Dank Tieren in eine bessere Zukunft starten

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Artikel über VSF-Suisse in der Tierwelt 37 vom 13. September 2012

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Vétérinaires Sans Frontières Suisse (VSF-Suisse) ist eine kleine Hilfsorgani-sation, die sich über Tiere für Menschen einsetzt. So unterstützt VSF-Suisse in verschiedenen afrikanischen Ländern Einheimische, deren Lebensunterhalt von Nutztieren abhängt.

Wer in Afrika ein Tier besitzt, ist an-gesehen. Der Besitz von Tieren verleiht Status. VSF-Suisse nutzt

diese Tatsache und übergibt ehemaligen Kin-dersoldaten in der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan kleine Ziegenherden von rund fünf Tieren. Mit dieser Reintegrati-onsmassnahme unterstützt VSF-Suisse die Kinder bei ihrer Rückkehr ins zivile Leben. «Sie bekommen eine Zukunftsperspektive und wir versuchen so zu verhindern, dass sie wieder in die Armee oder die Rebellengrup-pen zurückkehren», sagt Bonny Wilkinson, Geschäftsführerin von VSF-Suisse.

Die Kinder werden geschult, wie sie mit den Tieren umgehen müssen. Der Verkauf der Milch kommt der ganzen Familie – oft ist dies nicht mehr die Herkunfts-, sondern eine Gastfamilie – zugute: Der Lebensmittelbedarf kann gedeckt werden, die Ernährung wird aufgewertet, die Familie kann sich Medika-mente leisten und die Kinder haben die Mög-lichkeit, die Schule oder berufsbildende Ein-richtungen zu besuchen. «Später, wenn die

Ziegen sich vermehrt haben, können auch Tiere verkauft und damit Einkommen gene-riert werden», erklärt Wilkinson.

Einkommensfördernde Massnahmen sind einer der vier Hauptbereiche von VSF-Suisse, um gegen Hunger und Armut in Afrika an-zukämpfen. Ausserdem sollen Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können, reduziert werden. Die Sen-sibilisierung der breiten Öffentlichkeit in der Schweiz bezüglich der Probleme, mit denen Viehzüchter in Entwicklungsländern konfron-tiert sind, ist ein weiteres Anliegen.

Dank der Unterstützung haben die Menschen in Mali mehr und bessere MilchDer vierte Bereich von VSF-Suisse ist die Katastrophenvorsorge. Diese bezieht sich vor allem auf die Dürrebekämpfung, etwa in Ke-nia oder Äthiopien. «Kühe sind die ersten Tiere, die bei einer Dürre sterben», sagt Wil-kinson, die lange Jahre in der Entwicklungs-zusammenarbeit in Afrika war. VSF-Mitarbei-ter geben deshalb trächtige Kamelstuten an Viehzüchter ab, die ihre ganze Kuhherde ver-loren haben. Kamele sind dem Klima viel besser angepasst. Durch den Verkauf der Ka-melmilch haben die Besitzer eine bessere Einkommensmöglichkeit und erlangen ihren Status als Tierbesitzer wieder zurück.

In Mali gewährleistet VSF-Suisse eine leis-tungsfähige Milchwirtschaft um die Haupt-stadt Bamako herum. Das umfasst Produkti-

on, Verarbeitung, aber auch Verkauf. «Wir unterstützen vom Melken bis zur Abgabe an den Endverbraucher den ganzen Prozess», berichtet Wilkinson. VSF-Spezialisten beraten die Tierhalter in den Bereichen Hygiene, Krankheitsprävention, aber auch Zucht. Um die Produktion zu steigern, werden etwa Kühe aus produktiveren Rassen eingekreuzt. Seit dem Start dieses Projektes 2005 sind das Angebot und die Qualität von lokal produ-zierter Milch markant gestiegen.

VSF-Suisse gibt es seit 1988. Die Hilfsor-ganisation ist zurzeit in sieben afrikanischen Ländern tätig. Neue Projekte und neue Län-der sollen im Moment nicht dazukommen. «2010 war ein schwieriges Jahr mit viel per-sonellem Wechsel», sagt Wilkinson, die auch erst seit einem guten Jahr bei VSF dabei ist – das letzte halbe Jahr als Geschäftsführerin. In den nächsten drei bis fünf Jahren wolle man aber schon in weiteren Ländern tätig werden. Was die Projekte betrifft, werden die bestehenden ausgebaut oder örtlich etwas ausgedehnt. Inhaltlich wird sich also nicht viel ändern. Längerfristig möchte sich der VSF aber finanziell projektunabhängiger machen. «Viele unserer Projekte sind höchstens für 18 Monate mit Nothilfegeldern finanziert», sagt Wilkinson. Um mehr Stabilität ins Unter-nehmen zu bringen, möchte sie versuchen, Gelder für längerfristige, 3- bis 5-jährige Pro-jekte zu beschaffen. Was der neuen Geschäfts-führerin ebenfalls vorschwebt, sind Studien

über die laufenden Projekte zu machen, um Guidelines für andere Hilfswerke erstellen zu können. «Geniale Ideen, wie die der Wie-dereingliederung von Kindersoldaten, müssen unbedingt Nachahmung finden», fordert sie.

Bei VSF-Suisse soll eine Zeit der Konsolidierung anbrechenEine Schwierigkeit, die die kleine Organisa-tion hat: «Wir sind noch zu wenig bekannt in der Schweiz», sagt Wilkinson. Obwohl nächs-tes Jahr das 25-Jahr-Jubiläum anstehe, denke jeder bei der Namensnennung zuerst an

«Médecins Sans Frontières», also an Ärzte, nicht aber an Tierärzte ohne Grenzen. Wenn sie dann erzähle, worum es bei VSF gehe, seien alle sofort begeistert. «Vielleicht haben wir Mühe, uns zu profilieren, weil unsere Idee zwar einzigartig ist, aber sich nicht kurz in einem Satz beschreiben lässt», mutmasst Wil-kinson. In Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Medien gebe es auf jeden Fall noch Verbes-serungspotenzial. Doch das komplett neu aufgestellte Team in Bern sei dynamisch, jung und habe Drive, meint Wilkinson, die nach einem Jahr bei VSF sagen kann: «Ich habe

die richtige Stelle.» Als Macherin sei sie am rechten Platz. Das kleine Unternehmen habe nämlich auch seine Vorteile. Man sei flexibler und könne schneller auf veränderte Umstän-de reagieren. Die Entscheidungswege seien kurz, die Hierarchie flach und die Bürokratie klein. Und was die Geschäftsführerin am wichtigsten findet: «Vor Ort haben wir ein gutes Netzwerk und sind ein geschätzter und renommierter Partner.» Petra Schanz

Mehr Informationen über Tierärzte ohne Grenzen unter www.vsf-suisse.ch

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Eine afrikanische Familie lebt besser, wenn sie Nutztiere halten kann.