Dante - Göttliche Komödie

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Page 1 Göttliche Komödie (Streckfuß 1876)/Vorwort – Wikisource 27.07.2013 13:29:16 https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/Vorwort Göttliche Komödie (Streckfuß 1876)/Vorwort aus Wikisource, der freien Quellensammlung < Göttliche Komödie (Streckfuß 1876) Von „http://de.wikisource.org/w/index.php?title=Göttliche_Komödie_(Streckfuß_1876)/Vorwort&oldid=1376898“ Kategorien: Fertig Werke Romanische Philologie 14. Jahrhundert Italien Italienisch Dante Alighieri Göttliche Komödie (Streckfuß) Diese Seite wurde zuletzt am 13. Dezember 2010 um 23:13 Uhr geändert. [ 3 ] Vorwort . Die Streckfuß sche Uebersetzung der göttl . Komödie behauptet neben allen neueren Reim - Uebertragungen dieses Werkes von den blos metrischen ganz abgesehen heute noch in ihrer Totalität jenen unvergänglichen Reiz schwungvoller , poetischer Frische , sprachlicher Eleganz und populärer Verständlichkeit , wodurch sie seit Jahrzehnten sich eingebürgert hat . Dieselbe durch eine unabweisbare , zeitgemäße Berichtigung im Einzelnen der Gegenwart zu erhalten , nachdem vor nunmehr über dreißig Jahren der längstverstorbene Verfasser die letzte Hand daran gelegt hat , ist die nächste Absicht vorliegender Ausgabe . Maßgebender und im Collisionsfall entscheidender Grundsatz für diese durchgehende Revision war dem Herausgeber die Herstellung der texttreuen Genauigkeit und Zuverlässigkeit , welche Streckfuß , abgesehen von offenbaren Irrthümern und einzelnen undeutlichen Wendungen , oftmals allzusehr hintangesetzt hat . Ohne irgend einen gewichtigen Grund dieser Art ist nichts geschehen . Mußten nun auch von diesem Standpunkte aus fast auf jeder Seite einzelne Worte oder Verse geändert , ja oft , unvermeidlicher Weise , ganze längere Stellen mehr oder weniger neu übersetzt werden *) , so war ich doch nach Kräften bemüht , dies im Geiste des ersten Uebersetzers zu thun ; und indem ich die versuchte Lösung einer ebenso mühsamen als schwierigen Aufgabe freundlicher Beurtheilung anheimgebe , glaube ich wenigstens sagen zu können , daß dem ursprünglichen Gesammtcharakter des Meisterwerks kein Abbruch geschehen ist . Wesentlich anders dagegen gestaltete sich das Verhältniß bei den Anmerkungen . Zwar blieb es auch hier der weitere , leitende Gedanke , die anfängliche Anlage und Bestimmung derselben , als eines , unter dem Text fortlaufenden , [ 4 ] für weitere Kreise berechneten , möglichst bündigen , übersichtlichen und leicht verständlichen Commentar s durchaus beizubehalten . Aber unzweifelhaft war , daß das von Streckfuß Gebotene selbst , wenigstens nach dem heutigen Standpunkt der Forschung , keineswegs mehr jenem Zwecke genüge , da es im Einzelnen vielfach unvollständig und veraltet ist , im Ganzen aber einer eigentlichen Gesammtauffassung und Gedankenentwicklung des Gedichts völlig entbehrt . So hat man denn in der , nach diesen Gesichtspunkten gänzlich umgearbeiteten Erklärung in der Hauptsache eine neue , selbständige und einheitliche Arbeit des Herausgebers , welche sich ebenfalls mit der revidirten Uebersetzung zu einem einheitlichen Ganzen zusammenschließt . Stehen geblieben ist von Einzel - Anmerkungen nur , was für richtig oder unentscheidbar gehalten oder corrigirt werden konnte . Ich hatte mich hierin an den ausdrücklichen Plan der Verlagshandlung zu halten , während ich meinestheils leichter alles neu geschrieben hätte . Man wird aber an den [ ] , in welche alles Neue gestellt ist , erkennen , daß schon von der zweiten Hälfte des Fegefeuers an , vollends im Paradies wenig mehr stehen bleiben konnte . Der , nunmehr durch größere , unter sich zusammenhängende Anmerkungen und Excurse fortgeleiteten Gedankenentwicklung liegen die Anschauungen meiner früheren Einleitungsschrift ( S . 7 ) zu Grunde ; in den zahllosen historischen Notizen habe ich mich , soweit sie außer Bereich meiner Studien lagen , meist an Philalethes angeschlossen . Auf eine besondere Einleitung mußte verzichtet werden ; das Wesentliche ist an Ort und Stelle , besonders zu Hölle 1 , Paradies 17 , 50 bemerkt und wird vielleicht so desto eher gelesen . Ebenfalls eine neue Zugabe , auch gegenüber andern Ausgaben , sind Gesangüberschriften zur leichteren Orientierung . Möchte ich einigermaßen den rechten Weg getroffen haben , um allen Freunden hoher Poesie , auch Theologen , den , immer noch zu wenig gelesenen , unsterblichen Dichter und Denker näher zu bringen ! Essingen , ( Württemberg ) Aug . 1876 . Dr . Pfleiderer , Pfarrer . 1 . *) Z . B . Hölle 11 , 61 ff . ; 27 , 7 21 . 28 , 88 ff . Fgf . 4 , 10 ff . ; 15 , 16 ff . ; 16 , 73 81 ; 20 , 91 96 , 21 , 40 ff . ; 33 , 34 ff . ; Parad . 17 , 82 93 ; 18 , 16 ff . ; 109 ff . 20 , 52 ff . ; 76 ff . ; 23 , 89 , 33 , 31 ff . [ 1 ]

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  • Page 1Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Vorwort Wikisource27.07.2013 13:29:16https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/VorwortGttliche Komdie (Streckfu 1876)/Vorwortaus Wikisource, der freien Quellensammlung< Gttliche Komdie (Streckfu 1876)Von http://de.wikisource.org/w/index.php?title=Gttliche_Komdie_(Streckfu_1876)/Vorwort&oldid=1376898Kategorien: Fertig Werke Romanische Philologie 14. Jahrhundert Italien Italienisch Dante Alighieri Gttliche Komdie (Streckfu)Diese Seite wurde zuletzt am 13. Dezember 2010 um 23:13 Uhr gendert. [3]Vorwort.Die Streckfusche Uebersetzung der gttl. Komdie behauptet neben allen neueren Reim-Uebertragungen dieses Werkes von den blosmetrischen ganz abgesehen heute noch in ihrer Totalitt jenen unvergnglichen Reiz schwungvoller, poetischer Frische, sprachlicherEleganz und populrer Verstndlichkeit, wodurch sie seit Jahrzehnten sich eingebrgert hat. Dieselbe durch eine unabweisbare, zeitgemeBerichtigung im Einzelnen der Gegenwart zu erhalten, nachdem vor nunmehr ber dreiig Jahren der lngstverstorbene Verfasser die letzteHand daran gelegt hat, ist die nchste Absicht vorliegender Ausgabe. Magebender und im Collisionsfall entscheidender Grundsatz fr diesedurchgehende Revision war dem Herausgeber die Herstellung der texttreuen Genauigkeit und Zuverlssigkeit, welche Streckfu, abgesehenvon offenbaren Irrthmern und einzelnen undeutlichen Wendungen, oftmals allzusehr hintangesetzt hat. Ohne irgend einen gewichtigen Grunddieser Art ist nichts geschehen. Muten nun auch von diesem Standpunkte aus fast auf jeder Seite einzelne Worte oder Verse gendert, ja oft,unvermeidlicher Weise, ganze lngere Stellen mehr oder weniger neu bersetzt werden *) , so war ich doch nach Krften bemht, dies imGeiste des ersten Uebersetzers zu thun; und indem ich die versuchte Lsung einer ebenso mhsamen als schwierigen Aufgabe freundlicherBeurtheilung anheimgebe, glaube ich wenigstens sagen zu knnen, da dem ursprnglichen Gesammtcharakter des Meisterwerks kein Abbruchgeschehen ist.Wesentlich anders dagegen gestaltete sich das Verhltni bei den Anmerkungen. Zwar blieb es auch hier der weitere, leitende Gedanke, dieanfngliche Anlage und Bestimmung derselben, als eines, unter dem Text fortlaufenden, [4] fr weitere Kreise berechneten, mglichstbndigen, bersichtlichen und leicht verstndlichen Commentars durchaus beizubehalten. Aber unzweifelhaft war, da das von StreckfuGebotene selbst, wenigstens nach dem heutigen Standpunkt der Forschung, keineswegs mehr jenem Zwecke genge, da es im Einzelnenvielfach unvollstndig und veraltet ist, im Ganzen aber einer eigentlichen Gesammtauffassung und Gedankenentwicklung des Gedichts vlligentbehrt. So hat man denn in der, nach diesen Gesichtspunkten gnzlich umgearbeiteten Erklrung in der Hauptsache eine neue, selbstndigeund einheitliche Arbeit des Herausgebers, welche sich ebenfalls mit der revidirten Uebersetzung zu einem einheitlichen Ganzenzusammenschliet. Stehen geblieben ist von Einzel-Anmerkungen nur, was fr richtig oder unentscheidbar gehalten oder corrigirt werdenkonnte. Ich hatte mich hierin an den ausdrcklichen Plan der Verlagshandlung zu halten, whrend ich meinestheils leichter alles neugeschrieben htte. Man wird aber an den [ ], in welche alles Neue gestellt ist, erkennen, da schon von der zweiten Hlfte des Fegefeuers an,vollends im Paradies wenig mehr stehen bleiben konnte. Der, nunmehr durch grere, unter sich zusammenhngende Anmerkungen undExcurse fortgeleiteten Gedankenentwicklung liegen die Anschauungen meiner frheren Einleitungsschrift (S. 7) zu Grunde; in den zahllosenhistorischen Notizen habe ich mich, soweit sie auer Bereich meiner Studien lagen, meist an Philalethes angeschlossen. Auf eine besondereEinleitung mute verzichtet werden; das Wesentliche ist an Ort und Stelle, besonders zu Hlle 1, Paradies 17, 50 bemerkt und wird vielleicht sodesto eher gelesen. Ebenfalls eine neue Zugabe, auch gegenber andern Ausgaben, sind Gesangberschriften zur leichteren Orientierung. Mchte ich einigermaen den rechten Weg getroffen haben, um allen Freunden hoher Poesie, auch Theologen, den, immer noch zu weniggelesenen, unsterblichen Dichter und Denker nher zu bringen!Essingen, (Wrttemberg) Aug. 1876.Dr. Pfleiderer, Pfarrer.1. *) Z. B. Hlle 11, 61 ff.; 27, 721. 28, 88 ff. Fgf. 4, 10 ff.; 15, 16 ff.; 16, 7381; 20, 9196, 21, 40 ff.; 33, 34 ff.; Parad. 17, 8293; 18, 16 ff.; 109 ff.20, 52 ff.; 76 ff.; 23, 89, 33, 31 ff.[1]
  • Page 1Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoGttliche Komdie (Streckfu 1876)/Infernoaus Wikisource, der freien Quellensammlung< Gttliche Komdie (Streckfu 1876)Die Hlle.(Abfassungszeit ca. 13001310 od. 1314.)_____Erster Gesang.Eingang: Der Wald. Die Thiere. Virgil.Auf halbem Weg des Menschenlebens fandIch mich in einen finstern Wald verschlagen,Weil ich vom graden Weg mich abgewandt.Wie schwer ists doch, von diesem Wald zu sagen,Wie wild, rauh, dicht er war, voll Angst und Noth;Schon der Gedank erneuert noch mein Zagen.Nur wenig bitterer ist selbst der Tod;Doch um vom Heil, das ich drin fand, zu kunden,Sag ich, was sonst sich dort den Blicken bot.[7] Nicht wei ich, wie ich mich hineingewunden,So war ich ganz vom tiefem Schlaf berckt,Zur Zeit, da mir der wahre Weg entschwunden.Doch bis zum Fu des Hgels vorgerckt,Dort, wo die Grenze war von jenem Thale,Das mir mit schwerer Furcht das Herz gedrckt,Schaut ich empor, und sah, den Rcken maleIhm der Planet, der uns auf jeder BahnGerad zum Ziele fhrt mit feinem Strahle.Da fingen Angst und Furcht zu schwinden an,Die mir des Herzens Blut erstarren machten,In jener Nacht, da Grausen mich umfahn.Und so wie athemlos, nach Angst und Schmachten,Schiffbrchige, noch von der Fluth durchnt,Vom Strande starr der Wogen Grimm betrachten,So kehrt auch ich, noch schwer das Herz gepret,Mich jetzt zurck, nach jenem Passe sehend,Der Keinen lebend sonst aus sich entlt.Den Leib gestrkt durch Ruhe, weiter gehend,Whlt ich bergan den Weg zur Wildni mir,Fest immer auf dem tiefern Fue stehend.Sieh, beim Beginn des steilen Weges, schierBedeckt mit buntgeflecktem Fell die Glieder,Gewandt und sehr behend ein Pantherthier.Nicht wichs von meinem Angesichte wieder,Und also hemmt es meinen weitern Lauf,Da ich mich fters wandt ins Thal hernieder.Am Morgen wars, die Sonne stieg herauf,Von jenen Sternen, so wie einst umgeben,Als Gottes Lieb aus dem Nichts herauf[9] Die schne Welt berief zu Sein und Leben;So ward durch jenes Thier mit buntem HaarAnla zur Sorge doch mir nicht gegeben,[5][1]14[6] 710[8] 13 [2]161922 [3]252831[4]3437 [5]40
  • Page 2Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoZu solcher Stund, im sen, jungen Jahr Wenn Grund zur Furcht mir alsbald nicht erregteNunmehr ein Lwe, den ich ward gewahr!Es schien, da er sich gegen mich bewegte,Erhobnen Haupts und mit des Hungers Wuth,So da er Zittern selbst der Luft erregte.Auch eine Wlfin, welche jede GlutDer Gier durch Magerkeit mir schien zu zeigen,Die schon auf Viele schweren Jammer lud.Vor dieser mute so mein Muth sich neigen,Aus Furcht, die bei dem Anblick mich durchbebt,Da mir die Hoffnung schwand, zur Hh zu steigen.Wie der, der eifrig zu gewinnen strebt,Wenn zum Verlieren nun die Zeit gekommen,In Kmmerni und tiefem Bangen lebt:So machte dieses Unthier mich beklommen;Von ihm gedrngt, mut ich mich rckwrts ziehn,Dorthin, wo nimmer noch die Sonn entglommen.Indessen ich zur Tiefe strzt im Fliehn,Da zeigte meinem Blicke dort sich Einer,Der durch zu langes Schweigen heiser schien.Wer du auch seist, so rief ich, als ich seinerGewahrt in groer Wste, nenn ich dichMensch oder Schatten, o erbarm dich meiner!Und jener sprach: Nicht bin, doch Mensch war ich;Lombarden waren die, so mich erzeugten,Und beide priesen Mantuaner sich.Spt, als die Rmer sich dem Julius beugten,Sah ich das Licht, sah des Augustus Thron,Zur Zeit der Gtter, jener Trugerzeugten.Ich war Poet und sang Anchises Sohn,Der Troja floh, besiegt durch Feindestcke,Als, einst so stolz, in Staub sank Ilion.[11] Und du du kehrst zu solchem Gram zurcke?Was bleibt die freudge Hhe nicht dein Ziel,Die Anfang ist und Grund zum vollen Glcke?So bist du, rief ich, bist du der Virgil,Der Quell, dem reich der Rede Strom entflossen?Ich sprachs mit Scham, die meine Stirn befiel.O Ehr und Licht der andern Kunstgenossen,Vergilt jetzt groe Lieb und langen Flei,Die meinem Forschen dein Gedicht erschlossen.Mein Meister, Vorbild! dir gebhrt der Preis,Den ich durch schnen Stil davongetragen,Denn dir entnahm ich, was ich kann und wei.Sieh dieses Thier, o sieh michs rckwrts jagen,Berhmter Weiser, sei vor ihm mein Hort,Es macht mir zitternd Puls und Adern schlagen.Du mut auf einem andern Wege fort,Sprach er zu mir, den ganz der Schmerz bezwungen,Willst du entfliehn aus diesem wilden Ort.Denn dieses Thier, das dich mit Graun durchdrungen,Lt Keinen ziehn auf seines Weges Spur,Hemmt Jeden, bis es endlich ihn verschlungen.Es ist von bser, tckischer Natur,Und nimmer fhlts die wilde Gier ermatten,Ja jeder Fra schrft seinen Hunger nur.Mit vielen Thieren sieht man es sich gatten,Bis da die edle Dogge kommt, die khnEs wrgt und hinstrzt in die ewgen Schatten.43[6]4649 [7]525558[10] 61[8]646770 [9]73767982 [10]85[11]8891 [12]9497100 [13][14]
  • Page 3Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoNicht wird nach Land und Erz ihr Hunger glhn,Doch wird sie nie an Lieb und Weisheit darben;Inmitten Feltr und Feltro wird sie blhn,Zu Welschlands Heil, de Ruhm und Glck verdarben,Obwohl vordem Camilla fr dies Land,Euryalus, Turnus und Nisus starben.Nicht wird sie ruhn, bis sie dies Thier verbannt;Sie wird es wieder in die Hlle senken,Von wos der erste Neid heraufgesandt. Du folg jetzt mir zu deinem Heil mein DenkenUnd Urtheil ists ich will dein Fhrer seinUnd dich durch ewgen Ort von hinnen lenken.Dort wirst du hren der Verzweiflung Schrein, (Hlle)Wirst alte Geister schaun, die brnstig flehenUm zweiten Tod in ihrer langen Pein;Wirst Jene dann im Feur zufrieden sehen (Fegfeuer),Weil sie verhoffen, zu dem selgen Chor, (Paradies)Seis wann es immer sei, noch einzugehen.Und willst du auch zu diesem dann empor,Wrdger als ich, wird eine Seel erscheinen,Die geht, schied ich, als Fhrerin dir vor.[13] Denn Jener, der dort oben herrscht, lt Keinen (Gott)Eingehn, von mir gefhrt, vor seinen Thron,Weil ich mich nicht verbunden mit den Seinen.Allwrts gebeut er; doch er trgt die KronNur dort; dort ragen seines Sitzes Zinnen O selig, wen er whlt, da er dort wohn!La, Dichter, rief ich, dich mein Flehn gewinnen!Bei jenem Gotte, den du nicht erkannt,Um Schlimmem hier und Schlimmerm zu entrinnen,Bring an die Orte mich, die du genannt,Und la mich bald Sanct Petri Pforte sehen,Und Jene, wie du sprachst, zur Qual verbannt.Er ging; ich sumte nicht, ihm nachzugehen._______________Zweiter Gesang.Einleitung: Beatrix. Lucia.Der Tag verging, das Dunkel brach herein,Und Nacht entzog die Wesen auf der ErdenAll ihren Mhn, da rstet ich alleinMich zu dem harten Krieg und den BeschwerdenDes Wegs und Mitleids, und jetzt soll ihr BildGemalt aus sicherer Erinnrung werden.O Mus, o hoher Geist, jetzt helft mir mild!Erinnrung, die du schriebst, was ich gesehen,Hier wird sichs zeigen, ob dein Adel gilt!Jetzt, Dichter, fing ich an, bevor wir gehen,Erwge meine Kraft und Tchtigkeit!Kann sie die groe Reise wohl bestehen?Du sagst, da Silvius Vater in der Zeit,Im Krper noch, und noch ein sterblich WesenSei eingedrungen zur Unsterblichkeit.Doch da, der stets des Bsen Feind gewesen,In seinen Empyren zum Stifter ihnDer Mutter Roma und des Reichs erlesen,Kann Jeder, dem Vernunft ihr Licht verliehn,[12] 103106[15]109[16]112 [17]115118121 [18]124127130133 [19]1361 [20]47[14] 1013 [21]1619
  • Page 4Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoBeim hocherhabnen Zweck es wohl ergrnden,Da er nicht unwerth solcher Huld erschien.Denn Rom und Reich, um Wahres zu verknden,Gestiftet wurden sie, die heilge StadtZum Sitz fr Petri Folger zu begrnden.Durch diesen Gang, den du besangest, hatEr Kunde de, wodurch er siegt, empfangenUnd Grund gelegt zur heilgen Herrscherstatt.Ist das erwhlte Rstzeug hingegangen,So strkt es in dem Glauben dann die Welt,In dem der Weg des Heiles angefangen.Doch ich? warum? wer hat mirs freigestellt?Ich, Paul nicht noch Aeneas, dessen SchwcheNicht ich, noch Jemand dessen wrdig hlt.[15] Wenn ich dorthin zu kommen mich erfreche,So frcht ich, da mein Kommen thricht sei.Du Weiser, weit es besser, als ich spreche.Und wie, wer will und nicht will, mancherleiErwgt und prft, und fhlt im bangen Schwanken,Mit dem, was er begonnen, seis vorbei;So ich das was ich leicht und ohne WankenBegonnen hatte, gab ich wieder auf,Entmuthigt von den wechselnden Gedanken.Verstand ich dich, so sprach der Schatten drauf,So fhlst du Angst und Schrecken sich erneuenUnd Feigheit nur hemmt deinen weitern Lauf.Das Beste macht sie oft den Mann bereuen,Da er zurcke springt von hoher That,Gleich Rossen, die vor Truggebilden scheuen.Doch hindre sie dich nicht am weitern Pfad,Drum hre jetzt, was ich zuerst vernommen,Da mirs um dich im Herzen wehe tat.Mich, nicht in Hll und Himmel aufgenommen,Rief eine Frau, so selig und so schn,Da ihr Gehei mir werth war und willkommen,Mit Augen, gleich dem Licht an Himmelshhn,Begann sie gegen mich gelind und leise,Und jeder Laut war englisches Getn:O Geist, geboren einst zu Mantuas Preise,De Ruhm gedauert hat und dauern wird,So lang die Sterne ziehn in ihrem Kreise,Mein Freund, doch nicht der Freund des Glckes, irrtIn Wildni dort, weil Wahn im Weg ihn strte,So da er sich gewandt, von Furcht verwirrt.Schon irrte, frcht ich, also der Bethrte,Da ich zu spt zum Schutz mich aufgerafft,Nach dem, was ich von ihm im Himmel hrte.Du geh; es sei durch deiner Rede Kraft,Durch das, was sonst ihm Noth, sein Leid geendet;So sei ihm Hilf und Ruhe mir verschafft.Beatrix bin ich, die ich dich gesendet;Mich trieb die Lieb und spricht aus meinem Wort.Vom Ort komm ich, wohin mein Wunsch sich wendet.Und steh ich erst vor meinem Knig dort,So werd ich oft dich loben und ihm preisen. Sie sprachs und schwieg und ich begann sofort:Herrin der Tugend, Lehrerin der Weisen,Durch die die Menschheit berraget weitWas lebt in jenes Himmels kleinern Kreisen!So freudig bin ich dir zum Dienst bereit,22252831 [22]34374043464952 [23][24]55[16] 58616467707376 [25]79
  • Page 5Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoDa, wr vollbracht auch jetzt schon dein Begehren,Zu spt mirs schiene! Gnug ward mit Bescheid!Doch wolle jetzt vom Grunde mich belehren,Weshalb du stiegst zum Mittelpunkt, vom Licht,Zu welchem du dich sehnst, zurckzukehren.[17] Willst du es denn so tief ergrnden, sprichtDie Hohe darauf, so will ichs krzlich sagen.Ich frchte mich vor diesem Dunkel nicht.Vor solchem Uebel ziemt sich wohl zu zagen,Das mchtig ist und leicht uns Schaden thut,Vor solchem nicht, bei welchem nichts zu wagen.Gott schuf mich so, da ich in seiner HutDen Nthen, die euch drcken, bin entrissenUnd nicht ergreift mich dieses Brandes Glut.Ein edles Weib dort, von den HindernissenDes Manns erweicht, zu dem ich dich gesandt,Sie hat des Hchsten strengen Spruch zerrissen.Sie flehte zu Lucien hingewandt:Dein Treuer braucht dich jetzt im harten Streite,Darum empfehl ich ihn in deine Hand.Lucia, die sich ganz dem Mitleid weihte,Bewegte sich zum Orte, wo ich war,In Ruhe sitzend an der Rahel Seite.Sie sprach: Beatrix, Gottes Preis frwahr!Hilfst du ihm nicht, ihm, der aus groer LiebeFr dich entrann aus der gemeinen Schaar?Als ob dein Ohr taub seinen Klagen bliebe,Als shest du ihn nicht im Wirbel dort,Bedroht, mehr als ob Meeressturm ihn triebe?Nicht eilt so schnell auf Erden Einer fort,Den Gier nach Glck und Furcht vor Leid bethren,Wie ich herabgeeilt bei solchem Wort,Von meinem Sitz in jenen selgen Chren,Vertraund auf deiner wrdgen Rede Macht,Die Ruhm dir bringt und Allen, die sie hren. Als nun Beatrix solches vorgebracht,Da wandte sie die Augenstern in Zhren,Und dies hat mich nur schneller hergebracht.So komm ich denn daher auf ihr Begehren,Das Unthier von dir scheuchend, dems gelang,Den kurzen Weg des schnen Bergs zu wehren.Was also ist dir? warum weilst du bang?Was herbergst du die Feigheit im Gemthe?Was weicht dein Mut, dein khner Thatendrang,Da sich drei heilge Himmelsfraun voll GteFr dich bemhn, und dir mein Mund verspricht,Da ihre Sorge dich so treu behte.Gleichwie die Blum im ersten Sonnenlicht,Beim nchtgen Reif gesunken und verschlossen,Den Stiel erhebt und ihren Kelch entflicht;So hob die Kraft, erst schmachtend und verdrossen,In meinem Herzen sich zu gutem Muth,Und ich begann frohsinnig und entschlossen:O wie ist sie, die fr mich sorgte, gut!Wie freundlich bist auch du, der den BefehlenDer Herrlichen so schnell Genge thut!Mein Sehnen glht nicht wird die Kraft mir fehlenBei deinem Wort schon fhl ich, nicht mehr bang,Vom ersten Vorsatz wieder mich beseelen.Drum auf, in Beiden ist ein gleicher Drang,82 [26]8588919497100103106[18] 109112115118121124127130133136 [27]139
  • Page 6Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoHerr, Fhrer, Meister, auf zum groen Wege!Ich sprachs zu ihm, und folgend seinem Gang,Schritt ich daher auf waldig rauhem Stege._______________[19]Dritter Gesang.Hllenthor. Vorhlle. Die Memmen. Clestin V. Charon.Durch mich gehts ein zur Stadt der ewgen Qualen,Durch mich gehts ein zum wehevollen Schlund,Durch mich gehts ein zu der Verdammni Thalen.Gerechtigkeit war der BewegungsgrundDe, der mich schuf; mich grndend, that er offenAllmacht, Allweisheit, erste Liebe kund.Nicht ward vor mir Geschaffnes angetroffen,Als Ewiges; und ewig daur auch ich.Ihr, die ihr eingeht, lat hier jedes Hoffen.Die Inschrift zeigt in dunkler Farbe sichGeschrieben dort am Gipfel einer Pforte,Drum ich: Hart, Meister, ist ihr Sinn fr mich.Er, als Erfahrner, sprach dann diese Worte:Hier sei jedweder Argwohn weggebannt,Und jede Zagheit sterb an diesem Orte.Wir sind zur Stelle, die ich dir genannt.Hier wirst du jene Jammervollen schauen,Fr die das Heil des wahren Lichtes schwand.Er fate meine Hand, daher VertrauenDurch sein Gesicht voll Muth auch ich gewann.Drauf fhrt er mich in das geheime Grauen.Dort hob Gechz, Geschrei und Klagen an,Laut durch die sternenlose Luft ertnend,So da ich selber weinte, das begann.Verschiedne Sprachen, Worte, grlich drhnend,Faustschlge, Klnge heiseren Geschreis,Die Wuth, aufkreischend, und der Schmerz ersthnend Dies Alles wogte tosend stets, als seisSandwirbel, von den Strmen umgeschwungen,Durch dieser ewig schwarzen Lfte Kreis.Und ich, im Ungewissen und von Schaur durchdrungen,Sprach: Meister, welch Geschrei, das sich erhebt?Wer ist doch hier von Qualen so bezwungen?Und Er: Der Klang, der durch die Lfte bebt,Kommt von dem Jammervolk, geweiht dem Spotte,Das ohne Schimpf und ohne Lob gelebt.Sie sind gemischt mit jener schlechten RotteVon Engeln, die fr sich nur blieb im Strau,Nicht Meuterer und treu nicht ihrem Gotte.Die Himmel trieben sie als Mizier aus,Und da durch sie der Snder Stolz erstnde,Nimmt sie nicht ein der tiefen Hlle Graus.Ich drauf: Was fllt ihr Wehlaut diese Grnde?Was ist das Leiden, das so hart sie drckt?Und Er: Vernimm, was ich dir kurz verknde.Des Todes Hoffnung ist dem Volk entrckt,Im blinden Leben, trb und immer trber,Scheint ihrem Neid jed andres Loos beglckt.Sie kamen lautlos aus der Welt herber,Von Recht und Gnade werden sie verschmht.Doch still von ihnen schau und geh vorber.1421 [28]47101316[29]19[30]2225[20] 283134 [31]3740434649
  • Page 7Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoIch schaute hin und sah, im Kreis geweht,Ein Fhnlein ziehn, so eilig umgeschwungen,Da sichs zum Ruhn, so schien mirs, nie versteht.[21] In langer Reihe folgten ihm, gezwungen,So viele Leute, da ich kaum geglaubt,Da je der Tod so vieles Volk verschlungen.Und hier erblickt ich manch bekanntes Haupt,Auch Jenes Schatten, der aus Angst und ZagenSich den Verzicht, den groen, feig erlaubt.Ich war sogleich gewi, auch hrt ich sagen,Dies sei der Schlechten jmmerliche Schaar,Die Gott und seinen Feinden mibehagen.Dies Jammervolk, das niemals lebend war,War nackend und von Flieg und Wesp umflogen,Und ward gestachelt viel und immerdar.Thrnen und Blut aus ihren Wunden zogenIn Streifen durch das Antlitz bis zum Grund,Wo ekle Wrmer draus sich Nahrung sogen.Drauf, als ich weiter blickt im dstern Schlund,Erblickt ich Leut an einem Stromgestade,Und sprach: Jetzt thu, ich bitte, Herr, mir kund,Von welcher Art sind die, die so gerade,Wie ich beim dstern Dmmerlicht ersehn,So eilig weiter ziehn auf ihrem Pfade?Und Er darauf: Dir wird genug geschehnAm Acheron dort wird sich Alles zeigen,Wenn wir am traurgen Ufer stille stehn.Da zwang mich Scham, die Augen tief zu neigen,Aus Furcht, da ihm mein Fragen lstig sei,Und ich gebot mir bis zum Strome Schweigen.Und sieh, es kam ein Mann zu Schiff herbei,Ein Greis, bedeckt mit schneeig weien Haaren.Weh euch, Verworfne! tnte sein Geschrei.Nicht hofft, den Himmel jemals zu gewahren.Ich komm, euch jenseits hin an das Gestad,In ewge Nacht, in Hitz und Frost zu fahren.Und du, lebendge Seele, die genaht,Mut dich von diesen, die gestorben, trennen! Dann, da er sah, da ich nicht rckwrts trat:Hier kann ich dir den Uebergang nicht gnnen,Fr dich geziemen andre Wege sich,Ein leichtrer Kahn nur wird dich tragen knnen.Virgil drauf: Charon, nicht erboe dich.Dort, wo der Wille Macht ist, wards verhangen; (bei Gott)Dies sei genug, nicht weiter frage mich.Hierauf lie ruhen die bewollten WangenDes fahlen Sumpfs erzrnter Steuermann,De Augen Flammenrder rings umschlangen.Da hob graunvolles Zhneklappen an,Und es entfrbten sich die Tiefgebeugten,Seit Charon jenen grausen Spruch begann.[23] Sie fluchten Gott, und denen, die sie zeugten,Dem menschlichen Geschlecht, dem Vaterland,Dem ersten Licht, den Brsten, die sie sugten.Dann drngten sie zusammen sich am Strand,Dem schrecklichen, zu welchem Alle kommen,Die Gott nicht scheun, und laut Geheul entstand.Charon, mit Augen, die wie Kohlen glommen,Winkt ihnen, und schlug mit dem Ruder los,Wenn einer sich zum Warten Zeit genommen.525558[32]6164677073 [33]7679[22] 82858891 [34][35]9497100103106109
  • Page 8Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoGleich wie im Herbste bei des Nordwinds StoEin Blatt zum andern fllt, bis da sie alleDer Baum erstattet hat dem Erdenscho;So strzen, hergewinkt, in jhem FalleSich Adams schlechte Sprossen in den Kahn,Wie angelockte Vgel in die Falle.Durch schwarze Fluten geht des Nachens Bahn,Und eh sie noch das Ufer dort erreichen,Drngt hier schon eine neue Schaar heran.Mein Sohn, sprach mild der Meister, die erbleichenIn Gottes Zorne, werden alle hierAm Strand vereint aus allen Erdenreichen.Man scheint zur Ueberfahrt sehr eilig dir,Doch die Gerechtigkeit treibt diese LeuteUnd wandelt ihre bange Furcht in Gier.Kein guter Geist macht diese Fahrt; und druteDir Charon, weil du hier dich eingestellt,So kannst du wissen, was sein Wort bedeute. Hier wankte so mit Macht das dunkle Feld,Da mich noch jetzt Schweitropfen berthauen,So oft dies Schreckensbild mich berfllt.Ein Windsto fuhr aus den bethrnten Auen,Er blitzt ein rothes Licht, das jeden SinnBewltigte mit ungeheurem Grauen,Und wie vom Schlaf befallen, strzt ich hin _______________Vierter Gesang.I. Abtheilung. I. Kreis. Ungetaufte; Erzvter; Dichter, Helden, Philosophen der Heidenzeit.Mir brach den Schlaf im Haupt ein DonnerkrachenSo schwer, da ich zusammenfuhr dabei,Wie Einer, den Gewalt zwingt, zu erwachen.Ich warf umher das Auge wach und frei,Emporgerichtet sphend, da ich sheUnd unterschied, an welchem Ort ich sei.So fand ich mich am Thalrand, in der NheDes qualenvollen Abgrunds, dessen KluftZum Donnerhall vereint unendlich Wehe.[25] Tief war er, dunkel, nebelhaft die Luft,Drum wollte nichts sich klar dem Blicke zeigen,Den ich geheftet an den Grund der Gruft,La uns zur blinden Welt hinuntersteigen,Ich bin der Erste, du der Zweite dann.So sprach Virgil, um drauf erblat zu schweigen.Ich, sehend, wie die Blss ihn berrann,Sprach: Scheust du selber dich, wie kann ichs wagen,Der Trost im Zweifel nur durch dich gewann?Und er zu mir: Des tiefen Abgrunds PlagenEntfrben mir durch Mitleid das Gesicht,Und nicht, so wie du meinst, durch feiges Zagen.Fort, zaudern lt des Weges Lng uns nicht.So ging er fort und rief zum ersten KreiseMich auch hinein, der jene Kluft umflicht.Mir schien, nach meinem Ohr, des Klanges Weise,Der durch die Luft hier bebt im ewigen Thal,Nicht Klaggeschrei, nur Seufzer dumpf und leise.Und dieses kam vom Leiden ohne Qual112115118121124[36]127 [37][24]130133 [38]136147 [39]101316192225[26] [40]28
  • Page 9Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoDer Kinder, Mnner und der Fraun, in Schaaren,Die viele waren und von groer Zahl.Da sprach der Meister: Willst du nicht erfahren:Zu welchen Geistern du gekommen bist?Bevor wir fortgehn, will ich offenbaren,Da sie nicht sndigten; doch gngend mitNicht ihr Verdienst, da sie der Tauf entbehrten,Die Pfort und Eingang deines Glaubens ist.Und lebten sie vor Christo auch, so ehrtenSie doch den Hchsten nicht, wie sichs gebhrt;Und diese Geister nenn ich selbst Gefhrten.Nur dies, nichts Andres hat uns hergefhrt.Da wir in Sehnsucht ohne Hoffnung leben,Ward uns Verlornen nur als Straf erkrt.Gro war mein Schmerz, als er dies kund gegeben,Denn Leute groen Werthes zeigten sich,Die unentschieden hier im Vorhof schweben.Und ich begann: Mein Herr und Meister, sprich,(Ich wollte mich in jenem Glauben strken,Vor dessen Licht des Irrthums Nacht entwich,)[27] Kam Keiner je durch Kraft von eignen Werken,Durch fremd Verdienst von hier zur Seligkeit? Er schien des Worts versteckten Sinn zu merken,Und sprach: Ich war noch neu in diesem Leid,Da ist ein Mchtiger hereingedrungen.Bekrnt mit Siegesglanz und Herrlichkeit.Der hat des Urahns Geist der Hll entrungen,Auch Abels, Noahs; und auch Moses hat,Der Gott gehorcht, mit ihm sich aufgeschwungen.Abram und David folgten seinem Pfad,Jakob, sein Vater, seine Shne schieden,Und Rahel auch, fr die so viel er that.Sie und viel Andre fhrt er ein zum Frieden,Und wissen sollst du nun: Vor diesem warErlsung keinem Menschengeist beschieden.Obwohl er sprach, gings vorwrts immerdar,So da wir unterde den Wald durchdrangen,Den Wald, mein ich, der dichten Geisterschaar.Nicht weit von oben waren wir gegangen,Als ich ein Feur in lichten Flammen sah,Die dort im halben Kreis die Nacht bezwangen.Zwar waren wir dem Ort nicht vllig nah,Doch einen Kreis von ehrenhaften Leuten,Die diesen Platz besetzt, erkannt ich da.Du, de sich Wissenschaft und Kunst erfreuten,Beliebe, wer sie sind, und was sie ehrtUnd von den Andern trennt, mir anzudeuten.Ich sprachs, und Er: Fr hochgepriesnen Werth,Der oben wiederklingt in deinem Leben,Ward ihnen hier vom Himmel Huld gewhrt.Da hrt ich eine Stimme sich erheben:Der hohe Dichter, auf, jetzt zum Empfang!Sein Schatten kehrt, der jngst sich fortbegeben.Sobald die Stimme, die dies sprach, verklang,Sah ich heran vier groe Geister schreiten,Im Angesicht nicht frhlich und nicht bang.Da sprach der gute Meister mir zur Seiten:Sieh diesen, in der Hand das Schwert, voranDen Andern gehn, um sie als Frst zu leiten.Du siehst Homer, den Dichterknig, nahn;313437[41]40 [42]4346 [43]49525558616467 [44][45]70737679.[46][28] 828588
  • Page 10Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoOvid der Dritt, als letzter kommt Lukan.Ihm folgt Horaz, berhmt durch Spott dort oben.Im Namen, den die eine Stimm erhoben,Kommt mit mir selber Jeder berein,Drum ehren sie mich, und dies ist zu loben.So war die schne Schul hier im VereinDes hohen Herrn der hchsten Sangesweise,Der ob den Andern fliegt, ein Aar, allein.Ein Weilchen sprachen sie im trauten Kreise,Doch als sie grend sich zu mir gekehrt,Da lchelte Virgil zu solchem Preise.Allein noch hher ward ich dort geehrt,Indem sie mich in ihrer Schaar empfingen,Als Sechsten, solchen Geisterbundes werth.Inzwischen wir bis zu dem Lichte gingen,Sprechend, wovon ich schicklich schweigen mu,Wie man dort schicklich sprach von solchen Dingen.Bald kamen wir an eines Schlosses Fu,Von siebenfacher hoher Maur umfangen,Und rings beschtzt von einem schnen Flu.Als wir mit trocknem Fue durchgegangen,Gings weiter dann durch sieben Thore fort,Und eine Wiese sah ich grnend prangen.[29] Wir fanden Leute strengen Blickes dort,Mit groer Wrd in Ansehn, Gang und MienenUnd wenig sprechend, doch mit sanftem Wort.Und wir ersahn dort seitwrts nah bei ihnenFrei eine Hh im hellen Lichte glhn,Vor welcher Alle klar vor uns erschienen.Dort gegenber auf dem sammtnen GrnSah ich die groen, ewig Denkenswerthen,Die heut mir noch in stolzer Seele blhn.Elektren sah ich dort mit viel Gefhrten,Aeneas, Hektorn hatt ich bald erkannt,Csarn, den mit dem Adlerblick bewehrten.Camillen und Penthesileen fandIch dort; zur andern Seite auch Latinen,Der bei Lavinien, seiner Tochter, stand.Ich sah den Brutus, der verjagt Tarquinen,Lucrezien, Julien, Marzien, und, alleinBei Seite sitzend, sah ich Saladinen.Dann, hher blickend, sah im hellen ScheinIch auch den Meister derer, welche wissen,Der von den Seinen schien umringt zu sein,Sie all ihn hoch zu ehren sehr beflissen;Den Plato ihm zunchst und Sokrates,Die dort den Sitz vor Andern an sich rissen.Den Anaxagoras, Diogenes,Den Demokrit, de Welt der Zufall machte,Den Zeno, Heraklid, Empedokles;Ihn, der ans Licht der Pflanzen Krfte brachte,Den Dioskorides, den Orpheus dann,Den Seneca, der Schmerz und Lust verlachte.Auch Ptolemus kam, Euklid heran,Tullius (Cicero), Averrhoes, der, seinen WeisenErklrend, selbst der Weisheit Ruhm gewann.Doch nicht vermag ich Jeden hier zu preisen,Denn also drngt des Stoffes Gre mich,Da ihren Dienst mir kaum die Wort erweisen.Um zwei verminderte die Sechszahl sich;91 [47]9497100103106 [48]109 [49]112115118121124127130[50]133136139[30]142145 [51]148
  • Page 11Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoMich fhrt auf anderm Weg mein weiser LeiterDahin, wo Stille lautem Tosen wich,Und dorthin, wo nichts leuchtet, schritt ich weiter._______________Fnfter Gesang.II. Abtheilung. II. Kreis. Snden der Liebe. Minos; Semiramis, Paris; Franziska und Paolo.So gings hinab vom ersten Kreis zum zweiten,Der kleinern Raum, doch grres Weh umringt,Das antreibt, Klag und Winseln zu verbreiten.Graus steht dort Minos, fletscht die Zhn und bringtDie Schuld ans Licht, wie tief sie sich verhehle,Urtheilt, schickt fort, je wie er sich umschlingt.Ich sage, wenn die schlechtgeborne SeeleIhm vorkommt, beichtet sie der Snden Last;Und jener Kenner aller Menschenfehle[31] Sieht, welcher Ort des Abgrunds fr sie pat,Und schickt sie so viel Grad hinab zur Hlle,Als oft er sich mit seinem Schweif umfat.Von vielem Volk ist stets besetzt die SchwelleUnd nach und nach kommt Jeder zum Gericht,Spricht, hrt und eilt zu der bestimmten Stelle.Du, der du kommst zur Schmerzenswohnung, sprichtMinos zu mir, sobald er mich ersehen,Ablassend von der Uebung groer Pflicht,Schau, wem du traust! leicht ists hineinzugehen,Und weit das Thor nicht tusche dich dein Drang!Mein Fhrer drauf: Wozu dies Schrein und Schmhen?Nicht hindre den von Gott gebotnen Gang,Dort will mans, wo das Knnen gleich dem Wollen.Nicht mehr gefragt, denn unser Weg ist lang.Bald hrt ich nun, wie Jammertn erschollen,Denn ich gelangte nieder zum GefildZur Klag und dem Geheul der Unglcksvollen.Hier schweigt das Licht; der dunkle Raum erbrllt,So wie die See, wenn Strme sich erhoben,Und ihre Flche wthend berschwillt.Der Hllenwindsbraut unaufhrlich TobenReit wirbelnd die gequlten Geister fortUnd dreht sie um nach unten und nach oben.Da hrt man Wehgeheul und Klagewort,Wenn sie sich nahn des Abgrunds Felsenksten,Und Flch und Lsterungen schallen dort.Da Fleisches-Snder dies erdulden mten,Vernahm ich, die, verlockt vom Sinnentrug,Einst unterwarfen die Vernunft den Lsten.So wie zur Winterszeit mit irrem FlugEin dichtgedrngter breiter Tro von Staaren,So sah ich hier im Sturm der Snder ZugHierhin und dort, hinauf, hinunter fahren,Gestrkt von keiner Hoffnung, mindres Leid,Geschweige jemals Ruhe zu erfahren.Wie Kraniche, zum Streifen lang gereiht,In hoher Luft die Klagelieder krchzen,So sah ich von des Sturms GewaltsamkeitDie Schatten hergeweht mit bangem Aechzen.Wer sind die, Meister, welche her und hinDer Sturmwind treibt, und die nach Ruhe lechzen?1511[52][53]4 [54]710131619222528 [55]31 [56]34[32] 3740 [57]434649
  • Page 12Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoSo ich und Er: Des Zuges Fhrerin,Von welchem du gewnscht Bericht zu hren,War vieler Zungen groe Kaiserin.Sie lie von Wollust also sich bethren,Da sie fr das Gelst Gesetz erfand.Da Schimpf und Schand an ihr die Macht verlren.Sie ist Semiramis, wie allbekannt,Nachfolgerin des Ninus, ihres Gatten,Die einst geherrscht hat in des Sultans Land.Dann sie, die, ungetreu Sichus Schatten,Aus Liebe selber sich geweiht dem Tod,Sieh dann Kleopatra im Flug ermatten.Auch Helena, die Ursach groer Noth,Im Sturme sah ich den Achill sich heben,Der Allem Trotz, nur nicht der Liebe, bot.[33] Den Paris sah ich dort, den Tristan schweben,Und tausend Andre zeigt und nannt er dann,Die Liebe fortgejagt aus unserm Leben.Lang hrt ich den Bericht des Lehrers an,Von diesen Rittern und den Fraun der Alten,Voll Mitleid und voll Angst, bis ich begann:Mit diesen Zwein, die sich zusammen halten,Die, wie es scheint, so leicht im Sturme sindMcht ich, o Dichter, gern mich unterhalten.Und er darauf: Gib Achtung, wenn der WindSie nher fhrt, dann bei der Liebe flehe,Die Beide fhrt, da kommen sie geschwind.Kaum waren sie geweht in unsre Nhe,Als ich begann: Gequlte Geister, weilt,Wenns niemand wehrt, und sagt uns euer Wehe.Gleich wie ein Taubenpaar die Lfte theilt,Wenns mit weit ausgespreizten steten SchwingenZum sen Nest herab voll Sehnsucht eilt;So sah ich Didos Schwarm sie sich entringen,Bewegt vom Ruf der heien Ungeduld,Und durch den Sturm zu uns sich niederschwingen.Du, der du uns besuchst voll Gt und HuldIn purpurschwarzer Nacht, uns, die die ErdeVordem mit Blut getncht durch ihre Schuld,Gern bten wir, da Fried und Ruh dir werde,Wr uns der Frst des Weltenalls geneigt,Denn dich erbarmet unsres Wehs Beschwerde.Wie ihr zur Red und Hren Lust bezeigt,So reden wir, so leihn wir euch die Ohren,Wenn nur, wie eben jetzt, der Sturmwind schweigt.Ich ward am Meerstrand in der Stadt geboren,Wo seinen Lauf der Po zur Ruhe lenkt,Bald mit dem Flugefolg im Meer verloren.Die Liebe, die in edles Herz sich senkt,Fing diesen durch den Leib, den Liebreiz schmckte,Der mir geraubt ward, wies noch jetzt mich krnkt.Die Liebe, die Geliebte stets berckte,Ergriff fr diesen mich mit solchem Brand,Da, wie du siehst, kein Leid ihn unterdrckte.Die Liebe hat uns in ein Grab gesandt Kaina harret de, der uns erschlagen.Der Schatten sprachs, uns klglich zugewandt.Vernehmend der bedrngten Seelen KlagenNeigt ich mein Angesicht und stand gebckt.Was denkst du? hrt ich drauf den Dichter fragen.5255[58]5861646770737679[59]828588 [60][34]919497 [61]100103106[62]109
  • Page 13Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoWeh, sprach ich, welche Glut, die sie durchzckt,Welch ses Sinnen, liebliches BegehrenHat sie in dieses Qualenland entrckt?Drauf sumt ich nicht zu Jener mich zu kehren,Franziska, so begann ich jetzt, dein LeidDrngt mir ins Auge fromme Mitleidszhren.Doch sage mir: In ser Seufzer Zeit,Wodurch und wie verrieth die Lieb euch Beiden,Den schchtern leisen Wunsch der Zrtlichkeit?Und Sie zu mir: Wer fhlt wohl grres Leiden,Als der, dem schner Zeiten Bild erscheintIm Migeschick? Dein Lehrer mags entscheiden.[35] Doch da dein Wunsch so warm und eifrig scheint,Zu wissen, was hervor die Liebe brachte,So will ichs thun, wie wer da spricht und weint.Wir lasen einst, weils Beiden Kurzweil machte,Von Lancelot, wie ihn die Lieb umschlang.Wir waren einsam, ferne vom Verdachte.Das Buch regt in uns auf des Herzens Drang,Trieb unsre Blick und macht uns oft erblassen,Doch eine Stelle wars, die uns bezwang.Als wir von dem ersehnten Lcheln lasen,Auf das den Mund gedrckt der Buhle hehr,Da naht Er, der mich nimmer wird verlassen,Da kte zitternd meinen Mund auch Er. Ein Kuppler war das Buch, und ders verfate An jenem Tage lasen wir nicht mehr.Der eine Schatten sprachs, der andre fateSich kaum vor Weinen, und mir schwand der SinnVor Mitleid, da ich wie im Tod erblate,Und wie ein Leichnam hinfllt, fiel ich hin._______________Sechster Gesang.III. Kreis. Die Schlemmer. Cerberus. Ciacco weissagt.Bei Rckkehr der Erinnrung, die sich schloVor Mitleid um die Zwei, das so mich qulte,Da das Bewutsein mir vor Schmerz zerflo,Erblickt ich neue Qualen und GequlteRings um mich her, ob den, ob jenen Pfad,Zum Gehn und Schaun sich Fu und Auge whlte.Dies war der dritte Kreis, den ich betrat,In ewgem, kaltem, maledeitem RegenVon gleicher Art und Regel frh und spat.Schnee, dichter Hagel, dunkle Fluten pflegenDie Nacht dort zu durchziehn in wildem Gu;Stark qualmt die Erde, dies empfngt, entgegen.Ein Unthier, wild und seltsam, Cerberus,Bellt, wie ein bser Hund, aus dreien KehlenJedweden an, der dort hinunter mu.Schwarz, feucht der Bart, die Augen rothe Hhlen,Mit weitem Bauch, die Tatzen scharf beklaut,Viertheilt, zerkratzt und schindet er die Seelen.Sie heulen, wie die Hund, im Regen laut,Und sie verschaffen sich durch ftres DrehenAuf einer Seite mindstens trockne Haut.Der groe Hllenwurm, der uns ersehen,112115118121[63]124127 [64]130133136[65]1391421 [66][36] 47 [67]1013 [68]161922
  • Page 14Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoRi auf die Rachen, zeigt uns ihr Gebi,Und lie kein Glied am Leibe stille stehen.Virgil streckt aus die offnen Hnd und riErd aus dem Grund, die in die giergen RachenEr alsogleich mit vollen Fusten schmi.Wies pflegt ein keifig bser Hund zu machen,De Bellen schweigt, wenn er den Fra erbeit,Der gngend war, die Wuth ihm anzufachen,[37] So jetzt mit schmutzgen Schlnden jener Geist,Der so durchdrhnt die armen Leidensmatten,Da jeder hochbeglckt die Taubheit preist.Wir gingen ber die gequlten Schatten,Indem wir auf ihr Nichts, das Krper schien,Im tiefen Schlamm gestellt die Sohlen hatten.Sie lagen allesammt am Boden hin,Nur Einen sahn wir sich zum Sitzen heben,Wie er uns dort erblickt im Weiterziehn.Er sprach: Der du zur Hlle dich begeben,Erkenne mich, dafern dirs mglich ist;Du lebtest, eh ich aufgehrt zu leben.Und ich zu ihm: Die Qual, in der du bist,Entzieht vielleicht dich meinem Angedenken;Mir scheint, ich sahe dich zu keiner Frist.Wer bist du? sprich, was konnte dich versenkenIn eine Qual, die, gibts auch grre Pein,Nicht widriger kann sein, noch rger krnken.In eurer Stadt, so sprach er, die alleinDer Neid erfllt, und bis zum Ueberflieen,Geno ich einst des Tages heitern Schein.Ich bins, den Ciacco eure Brger hieen;Zur Qual fr schnde Schuld des Gaumens mu,Du siehsts, auf mich sich ewger Regen gieen.Und mich allein nicht zchtigt dieser Gu.Nein, alle diese leiden gleiche PlagenFr gleiche Schuld. So seiner Rede Schlu.Und ich: Mich haben, Ciacco, deine Klagen,Zum Mitleid und zu Thrnen fast gerhrt.Allein, wenn du es weit, so magst du sagen,Wohin noch unsrer Stadt Parteiung fhrt?Ob wer gerecht ist? was in diesen ZeitenIn ihr die Glut der wilden Zwietracht schrt?Und Er darauf zu mir: Nach langem StreitenKommts dort zu Blut, dann treibt die WaldparteiDie andre fort mit vielen Grausamkeiten.Doch in drei Sonnen ists mit ihr vorbei,Neu gnstig sind der andern die Gestirne,Durch Eines Mannes Macht und Heuchelei.Hoch hebt sie dann auf lange Zeit die StirneUnd drckt den Feind, ob auch, zur Wuth emprt,Er sich beklag und schm und sich erzrne.Zwei sind gerecht dort, aber nicht gehrt.Neid, Geiz und Hochmuth diese drei sind Gluten,In deren Brand sich jedes Herz zerstrt.[39] Als hier des Schatten Jammertne ruhten,Sprach ich zu ihm: Noch weiteren BerichtErlaube mir, dir bittend anzumuthen.Tegghiajo, Farinata, treu der Pflicht,Arrigo, Rusticucci, Mosca sage! Und Andre, nur auf wackres Thun erpicht,Wo sind sie? welches ist ihr Loos? Ich trage25283134[69]374043464952 [70][38]555861 [71]64 [72]677073 [73]767982
  • Page 15Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoVerlangen, hier ihr Schicksal zu ersphn,Obs Himmelswonne sei, ob Hllenplage?Und Er: Sie strzte mancherlei VergehnZu schwrzern Seelen nach den tiefern Grnden.Steigst du so tief, so wirst du alle sehn Kehrst du zur sen Welt aus diesen Schlnden,Bring ins Gedchtni dann der Menschen mich.Mehr sag ich nicht, mehr darf ich nicht verknden.Scheel ward sein grades Aug und wandte sichNach mir; dann sank er mit dem Haupte nieder,So da er ganz den andern Blinden glich.Drauf sprach mein Fhrer: Nie erwacht er wieder,Bis er vor englischer Posaun ergraust,Und der Gewalt, dem Sndervolk zuwider.Zum Grab kehrt Jeder, wo sein Krper haust,Wird neu mit Fleisch und mit Gestalt umgebenUnd hrt, was ewig wiederhallend braust. Indem langsamen Schritts wir weiter streben,Durchs wst Gemisch von Schatten und von Flut.Besprachen wir, doch kurz, das knftge Leben.Drum ich: Mein Meister, wird der Qualen WuthSich nach dem groen Urtheilsspruch vermehren?Vermindert sich, bleibt sich nur gleich die Glut?Und Er: Gedenk an deines Weisen Lehren (Aristoteles):Je mehr ein Ding vollkommen ist, je mehrWird sichs im Glcke freun, im Schmerz verzehren.Und kann gleich der Verdammten zahllos HeerVollkommenheit, die wahre, nie erringen,So harrt es doch in jener Zeit auf mehr.Wir fuhren fort, im Kreise vorzudringen,Mehr sprechend, als zu sagen gut erscheint,Bis hin zum Platz, wo Stufen niedergingen,Und fanden Plutus dort, den groen Feind._______________Siebenter Gesang.Plutus. IV. Kreis. Lastenwlzende Geizige und Verschwender.V. Kreis. Jhzornige im Styx.Aleph, Pape Satan, Pape Satan!Erhob nun Plutus seine rauhe Stimme.Und er, der alles wohl verstand, begann:Getrost, nicht frchte dich vor seinem Grimme,Durch alle seine Macht wirds nicht verwehrt,Da ich mit dir den Felsen niederklimme.Und dann, zu dem geschwollnen Mund gekehrt,Rief er: Wolf, schweige, du Vermaledeiter!Von deiner Wuth sei in dir selbst verzehrt!Wir gehn nicht ohne Grund zur Tiefe weiter,Dort will mans, dort, wo einst des Stolzes SchmachGezchtigt Michael, der Himmelsstreiter.Gleichwie die Segel, wenn der Mast zerbrach,Erst aufgeblht, zum Knuel niederrollen,So fiel das Unthier, als ers drohend sprach.[41] So gings zum vierten Kreis im schmerzenvollenUnselgen Schacht, der alle Schuld umfngt,Von welcher je im Weltall Kund erschollen.Gerechter Gott! Wer huft, we Walten drngt:858891[74]94[75]97100103 [76][40]1061091121151 [77]47101316 [78]19
  • Page 16Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoSo neue Mhn zusammen, solche Plagen!O blinde Schuld, die hier den Lohn empfngt!Wie der Charybdis Wogen sich zerschlagen,Zum Gegensto gewlzt von Sd und Nord,So mu sich hier das Volk im Wirbel jagen.Noch nirgend war die Schaar so gro, wie dort.Laut heulend kamen sie von beiden Enden,Und wlzten Lasten mit den Brsten fort.Und stieen sich, um sich beim Prall zu wenden,Und dann zurck im Bogenlauf zu ziehn,Und schrien sich zu: Was kargen? Was verschwenden?So durch den Kreis, in dem kein Lichtstrahl schien,Gings beiderseits dann nach der andern Seite,Indem sie beid ihr schndlich Schmhwort schrien.Dann wandte Jeder sich zum neuen Streite,Sobald er seines Zirkels Hlft umkreist;Und ich, der ich den Armen Mitleid weihte,Sprach: Treuer Meister; weise meinem Geist:Wer ist dies Volk? die, links hier, scheinen Pfaffen!Ists Jeder, der uns eine Glatze weist?Und Er: Dies sind die Blinden, Geistes-Schlaffen.Sie wuten in der Welt zum Geben nie,Und nie zum Sparen sich ein Ma zu schaffen.Und dies erhellt aus dem, was Jeder schrie,Wenn sie im Kreis gelangt zu den zwei Orten,Wo trennt der Gegensatz des Lasters sie.Die mit den Glatzen waren Pfaffen dorten:Auch giebts hier manchen Papst und Cardinal,Der einst dem Geiz aufthat des Herzens Pforten.Drauf sprach ich: Meister, kenn in dieser ZahlIch Keinen, der im Schmutz so eitlen StrebensSich hier erworben hat die ewge Qual?Und Er zu mir: Dein Suchen ist vergebens,Unkenntlich macht sie ihr verdientes Loos,Die Lichtentfremdung ihres schmutzgen Lebens.So kommen stets zum Sto und Gegensto,Bis sie erstehn die mit verschnittnen Haaren,Die mit geschlossner Faust dem Grabes-Schoo.Versetzt hat sie schlecht Geben und schlecht SparenVon jener heitern Welt in diesen Zwist;Nicht sag ich welchen, denn du kannsts gewahren.Sieh hier, mein Sohn, welch eitles Ding es istUm jenes Gut Fortunens, das die LeuteZum Kampfe reizt und zu Gewalt und List.[43] Gieb diesen Mden alles Gold zur Beute,Das jemals war und ist auf eurer Welt,Und keine Stunde Ruh giebts ihnen heute.Und ich: Mein Meister, sprich, wenn dirs gefllt,Wer ist Fortuna doch, die, wie ich hrte,In ihren Klaun der Erde Gter hlt?Und er zu mir: O Arme, Trugbethrte!Unwissende, zum Schlimmsten stets geneigt!O da mein Spruch jetzt deinen Wahn zerstrte!Er, dessen Weisheit Alles bersteigt,Erschuf die Himmel und gab ihnen Leitung,Da jeder Theil sich jedem leuchtend zeigt,Durch seines Lichts gleichmige Verbreitung.So gab er schaffend auch die DienerinDem Erdenglanz zur Fhrung und Begleitung.Von Volk zu Volk, von Blut zu Blute hin,22 [79]252831[42]343740434649 [80]5255586164677073 [81]7679
  • Page 17Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoBringt sie das eitle Gut, das nirgends dauert,Und kmmert nicht sich um der Menschen Sinn.Dies Volk befiehlt, ein andres dient und trauert,Wie jene Fhrerin das Urtheil spricht,Die, wie die Schlang im Gras, verborgen lauert.Nichts gegen sie hilft eurer Weisheit Licht.Sie sorgt, erkennt, vollzieht in ihrem Reiche,Und weicht darin den andern Gttern nicht.Nie haben Stillstand ihre Wechselstreiche;So macht sie, von Nothwendigkeit gejagt,Aus Reichen Arme, dann aus Armen Reiche.Sie ists, die ihr ans Kreuz oft wthend schlagt,Von der ihr oft, wenn ihr, anstatt zu schmollen,Sie loben solltet, flschlich Bses sagt.Doch sie, die Selge, hrt nicht euer Grollen;In andrer Erstgeschaffnen SeligkeitLt sie, nichts achtend, ihre Sphre rollen. Doch eilig weiter jetzt zu grerm Leid!Die Stern, aufsteigend, als ich fortgeschritten,Gehn abwrts jetzt, und unser Weg ist weit.Am andern Rand ward nun der Kreis durchschnitten,An einem Quell, der siedend dort entspringt,De Wellen fort durch einen Graben glitten.Schwrzer als Eisen seine Flut, sie bringt,Wenn man ihr folgt, hinab zu rauhen Wegen,Durch die man mit Beschwerde niederdringt.Dann qualmt ein Sumpf, mit Namen Styx, entgegen,Dort, wo der traurge Flu vom Laufe ruht,Am Fu des grulichen Gestads gelegen.Dort stand ich nun und sah nach jener FlutUnd sah im Sumpfe Leute, kothge, nackte,Zugleich des Jammers Bilder und der Wuth.Man schlug sich nicht mit Fusten nur, man hackteMit Haupt und Brust und Fen auf sich ein,Indem man wild sich mit den Zhnen packte.Mein Meister sprach: Sohn, sieh in dieser PeinDie Seelen derer, so der Zorn bezwungen.Auch unterm Wasser mssen viele sein;Und wenn ein Seufzer ihnen sich entrungenDann steigen Blasen auf von ihrer Noth,[45] Drum sieh von Kreisen diese Flut durchschwungen.Und immer rufen sie, versenkt im Koth:Wir waren elend einst im Sonnenschimmer,Das Herz voll Feur und Tcke bis zum Tod,Und jetzt im Schlamm noch plagen wir uns immer.Dies Lied klingt gurgelnd vor aus ihrem Schlund,Stets schluckend, enden sie die Worte nimmer.So gingen, zwischen Pfuhl und festem Grund,Wir an dem schmutzgen Teich in weitem Bogen,Den Blick gewandt zum Volk mit Schlamm im Mund,Bis wir zu eines Thurmes Fu gezogen._______________Achter Gesang.Ueberfahrt. Filippo Argenti. Zum VI. Kreis. Kampf um den Eingang zur Stadt Dis.Lang eh wir noch, so fahr ich fort zu sagen,Dem Fu des hohen Thurms uns konnten nahn,War unser Blick zur Zinn emporgeschlagen,8285889194[44]97[82]100 [83]1031061091121151181211241271301 [84][85]
  • Page 18Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoWeil wir zwei Flmmchen dort entznden sahn,Als Rcksignal ein andres, so entlegen,Da es das Auge kaum noch konnt erfahn.Da kehrt ich meinem Weisen mich entgegen:Was ist dies? welch ein Zeichen wohl bezwecktDas dritte Feur? Wer sind sie, dies erregen?Und Er zu mir: Sieh hin, dein Aug entdeckt.Was unsrer harrt, dort auf den schmutzgen Wogen,Wenn dirs der Qualm des Sumpfes nicht versteckt.Und schnell, wie ich den leichten Pfeil vom BogenJe fortgeschnellt durch hohe Lfte sah,Kam durch das Moor ein kleiner Kahn gezogen.Bald war er uns am grauen Strande nah,Obwohl von einem Rudrer nur gefahren,Der schrie: Verruchte Seele, bist du da?Phlegias, Phlegias, du magst dein Schreien sparen,So sprach mein Herr, umsonst ists angestimmt;Wir sind nur dein, so lang wir berfahren.Wie wer von einem groen Trug vernimmt,Den man ihm angethan zu Schmach und Schaden,So zeigte Phlegias wild sich und ergrimmt.Mein Fhrer stieg ins Schiff von den Gestaden.Und zu sich setzen hie er mich sodann,Und als ich drin war, schien es erst beladen.Sobald wir beid uns eingesetzt, begannDes Nachens Fahrt und furchte tiefre Zeilen,Als er mit andrer Brde furchen kann.Indessen wir die todte Moorflut theilen,Kommt Einer, kothbedeckt, vor mich, und spricht.Wer heit dich vor der Zeit herniedereilen?Ich komme, sprach ich, aber bleibe nicht.Doch wer bist du, so widrig und abscheulich? Ein Heulender, dies sagt dir dein Gesicht.Und ich zu ihm: mit Heulen, unerfreulich,[47] Verfluchter Geist, verbleib an diesem Ort!Ich kenne dich, ob auch besudelt grulich.Die Hnde nun voll Gier legt er an Bord,Und mit Gewalt mut ihn mein Herr verjagen,Der sprach: Zu andern Hunden, weiche fort!Drauf hielt er seinen Arm um mich geschlagen,Und kte mich und sprach: Erzrnter Geist,Beglckt die Mutter, welche dich getragen!Stolz war im Leben dieser Niemand preistVon ihm nur einen guten Zug auf Erden,Daher er hier sich noch in Wuth zerreit.Viel Frsten gibts, die dort sich stolz geberden,Die, Schmach nur hinterlassend, wie die SaunIm Schlamme hier auf ewig whlen werden.Und ich: Begierig wr ich wohl, zu schaun,Wie er in diesem Schlamm versinken mte,Eh wir verlassen diesen See voll Graun.Und er zu mir: Bevor sich noch die KsteDir sehen lt, erfreut dich der Genu,Befriedigung gebhret dem Gelste.Bald sah ich, wie zu Qual ihm und VerdruDie Kothigen mit ihm beschftigt waren.Drob ich Gott loben noch und danken mu.Frisch auf, Philipp Argenti! schrien die Schaaren;Dann sah ich, selbst sich beiend, auf sich losDen tollen Geist des Florentiners fahren.4710[46] 1316[86]19 [87]2225[88]283134374043[89]464952555861 [90]
  • Page 19Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoUnd dies erzhl ich nur von seinem Loos.Ich lie ihn dort, und hrt ein Schmerzens-Brllen,Und macht, um vorzuschaun, die Augen gro.Bald wird sich, Sohn, dir jene Stadt enthllen,"So sprach mein guter Meister, Dis genannt,Die schaarenweis unselge Brger fllen.Und ich: Mein Meister, deutlich schon erkanntHab ich im Thale jener Stadt Moscheen,Glutroth, als ragten sie aus lichtem Brand.Drauf sprach mein Fhrer: Ewge Flammen wehenIn ihrem Innern, drum im rothen ScheinSind sie in diesem Hllengrund zu sehen.Bald fuhren wir in tiefe Grben ein,Den Zugang sperrend zu dem grausen Orte;Die Mauer schien von Eisen mir zu sein.Dann aber hrten wir des Steurers WorteNachdem vorher wir auf dem Pfuhle weitUmhergekreuzt: Steigt aus, hier ist die Pforte.Wohl tausend standen auf dem Thor bereit,Vom Himmel hergestrzt. Es schrien die FrechenWer wagts, noch lebend, voll VerwegenheitIns tiefe Reich der Todten einzubrechen?[49] Mein Meister aber ihnen winkend ludSie klglich ein, ihn erst geheim zu sprechen.Da legte sich ein wenig ihre Wuth.Sie sprachen: Komm allein, la gehn den Thoren,Der hier hereindrang mit so keckem Muth.Find er den Weg, den sich sein Wahn erkoren,Allein zurck! erprob er doch, wie ErSich durch die Nacht fhrt, wenn er dich verloren!Und nun bedenk, o Leser, wie so schwerMich der Verdammten Rede niederdrckte,Denn ich verzweifelt an der Wiederkehr.Mein theurer Fhrer, du, durch den mirs glckte,Da ich gerettet ward schon siebenmal,De Schutz mich drohender Gefahr entrckte,Verla mich, sprach ich, nicht in dieser Qual,Und darf ich auch nicht weiter vorwrts dringen,So komm mit mir zurck durchs dunkle Thal.Und Er, befehligt, mich hierher zu bringen,Sprach: Frchte nichts; erlaubt hat unsern GangEr, dem nichts wehrt, drum wird er wohl gelingen.Hier harre mein, und ist die Seele bang,So magst du sie mit guter Hoffnung speisen,Denn nicht verlass ich dich in solchem Drang.So ging er. Ich, getrennt von meinem Weisen,Dem sen Vater, fhlte Ja und NeinBeim Zweifelkampf in meinem Haupte kreisen.Nicht hrt ich, was sein Antrag mochte sein,Allein er blieb bei jenem Volk nicht lange,Denn Alle rannten in die Stadt hinein,Und schlugen ihm das Thor im wilden DrangeVorm Antlitz zu, und sperrten ihn heraus.Da kehrt er sich zu mir mit schwerem Gange,Den Blick gesenkt, die Stirn verstrt und kraus,Lie er in Seufzern diese Worte hren:Wer schliet mich von der Stadt der Schmerzen aus?Und dann zu mir: Nicht mg es dich verstren,Wenn du mich zrnen siehst ich siege doch,Wie keck sie auch dort drinnen sich empren.64[48] 6770[91]737679[92]82858891 [93]9497[94]100103106109[95]112115118[50]121
  • Page 20Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoSchon frher stieg ihr kecker Muth so hoch,An einem Thor, nicht so geheim gelegen,Und ohne Schlo und Riegel heute noch,Am Thor, von dem die schwarze Schrift entgegenDem Wandrer droht, doch diesseits schon von dortKommt, ohne Leitung, auf den dunkeln WegenEin Andrer her und ffnet uns den Ort._______________Neunter Gesang.Die Engelserscheinung. Eintritt in die Stadt Dis, den VI. Kreis der Gotteslugner und Ketzer in glhenden Srgen.Weil ich vor Angst und banger Furcht erblich,Als ich den Herrn sah sich zurckbewegen,Verschlo Virgil die eigne Furcht in sich.Aufmerksam stand er dort, wie Horcher pflegen,Denn, weit zu schaun, war ihm die DunkelheitDer schwarzen Luft und Nebelqualm entgegen.Er sprach: Wir siegen doch in diesem Streit Wenn nicht doch hab ich nicht sein Wort vernommen?Er sumt frwahr doch gar zu lange Zeit.Ich sah es deutlich ein, zurckgenommen[51] Sei durch der Rede Folge der Beginn,Da beide mir verschieden vorgekommen.Drum lauscht ich sorgenvoll und zagend hin,Denn ich erklrte mir vielleicht noch schlimmer,Als er es war, des halben Wortes Sinn.Kommt wohl ein Geist in diese Tiefe nimmerVom ersten Grad, wo nichts zur Qual gereicht,Als da erstorben jeder Hoffnungs-Schimmer?So fragt ich ihn, und jener sprach: Nicht leichtGeschiehts, da auf dem Weg, den wir durchliefen,Ein andrer meines Grads dies Land erreicht.Wahr ists, da ich vordem in diesen TiefenDurch der Erichtho Zauberein erschien,Die oft den Geist zum Leib zurckberiefen.Kaum war mein Fleisch des Geistes baar, als ihnDie Zauberin beschwor in diese Mauer,Um eine Seel aus Judas Kreis zu ziehn.Dort ist die tiefste Nacht, der bngste Schauer,Am fernsten von des Himmels ewgem Licht.Ich wei den Weg drum scheuche Furcht und Trauer.Der Sumpf hier, welcher Stank verhaucht, umflichtDie qualenvolle Stadt, durch deren PfortenMan ohne Zorn die Bahn sich nimmer bricht.Mehr sprach er, doch mich zog von seinen WortenDer hohe Thurm und bannte mit GewaltDen Blick aus Feuer auf dem Gipfel dorten.Drei Hllenfurien sah ich dort alsbald,Die blutbefleckt, grad aufgerichtet stunden,Und Weibern gleich an Haltung und Gestalt,Mit grnen Hydern statt des Gurts umbunden,Mit kleinern Schlangen aber, wie mit Haar,Und Ottern rings die grausen Schlf umwunden.Und Jener, dem bekannt ihr Anblick war,Der Sclavinnen der Frstin ewger Plagen, (Hekate)Sprach: Die Erinnyen nimm, die wilden, wahr.Zur linken Seite sieh Megren ragen,124[96]127130147 [97]1013161922 [98]25[99]283134374043[52] 46
  • Page 21Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoInmitten ist Tisiphone zu schaun,Und rechts Alecto in Geheul und Klagen.Die Brust zerri sich jede mit den Klaun,Und sie zerschlugen sich mit solchem Brllen,Da ich mich an den Dichter drngt aus Graun.Medusas Haupt! auf, lat es uns enthllen,Sie riefens, niederbckend, allzugleichWas wir versumt an Theseus zu erfllen.Wende dich um, die Augen schliee gleich!Wenn sie bei Gorgos Anblick offen stnden,Du kehrtest nimmer in des Tages Reich!Er sprachs und eilte, selbst mich umzuwendenVerlie sich auch auf meine Hnde nicht,Und schlo die Augen mir mit seinen Hnden.Ihr, die erhellt gesunden Geistes Licht ,Bemerkt die Lehre, die, vom Schleir umzogen,In sich verbirgt dies seltsame Gedicht.Schon kams inmitten jener trben WogenMit Drhnen eines Donners voll von Graus,Erschtternd beide Ufer, hergezogen!Nicht anders wars, als wie des Sturms Gebraus Wenn Glut mit Khlung ringt sich auszugleichen Den Wald zerpeitscht, die Aeste reit heraus,[53] Sie hinwirft und die Blten raubt den Zweigen,Und wlzt sich stolz in Staubeswirbeln vor,Da Hirt und Heerden schreckensvoll entweichen.Die Augen lst er mir. Jetzt schau empor,Dorthin, wo du den schrfsten Rauch entquellenDem Schaume siehst auf diesem alten Moor.Wie Frsche, sich zerstreuend, durch die WellenVor ihrem Feind, der Wasserschlange, fliehn,Bis sie am Strand in Schaaren sich gesellen,So sah ich schnell, als Einer dort erschien,Das Thor von den zerstrten Seelen leeren,Und ihn mit trocknem Fu den Styx durchziehn.Er schien den Qualm vom Antlitz abzuwehren,Vor sich bewegend seine linke Hand,Und dieser Dunst nur schien ihn zu beschweren.Ich sahs, er sei vom Himmel hergesandt.Zum Meister kehrt ich mich, doch auf ein Zeichen,Neigt ich mich schweigend, Jenem zugewandt.Mir schien er einem Zornigen zu gleichen.Er kam zum Thore, das sein Stab erschlo,Und ohne Widerstreben sah ichs weichen.O ihr verachteter, vestoner Tro!Begann er an dem Thor, dem schreckenvollen,Woher die Frechheit, die hier berflo?Was seid ihr wiederspenstig jenem Wollen,Das nimmerhin sein Ziel verfehlen kann?Wird Er die Qual, wie oft, euch mehren sollen?Was kmpft ihr gegen das Verhngni an,Obwohl eur Cerberus, ihr mgts bedenken,Mit kahlem Kinn und Halse nur entrann?Dann sah ich ihn zurck die Schritte lenken.Uns sagt er nichts, und achtlos ging er fort,Als mss er ernst auf andere Sorgen denken,Als die um kleine Ding am nchsten Ort.Worauf wir beide nach der Festung schritten,Nun vllig sicher durch das heilge Wort.Auch ward der Eingang uns nicht mehr bestritten;4952[100]555861 [101]64677073767982858891[54] 9497100103106
  • Page 22Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoUnd, ich, des Wunsches voll mich umzusehnNach dieser Stadt Verhltni, Art und Sitten,Lie, drinnen kaum, das Aug im Kreise gehn,Und rechts und links war weites Feld zu schauen,Von Martern voll und ungeheuren Wehn.Gleichwie wo sich der Rhone Wogen stauen,Bei Arles, und bei Pola dort am Meer,Das Welschland schliet, und netzt der Grenze Gauen,Grabhgel sind im Lande rings umher,Wo auf unebnem Grunde Todte modern;So hier, doch schreckte dieser Anblick mehr;Denn zwischen Grbern sieht man Flammen lodern,Und alle sind so durch und durch entflammt,Da Knste keine mehr vom Eisen fodern.[55] Halb offen ihre Deckel allesammt,Und draus erklingen solche Klagetne,Da man erkennt, wer drinnen, sei verdammt.Wer, Meister, fragt ich, sind die Unglcksshne,Die, hier begraben, sonder Ruh noch RastVernehmen lassen solch ein Schmerzgesthne?Und Er: Hauptketzer hlt der Ort umfat,Und die den Sekten angehangen haben,In grrer Zahl als du gerechnet hast.Denn Gleiche sind zu Gleichen hier begraben,Und mehr und minder glht jedwedes Maal.Er sprachs, worauf wir rechtshin uns begaben,Fortschreitend zwischen hoher Maur und Qual._______________Zehnter Gesang.VI. Kreis, Fortsetzung. Farinata, Cavalcante, Friedrich II.Fort ging nun, hier die Mauer, dort die Pein,Auf still verborgnem Pfad der edle Weise,Er mir voraus und ich ihm hinterdrein.Der du mich fhrst durch die verruchten Kreise,Sprach ich, ich wnsche, da, wenn dirs gefllt,Dein Wort auch ferner hier mich unterweise.Darf man die sehn, die jedes Grab enthlt?Die Deckel, offen schon, sind nicht dawider,Auch ist zur Wache Niemand aufgestellt.Jedweder Deckel sinkt geschlossen nieder,Sprach Er, wenn sie gekehrt von Josaphat,Mitbringend ihre dort gelassnen Glieder.Wiss, Epicurus liegt an dieser Statt,Sammt seinen Jngern, die vom Tode lehren,Da er so Seel als Leib vernichtet hat.Befriedigung soll also dem Begehren,Da du entdecktest, dies Begrbni hier,So wie dem Wunsch, den du verschwiegst, gewhren.Und ich: Mein Herz verberg ich nimmer dir,Nur redet ich in bndig kurzem Worte,Und nicht nur jetzt empfahlst du solches mir.Toscaner, du, der lebend durch die PforteDer Feuerstadt, so ehrbar sprechend, drang,Verweil, ich bitte dich, an diesem Orte.O, ich erkenn an deiner Sprache Klang,Du seist dem edlen Vaterland entsprungen,Dem ich, ihm nur zu lstig, auch entsprang.109112115118 [102][103]12112412713013314[56]710[104]1316 [105]19 [106]2225
  • Page 23Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoUrpltzlich war dies einem Sarg entklungen,Drum trat ich etwas nher meinem Hort,Denn wieder war mein Herz von Furcht durchdrungen.Was thust du? Wende dich! rief er sofort,[57] Sieh grad empor den Farinata ragen,Vom Grtel bis zum Haupte sieh ihn dort!Ich, auf sein Angesicht den Blick geschlagen,Sah, wie er hoch mit Brust und Stirne stand,Als lach er nur der Hll und ihrer Plagen.Mein Fhrer, der mich schnell an muthger HandDurch Grberreihn bis zu ihm hin genommen,Sprach: Was er fragt, das mach ihm klar bekannt.Er sah mich, als ich bis zum Grab gekommen,Ein wenig an. Wer deine Vter? sprich!So fragt er mich und schien von Zorn entglommen.Gern fgt ich dem Befehl des Meisters mich,Ihm alles unverstellt zu offenbaren,Da hoben etwas seine Brauen sich.Er sprach darauf: Furchtbare Gegner warenSie meinen Ahnen, mir und meinem Theil,Und zweimal drum vertrieb ich sie in Schaaren.Wenn auch vertrieben, kehrten sie in Eil,Sprach ich, zweimal zurck von ihrem FliehenDoch nicht den Euren war die Kunst zum Heil.Hier hob das Haupt aus seines Grabes GlhenEin andrer Schatten pltzlich bis zum Kinn,Empor sich raffend, schien es, auf den Knieen.Er blickt um mich nach beiden Seiten hin,Als woll er sehn, ob Jemand mich begleite,Doch floh der Irrthum bald aus seinem Sinn,Und weinend sprach er dann: Wenn dein GeleiteDes Geistes Hoheit ist durch diese Nacht,Wo ist mein Sohn? warum nicht dir zur Seite? Nicht eigner Geist hat mich hierher gebracht.Der dort harr, fhrte mich ins Land der Klagen,Dein Guido hatte sein vielleicht nicht Acht.So ich beim Wort und bei der Art der PlagenKnnt ich wohl seines Namens sicher sein,Und drum ihm auch so sicher Antwort sagen.Schnell richtet er sich auf mit lautem Schrein:Er hatte, sagst du? ist er nicht am Leben.Saugt nicht sein Auge mehr den sen Schein?Und da ich nun, statt Antwort ihm zu geben,Noch zauderte, so fiel er rcklings hin,Um frder sich nicht wieder zu erheben.Doch jener Andre mit dem stolzen Sinn,Der mich gerufen, blieb auf seiner Sttte,Starr, ungebeugt und trotzig wie vorhin.Dann, neu verknpfend seiner Rede Kette:Ward jene Kunst zu Theil den Meinen nicht?[59] Dies martert mehr mich noch als dieses Bette.Doch wird nicht funfzigmal sich das GesichtDer Herrin dieses Dunkels neu entznden,So wirst du fhlen dieser Kunst Gewicht.Sprich, willst du je zurck aus diesen Grnden,Wie gegen mein Geschlecht mag solche WuthDas Volk in jeglichem Gesetz verknden?Ich sprach: Das groe Morden ists, das Blut,Das rothgefrbt der Arbia klare Wogen,Das eur Geschlecht mit solchem Fluch belud.2831[107]3437404346[108]49[109]52[110][58] 555861 [111]6467 [112]70737679 [113]82 [114]85
  • Page 24Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoEr seufzt und schttelte das Haupt: VollzogenHab ich allein nicht diese blutge That,Und Alle hat uns triftger Grund bewogen.Doch ich allein wars, der dem grausen Rath:Es msse bis zum Grund Florenz verschwinden,Mit offnem Angesicht entgegentrat.Soll euer Same jemals Ruhe finden,So sprach ich bittend, lst die Schlingen hier,Die noch, mein Urtheil hemmend, mich umwinden.Versteh ich recht, so scheint es wohl, da ihrErkennen mgt, was knftge Zeiten bringen,Doch mit der Gegenwart scheints anders mir.Er sprach: Uns trgt der Blick nach fernen Dingen,Wies fters wohl der schwachen Sehkraft geht,Denn soweit lt der hchste Herr uns dringen.Doch naht sich und erscheint, was wir erspht,Weg ist das Wissen, und nur durch BerichteErfahren wir, wies jetzt auf Erden steht.Darum begreifst du: einst beim Weltgerichte,Wenn sich der Zukunft Thor auf ewig schliet,Ganz wird dann unser Willen sein zu nichte.Drauf ich: Wie jetzt mein Fehler mich verdriet!O sagt dem Hingesunknen, Trostentblten,Da noch sein Sohn das heitre Licht geniet.Und war ich vorhin sumig, ihn zu trsten,So sagt ihm, da ich Raum dem Irrthum gab,Den eben jetzt mir eure Worte lsten.Hier rief mein Meister schon mich wieder ab,Drum bat ich schnell den Geist, mir zu erzhlen,Wer noch verborgen sei in seinem Grab.Er sprach: Hier liegen mehr als tausend Seelen,Der Kardinal, der zweite Friederich,Und Andre, dies nicht Noth thut, aufzuzhlen.Und er versank, ich aber kehrte michZum alten Dichter, jene Red erwgend,Die einer Unglcks-Prophezeiung glich.Er aber ging und sprach, sich vorbewegend,Zu mir gewandt: Was bist du so verstrt?Ich thats ihm kund, die Angst im Herzen hegend.Behalte, was du Widriges gehrt,Sprach mit erhobnem Finger jener Weise,Und merk jetzt auf, da dich kein Trug bethrt.[61] Bist du dereinst in Ihrem Strahlenkreise,Die mit dem schnen Auge Alles sieht,Dann deutet sie dir deine Lebensreise.Nun ging es links ins hllische Gebiet,Um von der Maur der Mitte zuzuschreiten,Wo sich der Pfad nach einem Thale zieht,Von dem Gestank und Qualm sich weit verbreiten._______________Eilfter Gesang.Papst Anastasius. Eintheilung der weitern Kreise.Am uern Saum von einem hohen Strande,Umkreist von Felsentrmmern ohne Zahl,Gelangten wir zu einem grausern Lande.Dort bargen wir vor des Gestankes Qual,88919497100[115][60] 103106109 [116]112115118[117]121[118]12412713013313614 [119]
  • Page 25Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoDer grlich dampft aus jenen tiefen Grnden,Uns hinter eines hohen Grabes Maal.Wir sahn den Inhalt diese Schrift verknden:Hier liegt Papst Anastasius, den PhotinVom rechten Pfad verfhrt zu Schmach und Snden.Wir mssen, sprach er, langsam abwrts ziehn;Ertrglicher wird nach und nach den SinnenDer schlechte Dunst, der unertrglich schien.So la uns etwas, sprach ich drauf, beginnen,Das uns die hier verbrachte Zeit ersetzt.Du siehst, erwiedert er, darauf mich sinnen.Mein Sohn, du wirst in diesen Felsen jetzt,[63] So fuhr er fort, drei kleinre Kreise zhlen,Nach Stufen, wie die andern fortgesetzt.Erfllt sind alle von verdammten Seelen,Doch weil du selbst sie sehn wirst, so vernimm,Wie und warum sie sich hier unten qulen.Jedwede Bosheit weckt des Himmels Grimm,Der Unrecht Zweck ist, denn sie macht es immerDurch Trug und durch Gewalt mit Andern schlimm.Doch Trug, des Menschen eigne Snd, ist schlimmerUnd die Betrger bannt des Herrn GeheiDrum tiefer hin, zu schmerzlicherm Gewimmer.Gewaltthat wird bestraft im ersten Kreis,Doch, nach dreifacher Gattung von Vergehen,In dreien Binnenkreisen stufenweis.An Gott, an sich, am Nchsten kanns geschehen,Da man Gewalt verbt, an Leib und Gut.Wie? sollst du jetzt mit klaren Grnden sehen: Gewaltthat an des Nchsten Leib und BlutGeschieht durch Todtschlag und durch schlimme Wunden.Am Gute durch Verwstung, Raub und Glut.Todtschlger werden, die, so schwer verwunden,Verwster, Ruber, drum hinabgebanntZur Pein im ersten Binnenkreis gefunden.Gewalt bt man an sich mit eigner Hand,Und seinem Gut. Um fruchtlos zu bereuen,Sind drum zum zweiten Binnenkreis gesandt,Die selber sich zu tdten sich nicht scheuen;Die, so im Spielhaus all ihr Gut verthanUnd dorten weinten, statt sich zu erfreuen.Gewalt auch thut der Mensch der Gottheit an,Im Herzen sie verleugnend, und nicht achtend,Was er durch Gte der Natur empfahn.Du wirst, den kleinren Binnenkreis betrachtend,Drum die von Sodom und von Cahors schaun,Und Volk, im Herzen seinen Gott verachtend. Trug, des Gewissens Qual, ist am VertraunUnd ist auch oft verbt an solchen worden,Die nicht als Freund auf den Betrger baun.Die letzte Art scheint das Band zu morden,Das die Natur aus Lieb um Alle flicht,Drum nisten in dem zweiten Kreis die HordenDer Heuchler, Schmeichler, die, so falsch GewichtGebrauchen, Simonisten, Zaubrer, Diebe,Und Kuppler und dergleichen Schandgezcht.Dagegen mit der allgemeinen LiebeZerreit die erste Art auch noch das Band,Das Treue fordert aus besonderm Triebe:Zum Mittelpunkt des Alls, wo seinen Stand7[120][62] 101316 [121]19222528 [122]3134374043[64] 4649[123]5255586164
  • Page 26Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoDis selber hat, zum letzten, kleinsten KreiseSind die Verrther drum zur Qual verbannt.Und ich: Du stellst nach deiner klaren WeiseWohl abgetheilt den Hllenschlund mir darUnd welche Snder jedes Rund umkreise;Doch sprich: Das Volk, das dort im Sumpfe war,Die, so der Wind fhrt und die Regen schlagen,Die mit Geschrei sich stoen immerdar,Wie kommts, wenn sie den Zorn des Himmels tragen,Da nicht die Feuerstadt ihr Strafort wird?Wenn nicht, was leiden sie doch solche Plagen?Und er darauf zu mir: Was schweift verwirrtDein Geist hier ab von den gewohnten Wegen?Wo andershin hat sich dein Sinn verirrt?Willst du nicht deine Sittenlehr erwgen,Die Kunde von drei Neigungen verleiht,[65] Die Gottes Zorn und seinen Ha erregen,Von Tollwuth, Bosheit, Unenthaltsamkeit?Die dritt ist, da sie minderes VerachtenDes Herrn verrth, von mindrer Strafbarkeit.Willst du den Spruch bedenken und betrachten,Wer jene sind, die vor der Stadt voll Glut,Dort oben, ihre Straf erduldend, schmachten,So wirst du sehn, wie sie von dieser BrutGeschieden sind, und minder sie beschwerendAuf ihnen das Gericht des Himmels ruht.O Sonne, du, die trbsten Blicke klrend,Wie Wissen, so erfreut der Zweifel mich,Vernehm ich dich ihn lsend, mich belehrend;Drum wend ein wenig, sprach ich, rckwrts dich.Du sagst: die Wuchrer Gottes Gab verletzen,Jetzt sage mir, wie lst dies Rthsel sich?Weltweisheit, sprach er, lehrt in mehrern Stzen,Da nur aus Gottes Geist und Kunst und KraftNatur entstand mit allen ihren Schtzen;Und berdenkst du deine WissenschaftVon der Natur, so wirst du bald erkennen,Da eure Kunst, mit Allem, was sie schafft,Nur der Natur folgt, wie nach bestem KnnenDer Schler geht auf seines Meisters Spur;Drum ist sie Gottes Enkelin zu nennen.Vergleiche nun mit Kunst und mit NaturDie Genesis, wos also lautet: LebenSollst du im Schwei des Angesichtes nur. Weil Wuchrer nun nach anderm Wege streben,Schmhn sie Natur und ihre Folgerin,Indem sie andrer Hoffnung sich ergeben.Doch folge mir, denn vorwrts strebt mein Sinn,Da schon die Fisch empor am Himmel springen;Schon auf den Caurus sinkt der Wagen hin,Und weit ists noch, eh wir zur Tiefe dringen._______________Zwlfter Gesang.III. Abtheilung. VII. Kreis 1. Ring. Gewaltsame gegen Andere; Centauren, Chiron, Attila und andere Tyrannen und Mrder.Rauhfelsig war der Steig am Strand hernieder,Ob de, was sonst dort war, der Schauer gro,Und jedem Auge drum der Ort zuwider.6770737679 [124]828588919497 [125]100103[66]106109112 [126]1151[127]
  • Page 27Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoDem Bergsturz gleich bei Trento in den SchooDer Etsch ist seitwrts Trmmerschutt geschmissen,Durch Unterwhlung oder Erdensto Wo von dem Gipfel, dem er sich entrissen,Der Fels so schrg ist, da zum ebnen Land,Die oben sind, den Steg nicht ganz vermissen:So dieses Abgrunds Hang, und dort am RandWars, wo von Felsentrmmern berhangen,Sich ausgestreckt die Schande Kretas fand,Einst von dem Scheinbild einer Kuh empfangen.[67] Sich selber bi er, als er uns erblickt,Wie innerlich von wildem Grimm befangen.Mein Meister rief: Bist du vom Wahn bestrickt,Als shst du hier den Theseus vor dir stehen,Der dich von dort zur HIl herabgeschickt?Fort, Unthier, fort. Den Weg, auf dem wir gehn,Nicht deine Schwester hat ihn uns gelehrt,Doch dieser kommt, um eure Qual zu sehen.So wie der Stier, vom Todesstreich versehrt,Emporsetzt und nicht gehen kann, nur springen,Und Satz um Satz hierhin und dorthin fhrt,So sahen wir den Minotaurus ringen;Drum rief Virgil: Jetzt weiter ohne Rast;Inde er tobt, ists gut, hinab zu dringen.So klommen wir, von Trmmern rings umfat,Auf Trmmern sorglich fort, und oft bewegteEin Stein sich unter mir der neuen Last.Ich ging, indem ich sinnend berlegte;Und Er: Du denkst an diesen Schutt, bewachtVon Zornwuth, die vor meinem Wort sich legte.Vernimm jetzt, als ich in der Hlle NachtZum erstenmal so tief herabgedrungen,War dieser Fels noch nicht herabgekracht;Doch kurz, eh jener sich herabgeschwungenVom hchsten Kreis des Himmels, der dem DisSo edler Seelen groen Raub entrungen,Erbebte so die grause Finsterni,Da ich die Meinung fate, Liebe zckeDurchs Weltenall und strz in mchtgem RiIns alte Chaos neu die Welt zurcke.Der Fels, der seit dem Anfang fest geruht,Ging damals hier und anderwrts in Stcke.Doch blick ins Thal; schon naht der Strom von Blut,In welchem Jeder siedet, der dort obenDem Nchsten durch Gewaltthat wehe thut.O blinde Gier, o toller Zorn! eur Toben,Es spornt uns dort im kurzen Leben an,Und macht uns ewig dann dies Bad erproben. Hier ist ein weiter Graben, der den PlanRingshin umfat in weitem runden Bogen,Wie mir mein weiser Fhrer kundgethan.Centauren, rennend, pfeilbewaffnet, zogen,Sich folgend zwischen Flu und Felsenwand,Wie in der Welt, wenn sie der Jagd gepflogen.Als sie uns klimmen sahn, ward Stillestand;Drei traten vor mit ausgesuchten Pfeilen,Und schubereit den Bogen in der Hand.Und einer rief von fern: Ihr mt verweilen!Zu welcher Qual kommt ihr an diesen Ort?Von dort sprecht, sonst soll euch mein Pfeil ereilen!4 [128]710[129]1316192225283134[130]3740[131][68]43[132]46 [133]49 [134]52555861
  • Page 28Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoDem Chiron sagen wir dort nah ein Wort,Sprach drauf Virgil; zum Unheil dich verfhrend,Ri vorschnell stets der blinde Trieb dich fort.[69] Nessus ist dieser, sprach er, mich berhrend,Der starb, als Dejaniren er geraubt,Doch aus sich selbst die Rache noch vollfhrend;Der in der Mitt ist, mit gesenktem Haupt,Der groe Chiron, der Achillen nhrte;Dort Pholus, welcher stets vor Zorn geschnaubt.Am Graben rings gehn tausend Pfeilbewehrte,Und schieen die, so aus dem Pfuhl heraufMehr tauchen, als der Richterspruch gewhrte.Wir beide nahten uns dem flinken Hauf,Chiron nahm einen Pfeil und strich vom BarteDas Haar nach hinten sich mit seinem Knauf.Als nun der groe Mund sich offenbarte,Sprach er: Bemerkt: der hinten kommt, bewegt,Was er berhrt, wie ich es wohl gewahrte.Und wies kein Todtenfu zu machen pflegt.Da trat ihm an die Burst mein weiser Leiter,Wo Mensch und Ro sich einigt und vertrgt.Lebendig ist, so sprach er, der Begleiter,Der dieses dunkle Thal mit mir bereist;Nothwendigkeit, nicht Schaulust zieht uns weiter.Von dort, wo Gott ihr Halleluja preist,Kam Eine her, dies Amt mir aufzutragen.Er ist kein Ruber, ich kein bser Geist.Doch, bei der Kraft, durch die ich sonder ZagenAuf wildem Pfad im Schmerzensland erschien,Gieb einen uns von diesen, die hier jagen.Da er die Furt uns zeig und jenseits ihnTrag auf dem Kreuz ans andere Gestade;Denn er, kein Geist, kann durch die Luft nicht ziehn.Auf Nessus! leite sie auf ihrem Pfade,Rief Chiron rechts gewandt, bewahre sie,Da sonst kein Trupp der Unsern ihnen schade.Da solch Geleit uns Sicherheit verlieh,So gingen wir am rothen Sud von hinnen.Aus dem die Rotte der Gesottnen schrie.Bis zu den Brauen waren Viele drinnen.Tyrannen sinds, erpicht auf Gut und Blut,So hrt ich den Centauren nun beginnen.Hier weinen sie ob mitleidloser Wuth.Den Alexander sieh und Dionysen,Der auf Sicilien Schmerzensjahre lud.Die schwarzbehaarte Stirn sieh neben diesen,Den Ezzelin und jener Blonde dortIst Obiz Este, der, wies klar erwiesen,Vertilgt ward durch des Rabensohnes Mord.Den Dichter sah ich an, der sprach: der zweiteBin ich, der erste der, merk auf sein Wort.Und weiter gab uns Nessus das GeleiteUnd stand bei Andern, welche bis zum RandDes Munds der Richterspruch vom Sud befreite.Und seitwrts zeigt er einen mit der Hand:[71] Der macht einst am Altar das Herz verbluten,Das man noch jetzt verehrt am Themse-Strand.Und Viele hielten aus den heien FlutenDas ganze Haupt, dann Brust und Leib gestreckt,Auch kannt ich Manchen in den nassen Gluten.6467 [135]70[136][137]737679[138]82858891[70] 9497100103106[139]109[140][141]112[142]115118[143]121 [144]
  • Page 29Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoStets seichter ward das Blut, so da bedecktAm Ende nur der Schatten Fe waren,Und dorten ward des Grabens Furt entdeckt.Da sagte der Centaur: Du wirst gewahren,Wie immer seichter hier das Blut sich zeigt.Jetzt aber, will ich, sollst du auch erfahren,Da dort der Grund je mehr und mehr sich neigt,Bis wo die Flut verrinnt in jenen Tiefen,Woraus das Seufzen der Tyrannen steigt.Gerechter Zorn und Rache Gottes riefenDorthin der Erde Geiel, Attila,Pyrrhus und Sextus; und von Thrnen triefen,Von Thrnen, ausgekocht vom Blute, daDie beiden Rinier, arge Raubgesellen,Die man die Straen hart bekriegen sah Hier wandt er sich, rckeilend durch die Wellen._______________Dreizehnter Gesang.VII. Kreis 2. Ring. Selbstmrder, als klagende Bume, (der Kanzler Peter v. Vineis) und Spieler.Noch war nicht Nessus jenseits am Gestade,Da schritten wir in einen Wald voll Graun,Und nirgend war die Spur von einem Pfade.Nicht grn war dort das Laub, nur schwrzlich braun,Nicht glatt ein Zweig, nur knotige, verwirrte,Nicht Frucht daran, nur giftger Dorn zu schaun.Nie bei Cornet und der Cecina irrteDamhirsch und Eber durch so dichten Hain,Dies Wild, das nie die Saat des Feldes kirrte.Hier aber nisten die Harpyn sich ein,Die, von den Inseln Trojas Volk zu scheuchen,Es ngsteten mit Unglcks-Prophezein,Mit breiten Schwingen, Federn an den Buchen,Klaun an den Fen, menschlich von Gesicht,Wehklagend aus den seltsamen Gestruchen.Bevor du eindringst, wisse, dich umflicht,Sprach Er, der zweite Binnenkreis; zu schauenInde du weiter gehst, versume nicht,Bis da wir kommen in des Sandmeers Grauen;Und gieb wohl Acht, denn Allem, was ich sprach,Wirst du dann durch den Augenschein vertrauen.[73] Schon hrt ich rings Geheul und O und Ach,Doch sah ich Keinen, der so chzt und schnaubte,So da mein Knie mir fast vor Schauder brach.Ich glaub, er mochte glauben, da ich glaubte,Verborgne sthnten aus dem dunkeln Raum,Die mir zu sehn das Dickicht nicht erlaubte.Brich nur ein Zweiglein ab von einem Baum,Begann mein Meister, und du wirst entdecken,Was du vermuthest, sei ein leerer Traum.Da sumt ich nicht, die Finger auszustrecken,Ri einen Zweig von einem groen Dorn,Und pltzlich schrie der Stumpf zu meinem Schrecken:Warum mich brechen? drauf ein blutger BornAus ihm entquoll, und diese Wort erklangen:Was peinigt uns dein mitleidloser Zorn?124127130133 [145]136[146]139 [147][72] [148]147 [149]10 [150]1316 [151]192225283134
  • Page 30Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoUns, Menschen einst, von Rinden jetzt umfangen.Wohl grre Schonung ziemte deiner Hand,Und wren wir auch Seelen nur von Schlangen.Gleichwie ein grner Ast, hier angebrannt,Dort chzt und sprht, wenn aufgelst in Winde,Der feuchte Dunst den Weg nach auen fand;So drangen Wort und Blut aus Holz und Rinde,Und mir entsank das Reis, da ich geraubt;Dann stand ich dort, als ob ich Furcht empfinde.Verletzte Seele, htt er je geglaubt.Was frher schon ihm mein Gedicht entdeckte,So sprach Virgil, nie htt er sichs erlaubt.Wenn er die Hand nach deinem Aste streckte,So reuts mich jetzt, da, weils unglaublich schien,Ich Lust in ihm zu solcher That erweckte.Doch sag ihm, wer du warst. Er wird, wenn ihnDer Tag einst neu umfngt, den Fehl zu ben,Dort frisch ans Licht dein Angedenken ziehn.Der Stamm: Lockspeise ist im Wort, dem sen,Die mich zum Sprechen treibt; mag euchs, wenn michDer Drang beim Reden festhlt, nicht verdrieen.Ich bins, der einst das Herz des FriederichMit zweien Schlsseln auf- und zugeschlossen,Und sie so sanft und leis gedreht, da Ich,Nur ich, sonst Keiner, sein Vertraun genossen Und bis ich ihm geopfert Schlaf und Blut,Weiht ich dem hohen Amt mich unverdrossen.Die Metze, die mit buhlerischer GlutAuf Csars Haus die geilen Blicke spannte,Sie, aller Hfe Laster und Snd und Wuth,Schrt an, bis Alles gegen mich entbrannte,Und Alle schrten Friedrichs Gluten an,Da heitrer Ruhm in dstres Leid sich wandte.Da hat mein zornentbrannter Geist, im Wahn,[75] Durch Sterben aller Schmach sich zu entwinden,Mir, dem Gerechten, Unrecht angethan.Bei diesen Wurzeln schwr ich, diesen Rinden:Stets wars um meine Treue wohl bestelltFr ihn, der werth war, ewgen Ruhm zu finden.Kehrt einer je von euch zurck zur Welt,So mg er dort mein Angedenken heben,Das jener Streich des Neids noch niederhlt.Hier hielt er an, ich aber schwieg mit Beben.Da sprach der Dichter: Ohne ZeitverlustFrag ihn, er wird auf Alles Antwort geben.Ich aber: Frag ihn selbst. Dir ist bewut,Was mir ersprielich sei, ihm abzufragen;Ich knnt es nicht, denn Leid drckt meine Brust.Und Er: Soll einst, was du ihm aufgetragen,Er frei vollziehn, dann, o gefangner Geist,Beliebe dir, zuvor uns anzusagen,Wie dieser Stmme Band die Seel umkreist?Und ob den Rinden, die sich um sie legen,Gleich Gliedern, jemals eine sich entreit?Und zischend schien es sich im Stamm zu regen,Dann aber ward das Wehn zu diesem Wort:In kurzer Rede sag ich dies dagegen:Wenn die vom Leib sich trennen, welche dortSich frevelhaft in wildem Grimm entleiben,Schickt Minos sie zu diesem Schlunde fort.3740[152]4346 [153][74] 495255 [154]586164 [155]677073767982858891[156]94
  • Page 31Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/InfernoHier fallen sie, wie sie die Strme treiben,In diesem Wald nach Zufall, ohne Wahl,Um wie ein Speltkorn wuchernd zu bekleiben.So wachsen Bsch und Bum in diesem Thal,Und die Harpyn, die sich vom Laube weiden,Sie machen Qual, und Lust auch fr die Qual.Einst eilen wir nach unserm Leib, doch kleidenUns nie darein; denn was man selbst sich nahm,Will Gott uns nimmer wieder neu bescheiden.Wir schleppen ihn in diesen Wald voll Gram,Und jeder Leib wird an den Baum gehangen,Den hier zur ewgen Haft sein Geist bekam. Wir horchten auf den Stamm noch voll Verlangen,Mehr zu vernehmen, als urpltzlich schnellSchrein und Getos zu unsern Ohren drangen,Als ob hier Eber, Hund und Jagdgesell,Die ganze Jagd, heran laut tosend brausteMit Waldes-Rauschen, Schreien und Gebell. Und sieh, linksher, zwei Nackende, Zerzauste,Fortstrmen, wie vom Aeuersten bedroht,Da das Gezweig zertrmmert kracht und sauste.Der Vordre schrie: Zu Hilfe, komm, o Tod!Dem Andern schiens, da es mehr Eile brauche;Lan, rief er, dort bei Toppo in der NothSchien nicht dein Fuwerk gut zu dem Gebrauche.Dann, weil erschpft vielleicht des Odems Rest,Macht er ein Knul aus sich und einem Strauche.[77] Sieh schwarze Hunde, durchs Gestrpp gepret,Schnell hinterdrein, die wild die Lufe streckten,Wie Doggen, die man von der Kett entlt!Sie schlugen ihre Zhn in den Versteckten,Zerrissen ihn und trugen stckweis dannDie Glieder fort, die frischen, blutbefleckten.Mein Fhrer fate bei der Hand mich anUnd fhrte mich zum Busche, der vergebensAus Rissen klagte, welchen Blut entrann.Er sprach: Was machtest du doch eitlen Strebens,O Jakob, meinen Busch zu deiner Hut?Trag ich die Schulden deines Lasterlebens?Mein Meister, dessen Schritt bei ihm geruht,Sprach: Wer bist du? Warum aus so viel RissenHauchst du zugleich die Schmerzensred und Blut?Und Er: Ihr Seelen, die ihr kommt, zu wissen,Wie harte Schmach ich hier erdulden mu,Zu sehn, wie man mir so mein Laub entrissen,O sammelts an des traurgen Stammes Fu.Ich bin aus jener Stadt, die statt des altenDen Tufer whlt als Schutzherrn. Voll VerdruWird jener drum als Feind ihr grausam walten,Und htte man nicht noch sein Bild geschaut,Das dort sich auf der Arnobrck erhalten,Die Brger, die sie wieder aufgebautVom Brand des Attila, aus Schutt und Grause,Sie htten ihrer Mh umsonst vertraut.Den Galgen macht ich mir aus meinem Hause._______________Vierzehnter Gesang.VII. Kreis 3. Ring. Lsterer, Wucherer, Unnatrliche, im glhenden Sand. Kapaneus. Der Greis von Kreta. 3ter Hllenflu.97[76]100[WS 5]103106109 [157]112115118[158]121124127130133 [159]136139142[160][78]145148151
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  • Page 33Gttliche Komdie (Streckfu 1876)/Inferno Wikisource27.07.2013 13:29:34https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die_(Streckfu%C3%9F_1876)/Infernound machtvoll sei auf mich sein Blitz geschwungen: Er wiss, da nie ihm frohe Rache lacht Da hob so stark, wie sie mir nie erklungen,Mein Meister seine Stimm, ihm zuzuschrein:O Kapaneus, da ewig unbezwungenDich Hochmuth nagt, ist deine wahre P