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SEITE 10 · DIENSTAG, 2. JANUAR 2018 · NR. 1 FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Musik Als Stanley Kubrick vor einem halben Jahrhundert in seinem Film „Odyssee im Weltraum“ Ausschnitte aus damals brand- neuen Werken von György Ligeti verwen- dete, fragte er den Komponisten nicht um Erlaubnis. Der Soundtrack des SF-Klassi- kers umfasst auch Teile aus dessen „Re- quiem“ (1965) und „Lux aeterna“ (1966). Frieder Bernius hat die beiden Werke vor längerer Zeit mit dem Kammerchor Stuttgart für den Rundfunk eingespielt. Jetzt sind diese verdienstvollen Tondoku- mente erfreulicherweise auf CD erschie- nen (Carus/Note 1). Der tadellose Live- Mitschnitt des „Requiems“ ist im März 2006 – zweieinhalb Monate vor Ligetis Tod – unter Mitwirkung des Danubia Or- chestra Óbuda entstanden. Bernius entfal- tet die Totenmesse mit feinem Gespür für ihren genial imaginierten, ungemein diffe- renzierten Klangstrom. Die bereits 2001 aufgenommene Interpretation von „Lux aeterna“ fand Ligeti damals „ausgezeich- net“ und nur mit der Version der legendä- ren Schola Cantorum Clytus Gottwalds vergleichbar, der das Werk in Auftrag ge- geben hatte. Von ihm enthält das Album zudem vielstimmige, durch Ligetis Chor- techniken angeregte Ravel-, Debussy- und Mahler-Bearbeitungen. wmg Ob man das nun als lupenreines Retro- Manifest verstehen kann, wenn der musi- kalische Tausendsassa und Independent- Labelchef Maurice Summen rappt: „Ich will meine alte Zeit zurück, tick, tack“? Es passt jedenfalls ganz gut zur jahreswech- selbedingten Rückschau auf viele Dinge, die früher mal besser waren. Dazu gehört auch die gute Sitte, auf Fragen eine Ant- wort zu geben. Die Klage über deren Aus- bleiben ist nun wirklich nicht neu in der Popmusik, schon der alte Folkie Nick Drake sah eine „Time of No Reply“ däm- mern – aber in Summens lustigem Hip- Hop-Funkdeutsch klingt sie trotzdem frisch: „Nicht antworten ist das neue Nein“ heißt ein weiteres Lied, von beiden sind übrigens die Musikvideos sehr zur An- sicht empfohlen. Für das zugehörige Al- bum „Bmerica“ (Staatsakt) hat er viele Gäste mit an Bord geholt, die den Bandna- men Maurice & Die Familie Summen rechtfertigen und zudem an das Vorbild Sly & The Family Stone erinnern sollen: Zusammen erzeugen sie mitunter Big-Band-Sound, mitunter elektronische Grooves. Auch am Mikrofon gibt es Ver- stärkung, zum Beispiel durch die Rapper Kryptik Joe von der Gruppe Deichkind oder Ill Till. Die durchaus ernste (Kapitalis- mus-)Kritik, die das Album nicht zuletzt im zynischen Titel birgt und die in Texten von „Zeichen des Widerstands“ oder „Recht auf Unerreichbarkeit“ lauert, wird oft in die Decke von Wohlklang und Tanz- barkeit gehüllt, behält aber Schärfe. wiel Ist Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“ nur Augenmusik für lesende Ken- ner oder bestenfalls tönende Wissen- schaft? Lange galt der Zyklus nicht als Komposition für die Konzertpraxis. Seit er dort angekommen ist, streiten sich Ex- perten, für welche Besetzung er gedacht ist. Einige Indizien sprechen für ein Tas- teninstrument. Beweise dafür gibt es so wenig wie für einen definitiven Aus- schluss anderer Optionen. Selbst wenn Bach hier primär ein „Clavier“ – also ein Tasteninstrument – vor Ohren gehabt ha- ben mag, sollte man bedenken, dass gera- de er fremde und eigene Musik oft bear- beitet hat. Der Cembalist und Dirigent Ottavio Dantone, der das Werk jetzt mit der Accademia Bizantina auf histori- schen Instrumenten eingespielt hat (Dec- ca), sieht in der Besetzungsfrage ein Scheinproblem. Seine Einrichtung für so- listische Streicher, Orgel und Cembalo gibt verschiedenen Ansichten Raum. Die plastische, teils manierierte Interpretati- on besticht mit Verzierungslust, Schwung und Farbkontrasten – ein emotionaler Ge- genentwurf zur unlängst veröffentlichten Aufnahme der etwas trockenen, philoso- phisch ausgebremst wirkenden Fassung von Hans-Eberhard Dentler. wmg Es gibt etwas Neues von Heinz Sauer und Uwe Oberg. Sie nennen es „freie Improvi- sation“, aber klassischer Free Jazz ist „Sweet Reason“ (jazzwerkstatt/über Im- port) nicht. Die Musiker gehen aus von vorgeplanten, durchaus sanglichen The- men, deren Motive sie dann umspielen, verschwinden lassen, wieder in Erinne- rung rufen, antupfen, sich gegenseitig an- bieten. Sauers Ton auf dem Tenorsaxo- phon blüht in einer obertonreichen, rau- hen Süße, in der man natürlich weit mehr John Coltrane als etwa Stan Getz hört, Letzterem aber gelegentlich eine durch- aus verwandte Sanglichkeit zum Ver- gleich anbietet. Fast feierlich kann der Austausch der beiden Künstler von Melo- die-Fragmenten sein, etwa in dem Stück „Hafenrundfahrt“, gewidmet dem Maler Johannes Heisig und seiner „schönen Äs- thetik des Todes“ (Sauer) eben auf die- sem Bild. Uwe Oberg ist der Mitkompo- nist fast aller Stücke, großer Solist am Kla- vier und ebenso genialer Anreger des mo- tivischen Fortgangs zwischen Drang und Kontemplation. u.o. S ind es die mediterran leuchten- den Klangfarben, oder ist es die wilde, musikalisierte Wucht des Mythos, die einen so ergreift beim Hören der Oper „Les Troy- ens“? Schönheit und Leidenschaft ver- leiht Hector Berlioz den Heldinnen und Helden Trojas und Karthagos; er schenkt ihnen eine Stimme gegenüber dem uner- bittlichen Schicksal – den eifersüchtigen Göttern. BerliozLiebe für den Dichter der „Ae- neis“, Vergil, und die Ermutigung seiner Opernfreundin in Weimar, Carolyne von Sayn-Wittgenstein, gaben dem Komponis- ten das Durchhaltevermögen, im geistig kalten Paris des Jahres 1858 dieses Werk epischer Größe zu vollenden. Es wurde zu seinen Lebzeiten nie vollständig ge- spielt. Das Opernhaus Karlsruhe kann sich mit der ersten kompletten szenischen Aufführung der Trojaner im Jahr 1890 schmücken – wenn auch an zwei Aben- den. Ein junger französischer Musiker be- richtete für den „Figaro“ über dieses Er- eignis und staunte über die ihm unbe- kannte beauté des Werks. Die Bedeutung von Schönheit in den „Trojanern“ kann man gar nicht genug be- tonen. Das gilt nicht nur für Liebesstim- mungen, sondern gerade auch für die Au- genblicke der Furcht und des Schreckens. Die Szenen der Cassandre verströmen bei allem Leid, das diese Figur verkörpert, belcantistische Großzügigkeit. In der Arie „Malheureux roi (Unglücklicher Kö- nig)“ verschmelzen musikdramatische Wahrheit und schmerzlich-schöner Ge- sang. Und die Reaktion der Trojaner nach dem Bericht über Laokoons Tod äußert sich in dem gefassten Oktett mit Doppel- chor, „Châtiment effroyable (Furchtbare Strafe)“, in dem sich über dem artikulier- ten Schrecken eine grandiose Geste des Mitleids erhebt – italienische Schönheit des Gesanges ist da nicht weit. Zugleich lebt die Oper von der Prägnanz und dem Pathos französischer Bühnensprache, wie sie durch Corneille und Racine, auch durch die französischen Opern ins neun- zehnte Jahrhundert hinein überliefert wurde. Mit untrüglichem Gespür für dramati- sche Kontraste entwickelte Berlioz, selbst der Textbuchautor, aus dem mythischen Geschehen in Troja und Karthago die ef- fektvolle Opernhandlung. Mit Freuden- chören beginnen die Akte eins und drei; Frieden, Ruhe und neu gewonnener Wohl- stand bilden hier die Fallhöhe, von wo aus der bekannte Mythos sich entrollt: Der Friede ist trügerisch, Kassandras Pro- phezeiungen werden nicht gehört. Ausge- rechnet Aeneas begleitet das mit grie- chischen Soldaten gefüllte Pferd in die Stadt; dem anschließenden Morden ent- kommen nur wenige. Fasziniert von den gestrandeten Helden Trojas, gewährt ih- nen Königin Dido in Karthago Asyl. Auch dieser Mythos ist bekannt: Aus dem Asyl wird eine Zeit der Liebe für Dido und Aeneas, doch immer wieder mahnen die Götter und die Toten, Aeneas müsse wieder fortsegeln: „Italie! Italie!“ Der got- tesfürchtige Aeneas gehorcht. Didos Leid und Tod werden zur Katastrophe für ihr blühendes Land. BerliozMusik durchglüht den Mythos gleichsam von innen. Das riesige Orches- ter (unter anderem sechs Harfen, große Bühnenmusik, Schlagwerk) setzt er mit staunenswerter Instrumentationskunst ein. Ohne Ouvertüre und ausschließlich von Bläsern „inszeniert“, springt die Handlung in medias res; den ersten vollen Streicherklang hören wir erst nach 265 Takten in dem atemberaubenden Rezita- tiv der Cassandre, „Les Grecs ont dispa- ru! (Die Griechen sind fort)“. Den mysteriösen Klarinettenklang lieb- te Berlioz besonders und setzte, wie vor ihm Mozart und Weber, gern ihre tiefen Töne ein. Im tumultösen ersten Akt er- fand er eine Insel des Mitgefühls für die Witwe Hektors und ihren kleinen Sohn. Andromaque bleibt stumm, doch der Solo- part der Klarinette singt doloroso assai und appassionato von überwältigender Trauer und Zärtlichkeit. In der Abschiedsarie Didos, „Adieu, fière cité (Leb wohl, du stolze Stadt)“, ist ihr Mezzosopran eingerahmt in einen be- redten Holzbläsersatz einerseits und herb ausdrucksvolle Kantilenen der Bratschen andererseits. So wird die Stimme nie zuge- deckt, hat immer Raum zum Klingen. Französische Aufnahmen stehen beim Vergleich unbedingt in der ersten Reihe – Françoise Pollet sang in der Studioaufnah- me (Dirigent Charles Dutoit, 1994) eine hervorragende Didon mit exquisitem Tim- bre und authentischer Diktion, etwa im Nachklingenlassen unausgesprochener Endungen wie in „ivresse“. Eine souverä- ne Artikulation des Französischen steht freilich nicht allen Sängern zu Gebote; dies ist ein Minuspunkt der Einspielung des britischen Dirigenten Colin Davis (1969), obwohl man sich kaum einen hart- näckigeren Anwalt für die verrückte Rari- tät „Les Troyens“ denken kann: Jährlich dirigierte er in den sechziger Jahren kon- zertante Aufführungen der Oper. Einem ähnlich leidenschaftlichen An- walt für „Les Troyens“ begegnen wir nun in dem amerikanischen Dirigenten John Nelson. Er pflegt seit Jahrzehnten eine innige Beziehung zu französischer Kul- tur und speziell zu Berlioz. In Frankfurt brachte er im Februar 2017 eine musika- lisch beglückende Produktion auf die Bühne; im April dirigierte er dann in der Philharmonie Straßburg zwei konzertan- te Aufführungen. Die Konzerte dienten als Grundlage für das neue CD-Album mit dem Orchestre Philharmonique de Strasbourg, den Chören der Opéra Natio- nal du Rhin und dem Badischen Staats- opernchor. Bei der Besetzung der Solopartien fällt eines sofort auf: Sie sind Belcanto-erfah- ren, singen auch aktuell Partien von Hän- del, Mozart und Rossini. Mit Michael Spy- res als Énée erteilt Nelson der heldischen Tradition eine Absage, hält sich vielmehr an Vorbilder stimmlicher Eleganz wie Ni- colai Gedda oder Guy Chauvet. Spyres meistert die gesanglichen Herausforde- rungen bis zum hohen C bravourös. Kri- tikwürdig vielleicht eine relative Gleich- förmigkeit des Singens, man vermisst elektrisierende Momente, wie sie Bryan Hymel in London 2012 so strahlend ge- langen. Groß ist das musikdramatische Tempe- rament Joyce DiDonatos als Didon. Die gefeierte Mezzosopranistin wirft ihre ge- samte Erfahrung im Gestalten tragischer Barockopern-Heroinen in die Waagscha- le, verfügt über die kraftvolle Attacke ebenso wie über delikate Phrasierungen. Es ist ein Erlebnis, in der Rolle der groß- mütigen und leidenschaftlichen Königin Karthagos eine Gesangsdiva auf der Höhe ihrer Fähigkeiten zu hören. Doch re- gen sich Zweifel, ob die Stimme, bei all ih- rer Wandlungsfähigkeit und Delikatesse, über genügend Volumen verfügt. Das be- rühmte Liebesduett zwischen Didon und Énée, „Nuit divresse (Nacht der Trunken- heit)“, klingt makellos – doch reicht das? Hier wäre der Ort gesanglicher Ekstase, des Über-sich-Hinauswachsens, nicht der sorgfältigen Ökonomie. Beides – Volumen und Belcanto – ver- eint die Altistin Marie-Nicole Lemieux als Cassandre. Die Kanadierin gestaltet Größe und Misere der unglücklichen Se- herin bewundernswürdig; ihre kraftvolle, bewegliche Stimme ist stets genau fokus- siert und kann sich doch öffnen zur gro- ßen vokalen Geste. Bewegend das Duo „Reviens à toi (Komm wieder zu dir)“ mit Stéphane Degout als Chorèbe; auch die- ser Bariton wurde nach seiner schönen, erstklassig geführten Stimme ausgewählt. Es ist John Nelson und dem blendend disponierten Straßburger Orchester zu danken, dass in dieser ungekürzten Ge- samtaufnahme der „Troyens“ bei aller Tra- gik auch Momente Offenbachschen Esprits aufblitzen; spritzig, elegant, mo- kant. ANJA-ROSA THÖMING „Take Three Girls“, die Geschichte von drei jungen Frauen, die sich in Londons aufregendster Dekade ein Apartment tei- len, war nicht nur als erste in Farbe ge- drehte BBC-Fernsehserie innovativ. Die 1969 erstmals ausgestrahlte Produktion leistete sich mit „Light Flight“ auch ein al- les andere als eingängiges Titellied mit ra- santen Rhythmuswechseln bis hin zum Fünfachteltakt. Es spricht für die aufge- schlossene Zuhörerschaft jener Zeit, dass das Lied mit der zugehörigen Platte „Basket of Light“ Platz fünf der briti- schen Charts erreichte – und das, obwohl die Band Pentangle als Teil der damali- gen Folkmusikbewegung eigentlich nicht auf den Mainstream setzte. Pentangle trat am 27. März 1967 erst- mals öffentlich auf, exakt zwei Monate vor dem ersten Konzert der Folkrockband „Fairport Convention“, und beide Bands erscheinen aus heutiger Sicht als Antago- nisten einer Musikrichtung, die traditio- nelles Repertoire wiederentdeckte, mit ei- genen Kompositionen mischte und dabei auf unterschiedliche Weise aktualisierte: Fairport Convention, zumal seit dem Ein- stieg der Sängerin Sandy Denny, ent- schied sich für einen Weg, der kraftvolle Riffs und elektrisch verfremdete Klänge nicht scheute, während Pentangle vor al- lem anfangs eher auf akustische Gitarren, Kontrabass und Glockenspiel setzte, dazu die elfenhafte Stimme der Sängerin Jacqui McShee. Verschiedentlich nahmen die beiden Bands dieselben volkstümli- chen Balladen auf, etwa „Willy OWins- bury“ oder „Tam Lin“, aber das Zupacken- de, das Fairport Convention besaß, fehlt Pentangle bisweilen dann doch. Fünf Jahre lang, von 1967 bis Ende 1972, blieb Pentangle in der Gründungs- besetzung zusammen. Neben McShee wa- ren das die Gitarristen Bert Jansch und John Renbourn, der Bassist Danny Thompson und der Drummer Terry Cox. Nun ist ein Box-Set erschienen, das die sechs Alben dieser Zeit, kräftig erweitert um Live-Aufnahmen oder alternative Stu- dioversionen, auf sieben CDs präsentiert, ergänzt um ein reiches Booklet. Der Klang ist, von wenigen Livemitschnitten abgesehen, angenehm transparent und stellt die vorzüglichen Instrumentalisten heraus: Thompsons schwebende Basslini- en sind die Grundlage nicht nur für dieje- nigen Stücke der Band, die eher an Jazz- traditionen orientiert sind, und das Schlagzeugspiel von Cox ist hier so exqui- sit wie präsent. Wo McShees Stimme eine allzu liebliche Färbung aufweist – dass sie auch ganz anders kann, zeigt diese Box durchaus –, da hält nicht nur das filigrane Gewebe der Instrumente dagegen, son- dern auch der warme Gesang des großen, leider bereits 2011 verstorbenen Gitarris- ten und Songschreibers Bert Jansch. Es ist die Art Musik, die man an einem Winternachmittag hören möchte, in ei- nem Moment ohne Verpflichtungen und Termine und ohne den Druck, sich mit ir- gendjemandem zu unterhalten. Dann of- fenbaren die Stücke ihren gesamten Reichtum, ihre Variationsfülle, beson- ders dort, wo ihre unterschiedlichen Quellen zutage treten und etwa der „Hun- ting Song“ unversehens in einen A-cap- pella-Kanon auf die Melodie von „Hejo, spann den Wagen an“ übergeht. Pentan- gle zeigt sich besonders hier als eine Band vorzüglicher Musiker, die zuvor und danach zwar zahlreiche andere Plat- ten veröffentlichten, ihr Bedeutendstes aber in gerade dieser Formation voll- brachten. TILMAN SPRECKELSEN Troja kommt nicht zur Ruhe: 98 Jahre bevor Berlioz seine Oper „Les Troyens“ vollendete, malte der Venezianer Giovanni Domenico Tiepolo den „Einzug des Holzpferdes in Troja“. Foto Imago Collage der Gruppe Pentangle um 1970: Terry Cox, Bert Jansch, Danny Thompson, John Renbourn und Jacqui McShee (von links) Foto Getty Hector Berlioz: Les Troyens. Joyce DiDonato, Marie-Nicole Lemieux, Michael Spyres u. a., Orchestre Philharmonique des Strasbourg, John Nelson. 4 CD, 1 Bonus-DVD. Erato 0190295762209 (Warner Classics) Pentangle: „The Albums 1968–1972“. Box-Set mit 7 CDs. Cherry Red CRCDBOX41 (Rough Trade) Auch das noch Nacht voll Trunkenheit Was sagt der Mainstream zum Fünfachteltakt? Musik für einen perfekten Winternachmittag: Ein Box-Set mit allen Alben der britischen Folkband Pentangle in Gründungsbesetzung Ich will meine alte Zeit zurück Mit famosen Sängern wie Joyce DiDonato, Marie-Nicole Lemieux und Stéphane Degout bringt der Dirigent John Nelson die Monumentaloper „Les Troyens“ von Hector Berlioz neu heraus. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Alle Rechte vorbehalten. Zur Verfügung gestellt vom

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SEITE 10 · DIENSTAG, 2. JANUAR 2018 · NR. 1 FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNGMusik

Als Stanley Kubrick vor einem halbenJahrhundert in seinem Film „Odyssee imWeltraum“ Ausschnitte aus damals brand-neuenWerken von György Ligeti verwen-dete, fragte er den Komponisten nicht umErlaubnis. Der Soundtrack des SF-Klassi-kers umfasst auch Teile aus dessen „Re-quiem“ (1965) und „Lux aeterna“ (1966).Frieder Bernius hat die beiden Werke vorlängerer Zeit mit dem KammerchorStuttgart für den Rundfunk eingespielt.Jetzt sind diese verdienstvollen Tondoku-mente erfreulicherweise auf CD erschie-nen (Carus/Note 1). Der tadellose Live-Mitschnitt des „Requiems“ ist im März2006 – zweieinhalb Monate vor LigetisTod – unter Mitwirkung des Danubia Or-chestra Óbuda entstanden. Bernius entfal-tet die Totenmesse mit feinem Gespür fürihren genial imaginierten, ungemein diffe-renzierten Klangstrom. Die bereits 2001aufgenommene Interpretation von „Luxaeterna“ fand Ligeti damals „ausgezeich-net“ und nur mit der Version der legendä-ren Schola Cantorum Clytus Gottwaldsvergleichbar, der das Werk in Auftrag ge-geben hatte. Von ihm enthält das Albumzudem vielstimmige, durch Ligetis Chor-techniken angeregte Ravel-, Debussy-und Mahler-Bearbeitungen. wmg

Ob man das nun als lupenreines Retro-Manifest verstehen kann, wenn der musi-kalische Tausendsassa und Independent-Labelchef Maurice Summen rappt: „Ichwill meine alte Zeit zurück, tick, tack“? Espasst jedenfalls ganz gut zur jahreswech-selbedingten Rückschau auf viele Dinge,die früher mal besser waren. Dazu gehörtauch die gute Sitte, auf Fragen eine Ant-wort zu geben. Die Klage über deren Aus-bleiben ist nun wirklich nicht neu in derPopmusik, schon der alte Folkie NickDrake sah eine „Time of No Reply“ däm-mern – aber in Summens lustigem Hip-Hop-Funkdeutsch klingt sie trotzdemfrisch: „Nicht antworten ist das neueNein“ heißt ein weiteres Lied, von beidensind übrigens dieMusikvideos sehr zur An-sicht empfohlen. Für das zugehörige Al-bum „Bmerica“ (Staatsakt) hat er vieleGästemit an Bord geholt, die den Bandna-men Maurice & Die Familie Summenrechtfertigen und zudem an das VorbildSly & The Family Stone erinnern sollen:Zusammen erzeugen sie mitunterBig-Band-Sound, mitunter elektronischeGrooves. Auch am Mikrofon gibt es Ver-stärkung, zum Beispiel durch die RapperKryptik Joe von der Gruppe Deichkindoder Ill Till. Die durchaus ernste (Kapitalis-mus-)Kritik, die das Album nicht zuletztim zynischen Titel birgt und die in Textenvon „Zeichen des Widerstands“ oder„Recht auf Unerreichbarkeit“ lauert, wirdoft in die Decke vonWohlklang und Tanz-barkeit gehüllt, behält aber Schärfe. wiel

Ist Johann Sebastian Bachs „Kunst derFuge“ nur Augenmusik für lesende Ken-ner oder bestenfalls tönende Wissen-schaft? Lange galt der Zyklus nicht alsKomposition für die Konzertpraxis. Seiter dort angekommen ist, streiten sich Ex-perten, für welche Besetzung er gedachtist. Einige Indizien sprechen für ein Tas-teninstrument. Beweise dafür gibt es sowenig wie für einen definitiven Aus-schluss anderer Optionen. Selbst wennBach hier primär ein „Clavier“ – also einTasteninstrument – vor Ohren gehabt ha-ben mag, sollte man bedenken, dass gera-de er fremde und eigene Musik oft bear-beitet hat. Der Cembalist und DirigentOttavio Dantone, der das Werk jetzt mitder Accademia Bizantina auf histori-schen Instrumenten eingespielt hat (Dec-ca), sieht in der Besetzungsfrage einScheinproblem. Seine Einrichtung für so-listische Streicher, Orgel und Cembalogibt verschiedenen Ansichten Raum. Dieplastische, teils manierierte Interpretati-on besticht mit Verzierungslust, Schwungund Farbkontrasten – ein emotionaler Ge-genentwurf zur unlängst veröffentlichtenAufnahme der etwas trockenen, philoso-phisch ausgebremst wirkenden Fassungvon Hans-Eberhard Dentler. wmg

Es gibt etwas Neues von Heinz Sauer undUwe Oberg. Sie nennen es „freie Improvi-sation“, aber klassischer Free Jazz ist„Sweet Reason“ (jazzwerkstatt/über Im-port) nicht. Die Musiker gehen aus vonvorgeplanten, durchaus sanglichen The-men, deren Motive sie dann umspielen,verschwinden lassen, wieder in Erinne-rung rufen, antupfen, sich gegenseitig an-bieten. Sauers Ton auf dem Tenorsaxo-phon blüht in einer obertonreichen, rau-hen Süße, in der man natürlich weit mehrJohn Coltrane als etwa Stan Getz hört,Letzterem aber gelegentlich eine durch-aus verwandte Sanglichkeit zum Ver-gleich anbietet. Fast feierlich kann derAustausch der beiden Künstler von Melo-die-Fragmenten sein, etwa in dem Stück„Hafenrundfahrt“, gewidmet dem MalerJohannes Heisig und seiner „schönen Äs-thetik des Todes“ (Sauer) eben auf die-sem Bild. Uwe Oberg ist der Mitkompo-nist fast aller Stücke, großer Solist amKla-vier und ebenso genialer Anreger des mo-tivischen Fortgangs zwischen Drang undKontemplation. u.o.

Sind es die mediterran leuchten-den Klangfarben, oder ist es diewilde, musikalisierte Wucht desMythos, die einen so ergreiftbeim Hören der Oper „Les Troy-

ens“? Schönheit und Leidenschaft ver-leiht Hector Berlioz den Heldinnen undHelden Trojas und Karthagos; er schenktihnen eine Stimme gegenüber dem uner-bittlichen Schicksal – den eifersüchtigenGöttern.Berlioz’ Liebe für den Dichter der „Ae-

neis“, Vergil, und die Ermutigung seinerOpernfreundin in Weimar, Carolyne vonSayn-Wittgenstein, gaben demKomponis-ten das Durchhaltevermögen, im geistigkalten Paris des Jahres 1858 dieses Werkepischer Größe zu vollenden. Es wurdezu seinen Lebzeiten nie vollständig ge-spielt. Das Opernhaus Karlsruhe kannsichmit der ersten kompletten szenischenAufführung der Trojaner im Jahr 1890schmücken – wenn auch an zwei Aben-den. Ein junger französischer Musiker be-richtete für den „Figaro“ über dieses Er-eignis und staunte über die ihm unbe-kannte beauté des Werks.Die Bedeutung von Schönheit in den

„Trojanern“ kannman gar nicht genug be-tonen. Das gilt nicht nur für Liebesstim-mungen, sondern gerade auch für die Au-genblicke der Furcht und des Schreckens.Die Szenen der Cassandre verströmen beiallem Leid, das diese Figur verkörpert,belcantistische Großzügigkeit. In derArie „Malheureux roi (Unglücklicher Kö-nig)“ verschmelzen musikdramatischeWahrheit und schmerzlich-schöner Ge-sang. Und die Reaktion der Trojaner nachdem Bericht über Laokoons Tod äußertsich in dem gefassten Oktett mit Doppel-chor, „Châtiment effroyable (FurchtbareStrafe)“, in dem sich über dem artikulier-ten Schrecken eine grandiose Geste desMitleids erhebt – italienische Schönheitdes Gesanges ist da nicht weit. Zugleichlebt die Oper von der Prägnanz und demPathos französischer Bühnensprache, wiesie durch Corneille und Racine, auch

durch die französischen Opern ins neun-zehnte Jahrhundert hinein überliefertwurde.Mit untrüglichem Gespür für dramati-

sche Kontraste entwickelte Berlioz, selbstder Textbuchautor, aus dem mythischenGeschehen in Troja und Karthago die ef-fektvolle Opernhandlung. Mit Freuden-chören beginnen die Akte eins und drei;Frieden, Ruhe und neu gewonnenerWohl-stand bilden hier die Fallhöhe, von woaus der bekannte Mythos sich entrollt:Der Friede ist trügerisch, Kassandras Pro-phezeiungen werden nicht gehört. Ausge-rechnet Aeneas begleitet das mit grie-chischen Soldaten gefüllte Pferd in dieStadt; dem anschließenden Morden ent-kommen nur wenige. Fasziniert von dengestrandeten Helden Trojas, gewährt ih-nen Königin Dido in Karthago Asyl.Auch dieser Mythos ist bekannt: Aus demAsyl wird eine Zeit der Liebe für Didound Aeneas, doch immer wieder mahnendie Götter und die Toten, Aeneas müssewieder fortsegeln: „Italie! Italie!“ Der got-tesfürchtige Aeneas gehorcht. Didos Leidund Tod werden zur Katastrophe für ihrblühendes Land.Berlioz’ Musik durchglüht den Mythos

gleichsam von innen. Das riesige Orches-ter (unter anderem sechs Harfen, großeBühnenmusik, Schlagwerk) setzt er mitstaunenswerter Instrumentationskunstein. Ohne Ouvertüre und ausschließlichvon Bläsern „inszeniert“, springt die

Handlung in medias res; den ersten vollenStreicherklang hören wir erst nach 265Takten in dem atemberaubenden Rezita-tiv der Cassandre, „Les Grecs ont dispa-ru! (Die Griechen sind fort)“.DenmysteriösenKlarinettenklang lieb-

te Berlioz besonders und setzte, wie vorihm Mozart und Weber, gern ihre tiefenTöne ein. Im tumultösen ersten Akt er-fand er eine Insel des Mitgefühls für dieWitwe Hektors und ihren kleinen Sohn.Andromaque bleibt stumm, doch der Solo-part der Klarinette singt doloroso assaiund appassionato von überwältigenderTrauer und Zärtlichkeit.In der Abschiedsarie Didos, „Adieu,

fière cité (Leb wohl, du stolze Stadt)“, istihr Mezzosopran eingerahmt in einen be-redten Holzbläsersatz einerseits und herbausdrucksvolle Kantilenen der Bratschenandererseits. So wird die Stimme nie zuge-deckt, hat immer Raum zum Klingen.Französische Aufnahmen stehen beim

Vergleich unbedingt in der ersten Reihe –Françoise Pollet sang in der Studioaufnah-me (Dirigent Charles Dutoit, 1994) einehervorragendeDidonmit exquisitemTim-bre und authentischer Diktion, etwa imNachklingenlassen unausgesprochenerEndungen wie in „ivresse“. Eine souverä-ne Artikulation des Französischen stehtfreilich nicht allen Sängern zu Gebote;dies ist ein Minuspunkt der Einspielungdes britischen Dirigenten Colin Davis(1969), obwohlman sich kaum einen hart-

näckigeren Anwalt für die verrückte Rari-tät „Les Troyens“ denken kann: Jährlichdirigierte er in den sechziger Jahren kon-zertante Aufführungen der Oper.Einem ähnlich leidenschaftlichen An-

walt für „Les Troyens“ begegnen wir nunin dem amerikanischen Dirigenten JohnNelson. Er pflegt seit Jahrzehnten eineinnige Beziehung zu französischer Kul-tur und speziell zu Berlioz. In Frankfurtbrachte er im Februar 2017 eine musika-lisch beglückende Produktion auf dieBühne; im April dirigierte er dann in derPhilharmonie Straßburg zwei konzertan-te Aufführungen. Die Konzerte dientenals Grundlage für das neue CD-Albummit dem Orchestre Philharmonique deStrasbourg, den Chören der Opéra Natio-nal du Rhin und dem Badischen Staats-opernchor.Bei der Besetzung der Solopartien fällt

eines sofort auf: Sie sind Belcanto-erfah-ren, singen auch aktuell Partien vonHän-del, Mozart und Rossini. MitMichael Spy-res als Énée erteilt Nelson der heldischenTradition eine Absage, hält sich vielmehran Vorbilder stimmlicher Eleganz wie Ni-colai Gedda oder Guy Chauvet. Spyresmeistert die gesanglichen Herausforde-rungen bis zum hohen C bravourös. Kri-tikwürdig vielleicht eine relative Gleich-förmigkeit des Singens, man vermisstelektrisierende Momente, wie sie BryanHymel in London 2012 so strahlend ge-langen.

Groß ist das musikdramatische Tempe-rament Joyce DiDonatos als Didon. Diegefeierte Mezzosopranistin wirft ihre ge-samte Erfahrung im Gestalten tragischerBarockopern-Heroinen in die Waagscha-le, verfügt über die kraftvolle Attackeebenso wie über delikate Phrasierungen.Es ist ein Erlebnis, in der Rolle der groß-mütigen und leidenschaftlichen KöniginKarthagos eine Gesangsdiva auf derHöhe ihrer Fähigkeiten zu hören. Doch re-gen sich Zweifel, ob die Stimme, bei all ih-rer Wandlungsfähigkeit und Delikatesse,über genügend Volumen verfügt. Das be-rühmte Liebesduett zwischen Didon undÉnée, „Nuit d’ivresse (Nacht der Trunken-heit)“, klingt makellos – doch reicht das?Hier wäre der Ort gesanglicher Ekstase,des Über-sich-Hinauswachsens, nicht dersorgfältigen Ökonomie.Beides – Volumen und Belcanto – ver-

eint die Altistin Marie-Nicole Lemieuxals Cassandre. Die Kanadierin gestaltetGröße und Misere der unglücklichen Se-herin bewundernswürdig; ihre kraftvolle,bewegliche Stimme ist stets genau fokus-siert und kann sich doch öffnen zur gro-ßen vokalen Geste. Bewegend das Duo„Reviens à toi (Kommwieder zu dir)“ mitStéphane Degout als Chorèbe; auch die-ser Bariton wurde nach seiner schönen,erstklassig geführten Stimme ausgewählt.Es ist John Nelson und dem blendend

disponierten Straßburger Orchester zudanken, dass in dieser ungekürzten Ge-samtaufnahme der „Troyens“ bei aller Tra-gik auch Momente OffenbachschenEsprits aufblitzen; spritzig, elegant, mo-kant. ANJA-ROSA THÖMING

„Take Three Girls“, die Geschichte vondrei jungen Frauen, die sich in Londonsaufregendster Dekade ein Apartment tei-len, war nicht nur als erste in Farbe ge-drehte BBC-Fernsehserie innovativ. Die1969 erstmals ausgestrahlte Produktionleistete sichmit „Light Flight“ auch ein al-les andere als eingängiges Titelliedmit ra-santen Rhythmuswechseln bis hin zumFünfachteltakt. Es spricht für die aufge-schlossene Zuhörerschaft jener Zeit,dass das Lied mit der zugehörigen Platte„Basket of Light“ Platz fünf der briti-schen Charts erreichte – und das, obwohldie Band Pentangle als Teil der damali-gen Folkmusikbewegung eigentlich nichtauf den Mainstream setzte.Pentangle trat am 27. März 1967 erst-

mals öffentlich auf, exakt zwei Monatevor dem ersten Konzert der Folkrockband„Fairport Convention“, und beide Bandserscheinen aus heutiger Sicht als Antago-nisten einer Musikrichtung, die traditio-nelles Repertoire wiederentdeckte, mit ei-genen Kompositionen mischte und dabeiauf unterschiedliche Weise aktualisierte:Fairport Convention, zumal seit dem Ein-stieg der Sängerin Sandy Denny, ent-schied sich für einen Weg, der kraftvolleRiffs und elektrisch verfremdete Klängenicht scheute, während Pentangle vor al-

lem anfangs eher auf akustische Gitarren,Kontrabass undGlockenspiel setzte, dazudie elfenhafte Stimme der SängerinJacqui McShee. Verschiedentlich nahmendie beiden Bands dieselben volkstümli-chen Balladen auf, etwa „Willy O’ Wins-bury“ oder „TamLin“, aber das Zupacken-de, das Fairport Convention besaß, fehltPentangle bisweilen dann doch.Fünf Jahre lang, von 1967 bis Ende

1972, blieb Pentangle in der Gründungs-besetzung zusammen. NebenMcShee wa-ren das die Gitarristen Bert Jansch undJohn Renbourn, der Bassist DannyThompson und der Drummer Terry Cox.Nun ist ein Box-Set erschienen, das diesechs Alben dieser Zeit, kräftig erweitertumLive-Aufnahmen oder alternative Stu-dioversionen, auf sieben CDs präsentiert,ergänzt um ein reiches Booklet. DerKlang ist, von wenigen Livemitschnittenabgesehen, angenehm transparent undstellt die vorzüglichen Instrumentalistenheraus: Thompsons schwebende Basslini-en sind die Grundlage nicht nur für dieje-nigen Stücke der Band, die eher an Jazz-traditionen orientiert sind, und dasSchlagzeugspiel von Cox ist hier so exqui-sit wie präsent. WoMcShees Stimme eineallzu liebliche Färbung aufweist – dass sieauch ganz anders kann, zeigt diese Box

durchaus –, da hält nicht nur das filigraneGewebe der Instrumente dagegen, son-dern auch der warme Gesang des großen,leider bereits 2011 verstorbenen Gitarris-ten und Songschreibers Bert Jansch.Es ist die Art Musik, die man an einem

Winternachmittag hören möchte, in ei-nem Moment ohne Verpflichtungen undTermine und ohne den Druck, sich mit ir-gendjemandem zu unterhalten. Dann of-fenbaren die Stücke ihren gesamtenReichtum, ihre Variationsfülle, beson-ders dort, wo ihre unterschiedlichenQuellen zutage treten und etwa der „Hun-ting Song“ unversehens in einen A-cap-pella-Kanon auf die Melodie von „Hejo,spann den Wagen an“ übergeht. Pentan-gle zeigt sich besonders hier als eineBand vorzüglicher Musiker, die zuvorund danach zwar zahlreiche andere Plat-ten veröffentlichten, ihr Bedeutendstesaber in gerade dieser Formation voll-brachten. TILMAN SPRECKELSEN

Troja kommt nicht zur Ruhe: 98 Jahre bevor Berlioz seine Oper „Les Troyens“ vollendete, malte der Venezianer Giovanni Domenico Tiepolo den „Einzug des Holzpferdes in Troja“. Foto Imago

Collage der Gruppe Pentangle um 1970: Terry Cox, Bert Jansch, Danny Thompson,John Renbourn und Jacqui McShee (von links) Foto Getty

Hector Berlioz: Les Troyens. JoyceDiDonato, Marie-Nicole Lemieux, Michael

Spyres u. a., OrchestrePhilharmonique desStrasbourg, JohnNelson.4 CD, 1 Bonus-DVD.Erato 0190295762209(Warner Classics)

Pentangle: „TheAlbums 1968–1972“.

Box-Set mit 7 CDs.Cherry RedCRCDBOX41(Rough Trade)

Auch das noch

Nacht voll Trunkenheit

Was sagt derMainstream zum Fünfachteltakt?Musik für einen perfektenWinternachmittag: Ein Box-Set mit allen Alben der britischen Folkband Pentangle in Gründungsbesetzung

Ich willmeine alteZeit zurück

Mit famosen Sängern wie Joyce DiDonato,Marie-Nicole Lemieux und Stéphane Degout bringt der Dirigent

John Nelson die Monumentaloper „Les Troyens“ vonHector Berlioz neu heraus.

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