Das Kriegsende 1945 - gfh-biberach.de¤tter-für-den-Kreis... · Beim Geschütz waren etwa 10Mann...

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kerei für Kupfer- und Stahlstiche eignete sich Emminger ohne weitere besondere Anleitung die Fertigkeit und Kunst des Lithographierens an. Seine Stadt- und Landschaftsmotive holte er sich aus Stuttgart, Nürnberg, Wien, Prag, Rom und aus Oberitalien. Vornehmlich stammen seine Arbeiten aber aus seiner Heimat Oberschwaben, mit deren Landschaft er von Kindesbeinen auf verwachsen, die also seine eigentliche Welt war. Als Eberhard Emminger am 27. November 1885 starb, war seine künstlerische Heimat, die Epoche des Biedermeier, fast schon Geschichte geworden. Das Kriegsende 1945 Von Alois Kuhn, Kirchheim/Teck Das Kriegsende 1945war für mich eine Zeit unge- wöhnlicher Erlebnisse, die nicht in einem Tag faßbar sind. Diese außergewöhnlich ereignisreiche Zeit be- gann mit dem 28. Dezember 1944. An diesem Tag mußte ich mich in Ludwigsburg zur Einberufung in der Mathildenkaserne stellen. Damals war ich - Angehöriger des Jahrgangs 1928- noch nicht einmal 17Jahre alt. Nach Einklei- dung und Vereidigung wurde ich - mit ca. 25 bis 30 Altersgenossen - der 4. Batterie der schweren Flak- abteilung 436 zugeteilt. Während das 11. Französische Armeekorps am 19., 20., 21. April Stuttgart einschloß, stieß das I. Armeekorps aus dem Raum Freudenstadt - Horb nach Süden und erreichte am 21.April die Donau auf der Linie zwischen Donaueschingen und Hausen im Tal. Am 21. April 1945, 20 Uhr, erhielt die I. Franzö- sische Panzerarmee Befehl, nach Ulm, quer durchs nördliche Oberschwaben, weiterzumarschieren. Unsere Batterie bekam den Befehl, im Raum Pfullendorf in Stellung zu gehen, um die französi- schen Verbände am Vorrücken nach Osten zu hin- dern. Während der Nacht ging es von Münsingen über Engstingen, Gammertingen gen Sigmaringen. Wir kamen bis Veringenstadt, wo uns ein Posten erklärte, daß im 2,5 km entfernten Veringendorf bereits französische Einheiten stünden. Wir wußten nicht, daß die französischen Verbände über Sigma- ringen bereits bis Mengen vorgestoßen waren. Das einfachste wäre gewesen, über Inneringen nach Riedlingen zu fahren. Doch dies war nicht mehr möglich, da in Langenenslingen und anderswo die Panzersperren bereits geschlossen seien. Also mußten die Schlepp züge mit Geschützen in den engen Straßen Veringenstadts wenden, zurück nach Gammertingen und dann über Friedingen nach Riedlingen weiterfahren. Wir können wohl verstehen, daß die Laupheimer Bürger von einstens es als Ehre empfanden, daß ihre junge Stadt von einem so bedeutenden Künstler por- trätiert worden war. Die Zeitgenossen von heute wis- sen um die Kostbarkeit des Besitzes eines "Original Emminger". Wo dies nicht der Fall ist, können sie sich an einer der in den letzten Jahren herausge- brachten guten Photoreproduktionen, im gleichen hellbraunen Farbton wie das Original, erfreuen. Die Emminger-Lithographie ist übrigens die am häufig- sten benützte Vorlage für Laupheimer Stadtmotive, sei es als Gesamtansicht oder Teilausschnitt. Ein ereignisreicher Tagbricht an Wir erlebten den Sonnenaufgang an diesem 23. April 1945 auf der Fahrt zwischen Ittenhausen und Friedingen. Zu dieser Zeit ahnten wir nicht, was uns bevorstehen sollte. In Grüningen machte ein Posten der Feldgendar- merie uns darauf aufmerksam, daß die Sprengung der Donaubrücke in Riedlingen bevorstehe. Wir sollten besser gleich bis Zwiefaltendorf weiterfah- ren, die dortige Brücke bleibe noch offen. Unsere Einheitsführer wollten aber versuchen, in Riedlingen die Donau zu überqueren. Ein soge-. nanntes Brückenspreng-Nachkommando erklärte, wir könnten passieren. Da das neue Marschziel Memmingen hieß, fuhren wir auf der früheren R 311 bis zur Abzweigung der früheren R 312, etwa in 200 m Entfernung vom Güterbahnhof. Dort machten wir halt. Auf einem Abstellgleis stand ein Güterzug, beladen mit Wehrmachtsverpflegung und Magazinware. Der Bürgermeister von Riedlingen, Herr Fischer, hatte angeordnet, diese Waren an die Bevölkerung zu verteilen. Da es für uns seit Tagen keine geregelte Versorgung mehr gegeben hatte, gingen ein paar Soldaten mit Einverständnis des Bat- teriechefs zu jenem Magazinzug, um nach Lebens- mitteln umzuschauen. Ergebnis: Fehlanzeige, nur Zigaretten! Nach etwa 5 Minuten schickte sich das hinter uns stehende Geschütz an, Richtung Memmingen wei- terzufahren. Etwa gleichzeitig waren die 5,6-cm- Kanonen der aus Ertingen - Neufra herankommen- den Panzer zu hören. Etwa gleichzeitig war aus Rich- tung Donaubrücke eine starke Detonation zu hören; wir hielten sie für die Sprengung der Brücke. Es mag jetzt etwa 7.45 Uhr gewesen sein. Bevor das andere Geschütz abfuhr, stieg noch eine Anzahl aufgesesse- ner Landser um. Auf dem Weg von Gammertingen bis Riedlingen waren wir mehrmals auf Landser getroffen, die dann bei unserem Geschütz aufsaßen, 33

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kerei für Kupfer- und Stahlstiche eignete sichEmminger ohne weitere besondere Anleitung dieFertigkeit und Kunst des Lithographierens an.

Seine Stadt- und Landschaftsmotive holte er sichaus Stuttgart, Nürnberg, Wien, Prag, Rom und ausOberitalien. Vornehmlich stammen seine Arbeitenaber aus seiner Heimat Oberschwaben, mit derenLandschaft er von Kindesbeinen auf verwachsen,die also seine eigentliche Welt war. Als EberhardEmminger am 27. November 1885 starb, war seinekünstlerische Heimat, die Epoche des Biedermeier,fast schon Geschichte geworden.

Das Kriegsende 1945Von Alois Kuhn, Kirchheim/Teck

Das Kriegsende 1945war für mich eine Zeit unge-wöhnlicher Erlebnisse, die nicht in einem Tag faßbarsind.

Diese außergewöhnlich ereignisreiche Zeit be-gann mit dem 28. Dezember 1944. An diesem Tagmußte ich mich in Ludwigsburg zur Einberufung inder Mathildenkaserne stellen.

Damals war ich - Angehöriger des Jahrgangs1928 - noch nicht einmal 17Jahre alt. Nach Einklei-dung und Vereidigung wurde ich - mit ca. 25 bis 30Altersgenossen - der 4. Batterie der schweren Flak-abteilung 436 zugeteilt.

Während das 11. Französische Armeekorps am19., 20., 21. April Stuttgart einschloß, stieß dasI. Armeekorps aus dem Raum Freudenstadt - Horbnach Süden und erreichte am 21.April die Donau aufder Linie zwischen Donaueschingen und Hausen imTal. Am 21. April 1945, 20 Uhr, erhielt die I. Franzö-sische Panzerarmee Befehl, nach Ulm, quer durchsnördliche Oberschwaben, weiterzumarschieren.

Unsere Batterie bekam den Befehl, im RaumPfullendorf in Stellung zu gehen, um die französi-schen Verbände am Vorrücken nach Osten zu hin-dern. Während der Nacht ging es von Münsingenüber Engstingen, Gammertingen gen Sigmaringen.Wir kamen bis Veringenstadt, wo uns ein Postenerklärte, daß im 2,5 km entfernten Veringendorfbereits französische Einheiten stünden. Wir wußtennicht, daß die französischen Verbände über Sigma-ringen bereits bis Mengen vorgestoßen waren. Daseinfachste wäre gewesen, über Inneringen nachRiedlingen zu fahren. Doch dies war nicht mehrmöglich, da in Langenenslingen und anderswo diePanzersperren bereits geschlossen seien.

Also mußten die Schlepp züge mit Geschützen inden engen Straßen Veringenstadts wenden, zurücknach Gammertingen und dann über Friedingennach Riedlingen weiterfahren.

Wir können wohl verstehen, daß die LaupheimerBürger von einstens es als Ehre empfanden, daß ihrejunge Stadt von einem so bedeutenden Künstler por-trätiert worden war. Die Zeitgenossen von heute wis-sen um die Kostbarkeit des Besitzes eines "OriginalEmminger". Wo dies nicht der Fall ist, können siesich an einer der in den letzten Jahren herausge-brachten guten Photoreproduktionen, im gleichenhellbraunen Farbton wie das Original, erfreuen. DieEmminger-Lithographie ist übrigens die am häufig-sten benützte Vorlage für Laupheimer Stadtmotive,sei es als Gesamtansicht oder Teilausschnitt.

Ein ereignisreicher Tagbricht anWir erlebten den Sonnenaufgang an diesem 23.

April 1945 auf der Fahrt zwischen Ittenhausen undFriedingen. Zu dieser Zeit ahnten wir nicht, was unsbevorstehen sollte.

In Grüningen machte ein Posten der Feldgendar-merie uns darauf aufmerksam, daß die Sprengungder Donaubrücke in Riedlingen bevorstehe. Wirsollten besser gleich bis Zwiefaltendorf weiterfah-ren, die dortige Brücke bleibe noch offen.

Unsere Einheitsführer wollten aber versuchen, inRiedlingen die Donau zu überqueren. Ein soge-.nanntes Brückenspreng-Nachkommando erklärte,wir könnten passieren. Da das neue MarschzielMemmingen hieß, fuhren wir auf der früheren R 311bis zur Abzweigung der früheren R 312, etwa in200 m Entfernung vom Güterbahnhof. Dortmachten wir halt. Auf einem Abstellgleis stand einGüterzug, beladen mit Wehrmachtsverpflegung undMagazinware. Der Bürgermeister von Riedlingen,Herr Fischer, hatte angeordnet, diese Waren an dieBevölkerung zu verteilen. Da es für uns seit Tagenkeine geregelte Versorgung mehr gegeben hatte,gingen ein paar Soldaten mit Einverständnis des Bat-teriechefs zu jenem Magazinzug, um nach Lebens-mitteln umzuschauen. Ergebnis: Fehlanzeige, nurZigaretten!

Nach etwa 5 Minuten schickte sich das hinter unsstehende Geschütz an, Richtung Memmingen wei-terzufahren. Etwa gleichzeitig waren die 5,6-cm-Kanonen der aus Ertingen - Neufra herankommen-den Panzer zu hören. Etwa gleichzeitig war aus Rich-tung Donaubrücke eine starke Detonation zu hören;wir hielten sie für die Sprengung der Brücke. Es magjetzt etwa 7.45 Uhr gewesen sein. Bevor das andereGeschütz abfuhr, stieg noch eine Anzahl aufgesesse-ner Landser um. Auf dem Weg von Gammertingenbis Riedlingen waren wir mehrmals auf Landsergetroffen, die dann bei unserem Geschütz aufsaßen,

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egal wohin. So mögen ca. 30 bis 35 Mann mit einemSchleppzug mitgefahren sein. Mit einem zeitlichenAbstand von 5 bis 10Minuten fuhr das Geschütz mitdem Batteriechef ebenfalls in Riedlingen ab. Doches ging nicht Richtung Biberach. Ein Wehrmachts-posten hatte uns erklärt, daß in Hailtingen die Pan-zersperren bereits geschlossen seien. Offen sei nochdie Strecke Unlingen - Dieterskirch - Uttenweiler(als Hauptstraße gekennzeichnet). Das Geschützmit Unteroffizier Adam, das in Riedlingen zuerstabfuhr, erreichte Memmingen, ging südlich Mem-mingen in Stellung; der Flakgruppenkommandeur,ein Oberst, soll sich quasi als Batteriechef bei demGeschütz aufgehalten haben. Weitere Stationenseien gewesen: Kempten, Benediktbeuren, Wal-chensee, Gefangenschaft.

Das Geschütz mit dem Batteriechefkam nur nochbis Uttenweiler. Mit beim Geschütz waren zweiWachtmeister, ein Unteroffizier und eine AnzahlFlaksoldaten, darunter mehrere Obergefreite, undals jüngster - knapp 17 Jahre - und kleinster - ca.156cm groß - auch ich, fast noch knabenhaft im Aus-sehen. Zusammen mögen wir etwa 20 Mann gewe-sen sein, Angehörige unserer Batterie, dazu noch einpaar Landser, die irgendwo aufgesessen waren, umauch die sogenannte "Alpenfestung" erreichen zukönnen.

Die kriegerischen Vorgängeum Uttenweiler

Das Wetter schien uns hindeuten zu wollen aufwenig schöne Stunden: links der Donau über der Albbewölkt, aufgeheitert, teils Sonne, rechts der Donaudunstig, der Himmel mit Hochnebel bedeckt.

Während wir uns etwa kurz nach 8 Uhr Utten-weiler zu bewegten, auf der Hauptstraße entlang desWaldstücks Heidenhau, bellten rechts von uns Pan-zerkanonen. Wir befürchteten, daß wir von rechtsbeschossen würden, sobald wir vom Wald nichtmehr gedeckt waren.

Doch dem war nicht so. Rechts der Straße - gegenWesten - liegt eine Hügelkette, bewaldet, dahinterdie Orte Offingen und Dentingen. Die Panzer, derenKanonen wir vernahmen, müssen sich dort, jenseitsder bewaldeten Hügel, befunden haben.

Wir gelangen nach Uttenweiler. Lange Kolonnenzurückflutender Soldaten kommen aus RichtungUigendorf, so daß wir ab Einmündung der Uigendor-fer Straße in die Dieterskircher Straße nur noch imSchrittempo vorwärtskommen.Bei der Einmündung der Sauggarter Straße gibt es

sogar Stillstand: Gelegenheit für uns, die schöneDorfkirche mit den beiden Zwiebeltürmen zu sehen.Im Schrittempo geht es weiter, bis wir etwa 30 m vorder Panzersperre beim Rathaus sind, wo unsereFahrt endet. Es war etwa 8.20 Uhr. Kurz vor uns muß

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hier eine Streife der SS-Polizei eingetroffen sein. DasKrad mit Beiwagen stand rechts am Straßenrand.Einige Männer schickten sich an, die Panzersperrezu schließen. Die letzten, die noch passieren konn-ten, waren drei Gespanne: zwei 10,5er Haubitzenund ein Bagagewagen. Ein SS-Polizeioffizier standvor der Panzersperre, mitten auf der Straße. Erdrehte sich nun um und kam uns entgegen. Plötzlichstand bei dem SS-Offizier unser Abteilungskom-mandeur. Nachdem unser Batteriechef abgestiegenwar, sprachen die drei Offiziere kurz miteinander.Danach mußte die Zugmaschine drehen, es gingzurück bis etwa zum Haus Haible, wo die Begleit-mannschaft geteilt wurde.

Das Geschütz wurde vor der Kirche abgeprotzt.Beim Geschütz waren etwa 10Mann zur Bedienungmit Wachtmeister Siebert.

Die übrigen - diese Anordnung traf nach meinerErinnerung der Major (Abteilungskommandeur) -wurden zum Dorfausgang an der Uigendorfer Straßegeschickt.

Etwa um 8.40 Uhr trafen an Rehms Scheuer, demletzten Gebäude, Wachtmeister Hoffknecht undsechs Mann (darunter ich) ein. Hinter Rehms Wohn~haus befanden sich Unteroffizier Faulenbach undein oder zwei Mann mit einem MG 42. Unsere Aus-rüstung bestand je aus einer Panzerfaust, zwei Hand-granaten und einem russischen Karabiner.

Etwa zehn Minuten nach uns ging eine Gruppevon etwa 5Mann mit einem leichten Geschütz - vonuns als Pak angesehen, es war jedoch ein Oerlikon2 cm MG - ca. 300 m dorfeinwärts auf der Straßen-gabelung Uigendorfer Straße - Dieterskircher Straßein Stellung. Bis etwa um 9 Uhr waren an allen Dorf-ausgängen und bei den Gebäuden dazwischenGruppen von Soldaten, RAD-Leuten, Volks sturm-männern postiert.

Wir waren der Ansicht, daß die französischen Pan-zer die Uigendorfer Straße hereinkommen würden.Tatsächlich kamen etwa zwei Panzerfahrzeugegegen 9 Uhr in etwa 1 km Entfernung über dieKuppe. Doch sie drehten rechts ab und fuhren insWiesengelände, fast lautlos: es waren Panzerspäh-wagen, luftbereift.

Wir wunderten uns, als wir um ca. 9.15Uhr 200 mwestlich der Scheuer, bei der wir waren, etwa einDutzend Panzerfahrzeuge stehen sahen. Anschei-nend machten sie Lagebesprechung; die Lukenwaren offen, teilweise standen französische Soldatenin Gruppen beieinander.

Von uns unbemerkt war eine Kolonne von ca. 12französischen Kampfpanzern aus Richtung Riedlin-gen gekommen. Beim ersten Haus befand sich einePanzersperre, die offen war. Der erste Panzer pas-sierte die geöffnete Sperre und wurde kurz danachfahruntüchtig geschossen. Die übrigen französi-schen Panzer zogen sich etwas zurück und sammel-

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ten sich dann in einer leichten Senke, ca. 200m west-lich der Uigendorfer Straße vor dem Galgenberg.

Eigentlich war das Ganze eine friedliche Situation,bis etwa um 9JO Uhr plötzlich einige Gewehrsalvendie Stille zerrissen und MGs feuerten.

Die Panzerfahrzeuge fuhren nun den Hang desGalgenbergs hoch, etwa auf halbe Höhe; ein schwe-rer Panzer stellte sich auf den höchsten Punkt(599 m). Von dort aus begannen nun die Franzosen- sie hatten sich phalanxartig auseinandergezogen -das Dorf mit Streufeuer zu belegen, sowohl aus MGswie auch mit Panzerkanonen.

Um diese Zeit müssen einzelne deutsche Truppsbereits angefangen haben, sich abzusetzen; teils ver-ließen sie Uttenweiler durchs Mühlental RichtungSauggart, teils versuchten sie Richtung Dettenbergund Richtung Minderreuti aus dem Kampfgebiet zuentkommen. Die abziehenden Soldaten wurden teil-weise von jenem schweren Panzer beschossen, deroben auf dem Galgenberg stand. Etwa um 10 Uhrgriffen zwei oder drei Tiefflieger in das Geschehenein. Sie flogen insgesamt zwei Angriffe, doch weni-ger gegen die deutschen Soldaten, die im Dorf waren- diese hielten sich in Deckung -, als vielmehr gegendie abziehenden Truppen. Die Gruppen, die genDettenberg zogen, wurden mit Sprengbombenbedacht. Es ist zu vermuten, daß die Lage des 8,8-Geschützes von der Flugzeugbesatzung an ColonelDurosoy weitergemeldet wurde, worauf um etwa10.45 Uhr die Geschützstellung mit Schrapnell-geschossen unter Feuer genommen wurde. Dabeientstanden Beschädigungen an Kirche und Kirch-türmen.

Zu' denjenigen, die sich absetzten, darf auch derFahrer unserer Zugmaschine gezählt werden: er gaban, Benzin zu besorgen, brachte 4 Kanister Benzinund ward mit dem Zugwagen nicht mehr gesehen.Bald nach 10Uhr stand auch das SMG verlassen da.Während des Streufeuers der Panzer lagen wir anRehms Scheune: vier Mann am Mauerfundament,drei Mann im Straßengraben. So um 10.15Uhr riß esplötzlich dem Obergefreiten Schlag - er stammte ausdem Raum Fulda - den linken Arm ab, etwa in Höhedes Bizeps. Obergefreiter Schlag wurde sofort krei-debleich im Gesicht und ohnmächtig. Einige Kame-raden trugen den Verwundeten zum Geschütz.Inzwischen hatten sich die Panzer in Marsch gesetzt.Der schwere Panzer verblieb auf dem Galgenberg.Fünf oder sechs Panzer schwenkten nach Süden zurRiedlinger Straße und weiter zur BetzenweilerStraße. Diese Panzer erreichten um oder kurz nach12 Uhr die Dorfmitte beim Rathaus. Eine Gruppevon etwa sechs Panzern umfuhr das Dorfim Norden,um die deutschen Truppen an der UigendorferStraße, der Dieterskircher Straße und der SauggarterStraße auszuschalten.

Durch die fast einstündige Beschießung des

Dorfes vom Galgenberg aus waren viele Brände ent-standen. Auf dem Bauche liegend bemerkten wirnicht, daß die Scheuer, neben der wir lagen, ebenfallshellauf brannte.

Etwa um 10JO Uhr merkte ich, daß brennendesHeu, brennendes Stroh, brennende Bretter auf michfielen. Ja selbst meine Kleider brannten. Was tun?

Es blieb nur eins: zurück, Richtung Dorf. Dies warinsoweit auch günstig, als sich entlang der Straße, aufder Seite der Scheune, eine Tannen- bzw. Thuja-hecke befand, als Eingrenzung des Friedhofs. Allesmußte rasch gehen: zurück bis zur Hecke, Mantelrunter, Flammen und Glut tilgen. Danach ging ichgebückt bis zum Friedhofsanfang.

Das dem Friedhof nächstgelegene Bauernhausbrannte lichterloh. Niemand war zu sehen. Das Viehbrüllte. Es konnte gerettet werden, wenn es von denKetten gelassen wurde. Dies war mir eine Selbstver-ständlichkeit: ich rannte zum Stall, um das Viehabzulassen. Dies war gar nicht einfach. Das Feuerkam schon zu den Futterläden herein. Das Viehschreckte zurück, die Knebel waren verspannt. Beimehreren Rindern mußte ich mit dem Gewehrkol-ben die Ringe am Futtertrog abschlagen, damit dieTiere frei kamen.

Danach entfernte ich mich vom brennendenBauernhaus. Es war jetzt etwa 10.45 Uhr. Da beob-achtete ich, daß unsere RAD-Leute die Hände hoch-streckten; ca. 50 französische Infanteristen sprangenim Laufschritt - in Kette auseinandergezogen - vomGalgenberghang über die Riedlinger Straße.

Um diese Zeit kam im Laufschritt WachtmeisterHoffknecht vorbeigerannt. Er rief: "Sie kommen!"-er meinte die Panzer - und: "Habe zwei abgeschos-sen!" - er meinte Panzerfäuste, die häufig nicht tra-fen, weil sie elliptische Bahnen flogen. Fastgleichzei-tig kam Unteroffizier Faulenbach vorbeigelaufen.

Um diese Zeit beschossen die Franzosen mitSprenggranaten Kirchtürme und Kirche. Direktdavor war das 8,8-Geschütz. Als Wachtmeister Hoff-knecht und Unteroffizier Faulenbach dem Batterie-chef meldeten, daß der Ortsrand nicht verteidigt wer-den könne, gab der Batteriechef den Befehl, dasGeschütz zu sprengen; weiterhin befahl er, sich inRichtung Memmingen abzusetzen. Dies war gegen11Uhr. Der schwerverwundete Obergefreite Schlagwurde beim Haible in den Kübelwagen des Majorsgesetzt. Der Major wollte ihn nach Memmingen insKrankenhaus bringen. Obergefreiter Otto Schlag istleider dann in Biberach seiner Verwundung erle-gen. Er ist auf dem dortigen Katholischen Friedhof(Grab 1976) beigesetzt worden.

Von der Sprengung des Geschützes, das in Utten-weiler keinen einzigen Schuß abgegeben hatte, undvom Abzug meiner Kameraden hatte ich keineAhnung. Nachdem ich das Vieh - später erfuhr ich,daß es das Anwesen Reiter, Dieterskircher Straße 9,

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war - freigelassen hatte, rief mich eine Frau imgegenüberliegenden Haus zur Hilfe. An jenemGebäude - Dieterskircher Straße 12 - befand sichneben dem Haus eine Reisigbüschelbeige, die durchFunkenflug in Brand geraten war. Das Haus konntegerettet werden, wenn die brennenden Reisigbü-schel gelöscht wurden. Rasch warf ich die Reisig-beige um und vom Haus weg und schlug mit einemkräftigen Ast die Flammen aus.

Inzwischen blickte ich wieder nach Westen; dortsah ich, in der Nähe der RAD-Leute, WachtmeisterHoffknecht ohne Waffen im Wiesengelände gehen,aufrecht, hin zu den gefangenen RAD-Männern.Jetzt versuchte ich meine Kameraden zu finden. Ichging zur Dorfmitte. Dort fand ich vor dem Haiblejene beiden Männer, die etwa um 1O.l5 Uhr denschwerverwundeten Obergefreiten Schlag hierher-gebracht hatten.

Es warjetzt etwa 11.30Uhr. Wir standen dort kurzeZeit, als etwa um 1l.40Uhr Unteroffizier Faulenbachim Laufschritt ankam und rief: "Sofort zurückzie-hen!"

Während wir noch beim Haus Haible standen, sahich, daß schräg gegenüber ein ganzes Viertel teil-weise schon bis auf die Grundmauern herunter inFlammen stand: Der Farrenstall und einige Nach-barhäuser brannten.

Wir zogen uns nun zurück; wir gingen entlang desReutibachs, bis wir die Sauggarter Straße erreichthatten; dort gingen wir nach rechts die Straße hochund durch eine Wiesensenke in die östlich vom Dorfgelegenen Wälder des Hipfelbergs. Nach Austrittaus dem Wald kamen wir am HofDettenberg vorbei.Eine Bauersfrau brachte mir ein Glas Milch, hatte ichdoch einen ungeheuren Durst. Auch fühlte ich michmatt. Als die Frau auf mich zukam, sagte sie über-rascht: "Die Hosen sind ja voll Blut!" Tatsächlich,mein linkes Hosenbein war von Blut getränkt,ebenso Strümpfe und Schuhe. Jetzt erst bemerkteich, daß ich verwundet war: Splitterverwundung amlinken Bein, Außenknie. Das Kniegelenk aber warnicht verletzt. Jetzt war mir klar, weshalb ich beimRückzug etwa 5 m nachhing.Wir Landser hatten in diesen Tagen etwa folgende

Vorstellungen:- jeder versuchte, einer Kriegsgefangenschaft zuentgehen;

- keiner war an Gefechtsberührungen interessiert,besonders nicht an solchen, die das Lebensrisikobeinhalteten;

- solange noch Truppenverbände vorhanden waren,handelte jeder Soldat, wie seine Truppenführunganordnete und befahl, denn der Soldat vertrauteseinen Vorgesetzten, auch oder gerade in diesenApriltagen, keiner wollte verlorengehen.Die Vorgänge in Uttenweiler forderten Opfer:

7 deutsche Soldaten, 2 Zivilisten, mindestens 3 fran-

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zösische Soldaten. Mehrere deutsche und franzö-sische Verwundete wurden nach Sigmaringen bzw.Riedlingen in Krankenhäuser verbracht. 20 Ge-bäude waren total vernichtet. Alle übrigen Gebäude- auch Kirche und Kirchhofkapelle - waren beschä-digt.

Versprengte Gruppen streben. zur HIerBeim Hofgut Dettenberg erklärte unser Batterie-

chef, daß wir zu Fuß Memmingen erreichen wollen.Durch Wiesengelände geht es zum nächsten Wald,dem Ettenwald. Dort legt mir Unteroffizier Faulen-bach einen Verband an. Beim Austritt aus dem Waldgelangen wir beim Weiler Schamrnach auf die frü-here R 312. Auf dieser gehen wir gen Biberach. Wiewir am Internierungslager vorbeikommen, fällt unsauf, daß weder Bewacher noch Bewachte zu sehensind. So gelangen wir zu den "Fünf Linden". Dasehen wir zwei Soldaten von Biberach die Kuppeheraufrennen. Sie rufen uns entgegen: "Zurück!Zurück! Die Franzosen marschieren unten durchBiberach!"Während wir so stehen - es mag 16.45Uhrsein -, ruft plötzlich einer: "Dort auf dem Hügel ste-hen deutsche Panzer!" In der Tat, auf dem .Lindele"stehen drei Panzer, die Geschützrohre zeigen aufuns. Schon beginnen einige - wir sind jetzt eineGruppe von ca. 30 Mann - querfeldein den Panzernentgegenzugehen. Doch plötzlich feuert einer derPanzer, und etwa 40m über uns krepiert eine Schrap-nellgranate. Alles rennt zurück in den Wald auf dergegenüberliegenden Seite (Asangwald). Im Burren-wald treffen wir eine bespannte Batterie kurzer Hau-bitzen samt Bagagewagen. Diese Einheit überquertedann vor Sonnenaufgang des 24. April 1945 das Riß-ta1bei Röhrwangen. Sie soll, sich nach Osten zurück-ziehend, bis Linz a. d. Donau gelangt sein.

Eine Gruppe von etwa 6bis 7Mann, darunter auchich, versuchte gegen Mitternacht, Biberach im Nor-den zu umgehen. Alle waren wir ortsunkundig. Nachetwa einer Stunde gelangten wir an ein Schloß, steilüber einem Tal: Warthausen. Im Mondlicht sahenwir unten bei der Rißbrücke Panzer stehen. Alsomußten wir weiter nach Norden. Wir schlichen unsums Schloß herum. Etwa 800 m weiter nördlich ver-suchten wir am bewaldeten Talhang abzusteigen. Esgelang ohne Beinbruch, welch ein Glück. Auf demWeg gesellten sich noch drei Landser zu uns. Wirgingen, unten angekommen, sofort in die Talwiesen,hoffend, den Bach zu überspringen.

Wir hatten uns verschätzt. Um diese Jahreszeitwerden die Wiesen im Rißtal gewässert, d. h. die Rißwird gestaut, das Tal steht unter Wasser. So stapftenwir, oft knöcheltief, durchs Wasser. Nach etwa 10Minuten waren wir am Fluß. Aber wie hinüber? Wirgingen abwärts, bis wir an einem Wehr hinüberklet-tern konnten. Dann ging's weiter im Wasser. Wieder

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kamen wir an einen Fluß: den echten; der erste warnur ein Kanal. Nun mußte ein Flußübergang gefun-den werden. Dies gelang: Auf der Brücke bei denRißhöfen überquerten wir die angestaute Riß. Alswir nach einer weiteren halben Stunde ein Dorferreicht hatten, gingen wir auf ein Bauernhaus zu.Einer klopfte kräftig an die Haustüre. Nach einigerZeit kam - sehr vorsichtig - der Bauer. Es war BauerKästle im Dorf Oberhöfen. Er ließ uns ein. SeineFrau machte für uns Milch warm, wir bekamen wie-der etwas zum Essen. Ich, als einziger, durfte imGästezimmer im Bett schlafen. Meine Kameradenschliefen im Wohnzimmer, teils auf Bänken, teils aufdem Fußboden.

Kriegsgefangenschaft -Vorstufe zur Heimkehr

Am Morgen des 24. April 1945sorgte Bauer Kästledafür, daß meine Kameraden - ca. 8 Mann - sicherweiterkamen. In der Scheune füllte er das Leiterge-schirr eines Leiterwagens mit Stroh. Die Soldatenlegten sich ins Stroh. Oben drauf schichtete HerrKästle nochmals eine Lage Stroh. Dann spannte erKühe an und fuhr zum Wald Boschach, östlich desDorfes. Dort stiegen die Soldaten vom Leiterwagen.Herr Kästle zeigte ihnen den Weg Richtung Guten-zell - Kellmünz. Diese Gruppe gelangte in denRaum Pfronten i. A., wo sie nach etwa vier Wochenvon einer US-Einheit einen Passierschein in dieHeimat (meistens- Westfalen) erhielten.

Auch um mich sorgte sich Herr Kästle. Im Laufedes Vormittags bat er einen im Nachbardorf seit 1940beschäftigten kriegsgefangenen Belgier, nach Wart-hausen zum Ortskommandanten zu gehen. Dortsolle er um die Entsendung von Sanitätern bitten.Denn während der Nacht sei ein verwundeter deut-scher Soldat in sein Haus gekommen.

Im Laufe des Nachmittags kam ein französischerSankawagen mit Arzt, Sanitäter und einigen Solda-ten. Ich erhielt einen neuen Verband ums Knie undwurde dann ins Lazarett Jordanbad bei Biberach ver- ,bracht. Im Jordanbad verblieb ich vier Wochen. Alsnach einer Woche die Wunde verheilt war, half ichfreiwillig im Jordanbad bei Versorgungsarbeiten. Esherrschte Personalmangel, weil die dort bisherbeschäftigten Fremdarbeiter und Gefangenengegangen waren. Im Jordanbad half ich, bei Trans-porten mit Handwagen - Autos und Pferde wurdenvon der zurückflutenden Wehrmacht beschlag-nahmt - nach Biberach oder Ummendorf zu fahren.

Am 25. Mai 1945, abends ca. 22 bis 23 Uhr, kamenfranzösische Soldaten mit MPs unterm Arm und einArzt zu mir ins Zimmer: Aufstehen, fertigmachen,im Hof sammeln! Mit ca. 20 Kameraden ging's aufeinem Lkw nach Biberach, dort ins Gefangenenlager

Gaisental, dem früheren RAD-Lager, wo wir in dieTurnhalle - Strohschütte - zum Schlafen eingewie-sen wurden.

Am anderen Morgen kam Befehl: Antreten zumAppell. Natürlich war der französische Lagerkom-mandant auf die Zugänge der Nachtgespannt. Als ermich sah, stockte sein Schritt: "Mon Dieu!" rief eraus, als er mich jungenhaften Soldaten erblickte.

Dieser Lagerkommandant hatte für mich regel-recht väterliche Gefühle. Bald danach wurde ich zurVerwaltungsbaracke geholt. Der Kommandantfragte mich nach Alter und Heimat, dann sagte er,daß ich nicht nach Straßburg weitertransportiertwürde, sondern er wolle mich hierbehalten, viel-leicht sogar freilassen.

Bald nach dem Appell kam es bei unserem Schlaf-platz in der Turnhalle zu einem kleinen Zwischen-fall. Zu unserer in der Nacht eingelieferten Gruppegehörten ein Leutnant und zwei Mann im Unteroffi-ziers- oder Feldwebelrang. Plötzlich stürzten sicheinige uns unbekannte Soldaten auf diese, warfen diedrei zu Boden und rissen ihnen die Rangabzeichenvon den Uniformen.

Während meiner Gefangenschaft in Biberachwurde ich einer Gruppe zugeteilt, die für die örtli-chen französischen Einheiten arbeiten mußte: Kar-toffeln waschen und schälen, Geschirr spülen,Räume säubern, Hof kehren, Lastwagen be- undentladen usw., bei Verköstigung an Ort und Stelle.Viele Franzosen gaben sich mir gegenüber so, als obich zur französischen Armee gehörte. Nach etwazwei Tagen wurde unsere Gruppe vom Gaisentalnach Birkendorf verlegt.

Um den 1. Juni herum schickte der Lagerkom-mandant mich mit zwei anderen ebenso jungenGefangenen hinaus auf Bauernhöfe in der Umge-bung. Dort sollten wir bei der Heuernte helfen.Papiere gab er uns nicht mit. Nach der Heuernte wur-den wir nicht zurückgeholt, d. h., der Lagerkomman--dant hatte uns freigelassen.

Öfters überlegten wir, wie wir heimkommenkönnten. Am 14. Juli 1945marschierten wir los, dasRiß tal zu Fuß abwärts. Wie wir bei Dellmensingendie Donau erreichten, rieten uns Leute, rechts derDonau nach Neu-Ulm - Ludwigsfeld zu gehen. Dortbefinde sich ein US-Entlassungslager. Dort solltenwir uns stellen. Das taten wir und suchten um Entlas-sung nach.

Bei der Aufnahme im Neu-Ulmer Lager am Mor-gen des 15. Juli gelangten wir in eine ca. 50 Mannstarke deutsche Sani-Gruppe. Diese Männer hattenseit Anfang Mai freiwillig in Dachau Überlebendedes KZ gepflegt. Bereits am 17. Juli 1945 gab's amNachmittag Entlassungspapiere.

Sofort begann der Heimweg, natürlich zu Fuß.Entlassene, die große Entfernungen in die Heimat zuüberwinden hatten, wurden per Lkw bis zu einem

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Page 6: Das Kriegsende 1945 - gfh-biberach.de¤tter-für-den-Kreis... · Beim Geschütz waren etwa 10Mann zur Bedienung mit Wachtmeister Siebert. Die übrigen - diese Anordnung trafnach meiner

Zentralort, z. B. Frankfurt, Würzburg, Kassel, gefah-ren. Nach zwei Tagen, wobei ich immer wieder beieinem Fahrzeug aufsitzen konnte - und wenn es nurfünf Kilometer waren -, war ich im Heimatort.

Am 19.Juli 1945zwischen 17und 18Uhr sprang ichvon der Pritsche eines Lkw herunter. Dieser hieltan der Stoppstelle des US-Postens am Ortseingang,an der früheren R 29, an. Um den Weg zum Eltern-haus zurückzulegen, benötigte man etwa fünf Minu-ten. Doch heute war ich nach 30 Minuten noch nicht

daheim. Dorfbewohner, die mir begegneten, micherkannten und mich begrüßten, brachen häufig inTränen aus. Manche Mütter von etwa Gleichaltrigenwaren derart von Freude übermannt, daß sie michspontan umarmten und vor Freude weinten.

Am 20. Juli 1945 meldete ich mich auf dem Bür-germeisteramt, holte dann eine Sense und ging mitmeinem Vater hinaus, ein Kleefeld mähen. Eineungewöhnlich ereignisreiche Zeit in meinemjungenLeben war beendet.

Die noch unzerstörte Ulmer-Tor-Straße in Biberach zeigt dieses seltene Foto - selten deshalb, weil es nicht wieüblich den Blick auf das Ulmer Tor, sondern auf das westliche Ende der Straße, die Einmündung derBürgerturm-straße, zeigt. Auch die Häuser der nördlichen Straßenseite sind gut zu erkennen. Foto: Stadt Biberach

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