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Das deutsche Energiewende- Paradox: Ursachen und Herausforderungen Eine Analyse des Stromsystems von 2010 bis 2030 in Bezug auf Erneuerbare Energien, Kohle, Gas, Kernkraft und CO 2 -Emissionen ANALYSE

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Das deutsche Energiewende- Paradox: Ursachen und Herausforderungen Eine Analyse des Stromsystems von 2010 bis 2030 in Bezug auf Erneuerbare Energien, Kohle, Gas, Kernkraft und CO2-Emissionen

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Das deutsche Energiewende-Paradox: Ursachen und Herausforderungen

Eine Analyse des Stromsystems von 2010 bis 2030 in Bezug auf Erneuerbare Energien, Kohle, Gas, Kernkraft und CO2-Emissionen

erstellt von

Agora EnergiewendeRosenstraße 2 | 10178 Berlin

Projektleitung: Dr. Patrick Graichen

und

Dr. Christian Redl [email protected]

Statistische Bearbeitung: Mara Marthe Kleiner [email protected]

Satz: UKEX GRAPHIC, Ettlingen Titelbild: © ReinhardT - Fotolia.com

039/05-A-2014/DE

Veröffentlichung: April 2014Diese Analyse ist auch auf Englisch verfügbar.

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Zusammenfassung

Im Kontext der Energiewende hat Deutschland eine radikale Transformation des Stromsektors beschlossen. Die überge-ordneten energiepolitischen Ziele der Bundesregierung im Energiekonzept 2010/11 umfassen die vollständige Dekar-bonisierung des Stromsektors bis 2050 und den Atomaus-stieg bis 2022. Für die Gesamtwirtschaft soll eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von 40 Prozent bis 2020 und eine Reduktion um 80 bis 95 Prozent bis 2050 im Vergleich zum Basisjahr 1990 erreicht werden.

Um diese Ziele zu erreichen, wird das Stromsystem zu-nehmend auf Erneuerbare Energien umgestellt, allen voran Windkraft und Solarstrom. Insgesamt zielt die Bundesregie-rung auf einen Anteil Erneuerbarer Energien am Strombe-darf von 40 bis 45 Prozent bis zum Jahr 2025 und von 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035.

So wurde im Jahr 2013 bereits ein Viertel des deutschen Stromverbrauchs durch Erneuerbare Energien gedeckt. Zur gleichen Zeit stieg die Stromproduktion aus Kohlekraft-

werken deutlich an, während sich die Stromerzeugung aus Gas- und Atomkraftwerken verringert hat. Die Netto-stromexporte Deutschlands in seine Nachbarstaaten stiegen gleichzeitig auf ein Rekordniveau.

Dieser Bericht analysiert die jüngsten Entwicklungen des deutschen Stromsystems und vergleicht sie mit dem Schlüsselszenario des zukünftigen Stromsystems, das die Bundesregierung im Jahr 2011 veröffentlicht hat. Der Be-richt fasst zunächst die Entwicklungen in Bezug auf den Einsatz Erneuerbarer Energien zusammen, gefolgt von Be-obachtungen zum Stromerzeugungsmix und der Entwick-lung der Stromexporte. Die Auswirkungen der jüngsten Trends im Stromsystem auf die CO2-Emissionen werden mit Entwicklungen von Primärenergie- und CO2-Preisen erklärt. Schließlich wird dies in den breiteren Kontext der 2030-Szenarien gesetzt, die die Bundesregierung im Jahr 2011 veröffentlicht hat. Basierend auf diesen Szenarien wird ein Transformationspfad des Kohlesektors bis 2030 beschrieben.

Die Ergebnisse auf einen Blick

1.

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Deutschland sieht sich gegenwärtig einem „Energiewende-Paradox“ ausgesetzt: Trotz eines zunehmenden Anteils erneuerbarer Energiequellen steigen gleichzeitig die Treibhausgasemissionen. Da der Rückgang der Stromproduktion aus Kernenergie vollständig von einer erhöhten Erzeugung aus Erneuerbaren Energien ausgeglichen wird, liegt der Grund für dieses Paradox nicht im Atomausstieg. Vielmehr wird es durch einen Brennstoffwechsel der Kraftwerke von Gas hin zu Kohle verursacht.

Aufgrund der aktuellen Marktbedingungen drängen deutsche Kohlekraftwerke die Gaskraftwerke sowohl inner-halb Deutschlands als auch in den Nachbarländern aus dem Markt. Seit 2010 sind die Kohle-und CO2-Preise gesun-ken, während die Gaspreise gestiegen sind. Dementsprechend sind (neue und alte) Kohlekraftwerke in Deutsch-land in der Lage, zu niedrigeren Kosten als Gaskraftwerke in Deutschland und in den benachbarten Strommärkten zu produzieren. Dies hat zu Rekordexportniveaus und steigenden CO2-Emissionen in Deutschland geführt.

Um die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung zu erreichen, muss der Anteil der Kohle im deutschen Stromsystem von aktuell 45 Prozent auf 19 Prozent im Jahr 2030 sinken. Ein solcher Rückgang in der Erzeugung aus Braunkohle- und Steinkohlekraftwerken um 62 beziehungsweise 80 Prozent in den nächsten 15 Jahren sowie der Anstieg des Anteils von Erdgas auf 22 Prozent sind Voraussetzung für das Erreichen der Ziele der deutschen Bundesregierung für 2030.

Deutschland braucht eine kohärente Transformationsstrategie für seinen Kohlesektor: einen nationalen „Kohle-Konsens“. Ein „Kohle-Konsens“ würde Stromproduzenten, Gewerkschaften, Regierung und Umweltgruppen zusammenbringen und Wege finden, um diese Transformation gemeinsam zu gestalten und zu erreichen.

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Inhalt

Ausbau erneuerbarer energien 5

entwicklung des stromerzeugungsmix 7

stromerzeugung, nachfrage und stromaustausch 9

Co2-emissionen und stromerzeugungsmix 11

Die rolle von Kohle und Gas im deutschen strommix bis 2030 15

schlussfolgerungen 19

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teil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch im Jahr 2025 40 bis 45 Prozent betragen.

Von 2012 auf 2013 ist der Anteil der Erneuerbaren Ener-gien am Bruttostromverbrauch um 1,7 Prozent gestiegen. Solarenergie (plus 3,6 TWh), Biomasse (plus 2,9 TWh)2 und Windkraft (plus 2,7 TWh) trugen zu diesem Anstieg bei, während sich die Erzeugung aus Wasserkraft wetterbe-dingt um 1,3 TWh verringert hat. Seit dem Jahr 2000 weisen Windkraft und Biomasse das höchste durchschnittliche jährliche Wachstum (jeweils 3,4 TWh) auf, wobei die jähr-lichen Schwankungen im Bereich der Windkraft witte-rungsbedingt deutlich größer waren. Im gleichen Zeitraum

2 inklusive biogener Anteil des Mülls

Ausbau Erneuerbarer Energien

Im Jahr 2013 hat der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch einen neuen Rekordwert in der Höhe von 25,3 Prozent erreicht.1 Entsprechend wurde ein Viertel des Stromverbrauchs durch Wind- und Wasserkraft, Pho-tovoltaik, Bioenergie und Geothermie gedeckt. Abbildung 1 zeigt die zugehörige Entwicklung von 2000 bis 2013. Des Weiteren ist die untere und obere Grenze des geplanten Ausbaukorridors, wie im Koalitionsvertrag der Bundesre-gierung festlegt, dargestellt. Dementsprechend soll der An-

1 Alle Daten zur Stromerzeugung in Deutschland in die-sem und den folgenden Abschnitten stammen aus AG Energiebilanzen (2014): Bruttostromerzeugung in Deutschland von 1990 bis 2013 nach Energieträgern, Stand 7. Februar 2014. Die Daten für 2013 sind vorläufig.

Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch und Zielkorridor bis 2025 Abbildung 1

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bisherige Entwicklung untere Grenze des Zielkorridors obere Grenze des Zielkorridors

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stieg die jährliche Photovoltaikerzeugung durchschnittlich um 2,3 TWh pro Jahr. Von 2010 bis 2012 verlief der Pho-tovoltaikausbau dabei besonders dynamisch. Die jährliche Erzeugung ist hier um durchschnittlich 6,6 TWh pro Jahr angestiegen. Die Entwicklung der Stromerzeugung aus er-neuerbaren Quellen ist in Abbildung 2 dargestellt.

Jährliche Stromerzeugung der Erneuerbaren Abbildung 2

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gestiegen und erreichte 19,6 Prozent im Jahr 2013. Der An-teil der Braunkohle in der deutschen Stromerzeugung sank leicht von 25,7 Prozent im Jahr 2000 auf 23 Prozent im Jahr 2010 und ist danach auf 25,6 Prozent im Jahr 2013 gestie-gen. Abbildung 4 stellt den Erzeugungsmix des Jahres 2013 dar.

Die längerfristigen Trends der deutschen Stromerzeugung sind in Abbildung 5 dargestellt. Wie gut zu erkennen ist, ist der Rückgang der Kernenergie durch die Zunahme der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen mehr als kompensiert. Die Grafik veranschaulicht auch die jüngste Zunahme der Stein-und Braunkohleverstromung. Im Jahr 2013 erreichte letztere ihren höchsten Wert seit 1990.

Im Einklang mit dem Atomausstiegsbeschluss aus dem Jahr 2000 und dem erneuten Ausstiegsbeschluss nach Fuku-shima im Jahr 2011 sank der Anteil der Kernenergie in der Stromerzeugung von 29,5 Prozent im Jahr 2000 auf 15,4 Prozent im Jahr 2013. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Erneuerbaren Energien von 6,6 auf 23,9 Prozent (siehe Abbildung 3).3

Der Anteil von Erdgas am Erzeugungsmix stieg von 8,5 Prozent im Jahr 2000 auf 14,1 Prozent im Jahr 2010, wäh-rend er danach auf 10,5 Prozent im Jahr 2013 gesunken ist. Die Erzeugung in Steinkohlekraftwerken trug im Jahr 2000 mit 24,8 Prozent zum Mix bei und verringerte sich auf 18,5 Prozent bis zum Jahr 2010. Seitdem ist der Anteil wieder

3 Da Deutschland ein Nettoexporteur von Strom ist, ist der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch höher als der Anteil an der Stromproduktion.

Entwicklung des Stromerzeugungsmix

Jährlicher Stromerzeugungsmix von 2000 bis 2013 Abbildung 3

AG Energiebilanzen, eigene Berechnungen

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Braunkohle Kernkraft Steinkohle Erdgas Öl und andere Erneuerbare

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Stromerzeugungsmix 2013 und 2012 Abbildung 4

AG Energiebilanzen, Werte für 2012 stehen in Klammern

Braunkohle25,6 % (25,5 %)

Kernkraft15,4 % (15,8 %)

Steinkohle19,6 % (18,5 %)

Wind8,4 % (8,1 %)

Wasserkraft3,2 % (3,5 %)

Biomasse6,7 % (7,1 %)

PV4,7 % (4,2 %)

Erdgas10,5 % (12,1 %)

Öl1,0 % (1,2 %)

Müll und andere4,8 % (4,1 %)

Erneuerbare23,9 % (22,8 %)

Stromerzeugung von 1990 bis 2013 Abbildung 5

AG Energiebilanzen, eigene Berechnungen

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Braunkohle Kernkraft Steinkohle Erdgas Öl und andere Erneuerbare

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Abseits der aufgezeigten Entwicklungen im Stromerzeu-gungsmix folgte auch der Stromaustausch mit den Nachbar-ländern einer stark dynamischen Entwicklung. Wie Abbil-dung 6 zeigt, ist Deutschland seit 2003 ein Nettoexporteur von Strom. Im Jahr 2013 wurden fast 34 TWh Strom expor-tiert – dies entspricht 5,3 Prozent der Bruttoinlandsstrom-erzeugung.4 Diese Entwicklung ist das Ergebnis einer leicht

4 Zieht man die Stromaustäusche auf Basis der kommerziellen Handelsabschlüsse heran, belief sich die Nettoexportposition 2013 sogar auf 41 TWh. Physikalische Austäusche umfassen Flüsse infolge von Handelsgeschäften zwischen den Export-und Importländern, Transitflüsse (das heißt Stromflüsse, die durch ein Land hindurch fließen) und Ringflüsse (also unge-plante Flüsse über die Grenzen aufgrund von Engpässen im Übertragungsnetz innerhalb eines Landes). Als Resultat unter-

rückläufigen Inlandsstromnachfrage und einer konstanten (beziehungsweise leicht steigenden) inländischen Stromer-zeugung.

scheiden sich physische von kommerziellen Stromexporten. So wird beispielsweise ein Teil der Stromexporte von Deutschland in die Niederlande nicht in den Niederlanden verbraucht, son-dern fließt über die Niederlande nach Belgien usw. Alle Daten in diesem Kapitel basieren auf ENTSO-E: ENTSO-E 2014. Datenportal und Transparenzplattform der ENTSO-E: entsoe.net.

Stromerzeugung, Nachfrage und Stromaustausch

Nationale Stromerzeugung, Nachfrage und Nettoexporte (physikalische Flüsse) Abbildung 6

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sprechenden Exporte, was zu einer Nettoexportposition Deutschlands nach Österreich führt.

Wie in Abbildung 7 dargestellt, sind die Niederlande (18 TWh) und Österreich (16,4 TWh) die größten Nettoimpor-teure von Strom aus Deutschland. Entsprechend beein-flussen steigende Importmengen die jeweilige nationale Stromproduktion deutlich: Während sich in Österreich die (physischen) Importe von 2012 auf 2013 um 4,5 TWh erhöht haben, ist die inländische Stromerzeugung in Gaskraftwer-ken um 3 TWh gesunken. Auch die Stromerzeugung in den Niederlanden, die zum großen Teil auf Gaskraftwerken ba-siert, hat sich von 2012 auf 2013 um 4,4 TWh verringert.

Abbildung 7 zeigt die Stromaustäusche des Jahres 2013 zwi-schen Deutschland und seinen Nachbarländern auf Basis der Handelsabschlüsse.5 Deutschland exportiert Strom vor allem nach Österreich (34,8 TWh), gefolgt von den Nieder-landen (18,1 TWh) und Frankreich (12,5 TWh). Umgekehrt importiert Deutschland vor allem aus Österreich (18,4 TWh) und der Tschechischen Republik (11,6 TWh). Die Einfuh-ren von Österreich aus Deutschland übersteigen die ent-

5 Luxemburg ist aufgrund fehlender Datenverfügbarkeit in der Abbildung nicht enthalten. Die Daten zu kommerziellen Stromaustäuschen sind der Transparenzplattform der ENTSO-E übernommen. Sofern verfügbar wurden die endgültigen Werte der grenzüberschreitenden Handelsfahrpläne verwendet. Für den Fall, dass diese nicht verfügbar waren (beispielsweise aufgrund einer verzögerten Veröffentlichung), wurden stattdessen die angemel-deten Day-ahead-Fahrpläne verwendet. Da die Abweichungen der endgültigen Werte von den angemeldeten Werten keiner-lei Muster aufweisen, stellen im Falle der Nichtverfügbarkeit die angemeldeten Werte einen guten Schätzer dar.

Kommerzielle grenzüberschreitende Stromflüsse im Jahr 2013 Abbildung 7

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genden Kohlenstoffintensität der heimischen Stromerzeu-gung wider.

So steigerten Braunkohle-und Steinkohlekraftwerke ihre Produktion von 2010 bis 2013 um 23,1 TWh (Braunkohle plus 16,1 TWh, Steinkohle plus 7 TWh). Umgekehrt ist die Stromproduktion in Gaskraftwerken um 22,5 TWh zurück-gegangen, während die Stromexporte um 16,1 TWh wuch-sen. Die Erzeugung in Atomkraftwerken sank um 43,3 TWh, wobei dieser Rückgang durch eine gestiegene Stromerzeu-gung aus Erneuerbaren Energien von 46,9 TWh überkom-pensiert wurde.

Obwohl der Anteil der Erneuerbaren Energien im deutschen Strommix seit dem Jahr 2000 kontinuierlich gestiegen ist, steigen seit 2009 auch die CO2-Emissionen des Stromsek-tors. Ist Deutschland in einem „Energiewende-Paradox“ gefangen?

Wie in den obigen Kapiteln gezeigt, ist neben einem Zu-wachs der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen auch die Stromerzeugung in Kohlekraftwerken deutlich gestie-gen, während sich die Erzeugung in Gas- und Atomkraft-werken verringert hat. Die gesteigerte Wettbewerbsfähig-keit von Kohlekraftwerken verursacht zudem einen starken Anstieg der Stromexporte. Dies spiegelt sich in einer stei-

CO2-Emissionen und Stromerzeugungsmix

CO2-Emissionen des deutschen Stromsektors Abbildung 8

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gestellt, hatten alte Kohlekraftwerke und neue Gaskraft-werke in den Jahren 2010 und 2011 ähnliche Erzeugungs-kosten (kurzfristige Grenzkosten) in Höhe von rund 45 Euro/MWh.6 Doch während die kurzfristigen Grenzkosten von Kohlekraftwerken in den Jahren 2012 und 2013 deutlich zurückgegangen sind (Grenzkosten von etwa 33 Euro/MWh für alte Steinkohlekraftwerke), haben sich die kurzfristigen Grenzkosten von Gaskraftwerken erhöht (Grenzkosten von etwa 50 Euro/MWh für neue Gaskraftwerke).

6 Für neue Gaskraftwerke ist ein Wirkungsgrad von 57 Prozent angenommen, für alte Steinkohlekraftwerke beträgt der angenommene Wirkungsgrad 34 Prozent.

Abbildung 9 zeigt, dass ein Atomausstieg, wenn er durch einen entsprechenden Einsatz von Erneuerbaren Ener-gien ausgeglichen wird, an sich nicht zu einer Erhöhung der CO2-Emissionen führt. Tatsächlich wurden die steigen-den CO2-Emissionen des deutschen Stromsektors durch einen Brennstoffwechsel von Gas auf Kohle verursacht. So machten niedrige Großhandelsstrompreise Gaskraftwerke aufgrund der niedrigen CO2- und hohen Gaspreise unwirt-schaftlich. Wie in Abbildung 10 dargestellt, hat sich die Differenz zwischen Grenzübergangspreisen für Erdgas und Steinkohle seit 2010 kontinuierlich erhöht und belief sich 2013 auf rund 18 Euro/MWh. Die sinkenden CO2-Emissi-onszertifikatspreise, die sich 2013 auf rund 4 Euro/MWh beliefen, verstärken diese Entwicklung.

Die zunehmende Differenz zwischen Gas-und Steinkoh-lepreisen und der sinkende CO2-Preis führen zu einem weiteren Auseinanderklaffen der Erzeugungskosten von Steinkohle- und Gaskraftwerken. Wie in Abbildung 11 dar-

Veränderungen der Stromerzeugung und des -verbrauchs von 2010 bis 2013 Abbildung 9

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Jahresdurchschnittspreise für Steinkohle, Erdgas (jeweils Grenzübergangspreise) und CO2-Zertifikate Abbildung 10

Kurzfristige Grenzkosten von alten Steinkohle- und neuen Gaskraftwerken von 2010 bis 2013 Abbildung 11

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BAFA, EEX, eigene Berechnungen

BAFA, EEX, eigene Berechnungen. Für neue Gaskraftwerke ist ein Wirkungsgrad von 57 Prozent angenommen; für alte Steinkohlekraftwerke beträgt der angenommene Wirkungsgrad 34 Prozent. Neue Steinkohlekraftwerke mit einem Wirkungsgrad von 45 Prozent weisen noch niedrigere Grenzkosten auf (circa 25 Euro/MWh im Jahr 2013).

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Sollte diese Entwicklung anhalten, riskiert Deutschland, sein 2020-Klimaziel einer Reduktion um 40 Prozent der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 nicht zu errei-chen. Wie Abbildung 12 zeigt, war Deutschland bei der Emissionsreduktion seit 1990 recht erfolgreich. Oft wird behauptet, dass diese Erfolge dem Mauerfall geschuldet seien (also einer Treibhausgasreduktion nach der Wieder-vereinigung infolge der wirtschaftlichen Umstrukturierung in Ostdeutschland). Während dies für den Rückgang der Treibhausgase von 1990 bis 1995 teilweise zutrifft, kann der Reduktionstrend von 1995 bis 2011 auf eine aktive Klima-schutzpolitik in allen Sektoren zurückgeführt werden. Al-lerdings stammt ein großer Teil der Rückgänge seit 1995 aus dem Stromsektor, der seit 2011 wieder steigende Emissio-nen aufweist und als die Hauptursache für den Anstieg der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen in den Jahren 2012 und 2013 identifiziert werden kann.

Treibhausgasemissionen nach Sektor Abbildung 12

Umweltbundesamt, eigene Berechnungen, *vorläufige Daten

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Abbildung 13 verknüpft die jüngsten Entwicklungen der Stromerzeugung mit den Szenarien des Energiekonzepts der Bundesregierung, die das Bundesministerium für Wirt-schaft im Jahr 2011 nach dem Beschluss zum erneuten Atomausstieg veröffentlicht hat.7 Dabei wird deutlich, dass das Ziel für 2030 in diesem Szenario – im Einklang mit den klima- und energiepolitischen Zielen – nur erreicht werden kann, wenn die Erzeugung in Braunkohle- und Steinkohle-kraftwerken im Vergleich zum heutigen Produktionsniveau deutlich verringert wird. Konkret müsste die Braunkohle-verstromung um 62 Prozent sinken, während die Strom-erzeugung aus Steinkohle gegenüber 2013 um 80 Prozent niedriger ausfallen müsste. Parallel würde die Stromer-

7 Die Daten im Folgenden beziehen sich immer auf das „Szenario Ausstieg“ aus Prognos/EWI/GWS(2011): Energieszenarien 2011.

Die Analyse in den vorangegangenen Kapiteln hat gezeigt, dass die deutschen CO2-Emissionen trotz des signifikanten Ausbaus der Erneuerbaren Energien aufgrund der erhöhten Stromproduktion in Kohlekraftwerken gestiegen sind. Wie passen diese aktuellen Trends zu den mittel-und längerfris-tigen klima- und energiepolitischen Zielen Deutschlands? Wie bereits erwähnt, soll der Stromsektor bis 2050 dekar-bonisiert werden, während der Atomausstieg bis 2022 voll-zogen wird. Auf nationaler, gesamtwirtschaftlicher Ebene soll eine Reduktion der Treibhausgase von 80 bis 95 Prozent bis 2050 erreicht werden. Nach dem nationalen Energieko-nzept 2010 beinhaltet dieses Langfristziel eine Treibhaus-gasreduktion um 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990. Die jüngsten CO2-Emissionstrends des deutschen Strom-sektors sind daher nicht im Einklang mit diesen Emissions-reduktionszielen.

Die Rolle von Kohle und Gas im deutschen Strommix bis 2030

Jüngste Entwicklungen der Stromerzeugung (2010 bis 2013) und avisierte Entwicklung (2015 bis 2030) gemäß Energieszenarien der deutschen Bundesregierung Abbildung 13

AG Energiebilanzen, Prognos/EWI/GWS, eigene Berechnungen

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Braunkohle Kernkraft Steinkohle Erdgas Öl und andere Erneuerbare

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sche Gasverbrauch deshalb um 24 Prozent von 2012 (bzw. 22 Prozent von 2013) bis 2030.

Der Strommix im Jahr 2030 entsprechend des oben darge-stellten Szenarios umfasst einen Anteil von 55 Prozent Er-neuerbarer Energien, gefolgt von Gas mit 22,3 Prozent. Der Anteil der Braunkohle würde sich auf 13,2 Prozent belau-fen, während der Anteil der Steinkohle bei 5,4 Prozent liegen würde. Öl und andere Energieträger würden mit 4,1 Prozent zum Stromerzeugungsmix beitragen (siehe Abbildung 15).

Die in den Abbildungen 13 und 15 dargestellten signifi-kanten Änderungen des Stromerzeugungsmix basieren auf angenommen Preissteigerungen fossiler Energieträ-ger, vor allem aber auf einem deutlichen Anstieg des Preises für CO2-Emissionsrechte. So erreicht dieser im Jahr 2030 den Szenarioannahmen folgend ein Niveau von (nominell) 54 Euro pro Tonne CO2. Die entsprechenden Preisentwick-lungen sind in Abbildung 16 dargestellt. Es ist offensicht-lich, dass die derzeit zu beobachtende Preisentwicklung für CO2-Emissionsrechte nicht im Einklang mit diesen Annah-

zeugung aus Erneuerbaren Energien im Vergleich zu 2013 um 70 Prozent steigen. Zur Erreichung der Ziele des Regie-rungsszenarios würde zudem die Erzeugung in Gaskraft-werken um 56 Prozent (im Vergleich zum Niveau in 2013) steigen. Auf diese Weise könnten die CO2-Emissionen des deutschen Stromsektors bis 2030 wie angestrebt um rund 60 Prozent im Vergleich zu 2010 sinken.

Im Rahmen des Energiekonzept-Szenarios erhöht sich der Marktanteil der Gasverstromung von 11 Prozent im Jahr 2013 auf 22,3 Prozent im Jahr 2030. Gegenüber 2013 steigt damit der Erdgasverbrauch des Stromsektors bis 2030 um 45 Prozent. Da die Gasverstromung von 2012 bis 2013 stark sank, beträgt der Anstieg gegenüber 2012 nur 27 Prozent. Der verstärkte Einsatz von Gas im Stromsektor wird im Sze-nario durch den (aufgrund von Energieeffizienzmaßnah-men) gesunkenen Einsatz von Gas in den Endverbrauchs-sektoren kompensiert. Letztere senken ihren Gasverbrauch um rund 35 Prozent von 2012/13 bis 2030. Dabei liegt der Energieverbrauch der Endverbrauchssektoren deutlich über dem des Stromsektors. Insgesamt sinkt der gesamte deut-

Erdgasverbrauch des Stromsektors und der Endverbrauchssektoren gemäß Energieszenarien der Bundesregierung Abbildung 14

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Endverbrauchssektoren Stromsektor

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Stromerzeugungsmix 2030 gemäß Energieszenarien der Bundesregierung Abbildung 15

Prognos/EWI/GWS, eigene Berechnungen

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Erneuerbare

Jüngste Preisentwicklungen fossiler Energieträger und CO2-Emissionrechten (2000 bis 2013) und angenommene Entwicklungen (2015 bis 2030) gemäß Energieszenarien der Bundesregierung. Die dargestellten Preise verstehen sich als nominale Preise. Abbildung 16

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men des offiziellen Energieszenarios steht, die bis 2030 eine CO2-Emissionsreduktion des Stromsektors von 60 Prozent bewirken würden.

Um die von der Regierung erklärten Klimaziele zu erreichen, stehen damit zwei Optionen zur Verfügung: Die erste Option umfasst eine rasche „Reparatur“ des europäischen Emissi-onshandelssystem, die letztlich die (hohen) Preissignale lie-fern kann, die notwendig sind, um einen Brennstoffwechsel im Stromsektor herbeizuführen. Die zweite Option umfasst die Implementierung weiterer Strategien und Maßnahmen, die den Emissionshandel ergänzen. Gemeinsam wären diese dann in der Lage, die Rolle von Kohle und Gas im Stromsek-tor zu adressieren.

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wenn die Ziele der Energiewende erreicht werden sollen. Angesichts der Ziele der Bundesregierung, den Anteil der Erneuerbaren im Stromsystem bis 2035 auf 55 bis 60 Pro-zent zu erhöhen und die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu senken, wird der Anteil der Kohleverstro-mung in den kommenden Jahren signifikant sinken müssen, um die energiepolitischen Ziele zu erreichen.

Wie die Szenarien des Bundeswirtschaftsministeriums zei-gen, führt der Weg in Richtung der 2050er-Ziele (Reduk-tion der Treibhausgase um 80 bis 95 Prozent) über einen Strommix mit 55 Prozent Erneuerbaren Energien im Jahre 2030, kombiniert mit 22 Prozent Gas und 19 Prozent Kohle. Um im Einklang mit dem Energiekonzept zu stehen, muss die Braunkohlestromerzeugung von 2013 bis 2030 um 62 Prozent und die Steinkohlestromproduktion um 80 Prozent zurückgehen.

Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt Deutschland drin-gend eine kohärente Transformationsstrategie für seinen Kohlesektor. Ein „Kohle-Konsens“, der Produzenten, Ge-werkschaften, die Regierung und Umweltgruppen zusam-menbringt und Wege findet, die diese Transformation er-möglicht, wäre hierfür ein passendes Instrument.

Dieser Bericht fasst die jüngsten Entwicklungen des deut-schen Stromsektors zusammen und vergleicht diese mit dem offiziellen Schlüsselszenario der Bundesregierung zur Zukunft des deutschen Stromsystems, das im Jahr 2011 für das Bundeswirtschaftsministerium erstellt wurde. Das Szenario steht im Einklang mit den allgemeinen klima-und energiepolitischen Zielen Deutschlands und der Europä-ischen Union und umfasst eine vollständige Dekarboni-sierung des Energiesektors bis 2050 und den Ausstieg aus der Kernkraftnutzung bis 2022. Als Konsequenz wird das Stromversorgungssystem zunehmend durch erneuerbare Energiequellen, vor allem Windkraft und Photovoltaik, ge-prägt. In der Tat war die Evolution des deutschen Strom-systems in den vergangenen Jahren sehr dynamisch, ob-wohl die jüngsten Entwicklungen der CO2-Emissionen des Stromsektors nicht im Einklang mit den Klimazielen stehen.

2013 wurde ein Viertel der deutschen Stromnachfrage durch Erneuerbare bereitgestellt. Gleichzeitig ist die Strom-produktion von Kohlekraftwerken signifikant gestiegen, während die Erzeugung in Gas- und Kernkraftwerken ge-sunken ist. Speziell Gaskraftwerke sehen sich aufgrund niedriger CO2- und hoher Gaspreise einem Wettbewerbs-nachteil ausgesetzt. Umgekehrt führte die gesteigerte Wett-bewerbsposition von Kohlekraftwerken zu Stromexporten auf Rekordniveau.

Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass sich Deutschland einem „Energiewende-Paradox“ ausgesetzt sieht: Trotz eines steigenden Anteils Erneuerbarer steigen die CO2-Emissionen des Stromsektors. Da der Rückgang der Stromproduktion in Atomkraftwerken durch den Ausbau der Erneuerbaren mehr als kompensiert wird, resultiert das Paradox aus der Kombination eines sehr niedrigen CO2-Preises und hohen Gas- und niedrigen Kohlepreisen. Als Ergebnis folgt im Stromsektor ein Brennstoffwechsel von Gas zu Kohle.

Diese aktuelle Entwicklung steht im krassen Gegensatz mit einer Entwicklung, die der Energiesektor einschlagen muss,

Schlussfolgerungen

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AUf DEUTSch

12 Thesen zur Energiewende Ein Diskussionsbeitrag zu den wichtigsten Herausforderungen im Strommarkt (Lang- und Kurzfassung)

Brauchen wir einen Kapazitätsmarkt?Dokumentation der Stellungnahmen der Referenten der Diskussionsveranstaltung am 24. August 2012 in Berlin

Die Zukunft des EEG – Evolution oder Systemwechsel?Dokumentation der Stellungnahmen der Referenten der Diskussionsveranstaltung am 13. Februar 2013 in Berlin

Ein radikal vereinfachtes EEG 2.0 und ein umfassender Marktdesign-ProzessKonzept für ein zweistufiges Verfahren 2014-2017

Ein robustes Stromnetz für die ZukunftMethodenvorschlag zur Planung – Kurzfassung einer Studie von BET Aachen

Entwicklung der Windenergie in DeutschlandEine Beschreibung von aktuellen und zukünftigen Trends und Charakteristika der Einspeisung von Windenergieanlagen

Erneuerbare Energien und Stromnachfrage im Jahr 2022Illustration der anstehenden Herausforderungen der Energiewende in Deutschland. Analyse auf Basis von Berechnungen von Fraunhofer IWES

Kapazitätsmarkt oder Strategische Reserve: Was ist der nächste Schritt?Eine Übersicht über die in der Diskussion befindlichen Modelle zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland

Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in DeutschlandEin Vergleich möglicher Strategien für den Ausbau von Wind- und Solarenergie in Deutschland bis 2033

Lastmanagement als Beitrag zur Deckung des Spitzenlastbedarfs in SüddeutschlandEndbericht einer Studie von Fraunhofer ISI und der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft

Positive Effekte von Energieeffizienz auf den deutschen StromsektorEndbericht einer Studie von der Prognos AG und dem Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft (IAEW)

Kritische Würdigung des Netzentwicklungsplanes 2012Kurzstudie des Büros für Energiewirtschaft und technische Planung (BET)

Reform des KonzessionsabgabenrechtsGutachten vorgelegt von Raue LLP

Publikationen von Agora EnergiewendeAlle Publikationen finden Sie auf unserer Internetseite:

www.agora-energiewende.de

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Steigende EEG-Umlage: Unerwünschte Verteilungseffekte können vermindert werdenAnalyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)

Strommarktdesign im Vergleich: Ausgestaltungsoptionen eines KapazitätsmarktsDokumentation der Stellungnahmen der Referenten für die Diskussionsveranstaltung am 10. Juni 2013 in Berlin

Stromverteilnetze für die EnergiewendeEmpfehlungen des Stakeholder-Dialogs Verteilnetze für die Bundesrepublik – Schlussbericht

Vergütung von Windenergieanlagen an Land über das ReferenzertragsmodellVorschlag für eine Weiterentwicklung des Referenzertragsmodells und eine Anpassung der Vergütungshöhe

Vorschlag für eine Reform der Umlage-Mechanismen im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)Studie des Öko-Instituts im Auftrag von Agora Energiewende

Wie wird sich die Windenergie in Deutschland weiterentwickeln?Dokumentation der Diskussion zur Kurzstudie Entwicklung der Windenergie in Deutschland am 5. Juli 2013

Zusammenhang von Strombörsen und EndkundenpreisenStudie von Energy Brainpool

AUf ENGliSch

12 Insights on Germany’s EnergiewendeAn Discussion Paper Exploring Key Challenges for the Power Sector

A radically simplified EEG 2.0 in 2014Concept for a two-step process 2014-2017

Comparing Electricity Prices for IndustryAn elusive task – illustrated by the German case

Cost Optimal Expansion of Renewables in GermanyA comparison of strategies for expanding wind and solar power in Germany

Load Management as a Way of Covering Peak Demand in Southern GermanySummary of intermediate findings from a study conducted by Fraunhofer ISI and Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft

Report on the Polish power systemVersion 1.0

Publikationen von Agora Energiewende

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