnement Methods for SolvingHeterogeneous Agent Models

04

59-04 Frank BetzOliver Lipps

Stochastic Population Projection for Germany 04

60-04 Alexander LudwigAlexander Zimper

Investment Behavior under Ambiguity: The Caseof Pessimistic Decision Makers

04

61-04 Barbara Berkel Institutional Determinants of International EquityPortfolios – A County-Level Analysis

04

62-04 Barbara BerkelAxel Börsch-Supan

Pension Reform in Germany: The Impact onRetirement Decisions

04

63-04 Axel Börsch-Supan From Traditional DB to Notional DC Systems 04

64-04 Axel Börsch-SupanAlexander LudwigJoachim Winter

Aging, Pension Reform, and Capital Flows: AMulti-Country Simulation Model

04

65-04 Axel Börsch-Supan Faire Abschläge in der gesetzlichenRentenversicherung

04

66-04 Alexander LudwigAlexander Zimper

Rational Expectations and Ambiguity: A Commenton Abel (2002)

04

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