Das lebendige Wort - Band 04 - Amos, Hosea

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AMOS HOSEA

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A M O S

H O S E A

D A S LEBENDIG E W O R T J

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Jakob Kroeker

Arnos und Hosea

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Jakob Kroeker/Hans Brandenburg

Das lebendige WortEine Einführung in die göttlichen Gedankengänge und

Lebensprinzipien des Alten Testaments

Insgesamt 3992 Seiten. Kartoniert

Band 1 Schöpfung - Noah (1 . Mose 1-11)

Band 2 A b ra h am -I sa ak -J ak o b (1. Mose 12-50)Band 3 Israel (2.-5. Mose / Josua / Richter / Samuel / Könige)

Band 4 Arnos und Hosea

Band 5 Jesaja I (Jesaja 1-39)

Band 6 Jesaja II (Jesaja 40-66)

Band 7 JeremiaBand 8 Hesekiel

Band 9 Daniel

Band 10 Die kleinen Propheten I(Joel / Obadja / Jona / Micha / Nahum / Habakuk / Zephanja)

Band 11 Die kleinen Propheten II(Haggai / Sacharja / Maleachi mit Esra und Nehemia)

Band 12 Das Buch H iob

Band 13 Die Psalmen I (Psalm 1-72)

Band 14 Die Psalmen II (Psalm 73-150)

Band 15 Sprüche, Prediger und Hohelied

Jeder Band ist in sich abgeschlossen und kann auch einzeln bezogen

werden.

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Jakob Kroeker

Amos und HoseaKünder der Gerechtigkeit und Liebe

BRUN NE N VERLAG • GIESSEN/BASEL

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Das lebendige Wort, Band 4

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Kroeker, Jakob:Arnos - Hosea : Künder der Gerechtigkeit und Liebe /

Jakob Kroeker. - 5. Aufl. -Giessen ; Basel : Brunnen-Verl. ;

Bad Liebenzeil : VLM, 1989

(Das lebendige W ort ; Bd. 4)ISBN 3-7655-5404-9 (Brunnen-Verl.) kart.

ISBN 3-88002-204-6 (VLM) kart.ISBN 3-7655-5400-6 (Gesamtw.)

5. Auflage 1989

© 1961 Brunnen Verlag GießenHerstellung: St.-Johannis-Druckerei, Lahr

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INHALTSVERZEICHNISAus dem Vorwort zur 1. Auflage ' 7Vorwort zur 2. Auflage 8

I . D e r G o t t e s p r o p h e t i m W e l t g e s c h e h e n s e i n e r Z e i t 9

1. D e r P r o p h e t u n d se ine e inzigar t ige Persönl ichkei t 92. D e r P r o p h e t u n d se in unerschüt te r l i ches Sendungsbewußtse in . . . 1 63 . D e r P r o p h e t u n d se ine innere Ge is tesvo l lmacht 3 04. D e r P r o p h e t u n d se in unbes techl iches Urte i l 3 85 . D e r P r o p h e t u n d se ine schweren Diens tkonf l ik te 4 86. D e r P r o p h e t u n d se ine zuvers ich t l i chen Glaubense rwar tungen . . . 5 9

II. Arnos, der Künder göttlicher Gerechtigkeit 671. Nord-Israel und die weltgeschichtliche Stunde 672. Arnos, der Kleinv iehhirte, als Prophet 723. Die Völkerwelt im Urteil der göttlichen Offenbarung 784. Die Volksschuld und deren geschichtliche Konsequenzen 91

a) Die Volksschuld und die Verantwortlichkeit des Volkes vor Gott . 91b) Die Volksschuld und die Stimme der Propheten 92c) Die Volksschuld und Gottes Gerichtszeugen 94d) Die Volksschuld und das Gericht der Einzelsünden 97e) Die Volksschuld und die vergebliche Heimsuchung 99

5. Die Jungfrau Israel und des Propheten Totenklage 100a) Der letzte Ruf zum Leben 101b) Das verachtete Recht 103c) Der täuschende Tag des Herrn 104d) Der verworfene Kultus 105e) Das Gericht der Sorglosen 107f) Das törichte Vertrauen 109

6. Die Gerichtsvisionen und Nord=Israels Schicksalssttmde 109

a) Die erste Vision: die Heuschreckenplage 110b) Die zweite Vision: das Feuergericht 111c) Die dritte Vision: die Gotteshand mit dem Bleilot 113d) Die v ierte Vision: die Reife zum Gericht 117e) Die fünfte Vision: die Zerschlagung des Altars 119

7. Weltgerichte und die Reichsgotteserwartungen für die Zukunft . . . 121

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n i . Hosea, der Bote der vergebenden Liebe 126

1. Hosea und seine prophetische Sendung 126

2. Das Geheimnis der Prophetenehe 134

a) Die Prophetenehe Hoseas 134

b) Der opferschwere Auftrag Jahves 135c) Die symbolischen Kindernamen 138d) Der neue Gnadenbund 142

3 . Das Gericht arri Hause Gottes 144

a) Die versagende Priesterschaft 145b) Der buhlerische Kultusdienst 147c) Die Verantwortung des Königshauses 148d) Das Urteil über den syrisdi-ephraimitischen Krieg 150

e) Die prophetische Hoffnung 1514. Die moralische Zersetzung des Zehnstämmereichs 153

a) Die Fäulnis im Innern 153b) Die blutigen Thronwirren 154c) Die vergeblichen Auslandshoffnungen 155d) Der große Abfall 157

5. Das unvermeidliche Gericht 159a) Die Ankündigung des Exils 160

b) Die Auswirkungen des Gerichts 162c) Des Unheils tiefste Gründe 165

6. Israels Vergangenheit im prophetischen Lichte 168

a) Die verleugnete Jugendliebe 168b) Die zukünftige Besinnung 169

c) Sünde und Gnade in Israels Geschichte 171d) Der furchtbare Untergang 172

7. Der zukünftige Gnadenbund der Liebe 173

a) Die große Sinnesänderung Israels 175b) Die Macht göttlicher Vergebung 178c) Persönliche Bemerkungen des Sammlers 181

Literaturnachweis 182

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Aus dem Vorwort zur 1. Auflage

Mit diesem Bande erscheint der erste über die vorexilischen Propheten. Inihm sind die zwei kanonischen Schriftpropheten Arnos und Hosea in ihremWerden und Wollen, in ihrem Ringen und Sehnen insoweit gezeichnet worden,als es mir auf so beschränktem Raum möglich war. So mancher Hinweis auf denErnst der Gegenwart und auf die Verantwortung der Kirche Christi hätte vielklarer und eindrucksvoller gerade aus dem Dienst dieser Männer herausgearbeitetwerden können. Ich sah mich jedoch genötigt, midi nur auf eine möglichst klareHervorhebung des Grundsätzlichen zu besdiränken, ohne es auf Grund desTextes eingehender begründen zu können.

Den beiden Propheten geht jedoch ein Versuch voran, in sechs Abschnittenzu schildern, was allen Propheten in ihrer Stellung und Mission mehr oder we*niger gemeinsam war. Wenn die charaktervollen Züge ihres Wesens und Dienstesauch erst in den Einzeldarstellungen zur volleren Geltung kommen können, sostehen sie dort jedoch in der Gefahr, unter der Fülle des Stoffes nicht in ihrerganzen Stärke und Schärfe gesehen zu werden. Ich gebe mich daher der Hoffnunghin, daß durch die Hervorhebung der gemeinsamen Züge übersichtlicher undklarer erkennbar sein wird, um welch gewaltige Persönlichkeiten es sich bei diesenvon Gott berufenen Zeugen für jene und auch unsere vielfach so entscheidungs*vollen Zeiten handelt.

Denn je mehr es einem zur innerlichen Gewißheit wird, daß der jeweiligeDurchbruch der gö ttlichen Offenbarung in und durch die Propheten nur eineerstmalige oder auch wiederholte Enthüllung von dem w ar, was G ott in seinem

Wesen und in seinen unerschütterlichen Heilsabsichten ist, desto mehr wirdeinem das prophetische Wort trotz seiner zeitlichen, lokalen und individuellenGebundenheit zu einem Wort von Gott auch für die Gegenwart. Das Erstmaligeder Offenbarung durch die Propheten soll uns enthüllen, wer Gott in seinemtiefsten Wesen ewig war und ist, und wie er sich zum Heil der Welt dauerndoffenbaren will.

Wem das erschlossen werden konnte, dem leben die Prop heten mit ihremZeugnis, obgleich sie längst begraben sind. Mit ihrem Wort von Gott gehören

sie der Menschheit und nicht nur dem Volk an, in dessen Hütten sie geborensind; und sie leben nicht nur ihrem Zeitalter, das längst der Geschichte ange»hört, sondern auch unserer verworrenen und ringenden Gegenwart. Wer wirklichbewußt unsere große, so gerichtsschwangere Zeit mit durchlebt und innerlichleidend nach einer höheren Lösung so mancher Fragen ringt, der wird daher denVersuch gerechtfertigt finden, die Propheten mit ihrer vielfach so gewaltigenSchau auch zu unserem Zeitalter und zu unserm Geschlecht reden zu lassen.

Ungemein wertvoll war es mir, daß ich vor der Bearbeitung der Propheten

eine achtmonatige Studienreise nach Ägypten, Palästina und Syrien machendurfte. Man wird es verständlich finden, wenn in mir längst das Bedürfnis lebte.

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einmal die Heimat jener Zeugen zu sehen, die nicht nur ihrem Volk, sondern derWelt so Gewaltiges und Unvergängliches gegeben haben. Wenn ich mich auchin den weiteren Bearbeitungen der Propheten nicht in Schilderungen jener Ortewerde verlieren können, wo sie einst lebten und dienten, so hoffe ich doch,

manches aus den starken Eindrücken heraus sagen zu können, die ich währendder Reise gewonnen habe.

Auch im Blick auf den vorliegenden Band erlaube ich mir, darauf aufmerksamzu machen, daß er zwar mehr in Ruhe geschrieben werden, aber doch nurneben einem sehr reichen Dienst entstehen konnte. Gerade die wissenschaft-lichen Fachkreise bitte ich dies bei der Beurteilung des Werkes zu berücksichtigen.Kann ich doch meine Arbeiten, wie ich sie in dem Sammelwerk „Das lebendigeWort" zu bieten versuche,' überhaupt nur aufbauen auf Grund jener vielen und

schweren Spezialforschungen, die andere vor mir geleistet haben.Die Hoffnung des Verfassers geleitet auch diesen Band auf den Weg, daß

der Herr durch ihn etwas von seiner Herrlichkeit und seinem Licht denen wirdleuchten lassen, die sich im Ringen der Gegenwart nach einer höheren Orien«tierung sehnen.

Jerusalem, Propstei, am Auferstehungssonntag 1932Der Verfasser

Vorwort zur 2. Auflage

Dieser Band des Bibelwerkes von Jakob Kroeker erhält für den Leser dadurch

einen besonderen Vorzug, daß in seinem ersten Teil eine Einführung in das

israelitische Prophetentum gegeben wird.

Die Freunde der Auslegungsarbeit des heimgegangenen Verfassers wissen,daß er für die prophetische Aufgabe der Kirche ein besonderes Verständnis mit«brachte. Er verstand die Prophétie nicht in erster Linie in der Ankündigungendzeitlicher Ereignisse oder in deren Beschreibung. Der Prophet war für Kroekervielmehr der Dolmetsch des göttlichen Willens für die jeweilige Gegenwart. Daßer damit der biblischen Stellung der Propheten eher gerecht wurde, wird derBibelleser zugeben. Der Verfasser glaubte, daß die Gemeinde Jesu als ganze zuunserer Zeit dieses prophetische Amt übertragen bekommen habe. Er hat ihr denVorwurf nicht ersparen können, daß sie sich dieses Auftrags zu wenig bewußtgeworden sei. Was Kroeker mit diesem prophetischen Auftrag an die Gemeinde

Jesu meint, wird in der Auslegung deutlich.

Bei aller Bereitschaft, von andern Auslegern zu lernen, hat der Verfasser dochseine originale Schau kraftvoll zum Ausdruck gebracht. Wir freuen uns darum,daß auch diese längst vergriffene Arbeit der bibellesenden Gemeinde, dem Theo»logen wie dem Nichttheologen, neu zugänglich gemacht wird.

Der Herausgeber hatte nur die Aufgabe, längere Zitate aus anderen Kommen-

taren oder Wiederholungen zu streichen und hier und da den Stil ein wenig

zu glätten.

Möge dieser Band die Freude am Lesen der Propheten des Alten Testaments

neu wecken und stärken! Lie. Hans Brandenburg

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I. Der G ottesproph et im W eltgesch ehen seiner Zeit

1. Der Proph et und seine einzigartige Persönlich keit

„Und er sprach zu mir: Menschensohn! Stelle dich auf deine Füße,und ich will mit dir reden...Und du sollst meine Worte zu ihnen sagen, mögen sie daraufhören oder es bleiben lassen . . . " Hes. 2,1. 7

Abhängigkeit von Gott, Unabhängigkeit vom Weltgeschehen —das war das Geheimnis der wahren Gottespropheten. Um sie in ihrerunbedingten Verantwortung Gott gegenüber und in ihrem unbe=stechlichen Dienst im Weltgeschehen ihrer Zeit zu verstehen, seihier zunächst ganz allgemein auf ihre einzigartige Persönlichkeitund auf ihr prophetisches Werden, Wollen und Wirken hingewiesen.

Um die Propheten zu schildern, müßte man Prophet sein. Nie=mand fühlt aber den eigenen Abstand von der inneren Größe der

Gottesknechte so stark wie der, der sich eingehender mit ihremSendungsbewußtsein und ihrer Geistesvollmacht, mit ihren Dienst=konflikten und Glaubensnöten, mit ihrer Urteilsschärfe und ihrenZukunftserwartungen beschäftigte. In der Geistesgeschichte derMenschheit wirkte sich noch immer jenes Gesetz aus, nach dem nurinnerlich verwandte Seelen sich in ihrem tiefsten Sein berühren und

in ihrem Wirken und Sehnen verstehen. Geistesgemeinschaft setztestets innere Geistesverwandtschaft voraus. Niemand hat daher diePropheten in ihrer Sendung und Mission, in ihren Konflikten undErwartungen so gut verstanden wie Jesus, der mehr war als Prophet.

Wie wenig aber nach Jesus die auf sein Heil sich berufende Kirchediese Träger und Dolmetscher der alttestamentlichen Gottesoffen=

barung verstanden hat, beweisen so manche Interpretierung derprophetischen Botschaft und so manche Darstellung der eigenartigenPersönlichkeit dieser von Gott Berufenen. Je größer unser innererAbstand von den Propheten war, desto falscher war das Bild, daswir von ihnen zeichneten. Im Bewußtsein der eigenen Überlegenheitzog man sie vielfach in die Sphäre der religiösen Scharlatanerie oder

aber in das Gebiet der politischen Demagogie hinein. Welche An=strengungen sind gemacht worden, das Prophetsein und die mannig=

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Weissagen, so daß sie keinen härenen Mantel mehr anziehenden, um sich, nicht zu verraten1.1'

Die wahren Propheten waren als Beauftragte Gottes alles andere

als berufsmäßige Wahrsager, so stark sie sich auch mit der Gegen-wart und Zukunft beschäftigten. Zur Wahrsagerei war zu allenZeiten auch jede religiöse Scharlatanerie fähig. Denn auch in jenenFällen, wo Inhalt der Prophétie zukünftige Dinge waren, war sieGeistesschau der Zukunft auf Grund göttlicher Erleuchtung. Nie istz. B. je dem Wesen des Machtgedankens, der Staatsgewalt und derWeltentwicklung so auf ihren eigentlichen Grund gesehen worden,wie w ir es in den Offenbarungsgesichten des Proph eten Dan iel fin=den. Eins der schärfsten Urteile über das Wesen der Staaten habenwir in Nietzsches „Zarathustra". Aber welch ein Unterschied zwi=sehen Nietzsches philosophischem Wort und Daniels prophetischerSchau! Wahrlich, in Daniels Traumgesichten spricht mehr als dasreflektierende Urteil eines großen Staatsmannes oder die spekulative

Philosophie eines großen Geschichtskenners! Es spricht der Prophetauf Grund göttlicher Erleuchtung.

Auch lag den Propheten jeder parteipolitische Kampf fern, sostark sie je un d je auch das ganze V olksleben, die herrschende Staats*moral und die jeweiligen Träger der Regierung in das Gottesurteilhineinzogen, das sie zu künden hatten. Nicht vom Staate aus urteil=

ten sie über das Wohl und Wehe ihres Volkes, sondern von demLichte aus, in das sie sich durch Gott hineingezogen sahen. Vonhöfischen Günstlingen, von völkischen Fanatikern und von berausch*»ten Nationalisten mußten sie daher einfach als politische Demagogenoder sogar als gemeine Vaterlandsverräter angesehen werden.

Sie trugen aber freiwillig diese Schmach, um ihrem Volke von

Fall zu Fall den W eg zu m Leben zu zeigen. Die Zukun ft ihres Volkesstand ihnen höher als die augenblickliche Abhängigkeit oder Unab=hängigkeit ihres Staates von einer auftauchenden Großmacht. Dieletzte und höchste Aufgabe ihres Volkes innerhalb der Völkerweltsahen sie nicht in seiner machtpolitischen Stellung, sondern in seinerprophetischen Mission. Nicht Ägyptens Rosse, sondern Sinais Gesetz

sollten die Stärke und der Ruhm seines Lebens sein. Das Existenz»1 Sach. 13,4 f.

I l

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recht Israels innerhalb der Völkerwelt, ein selbständiges Volk zusein, lag mithin in jener göttlichen Berufung, Träger einer gegen=wältigen Gottesherrschaft und Künder einer lebendigen Offenbarung

zu sein. Alle anderen Fragen des politischen und wirtschaftlichenLebens hatten sich dieser göttlichen Erwählung und Zielsetzungunterzuordnen.

Daher mußte so manches Sprechen der wahren Propheten Gottesim Namen Jahves den in erster Linie national gerichteten Führernals politische Demagogie erscheinen. Ja, wir haben bereits in Israeldie große Tragik innerhalb eines berufenen Gottesvolkes, daßProphet gegen Prophet, angeblich empfangenes Gotteswort gegenGotteswort stehen können, wo es sich in den kritischen Augen=blicken der Geschichte des Volkes um entscheidende politische Fragenhandelte.

Der Dienst der Propheten erschöpfte sich auch nicht in der Pflegevon Heiligtümern und im Ausbau von Kulthandlungen und im

Unterrichten im Gesetz. Dies waren levitisch=priesterliche Aufgaben.Die Propheten standen mit ihrer Mission mitten im Weltgeschehenund im Ringen ihres Volkes. Schicksalsverbunden mit ihrem Volkeund durch dieses wiederum mit den Nachbarvölkern, hatten sie dieAufgabe, alles mit in das Urteil hineinzuziehen, das ihnen in derWirklichkeit Gottes geworden war.

Weit wichtiger, als was Israel und die Völker über Gott dachten,war ihnen, wie Gott über die Völker und Israel urteilte. Sie sahenihre prophetische Aufgabe nicht darir, etwa von ihrem Volke unddem allgemeinen, oft so rätselvollen Weltgeschehen aus Gott zuverstehen, sondern von Gott aus suchten sie die Welt und ihr Volkzu verstehen. Daher gab es für sie keine Autoritäten, weder staat=

liehe noch religiöse, vor denen ihr Urteil haltmachte. Es ereignetesich auch nichts in ihrer Zeit, das sie nicht von göttlicher Warte auszu beleuchten wagten. Der Prophet war mithin ein Mann des öffent=liehen Lebens, nicht des religiösen Kultus.

Daher finden wir ihn mit seinem Wort auch in jedem der großenWendepunkte der Geschichte Israels. Nicht durch Israels Könige und

Priester ist die Geschichte des Volkes durch alle Katastrophen derZeit hindurch gerettet worden. Dies ist geschehen durch Israels Pro»

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pheten. Sie waren dem Geiste der Welt und deren Gerichten nichtverwandt, daher behielten sie die Führung auch mitten in den Ge=richten. Ihr prophetischer Weitblick und ihre sittliche Kraft rangen

mit den politischen Irrungen des Volkes und mit dem sittlichenVerfall des Hoflebens, um dem gesamten Geistesleben Israels einehöhere Richtung und einen heiligeren Inhalt zu geben. Es vor Kata=Strophen zu bewahren, das war stets das hohe Ziel ihrer unbestech=liehen Mission. Daher erheben sie sich, wo sich für Israel eine sitt=liehe oder politische Gefahr zeigt. Nur in Zeiten der Ruhe sind sieweniger Männer des allgemeinen Volkslebens. Da finden wir sienur als Stimmen Gottes bei den führenden Persönlichkeiten desstaatlichen Lebens, wie Nathan und Gad beim Könige David.

Und dennoch waren die Propheten keine zünftigen Politiker. Diegroßen Fragen des Staatslebens, der Beziehungen zu den Nachbar=Völkern, der Erhebungen zum Kampf, des Lebens am Hofe, derGesinnung der Könige und deren Berater behandelten sie nicht um

ihrer selbst willen. Sie nahmen Stellung zu ihnen, weil sie aufsengste mit Gott und seinem Bundesverhältnis zum Volke zusam=menhingen. Denn die große Bundesverheißung vom Sinai, die fortund fort mit ihrer Botschaft in das Volk und dessen Zukunft hin=einleuchten sollte, lautete: „Ihr habt gesehen, was ich an den SöhnenÄgyptens getan habe, wie ich euch getragen auf Adlers Flügeln und

euch zu mir gebracht. Und nun, wenn ihr fleißig (dauernd) auf meineStimme hören und meinen Bund halten werdet, so sollt ihr meinEigentum sein aus allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein;ihr sollt mir aber ein Königreich von Priestern und eine heilige (mirgeweihte) Nation sein1/'

Diese göttliche Bundesbasis war den Propheten der unerschütter=

liehe Fels für die hohe Berufung ihres Volkes und dessen Sicherheitauch mitten im wilden Gewoge des Weltgeschehens. Das Recht,Prophet zu sein und über das flutende Leben zu sprechen, kam ihnenmithin nicht von denen, zu denen sie redeten, sondern von dem,der sie v on dieser Bundes w arte aus ewig neu reden h ieß. Sinai warin der Wüste geblieben; der Sinai=Bund jedoch als Gottes freiwilliger

Gnadenbund redete weiter auch in der dunkelsten Nacht der Ge=1 2. M ose 19, 4 .

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schichte Israels. Sein Mund war der Prophet. So wurde das Lokaleund Historische durch ihn zu einer ewig neuen Gegenwart und zueiner überzeitlichen Gottesbotschaft von Geschlecht zu Geschlecht.

Daher bedeutete für den Propheten Schweigen Vergehen. NichtMenschen, Gott waren sie ergeben. Nicht aus parteipolitischen Inter»essen — aus der v erheißenen Theo kratie heraus floß ihr Kampf.

Nicht der äußeren Pflege heiliger Kultushandlungen galt ihr Eifer,sondern der Ehre und den Rechten dessen, der Israel als seinenErstgeborenen aus Ägyptens Hand errettet hatte. Nicht ein falsches,sattes Kulturleben, sondern die eheliche Treue Israels seinem Gottgegenüber war das unverrückbare Ziel ihres prophetischen Dienstes.

Ferner sind auch jene den Propheten nicht gerecht geworden,die im Gefühl ihres inneren Abstandes von ihnen in einer äußerenVerehrung derselben steckengeblieben sind. So stark man auch ihreNamen pries und ihre Gräber schmückte, so fand man doch keinVerhältnis zu der Kraft ihres Dienstes. Man begnügte sich mit der

Bewunderung der Größe ihrer Persönlichkeit und der dogmatischenHeilighaltung ihrer Botschaft, ohne eine lebendige Verbindung mitihrem Geist und ihrer Kraft zu finden. Diese religiös=formale Ver=ehrung von Gesetz und Propheten führte in der Geschichte nur all=zuoft zu jenem blinden Fanatismus, der Jesus ein Golgatha, denAposteln einen Scheiterhaufen und der Jüngergemeinde einen blu»

tigen Kreuzesweg bereitete. Im Namen der Propheten einer großenVergangenheit steinigte man die Propheten der Gegenwart, die ihrerZeit im Geiste das neu kündeten, was jene geweissagt hatten.

Nach einem feinen Ausspruch John Wesleys begräbt der Herrzwar seine Arbeiter, aber ihre Werke setzt er fort.

Das fühlt auch die Kirche Christi heute in ihrem schweren Ringen

um ihr Sein und ihre Mission wieder stärker und bewußter als inmanchen Jahrhunderten vorher. Was einst Propheten dolmetschten,soll sie heute der Welt neu künden. Sie ahnt wieder, wie verwandtauch ihre Stellung und ihr Dienst dem der Apostel und der Prophetensein sollte, durch deren lebendiges Zeugnis Gott der Welt in ihrerVerirrung und in ihren Katastrophen immer wieder künden wollte,

w as er an Gnade un d Gericht zum Heil der Menschheit zu offenbarenhat. Die Kirche erkennt bewußter als je, daß ihr ferneres Sein und

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ihre Zukunft nur davon abhängen werden, ob sie den Weg zu ihrergöttlichen Berufung und zu ihrer prophetischen Sendung an die Weltwieder zurückfinden wird.

Das lebendige Wort Gottes ist groß genug, sich stets auch derschwersten Kritik gegenüber zu behaupten. Es wird fort und fortdiejenigen rechtfertigen, die in der Abhängigkeit von Gott es ihrerZeit neu zu dolmetschen wagen. War der Prophet auch je und jezeitlich, seine wahre höhere Schau war überzeitlich. Sie wies auchüber jede zeitliche und begrenzte Erfüllung hinaus auf das Zukünf=

tige und Vollkommene, das Gott einst offenbaren wird.Auch die Bewertung des Alten Testaments und besonders auch derprophetischen Schriften von seiten der Gemeinden ist vielfach einegesündere und der Wirklichkeit entsprechendere geworden. Manbetrachtet das prophetische Wort nicht mehr vom rein persönlichenHeilsbesitz aus. Die großen Gottesgedanken werden gesehen inihrem eigentlichen historischen Zusammenhang. Man deutet nichtmehr ohne weiteres so manche jener Verheißungen auf die gegen=v/ärtige Kirche Christi, die in erster Linie Geltung für die damaligeoder zukünftige Geschichte Israels hatten. Damit hat sich der Blickder Gemeinde stark geweitet. Sie hat begriffen, daß das kommendeReich Gottes weit mehr umfassen wird als nur allein den Bestandder Kirche Christi. Es wird ein neues Israel, eine neue Völkerwelt

und eine neue Gottesschöpfung mit umfassen.Sie weiß sich daher in ihrer Berufung und Sendung auch nicht

mehr als Selbstzweck. Auf Grund der ihr geoffenbarten Erlösungin Christus Jesus soll sie Prophetin jener großen Gottesziele sein,die weit über ihren subjektiven Heilsbesitz hinausgehen werden.Das ihr Geoffenbarte und von ihr als Heil Erlebte soll zu einer

prophetischen Botschaft werden für Juden und Griechen. Mit derVermehrung ihres Heilsbesitzes vermehrte sich für sie daher audistets jene apostolische Jüngeraufgabe, die Welt mit in die Gottes=Wirklichkeit zu ziehen, die ihr im Angesichte Jesu Christi aufge*gangen ist.

Eine durch ihren Besitz sich selbst beglückende und sich selbst

pflegende Kirche wurde in der Geschichte noch immer ein Laodizea.Alsbald verlor sie sich in einem Subjektivismus und Pharisäismus,

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durch die ihr ihre prophetische Weihe und ihre pneumatische Kraftgenommen wurden. Sie starb an ihrem Besitz, da er nicht zu einemfreiwilligen Opfer wurde in ihrem Leben. Ein sich selbst pflegendes,

an seiner Schauung sich berauschendes Prophetentum wäre zumGespött der Geschichte geworden. Die Existenzberechtigung und dieKraft der Kirche Christi muß sich daher aus ihrer stets sich erneuern«den Auferstehung für ihre göttliche Berufung in der Welt ergeben,der aber jedesmal ein Golgatha vorangehen wird.

2. Der Prophet und sein unerschütterlichesSendungsbewußtsein

„Da sprach Jahve zu mir: Sage nicht: ich bin (ja erst) ein Knabe;denn zu allen, wohin ich dich senden werde, sollst du gehen, und

alles, was ich dir gebieten werde, sollst du reden.* Jer. 1,7

In der geistigen Struktur jeder prophetischen Persönlichkeit trittam stärksten deren Sendungsbewußtsein hervor. Der Prophet warso unerbittlich in seinem Urteil, überwand seine schwersten Dienst*konflikte und ließ sich weder durch die Drohung eines Königs nochdurch das Wort eines Gegenpropheten erschüttern, weil er sich von

Gott gesandt wußte. Selbst weiche Naturen wie die eines Jeremiawurden zu einer „eisernen Mauer", weil sie sich von Gott ergriffenund beauftragt wußten. Schlicht und treffend drückt Arnos das mitden Worten aus: „Jahve nahm midi von der Herde weg, und Jahvesprach zu mir: Geh, weissage zu meinem Volke Israel1!"

Nachdem Gott mit seiner Berufung in ihr Leben getreten war,

gab es für die Propheten nur noch ein Entweder=Oder. Sie fühltendie ungeheure Konsequenz, die für sie mit dem Eintritt Gottes inihr Leben verbunden war. Entweder erlebten sie im Gehorsam hin*fort trotz der Schwere ihres jeweiligen Auftrags ihre Auferstehung,oder sie gingen an ihrem Widerspruch gegen die an sie ergangeneBerufung zugrunde. Gott und seiner Berufung gegenüber mußte

daher alles zurücktreten: Familie, Volk und auch das Vaterland.1 Arnos 7,15.

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Der wahre Prophet war daher unendlich mehr als gewöhnlicherBerufsprophet. Das Prophetsein konnte weder von den Vätern er=erbt, noch als Beruf erwählt, noch in Prophetenschulen erlernt wer=

den. Ihm lag stets eine göttliche Berufung und Sendung zugrunde.Wir wissen von keiner einzigen Prophetengröße, die etwa unmittel=bar aus Samuels Prophetenschule hervorgegangen wäre. Und alsSamuels Söhne Joel und Abia glaubten, berechtigt zu sein, in denProphetenberuf ihres Vaters zu treten, da erwiesen sie sich nur alselende Kultusbeamte. Ihr schmachvoller Dienst ist bis heute in der

Geschichte mit den Worten verewigt:„Sie neigten sich nach dem

Gew inn, und sie nahmen Bestechungen und beugten das Recht1."Auch Elia warf an seinem Feierabend seinen Prophetenmantel nichtauf einen der zahlreichen Prophetensöhne, die zu Jericho waren. Erlegte ihn allein auf die Schulter Elisas, der bei seiner Berufung dieKonsequenz gezogen, zwölf Joch Ochsen verlassen und dem Herrngeopfert hatte2. Nur Persönlichkeiten, die bei ihrer Berufung Gegen*wärtiges opfern konnten, sahen sich zur rechten Zeit begnadigt,ihrem Volk mit weit Höherem zu dienen, als Äcker zu pflügen,Trauben zu lesen und Herden zu hüten.

Gottes Offenbarung mußte mithin zuvor einen Propheten er*wecken, bevor jemand als Prophet zum Volke reden konnte. Dieshat Gott in seiner Barmherzigkeit im Lauf der Geschichte immer

wieder getan. Um das Ganze zu erfassen, stieg er zunächst in dasLeben einzelner hinab, nahm sie gefangen in seinem Gehorsam undmachte sie vertraut mit seinen Absichten. Erst wenn er Menschenso in seine Gotteswirklichkeit ziehen konnte, daß ihnen diese wirk*licher wurde als alles Weltgeschehen, größer war als die Schuldihrer Zeit, fester stand als jede sich auflehnende Macht, hatte er

Persönlichkeiten gefunden, die als Propheten sein Wort und seineGegenwart unter ihr Volk zu tragen vermochten.

Das Berufungserlebnis der im biblischen Kanon uns genanntenGottespropheten war aber ganz verschieden voneinander. Mose inder Wüste Midians fragte: „Wer bin ich denn, daß ich zu Pharaogehen und Israel aus Ägypten führen soll?" Die Mission, Jahves

1 i . Sam. 8, l f.2 l. Kön. 19, 2 1 ; 2. Kön. 3 ,1 1 .

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Forderung: „Mein Sohn, mein Erstgeborener ist Israel, und ich lassedir sagen: Gib meinen Sohn frei, damit er mir diene1" an Pharao,den Träger der damaligen Weltmacht Ägypten, zu übermitteln, kamihm undurchführbar vor. Ja, so undurchführbar, daß er zuletzt zumHerrn sprach: „Bitte, Jahve, sende dodi gleich den, den du doch wirstsenden müssen21."

Ganz anders war die Berufung eines Jesaja. Sie erfolgte imSterbejahr Usias, des Königs von Juda, der in den Königsbüchernunter dem Namen Asarja erscheint. Das Erlebnis, wie es uns im6. Kapitel seines Buches beschrieben wird, wurde für seine innereStellung und seinen prophetischen Dienst von entscheidender Be=deutung. Er wußte sich im Heiligtum Israels. Hier sah er Jahve, denHerrn der Heerscharen, sitzen auf erhabenem Thron. Die Säumeseines Lichtgewandes füllten den ganzen Tempel aus. Alles wurdebeherrscht von Gottes Gegenwart. In Anbetung und im heiligenWechselgesang sprachen die Seraphim: „Heilig, heilig, heilig ist

Jahve, der Herr der Heerscharen1. Alle Lande sind eine Tülle seinerHerrlichkeit*!"

Dieses gewaltige Erlebnis der Gotteswirklichkeit gab ihm dierichtige Erkenntnis über Gott. Hinfort wußte er: Gott ist heilig!Der jesajanische Gottesname ist daher schlechthin: „Der HeiligeIsraels." In ihm drückte der Prophet hinfort aus, was sein prophe=»

tisches Auge in Gott sah. Nie mehr ist Jesaja den gewaltigen Ein*druck von der Majestät, Heiligkeit und Größe Gottes losgeworden.Und dieser Gott ist „König", und zwar über Israel und die ganzeVölkerwelt.

Denn er sah Jahve sitzen auf seinem Thron. So voll von Kata=*Strophen und Stürmen die Geschichte auch war, so vieles im Völker*

leben auch zusammenbrach, und so vieles auch noch zusammen*brechen m uß te — Go ttes Th ron w ank te nicht! G ott ruht auch imwildesten Völkergewoge. Er bleibt der unbedingte Herr auch imdunkelsten Weltgeschehen. Vor seiner unaussprechlichen Erhaben*heit und Größe brechen sich die Wogen aller feindlichen Erhebungen

1 2 . Mose 4 ,1 3 .

2 2. Mose 4, 22 f.' J e s . 6 , 3 .

1 8

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und aller entfesselten Völkerstürme. Daher darf der Glaube ihmunbedingt vertrauen, auch in der dunkelsten Nacht menschlicherGeschichte.

Hinfort erwartete Jesaja vom „Heiligen" nur „Heil" und vomAllmächtigen „Rettung" auch mitten in der gewaltigen Katastrophedes Weltgeschehens. Dieser seiner inneren Glaubensstellung ent=sprach bereits sein Name, der ihm bei seiner Geburt gegeben wor=den war. Er hieß: „Jeschajahu", was soviel wie: „Jahve ist Heil"oder „Heil von Jahve" bedeutete. Und als ihm später zwei Söhne

gegeben wurden, da suchte er auch in deren Namen jenes unbedingteVertrauen zum Ausdruck zu bringen, das in ihm durch sein Be=rufungserlebnis geweckt worden war. Den einen nannte er „Schear=Jaschub", was besagen sollte: „Ein Rest kehrt zurück", und denand eren: „M aherschala^Chaschbaz", was ausdrückte: „Eilend komm tBeute; schnell kommt Raub." So stellte Jesaja selbst sein Familien=leben unter den unauslöschlichen Eindruck, den er zur Stunde seinerBerufung von Gottes Heiligkeit und Allmacht gewonnen hatte.

Jeremia begriff bei seiner Berufung nicht, daß Jahve ihn trotzseiner Jugend dennoch zum Propheten berufe. Hatte er doch über=haupt noch kein Wort Jahves! Wie sollte er aber Prophet sein,wenn ihm nicht zuvor ein Ausspruch Jahves geworden war! DesHerrn Antwort lautete jedoch: „Sage nicht: ich bin (ja erst) ein

Knabe; denn zu allen, wohin ich dich senden werde, sollst du gehen;und alles, was ich dir gebieten werde, sollst du reden1." So unbe=greiflich ihm daher seine ganze Berufung auch war, und so dunkelihm die vor ihm liegende Mission auch erschien, im Gehorsamunterordnete er hinfort sein Leben dem, der ihn überredet hatte.

Von dieser Stunde an rangen zwei Welten in seiner jugendlichen

Seele. Ein neuzeitlicher Dichter hat ein Drama über diesen Prophetengeschrieben. Bei der Bearbeitung seines Stoffes kommt er zu demerschütternden Schluß: „O Gott, Gott — es ist schwer, dein Bote zusein2!" Bei keinem der biblischen Propheten tritt uns diese Wahrheitso greifbar und erschütternd entgegen wie im Prophetenleben Jere=mias aus dem Städtchen Anathoth. Er blieb der Prophet der größten

Mer. i / 7 .2 Stefan Zweig: Jeremia.

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innerlichen Kontraste. Man hat ihn daher einen Mann genannt,„gegossen aus Erz und zerrinnend in Tränen".

Auf der einen Seite tritt uns in seiner Persönlichkeit eine Uner=schrockenheit entgegen, die keine Rücksicht auf irgendwelche Folgenkannte. Jeremia war von einer Unbeugsamkeit, die durch keinepolitische oder sonstige Macht gebrochen werden konnte. Anderer=seits hat te e r ein so feinfühlendes Herz, eine so leidende Seele, daßer bei all seinen schweren Gerichtsverkündigungen nie das Solida=ritätsgefühl, das Einssein mit seinem vielfach so irrenden Volkverlor. Daher seine seelischen Leiden, die ihm seine prophetischen

Missionen eintrugen. Sie kommen zum Ausdruck in seinen ergrei=fenden Klagen, mit denen er seine Gerichtsverkündigungen verband.

Ganz verschieden von der Berufung eines Jeremia war wiederumdie Hesekiels, des Sohnes eines vornehmen jerusalemischen Priester*geschlechts. In seinem Namen — „Gott ist stark" oder „Gott machtstark " — kam zum Ausdruck, welch ein Go ttvertrauen damals in

manchen Familien noch lebendig war. Offenbar gehörte er mit zujenen Edlen innerhalb seines Volkes, die sich im Jahre 597 v. Chr.in die Babylonische Gefangenschaft geführt sahen. Wir finden ihnhier in der jüdischen Kolonie Tel=Abib, die an einem Kanal desEuphrat namens Chebar lag.

Als Priester seinem Volke im Exil dienend, erlebte er im 5. Jahre

der Wegführung des Königs Jojachin, etwa 593 v. Chr., eine groß*artige Vision. Trotz des Zusammenbruchs seines Volkes, trotz derZertretung seiner Heimat und trotz der Zerstörung des Reichsheilig=rums zu Jerusalem sah er, wie dennoch Jahves Herrlichkeit auferhabenem Throne ruhte. Dieser wurde von einem Gotteswagen undvier geheimnisvollen Wesen getragen. Brach auch Israel und die

Welt zusammen, Gottes Thron wankte nicht, und seine Herrlichkeiterlosch nicht, wie Jesaja es bereits gesehen hatte. Jahve erwies sichauch als ein Herr der Gerichte, da er zu jeder Zeit größer war als sie.

Dieses Erlebnis führte zu seiner Berufung als „Wächter über dasHaus Israel". Denn Jahves Wort lautete: „Menschensohn! Ich habedich dem H ause Israel zum Wächter gesetzt; und du sollst das Wort

aus meinem Munde hören und sie von meinetwegen warnen1

." Sein1 Hes.3,17.

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Auftreten unter den Weggeführten an den Wassern Babels zeigte,daß Gott auch für solche dunklen Zeiten der Geschichte jene Offen=barungsträger hat, die trotz der herrschenden Nacht dennoch von

dem kommenden Anbruch eines neuen Tages zu weissagen wagen.So wurde er in den Tagen der schwersten Gerichte zum berufenenTröster seines Volkes.

Es war je und je das Große und Göttliche in der alttestament=liehen Prophétie, daß sie ihren eigentlichen Dienst nicht einfach darinfand, weiter zu pflegen, was andere vor ihr geschaut und gelehrt

hatten. In Jeremias Reden hatte bis zuletzt etwas furchtbar Ein=töniges gelegen. „Es war die Eintönigkeit des Todes", von der seineMission beherrscht gewesen war. Nun herrschte bereits dieser Todmit seinen Schrecken und seinem Grauen. Als Wächter auf höhererWarte gewinnt Hesekiel aber trotz des babylonischen Exils und desMassenelends seines Volkes eine Orientierung, die ihn zum Pro=pheten der Hoffnung in der Nacht seines verzweifelten Volkesmachte. Denn wahres Prophetentum lebt nicht vom Überlieferten,sondern vom Geschauten; es doziert nicht, sondern weissagt.

Zwar hatte auch Hesekiels Tätigkeit zunächst mit Gerichts=drohungen begonnen. Solange Jerusalem noch stand, hatte auch erwie sein älterer Zeitgenosse Jeremia die Aufgabe, den trügerischenIllusionen seines Volkes entgegenzutreten. In solchen lebte man

auch als Exulant an den Wassern Babels. Der erste Teil seines pro=phetischen Buches zeigt uns, wie er seinen trunkenen Leidensgenos=sen im Exil ins Gewissen zu reden, die Schuld der Vergangenheitaufzudecken und den Untergang auch des letzten Restes der in Judanoch bestehenden Theokratie vorauszusagen vermochte. Denn anden angeblich unzerstörbaren Fortbestand des Gottesstaates und des

jerusalemischen Tempeldienstes knüpften seine Mitverbannten allihre Hoffnungen. Wie man jedoch in Jerusalem der Stimme Jeremiasnicht gehorchte, so hörte man an den Bächen Babels auch nicht aufdie Stimme Hesekiels.

Da geschah das völlig Unerwartete: auch Jerusalem als der SitzJahves fiel. Das Heiligtum wurde durch Fremde entweiht und durch

feindliche Kriegsheere beraubt. Neue Scharen der Edelsten des Volkessah man äußerlich schmachbedeckt und innerlich völlig gebrochen

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nach Babel ziehen, und zwar ohne jeden Trost, jede Hoffnung undjede Zukunft. Erst mit dem Wendepunkt dieses großen Ereignissesin der Geschichte seines Volkes beg ann Hesekiels Haup tmission.Hinfort hatte er nicht Drohungen, sondern Verheißungen im Auf=trage seines Gottes zu dolmetschen.

Seine erlebte Vision, wie sie uns im J,J. Kapitel seines Buchesgeschildert wird, ist daher überaus bezeichnend für seine hoffnungs=lose Umgebung und seine hohen Aufgaben. Er sah sich auf einweites Leichenfeld gestellt, das bedeckt war mit verdorrten Toten=gebeinen. Diese Vision entsprach dem wirklichen Zustand und der

innerlichen Verfassung seines Volkes. Denn völlige Mut= und Hoff=nungslosigkeit beherrschte die Stimmung seiner Leidensgenossen anden Wassern Babels. Ihr Gottvertrauen war erschüttert, ihr Inner=stes von durchlebter Qual zerrissen, ihr Gottesdienst vernichtet, ihrepolitische Hoffnung für die Zukunft auf immer erloschen. Keineinspirierende Kraft belebte diese Erschlagenen. Die Physiognomie

ihrer Seele trug das Gepräge eines lebendig begrabenen Volkes.Auf diesem Totenfelde fand Hesekiel seine eigentliche prophe=

tische Mission. Auf dem Boden der Todesherrschaft sollte er vonLeben weissagen. Er tat es nicht aus sich selbst. Dazu wäre erweder fähig gewesen, noch hätte er den Mut dazu gefunden. Wohlvermochte der Glaube Israels seinem Gott die Gesundung eines auf

heimatlichem Boden erkrankten Volkes zuzutrauen. Aber die Neu=belebung eines politisch erschlagenen und auf fremder Erde begra=benen Volkes — das wag te kein fromm er Israelit v on seinem Gottzu erwarten. Und das Quälende im Innern der frommen Exulantenangesichts dieser schweren Tragödie ihres Volkes war, daß sichscheinbar die Götter Babels doch stärker erwiesen hatten als Jahve,

der Gott Israels.Zu einer Botschaft, daß auch im Gericht verdorrte Totengebeinenoch zum Leben erweckt werden können, bedurfte es daher zuvoreiner göttlichen Inspira tion , einer neuen, tieferen Gottesoffenbarung.Auch Propheten können letzthin nicht mehr von Gott aussagen, alssie zuvor in Gott geschaut haben. Sie werden nur von jenen Kräften

Gottes reden, mit deren Wirkungen sie vertraut wurden. Der Schau=platz des göttlichen Wirkens und Könnens wird für sie immer nur

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so groß sein, als sie einen Einblick in die verborgenen Herrlich*keiten, Schöpferkräfte und Geisteswirkungen ihres Gottes gewon=nen haben.

Bevor mithin Hesekiel zu jenen innerlich völlig zusammenge=brochenen Leidensgenossen von Leben reden konnte, mußte er zuvorGott als den Herrn solch eines Lebens geschaut haben. Nur einGott, der über jede Todesherrschaft zu triumphieren vermag, kannauch Israel zu neuem Leben erwecken, d. h. das Volk aus seinemchaldäischen Gefängnis erlösen. Und Hesekiel schaute diesen Gottdes Lebens. Der Herr erschloß ihm, daß es für ihn auch da nochMöglichkeiten und Erwartungen gibt, wo der Mensch keine mehrsieht. Daher war nachher jede von Hesekiel erlebte prophetischeSchau und Vision von neuem Leben und von schöpferisch=erneuern=der Geisteskraft getragen. Sie beschäftigte sich nicht mehr mit einerim Gericht untergegangenen Vergangenheit. Ihr Inhalt war hinfortjene heilbringende Zukunft, die auch für ein so schwer leidendes

Volk Leben und Erlösung bringen sollte.Ähnlich der des Propheten Hesekiel erfolgte die Berufung Daniels

im babylonischen Exil. Er gehörte mit zu denen, die den schwerenLeidensv/eg nach Babel hatten gehen müssen. Hier empfing er alsSohn des jüdischen Adels zwar eine sehr gute Vorbildung für denHof= und Staatsdienst der babylonischen Weltmacht. Bald zeigte es

sich jedoch, daß sein späterer unbestechlicher Staatsdienst aus pro=phetischer Erleuchtung floß. Die Klarheit seiner Erkenntn is, die Schärfeseines Urteils, die Zielsicherheit seines Handelns waren eine Fruchtder Offenbarung, in deren Dienst Daniel sich hineingezogen sah.

Über das innere Erlebnis seiner göttlichen Berufung wissen wireigentlich nichts. Erst in der Stunde der Not dieser Welt kam zum

Ausdruck, daß Daniel auch Prophet sei. Als kein Wahrsager undZeichendeuter am babylonischen Hofe fähig war, den Traum Nebu=kadnezars zu deuten, durch den der junge Weltherrscher sich sehrbeunruhigt sah, da trat im Augenblick der höchsten VerwirrungDaniel hervor und deutete dem König den Traum und dessen gött=liehen Ursprung.

Wir wissen, von welch einer entscheidenden Bedeutung diesunerwartete Auftreten Daniels als Prophet war. Hätte er sich in

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bei Ramoth in Gilead zogen. Sie alle weissagten Ahab und seinenVerbündeten: „Zieh hinauf gen Ramoth in Gilead! Es soll dir ge*lingen; denn Jahve wird es in die Hand des Königs geben." IhrFührer Zedekia, der Sohn Kenaanas, hatte sich sogar eiserne Hörner

gemacht und war vor seinen König mit den Worten getreten: „Sospricht Jahve: Mit diesen wirst du die Syrer stoßen, bis du sie auf*

gerieben hast1/'Wie anders lautete jedoch die wahre Botschaft Jahves, als diese

erst durch den Gegenpropheten Micha ben Jimlas dem König Ahabun d Josaphat, dem König Judas , wurde ! Als er endlich geho lt wurde,

um auch aus seinem Munde das Wort Jahves zu erfahren, da hatteder Bote auf dem Wege zu ihm gesagt: „Siehe dodi, die Worte derPropheten verkündigen einstimmig dem Könige Gutes; laß dodi deinWort sein wie das Wort eines von ihnen und rede Gutes!" MichasAntwort jedoch war: „So wahr Jahve lebt: was Jahve mir sagenwird, das werde idi reden!" Und als Micha dann vor dem König

stand, sagte er zu ihm: „Höre das Wort Jahves! Idi sah Jahve aufseinem Thron sitzen und a lles Heer des Himmels bei ihm stehen,zu seiner Rechten und zu seiner Linken. Und Jahve sprach: Wer willAhab bereden, daß er hinaufziehe und zu Ramoth=Gilead falle? . . .Und nun siehe, Jahve hat einen Lügengeist in den Mund all dieserdeiner Propheten gelegt; denn Jahve hat Böses über dich geredet2."

Dem Propheten Micha trug seine Wahrheit und Freimütigkeitzwar einen schweren Backenstreich von dem Seher Zedekia ein, Ahabhatte aber zu seiner letzten Warnung die Stimme Gottes gehört.Das war je und je ein sehr starker Wesenszug bei allen wahrenGottespropheten, daß sie ungemein gerade in ihrem Charakter undunbestechlich in ihrem Urteil waren. Abhängig geworden vom UrteilGottes, konnte sie weder die Majestät des Königs noch das Anseheneines Berufspropheten in dem erschüttern, was sie als Wort desHerrn vernommen hat ten.

Aus diesen und anderen Beispielen ersehen wir jedoch, daß inden Kreisen dieser Art von Sehern, wie sie bei Ahab auftraten, dieGrenze zwischen eigener Begeisterung und wahrer Erleuchtung durch

1

i . Kön. 22,5—12.2 1. Kön. 22,13— 23.

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den Geist des Herrn verwechselt wurde. Sie berauschten sich durchMusik und Tanz und gerieten vielfach in soldi eine heilige Rasereiund erkünstelte Ekstase hinein, daß sie sich mit der Gottheit ver=

einigt fühlten und „Worte Jahves" zu vernehmen glaubten. Unddoch war alles nur künstliche Selbstberauschung und Pflege heid=nischer M ystik. M it dem Wesen un d W ollen w ahrer Gottesprophetenhatte solch eine mystische Raserei und Verzückung nichts zu tun.Sie traten besonders bei den großen Festfeiern und in schwerenKriegszeiten mit ihrem angeblichen Weissagen im Namen Jahves

hervor.Als „Seher" wurden in jener alten Zeit jedoch auch manche

wahre Gottespropheten bezeichnet, die nichts mit solch einer mysti=sehen Scharlatanerie zu tun hatten. Sie wurden so genannt, weil sieals Persönlichkeiten galten, denen Gott das geistige Auge geöffnethatte, um Verborgenes zu sehen und zu verkündigen. So fragte z. B.

der Prophet Elisa seinen Diener Gehasi, als dieser mit den nach=fraglich vom Heerobersten Naeman erbettelten Geschenken heim=kam: „Woher, Gehasi? Er sprach: Dein Knecht ist weder hierhinnoch dorthin gegangen. Er aber sprach zu ihm: Wandelte nicht meinHerz mit dir, als der Mann umkehrte von seinem Wagen dir ent=gegen1?"

Daher wurden in jener Zeit selbst Männer wie Samuel2 bis indie Tage Davids als Seher bezeichnet. Der letzte war wohl der SeherGad, der Prophet am Hofe des Königs David, der offiziell diesenNamen trug3. Seine Stellung beweist, wie gern man solche Berufs^propheten bis in die höchsten Regierungskreise hineinzog, um inkritischen Stunden von ihnen ein Orakel oder auch einen wahrenAusspruch Jahves zu empfangen. Seit dem Auftreten eines Elia

werden jedoch alle Männer seines Geistes und seiner Kraft hinfortals Propheten, nebi=im, d. h. Sprecher, benannt.

Dieser ihrer Grundeinstellung entsprachen auch die andernNamen, die die Propheten sich beilegten, oder die ihnen von andernbeigelegt wurden. Ihre Stellung als Beauftragte Gottes und als Zeu=

1

2. Kön. 5 ,2 5 ff.2 1. Chron. 26,28; 29, 30; 1 . Sam. 9 , 9 .3 2. Sam. 2 4 , 1 1 .

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gen der Theokratie mitten im jeweiligen Zerfall ihres Volkes wurdein älterer Zeit oft auch mit dem Ausdruck „Mann Gottes" be=zeichnet. Dem verwandt war der Name „Bote Jahves". In den Trost=

reden des Propheten Jesaja will Jahve als Erlöser Israels Jerusalemdurch seinen Boten sagen lassen: „Es soll bewohnt werden! U ndvon den Städten Judas: sie sollen aufgebaut werden, und ich willseine Trümmer aufrichten1!"

Das unerschütterliche Abhängigkeitsbewußtsein von dem Herrn,der sie berufen, gesalbt und gesandt hatte, kam bei den Prophetenbesonders auch in dem Wort „Knechte Jahves"2 zum Ausdruck. AufGrund ihrer Stellung und der empfangenen Salbung konnten sie sichihren prophetischen Dienst im allgemeinen und in jedem speziellenFall nur denken als in der Abhängigkeit von einem andern und inder Vollmacht eines andern. Dieser andere war Gott. Ihm gegenüberwaren sie Knechte.

Als Knechte Jahves, die Gottes Offenbarung entweder als Ge=

richtsbotschaft oder als Evangelium ihrem Volke zu verkündigenhatten, werden die Propheten einmal auch als „Dolmetscher" oder„Ausleger" bezeichnet. Jesaja muß dem Volke den erschütterndenErnst seiner gegenwärtigen Lage mit den Worten schildern: „Deinerster Vater hat gesündigt, und deine Dolmetscher sind von dirabgefallen. U nd ich habe die Fürsten des Heiligtums entweiht und

Jakob dem Banne und Israel den Schmähungen hingegeben3/'In Zeiten großer Bedrängnis, politischer Wirren und weltge=

schichtlicher Ereignisse wurden die Propheten auch „Späher" ge=nannt. So sprach z. B. Habakuk, als am politischen Himmel allesso hoffnungslos und dunkel war, daß er keine Hoffnung für dieZukunft gewinnen konnte: „Ich will mich auf meine W arte stellen

und auf meinen Wachtturm treten, um auszuspähen, damit ich er*fahre, was er mit mir reden und was er mir auf meine Einredeerwidern wird*." Dieses Spähen bedeutete für die Propheten jedochnicht eine Aktivität ihres Geistes, durch die sie etwas erspähen

1 Jes. 44,26 ; siehe auch Haggai i , 13 ; Mal. 3 , 1 .2 2. Kön. 9, 7 ; Jer. 25, 4 ; Arnos 3 , 7; Zach. 1, 6 ; Dan. 9, 6 f.; Esra 9 ,1 1 .3 Jes. 43,27 f.* Hab. 2, 1 ; siehe auch Jes. 52, 8; Jer. 6 ,1 7 ; Hes. 3 , 17 ; Micha 7, 4.

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wo llten, sondern sie gew ann en nu r insow eit eine prophetische Schau,als Gott ihnen etwas zu sehen gab.

Der primäre Ausdruck für die Stellung und die Mission dieser

von Gott berufenen Persönlichkeiten war aber immer doch der Namenabi, „Prophet". Alle anderen Benennungen bezeichneten eigentlichimmer nur eine spezielle Seite im Rahmen ihrer ungewöhnlichenStellung oder ihrer prophetischen Aufgabe. In allem drückte sichjedoch zu allen Zeiten ihr schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl vonGott und ihre ungeheure Verantwortung ihrem Volke und ihrer

Zeit gegenüber aus. Gott gegenüber schuldeten sie unbedingtenGehorsam, ihrer Zeit gegenüber unbedingte Wahrhaftigkeit. JedeRücksicht hatte zu schweigen im Blick auf die Mission, die ihnenvon Gott geworden war.

Was diese eigenartigen Persönlichkeiten ihrem Volke, derMenschheit und deren Geschichte gegeben haben, sollen uns dienächsten Bände zeigen. Als Organe der Offenbarung Gottes redetensie zur Menschheit, bevor der Sohn zu uns reden konnte. Und alsin Jesus der Sohn voller Gnade und Wahrheit erschien, hat er dasReden seines Vaters durch die Propheten nicht aufgehoben. Was siebereits an Bleibendem und Ewigem gegeben hatten, gehört seitdemm it zu dem großen Offenbarangsschatz des V aters, durch den erauch zu uns immer wieder reden will. Und wenn je, dann erkennenwir gerade heute in den politischen Wirren und wirtschaftlichenKatastrophen unserer Zeit, wie nötig wir zu unserer innerlichenO rientierun g das W or t jener Dolmetscher der göttlichen Offenbarunghaben, die, von Gott erleuchtet, so klar in ihrem Urteil, so unbestech=lieh in ihrem Gewissen, so stark in ihrem Handeln und so zuver=sichtlich im Blick auf die Verheißungen ihres Gottes waren. Möchte

heute daher vor allen Dingen die Kirche Christi in ihrer Stellungund Mission wieder zu jenem Samuel der Gegenwart werden, derim A llerheiligsten zu sprechen w ag t: „Rede, Herr; dein Knecht hört!"

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3. Der Prophet und seine innere G eistesvollmadht

„Und nun hat der Herr, Jahve, midi gesalbt mit seinem Geiste."Jes. 48,16

„Und der Geist Jahves fiel auf mich und sprach zu mir: Sprich!"Hes. 11, 5

Berufung war nie ein Kapital, von dessen geistigen Kräften manlebte. Auch der Prophet nicht. Sie war stets nur der erste, dem Geistezum Bewußtsein gekommene Eintritt der Gotteswirldichkeit in dasLeben des Berufenen. Durch sie sah sich der Mensch nur in eine

bestimmte Richtung geworfen und für göttliche Aufgaben geweiht.Auf Grund seiner Berufung hatte daher jeder Prophet ein unerschüt*terliches Sendungsbewußtsein. Er fand in ihr jedoch nie das Geheim=nis und die Quelle seiner prophetischen Schau und die Kraft seinesprophetischen Dienstes. Letztere lagen für ihn nicht in seinem ein=maligen Berufungserlebnis, sondern allein in der jeweiligen Offen*

barung Gottes. Ihr Geheimnis war mithin nicht eine einmalig emp=fangene Gottesgabe, sondern die von Fall zu Fall erlebte göttlicheGeisteswirkung. Propheten waren daher niemals Schöpfer, sondernimmer nur Zeugen der Offenbarung.

Das besondere Charisma der Propheten war daher Geistesvoll=macht für ihre verantwortliche Mission. Kein Leben war später so

sehr die Frucht höherer Wirkungen wie das Leben und der DienstJesu. Er redete in Vollmacht und erwies sich in ihr als Herr überKräfte und Dämonen. Er war ihrem Geiste nicht verwandt; daherwar er ihres Geistes Herr. Seine Messias* und Heilandsmission floßaus den Kräften der Gotteswirklichkeit seines Vaters: „Der Sohnkann nichts von sich selber tun, außer was er sieht den Vater tun 1."

Woher diese Abhängigkeit in seinen Entscheidungen und diese Kraftin seinem Dienste? „Der Geist des Herrn ruht auf mir, weil er michgesalbt hat. Er hat midi gesandt, den Arm en die Frohbotschaft zuverkündigen, den Gefangenen die Freiheit und den Blinden das Ge=

sidit anzusagen, d ie Mißhandelten freizulassen, das Heilsjahr Gotteszu künden*."

1 Joh. 5 ,1 9 .8 Luk. 4,18 f.

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Von Jesus ist gesagt, daß er den Geist bei seiner Taufe in Fülle1

empfangen habe, während die Propheten ihn nur nach Maß emp=fingen. Daß die Propheten selbst mitten in den schwersten Gerichten

ihrer Zeit Neues zu schauen und zu künden vermochten, lag mithinin ihrer Geistessalbung. Nicht nur im Neuen Testament, sondernbereits im Haushalt des Alten Bundes war eine neue Heilszeit nichtdenkbar ohne vorangegangene Geistesmitteiiung. Geistesmitteilunggalt dem Wesen nach auch damals schon als notwendige Vorbe=dingung jeglicher „Neuschöpfung".

Wie stark die Propheten Israels den Akzent auf diese Tatsachelegten, mögen einige Hinweise zeigen. Als man in den Tagen Elis,der Priester am Heiligtum zu Silo war, das Wort des Herrn nichtmehr vernahm, heißt es in dieser dunklen Zeit plötzlich: „Der Herroffenbarte sich dem Samuel, und Samuel verkündete dann die Offen*barungen dem gesamten Israel2/' Mit diesem Reden Gottes durchSamuel brach hinfort ein N eues im kom m enden Volksleben Israels an .

Jesaja beschreibt in prophetischer Schau den Dienstcharakter deskommenden Gottesknechtes. Was sich in seiner Zeit vielfach sostark als Gottesknecht ausgab, entsprach so wenig dem Charaktereines Gesalbten. „Begabt mit meinem Geiste, wird er die Wahrheitzu den Völkern hinaustragen. Er xoird nicht schreien noch lärmenund seine Stimme nicht auf der Straße, hören lassen. Ein geknicktes

Rohr zerbricht er nicht, und einen glimmenden Docht löscht er nichtaus. Getreulich wird er das Recht zur Ausführung bringen. Er wirdnicht schwach und eilt auch nicht, bis er das Recht auf Erden be=gründet haben wird und seiner Lehre die Inseln harren werden 3/'So stark diese Stelle auch messianisch ist, dem Wesen nach solltees der Charakter des Dienstes aller Gesalbten sein.

An einer andern Stelle spricht der Prophet von der ersehntenWendung in der bestehenden Gerichtszeit. Sie kann nicht kommen,„bis endlich der Geist (des Herrn) aus der Höhe über uns ausgegos*sen wird .. . Dann wird das Recht in der Steppe wohnen und dieGerechtigkeit eine Stätte im Fruchtgarten haben; und die Wirkung

1 Luk. 4, i; Joh. 3,34.2 1. Sam. 3, 21.8 Jes.42,2ff.

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der Gerechtigkeit wird Friede sein und das Ergebnis des Rechts Ruheund Sicherheit1."

So sieht auch Hesekiel die Möglichkeit einer geistigen Aufer=

stehung seines Volkes nur allein noch in dem Wehen des Gottes»odems über die erstorbenen und verdorrten Gebeine Israels. Von derGotteswirklichkeit aus ist Hoffnung auch noch für sie. Es handeltsich nur um die Frage, ob ein Prophet diese Gotteswirklichkeit alsOffenbarung des Geistes in die erstorbene Gemeinde hineinzutragenvermag. Daher wurde ihm als Dolmetscher des Geistes der Auftrag:„Weissage dem Winde (Odem), ja, sage zum Winde, du SohnAdams, und sprich: So spricht der Herr, Jahve: Wind, komm herzuund blase diese Getöteten an, damit sie wieder lebendig werden 2!"

Neues und Erlösendes wurde mithin nur als Geistesschöpfungerwartet. Das Auditorium und die Werkstätte dieses Geistes solltedie israelitische Volksgemeinde sein und der Prophet ihr vom Geistbegnadeter Dolmetscher. In ihm ist der Geist als schöpferische Kraft

Gottes zunächst durchgebrochen und ins Leben getreten. Nun sollhinfort auch die Gemeinde durch seine Dolmetschung mit demselbenGeistesbesitz und dessen Schöpferkraft begnadet werden.

Geistesvollmacht ist nichts anderes als Kraft, Energie aus dem.Sein, der Wirklichkeit Gottes, in die sich der Berufene hineingezogensah. Damit deckt sich auch der griechische Ausdruck exousia, den

wir so oft im Leben und Dienst Jesu und seiner Jünger finden. Wirverdeutschen ihn gewöhnlich mit den Ausdrücken „Macht" oder„Vollmacht". Handeln und Reden in göttlicher Vollmacht heißt da*her nichts weniger als Handeln und Reden aus dem göttlichen Sein,aus der Wirklichkeit Gottes heraus. Gottes Sein oder Wirklichkeitist mächtiger als alles Fleisch, erweist sich auch als Herr über alles

Todeswesen. Sobald diese Wirklichkeit in ein Leben wie das einesSaulus oder eines Mose oder der Propheten hinabsteigen konnte,wurde durch das Leben und den Dienst der Apostel und Prophetenauch in der todverfallenen Welt etwas von der erleuchtenden underlösenden Kraft und Wirklichkeit Gottes offenbar.

Die Begnadung zum Dienst aus der Wirklichkeit, d. h. aus dem

1 Jes. 32, 15 ff .2 Hes. 37,9 a.

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er Gericht übte! Aber die Ergänzung mußte ein Hosea sein, der demVolke zu künden hatte, daß Gerichte nicht Selbstzweck sind. GottesBundesverhältnis zum Volk bricht auch im Gericht nicht zusammen.Der Vater verliert den Sohn nicht, auch wenn dieser in der Ver»irrang lebt.

Mit obigen Ausführungen ist jedoch nur das Grundlegende derpneumatischen Begabung der Propheten gesagt. Wie es bei deneinzelnen von Fall zu Fall zu einer wahren prophetischen Schau, zueiner tieferen Erkenntnis der Weltregierung Gottes, zu einer besse=»ren Beurteilung der politischen Lage und zu einer klaren Unter»

Scheidung zwischen Gut und Böse im religiösen und sozialen Lebendes Volkes kam, darüber ist bisher noch nichts gesagt.

Wir müssen uns hier auf einige allgemeine Bemerkungen be=»schränken. Wesentlich ist allen Propheten, daß es ihnen nie um dieArt des pneumatischen Erlebens ging, sondern immer nur um denAuftrag Gottes als Botschaft für das Volk. Nicht etwa das Erlebnis,

sondern die göttliche Botschaft ist ihnen das Entscheidende. Für daseigentliche Erleben gab es keine Dogmatik; denn der Geist wehteauch dam als schon, wo er will. Je meh r jedoch ein P rophet m it seinerganzen Persönlichkeit im Verkehr mit Gott stand, desto mehr tratdas Mittelbare im Erleben des Geistes zurück, und das Unmittelbarewurde das Primäre. Dieser Unterschied wird besonders im Leben

eines Mose sichtbar. Anfänglich bedurfte es eines brennenden Dorn*busches, um sein Geistesohr für die göttliche Berufung zu gewinnen.Im Umgang mit Gott reifte er nachher jedoch zu jener prophetischenPersönlichkeit aus, von der Gott sagen konnte: „Höret dodi meineRede! Ist jemand unter eudi ein Prophet, dem will idi midi in einemGesidit offenbaren, oder idi will in einem Traum mit ihm reden.

Nidit aber also mein Knedit M ose. Er ist mit m einem ganzen Hausevertraut. Mündlidi rede idi mit ihm und von Angesidtt, und niditrätselhaft, und er sdiaut die Gestalt des Herrn 1."

Daß es sich auch bei Mose in seinen erlebten Theophanien nurum ein Schauen Gottes in Gleichnissen, wie später bei Jesaja inseinem Berufungserlebnis oder noch später bei Hesekiel, handelte,

darf wohl zweifellos feststehen. Erzählt doch gerade Mose selbst von1 4. Mose 12, 6 ff.

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einem Erlebnis, wo ihm die göttliche Antwort wurde: „Ich will vordeinem Angesicht alle meine Güte lassen vorüberziehen und willden Nam en Jahves vor d ir ausrufen; denn w em ich gnädig bin, dem

bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ichmich; aber mein Angesicht kannst du nicht sehen, denn kein Menschwird leben, der mich sieht1/' Wenn im Leben Moses nun wiederholtso stark betont wird, daß der Herr mit seinem Knecht wie ein„Freund mit seinem Freunde" rede, so handelt es sich nur um diestarke Betonung des Unmittelbaren im Verkehr Gottes mit Mose.

(Jnmittelbarkeit im Verkehr mit Gott war aber stets gebunden anein zartes Innenleben. Je weniger dieses fromme Selbstsuggestionund gesetzliche Selbstheiligung war, sondern verborgene Geistes=frucht, desto mehr verlor solch ein unmittelbarer Verkehr mit Gottauch die Züge jeder Mystik. Denn Unmittelbarkeit im Verkehr mitGott ist ganz etwas anderes als Mystik. Es ist das Natürlichste, das

sich im Verhältnis des Menschen zu Gott denken läßt. Nie hat einMensch solch einen vertrauten und innerlichen Verkehr mit Gottgepflegt wie Jesus. Wie natürlich war jedoch sein Dienst und Lebenbis in seinen Gebetsverkehr mit dem Vater hinein! Kompliziert istimmer nur der religiöse Mensch, aber nicht der Jünger im Verkehrmit dem Meister und nicht das Kind im Umgang mit dem Vater.

Denn alle Mystik führt in ihren letzten Konsequenzen und inihrer tiefsten Sehnsucht zur Entpersönlichung. Das menschliche Ichwill in erlebter Vergottung und in seliger Verzückung aufgehen imgöttlichen Du. Die Distanz zwischen Mensch und Gott, zwischenGeschöpf und Schöpfer, zwischen Kind und Vater soll aufgehobenwerden.

Das Sein in Christo, wie Paulus es lebte und als Evangeliumverkündete, entpersönlicht nicht, sondern schafft Glaubenscharaktereund Jüngeroriginale, wie die Religionsgeschichte nichts Ähnlicheskennt. Wie wächst gerade im Umgang mit Gott das menschlicheAbstandsgefühl von Gott! Denn keine Erlösung hebt den Abstandzwischen Jünger und Meister, zwischen Sohn und Vater auf. DieEhrfurcht und die Anbetung wachsen, je mehr der Mensch in die

Gegenwart Gottes tritt .1 2. Mose 3 3 , 18 ff.

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ging, daß sich deren Dienst alsdann hinfort nur noch nährte vomKampf untereinander! Scheinbares Feuer, Kraft und Begeisterungentstanden nur noch auf Grund gegenseitiger Reibung. Aber es war

in der Regel nicht mehr Feuer von oben, sondern nur noch Fanatis=mus von unten. Wie wenig solch eine Unmittelbarkeit mit Unnüch=ternheit oder mit seelischer Selbstberauschung zu tun hat, habenwir bereits vorher betont. Menschen der Unmittelbarkeit sehen sichgelöst von aller religiösen Wichtigtuerei und von jedem Versuch,das Göttliche in den Bann des Menschlichen zu zwingen. Ihr Dienst

ist Frucht göttlicher Wirkung, nicht fleischliche Reklame ihres geist=liehen Besitzes. Ihnen handelt es sich nicht um Gott innerhalb einesMenschenwerkes, sondern allein um den Menschen innerhalb einesGotteswerkes.

In diesem Lichte die Geistesvollmacht der Propheten sehend, wiesollte da die Kirche Christi als Prophetin der Gegenwart sich aus=strecken nach neuer Vollmacht für ihre Aufgaben in der Welt! Siemuß sich in ihrer Chrisrusgemeinschaft stärker erweisen als dieWelt, wenn sie nicht mit ihr verdammt werden will. Um Herr derEnergien und Irrungen, des Gotteshasses und der Dämonie der Weltzu werden, muß sie in Wirklichkeiten leben, deren Kräfte nicht vondieser Welt sind. Prophetin sein kann mithin auch die Kirche Christinur insoweit, als auch sie auf Grund ihrer Salbung handelt in der

Abhängigkeit von einem anderen und dient in der Kraft einesanderen. Und dieser andere ist auch für sie Gott. Gott in seinerOffenbarung, der in Christo mit seiner Reichgotteswirklichkeiterlösend auch in ihr Leben getreten ist und immer wieder neu tretenwill. Christus mit seinem großen Gestern will in seinem weit grö=ßeren Heute sie so zum Schauplatz der Kraft seiner Offenbarung,

zur Zeugin seiner ewigen Gegenwart und zur Dolmetscherin seinererlösenden Reichsgottesbotschaft machen, daß auch sie der Weltwieder in höchster Vollmacht die großen Taten Gottes zu kündenvermag.

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4. Der Proph et und sein unbestechliches Urteil

„Der Prophet, der einen Traum bekommen hat, erzähle den Traum;bei wem aber mein Wort ist, der rede mein Wort wahrhaftig!

Was hat das Stroh mit dem Weizen gemeinsam? ist Jahves Aus»sprach. Ist mein Wort nicht wie Feuer? ist Jahves Ausspruch, undwie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?" Jer. 23 ,28 . 29

Das unerschütterliche Sendungsbewußtsein auf Grund göttlicherBerufung und das Handeln aus dem Sein Gottes heraus auf Grundinnerlicher Bindung an die Aktivität Gottes: beides gab dem Pro=pheten eine Unabhängigkeit im Urteil und im Dienst, wie keinPriester und kein König sie besaßen. Sie waren Voraussetzung deswahren Prophetentums. Bei wem sie fehlten, der erwies sich, wenner zu den entscheidenden Fragen des Lebens Stellung zu nehmenhatte, vielfach als falscher Prophet, so stark er seine Weissagungauch als ein „Wort Jahves" betonte. Jeremia klagt daher im Blickauf die herrschende Lage seines Volkes: „Die Propheten weissagenfalsch, und die Priester herrschen auf eigene Hand; und mein Volkliebt es so1."

So stark aber die völlige Unabhängigkeit der wahren Prophetenvom Volk und dem allgemeinen Weltgeschehen auch betont werdenmuß, so bedeutete es doch nie Beziehungslosigkeit zum eigenenVolk und zum Weltgeschehen. Es gab weder Personen noch Zu=

stände, weder Gesetze noch Autoritäten, auf die sie nicht jenes Urteilfallen ließen, das sie in der Welt Gottes empfangen hatten. Daszeigen uns eines jeden wahren Propheten Wort und Kampf.

Da war zunächst der Prophet und die königliche Autorität. Nichtder König, Gott hatte für sie das letzte Wort, so stark es gelegentlichden Propheten auch in einen schweren Konflikt mit seinem Herr=

scher brachte. Denn die vielfach so starke Opposition des Prophetenfloß nicht etwa aus antiköniglichem oder sogar revolutionäremGeiste. Einem Samuel ging es um weit Höheres, als er trauerte, daauch Israel einen König wünschte, wie andere Nationen einen solchenhatten. Für ihn bedeutete der Wunsch des Volkes die erste grund=legende Erschütterung Israels in seiner theokratischen Ordnung.

Er selbst salbte Saul, den Sohn des Kis, zum ersten König Israels.1 Jer. 5, 31.

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Als dieser aber nach einer Amalekiterschlacht das ihm gewordeneGotteswort verwarf, sprach Samuel zu ihm in Gilead: „Hat Jahvedenn Wohlgefallen an Brandopfern und S Macht opfern, wie an Ge-

horsam gegen die Stimme Jahves? Siehe, Gehorsam ist besser dennSchlachtopfer, Gehorchenw ollen besser als Fett der Widder! DennWiderspenstigkeit ist wie die Sünde der Zauberei, und wie derFrevel des Götzendienstes ist die Auflehnung. Da für, daß du dasWort Jahves verschmäht hast, hat er dich als König verworfen1/'Die ganze Nacht hatte Samuel um dieser Gerichtsbotschaft willen

mit Gott gerungen. Denn in welchen Konflikt kam er innerlich mitsich selber! Sah er sich doch gezwungen, dem Manne, den er imAuftrag Jahves zum König gesalbt hatte, nun als dem GesalbtenGottes die Verwerfung zu verkündigen. Hatte er damals etwa nichtGott in seinem Auftrag verstanden? Oder verstand er jetzt das er=schlitternde Urteil nicht, das er an den König weiterzugeben hatte?Standen hinfort nicht Offenbarung und Offenbarung in seinem Lebenim schärfsten Konflikt miteinander?

Den Schmerz, daß der Gesalbte des Herrn verworfen worden,sei, ha t Samuel m it ins G rab genom men. W ie recht Gott jedoch, inseinem Urteil hatte, zeigte sich in Sauls weiterer Gesinnung. Insolcher war es Gott unmöglich, durch ihn die Rettung und Aufer=stehung des berufenen Volkes-herbeizuführen. Erlösen können nur

diejenigen, die zuvor von^den Gebundenheiten der zu Erlösendenerlöst sind. Saul blieb daher ein Verworfener bis an sein tragischesEnde. Er fand den Weg zu jener Grundeinstellung, auch als Königvon Gott abhängig zu sein, nicht mehr zurück. Wenn auch hinfortProphetenwort gegen Prophetenwort stand, beide hatten zu ihrerZeit ihr göttliches Recht und ihre Aufgabe gehabt. Das Propheten=

wort war nicht eine starre dogmatische Größe, sondern lebendigesGotteswort. Das Wort hob das Wort auf, als der Saul von heutein seinem verborgenen Widerspruch nicht mehr der Saul von gesternwar in seiner demutsvollen Hingabe.

Vor David steht eines Tages sein Hofprophet Nathan. UngemeinDunkles belastete des Königs Seele. Ein schönes Weib war sein

Verhängnis geworden. Über die Leiche seines treuen Knechtes und1 i . Sam. 15, 13 ff.

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Bürgers, des Hethiters Uria, hatte er sich dessen Weib Bathsebazum Weibe genommen. Eine Moral, wie sie damals an den Höfennicht selten herrschend war. Aber in der Welt Gottes gibt es keine

doppelte Moral. Entweder unterwirft auch der Mann der Krone sichder göttlichen Gerechtigkeit und Lebensordnung, oder er scheitertan ihr trotz Salbung und Krone. Daher hat nicht der König, sondernder Prophet das letzte Wort in der Angelegenheit. „So hat Jahvegesprochen", sagt Nathan zum Könige, „ich werde w ider dich Unheilaus deinem eigenen Hause entstehen lassen, und idi werde deineeigenen Weiber vor deinen eigenen Augen wegnehmen und sieeinem andern geben, daß er angesichts dieser Sonne deinen Weibernbeiwohnen wird. Denn du hast es heimlich vollbracht; ich aber willdieses Wort angesichts von ganz Israel und angesichts der Sonnevollbringen1."

Es gibt Folgen der Sünde, die keine Vergebung mehr hinweg=nehmen kann. David beugte sich zwar tief unter seine Schuld, hin=

fort folgte jedoch Tragik um Tragik in seinem königlichen Familien*leben. Nicht durch Fremde, durch die eigene Familie wurde seineKraft gebrochen. So groß David nachher in seiner Vergebung aucherscheint, soviel Trost später auch aus seinen Bußpsalmen zu Gefal»lenen sprach, in seinem Leben blieb àie Narbe, die diese schwereWunde ihm zurückließ.

Zu welch einem Verhängnis wurde es später für Ahab, denKönig Israels, daß ein Prophet mit einem Gottesurteil in sein Lebentrat, der größer war als er! Im Lichte seiner Umgebung mußte Ahabden Propheten als die Quelle alles Unheils und der herrschendenDürre in Israel ansehen. Als Elia sich daher eines Tages freiwilligdem König zeigte, da herrschte dieser ihn an: „Bist du es, Ver derb er

Israels?" Darauf wurde dem König die Antwort: „Nicht ich habeIsrael verderbt, sondern du und deine Familie, weil ihr Jahve ver"ließet und den Baalim folgtet2."

Nicht das Zepter des Königs entscheidet, wo die Quellen desUnheils für das Volksganze liegen, sondern das vom Prophetengedolmetschte Gotteswort. Es rief noch immer zur Entscheidung,

1 2. Sam. i2 , n f.2

l. Kön. 18, 1-18.

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ob die Götter der Zeit mit ihrer Lüge und Verwirrung oder der Herrmit seiner Welt des Lichtes und der Gerechtigkeit das Leben desVolkes und den Geist der Zukunft bestimmen sollen. In der Gegen=

wart eines Propheten muß daher auch das Leben eines Königs zurBeugung oder Auflehnung, zur Anbetung oder Lästerung werden.Selbst im Lichte stehend, tritt im Propheten das Licht in seinerUnbestechlichkeit in die Welt der Finsternis. Selbst im Friedenruhend, redet durch ihn der Friede als Botschaft in den Wirren derZeit. Selbst in Gerechtigkeit lebend, spricht die Wahrheit in seinem

Leben von der herrschenden Lüge und der Ungerechtigkeit im Volkund Staat. Gewiß ist solch eine Prophetensprache „Verwirrung" fürdie Welt mit ihren Begriffen und ihren sittlichen Verschwommen=heiten. Sie ist aber Botschaft zum Leben für alle Erwachenden, diesich der Gefahr des Untergangs für sich und ihr Volk bewußt ge=worden sind.

In einem vorigen Kapitel sahen wir uns bereits auf Micha benJimla geführt. Er soll den beiden Verbündeten, Ahab von Samariaund Josaphat von Jerusalem, Sieg im Kampf wider die Aramäerweissagen. Gottes Urteil über den Ausgang des Krieges lautetejedoch ganz anders, als 400 Propheten es im Namen Jahves geweis=sagt hatten. „Ich sah ganz Israel auf den Bergen zerstreut wie Schafe,

die keinen Hirten haben. Und Jahve sprach: diese haben keinenHerrn; sie sollen ein jeder nach seinem Hause zurückkehren inFrieden1." Denn des Propheten Urteil beugt sich weder vor demEhrgeiz machttrunkener Könige noch vor dem angeblich prophe=tischen Wort hoffähiger Gottesknechte noch vor der Psychose natio=naler Leidenschaften und Volksbegeisterungen. Dem Micha trug seine

offene Prophetensprache zwar einen Backenstreich von einem Berufs*propheten und den Kerker vom Könige ein. Denn Ahab und ein vonköniglicher Gnade abhängiges Berufsprophetentum konnten nie diew ahre Sprache eines Beauftragten Gottes ertragen. D er Prop het recht-fertigte sich nicht. Er weiß: Gottes Wahrheit kann nur durch denVerlauf der Geschichte gerechtfertigt werden, nicht aber durch denPropheten, der sie kündet. Daß der Herr durch Micha geredet hatte,

1 1 . Kön . 22 ,1 7 .

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zeigte alsbald der tragische Ausgang der Schlacht und der Untergangdes Hauses Ahab.

Aus der Fülle der prophetischen Dienste sei nur noch an das

Urteil Daniels über den babylonischen Weltherrscher Nebukadnezarund dessen Nachfolger Belsazar erinnert. Als der Weltherrscher sicherst an den Erfolgen seiner Macht und an den Schöpfungen seinesGeistes berauschte, da hatte Daniel ihm Gottes Urteil zu deuten.Es war ungemein hart. Hart auch für Daniel, dem König den Be=schluß des Höchsten zu übermitteln: „Man wird dich (als VJahn=sinnigen) von den Menschen ausstoßen, daß du bei den Tieren desFeldes wohnst; .. . weil aber vom Verbleiben des Wurzelstockes desBaumes die Rede ist, so soll auch dir dein Königtum verbleiben,weil du erkennen wirst, daß der Himmel herrscht. Darum, o König,laß dir meinen Rat gefallen und brich mit deinen Sünden durchGerechtigkeit und mit deinen Missetaten durch Erbarmen gegen dieArm en, wenn dein Glück dauerha ft sein soll1!"

Noch erschütternder war die Schrift im Trinkhause des KönigsBelsazar. Erschüttert durch ihr heimliches Erscheinen und ihre Rät=selhaftigkeit, versprach der König dem Propheten Purpurmantel undGeschenke, wenn er ihm die Sprache deute. Aber Gottes Botschaftersind nicht käuflich. „Behalte deine Gabe für dich und gib deineGeschenke einem andern! Aber die Schrift will ich dem König gleich^

wohl lesen und sagen, was sie bedeutet. Mene, mene, tekel, upharsin,d. h.: Gezählt, gezählt, gewogen und geteilt*!" Wahrlich, es istschwer, Gottes Bote zu sein! Er darf selbst auf fremder Erde nichtzum Chauvinisten werden und hat der Stadt Bestes zu suchen ineinem Lande, das seine Heimat zertreten, das das Heiligtum aus=geraubt und den Stuhl Davids erschüttert hatte. Und er darf nicht

schweigen vor dem Weltherrscher, der Ninive zerschlug, ÄgyptensVorherrschaft zerbrach und die Stadt Gottes, Jerusalem, zu einemTrümmerhaufen machte. Denn das letzte Wort gehört nicht Nebu=kadnezar, dem Träger der Weltmacht, sondern dem Propheten alsdem Träger der Gottesoffenbarung.

Eine weitere Autorität im öffentlichen Leben Israels war das

1 Dan. 4, 21 ff.2 Dan. 5, 1 7-28 .

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falsche Berufsprophetentum, in den prophetischen Schriften einfach„falsche Propheten" genannt. Gewiß waren sie lange nicht alle ohneweiteres freche Betrüger, Meister der Lüge, religiöse Scharlatane,

so scharf das Urteil der wahren Gottespropheten auch gegen sie war.Sie waren wie z. B. Chananja, der Zeitgenosse eines Jeremia, ehr=liehe Patrioten, ergebene Hofbeamte, glühende Nationalisten, popu=lare Führer des Volkes. In jener weltgeschichtlichen Stunde, woNebukadnezars Heere auch vor den Toren Jerusalems lagen, schienChananja weit mehr Gottvertrauen zu bekunden als Jeremia. Undin dieser seiner Haltung stützte er sich auf die Erlebnisse eines Jesajà,der in den Tagen Hiskias durch sein Vertrauen auf die Hilfe JahvesStadt und Volk von den Assyrern gerettet hatte.

Auch unterscheiden sich die falschen Propheten in der Mehrheitvon den Propheten der heidnischen Götter der Nachbarvölker. Diesewaren sehr zahlreich in Jerusalem und Samaria geworden. Seit den

Tagen Salomos, Jerobeams I. und Ahabs waren im Lande immerneue Götzenaltäre und Kultstätten des aramäischen Baal, der phöni=zischen Astarte und des babylonischen Marduk entstanden. Mit die=sen hatten jedoch die meisten auch der falschen Propheten nichts zutun. Zwar eiferten sie nicht wie ein Elia, Arnos und Jeremia fürJahve. Andererseits waren sie aber doch Jahveverehrer und Vertreterdes gesetzlichen Kultus. Und doch waren sie nicht Propheten. Da siesich aber den Prophetennamen beilegten und den Prophetenmanteltrugen, im Namen Jahves jedoch falsch weissagten, erwiesen sie sichin der Welt Gottes als „falsche" Propheten. Was machte sie zusolchen?

Ihnen fehlte das Entscheidende, was die wahren Propheten hat=

ten. Ihr Weissagen geschah berufsmäßig, auf Grund persönlicherStimmungen, nach den Wünschen von Volk und König, aus natio=nalem Selbstbewußtsein un d sonstigen M otiven heraus.- Nicht imAuftrage Gottes und nicht aus der Welt Gottes heraus weissagtensie. Ihrem Leben fehlte die höhere Berufung, ihrem Dienst die pro=phetische Schau, ihrem Handeln der göttliche Auftrag. Daher floßihr Weissagen auch nicht aus der Beherrschung der augenblicklichenWeltlage und der lokalen Situation ihres Volkes heraus. Sie sprachen

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d'à von Frieden, wo sie Gericht verkündigen sollten, und da vonGericht, wo sie Frieden hätten bringen sollen.

Wie gern wäre z. B. ein Jeremia Künder des Friedens gewesen,wo er bis zur Eintönigkeit nur von nahenden Gerichten und vombevorstehenden Untergang zu weissagen hatte! So manche seinerWorte verraten, wie stark er innerlich darunter litt. Sein seelischesund völkisches Empfinden widersprach dem göttlichen Auftrag:„Siehe, idi bestelle didi heute über die Völker und Reiche, auszujätenund niederzureißen und zu zertrümm ern — zu bauen und zu pflan*zen1!" In der Hingabe an seine prophetische Berufung wußte er sich

aber verpflichtet, nicht nach subjektiver Stimmung, sondern im gött»liehen Auftrag zu weissagen. „Idi kann nidit sdiweigen; denn dieStimm e der Posaune und Kriegslärm hört meine Seele2." Ihn erdrücktseine prophetische Schau, ihn schaudert vor dem Kommenden, aberer muß es aussprechen: „Vom Grimm Jahves bin idi voll, bin müde,ihn zu tragen; gieße ihn aus über den Säugling auf der Gasse, über

den Kreis der Jünglinge3!" Und als das Unabwendbare erst in Sichttritt, da muß er seinem Volke sagen: „Gehe idi aufs Feld hinaus,sehe idi Ersdilagene; komme idi zur Stadt hinein, sehe idi Verhun=gerte*." Da entringt sich seiner Prophetenseele die Verzweiflung-„W ehe mir, M utter, daß du midi geboren hast, den Mann des Strei*tes, den Mann des Haders für das ganze Land5!" „Denn sobald idi

spredie, sdir eie idi G ewalt und künde Verderben*."Diese übermenschliche Kraft im prophetischen Dienst, diese sich

selbstaufopfernde Hingabe an die empfangene Offenbarung, dieserestlose Zurücksetzung aller seelischen und völkischen Gefühle,dieses eiserne Standhalten gegen alle Anrempelungen und Verleum*düngen des eigenen Volkes fehlte den „falschen" Propheten. Sie

erlagen in ihrem Beruf und zogen sich in ihrem Dienst in entschei*denden Augenblicken auf ihr Eigenes zurück. Denn von ihnen mußJeremia sagen: „Ihres Herzens Gesidit künden sie, niait aus demMunde Gottes1." So kam der falsche Prophet dazu, so treu und hin=

1 Jer. i , io. 5 Kap. 15, 10.2 Kap. 4, 19. 6 Kap. 20, 8.3 Kap. 6, 1 1 . 7 Kap. 23 ,1 6 .4 Kap. 14, 18 .

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gegeben sein Dienst auf anderen Linien etwa auch war, daß er inden bestimmten großen Fragen der Geschichte Eigenes, nicht Gött=liches, nicht prophetisch Geschautes kündete.

Bringen wir als von Gott Berufene heute die innere Wahrhaftig=keit uns selber gegenüber auf, dann werden wir uns im Blick aufdie wahren Gottespropheten im Alten Bunde offen eingestehen, daßwir uns in unserem Dienst auf so manchen Gebieten des öffentlichenLebens ebenfalls als „falsche" Propheten erwiesen haben. Wie oftgingen auch wir, ohne gesandt zu sein; weissagten wir, ohne die

Offenbarung zu haben; berieten wir Volk und Gemeinde, ohne daßwir zuvor im Rate Gottes gewesen waren! „Wenn sie wirklich inmeinem Rate gestanden hätten, so würden sie meinem Volke meinWort verkünden und es zurückführen von seinem bösen Wege undder Bosheit seiner Taten1." Dieses ernste Wort mußte Jeremia seinenBerufsgenossen vorhalten, die in den großen weltpolitischen Fragenund im Blick auf den inneren Zerfall ihres Volkes „falsch" geweis=sagt hatten.

Denn wenn sich die wahren Propheten von Arnos bis Jeremiaund teilweise auch Hesekiel fast nur als Unglückspropheten erwiesen,so lag das nicht etwa nur an der weltpolitischen Lage jener Zeit. DaßJahve auch aus schwersten weltpolitischen Situationen Stadt undVolk erretten könne, hatte die Erfahrung Hiskias während der Be=

lagerung durch die Assyrer gezeigt. Zwar war in jener Zeit dieallgemeine Lage so gespannt und katastrophenschwanger wie kaumzuvor eine in der Geschichte. Kein Wunder, daß alle Welt zitterte!Besonders auch die beiden Kleinstaaten Israel und Juda, die sich seitSalomo so stark an der Weltpolitik beteiligt hatten. Je mehr mandie Sonderstellung Israels aufgab, vom Herrn allein die Bewahrung

zu erwarten, suchte man bald bei Ägypten, bald bei Assur, bald inBabel seine Stützen und Verbündete. Die unausbleibliche Folge war,daß man sich hinfort in deren schwere Konflikte mit hineingezogensah. Warnend muß daher der Prophet seine Stimme erheben undJuda sagen, das sich von Rezin, dem König von Syrien, und vonPekach, dem König von Samaria, belagert sah: „Damaskus ist das

Haupt von Syrien und Rezin das Haupt von Damaskus; und in nodi1 Kap. 23, 22 .

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fünfundsechzig Jahren wird Ephraim zerschmettert w erden, daß eskein Volk mehr sei. Und Samaria ist das Haupt von Ephraim undder Sohn Rem aljas das Haup t von Samaria. W enn ihr niait glaubt,werdet ihr fürwahr keinen Bestand haben 1!" Errettung kann nurvom Herrn und nicht von Assur kommen, auf dessen Hilfe mandamals in Jerusalem so sehnsüchtig wartete.

Die wahren Propheten Israels erwarteten mithin nicht den Zu=sammenbruch ihres Volkes auf Grund der damaligen Weltlage,sondern allein infolge des inneren Zerfalls ihres Volkes. Daher galtihr prophetischer Dienst dem einen letzten Ziel: „Mit dem Hause

Israels schließe ich einen neuen Bund, meine Lehre senke ich in sie,ich schreibe in ihr Herz. Dann werde ich Gott ihnen sein, und siemein Volk. Dann lehrt nicht mehr einer den andern: Erkennet dochGotti Denn alle werden mich kennen, klein und groß2." Den Pro=pheten w ar mithin die G rundeinstellung eines gottgew eihten Volkes:das offene Ohr für die Sprache Gottes und das sich hingebende Herz

an den Gehorsam gegen die göttliche Offenbarung. Gewinnt Israeldiese Stellung im Weltgeschehen und mitten im Kampf der Welt=Völker nicht als Basis seiner Ex istenz, als Prog ram m seiner Po litik un dals Kraft seines Handelns wieder zurück, dann teilt es das Schicksalder Völker. Denn ist Israel gelöst von Gott, so müssen die Zerrissen=heit der Seele, die Ziellosigkeit des Handelns und die Herrschaft der

niederen Triebe auch im Volksleben die Grundlage seines privatenund gemeinschaftlichen H and elns w erden . W en n aber erst ein Volks*körper den M odergeruch der inne ren Auflösung v erbre itet, dan n sam=»mein sich alsbald die Adler, die ihn als Beute zu teilen suchen.

Daher war das Ziel der prophetischen Botschaft stets die sittlicheErneuerung des Volkes. Ihnen ging es im Privat= und im Staats»

leben stets um die Vorherrschaft der Gottesstimme über die Stirn*men von König und Volk. Nicht Kulturrestauration, sondern Her=zensreformation und Gottesherrschaft sind ihre letzten und höchstenForderungen. Daher kein mystisch=religiöses Umkehrerlebnis ohnesittliche Zwecksetzung, keine W iederg ebu rt o hn e sittliche Erneuerungvon Volk und Staat. Denn ein Gott der Gerechtigkeit und Wahrheit

* Jes. 7, 8. 9.2 Jer. 31,3X ff.

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erlöst sich seinen Erstgeborenen für ein Leben der Gerechtigkeit undWahrhei t .

Je mehr die Propheten diese Basis und dieses Ziel im religiösen

und staatlichen Leben schwinden sahen, desto gewisser wurde ihnen,daß auch ihr Volk unter den Stürmen der Zeit zusammenbrechenwürde. Sie predigten mithin Untergang nicht um des Untergangswillen. Das eintretende Unheil war ihnen sittlich begründet, der Zu=sammenbruch stets selbstverschuldet. Ist die Gesinnung im täglichenLeben faul, dann rettet auch keine religiöse Kulturrestauration mehr.

Das war ja das Verhängnis in den Tagen des frommen Königs Josiagewesen, daß man sich nach der Auffindung des Gesetzes „so tiefauf Opfer, Feste und Zeremonien einließ", ohne damit die sittlicheErneuerung des Volkes zu verbinden. Daher zeigte sich später auchdie unheimliche Erscheinung, daß die äußerlich Frommen die fana=tischsten Nationalisten wurden. Jeder übertriebene Nationalismussah sich aber noch immer in den Strudel der Weltereignisse hinein=gezogen und erlebte da sein Gericht.

So schwieg die Prophétie denn auch nicht vor dem religiösenKultusleben. Sie zog es mit hinein in ihr göttliches Urteil und nahmdem Volke seine falschen Hoffnungen. Sobald Tempel und AltarInhalt der Hoffnung und Ersatz für Gottes Gegenwart wurden, ent=hüllten sie die Nichtigkeit aller rein äußerlichen Kultushandlungen.

„Idi hasse, ich verschmähe eure leste, und eure lesto er Sammlungenmag idi niàit riedien; denn wenn ihr mir eure Brandopfer und eureSpeisopfer opfert, habe idi kein W ohlgefallen daran; und das ¥rie=

densopfer von eurem Mastvieh mag idi nidit ansehen. Tue denLärm deiner Lieder von mir hinweg, und das Spiel deiner Harfenmag idi nidit hören! Aber das Redit wälze sich einher wie Wasser,

die Gereditigkeit wie ein immer fließender Badi1!" Man vergegen=wärtige sich solch eine Prophetensprache in einer Zeit religiöserSelbstberauschung des Volkes! Aber schickte man in jenen Tagenauch den Propheten heim, sein Urteil blieb in Samaria zurück.

Erinnert sei weiter nur noch daran, daß der Prophet selbst dieAutoritäten der großen Weltmächte mit in sein Urteil hineinzog.

Die Propheten täuschten sich nicht über deren Machtstellung und1 Arnos 5, 21—24.

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Ziel hinweg. Sie verkleinerten vor ihrem Volk nicht die drohendeGefahr und weltgeschichtliche Bedeutung, die ihr Auftreten habenkönnte. Aber auch ihre Bedeutung zeigt sich ihnen nicht in derenmachtvoller Erscheinung, sondern in deren sittlicher Haltung. Trotzihres äußeren Glanzes und ihrer geräuschvollen Machtstellung kön=nen auch sie eventuell nur eine verborgene Rute in der Hand Gottessein , die weggeworfen wird, sobald sie ihre Gerichtsaufgabe erfüllthaben wird. Für Israel sind sie daher eine Gefahr nur insoweit, alssie auch für dieses zu einer Zuchtrute werden müssen. Nicht sieselbst, Gott zieht ihnen die Grenze ihres weltpolitischen Handelns.

Ob Ägypten, ob Assur, ob Babel, ob die kleinen Nachbarvölker: Gottzieht sie alle in seine verborgene Weltregierung. Gefällt es ihm, sowerden sie mit ihrer Macht eine Hilfe Israels; dient es zur Rettungder Zukunft Israels, so können sie diesen aber auch zum furchtbar=sten Gericht werden. Jahv e ist H err auch des großen W eltgeschehens.Und in seinem Handeln herrschen nicht menschliche Stimmung, nicht

unberechenbare Willkür, sondern jener zielbewußte Liebeswilleseiner Gerechtigkeit und Heiligkeit, daß die Erde sein Königreichund die Völker seine Gottesfamilie werden sollen.

Einen solchen Gott dolmetschten die Propheten ihrem Volke.Ihm durfte es vertrauen. Im Vertrauen zu ihm würde Israel stetsneu seine Auferstehung erleben, im Widerspruch gegen ihn müsse

es jedoch mit untertauchen in den Gerichten und Katastrophen einergärenden und selbstberauschten Völkerwelt.

5. Der Prophet und seine sdiweren Dienstkonflikte

„Jahve, du hast midi überredet, und idi habe mich überredenlassen; du bist zu stark geworden und hast midi überwunden. Sobin idi zum täglidien Gelächter geworden, jedermann spottet übermich; denn so oft ich rede, muß ich Krieg ankündigen und Unter»gang prophezeien, also daß Jahves Wort mir Hohn und Spott ein»trägt die ganze Zeit." Jer. 20, 7. 8

Das Gesetz, nach dem organisches Leben nur durch Wehen ge=boren werden kann, beherrscht die ganze Schöpfung Gottes. Jeder

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Ast, der zum Schmuck und zur Krone des Baumes gehört, hat beiseinem ersten Werden in der Rinde zunächst eine Wunde geschaffenund später für immer eine Narbe hinterlassen. Jede göttliche Wahr=

heit, die zum ersten Mal durch einen Menschen in die Welt getragenwurde, bereitete ihrem Träger einen einsamen Weg. Golgatha, d. h.letzte Hingabe an Gott, und Martyrium, d. h. freiwilliges Unterliegender Wahrheit im Kampf mit der Finsternis, waren stets die großenWehen, unter denen jede Gottesoffenbarung in der Geschichte Fleischwerden konnte.

Sooft daher auch im alttestamentlichen Zeitalter ein Prophetbereit war, dem Lichte Gottes einen Weg in das eigene Volk zubahnen, hatte er die „Last" eines Gottespropheten zu tragen. Diesewar vielfach so schwer, daß die Berufenen darunter fast zusammen=brachen oder sich den seelischen Konflikten zu entziehen suchten. Soantwortete z. B. Elia dem Herrn, als dieser ihn auf seiner Flucht vorder Königin Isebel fragte: „W as willst du hier, Elia?": „Ich habeheftig für Jahve, den Herrn der Heersdiaren, geeifert. Denn dieKinder Israels haben de inen Bund verlassen und deine Altäre zer=brochen und deine Propheten mit dem Schwerte umgebracht, undidi bin allein übriggeblieben, und sie traditen darnadi, daß sie mirdas Leben nehmen1."

Wer in die ungeheuren Seelenkonflikte der Propheten hinein=

geschaut hat, versteht noch tiefer das Wort des Jakobus=Briefes:„Elia (d. h. audi der Prophet) war ein M ensch w ie wir." Nie habendie Propheten daher im Blick auf ihre Person Anspruch auf irgend^eine Form von Perfektionismus erhoben. So wenig sie Mystikerwaren, so wenig waren sie Perfektionisten, die sich etwa auf Grundihrer Berufung oder Erkenntnis oder Gottesgemeinschaft über den

Menschen hinausgehoben sahen. Die Gabe ihrer prophetischen Schauwar ihnen nicht ein gesicherter Besitz, sondern von Fall zu Fall gött=liches Geschenk in Form von empfangener Erleuchtung.

Die Propheten bekannten sich unbedingt zu dem Wort, das sievom Herrn als Offenbarung empfangen hatten. Daß sie sich vonGott wie einst Mose in dessen göttliches Vertrauen hineingezogen

sahen, gab ihnen zwar eine sehr starke Freimütigkeit im Verkehr1 i . Kön. 19, 9.

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mit Gott, täuschte sie jedoch nie über ihre volle Menschlichkeit auchals Propheten Gottes hinweg. Sie berauschten sich nicht an demEmpfangenen. Auch verloren sie nie den klaren innerlichen Abstand

von Gott. Sie blieben auch als Propheten Menschen unter ihrenBrüdern und teilten als sich mitschuldig Wissende deren Leiden undGerichte. „Die Barmherzigkeit und Vergebung aber steht bei G ott,dem Herrn; denn gegen ihn haben wir uns aufgelehnt und nichtgehorcht der Stimme Jahves, unseres Gottes, daß wir gewandelthätten in seinem Gesetz, das er uns durch seine K nechte, die Pro*pheten, gegeben hat1." So spricht Daniel als Schicksalsverbundenermit seinem Volk in seinem ergreifenden Bußgebet.

Es ist das ein sehr starker, eigenartiger Zug bei allen Gottes=Propheten, daß gerade sie, die subjektiv am wenigsten am Zerfallihres Volkes schuldig waren, am tiefsten die eigentlichen Ursachender Gerichte, d. h. die Schuld ihres Volkes, fühlten. Wahrhaft Schul=dige dagegen konnten sich innerhalb der Geschichte vielfach sehr

leicht über ihre Sünden hinwegsetzen, indem sie sich ihre Schuldnicht eingestanden oder sich diese selbst vergaben und die Haupt*schuld beim Nächsten suchten. Daher sahen sich auch ganze Völker,die sich über ihre Sünden der Vergangenheit so leicht hinwegtäusch*ten, vor allen andern am ersten wieder in neue Geschiehtskatastro=phen verwickelt.

Die inneren Seelenkonflikte begannen bei den Propheten nichtselten bereits mit ihrer göttlichen Berufung. Als Gott in der WüsteMidians in das Leben eines Mose trat, um ihn zum Retter seinesVolkes zu berufen, da fragte Mose: „W er bin ich, daß ich zu Pharaogehe, und daß ich Israel aus Ägyp ten führe2?" Einwand um Ein=wand erhob Mose gegen den Auftrag, den Gott in sein zukünftiges

Leben legen wollte. Bald war es Pharao, bald war es der Unglaubeseiner Brüder, bald war es seine schwere Zunge, die ihm seine pro=phetische Mission als völlig undurchführbar erscheinen ließen. Erist sich dessen gewiß, daß er v ersagen w ird, und daß Gott doch einemandern den Auftrag wird geben müssen, Israels kommende Rettungdurchzuführen3.

1 Dan. 9, 9 f-2 2. Mose 3 , Ï I . 3 2. Mose 4 ,1 3 .

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Erst als Mose begriff, daß es sich in der Frage der Rettung seinesVolkes aus dem Sklavenhause Ägyptens nicht um eine hochpoli=tische Auseinandersetzung zwischen Pharao und Mose und nicht um

eine hoffnungslose Propaganda unter seinen seufzenden Brüdern,sondern um Pharao und Gott und um Israel und Gott handele, warer bereit, zu gehen. Er als Prophet konnte nichts anderes tun, ersollte auch nichts anderes tun, als vor Pharao und dem Volke dieTat bezeugen, die Gott zum Heil seines Volkes durchführen werde.Wenn nicht mit der Einwilligung eines Pharao, dann auch gegenden Willen eines Pharao. Und bis heute war es wohl das Geheimnisaller großen Persönlichkeiten, durch die eine erlösende Wahrheitin die Welt getragen wurde, daß sie innerhalb ihrer schweren Kon=flikte und seelischen Spannungen gerade in der Erkenntnis dieserWahrheit einen Standpunkt des Glaubens gewannen, der sie unüber=windbar in der Durchführung ihrer göttlichen Mission machte.

Ähnlich war auch das Erlebnis eines jungen Jeremia, als er sich

durch das Wort Jahves zum Propheten berufen sah. „Ehe ich dichim Mutterleihe bildete, kannte ich dich, und bevor du aus demMutterschoß hervorgingst, habe idi dich geweiht und dich den Völ=kern zum Propheten gegeben1/' Mit diesem Wort war Gott in seinLeben getreten. Jeremia sollte vom ersten Augenblick an wissen:Prophet sein ist kein Verdienst vorangegangener Frömmigkeit, son=

dem eine Erwählung Gottes für eine bestimmte Mission, zu der derBerufene sich durch den Herrn begnadet sieht. Und doch kommtJeremia innerlich in schwerste Konflikte. Völkerprophet und Knabesind für ihn Gegensätze, mit denen er nichts anzufangen vermag.„Ach, Herr, Jahve, ich kann nicht reden; denn ein Knabe bin ich!"

Nun suchte der Herr auch einen Jeremia zu der Erkenntnis zu

führen, daß es sich in der gewaltigen Mission eines Völkerprophetennicht um große Prophetengaben und die Völker handle, sondern umGott und den Propheten und um Gott und die Völker. „Sage nicht;nur ein Knabe bin ich! Wohin ich dich senden werde, sollst du gehen,und alles, was ich dich heiße, sollst du reden. Fürchte dich nicht vorihrem A ngesichte; denn mit dir bin ich, um dich zu retten, ist Jahves

Spruch'." Nicht vorhandene Begabung und vorangegangene Lebens=1 Jer. i, 5. 2 Jer. 1,7 f.

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erfahrungen bestimmen Gott, diesen oder jenen zum Propheten zuberufen, sondern allein seine Vorsehung, inwieweit der Berufene inZukunft bereit sein wird, sich im Gehorsam in die Erleuchtung undAktivität Gottes hineinziehen zu lassen. Gott setzt daher bei derBerufung nie den Propheten voraus, erwartet aber, daß der Berufenesich von ihm in der Hingabe an die ihm werdende Offenbarung zumPropheten begnaden lassen wird.

Das hebt andererseits die Tatsache nicht auf, daß es auch fürGott im Blick auf seine große Tat und Offenbarung je und je wert=voll war, daß z. B. ein Mose erzogen war in aller Weisheit der

Ägypter und eingeweiht war in die Geheimsprache der ägyptischenGötterwelt; daß ein Jesaja wahrscheinlich verwandt war mit demdavidischen Königshause; daß Hesekiel einem vornehmen Priester*geschlecht angehörte; daß Daniel am Hofe Nebukadnezars Gelegen*heit hatte, dem Wesen der Weltmächte so tief in die Seele zu sehen;daß Paulus als frommer Pharisäer zu den Füßen eines Gamaliel ge=

sessen ha tte . Aber nicht dieses Plus an sich, das diese Persönlichkeitenin ihrem Leben vor manchen andern voraushatten, begnadete sie,Gottes Prophet zu sein. Auch sie konnten nur insoweit Künder derjeweiligen Absichten Gottes, also Prophet unter ihren Brüdern sein,als Gott sie in seine Erleuchtung und Aktivität hineinziehen konnte.

Noch weit schwerer waren bei vielen Propheten die Konflikte, die

sich ganz naturgemäß aus ihren prophetischen Missionen ergaben.Wir haben schon an Elia erinnert, wie er sich angesichts seines schein*baren Mißerfolges in die Wüste und in die Resignation seines Her=zens zurückzog und bat: „Es ist genug! So nimm nun Herr, meineSeele; denn ich bin niait besser als meine Väter1!" Ein Mose hatteim voraus geahnt, wie schwer sein prophetischer Dienst unter seinen

Brüdern sein würde. Aber daß diese, denen er doch in selbstlosesterWeise zu dienen suchte, sich eines Tages zusammenrotten würden,um ihn als einen Volksverführer zu steinigen, damit hatte er beiseiner Berufung doch wohl nicht gerechnet2. Was Wunder, daß Moseeines Tages angesichts der unübersehbaren Nöte und Schwierigkeitenund Widersprüche zum Herrn sprach: „Warum tust du so übel an

1 i . Kön. 19 ,4 .2 4. Mose 14 ,10 f.

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deinem K neâit? Und warum finde ich nicht Gnade vor deinen Augen,indem du die Last dieses ganzen Volkes auf m ich legst1?"

Wir erinnerten bereits an Samuel, wie schwer es ihm wurde,

Gott in seiner Führung zu verstehen, als eines Tages durch einegegenwärtige Offenbarung eine vorangegangene aufgehoben werdensollte. Erst hatte er den König Saul als einen von Gott Erwähltensalben müssen, und später sollte er demselben Manne die von Gotterfolgte Verwerfung mitteilen. Vielleicht sind es mit die schwerstenSeelenkonflikte im Dienste eines Gottesknechtes, wenn sich aufGrund göttlicher Führung plötzlich Wort Gottes und Wort Gottesgegenseitig aufzuheben scheinen. Wie leicht legt sich dann einemMenschen Gottes das erdrückende Gefühl auf die Seele: entwederjetzt oder vordem mußt du dich in deiner Erkenntnis und in deinemHandeln schwer getäuscht haben!

Arnos sah sich von Gott gezwungen, während eines Festjubelsbeim Reichsheiligtum zu Bethel im Lande Samaria die bekannte

Totenklage zu halten: „Gefallen ist, nicht steht wieder auf die ]ung=

fraulsrael, sie liegt hingestreckt auf ihrer Flur, niemand hebt sie auf2."

Wie bitter war die Antwort des Oberpriesters Amazja, als dieserden Fremdling au s dem Süd lande Judas mit den W orten heimschickte:„Geh, Seher, pack dich weg ins Land Juda! Dort iß dein Brot und dortprophezeie! Aber zu Bethel sollst du nicht fernerhin weissagen; denn

ein Königsheiligtum ist es und eine Reichsdom äne3." Nicht um alsWanderprophet sein Brot zu suchen, war Arnos ins Nordreich Israelgegangen, sondern weil ihm der göttliche Auftrag geworden war,der Jungfrau Israel zu sagen: „Suchet den Herrn, so werdet ihrleben" und dem nahenden Gericht entgehen4.

War es doch zu allen Zeiten mit am bittersten für Gottes Beauf=

tragte, wenn sie sich in ihren heiligsten Aufgaben von ihren Zeit=genossen als gemeine und selbstsüchtige Volksbeglücker oder als„Propheten der Gasse" beurteilt sahen. Dies Antlitz trugen die fal=sehen Propheten, denen Hesekiel die ganz Schwere ihres Handelnsmit den Worten vorhält : „Ihr entheiligt mich bei meinem Volk umeiniger Hände voll Gerste und etlicher Bissen Brotes willen, die

1 4. Mose 11,11. 3 Kap. 7,14 .2 Arnos 5, 1 f. 4 Kap. 5,6.

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Seelen zu töten, welche nicht sterben sollten, und am Leben zu er*halten die Seelen, welche nicht leben sollten, indem ihr mein Volkanlügt, das euren Lügen Gehör schenkt1." Nicht die Brotfrage istdem wahren Propheten das inspirierende Motiv seines Handelns,

sondern sein Dienst fließt ihm aus erlebter Gottesoffenbarung. Umso schwerer empfindet er es, wenn man sein Handeln auf so niedrigeund selbstsüchtige Motive zurückzuführen sucht.

In den Tagen eines Jesaja hatte Jerusalem das göttliche Wundererlebt, daß das assyrische Belagerungsheer sich plötzlich gezwungensah, die Umfassung der heiligen Stadt aufzugeben und zu fliehen.

Von diesem gewaltigen Ereignis, das vielleicht durch den Ausbrucheiner Seuche äußerlich herbeigeführt wurde, erwartete der Propheteine allgemeine Volksbuße der Bürger Jerusalems. Wie litt jedochseine Prophetenseele, als er nach der Rettung die ganze Stadt voneinem rein nationalen Freudentaumel ergriffen sah! Die Angst derverflossenen Tage hatte im Volke nicht zu einer inneren Wendung

geführt. Es ist ihm daher unmöglich, die Freude des Volkes zuteilen. Sein Volk ist umsonst durch die Angst vor dem Gericht, dasnoch gestern vor den Toren Jerusalems stand, hindurchgegangen.Wohl die äußere Lage, aber nicht die Moral des öffentlichen Lebenshatte sich geändert. Es zwingt ihn daher, dem Volke zu sagen: „Zwarrief Jahve, der Herr der Heerscharen, an jenem Tage zum Weinen

und K lagen, zum Bescheren des Haup tes und zur U mgürtung desSackes. Aber siehe, es kam Jauchzen und Jubeln, Ochsenschlachtenund Schafeschächten, Fleischessen und W eintrinken! (Auf!) Gegessenund getrunken; denn morgen sind wir tot2!" Für Patrioten war esdaher etwas Entsetzliches, daß gerade der Prophet, der bisher in denschwersten Situationen dem Volke Gottes Eingreifen und die Ret=rung von Thron und Heiligtum verheißen hatte, mitten in diesenationale Volksfreude die Gerichtsworte hineinschleuderte: „DerHerr der Heerscharen hat m ir ins Ohr gesagt: Wahrlich, diese Misse"tat soll euch nicht vergeben werden, bis ihr sterbet3!"

Wie oft waren daher in der Geschichte die wahren Gottespro*

1 H e s. 1 3 , 1 9 .2

Je s. 2 2 , 1 2 . 1 3 .3 Jes . 22 ,14 .

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pheteii ein Spott den Alleswissenden, ein Anstoß den Patrioten, eineÜberspannung den Priestern, eine Verirrung den Schriftgelehrtenund ein Rätsel dem Volke! Und doch sahen sie sich, wie damals auchein Jesaja, in ihrer prophetischen Schau gerechtfertigt. Zwar dauertees noch mehr als ein Jahrhundert, bis sich Jesajas Worte in der Ge=schichte Judas völlig erfüllten.

Zunächst setzte man unter Hiskias Nachfolger, dem KönigManasse, auch in Juda die Kulte fremdländischer Götter wieder wei=ter fort. Denn trotz der Aufhebung der Besetzung Jerusalems durchdie assyrischen Heere blieb Juda in einer gewissen Abhängigkeit vonAssyrien. Die assyrische Weltmacht wuchs ständig, und damit zogmehr und mehr auch assyrischer Gottesdienst in Juda ein.

Wenn aber Gottes Prophet durch die Machtmittel eines Volkeszum Schweigen verurteilt wird, wie es in der langen Regierungs=zeit eines Manasse geschah, dann können im verborgenen jeneKräfte ungehindert erstarken und sich auswirken, durch die eines

Tages eine Endkatastrophe herbeigeführt wird. Zwar kam nachManasse noch der große Versuch des Königs Josia, Juda zu einerneuen Auferstehung zu führen. Die Auffindung des Gesetzbuchesgab die Veranlassung. Bei der Ausbesserung des Heiligtums wares von dem Hohenpriester Hilkia gefunden worden. Als es dannJosia vorgelesen wurde und die Prophetin Hulda es bestätigte, daß

auch Jerusalem dem Gericht übergeben werden würde, wenn es sichnicht im Gehorsam unter die neu entdeckte Gesetzesoffenbarungbeugen würde, da wurde der König so tief erschüttert, daß er hinforteine große und durchgreifende Kultusrestauration einleiten ließ.

Auch Jeremia glaubte anfänglich, daß damit ein geistliches Mor=genrot für sein Volk angebrochen sei. Aber er sah sich sehr bald

bitter enttäuscht. Das Volk begnügte sich mit einer Neuordnung desKultus ohne innere Erneuerung des Herzens und des Lebens. Jeremiadagegen ersehnte anstatt der Volksreligion den persönlichen Um=gang des einzelnen mit Gott. Und anstatt der einsetzenden natio=nalen Staatspolitik erstrebte er eine bewußte Unterordnung Judasunter Gottes damalige Weltregierung. Ihm war Judas damaliges

Verhalten angesichts der politischen Weltlage Auflehnung gegenGott. Das Volk suchte ohne Beugung jene Gerichtszeiten abzuschüt=

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teln, die unter Gottes Walten zu seiner gnädigen Heimsuchung ge=kommen waren. Es ist das überhaupt eine eigenartige Erscheinunginnerhalb der Geschichte, daß äußere Kultusfrömmigkeit und natio=naler Fanatismus sich so leicht an sich selbst berauschen können und

damit das Volk über seine Verantwortung vor Gott und über denErnst seiner Lage hinwegtäuschen. Religiöse und nationale Leiden*schaffen konnten je und je in der Geschichte ein Volk unsagbar blindmachen.

Als Jeremia daher angesichts dieser Gesamtlage seines Volkesin Jerusalem auftrat und sprach: „Pflüget ein Neues und säet niait

unter àie Dornen! Beschneidet euch dem Herrn die Vorhaut euresHerzens1!", da galt er hinfort den Frommen als falscher Prophet undden politischen Führern als feiger Vaterlandsverräter. Seit dieserZeit war die prophetische Mission eines Jeremia mit Konflikten undLeiden verbunden, wie nur wenige Propheten sie erduldet haben.Seine so starke Betonung und unnachsichtige Forderung, daß das

Recht der Gesellschaft und eines Staates aus höherer Ethik herausgeboren sein muß, konnte man ihm nie verzeihen. Schon zu seinerZeit wurde durch die ganze Haltung des Volkes betont, daß derStaat das Recht habe, seine eigene nationale Staatsmoral zu schaffen.Daher wird nach Jeremias prophetischer Schau auch Israel trotz seinerhöheren Berufung sein Gericht erleben, weil es das Gericht bereits

in sich trug.Je näher die letzten Tage der Entscheidung kamen, je verant=wortungsvoller die politischen Augenblicke für den Fortbestand desVolkes wurden, desto klarer und bestimmter wurde auch JeremiasSprache. Desto schwerer wurden damit aber auch seine Konflikte undLeiden. Wie schwer war die Auseinandersetzung mit Chananja vorden versammelten Fürsten! Oder wie litt seine priesterlich=prophe=tische Seele, als Zedekia sich im Vertrauen auf Ägyptens Hilfe dochzur offenen Auflehnung gegen Nebukadnezar entschloß! Alsbaldwälzten sich zum zweiten Mal die babylonischen Heere gegen Jeru=salem.

In dieser Bedrängnis ließ Zedekia bei Jeremia anfragen, was mantun solle. Der Prophet riet zur U nterwerfung. W er hinausgehen wird

» Jer.4/3f.

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neue belagert. Nach einer heldenmütigen Verteidigung unterlagenam 9. Juli 568 die Streitkräfte Israels. Nun war das Geschick deralten Stadt Davids mit ihrem Heiligtum besiegelt.

Nebukadnezars Zorn kannte keine Grenzen. Zedekia, der vor

elf Jahren durch die Großmut des Babyloniers den Thron empfangenhatte, mußte seinen Undank und seine Untreue in der entsetzlich=sten Weise büßen. Man ließ alle seine Kinder vor seinen Augenhinrichten, und darnach wurde er selbst geblendet. In schwerenKetten wurde er mit einem großen Teil seines Volkes nach Babelgeführt. Er hatte den Weg des Lichts verschmäht, und nun'wandelte

er den Weg der Nacht mit all seiner Schande und Qual. Es ist ent=setzlich, in welch eine Hölle den Menschen seine verblendete undfalsche Einstellung auf politischem und religiösem Gebiet zu führenvermag. Man wähnte in Juda den Weg zum Leben zu wandeln undschuf sich den Weg zum Tode. Dies im Lichte Gottes zu sehen undin Freimütigkeit zu sagen, bereitete dem Propheten jenen Leidens»

weg, den er bis an sein Lebensende zu gehen hatte.Die inneren und äußeren Konflikte steigerten sich bei manchen

Propheten bis zum Martyrium. Selbst in den Tagen Jesu muß.te einJohannes der Täufer sterben um der Wahrheit willen. Auch er kam,als er in der Feste Machärus saß, in schwerste Konflikte. „Bist duder Kommende? Oder sollen wir nodi auf einen andern warten?"

läßt er durch seine Jünger den Meister fragen. Alles schien ihm, vonseiner Haft aus gesehen, so widerspruchsvoll zu sein. Die prophe=tische Verheißung aus der Vergangenheit sah sich so wenig gedecktdurch die messia nische Erfüllung in der Gegenw art.

Das sind Konflikte, wie die Kirche Christi und deren Träger siebis heute kennen. Soweit die Kirche Christi Prophetin innerhalb derGeschichte war, teilte sie auch die Leiden der Propheten. Aber wasbedeuten alle prophetischen Leiden, wenn durch das prophetischeZeugnis das Volk und dessen Zukunft gerettet werden? Wer Gol=gatha gesehen und verstanden hat, der weiß, daß das Kommen derKönigsherrschaft Gottes nur auf dem Wege freiwilliger Leiden her=beigeführt werden kann. Wie einst alle Leiden und Konflikte derPropheten über sich hinaus auf das größte Opfer hinwiesen, das von

dem Gesalbten Gottes freiwillig gebracht werden sollte, so weisen

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ten als „das große weltgeschichtliche Wunder" ! Aber nur auf Grundeiner schöpferischen Gottestat wurde es immer wieder zu diesemWunder. Die Kraft zu seiner wiederholten nationalen Auferstehungfand Israel nicht etwa in sich, sondern in seinem Gott der Erwählung

und Berufung. Er durchbrach die natürlichen Entwicklungsgesetzedes Werdens und Vergehens in der Geschichte seines Volkes undrief neu ins Dasein, was erstorben war; er ließ neu erblühen, wasdem Gerichte erlag.

Denn keine Überzeugung bildete so das starke Fundament desreligiösen und staatlichen Lebens Israels wie diese: Israel ist Gottes,

und dieser Gott ist ein Herr aller Dinge! Ihm gehört das Leben undder Tod, er verfügt über Vergangenheit und Zukunft, er beherrschtden Menschen und die Völker. Erstorbenes bedeutet für ihn nichtNichtseiendes, Gerichtetes ist ihm nicht Verlorenes, Verirrtes hat ernicht aufgegeben. Daher mußte jede neue Kundgebung seiner Barm=herzigkeit in der Geschichte Israels der Völkerwelt als ein neues

Wunder, als eine Durchbrechung jeder völkischen Entwicklung er=scheinen. Aber für den Gott Israels gibt es keine Wunder, keineDurchbrechung der bestehenden Gesetze. Für ihn gibt es nur freies,souveränes Wirken, schöpferisches, erlösendes Neugestalten, erleuch=tende und heiligende Offenbarung seiner Gerechtigkeit und Gnade.

Uns Menschen jedoch muß solch ein souveränes Handeln Gottes

im Leben eines Volkes als ein Wunder, als eine Durchbrechung völ=kischer Entwicklungs= und Vergehungsgesetze erscheinen.Es bleibt ein Wunder, daß selbst die größten Sturm= und Ge=

richtspropheten mitten im Gericht von Leben weissagten. Dies ge=schah nicht etwa auf Grund ihres spekulativen Denkens oder einerklaren Einsicht in die großen Völkerbewegungen in ihren Tagen,sondern auf Grund prophetischer Schau, zu der sie von Gott begna=det wurden. So redeten einst die Propheten von Gegenwart undZukunft, von Gericht und Gnade, von Weltstaat und Gottesreich.Wem feststeht, daß der jeweilige wahre Gottesprophet nicht Schöp=fer der Offenbarung, sondern nur deren jeweiliger Empfänger undDolmetscher w ar, der w eiß, daß ihm v on G ott auch Dinge anv ertrautwerden konnten, die weit über seinen zeitgeschichtlichen Gesichts»

kreis hinausg ingen. In ihren großen Um rissen w urde auch die dunk le

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Gegenwart und fernere Zukunft licht, wenn die göttliche Wahrheitihr Licht durch einen Propheten auf sie fallen lassen konnte.

Auf keinem Gebiet des prophetischen Wortes war jedoch der

allmähliche Fortschritt von Erkenntnis zu Erkenntnis und von Klar=heit zu Klarheit so wahrnehmbar wie auf dem der Zukunftserwar=tungen des israelitisch=jüdischen Volkes. Israels Propheten warenzu sehr Werdende und von Gott Abhängige, als daß der einzelnevon ihnen mit seinem ausgesprochenen Wort bereits das Letztegesagt hätte. Einen Arnos muß unbedingt ein Hosea ergänzen.

Hesekiels Hoffnung mußte der Gerichtsbotschaft eines Jeremia folgen.Zu den allgemeinen Reichserwartungen der vorexilischen Prophetenmußte die persönliche Seelsorge der nachexilischen hinzukommen.Gott hatte in seiner Offenbarung nicht das Letzte gesagt, nicht sagenkönnen; daher hatten auch seine Beauftragten stets Neues zu sagen.Und wenn sie anknüpfend Altes sagten, so sagten sie es doch neu

aus dem augenblicklichen Wirken Gottes heraus. Wie mancher Got=tesknecht hat daher alte Formen der Vergangenheit mit völlig neuemInhalt gefüllt!

Dieses Ursprüngliche des lebendigen W ortes , un d w enn es ähnlichoder wörtlich auch noch so oft vorher gesagt worden war, war ja dasGeheimnis des Prophetenwortes. Sobald dem israelitischen Volke

diese Propheten fehlten, so konnte zwar von den Gesetzeslehrerndas Gesetz noch so fleißig abgeschrieben und rezeptiert werden, damitbesaß das Volk noch nicht das Wort Gottes. An diesem Verhängnisist später die jüdische Gemeinde zugrunde gegangen. Daher konntein ihrer Mitte Johannes enthauptet und Christus durch sie gekreuzigtwerden. Alleswissende und Vollendete vertrugen nie eine Prophe*

tenrede. In ihrem Leben triumphierte stets das Gesetz über das Evan=gelium, das Rabbinat über den Jünger, der Buchstabe über den Geist.

Israels Go tt gehörte die Zuk un ft; daher empfing Israels Gemeindedurch die Schau seiner Propheten eine so gewaltige Eschatologie.Auf ihre ganze Fülle, die grundlegenden Fragen des Lebens, derErlösung und Vollendung, kann hier nicht eingegangen werden. Wir

werden auf sie zu sprechen kommen bei den einzelnen Propheten.Aber es gab kein Gebiet des Lebens, das nicht in die prophetischen

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So war es auch etwas ganz Persönliches, wenn Daniel einemNebukadnezar im voraus sagte, daß er zu seinem Gericht von einemWahnsinn befallen werden würde. Alle diese Voraussagen hatten es

mithin nicht mit der Eschatologie zu tun. Diese fing erst an wie einheller Stern zu leuchten, als die dunkelste Nacht in der GeschichteIsraels anbrach. So wurde das Gebiet der GlaubenserwartungenIsraels immer größer. Es umfaßte allmählich sowohl die gegenwär=tigen als auch die endgeschichtlichen Geschichtsereignisse und Reichs=gottesoffenbarungen.

Da war z. B. die Sündenfrage, verbunden mit dem dauerndenAbfall von Jahve, mit den Verirrungen im Baalsdienst, mit der zu=nehmenden Versumpfung des moralischen Lebens, mit der Entrech=tung der Geringen und Schwachen im bürgerlichen Verkehr undanderes m ehr. Es hat w ohl bisher in der Geschichte kau m ein Volkgegeben, das so bewußt wagte, all seine Gerichtserlebnisse auf dieeigene Schuld zurückzuführen, wie das israelitisch=jüdische Volk es

tat. Seine Propheten blieben im Blick auf das eingetretene Unglücknicht bei den Sünden der Nachbarvölker oder den Ungerechtigkeitender Weltmächte stehen. Sie sahen deren Handlungen und Grausam*keiten als eine Rute Jahves an für Israels eigene Schuld. Solch eineobjektive Beurteilung der eigenen Leiden und Gerichte hob Israel inseinem tiefsten Erkennen und Bekennen weit über seine Nachbar*

Völker und deren Buße hinaus.Aber trotz der Tiefe des Falles und der Größe der Schuld ver=

zweifelte letzthin der Prophet nicht. Gottes Bundesverhältnis zumVolke war ihm stets größer als Israels Treubruch gegen Gott. Hattedas Volk auch Jahve verloren, so jedoch nicht Jahve seinen Erstge=borenen. Bereits Mose hatte im Blick auf den jeweilig eintretenden

Abfall seines Volkes das gewaltige Wort gesprochen: „Aber selbstauch dies: selbst während sie im Lande ihrer Feinde sind, habe idisie damit nicht verachtet und nicht verworfen, sie zu vernichten,meinen Gnadenbund mit ihnen aufzuheben; denn ich, Jahve, bleibeihr Gott1."

Daher wagen die Propheten auch immer wieder, von einer Ver=

gebung zu sprechen, die sich für die Gebeugten stärker erweisen1 3. Mose 26, 44.

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wird als deren Gericht. Denn ein neues Verhältnis zu Gott ist ihnennach jedem erlebten Fall nur noch denkbar auf Grund göttlicher Ver-gebung. So spricht selbst Arnos, der sich eigentlich nur als Trägergöttlicher Gerechtigkeit fühlte: „An demselben Tage will idi diezerfallene Hütte Davids wiederaufriditen und ihre Risse vermauernund ihre Trümmer wiederherstellen und sie wieder bauen wie inuralten Tagen1/' Und ergreifend ist Michas Frage: „Wer ist wie Gott,daß er Sünden vergibt und dem Rest seines Erbteils die Übertretungnadiläßt, der seinen Zorn nidit allezeit festhält? Denn er hat Wohl*gefallen an Gnade2."

Hesekiel darf den Schmachbeladenen und seelisch Gebrochenenvon dem neuen Bunde sagen, den der Herr mit seinem Erstgeborenenaufrichten wird: „Idi will meines Bundes gedenken, welàien idi mitdir in den Tagen deiner Jugend gesdilossen habe, und idi will einenewigen Bund mit dir aufriditen. Alsdann wirst du an deine Wegegedenken und dich, sdiämen, wenn du deine größeren und kleineren

Sdiwestern zu dir nehm en wirst, weldie idi dir zu Töditern gebenwill, obgleidi sie nidit zu deinem Bunde gehören; idi will abermeinen Bund mit dir aufriditen, und erfahren wirst du, daß idiJahve bin3."

A us diesen un d v erw andten prophetischen Aussprüchen un d Er=»Wartungen geht aber mit großer Gewißheit hervor, daß eine Wieder*

herstellung und Auferstehung des Volkes aus seinem jeweiligenGerichtszustand nur auf Grund der Vergebung und innerlichen Neu=Schaffung geschehen kann. So wenig die Gnade bei Getöteten, wieHesekiel im Bilde sein Volk sah, etwas voraussetzt und erwartet, sosollen sie doch aufhorchen, wenn der Prophet weissagt: „Ihr ver*dorrten Totengebeine! Höret Jahves Wort!" Wo nicht die von Gott

ausgehende Vergebung den Menschen zu neuer Hingabe erweckenkann, da1 ist sie im Blick auf die Zukunft vergeblich empfangen.Die Gnade hebt nur den aus dem Gericht, den sie von dem erlösenkonnte, das zum Gericht führte. Die Frucht der Vergebung ist einneues Ethos des Lebens. Wo nicht, wird sie mißbraucht zur Vor=

1 A m o s 9 , 1 1 .2 Micha 7 , 18 .3 Hes. 16,60 ff .

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der statt eines betrübten Geistes gebe, daß sie genannt werdenBäum e der Gerechtigkeit, eine Pflanzung Jahves zu seinem Ruhm ...Ihr sollt Priester Jahves heißen, und man wird euch (freiwillige)

Diener unseres Gottes nennen1

."Auf Grund solcher und ähnlicher Glaubenserwartungen gewann

Israel auch in seiner tiefsten Schmach und Auflösung eine Spann=kraft, die es aus den großen Leiden der Gegenwart heraushob undeine lichtere Zukunft erwarten ließ. Wie wenig jedoch diese Erwar-tungen in ihrem Endziel rein national oder völkisch waren, das

zeigen Prophetenworte wie die des Jesaja, wenn er von einer Zu=kunft zu sprechen wagt, wo selbst Israels größte Feinde und Be=drücker mit Segensgenossen der kommenden Erlösung sein werden:„Zu derselben Zeit wird sich Israel als drittes zu Ägypten und Assurgesellen und ein Segen inmitten der Brüder sein, zu welchem esJahve der Heerscharen setzt, indem er sagen wird: Gesegnet bist du,Ägypten, mein Volk, und du, Assur, meiner Hände Werk, und du,Israel, mein Erbteil2!" Welch eine gewaltige Sprache! Wahrlich dieSprache einer Hoffnung, die sich aus allen völkischen Bindungen undzeitlichen Gerichten herausgehoben sieht und nur noch von der letz=ten Wirklichkeit, von der Welt Gottes aus zu reden wagt. Wie wenigsolch eine prophetische Schau nur Einzelerwartung war, zeigen unsdie Nachfolger eines Jesaja, besonders auch die während= und nach=

exilischen, z. B. Joel, Daniel, Jona.

II. Arnos, der Künder göttlicher G erech tigkeit1. Nord-Israel und die weltgeschichtliche Stunde

„Geschieht in der Stadt ein Unheil, ohne daß Jahve es getan hat?Jedoch nichts tut der Herr Jahve, er habe denn zuvor seinenKnechten, den Propheten, seinen geheimen Ratschluß enthüllt. Esbrüllt der Löwe, wer fürchtet sich nicht? Der Herr Jahve redet, wersollte nicht Prophet sein?* Arnos 3,6—8

An jedem Wendepunkt der Geschichte Israels stand der Prophet.Gott erweckte ihn mit jedem ersten Wetterleuchten am politischen

Horizont des allgemeinen Weltgeschehens, damit er den Trunkenen,1 Jes. 61,1-6. * Jes. 19,24 .

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Sorglosen und Schlafenden innerhalb seines Volkes die nahendeGefahr deute. Dabei wuchs die innere Größe und die Kraft seinesWortes stets mit dem Widersprach seines Volkes. Je heftiger manihn und seine empfangene Offenbarung bekämpfte, desto wuchtigergestaltete sich seine Botschaft. Ein Jeremia ist nur denkbar in derdunkelsten und entscheidungsvollsten Nacht der Geschichte Israels.Lieber erlag der Prophet als Zeuge der Wahrheit der politischenMacht und dem blinden Fanatismus seines Volkes, als daß er vondem Leben und dem Tode schwieg, zwischen denen Israel zu ent=scheiden hatte. Tritt er auf, dann wird die Geschichte seines Volkesihn nicht wieder los. In der Stellungnahme zu seinem Wort entschei=det das Volk hinfort über das Wohl und Wehe seiner nächsten oderferneren Zukunft.

Dieses Gepräge trägt bereits der erste unserer kanonischenSchriftpropheten in seinem Dienst. Es ist Arnos, der Kleinviehhirtevon Thekoa. Das war eine kleine Stadt, die etwa zwei Stunden

südlich von Bethlehem lag, deren Ruinen heute noch erhalten sind.Hier lebte er, nicht als begüterter Herdenbesitzer, sondern als Schaf=Züchter und Sykomorenpflanzer. Offenbar besaß Arnos solch eineMaulbeerfeigenpflanzung in dem vorgelagerten Hügelland, das denÜbergang von der Jordanebene zum Gebirge Juda bildete. Hierdurchzog er als Hirte, wie es noch heute überall im Gebirge Juda

geschieht, mit seiner Herde die verschiedenen Gegenden und führtenach dem uralten Brauch seiner Väter ein Nomadenleben.

Was seine Eltern veranlaßte, ihm den Namen Arnos, d. h. „Trä=ger" oder „Last", zu geben, wird uns nirgends angedeutet. Vielleichtläßt aber auch schon sein Name darauf schließen, daß er in ärm=liehen Verhältnissen geboren worden war. Dieser Mann erlebte in

der Einsamkeit seines Hirtenlebens eine göttliche Berufung. Hinfortsah er sich vom Herrn nach Bethel in Nord=Israel als Prophet ge=sandt. Er selbst war Judäer, und die Zeit seiner prophetischen Mis=sion fiel in die Regierungsjahre des Königs Usia von Juda und indie Jerobeams II., des Königs von Nord=Israel, und zwar „zwei Jahrenadi dem Erdbeben"'. Beide regierten etwa in den Jahren 782 bis 741

v . C hristus. W ahrscheinlich fiel das Auftreten des Arnos in die letzteHälfte der Regierungszeit Jerobeams II.

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Was war das für ein Wetterleuchten, das Amos von seiner Step=peneinsamkeit her im Norden plötzlich aufleuchten sah, und demer auf Grund prophetischer Schau die Deutung eines herannahenden

Gerichts für Nord=lsrael geben mußte? Stand doch gerade das Nord=reich unter Jerobeams II. starker politischer Führung außer jederGefahr. Es erlebte in jener Zeit eine Glanzperiode, wie sie Israel seitden Tagen Davids nicht mehr erlebt hatte.

Unsere obige Frage zwingt uns daher, etwas auf die geschicht=liehe Entwicklung, die sozialen Zustände und das religiöse LebenNord=Israels einzugehen. Nord=Israel war als selbständiger Staatdie Schöpfung einer politisch=sozialen Revolution. Nach dem TodeSalomos hatte dessen Sohn Rehabeam in Sichern eine große Dumm=heit begangen. Anstatt die schweren Lasten, unter die das Volkdurch die kostbaren Bauten und das luxuriöse Leben seines VatersSalomo gekommen war, zu erleichtern, ließ er dem in Sichern zueiner Reichstagung versammelten Volke sagen: „Mein Vater hat

euch mit Geißeln gezüchtigt, ich will euch mit Skorpionen züchtigen1."Das war der Auftakt zur Reichsspaltung unter der politischen Füh=rung Jerobeams I. gewesen. Dieser war aus Ägypten, wohin er alsRevolutionär in den Tagen Salomos geflohen war, zurückgekehrt,und zehn Stämme des bis dahin vereinigten Königtums ernanntenihn zu ihrem königlichen Führer.

Er suchte nun zur Festigung des Zehnstämmereiches eine sehrzielbewußte Innenpolitik zu führen. Zu dem Zweck löste er denreligiösen Kultus vom Zentralheiligtum in Jerusalem und erbauteStieraltäre in Bethel und Dan. Beide Orte waren schon zu Elis undSamuels Zeiten uralte geheiligte Stätten des Jahvekults gewesen.Aber ihm war es weniger um eine wirkliche Verehrung Jahves zu

tun, sondern um die zielbewußte Pflege einer nordisraelitischenNationalreligion. So trieb er Frevel am Heiligsten zur Hebung seinerpolitischen Macht. Sein Manifest lautete: „Ihr seid nun lange genugnach Jerusalem gepilgert! Da hast du deine Gottheit, Israel, die dichaus Ägypten geführt hat2!"

Eine solch unheilige Saat schuf eine ihrem Geist entsprechende

1 i . Kön. 12 , i i .2 i . Kön. 12 , 28 ff.

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geschichtliche Frucht. Bereits unter seinem Sohn ging seine Dynastiedurch eine Militärrevolution zugrunde. Der Kriegsoberste Baesa, derSohn Achijas aus dem Stamme Isaschar, riß den Thron über dasNordreich an sich. Aber auch dessen Dynastie war ohne Bestand.Bereits sein Sohn Eia wurde während eines Zechgelages von seinemDiener Simri erschlagen. Auch dieser fiel wiederum durch Mörder*hände. Um eine festere Hand für das Land zu bekommen, das sichmehr und mehr in chaotische Zustände aufzulösen drohte, erwähltedas Zehnstämmereich im Jahre 884 den Heerobersten Omri zumKönig.

Ihm schien es zu gelingen, dem Volke vorübergehend Ruhe undeinen wirtschaftlichen Aufstieg zu geben. Er schuf die HauptstadtSamaria und suchte ein politisches Bündnis mit Tyrus. Die politischeFreundschaft ging so weit, daß er eine Tochter Etbaals, des Königsvon Tyrus, seinem Sohne Ahab zum Weibe gab. Dies war Isebel,die auch den tyrischen Baalkultus mit nach Samaria brachte. Ahabs

Gewissen war weit genug, solch einen religiösen Synkretismus imLande Jahves zu stützen und zu fördern. Das Gesetz Israels mußtezurücktreten vor den Zielen der äußeren Politik. Erst der Staat,.dannder Tempel! In Ahabs Tagen begann nun ein Kampf zwischen Pro=phet und König, wie Israels Geschichte ihn bisher kaum gekannthatte. Dieser Kampf ist hinfort nicht mehr zur Ruhe gekommen. So

wurde es Ahab und seinem Hause zum Verhängnis, daß ein Prophetin sein Leben trat, der stärker war als er. Dies war Elia. In demKampf des Königs gegen das Wort Jahves, das dieser zu bringenhatte, brach mit Ahab auch dessen Dynastie zusammen.

Durch den von Elia oder einem Prophetenschüler gesalbten Jehu,den Feldhauptmann Jorams, einen zweiten Sohn Ahabs, wurde das

ganze Haus Ahabs in fürchterlicher Weise ausgerottet. Zwar hatteJehu zu gleicher Zeit auch mit allen Baalspriestern und heidnischenKultusstätten aufgeräumt. Jedoch die positive Kraft, ein neues Israelzu schaffen, fehlte auch ihm. Auch eine politische Hebung desNordreiches wollte ihm nicht recht gelingen. Erst seinem Enkel Joas,der stark unter dem Eindruck des Propheten Elisa stand, gelang es,

das Nordreich mehr vom Druck der Aramäer frei zu machen. ZuEnde führen konnte es jedoch erst dessen Sohn Jerobeam II.

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Diesem Herrscher gelang es, ganz Nord=Israel von allen Feindenso zu befreien, daß das ganze Land einen machtpolitischen und wirt*schaftlichen Aufstieg nehmen konnte wie nie zuvor. Nur in denTagen Davids glichen die Landesgrenzen denen des jetzigen Zehn=stämmereiches. So schwer die Thronwirren und die Blutschande desZehnstämmereiches in seiner bisherigen V ergan genheit auch gewesenwaren, die davidische Macht schien in Jerobeam II. auf Nord=Israelübergegangen zu sein. Die Geschichte setzte sich scheinbar über dasGesetz, daß nur die Gerechtigkeit ein Volk erhöht, einfach hinweg.

Diese innere Glanzzeit und außenpolitische Ruhe machten dasVolk trunken von sich selbst und hüllten es in eine nationale Selbst*Sicherheit, durch die es blind wurde für die verborgenen Vorgängein der außenpolitischen Geschichte. Nachdem Syriens Herrschaft sovollständig zusammengebrochen war und man von Assur her nichtszu befürchten hatte, schien das Leben Nord=Israels auch außer jederpolitischen Gefahr zu stehen. Nur völlig erloschene Vulkane ruhen.

Aber weder Aram , noch w eit w enige r Assur w aren erloschene Völker.Sie trugen in ihrem Innern Kräfte, die sich zur gegebenen Stundein ungeahnter Stärke wieder regen und Schrecken und Verderbenunter die Nachbarvölker tragen konnten.

So geschah es, als etwa 745 Tiglath=Pileser III. den assyrischenThron bestieg. Es war der König Phul in den Büchern der Könige1.

Diesem kühnen und fähigen Herrscher gelang es, die Macht Babylonsbereits nach fünf Monaten so zu brechen, daß er sich den Herrschentitel aneignen konnte: „Herr von Assyrien und Babylonien". Auchdie medische Macht konnte seinem Ansturm nicht standhalten. Sieerlag im folgenden Jahre ebenfalls seinen machtpolitischen Unter=nehmungen.

Das war die weltgeschichtliche Stunde, in die Arnos' Berufungzum Propheten fiel. Für eine große Zeit ein kleiner Mann! Aberfür Gott ist nicht entscheidend die Größe der menschlichen Person*lichkeit, sondern die Hingabe an seine Sendung und Offenbarung.Gott braucht für seine prophetischen Missionen nicht Träger derGeschichte, sondern von ihm erleuchtete Dolmetscher derselben.

Geschichte macht er in seiner Souveränität und Machtfülle. Damit1 2 . Kön . 1 5 , 1 9 .

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die Völker aber ihn in seinem verborgenen Walten sehen, ihn inseinen Heilsabsichten verstehen und ihm in freier Hingabe dienenmöchten, dazu beruft er zum Heil der Völker seine Propheten. Ihr

Mund soll künden, was Völker nicht sehen, und deuten, was Völkernicht v erstehen. O b der Prophet Gericht oder Gnade im W orte Jahveszu künden hatte, Ziel seiner Mission war immer das Erkennen derWirklichkeit und der Herrschaft Gottes zum Heil der Welt. Durchdie Mission des Propheten suchte die Barmherzigkeit bis zur letztenMöglichkeit zu triumphieren über die Blindheit der Völker und über

das Gericht menschlicher Geschichte.Es war daher Gnade, wenn an jedem kritischen Wendepunktder Geschichte des Gottesvolkes ein Prophet auftrat. Diese Gnadestellte jedoch das Volk vor letzte Entscheidungen. Nach empfan=genem Prophetenwort gab es nur noch Hingabe oder Auflehnung,entweder eine innerliche Erneuerung durch Gott oder eine bewußteSelbsterlösung ohne Gott. Was sich einmal endgeschichtlich vollen=den wird, Christus oder Widerchristus, das vollzog sich dem Wesennach bereits immer wieder in den großen Entscheidungszeiten derGeschichte Israels: göttliches Prophetenwort oder machtpolitischeStaatspolitik, das Königreich der Himmel oder die Herrschaft dämo=nischer Mächte.

2. Arnos, der Kleinvieh h irte, als Prophet

„Arnos aber antwortete dem Amasja und spradi: Ich bin keinProphet nodi eines Propheten Sdiüler, ein Kleinviehhirte bin idiund ein Sammler von Maulbeerfeigen. Und es nahm midi Jahve

hinter der Kleinviehherde hinweg, und Jahve sagte mir: Geh,prophezeie über mein Volk Israe l!" Arnos 7,14 f.

Arnos' prophetische Sendung war seltene Knechtschaft der Offen=barung. Mose war am Hofe Pharaos erzogen; Jesaja stammte offen=bar aus königlichem Hause; Hesekiel gehörte einem vornehmenPriesteradel an; Daniel wurde durch seine Erziehung Mitglied des

chaldäischen Magierordens. Bei Arnos konnten weder Herkunft nochBildung, weder Titel noch wissenschaftliche Stellung imponieren.

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Seine Prädestination zum Propheten lag allein in Gott, der ihn ausdem einfachen Nomaden= und Hirtenleben hinwegnahm und alsseinen Boten nach Bethel in Nord=Israel sandte.

Das war ein erneutes Hinabsteigen Gottes in die Armut dermenschlichen Geschichte. Verstand ihn nicht der starke Herrscherauf dem Throne zu Samaria, dann gewann er sich das Ohr eineskleinen Schafhirten auf dem Hügellande der Wüste Juda. Das warenje und je die Leiden der göttlichen Offenbarung, daß sie auf dasGroße in der Geistesgeschichte der Menschheit verzichten mußte undsich in ihrer Mission an das Unscheinbare gebunden sah. Auch diegrößte Gottesoffenbarung in Christus konnte die Welt nur in dessenfreier Selbsterniedrigung erleben, indem sie Fleisch wurde. In dieserKnechtsgestalt wandelt bis heute die göttliche Offenbarung innerhalbder Geschichte. Sie konnte immer nur eine Kraft Gottes in mensch=liehen Tongefäßen sein1, nur zeugen wie ein Apostel, jedoch nieherrschen wie eine Königin.

Näheres über Arnos' Berufungserlebnis wissen wir nicht. SeineAntwort an den Oberpriester aus Samaria deutet jedoch an, daß ersich keineswegs zu den berufsmäßigen Propheten zählte. Das Er=staunliche bleibt, daß er trotz der engen Welt, in der er lebte, docheinen so weiten Blick für die Vorgänge am Horizont der politischenGeschichte und ein so klares Urteil über den Scheinzustand des Zehn=

stämmereiches besaß. So stark die Anregungen auch sein mochten,die Arnos von durchreisenden Handelsleuten empfing, soviel manihm gelegentlich auch Großes und Erstaunliches aus dem neu ent=standenen Nordreich erzählte, woher wurde dem schlichten Hirtendieses politische Sehfeld für das Auftauchen der Großmächte undderen schwere Bedeutung für das trunkene Samaria?

Gewiß führte er auf den Bergen Judas ein sehr stark sinnendesInnenleben. Gewiß wurde sein Auge in der Wüste für natürlicheFernblicke geübt. Gewiß war er eine sehr ernste und sittliche Per=sönlichkeit, die besonders stark unter all den Gerüchten von demherrschenden Luxus, von den öffentlichen Ungerechtigkeiten undvon der Herrschaft einer scheinheiligen Frömmigkeit Nord=Israels

litt. Aber das Geheimnis seiner prophetischen Schau, seiner mutigen1 2. Kor. 4, 7 .

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Mission und seiner klaren Gerichtssprache lag doch weit tiefer. Nichtvom Menschen, nur von Gott aus ist Arnos in seiner prophetischenMission zu verstehen.

Bevor das Gericht zu diesem Volke spricht, soll zuvor ein Prophetzum Volke reden. Die Offenbarung will zunächst noch einmal gehörtwerden, bevor Israel in seinem gottlosen Wesen rettungslos unterder herannahenden Katastrophe zusammenbricht. Auch wenn derProphet nur noch Gericht zu künden hatte, war dessen Auftretendoch immer ein letzter Versuch der Barmherzigkeit, das Volk vomTode zum Leben zu führen.

Arnos' erstes Auftreten erfolgte bei dem großen Herbstfeste zuBethel. Hier befand sich das derzeitige Heiligtum des Nordreichs,und zwar an jener Stätte, wo im Bilde einer Leiter Jakob im Traumdie Verbindung der himmlischen Welt mit dem Menschen auf Erdengesehen hatte. Den Altar daselbst schmückte ein altehrwürdigesStierbild, das wie einst das Goldene Kalb Aarons in der Wüste vondem Volke als Symbol Jahves angesehen wurde. Hier in Bethel alsdem größten Mittelpunkt des geistigen und religiösen Lebens ver=sammelten sich die zehn Stämme Israels an den großen Festzeitendes Jahres zu ihren gemeinsamen Festfeiern. Was bereits Jerobe=ams I. kluge Innenpolitik gewesen war, nämlich das Nordreich inseinem religiösen Leben und Kultus ganz von dem Tempelheiligrum

in Jerusalem zu lösen, das war endlich von Jerobeam II. glänzenddurchgeführt worden. Jahve war nicht weniger in Bethel, als er inJerusalem gewesen war. Hier brachte man ihm an jedem großen Festeseine Opfer, Dankgebete und Gedächtnisfeiern dar, durch die manjedoch weit mehr sich selbst als dem Herrn diente.

Es wird angenommen, daß es im Jahre 760 bei solch einer großenHerbstfeier war, als Arnos mitten unter der feiernden Menge seineergreifende Totenklage hielt:

„Gefallen ist und nicht steht wieder auf

die Jungfrau Israeli

Sie liegt hingestreckt in ihrem Lande,

und niemand richtet sie wieder auf1."1 Kap. 5, 2.

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Dort, wo trotz allem äußeren Schein der Fall des Volkes am tiefstenwar, sollte die Gottesbotschaft am ersten und wuchtigsten gehörtwerden. Denn hier schlug der Pulsschlag des täuschenden Lebens amstärksten. Hier sollte man hören, von welch einem Sterben dies

herrschende Leben ergriffen werden würde. Denn der Fremdlingbeklagte mitten u nte r der feiernden M enge nicht etwa den Tod seinesVaters oder seiner Mutter — ne in, den Tod des gegenw ärtig nochrauschenden Lebens der feiernden Menge. Das war das Unerhörte:er hielt eine Totenklage mit demselben bestimmten Tonfall, mit dem=selben innerlichen Weh und Ernst des Herzens, wie jeder Israelit

den Tod seiner Mutter beklagte. Was andere als Illusion eines Ver=rückten empfinden mußten, war dem Hirten von Thekoa Wirklich»keit: er beklagte das erst Kommende in der Geschichte Israels alsbereits eingetretene Wirklichkeit. Das war ja das Geheimnisvolledieser Beauftragten Gottes, daß sie vielfach auf Grund ihrer prophe=tischen Schau seelisch im voraus das als bereits gegenwärtige Wirk=

lichkeit durchlebten, was Volk und Völker erst später im natürlichenGeschichtsverlauf zu durchleben gezwungen wurden.

Wir können uns kaum denken, welch eine Bestürzung das Auf=treten des Arnos hervorrief. Das mußte in den Augen aller Frommenin Israel als Gotteslästerung und im Urteil aller staatserhaltendenPatrioten als Volksverrat erscheinen. Wurde doch dadurch alles um=

gestoßen, was bisher dem Volke als Grundlage seines Vertrauens zuGott gedient hatte. Als welch ein Frevel mußte es auch den frommenIsraeliten erscheinen, daß jemand so an den Fundamenten der ge=schichtlichen Garantien des Volkes rütteln konnte, wie es dieserangebliche Dolmetscher aus dem jüdischen Städtchen Thekoa tat!Bedeutete das nicht einen un v eran twortlichen Angriff auf Israels Hei=

ligtum und Israels Geschichte? Ja, auf die Offenbarung selbst, durchdie allein Israel das geworden war, was es war?

Was Wunder, daß dieser Fremdling alsbald von bevollmächtigterSeite heimgesandt wurde mit den Worten: „Seher, packe dich, fortin deine Heimat, dort iß dein Brot und weissage! Aber zu Bethelsollst du nicht weissagen; denn das ist ein königliches Heiligtum

und Reichstempel

1

/' Ja, Heiligtum und Reichstempel, wie können1 Kap. 7 ,12 .

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sie Götzen eines Volkes werden, wenn sich aus ihnen erst die Gegen»wart und Offenbarung Gottes zurückziehen mußten, weil das Volkdaselbst zwar noch begeistert den äußerlichen Tempelkult pflegte,aber nicht mehr den Herrn der Herrlichkeit suchte!

„Idi hasse", so spricht Gott durch Arnos, „eure Feste, idi mageure Gottesdienste nidit riedien. Wenn ihr mir Gaben und Opferdarbringt, nehm e idi sie nidit wohlgefällig an, und au f eure Mast*kälber sehe idi nidit. Tue weg von mir das Geplärr deiner Lieder,idi mag dein Harfenspiel nidit hören! Sondern Redit quelle hervorwie Wasser und Gereditigkeit wie ein nie versiegender Strom 1!"

So hatte sich Arnos des göttlichen Auftrages entledigt. Er brachteseinem Volke die große Kunde: Gott ist ein Gott der Gerechtigkeit!Nicht äußerlich gepflegte, religiöse Kulte regeln das Verhältnis zuGott und zum Nächsten, sondern die sittliche Herzensstellung, inder der Mensch vor Gott wandelt. Nicht das bloße Sichverlassen aufGottes schützende Macht erhält den Staat, sondern die Pflege der

von Gott geoffenbarten Gerechtigkeit. Das war Morgendämmerung!Das war die Ankündigung eines neuen Tages durch den Anbrucheiner wahren Gotteserkenntnis.

Damit stand Arnos am Anfang jener Stufe des Gottesdienstesund der Gottesverehrung, die Jahrhunderte später Jesus so unver=gleichlich tief mit den Worten bezeugte: „Weib, glaube mir, es

kommt die Stunde, und ist sdion jetzt, wo diejenigen, die den Vateranbeten, ihn anbeten werden im Geist und in der Wahrheit 2." Arnosverlegte somit das Schwergewicht des Verhältnisses des Menschenzu Gott in das innerste Heiligtum des Menschen: in dessen Seeleund Gesinnung.

Durch seinen prophetischen Dienst durchbrach Arnos mithin die

nationalen Schranken der israelitischen Volksreligion. Er öffneteseinen Brüdern nach dem Fleisch den Blick für eine Gottesverehrung,wie sie von Gott herbeigesehnt wurde, und zwar nicht nur für Israelallein, sondern für alle Völker. Nicht die kultische Gesetzesreligioneines Mose, sondern die prophetische Herzensfrömmigkeit einesArnos konnte daher allein auch das Erbe jener Völker werden, die

1 Kap. 5,21— 24.2 Joh. 4 ,2 1 ff .

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sich nach wahrer Gotteserkenntnis und beseligender Gottesverehrungin den kommenden Jahrhunderten und Jahrtausenden sehnen wür=den. Arnos ist daher eine der größten und bedeutendsten prophe»tischen Persönlichkeiten auf dem Boden der göttlichen Offenbarungs=

geschiente.Wahrscheinlich nahm Arnos nach seinem Auftreten in Bethel

seinen Weg nach Samaria. Seine einzelnen Sprüche lassen erkennen,wie hier sein Gotteswort aufdeckte, wo die verborgenen Eiterbeulendes öffentlichen Lebens lagen. Seinem hellen Lichte konnte sich keinGebiet des Lebens entziehen. Alle und alles zog er unerbittlich in

sein göttliches Urteil, das er zu künden hatte. Die Urteilssprüche inihrer Wucht, Prägung und Kürze, wie sie nur in höchster Seelen»Spannung und im Lichte der Ewigkeit von einem Menschen gesagtwerden können, wurden von ihm jedenfalls zunächst mündlich undfrei gesprochen. Wieviel er von seinen Reden später selbst aufge=schrieben und wieviel von seinen Worten Freunde nachher noch zu

einer Sammlung seiner Prophetenreden geordnet haben, läßt sichgenau kaum mehr feststellen.

Wir danken aber der göttlichen Vorsehung, daß uns das Wesent»liehe der Amos=Reden, wenn auch nicht in chronologischer Ordnung,erhalten geblieben ist. Wurde auch der Mund des Propheten sehrbald von menschlicher Seite zum Schweigen verurteilt, sein Zeugnis

von der göttlichen Gerechtigkeit innerhalb der Geschichte und seinBlick für das Wesentliche des menschlichen Verhältnisses zu Gottreden heute nicht weniger stark, als sie einst in Nord=Israel zumVolke redeten.

Denn Arnos' Reden waren nicht geschichtslos. Sie befaßten sichaufs engste mit den großen Fragen des öffentlichen Lebens in Israel

und innerhalb der Völkerwelt. Das objektiv Göttliche, das er inseinen Urteilen zu künden hatte, erhielt seine Kraft und Wucht erstan dem Konkreten, Gegenwärtigen, Menschlichen seiner Zeit. GottesOffenbarung erfolgte stets im . engsten Z usam m enha ng m it derGeschichte. Selbst der Sohn wurde, nach jenem wunderbaren Paulus»wort im Galaterbrief, erst geboren, „als die Zeit erfüllet war" 1 . Wiestark Arnos' Gerichtsverkündigung an die Vorgänge seiner Zeit an»

» Gai. 4,4.

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knüpfte, werden uns seine einzelnen Reden zeigen. Und bis heutewar der Dienst der Gottesknechte noch immer am fruchtbarsten,wenn das objektiv Göttliche ihrer Verkündigung nicht bei der ge-schichtlichen Vergangenheit und kommenden Zukunft stehenblieb,sondern zu einem Sprechen Gottes zum herrschenden Leben in derGegenwart wurde.

3. Die Völkerwelt im Urteil der göttlichen Offenbarung

„Wenn Jahve von Zion her brüllt und von Jerusalem her seineStimme erschallt, dann klagen die Wohnungen der Hirten, undes verdorrt das Haupt des Kännel." Arnos i , 2

Im Lichte der Ewigkeit müssen auch die Völker trotz ihrer Souve*ränität und Selbstherrlichkeit in ihrer Verantwortung vor Gott undder Geschichte offenbar werden. Und ist es nicht wie eine göttliche

Ironie, daß ausgerechnet ein Hirte mit solch einer Klarheit undSchärfe über Gesellschaft und Politik, Schuld und Verantwortungsowohl Israels als auch der Nachbarvölker reden muß, wie es derProphet von Thekoa in den Tagen Jerobeams II. tat? Mit Arnos'Auftreten mußte hinfort in Nord=Israel als Sünde erscheinen, wasbisher als öffentliche Moral im herrschenden Staatsleben galt, mußte

verwerflich werden, was als kultische Frömmigkeit und nationaleSicherheit angesehen wurde. Nicht Aufstieg und Friede, Wohlstandund Machtentfaltung wird Inhalt der kommenden Geschichte desNordreiches sein, sondern Heimsuchung und Gericht, Verderben undUntergang. Ihm wird sich kein Volk und kein Gebiet des jetzt sostark herrschenden Lebens entziehen können.

Bevor jedoch die Gerichte in ihrer Unerbittlichkeit und letztenHärte sprechen, will Gott warnend und erleuchtend noch einmaldurch den Mund seines Propheten reden. Er will reden nicht alleinzu Israel=Juda als zu seinem Erstgeborenen, sondern zur ganzenVölkerwelt. Denn auch sie ist sein Königreich und berufen, Trägerinseiner Gottesherrschaft und Zeugin seiner Heilsoffenbarung zu

werden.Das erste Gottesurteil galt Damaskus. „So spricht Jahve: wegen

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dreier Frevel von Damaskus und wegen vier werde ich es niait ab=

wenden; denn sie haben Gilead mit eisernen Dreschschlitten ge=droschen1/'

Damaskus war die Hauptstadt Syriens oder Arams und in jenerZeit Mittelpunkt eines regen Handels und Verkehrs. Unter denNachbarvölkern war Aram das mächtigste, und sein starker Einflußwirkte bestimmend auch auf das öffentliche Leben der schwächerenVölker. Es war je und je das Verhängnis der kleineren Völker, daßsie ihre Anlehnung an stärkere mit der Drangabe ihrer Eigenart undSelbständigkeit erkaufen mußten. Alsbald sahen sie sich auch in die

Sünden und Gerichte jener Staaten mit verwickelt, bei deren Stärkesie Zuflucht gesucht hatten.

Träger der politischen Macht war zur Zeit Arnos' in Syrien dasKönigshaus Hasael=Benhadad. Auf ihm ruhte eine ganz besondereSchuld. Bei der Machtergreifung seines Landes hatte Hasael auchGilead im Ostjordanlande, das zur Zeit des Königs Jehu zu Samaria

nordisraelitisches Reichsgebiet war, mit rücksichtsloser Härte erobertund Syrien einverleibt. Bei dieser Eroberung waren die Sieger sograusam verfahren, daß sie die gefangenen Gileaditen unter eisernenDreschwagen zermalmten2. Solche frevelhaften und unmenschlichenKriegersitten wurden damals als berechtigt ausgeübt, um die um=liegenden Nachbarvölker von einer Erhebung gegen den Sieger ab=

zuschrecken.Dieser Kriegsfrevel war um so schwerer, als Hasael doch im Auf=

trage Jahves durch einen Propheten Israels zum Könige über Syriengesalbt worden war3. Der Akt durch den Propheten Jahves hatte esihm offenbar sehr nahegelegt, daß der Allerhöchste ihm das Zepterüber Syrien gegeben habe. Mithin mußte er sich in seiner könig=

liehen Machtentfaltung und in seinen Auseinandersetzungen-mit denNachbarvölkern dem Allmächtigen gegenüber verantwortlich wissen.

Dieser Gott ist aber eine heilige Persönlichkeit. Dessen sittlicheForderungen sind nicht etwa nur auf Kultus, Symbol und Festzeitenbegrenzt. Auch die dunklen Kriegszeiten mit ihren einzelnen Hand=

1 Kap. i , 3.2 Vgl. 2. Kön. i o , 32 f.; 13 ,7 .3 1. Kön. 19 ,15 .

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lungen unterstehen seiner Gerechtigkeit. Auch hier findet jede be=gangene Sünde eines Tages ihr gerechtes Gericht. Nicht der jeweiligeHeeresoberste, Gott hat auch hier das letzte Wort. Wären im Laufe

der Geschichte Völker und Helden sich dieser Wahrheit mehr bewußtgewesen, sie hätten mit mehr innerlichem Zittern vor Gott und mitmehr Ehrfurcht vor dem Leben ihrer Feinde gestanden.

Dem von Damaskus begangenen Kriegsfrevel wird das Gerichtentsprechen, dem es entgegengeht. „Darum sende idi Feuer inHasaels Haus, und es wird fressen die Paläste Benhadads. Und idi

zerbredie Damaskus' Torriegel und rotte aus den Bewohner vomTale Aven und den Zepterträger von Beth=Eden; und in die Ge-fangensdiaft wandern w ird nadi Kir das Volk Aram s, spridit Jahve1."Dem unerbittlichen Gesetz: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten" hatsich bisher noch kein Volk dauernd entziehen können. Eine durchFrevel aufgebaute Macht wird in Grausamkeiten enden. Vergeblichhatte der Prophet Elisa über ihn geweint, als Hasael im AuftrageBenhadads I. vor dem Propheten stand, um zu erfahren, ob seinKönig von seiner schweren Krankheit genesen werde. Und als Hasaelfragte, warum er weine, verkündigte der Prophet ihm, zu welchenGrausamkeiten am Hause Israel er in Zukunft fähig sein werde.Als Benhadad Hasael fragte, was der Prophet Elisa geantwortethätte, sprach Hasael zum König: „Er sagte mir: du wirst genesen/

Aber in derselben Nacht wurde Hasael zum Meuchelmörder Ben»ha da ds I. Über d ie Leiche seines K önigs bestieg er den Thro n Syriens2.

Eine blutbefleckte Hand konnte jedoch nie Völker segnen. Sie"wird jene, die sich ihr freiwillig oder gezwungen unterordnen, einemFluch entgegenführen, wie Amos ihn über Damaskus ausspricht.Wenn in der rhetorischen Ausdnicksweise Amos auch nur von den

Palästen der Hauptstadt aussagt, daß sie das Feuer fressen wird, undnur die Ausrottung der Zepterführer vom Tale Aven und von Beth»Eden nebst deren Bewohnern ankündigt, so bedeuten die Worte dochdas Gerichtsurteil über ganz Syrien. Ob Fürst, ob Volk, ob Herr»sehende oder D ienende — alle w erden dem Urteil unterliegen .

Wo wir die beiden Orte Tal Aven und Beth=Eden zu suchen

* Kap. i , 4 f.2 z. Kön. 8, 9 ff.

So

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haben, ist nicht mehr genau festzustellen. Wahrscheinlich waren eskleinere, königliche Residenzstädte neben der Hauptstadt Damaskus.Das vom Propheten ausgesprochene Gottesurteil erfüllte sich sowohlam Tal Aven wie auch an Beth=Eden, d. h. „Haus der Wonne", undzwar als der assyrische König Tiglath=Pileser auftrat und Damaskuseroberte1. So wurde die auftauchende assyrische Macht im Nordendie eiserne Gerichtsrute, die mit fürchterlicher Härte und Grausam*keit das syrische Reich zerschlug und auflöste.

Das zweite Gottesurteil galt Philistäa. „So spricht Jahve: wegendreier Frevel Gazas und wegen vier werde idi es nicht abwenden.

Denn sie haben Gefangene in voller Zahl zum Überliefern an Edomweggeführt2." Das war die schwere Sünde Philistäas, dessen Lebenvon den fünf größeren Philisterstädten an der Küste des Mittel=meers beherrscht wurde. Unter ihnen wird Gaza stets als erste ge=nan nt. Es w ar die bedeutendste Handelsstadt des Philisterlandes undstand in sehr regem Verkehr sowohl nach dem Süden mit Ägypten

als auch im Norden mit Damaskus und den darüber hinaus liegen»den Ländern Syriens und Assyriens.

Ihre schwere Schuld ist der systematisch betriebene Sklaven«handel. Wie schwer die Kämpfe Judas und der südlich liegendenStämme mit den Philistern während der dunklen Richterzeit bis zumAuftreten Davids waren, ist bekannt. Jede Schwäche, die Israels

Stämme durch ihre eigenen Bruderkämpfe vielfach selbst verschul*deten, nutzten die Philister aus, um ihre Raubüberfälle in die Süd=stamme auszuführen. Die unterlegenen Ortschaften wurden nichtnur beraubt und ausgeplündert, sondern die Bewohner wurden ge=»fangengenommen und auf den Sklavenmarkt nach Gaza oder in dieandern Küstenstädte Philistäas gebfacht. Von hier aus wurden sie

als Sklaven nach Ägypten oder in die Länder Arabiens verkauft.Solch einen Fall erwähnt Arnos. Diesmal waren die Gefangenen

in voller Zahl an Edom verkauft worden. Die innere FeindschaftEdoms trotz der nahen Verwandtschaft mit den Stämmen Israelswar bekannt. Die Philister lieferten ihre Gefangenen jedoch ohneGnade als Sklaven an Israels Feinde aus. Diese Handlung zeigte

1 2. Kön. a6 ,9.2 Kap. Ï , 6.

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dem Propheten die innere Härte der Philister. Auch Sünden erlangenzuletzt ihre Reife, aber damit auch ihr Gericht. Das über Philistäakommende Gericht wird ähnlich dem von Syrien sein. „So sende ich

Feuer in die Mauern Gazas, und es wird fressen ihre Paläste; undidi rotte aus den Bewohner aus Asdod und die Zepterhalter ausAskalon und kehre meine Hand wider Ekron; und untergehen wirdder Rest der Philister, spricht der Herr Jahve1."

Auch hier entspricht die Härte des Gerichts der Härte der Schuld,die zum Gericht führte. Feinde werden k om m en, die Städte Ph ilistäas

und deren Paläste niederbrennen, die Bewohner zertreten und jedenübriggebliebenen Rest vernichten.Diese Schrecken kamen als Gericht auch über das Land der Phi»

lister und deren Hauptstädte, nachdem Assyrien Aram zertretenhatte und sich alsdann siegestrunken und blutdürstig nach demSüden und besonders gegen Ägypten wandte. Denn es ist nicht Gott,der Gericht übt, sondern der Mensch erlebt sein Gericht durch denMenschen. Sooft in der Sprache der Bibel auch das Gericht als eineAktivität Gottes geschildert wird, niemals sind solche Grausam=keiten, von wem sie auch immer ausgingen, im Auftrage Gottesgeschehen. Die Bosheit der Menschen schuf sich je und je einenZustand und eine Geschichtsentwicklung, wo Gott einfach das biszum Geridit ausreifen lassen mußte, was der Mensch sich zu seinem

v ermeintlichen H eil un d zu r Sicherung seiner Zuk unft geschaffenhatte. Jede Schuld trägt ihr Gericht in sich selbst und kann dieserSelbstvergeltung niemals entrinnen. Ein Entrinnen ist nur möglich,wenn Gott durch Vergebung in die Entwicklung der Schuld eingrei*fen und den Menschen in jenen neuen Zustand versetzen kann, dernicht mehr dem Gericht unterliegt.

Daher die ungeheure Bedeutung der Beugung des Menschenunter seine Schuld und die Glaubenszuflucht zu Gott. Hat der Menscherst wieder Raum für das Handeln Gottes, dann sieht er sich ausdem Gericht zum Leben geführt. Ohne uns hier in den biblischenSprachgebrauch über den „Zorn Gottes" zu verlieren, muß das Ge=»sagte denen gegenüber doch so stark betont werden, die die Gerichts:»

spräche der Bibel nicht mit dem Wesen Gottes in Einklang bringeni Kap. i , 7 f.

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können. Wie oft ist in der Geschichte bereits behauptet worden, daßder Gott Jahve niemals der Vater der Barmherzigkeit sein könne,wie Jesus uns Gott geoffenbart habe. Es handelt sich bei dem Gottes*begriff zwischen dem Gesetz und Jesus aber nicht um eine verschie=dene Persönlichkeit, sondern nur um eine verschiedene Sprache. Undwenn die Welt im Lauf ihrer Geschichte nicht an sich selbst restloszugrunde gegangen ist, so hat sie es mehr dem ewig neuen Ein=greifen der Barmherzigkeit Gottes zu verdanken. Was sie dauerndaus ihren Selbstgerichten rettete, war Gottes Aktivität, die wirschlechthin mit dem Begriff Heilsoffenbarung bezeichnen. Also nicht

von Gott, vom Menschen geht jedes grauenhafte Gericht aus; denner trägt es in seinem Herzen und schafft es durch die täuschendenInspirationen seines Geistes. Und je gelöster von Gott sein Handelnwar, desto entsetzlicher war das Gericht, das er sich in seinen Geistes=und Kulturschöpfungen für die Zukunft vorbereitete.

Das dritte Gottesurteil galt Tyrus: „So spricht Jahve: wegen

dreier Frevel von Tyrus und wegen vier werde ich es nicht abwenden.Denn sie haben Gefangene in voller Zahl ausgeliefert an Edom undhaben nicht an den Bruderbund gedacht. So sende ich Feuer in dieMauern von Tyrus, und es wird fressen ihre Paläste 1/' PhöniziensSchuld war gleich der der Philister. Die Hauptstadt Phöniziens warTyrus , bekannt durch seinen ausgedehnten Handel und seine Baals»

altare. Sein Sklavenhandel mit israelitischen Gefangenen wog umso schwerer, als es sich einfach über „den Bruderbund" hinwegsetzte,den David und Salomo mit Hiram, dem König von Tyrus, geschlos=sen hatten2. Nie hatten Israels oder Judas Könige Krieg gegenPhönizien geführt. Und man hat daher gefragt, woher Tyrus dieisraelitischen Gefangenen erhalten habe, die man dann an Edom als

Sklaven weiterverkaufte. Am wahrscheinlichsten bleibt, daß diePhönizier als ein sehr reges Handelsvolk während der Kriege, dieandere Länder mit Israel führten, Gefangene von den Siegern kauf=ten und alsdann an Edom weiterverhandelten. Es wird von dem=selben Gericht heimgesucht werden wie Philistäa.

Das vierte Gottesurteil galt Edom: „So spricht Jahve: wegen

1 Kap. i, 9 f.2

2. Sam. 5, li ff.; i. Kön. 5 ,15 f f .

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dreier Frevel Edoms und wegen vier werde ich es nicht abwenden.Denn er verfolgt mit dem Schwert seinen Bruder und hat sein Erbar*

men erstickt und in seinem Zorn allezeit zerfleischt und seinen

Grimm auf ewig bewahrt. Daher sende idi Feuer in Theman, und eswird fressen die Paläste Bozras1." Edom versündigte sich in seinerGeschichte besonders schwer gegen sein Brudervolk Israel. EsausHaß lebte fort in der Geschichte Edoms. Er nahm bei jeder gegebenenGelegenheit Formen an, wie man sich solche nur bei den erbittertstenFeinden denken konnte. Feuer wird auch seinen Stolz, die Paläste zu

Bozra, wahrscheinlich die Hauptstadt von Idumäa südlich vom TotenMeer, fressen. Deren Ruinen werden heute noch neben einem kleinenDorfe gezeigt. Theman war der nördliche Teil vom Gebirge Seir, demuralten Erbbesitz Edoms.

Das fünfte Gottesurteil galt Ammon: „So spricht Jahve: wegendreier Frevel der Söhne Ammons und wegen vier werde ich es nichtabwenden. Denn aufgeschnitten haben sie die Schwangeren Gileads,um zu erweitern ihre Grenze. Daher zünde ich Feuer an in der M auervon Rabba, und es wird fressen ihre Paläste, und zwar beim Kriegs»geschrei am Tage der Schlacht, im Sturm am Tage der Windsbraut.Und ihr König soll gehen in Gefangenschaft, er und seine Fürstenallzumal, spricht Jahve2." Auch Ammon lag mit Israel seit der Rich=terzeit dauernd in schwerer Fehde. Es war das östliche Nachbargebiet

von Gilead im Ostjordanland. Wahrscheinlich wurde der besondershervorgehobene Gipfel kriegerischer Grausamkeiten, daß Schwan=gere aufgeschnitten wurden, zur Zeit der Syrerkriege verübt. Ge=nauere Angaben haben wir darüber in den biblischen Kriegsberichtennicht. Und zu solchen unmenschlichen Grausamkeiten war man fähig,um „seine Grenzen zu erweitern".

Machthunger war je und je in der Weltgeschichte jener Dämonder Menschheit, der alle moralischen Grundsätze verleugnete undden Starken zum Raubtier erniedrigte. Zwar ist jeder Krieg un=moralisch, aber es ist doch immer ein gewaltiger Unterschied ge=»wesen, aus welchen Motiven heraus er geführt wurde. Wer jedochKrieg führt und werdende Mütter aufschlitzt, um seine Grenzen zu

1 Kap. i , 11 ff.2 Kap. l, 13—15.

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erweitern, dem steht der Besitz höher als der Nächste, der kannseelenlos Menschen opfern, um die Erde zu gewinnen. Und dochenthalten diese wenigen Bemerkungen eines Amos über die MotiveAmmons eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte.

Aber das Gericht erreicht zu seiner Stunde auch Ammon. Magauch seine Hauptstadt Rabba von trotzenden Festungsmauern um=geben sein, Gottes Gerichtsfeuer frißt auch sie. Sie schützen diePaläste des Königs und der Fürsten nicht vor ihrem Untergang. Undbis heute konnte sich die Menschheit selbst durch ihre stärkstenSchutzmittel nicht vor dem Gericht retten, wenn sie erst durch ihr

Leben und ihre Geistesrichtung für dasselbe ausreifte.Das sechste Gottesurteil galt Moab: „So spricht Jahve: wegen

dreier Frevel Moabs und w egen vier werde idi es niàit abwenden.Denn verbrannt hat er die Gebeine des Königs von Edom zu Kalk.Daher sende ich Feuer in Moab, und es wird fressen die PalästeKerijoths, und es wird umkom men im Getümmel Moab, im Kriegs"

geschrei, im Posaunenschall. Auch rotte ich aus den Richter in ihrerMitte, und alle ihre Fürsten erwürge ich mit ihm, spricht Jahve 1."Leichenschändung durch das Verbrennen der Gebeine des Königs vonEdom ist die besondere Sünde, die dem Amos zeigt, daß auch Moabfür ein besonderes Gericht innerhalb der Geschichte reif geworden ist.Wahrscheinlich steht die erwähnte Greueltat irgendwie in Zusam=

menhang mit dem Kriege, den Joram von Israel und Josaphat vonJuda mit dem König von Edom gegen die Moabiter führten.

Das kommende Kriegsfeuer wird auch Kerijoth, die HauptstadtMoabs im Flußtal des Arnon, als Gericht erreichen und deren Palästefressen. Unter Getümmel, Kriegsgeschrei und Posaunenschall wirdsolch ein anarchischer Zustand eintreten, daß sämtliche Fürsten und

Richter ausgerottet werden. Das übrigbleibende Volk wird alsdannso ohne politische Führung und ohne staatliches Recht bleiben, daßes sich selbst und seinem Gerichtszustand preisgegeben sieht. EinBild von der furchtbaren Erfüllung dieser Gerichtsbotschaft habenwir in den Schilderungen des Propheten Jeremia und Hesekiel2.

Beachtenswert in dem Gerichtsurteil über Moab ist, daß als hoch»

1 K a p . 2,1—3.2 J er . 4 7 — 4 9 ; H e s . 2 5 — 2 8 .

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ster Frevel seiner Versündigungen eine Sünde gegen Edom genanntwird. So stark Edom auch als Feind Israels hervortritt, aber auchihm gegenüber duldet Jahve keine Unmenschlichkeiten. Sein Recht

reicht weit über die Grenzen Israels hinaus. Ob sein Erstgeboreneroder die Nachbarvölker — er verlangt Gerechtigkeit von aller Weltund für alle Welt. Nicht etwa nur um seiner Ehre willen, sondernzum Heil der Völker und zur Sicherung ihrer Zukunft. Denn alleinGerechtigkeit, und zwar bis in die kleinsten Gebiete des politischen,wirtschaftlichen und sozialen Lebens hinein, erhöht ein Volk; dieSünde jedoch bleibt der Leute Verderben.

Das siebente Gottesurteil galt Juda:„So spricht Jahve: wegendreier Frevel Judas und wegen vier werde ich es nicht abwenden.Denn sie haben verschmäht das Gesetz Jahves und seine Satzungennicht gehalten. Und ihre Lügen verführten sie, hinter denen ihreVäter herliefen. So sende ich Feuer in Juda, und es wird fressen diePaläste Jerusalems1/'

Unter diesem Urteil steht das Leben Judas. Auch das Südreichwar krank von der Fußsohle bis zum Scheitel. Zwar hatte der ThronDavids Männer gesehen, die weit offener für Gott und das Lichtseiner Offenbarung gewesen waren als die Könige des Nordreiches.Aber auch Judas Volk verachtet bereits das Gesetz, und „Lügen"sind seine Götzea geworden. Das Gesetz war der In= und Sammel=

begriff aller Belehrungen und Unterweisungen, die das Volk bisherdurch die Gottesoffenbarungen der Vergangenheit empfangen hatte.

In die Sprache unserer Zeit umgesetzt, handelte es sich in Judaalso um nichts Geringeres, als daß die Gottesoffenbarung mit ihrerBotschaft und Verheißung ersetzt wurde durch die Weltanschauungdes spekulativen Denkens und durch die Erwägungen einer natio=

nalen Politik. Sie galten hinfort dem Volk als Gesetz und Gebot.In ihnen suchte man das Licht zum Verständnis der Zeit, die Kraftzum Aufbau des Lebens, die Garantie für die fernere Zukunft. Nicht:wie urteilt Gott über uns und unsere Geschichte, sondern: was ver=langt der Staat zu seinem Wohl und seiner Machtentfaltung vomVolk? Nur diese Frage konnte das Leben des Volkes mit all seinen

Entscheidungen bestimmen.1 Kap. 2, 4 .5 .

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Amos nennt es „Lügen", denen das Volk zu seinem Unheil folgt.Schon die Väter wandelten in der Wüste trotz aller empfangenenGottesoffenbarung den Götzen nach. Damit stellten sie sich auf denBoden jener Völker, die an ihren Götzen zugrunde gehen mußten.Letzte Realitäten, heilige Wirklichkeiten liegen aber nicht in erson=nenen Götzen, sondern in Gott und dessen Offenbarung. Jede Ab=weichung von dieser und jede Beugung vor „der Lüge", mit welchenNamen man sie auch schmücken mag, enden auch für Juda mit demGericht. Das Kriegsfeuer wird auch Jerusalems Paläste fressen unddie einstigen Stätten des Segens und der Offenbarung vernichten.

W ie furchtbar erfüllte sich dies Gericht auch an Jerusalem, un d seinemHeiligtum, als Nebukadnezars Siegesheer die stolze Stadt in denStaub legte und Judas Volk in die Babylonische Gefangenschaftführte!

Das achte Gottesurteil galt Israel. Es ist von allen anderen Got=tesurteilen am ausführlichsten. „So spricht Jahve: wegen dreier

Frevel Israels und wegen vier werde ich es nicht abwenden. Dennsie verkaufen für Silber den Unschuldigen und den Armen um einPaar Schuhe. Sie, die da lechzen nach dem Staub der Erde, zertretendas Haupt der Geringen, und den Weg der Sanftmütigen unter*drücken sie. Und ein Mann und sein Vater gehen zu derselben Dirne,um zu en tweihen meinen heiligen Namen. Und sie strecken sich auf

gepfändeten Gew ändern neben jedem Altar, und Wein der mit StrafeBelegten trinken sie im Hause ihres Gottesx."

Das war das erschütternde Bild, zu dem sich Israels öffentlichesLeben in seiner innerlichen Abwendung von Gott entwickelt hatte.Auch jede dauernd gepflegte Sünde verleiblicht sich zu einem herr=sehenden Zustand: aus dem Unrecht wird Sitte, aus der Unzucht

Moral, aus der Unterdrückung Recht, aus der Schändung Heiliges.Das sah das von Gott erleuchtete Auge eines Hirten von Thekoa inNord=Israel und verkündete der Mund des Bußpredigers aus derWüste Juda dem trunkenen Volk.

Da Arnos später noch weit eingehender das herrschende LebenNord=Israels behandelt, so sei hier nur kurz auf jene fünf Punkte

hingewiesen, die des Volkes Bestand und Zukunft mit innerlicheri Kap. 2, 6-8.

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Notwendigkeit erschütterten. Erstens war es die öffentliche Rechts=pflege. Die nach dem Recht völlig Unschuldigen werden durch denmit Silber bestochenen Richter doch für schuldig erklärt. Schuldner,

die eine K leinigkeit wie etwa ein Paa r Schuhe nicht bezahlen kö nn en ,werden vom Richter auf Grund vom levitischen Gesetz1 dem Gläu=biger einfach als Sklaven zugesprochen. So wurden aus dem Hüterder Rechtspflege und aus dem Gesetz zum Schutze der Armen jeneMachtmittel der Ungerechtigkeit des öffentlichen Lebens, durch dieder Unschuldigste und der Ehrlichste einfach der Laune und der Hab=gier der Starken preisgegeben war. Es zeigte sich schon in Israel:je mehr das öffentliche Leben eines Volkes in seiner Verantwortungvor Gott leidet, desto mehr leidet auch das rechtliche Verhältnis zuden Schwachen des Volkes. Dämonische Despotie war immer dieletzte Konsequenz einer verworfenen Theokratie.

Zweitens war es die gemeine Habgier der Reichen. „Sie lechzennach dem Staub der Erde." Wie Ahab nach dem Weinberg Naboths

schielte, so schielten sie nach dem Staub, d. h. nach dem geringenBesitz, übe r den die Geringen v erfügten. Und je geringer deren Besitzbleibt, und je mehr sie zu Besitzlosen herabgedrückt werden können,desto abhängiger wird ihr Leben und ihre Zukunft von den Besit=zenden. Wahrlich eins der dünkeisten Kapitel in der Geschichte auchunserer Zeit und unserer unmittelbaren Vergangenheit! Was Wun=

der, w enn eines Tages durch Revo lutionen v om Volke gesucht w urde ,was Gerechtigkeit und Bruderliebe dem Schwachen auf dem Wegedes Rechts hätte geben sollen! Revolutionen zogen ihre explosiveVolkskraft immer aus den Sünden der Vergangenheit und schufensich ihr Recht aus den Ungerechtigkeiten der Starken, die das Lebenbeherrschten.

Drittens war es die Schamlosigkeit des sittlichen Lebens. Vaterund Sohn gehen zu ein und derselben Dirne, eine Sünde, die nachdem Gesetz der Blutschande gleichkam und mit dem Tode bestraftwerden sollte2. Es ging um die Erhebung der Unzucht zum mora=lischen Recht, indem man sich einfach über eine grundlegende For=derung des öffentlichen Lebens (wie 3. Mose 22,32) bewußt hinweg=

1 3. Mose 25, w, 2. Kön. 4, 1.2 3. Mose 18 ,7. 15 ; 2o, 11.

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Offenbarung dolmetschten, und Nasiräer, die durch ihr Gelübde be=zeugen wollten, daß in der freiwilligen Weihe an Gott auch die Kraftdes Geistes liege, als dem Herrn Geweihte zu leben.

Damit erwiesen sich sowohl der Prophet als auch der Nasiräer alsein redendes Gewissen ihrer Zeit. In ihrem Lichte mußte so unend-lich viel, das im öffentlichen Leben skrupellos auftreten konnte, dieschwerste Verurteilung finden. Nichts aber ist dem rauschenden undvon sich selbst trunkenen Leben unbequemer als ein am Herzen Got=tes und im Lichte der Ewigkeit orientiertes Gewissen. Um es zum

Schweigen zu bringen, gibt es nur zwei Mittel: die Anwendung derMacht und die Kunst der Verführung. Daher gab man den NasiräernWein zu trinken, um ihre moralische Kraft der freiwilligen Weihezu brechen, und hieß die Propheten schweigen, um nicht durch ihrZeugnis belästigt zu werden. Mittel, zu denen die Welt bis heuteihre Zuflucht nahm, um sich vor der Sprache der Ewigkeit zu retten;denn sie liebte bisher noch immer die Finsternis mehr als das Licht.

Auch Israel wird nicht dem Gericht enthoben werden, weil eseinst in Abraham zum Eigentumsvolk erwählt worden ist. Nachdemes seine Erwählung und Berufung dauernd verleugnet hat und sichauf den Boden der Völkerwelt stellt, muß es auch das Gericht derVölker teilen. „Siehe, idi werde euch, niederdrücken, so wie sich derWagen drückt, der gefüllt m it Garben1/' In diesem Bilde spricht derProphet von dem Kriegsdruck, dem auch Nord=Israel unterliegenwird. Alle ersonnenen Mittel, um dem Druck zu entrinnen, werdennichts nützen: „Da vergeht die Flucht dem Schnellen, und der Starkewird nicht entfalten seine Kraft und der Held nicht retten seine Seele.Und der Bogenschütze hält nicht stand, und der Schnellfüßige rettetsich niàit, und der Reiter des Rosses gew innt nicht sein Lehen. Seihst

der Beherzte unter den Helden wird nackt fliehen an jenem Tage,ist Jahves Spruch2."

Damit enthüll t der Prophet dem Zehnstämmereich in großenUmrissen ein Gerichtsbild für die Zukunft, das Fürst und Volk voreine letzte Entscheidung stellt: entweder Beugung unter die Schulddes herrschenden Lebens oder Auflehnung gegen die Botschaft Arnos'

und Untergang mit den Völkern im Gericht.1 Kap. 2, 13 . 2 Kap . 2 , 14 -1 6 .

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4. Die Volksschuld und deren geschichtliche Konsequenzen

„Höret dieses Wort, welches Jahve redet über eudi, Söhne Israels,über das ganze Geschlecht, das ich heraufgeführt aus dem Lande

Ägyptens, sprechend: Nur euch habe ich erkannt vor allen Ge»schlechtem der Erde, darum werde ich ahnden an euch alle eureVerschuldungen." Arnos 3,1 f.

a) Die Volkss chu ld und die Ve rant wo r t l i chk e i t

des Volkes vor Gott

Es war je und je eine der schwersten Verirrungen in der Ge=

schichte, wenn eines Tages ein Volk für sich als staatlich erlaubthielt, was bei einzelnen moralisch verurteilt wurde. Das führte zu

jenem Wahn, als ob die Volksschuld nicht zu jenen unerbittlichen

Geschichtskonsequenzen führe, mit denen die Handlungen der ein»

zelnen verbunden sind. Wie unendlich vieles ist z. B. während des

Krieges und nachher von den einzelnen in Verbindung mit dem

Volksganzen getan worden, was sie ohne diese Verbindung niegetan hätten! Ihr Gewissen hätte sie erdrückt, während sie über ihre

Einzelsünden innerhalb der Gesamtschuld auch nicht den leisesten

Skrupel empfanden.

Aber auch Einzelsünden innerhalb einer Gesamtschuld entheben

den Menschen nicht seiner individuellen Verantwortung vor Gott.

Eines Tages trägt er mit das Urteil der Geschichte und die Konse=

quenzen, die sich aus der Gesamtschuld1 für den einzelnen ergeben.

In unerbittlicher Schärfe haben die Propheten diese Wahrheiten

ihrem Volke gedolmetscht.

So auch der Prophet Arnos. Nachdem er die Völkerwelt mit

ihrem Leben und ihrer Schuld in das Licht Gottes gerückt hatte, wie

wir im vorigen Kapitel gesehen haben, wendet er sich in allen wei=

teren Ausführungen allein der Volksschuld Nord=Israels und Judas zu.

Er schrickt als Glied seines Volkes nicht vor ihr zurück und ver=

schweigt sie um seines Nationalgefühls willen nicht. War er uner=

bittlich in seinem Urteil gegen die Sünden der Nachbarvölker, uner=

bittlicher noch fordert er die einzelnen Sünden, die herrschenden

Stände und die getrennten Geschlechter mit ihrer Sonderschuld vor

das Forum der göttlichen Gerechtigkeit. Was Sünde ist bei den

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Nationen, ist erst redit Sünde bei dem Volk, das einst mit dem

Gesetz begnadet wurde und Propheten als Dolmetscher der Offen=

barung in seiner Mitte hatte. Mit jedem empfangenen Licht wächst

die innere Verantwortung. Israels Vorteil wird sein Urteil; dennwas Jahve bei andern Völkern übersehen kann, das duldet er bei

Israel nicht.

Es ist ganz gewiß ein irregeleitetes Nationalbewußtsein, wenn

nicht nur das Volk, sondern auch dessen Priester und Propheten an

andern Völkern das richten, was man im eigenen Volke duldet oder

gar weckt und pflegt. Aus solch einer nationalen Einstellung fließt

kein objektives Prophetenwort. Da fehlt dem Volk das gewissen=

schärfende Wort des Propheten Arnos, das zur Umkehr ruft, bevor

das Gericht spricht: „Höret dieses Wort, welches Jahve redet über

euch, Söhne Israels, über das ganze Geschlecht, das ich heraufgeführt

aus dem Lande Ägyptens, sprechend: Nur euch habe ich erkannt

vor allen Geschlechtern der Erde, darum werde ich heimsuchen an

euch alle eure Verschuldungen."

Wem sein eigenes Volk zunächst über alles geht, dem erstickt

das objektive Prophetenwort im Munde. Er wird beim eigenen Volke

zudecken, bevor Gott vergeben hat, und bei andern Völkern richten,

bevor Gott einschreitet. Prophetenobjektivität kann gelegentlich mit

solch heiliger Strenge dem eigenen Volke gegenüber verbunden sein,

die dem Nationalbewußtsein als Verbrechen erscheinen muß. Hese=

Idei kann seinem Volke die ungeheure Wahrheit hinwerfen: „Deine

Schwester ist Sodom1!" Das Volk mui?te daraus folgern: „Wir sind

Gomorra!" Eine in der Theokratie wurzelnde Prophétie richtet jede

nationalistische Uberhebung; denn sie ist dem Propheten eine Ver=

letzung der Majestät Gottes. Nur von diesem Standpunkt aus läßt

sich auch Amos' rigoroses Auftreten gegen Nord=Israel verstehensowohl in der Form als im Inhalt.

b) Die Vo lks sch ul d und die St imme der Prophe ten

„Denn nicht tut der Herr Jahve irgend etwas, er habe denn zuvor

geoffenbart sein Geheimnis seinen Knechten, den Propheten. Der1 Hes. 16, 48.

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Löw e hat gebrüllt, wer fürchtet sich nicht? Der Herr Jahve hat geredet,wer m uß nicht Prophet sein1?" Kein W un de r, daß des Arnos unerwar=tetes Auftreten allen Kreisen in Nord=Israel höchst befremdlich er»scheinen mußte! Weder das religiöse Leben noch die wirtschaftlicheLage noch die außenpolitische Atmosphäre rechtfertigen das, womitArnos drohte. Es hatte bereits ganz andere Zeiten in der kultischenFrömmigkeit gegeben. Gegenwärtig opferte man nicht fremden Göt=tern, sondern zog gelegentlich b is Beerseba im Süden Judas hin ab , umJahve zu opfern. Nie hatte das Volk seit den Tagen Salomos imInnern soviel Ruhe gehabt und Zeit gefunden, seine Herden zu

hüten, seinen Weinstock zu pflegen und unter dem Schatten seinesFeigenbaumes zu ruhen, wie in den Tagen Jerobeams II. Und außen*politisch schien der Himmel ohne drohende Wolken zu sein. Denndie ersten Lebensregungen in Assyrien hielt man für ganz unbe=denklich sowohl für den Frieden Israels als auch für die Ruhe derVölkerwelt.

Darum mußte Arnos sein prophetisches Auftreten zu begründensuchen. Die Stimmen wahrer Propheten im Leben eines Volkes sindkeine Zufälligkeit. Sie entspringen nicht der religiösen Befangenheiteines Hirten aus den Bergen Judas. Steht hinter ihm auch keinepolitische Erfahrung, fehlt ihm auch der fachkundige Blick, lebt erauch außerhalb der herrschenden Volkskreise, was macht's: hinter

ihm stehen höhere Realitäten! „Der Herr Jahve redet, und wer solltenicht Prophet sein?"

Damit und mit all den von ihm angewandten Gleichnissen undBildern wollte der Prophet nicht nur allgemein sagen, daß jede Wir»kung eine entsprechende Ursache habe. Er wollte vielmehr bezeugen,daß hinter seiner persönlichen Sendung und seinem Wort der Herr

stehe. Nicht irgendeine Ursache, nicht irgendeine Veranlassungsteht hinter seinem Kommen und Reden, sondern es ist Jahve, derzuvor durch seinen Propheten zu seinem Erstgeborenen reden will,ehe zu diesem die Gerichte in ihre r unerbittlichen H ärte w erden redenmüssen. Seine herbe Sprache entsprach nur der Größe der Gefahr,in der Nord=Israel stand. Er wäre niemals in Bethel und Samaria

aufgetreten, hätte der Herr ihn nicht gesandt. Nie hätte er es gewagt,* Kap. 3 ,3 -8 .

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solch eine Gerichtssprache zu führen, wenn er es nicht im Auftrage

Jahves tun müßte. Denn Israels Volksschuld ist reif fürs Gericht.*

Es soll daher das Volk noch einmal Jahve, seinen einstigen Retter

und gegenwärtigen Herrn, hören, bevor die Gerichte an Stelle der

Offenbarung treten.

c) Die Volkss chu ld und Got te s Geri ch ts ze ug en

Gott fürchtet sich nicht, sein Urteil und sein Handeln unter das

Urteil der Geschichte zu stellen. Daher fordert er die Völker durchden Propheten auf: „Lasset hören in den Palästen Asdods und in

den Palästen des Landes Ägypten und sprecht: Versammelt euch auf

den Bergen Samarias und sehet das große Getobe in seiner Mitte

und die Bedrückten in seinem Innern1!" Samarias Sünden sollen ge»

sehen werden von Assyriens2 und Ägyptens Augen. Wenn diese auch

nicht durch das Gesetz vom Sinai erleuchtet sind, sie werden dennochSamarias Schuld erkennen und daselbst das verborgene Seufzen der

Unterdrückten hören. Ohne Jahves Untertanen zu sein, werden sie

dennoch Jahve in seinem Urteil rechtfertigen und seine Gerichte

verstehen.

Hier stehen wir vor einem der schwersten Urteile über das Volk

des Gesetzes und letzthin auch über die Gemeinde Gottes in derGegenwart. Gott erwartet von Völkern, die nicht sein Volk sind,

und die weder ein Gesetz haben noch wahre Propheten kennen,

besser verstanden zu werden als von dem Volk der Offenbarung.

Assyrien und Ägypten mutet er ein Gewissen zu, „welches das

Toben" Samarias verstehen und „die Verwüstung in den Palästen"

sehen wird. Daher fordert er sie auf, sich auf den Bergen Samariaszu versammeln, um von ihnen herab auf den Frevel der Hauptstadt zu

sehen und das unterdrückte Geschrei der Entrechteten zu hören. Er

ruft sie auf zu Zeugen, daß seine Gerichte sich innerhalb der Ge=

schichte auf jenen Gebieten auswirken werden, auf denen ein Volk

fürs Gericht ausgereift ist.

1 Kap. 3, 9-15.2

Die neueren Übersetzer lesen im Text statt „Asdod" Assur.

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Wie oft stand man während der großen Geschichtsereignisse derletzten Jahrzehnte und bis heute unter dem Eindruck, daß nichtselten das Volk, das ohne Gesetz und Kirche lebte, in seinem in=stinktiven Gerechtigkeitsempfinden ein viel tieferes Verständnis für

Unheiliges und Heiliges, für Dämonisches und Göttliches, für Ge=rechtigkeit und Ungerechtigkeit hatte! Es empfand vielfach reinerund ehrlicher das Gericht, das über manches Bestehende aus der Ver=gangenheit erging. Es sprach viel offener von einer neuen sozialenGerechtigkeit, von einer notwendigen Völkerversöhnung, von derUnverantwortlichkeit der ewigen Rüstungen, von der Notwendig=

keit neuer Wirtschaftsordnungen, von einem offenen diplomatischenVerkehr zwischen Volk und Volk.

Welch bittere Wahrheiten muß sich die Kirche Christi innerhalballer Staaten bis heute von denen sagen lassen, die irre gewordensind an allem C hristen tum ! W ie viele sehnen sich nach einer besserenGerechtigkeit, als die Kirche der Welt bisher hat vorleben und ver=

mittein können! An welch eine Sprache wird heute die Kirche Christivon ihren Feinden immer wieder erinnert, die auch sie während derWeltkriege auf ihren Kanzeln führte! Wie segneten damals mancheim Namen Gottes den Haß und bekämpften den Frieden! Wie zittertim Morgenland unter dem mohammedanischen Volk noch heute derEkel vor den Greueln nach, die die Kreuzfahrer als „Ritter des

Kreuzes" mit ihren Eroberungen des Heiligen Landes verbanden!Wie oft genügt auch heute allein schon die Anwesenheit einer christ=»liehen Mission, um die Völker zu veranlassen, sich um so bewußtervon der Propaganda der Mission abzuwenden!

Gott dagegen fürchtet sich nicht, die Zeugen seiner Gerichtshand=lungen aus seinen größten Gegnern zu rufen. Er hat das Urteil seiner

größten Gegner nicht zu fürchten. Ihr wahres Rechtsempfinden istihm wertvoller als das verdunkelte und verkehrte Recht seines er=wählten Volkes. Ihm handelt es sich in der Weltgeschichte nicht umdie Rechtfertigung irgendeiner politischen Macht, auch nicht um dieseines begnadeten Volkes. Er will allein den Segen der sittlichenKräfte. Ihnen sichert er die Zukunft, wo immer er sie findet. Sie ist

ihm wertvoll nicht weniger bei seinen angeblichen Gegnern als beiden Freunden seiner Offenbarung. In Samarias und Jerusalems Pala*

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sten duldet seine Theokratie noch weniger eine Blasphemie derOffenbarungsgerechtigkeit als in den Palästen Assurs und Ägyptens.

Nun bezeugt Arnos dem Volke: mag gegenwärtig auch SamariasPracht, die „gleich einer Krone den Scheitel des Berges schmückt",

den Ruhm des Volkes bilden, so regt sich dennoch bereits der Feindrings um das ganze Land her. „Herabstürzen wird er von dir deinePracht, und geplündert werden deine Paläste. So spricht Jahve:Gleichwie der Hirte rettet aus dem Maule des Löwen zwei Schenkeloder ein Ohrläppchen, also werden sich retten die Söhne Israels, diein Samaria sitzen in der Ecke des Ruhebettes und auf dem Dam ast

des Lagers1."Die von Gott gerufenen Zeugen der Sünden Samariens, Assur

und Ägypten, werden die Vollstrecker des Gerichts werden. Wederäußere Machtmittel noch traditionelle Volksfrömmigkeit, weder ge=sicherter Besitz noch verdienstliche Stellung werden aus diesem zuretten vermögen. Sie werden sich auf jenen Gebieten des öffentlichen

und privaten Lebens am stärksten erweisen, wo die Verschuldungam tiefsten war. Und wenn ein Rest von den Söhnen Israels errettetwird, so wird er nur gleich „dem Ohrläppchen" oder „den zweiSchenkeln" eines Schafes sein, das der Hirte von der Beute einesLöwen rettet.

Denn auch im Gericht bleibt Gott der Herr des Geschehens. Wird

es sich auch im Gericht selbst um eine Aktivität Assurs und Ägyp»tens handeln, als „Herr Jahve", als „Gott Zebaoth" vermag er zujeder Stunde auch in die Gerichte erlösend einzugreifen. Es soll auchnicht „ein Körnlein" von Jakob verlorengehen2. Handelt es sich auchin den gro ßen Geschichtskatastrophen un d W eltgerichten niemals u meine Aktivität Gottes, so bedeutet das jedoch nicht einen Verzicht

Gottes auf seine Weltregierung. Er läßt zwar zu, daß die Sünde dereinzelnen und jede Volksschuld im Gericht innerhalb der Geschichteihr letztes Ende finden. Das nimmt ihm aber nicht die autoritativeMacht, aus dem Gericht die einzelnen zu neuem Leben zu führen. Sowird ein Überrest seine Rettung finden, während das Ganze imGericht rettungslos zusammenbricht.

1 Kap. 3 ,11— 15.2 Kap. 9 , 9 .

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d) Die Volks sc hu ld und das Geri ch t der Ei nz el sü nd en

Im Blick auf die Gesamtschuld Israels sind dem Propheten kei=

neswegs die Sünden einzelner Stände oder Volksgruppen entgangen.

Man soll sich daher auch nicht dem trügerischen Tröste hingeben:uns kann es ja nicht schlechter ergehen, als es dem Ganzen ergeht.

Auch mitten im wüsten Gerichtstoben können besonders schwere

Sünden ihr entsprechendes schweres Gericht finden. Mag es auch so

scheinen, als ob der einzelne sich verliere im Gericht über die Gesamt*

heit, die Gerechtigkeit der Geschichte vermag in ihrem wirklichen

Verlauf unheimlich genau zu unterscheiden zwischen Schuld undSchuld, zwischen Sünde und Sünde.

So kommt der Prophet zunächst besonders auf das Leben der

Frauenwelt zu Samaria zu sprechen: „Höret dies Wort, ihr Kühe

Basans auf den Bergen Samarias, die da Geringe bedrücken und

Arme zermalmen, die zu ihren Herren sprechen: schaff herbei, daß

wir trinken! Geschworen hat der Herr Jahve, bei seiner Heiligkeit:

Siehe, Tage kommen über euch, da schleppt man euch fort an Haken

und euer Letztes an Fischerangeln! Und durch Mauerrisse werdet ihr

hinausgehen, jede vor sich hin, und geworfen werden nach Harmon1

hin, ist der Spruch ]ahvesi."

Das sittliche Gesamtniveau eines Volkes erkennt man am sitt=»

samen Verhalten seiner Frauen. Hat erst die Frau ihre weibliche

Keuschheit und Zucht verloren, dann herrscht im Hause die Fäulnis.

Wird aber erst die heiligste Keimzelle eines Volkes, d. h. die Familie,

zur Brutstätte des Verderbens, dann ist es nur noch eine Frage der

Zeit, und das Volk stirbt an seinem eigenen Mutterschoß. Ist es schon

beim Manne widerlich, wenn er die Sünde zur offenen Moral erhebt,

noch weit widerlicher wirkt das öffentliche Zur=Schau=Tragen der

Sünde beim Weibe.

„Kühe Basans" nennt der Prophet die herrschende Frauenwelt

Samarias. „Die Sünde dieser Weiber bestand in gewalttätiger Be«

1 Das Wort „Harmon" oder „Harmonach", wie es im hebräischen Text steht,ersetzen neuere durch „Hermon". Offenbar ist es aber ein Ort oder der Nameeiner Gegend, die man nicht näher zu bestimmen vermag.

2 Kap. 4, 1-3.

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drückung der Armen, indem sie von ihren Herren, d. h. Ehemännern,verlangten, ihnen die Mittel zum Schwelgen zu verschaffen" (Keil).Der sittsamen Frau liegt die Wohltat. Sie ist Seele, und ihr Augefüllt sich mit Tränen beim Anblick der Armen. Die lüsterne Frauverleugnet das Heiligste ihres Seins: die Mütterlichkeit. Sie wirdhärter und grausamer als der Mann, sobald sie erst ihre weiblicheEigenart verloren hat . Wie „Weiber zu Hyänen" werden können,hat sich auch in unserer Zeit gezeigt.

Solch eine Frauenwelt Samarias soll mitten im Gericht noch ihrbesonderes Gericht erleben. Um ihrer Wollust willen verschlossen

sie ihre Seele den Armen. Das Gericht wird sein Erbarmen versdilie*ßen gegen sie. Ihr Weggeworfenwerden und ihr In=die=Gefangen«schaft=Gehen wird besonders g rausam sein. Ih r Auge w ird die Stättenihres Wohllebens untergehen sehen, und durch die Mauerrisse ihrerHäuser werden sie gehen, um für immer den Weg in die Gefangen*schaft zu betreten.

Je mehr ein Volk in seinem öffentlichen Leben das innerlicheTaktgefühl für wahre Gerechtigkeit und sittlichen Anstand verlorenhatte, desto fähiger wurde es, einen Synkretismus zwischen schein»heiliger Staatsreligion und wollüstiger Volksmoral zu pflegen. Ist dieReligion erst nicht mehr das Gewissen des öffentlichen Lebens, dannwird sie zur Schützerin der herrschenden Volkssünden. „Geht nach

Bethel und sündigt! Nach Gilgal und mehrt das Sündigen! Undbringt am Morgen eure Schiachtopfer dar, alle drei Tage eure Zehn"ten! Und zündet an Lobopfer von Gesäuertem und ruft aus frei"willige Gaben, verkündet's! Denn also Heb t ihr's, Söhne Israels, istder Spruch des Herrn Jahve1."

Ein erschütterndes Kapitel, solche scheinheiligen Kultdienste des

öffentlichen Volkslebens! Seelenloser Opferkultus und herrschendeStaatsmoral vertrugen sich stets sehr gut miteinander, wenn sie sichgegenseitig zu Diensten standen. Auch jede Sünde verträgt dieöffentliche Weihe durch den Priester, da sie sich dadurch vor derÖffentlichkeit gerechtfertigt sieht. Auch das Fleisch vermag zuopfern, Liebesgaben zu spenden, Feste Jahves zu feiern, wenn es

dabei auf seinen Genuß und auf seine Rechnung kommt. Denn esi Kap. 5, 4 f.

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opfert immer nur mit Berechnung. Und wenn die kultische Pflege des

Gottesdienstes sogar die Vergebung der Sünden verbürgt, wie leicht

lassen sich dann ein skrupelloses Leben und fromme Kultuspflege

miteinander verbinden!

e) Die Vol ksschul d und die ve rgeb li che He im su ch un g

Damit schließt der Prophet sein großes Kapitel. Er erwähnt fünf

Heimsuchungen und jedesmal mit dem vorwurfsvollen und schmerz=

liehen Wort: „und nicht seid ihr zurückgekehrt zu mir1/' Die Heim=

suchungen zur Weckung des Gewissens vollzogen sich auf jenen

Gebieten, von denen der Wohlstand des Volkes und der Segen und

die Zukunft des Landes abhingen.

In bildlicher Sprache erinnerte der Prophet an die wiederholte

Dürre, die Mangel an Brot schuf. Ein nur auf diese oder jene Stadt,

auf diesen oder jenen Acker niedergehender Regen hatte dem Volk

sagen wollen, daß Gott auch die Gesetzmäßigkeit der Natur und derGeschichte beherrscht. Er kann einzelne segnen auch in der Dürre.

Seine Macht vermag er zu offenbaren auch mitten im Gericht. Und

schien in den ertragreichen Jahren auch der Segen bereits gesichert

zu sein, er sandte Heuschrecken in die ölernte, Kornbrand und Gelb=

wuchs in die Gärten und Weinberge. Und um dem Volk zu bezeugen,

daß er nicht den Tod des Sünders will, wie oft habe er Israel gerettetwie ein Brand aus dem Feuer!

Aber auch nach jeder gnadenvollen Heimsuchung ließ Israel ver=

geblich auf die von Gott ersehnte Umkehr warten. In kommenden

Tagen werden die Gerichte das Volk zwingen, seinem Gott zu be=

gegnen.„WeiJ ich also an euch tun will, so bereite dich vor, deinem

Gott zu begegnen, Israel; denn siehe, der die Berge bildet und dieWinde schafft und dem Menschen kundtut, was seine Gedanken sind,

der die Morgendämmerung zur Finsternis macht und fortschreitet

über die Höhen der Erde, Jahve, Gott der Heerscharen, ist sein

Name2/'

Mit diesem Hinweis auf die Majestät Gottes schließt der Prophet

1 Kap. 4,6. 8—11.2 Kap. 4,12 f.

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seine große Botschaft über die Volksschuld Nord=Israels. So sicherdas angekündigte Gericht auch heranrückte, so stark auch Israelbereits dafür ausgereift war, des Arnos gewaltige Gerichtsbotschaftwar dennoch ein letzter Appell ans Volk: Schicke dich, Israel, undbegegne deinem Gott! Denn solange noch Propheten zu dir über dasGericht reden, ist Raum für dich, durch innere Hinwendung zu Gottdem Gericht zu entfliehen.

5. Die Jungfrau Israel und des Propheten Totenklage

„Höret dies Wort, das ich über eudi erhebe — eine Totenklage,Haus Israel! Gefallen ist, nidit steht wieder auf die JungfrauIsrael, hingestredct ist sie auf ihr Land, niemand richtet sie auf.Denn also spricht der Herr Jahve: Die Stadt, die ausrückte mittausend, wird hundert übrigbehalten, und die ausrückte mit hun-dert, wird übrigbehalten zehn für das Haus Israel.* Arnos 5,1—3

Nicht Philosoph war der israelitische Prophet. Sein Charisma lagin d er prophetischen Schau, nicht in der philosophischen Spekulation.Ob der Inhalt seiner Schau gegenwärtige oder zukünftige Dingewaren, er deutete sie unter dem intuitiven Eindruck eines Propheten,nicht mit der kalten Berechnung eines Geschichtskenners. Daherkonnte der Prophet Urteile über sein eigenes Volk aussprechen, wie

sie ein nationalistischer Patriot nur über die Feinde haben konnte.Auch konzentrierte sich das Kommende in seiner Seele so stark alsbereits gegenwärtig, daß er die noch zukünftigen Ereignisse als schoneingetreten durchlebte. So auch die erschütternde Totenklage überden Fall Israels.

Wir haben bereits bei der Beschreibung der Propheten angedeu*

tet, daß angenommen wird, Arnos sei im Jahre 760 während dergroßen Herbstfeiern in Bethel aufgetreten und habe innerhalb derfeiernden Menge seine ergreifende Totenklage gehalten. Entspre=chend der äußerlichen Sorglosigkeit des Volkes mußte die innerlicheWucht der Klage sein, die den Weg zum Herzen des Volkes zu findensuchte. Arnos konnte mithin nicht darstellen wie ein Schauspieler

und nicht dozieren wie ein Gelehrter. Er konnte nur noch klagen wieein Prophet. Nicht ruhige Erwägungen, nur noch letzte Erschütterun=

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gen könnten das Volk innerlich erkennen lassen, was zu seinemFrieden diene.

a) D e r l e t z t e R u f z u m L e b e n

Indem die Totenklage vor dem Fall der Jungfrau Israel gehaltenwurde, lag in ihr noch ein letzter Ruf zum Leben. Sie sollte in derKlage von dem Gericht sich in dem Gericht sehen, dem sie entgegen=eile. Vielleicht könnte sie das zu jenem heiligen Erwachen bringen,das sie aus dem Tode zum Leben zu führen vermöchte. „Denn so

spricht Jahve zum Hause Israel: Suchet miài, so werdet ihr leben!Aber suàit niàit Bethel auf, und naài Gilgal kommt niait, und naàtBeerseba zieht niait hinüber! Denn Gilgal wird ein Ende haben, undBethel wird zunichte werden. Suchet Jahve, damit ihr am Lebenbleibt, daß er nicht mit Feuer das Haus Josephs in Brand setze, daßes Gilgal verzehre und kein Löscher da ist für Bethel1!"

Wahrlich, ein eigenartiger Ruf zum Leben! Man soll Jahve suchenund doch die Heiligtümer Jahves meiden. Waren sie denn nicht uralteOffenb arungsstätten Go ttes? W ar nicht Beerseba das uralte Isaak=Heiligtum, wo der Sohn der Verheißung dem Herrn einen Altarbaute2? Hatte man etwa ohne heilige Gründe, geschichts= und tradi=tionslos Bethel und Gilgal bei Sichern zu Zentral« und Reichsheilig=

tümern des Nordreiches erhoben? Hatte nicht schon für Abrahamund Jakob Bethel eine ganz große Bedeutung gehabt? War letzteremnicht der Herr in der Nähe von Sichern mit den Worten erschienen:„M ache dich auf und ziehe nach Bethel, und wohne daselbst undbaue dort einen Altar dem Gott, der dir erschienen ist — da du vordeinem Bruder Esau flohst3!" Hatte nicht Samuel in den dunklen

Richterzeiten Bethel und Gilgal durch sein heiliges Prophetenwortund durch seinen Richterdienst eine ganz besondere Weihe gegeben 4?

Bestand doch einst die Sünde Jerobeams I. nicht darin, daß ernach der Reichsteilung Bethel und Gilgal aus ihrer Vergessenheitheraushob und sie zu Hauptheiligtümern des Nordreiches bestimmte.Aber schon seine Sünde war es gewesen, daß er mit dem Heiligsten

1 Kap. 5, 4—6. 3 1. Mose 35 ,1 ff.2 1. Mose 26, 25. 32. 4 1. Sam. 7, 1 5 f.

1 O 1

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frevelte. Er mißbrauchte es zu seinen politischen Zwecken undschmückte die Altäre mit Tiersymbolen, die nie das Symbol Jahvessein konnten. Zur Entsündigung wallfahrte man auch jetzt wiederzu diesen Heiligtümern hinauf, aber zur Mehrung der Sünde ge=reichte es dem Volke.

Es darf nicht unbeachtet bleiben, daß es sich in den Tagen Jero=beams II. beim Opferkultus und bei den jährlichen Festen an diesenheiligen Stätten nicht um abgöttische und heidnische Opfer= undKultfeiern handelte. Man opferte Jahve und feierte Feste des Herrn.Die große Täuschung lag jedoch darin, daß die Feiernden meinten,

je mehr Opfer sie brächten, um so sicherer seien sie Jahves und seinesWohlgefallens.

Was Arnos im Blick auf die Heiligtümer so stark betonen mußte,war der falsche Mißbrauch, den die Frömmigkeit Israels mit ihnentrieb. Indem man kultisch ihnen diente, glaubte man Jahve zu die=nen; indem man reichlich opferte, hoffte man der Vergebung sicher

zu sein; indem man sie ehrte, erwartete man, daß Jahve samt seinenHeiligtümern und den Altären auch das Volk vor dem Untergangschützen würde. Das Volk gewann somit durch die Heiligtümer eineganz falsche Sicherheit und Zuversicht. Es erwartete etwas von Hei=ligtümern, was dem Volke allein durch eine lebendige Beziehung zuGott werden konnte.

Ja, Heiligtümer! Wie können sie ein Segen sein, aber auch zumFluch werden für ganze Völker und deren Geschichte! Ersetzen sieerst in der Erkenntnis und im Leben den Herrn selbst, dann tretensie zwischen Volk und Gott. In seinem Gottesdienst betätigt sich dasVolk alsdann weit mehr mit der Pflege des formalen Kultus als mitdem lebendigen Umgang mit dem Herrn, von dem allein die Kräfte

seines Lebens der Gerechtigkeit und Heiligkeit fließen. Beschäftigtedie Dogmatik eines Volkes sich aber erst weit mehr mit dem Kultusals mit dem Herrn, dann ging dem Leben bei all seiner formellenRechtgläubigkeit dennoch die Ethik eines neuen Lebens und der Ge=rechtigkeit verloren.

Lieber opfert Gott aber seine Heiligtümer, als daß er dauernd

sein Volk dem Gericht überläßt. Israel als sein Erbe ist ihm weitwertvoller als die historischen Stätten seiner Offenbarung, durch die

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er einst seinem Erbe dienen konnte. Er kann sie opfern und durchHände der Fremden vernichten lassen, wenn er auf diesem Wegesein Volk für sich erlösen kann. Denn alles, aber auch alles bis insAllerheiligste hinein, das kultisch zwischen ihn und seinen Erstge=borenen tritt, überläßt er eines Tages dem Gericht. Daher die großeProphetenbotschaft an die begeisterte Kultusgemeinde in Israel:„Suchet midi, so werdet ihr leben! Aber sudit nidit Bethel auf, undnadi Gilgal kommt nidit, und nadi Beerseba wallfahrt nicht hinüber!"

b) Das verachtete Recht

„Wehe denen, die das Redit in Wehmut verkehren und dieGereditigkeit zu Boden werfen . . . Sie hassen im Tore den, der Ent=

sdieidungen fällt, und den, der die Wahrheit redet, verabscheuen sie.Darum, weil ihr den Geringen niedertretet und Kornabgaben vonihm nehmt, sollt ihr wohl Häuser aus Quadern bauen, aber nichtdarin wohnen, Weinberge der Lust pflanzen, aber nicht ihren Wein

trinken1." Jedes Land und Volk hatte stets seine ganz besonderenNationalsünden. Der Wucher war bis heute eine besondere Sündedes Orients. Unter dieser seufzte der Arme und Schwache seit Jahr=tausenden. Andere sich in irgendeiner Form zu Sklaven zu machen,machte dem Orientalen seit uralten Zeiten keine besonderen Skrupel.

In den Tagen Jerobeams II. litten die Armen besonders schwer

unter dieser Erscheinung. Das Recht des Gesetzes zum Schutz derArmen war gut; die Auslegung der Richter jedoch führte stets zurRechtfertigung der Wucherer. Aber dem Herrn der Gerechtigkeit ent=gehen die Seufzer der Geknechteten innerhalb der Geschichte nicht.Ob es Samaria oder irgendein moderner Staat der Gegenwart ist, erlegt eine Gerechtigkeit in die Entwicklung der Geschichte, nach der

die Wucherer aus ihrem Gewinn zwar Häuser aus Quadern erbauenund Lustgärten anlegen können, aber erleben müssen: was nicht imSegen gebaut und unter Segen gestellt werden konnte, brach ret=tungslos in den Sturmfluten der Geschichte zusammen. Daher laßtder Herr durch den Propheten dem Lande sagen: „Sudit das Gute,aber nidit das Böse, damit ihr am Leben bleibt und also Jahve mit

euch sei, wie ihr sagt!"1 Kap. 5,10—17.

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c) Der täuschende Tag des Herrn„Wehe denen, die den Tag Jahves herbeisehnen! Was soll euch

denn der Tag Jahves? Er ist Finsternis und niàit Licht. Gleichwie

einer vor dem Löwen flieht, und es trifft ihn der Bär, oder er kommtin das Haus und stützt seine Hand an die Wand, da beifit ihn dieSchlange. 1st nicht Finsternis der Tag Jahves und nicht Licht, sondernDunkelheit ohne einen hellen Schein1?"

Das war „Heilseschatologie" in den Tagen des Arnos, die inNord=Israel ebenso lebendig war wie in Judä. Im Blickfeld auch der

rein nationalen Kreise Israels lag der nahende „Tag des Herrn".Sie gaben ihm jedoch einen anderen Inhalt, als es der Prophet tat.Sie erwarteten von ihm wohl Gericht und Finsternis, aber nur fürdie Feinde. Für das Volk Jahves, das die Altäre der Heiden zer=brachen hatte, das Jahve Opfer brachte, dessen Sabbate heiligte unddessen Feste feierte auf Grund der Gesetzesoffenbarung am Sinai —für dieses Volk wird er Licht sein und nicht Finsternis, Erlösungbringen und nicht Gericht.

Anders deutete Arnos den ersehnten „Tag des Herrn".. NichtLicht, Finsternis wird er sein auch für Israel! Mochten in Samariadie Frommen im Vertrauen auf die vom Volk gepflegte äußerlicheFrömmigkeit auch „das Eingreifen Jahves in die Geschichte mit voll=kommener Ruhe erwarten", ja sogar darnach „verlangen", welch

ein Erwachen wird es für sie geben, wenn der „Tag Jahves" erstanbricht! Er wird das Gericht bringen, und zwar „zuerst am HauseGottes". Zu welcher Flucht man dann auch greifen wird, man wirddem Bär begegnen, wenn man dem Löwen zu entrinnen sucht. Undglaubt man in seinem Hause bereits sicher zu sein, so sieht man sichdaselbst von der Schlange gestochen.

Wie oft ist auch innerhalb der Kirche Christi diese Amos=Deutungvergessen worden! Wie leicht konnten während der Kriege und inden Nachkriegsjahren manche über „den Tag des Herrn" sprechen!Wie wenig wirklich messianische Gesinnung lebt auch heute vielfachin jenen Kreisen, die vom „Tag des Herrn" nur Gericht für „dieWelt" erwarten, ja es förmlich für diese herbeisehnen! Wer verstehen

will, wie stark Gerichte für die Welt noch im tieferen Sinn Gericht1 Kap. 5,18—20.

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auch für die Kirche Christi sein können, der studiere die gegenwär=

tigen Geschichtsereignisse in manchen Ländern!

d) Der ve rw or fe ne Kul tu s

Aber solche falschen Erwartungen flössen aus dem blinden Ver=

trauen zu der für das Volksganze obligatorisch gewordenen Kultus=

frömmigkeit. Durch staatsgesetzliche Bestimmungen war eine allge*

meine Staatsreligion geschaffen worden. Verleugnete sie sich auch

in der Ethik des öffentlichen Lebens, so bekannte sie sich um so

stärker zum gesetzlichen Kultus. Schuf sie auch im Volk nicht eine

neue Gesinnung, so sicherte sie angeblich doch den äußeren Bestand

und die Zukunft des Staates. Und in Nord=Israel handelte es sich

in der Religion nicht um die letzten Fragen des Volkes zu Gott, es

ging um die Frage der Stellung des Tempels zum Staat. Die Ver=

sündigungen gegen den Staat wogen weit schwerer als die Versün=

digungen gegen den Nächsten. Unterdrückungen der Armen, Ent=

rechtungen der Schwachen, Stützung der Starken, Bevorzugung der

Stände wogen auf der Waage der staatlichen Gerechtigkeit nie so

schwer wie die Prophetensprache eines Arnos. Schon in Nord=Israel

war man in der großen Öffentlichkeit der Meinung: „Es ist besser,

es stirbt einer für das Volk, als daß das ganze Volk verderbe*."

Aber Gott? Wie lautet sein Urteil? In Nord=Israel stand es jedochnicht Gott zu, durch seine Propheten das Gesetz zu deuten. Dies

Recht wurde allein den offiziell anerkannten Priestern und Gesetzes=

forschem zugestanden. Aber war es auch nur einer, der in Nord=

Israel bereit war, Mund Gottes zu sein, es wurde durch ihn für immer

des Volkes Kultusfrömmigkeit unter das Gottesurteil gestellt: „Idi

hasse, idi verwerfe eure Teste und kann nidit riedien eure Festver=Sammlungen. Wenn ihr mir audi Brandopfer darbringt, so habe idi

dennodi an euren Speisopfern kein Gefallen, und das Dankopfer

eurer Mastodisen sdiaue idi niait an2."

Hob nicht solch ein Prophetenwort das Gesetzeswort der Ver=

gangenheit auf? Wurzelte nicht der ganze Opferkultus mit seiner

1 Joh. ii, 50.2 Kap. 5, 21ff.

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Sündenvergebung und seiner Versöhnungsbotschaft im Gesetz desSinai? Hatten nicht Männer wie David und Salomo, die einst dasVolk gesegnet und den Staat groß gemacht hatten, Feste des Herrngefeiert und Dankopfer nach siegreichen Schlachten dem Herrn derHeerscharen dargebracht? Löste nicht solch eine Prophetendeutungüberhaupt alles Empfangene und Heilige der Vergangenheit auf?

„Tut von mir das Geplärr eurer Lieder, und das Saitenspiel eurerLauten höre idi nickt ani Aber laßt das Recht sich ergießen wie dieWasser und die Gerechtigkeit wie einen immer fließenden Badi!"läßt der Herr dem kultustrunkenen Volke sagen. Kein Theologe derGegenwart hätte die Kultusfrage kürzer und besser beantwortenkönnen. Ist die lebendige Beziehung zu Gott nicht ihr Wurzelgebiet,und sind das Recht und die Gerechtigkeit nicht die sichtbaren Früchteder kultischen Frömmigkeit, dann hat sie das Geheimnis ihrer gött=liehen Mission verloren.

Wie kein schöpferischer Gedanke Gottes ohne Leiblichkeit ist,

so war auch nie der geistige Verkehr des Menschen mit Gott ohnejegliche Kultusform. Und insofern, als auch der Opfer= und Priester*dienst, die Sabbate und Festtage in Israel einen typisch=symbolischenCharakter trugen, hatten sie ein durch das Gesetz geoffenbartesRecht. Konnte Gott durch sie zum Volke reden, und redete der leben=dige Glaube des Volkes durch sie zu Gott, dann konnte kein wahrer

Prophet gegen sie weissagen. Aber erwiesen sie sich erst als Quellefleischlicher Sicherheit und falscher Hoffnungen, dan n en thü llte G ottrücksichtslos, daß sie nicht die Quelle, sondern nur das Gefäß desGlaubens, nicht der Geist, sondern nur der Buchstabe der Wahrheitsind.

Hätte wahre und lebendige Herzensfrömmigkeit ihren Ausdruck

in den Formen des Opferkultus, im Halten der Sabbate und im Feiernder Festtage gefunden, nie hätte dann der Prophet im AuftrageGottes solche Urteile über das Formale der damaligen Gottesdiensteausgesprochen. Aber nicht lebendige Herzensfrömmigkeit, sondernformelle Kultuspflege beherrschte Nord=Israel. Wie sicher man sichdaher auch fühlte, die Geschichte mußte mit einer erschütternden

Katastrophe enden. Noch über Damaskus, d. h. über Syrien hinauswird der Weg in eine Verbannung führen, in der als Sklaven dienen

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werden, die gegenwärtig in ihrer Stärke und in ihrem Wohlleben

seelenlos über ihre schwächeren Brüder herrschen konnten.

Nach Arnos begründet der Herr die Ablehnung des ganzen Opfer=

kultus nun mit der Frage: „Habt ihr Schlachtopfer und Speisopfer

mir gebracht in der Wüste vierzig Jahre, Haus Israel? Aber ihr wer-

det hinweggerafft mit den Gußbildern eures Königs samt den BiU

dem, die ihr euch machtet! So werde ich euch wegführen jenseits

Damaskus, spricht Jahve, Gott der Heerscharen ist sein Name1."

Die Deutung dieser Verse ist sehr schwer. Schon in der Wüste

begann das Opfer sich mit dem vermessenen Anspruch des Volkes

zu verbinden. Nun hatte sich seit Jerobeams I. Zeiten, der da „Israel

sündigen machte", damit der Bilderdienst von Dan und Bethel ver=

bunden. Doch Gottes Gericht wird mit all diesen halb frommen, halb

politisch sich klug dünkenden Kulteinrichtungen aufräumen. Er wird

seinem Namen selbst die Ehre verschaffen, die sein Volk ihm ver=

wehrt.

e) Das Ger ic ht der So rgl ose n

Um so erschütternder ist dem Propheten trotz der Größe der

Gefahr die unfaßliche Sorglosigkeit des Hofes zu Samaria und zu

Zion. „Wehe den Sicheren auf Zion und den Sorglosen auf dem

Berge Samarias, den Vornehmen der Ersten der Völker, zu denen

das Haus Israel kommt! Geht hinüber nach Kalne und sehet, undgeht von dannen nach Hamath, der Großen, und steigt hinab zu

Gath der Philister! Sind sie wohl besser als diese Reiche? Oder ist

ihr Gebiet größer als euer Gebiet*?"

Wie oft wiederholte es sich in der Geschichte: wenn Gott erst

ein Volk richten mußte, dann ließ er dessen geistige und politische

Führer mit Blindheit schlagen! Auch die Fürsten und Magnaten desberufenen Volkes, das auf Grund seiner göttlichen Erwählung solch

eine Ausnahmestellung unter den damaligen Völkern einnahm,

unterlagen dieser Gerechtigkeit innerhalb der Geschichte. Zu ihnen

kam zwar das Volk, aber sie führten es mit in die Irre und in die

Katastrophe.

1 Kap. 5, 25-27.2 Kap. 6,11 ff.

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Wir haben im Blick auf Israels Stellung innerhalb der Völker=weit bereits wiederholt darauf hingewiesen, daß es nur als theokra*tischer Staat eine Aufgabe und eine Zukunft hätte. Sooft Israel diesevon Gott ihm zugewiesene Existenzbasis verließ und sich auf den

Boden der Nachbarvölker stellte, sah es sich bis in die Grundfestenseines staatlichen Seins erschüttert. Mithin waren in erster Linie diegeistigen und politischen Führer beider Reichshälften berufen/ Trägereiner wahrhaft theokratischen Gesinnung zu sein.

Denn man konnte nicht sagen, daß auf theokratischer Grundlagedas Volk niedriger, ärmer oder schwächer dastünde als die andern

Völker. Der Prophet nennt drei führende und blühende Hauptstädteder Heidenvölker, Kalne „im Lande Sinear, d. i. Babylonien, amTigris gegenüber von Seleuzien gelegen", und Hamath Rabba, d. h.Hamath, die Große, und Gath, die Hauptstadt der Philister. HatteGott nicht bewiesen, daß Israel trotz seiner theokratischen Stellungin der Welt diesen Hauptstädten und deren Reichen nicht an Wohl=

stand und Einfluß nachzustehen brauche?Jede innere Abweichung von der wahren theokratischen Gesin=

nung führte besonders auch Israels Fürsten und Würdenträger zudem wollüstigen Sündenleben an den Höfen der Nachbarländer.Solch ein wüstes Hofleben wird von Arnos nun als in Samaria herr=sehend geschildert. Daß von Menschen, die täglich nur ihrer Wollust

leben, die nach Übersättigung nur auf neue Genüsse sinnen, sich ausden Weinbechern ihre Begeisterung und Stimmung holen, den Zer=fall ihrer Kräfte und die Falten ihrer Gesichter durch teure Salbenzu v erbergen suchen — da ß v on solchen Führern keine geistigenWerte und keine politischen Fernblicke ausgehen können, hat dieGeschichte immer wieder bewiesen. An solchen Führern gingen eines

Tages selbst die stärksten Völker in ihrer Geschichte zugrunde.Entsprechend ihrer Stellung und ihrer Schuld soll daher auchderen Gericht sein. „Darum sollen sie nun auch an der Spitze derVerbannten in die Verbannung ziehen, und ein Ende hat das Lärmender Ausgelassenen1." Welche Schrecken dieser SchlußkatastropheSamarias vorangehen und nachfolgen werden, schildert der Prophet

mit ergreifenden Bildern in seinen weiteren Worten.1 Kap. 6, 7.

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f) Das tör i ch t e Ve r t r au en

Es war je und je das Erschütternde in der Geschichte, daß poli=

tische Blindheit in der Regel verbunden war mit unverantwortlicher

Selbstsicherheit. Diese machte die Führer eines Volkes unempfäng=

lieh für jede innerliche Besinnung und jede nächstliegende Aufgabe

zum Wohle des Ganzen. Solch eine Selbstsicherheit beherrschte auch

den Hof von Samaria. Sein ganzes Vertrauen galt seiner Stärke in

der Vergangenheit. Aber was sich einst als ein Segen erwies, wird

gegenwärtig zum Gericht werden. „Denn siehe, Jahve befiehlt, daß

man das große Haus in Stücke und das kleine in Trümmer schlage.

Laufen denn Rosse im Felsgebirge, oder pflügt man die See mit

Rindern, daß ihr das Recht in Gift verwandelt und die Frucht der

Gerechtigkeit in Wermut? Ihr freut euch wegen Lodebar und sprecht:

haben wir nicht mit unserer Kraft Karnajim genommen1?"

So wenig man unbestraft bleiben kann, wenn man Rosse auf

dem Felsengebirge laufen läßt, oder wenn man versuchen wollte,mit Ochsen das Meer zu pflügen, ebensowenig ist es denkbar, dem

Gericht zu entgehen, wenn man erst das Recht des bürgerlichen und

staatlichen Lebens in Unrecht verkehrt. Hat man auch erst unlängst

unter Jerobeams II. politischer Führung die Städte Lodebar und Kar=

najim im Ostjordanlande zurückerobert und in diesem Kampf die

Kraft bewiesen, sich selbst zu befreien, der Schlußakt wird den=noch sein, daß das ganze Land einer fremden Macht unterliegen

wird. Glaubte man in Israel, Macht nur mit Macht entgegnen zu

sollen, so soll man wissen, daß gerade sein stolzes Vertrauen zur

Macht zum völligen Zusammenbruch seiner bisherigen Stärke und

des bisherigen Wohlergehens führen wird.

6. Die Gerichtsvisionen und Nord-Israels Schicksalsstunde

„So ließ midi sehen der Herr Jahve.* Arnos 7,1

Prophetische Schau blieb die Grundlage für Arnos' prophetische

Rede. Denn objektive Offenbarung vermählte sich stets zuvor mit1 Kap. 6,11—13.

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Fragen der Geschichte, und zwar mit solcher Wucht und Klarheit,

daß dadurch die bisherige Geschichtsphilosophie und Staatspolitik

einfach über den Haufen geworfen wurden. Arnos gab den natür=

liehen Geschehnissen der Zeit und denen in der Geschichte seinesVolkes eine Deutung, die mit geheimnisvoller Macht zu einer völ=

ligen Neubesinnung oder zum schärfsten Widerspruch zwingen

mußte.

Dem Auftreten einer Heuschreckenplage, wie sie im Orient keine

Seltenheit ist, gibt er die Deutung einer Gerichtsheimsuchung Gottes.

Durch ein Gericht am Ertrag des Feldes soll dem Gericht am Volks*leben vorgebeugt werden.

Auffallend ist nun, daß nicht auf Grund einer allgemeinen Volks=

büße die Plage abgewendet wird, sondern allein auf die Fürbitte des

Propheten hin. Welch ein Paradoxon war doch solch ein Prophet!

Nach seiner prophetischen Gerichtsverkündigung scheinbar ein

Mensch ohne jede Seele, ohne jegliches völkische Empfinden, ohne

jedes politische Verständnis für das Wohl seines Landes. Allein —da ringt er mit Gott um die alltäglichsten Dinge zum Wohl des

ganzen Volkes. Wer daher diese Männer als „politische Demagogen*

oder soziale Aufwiegler oder als religiöse Schwärmer ansieht, die

kein Verständnis für die Eigenart und Entwicklung des eigenen

Volkes hatten, der hat das Wesen ihrer prophetischen Mission nicht

begriffen. Prophetische Persönlichkeiten, die wie ein Jeremia vor der

Öffentlichkeit hart wie eine „eiserne Mauer" erscheinen, können

angesichts ihres Volkes vor Gott in Tranen zerfließen.

b) Die zwei te Vi si on : das Fe ue rg er ic ht

„So ließ midi sehen Jahve, der Herr, und siehe! Es rief, zu

strafen mit Feuer, der Herr Jahve. Und es fraß die große Flut und

fraß das Erbteil. Und idi spradi: Herr Jahve! Laß dodi ab! Wie soll

Jakob bestehen, da er dodi klein ist? Jahve ließ es sidi gereuen: audi

das soll nidit gesdiehen, spradi der Herr Jahve1." Frühere Ausleger

haben diese Vision stark allegorisch behandelt, indem sie das Feuer

als Bild des Zornes Gottes deuteten, der die große Flut, d. h. die

große Völkerflut, und das Erbteil, Israel, fressen wird.1 Kap. 7, 4-6.

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Doch handelt es sich hier wohl nur um eine eintretende Dürre,die ebenfalls wieder wie die Heuschreckenplage nach einer Fürbittedes Propheten verschwand. Was uns aber wichtig erscheint, ist die

Feststellung, welch eine entscheidende Bedeutung verborgene Persön=lichkeiten für das Ganze eines Volkes haben können. Wer mag da=mais in Israel geahnt haben, daß hinter dem Zurückgehen einereingetretenen Dürre das Gebet eines Propheten stand? Denn solcheGebetskämpfe um das Wohl eines Volkes hört man nicht auf Stra=ßenecken und in den großen Volksstätten des öffentlichen Lebens.

Der Prophet Elia schickt Ahab und seine Begleitung nach Hause;er selbst geht jedoch mit Gehasi auf des Karmels Spitze, um Regenfür sein Volk zu erflehen. Die großen Fragen über das Wohl unddas Wehe der Völker werden von Propheten nicht auf offener Straßeverhandelt, sondern abseits vom Lärm der Zeitströmungen im Zwie»gespräch mit Gott.

Somit scheint mir hier der Hinweis berechtigt zu sein, welcheweittragende Bedeutung Persönlichkeiten für ihr Volk haben können,die in ihrem innersten Sein vor Gott stehen. Als „Salz" ihres Volkesund als „Licht" ihrer Zeit können sie, auch wenn sie keine offiziellenFührerpersönlichkeiten des gesellschaftlichen und politischen Lebenssind, dennoch weit positiver für ihr Volk wirken als so manche an=

dere in öffentlicher Stellung. Wenn ein Volk in seiner breiten Masseauch weniger Raum für die Herrschaft Gottes hat, diese tragen dieWelt Gottes mit ihrer schöpferischen Kraft und ihrem erleuchtendenLicht in ihr Volksleben hinein. Es kann von ihnen ein verborgenerEinfluß ausgehen, der für ganze Zeitperioden bestimmend für ihrVolk werden kann.

Weiter scheint mir auch der Hinweis auf die Macht der Fürbitteberechtigt zu sein. Es mag paradox erscheinen, aber es müßte eigent=»lieh heißen: auf die Ohnmacht der Fürbitte. Denn an sich liegt inder Fürbitte keine Macht. Sie ist der Ausdruck der tiefsten Ohnmachtder ringenden Seele. Weil sie nicht kann, was ihre Sehnsucht im Blickauf den Nächsten oder auch im Blick auf ihr Volk stillen, ihre Hoff=nung erfüllen, das Elend wenden oder die Hilfe senden könnte, daherwendet sie sich an Gott. Nicht im Gebet, in Gott liegt die Macht,die das Geschehen beherrscht. Ihm lebt Vergangenheit und Gegen*

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wart. Er beherrscht die Friedens» und auch die Gerichtszeiten inner*

halb der Geschichte. Ihm muß alles dienen, wenn auch mit innerem

Widerspruch und in öffentlicher Auflehnung. Er vermag so in den

Gang der Dinge einzugreifen, daß neue Segenskräfte sich dem Volkemitteilen oder drohende Gerichte abgewendet werden. Wie jedoch

die verborgenen Zusammenhänge seines göttlichen Eingreifens in

den Gang der Dinge und das Gebet seiner Freunde sich in ihren

Vorgängen geschichtlich auswirken, bleibt uns Menschen vielfach

ganz verhüllt. Wir sehen nur die Wendung der Dinge; wie sich

jedoch im einzelnen die Wendung auf das Gebet eines Menschen hinvollzog, das gehört zu den Geheimnissen, die Gott unserm spekula=

tiven Denken selten ohne weiteres preisgibt.

c) Die dritte Vision: die Gotteshand mit dem Bleilot

„So ließ der Herr midi sehen, und siehe! Er stand auf einer lot=rechten Mauer, und in seiner Hand war ein Bleilot. Da sprach Jahve

zu mir: Was siehst du, Arnos? Und ich sprach: ein Bleilot. Und der

Herr sprach: Siehe! Ich lege ein Bleilot mitten an mein Volk Israel,

nicht mehr werde ich an ihm vorübergehen, sondern verwüstet wer=

den die Opferhöhen Isaaks und die Heiligtümer Israels zerstört. Und

ich stehe auf wider das Haus Jerobeams mit dem Schwert1/'

Die dritte Vision kündet bereits mehr als eine vorübergehende

Gerichtsheimsuchung an. Zwar steht der Herr mit seinem Bleilot auf

einer Mauer, die nicht gelitten hat und daher in ihrem senkrechten

Bestand nichts verrät von einem nahen Zusammenbruch. Die äußer=

liehe Struktur des Nordreiches war zur Zeit des Arnos so, daß nie=

mand das Unheil ahnen konnte, das seinem ferneren Bestand drohte.

Der Thron stand fest, das Gesetz wurde gelehrt, die Heiligtümer

waren gefüllt, die Opferaltäre rauchten, Priester segneten das Volk

— unmöglich könne diesem Bau der Zusammenbruch drohen.

Es bleibt bis heute das Geheimnis der Propheten, daß ihr Urteil

sich so oft nicht deckte mit dem des öffentlichen Lebens. Es bildete

sich nicht nach dem äußeren Schein, sondern sah sich bestimmt durch

das innere Wesen. Denn wie oft konnte in der Geschichte eine glanz=1 Kap. 7, 7-9.

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volle Außenseite dennoch eine sehr häßliche und unlautere Innen«seite verbergen! Da prophetische Persönlichkeiten aber ihre Orien-tierung am Herzen Gottes und im Lichte der Ewigkeit gewannen,

war ihr Rechtsempfinden in der Regel ein viel zarteres und klareresals das eines rein materialistisch oder national eingestellten Gewis-sens. Daher konnten sie einerseits in Blütezeiten der Geschichte Ver=fall und wiederum im schwersten Gericht das Morgenrot einer neuenZukunft sehen.

Gerade die Grundpfeiler eines Staates und Volkes: Thron und

Heiligtum sollen nach dem Wort eines Arnos wüste oder mit demSchwert vernichtet werden. Dieses Urteil über die höchsten Gütermenschlicher Geschichte führte zur offenen und leidenschaftlichenAuflehnung gegen den bisherigen Bußprediger von Thekoa. Offen»bar hatte sich im Herzen der herrschenden Kreise schon längst vielWiderspruch gegen das Auftreten und Reden des Arnos angesam-

melt . „D a ließ Am azja, der Priester von Bethel, Jerobeam, demKönig von Israel, sagen: Arnos stiftet wider dial Verschwörung aninmitten des Hauses Israel, nickt mehr vermag das Land alle seineWorte zu ertragen. Denn so sagt Arnos: Jerobeam wird durai dasSchwert sterben, und Israel muß aus seinem Lande ins Exil 1."

Es war nicht der erste und nicht der letzte Kampf, der damalszwischen Priester und Prophet begann. Und es bleibt bis heute dasGeheimnis der Offenbarung, daß sie entweder das Gewissen desöffentlichen Lebens zur Buße oder zur Verstockung führt. Erschließtsich das Gewissen ihrem Licht, dann gewinnt es jene neue Orien-tierung, die zum Leben führt. Entscheidet es sich jedoch gegen dieOffenbarung, dann beginnt wie einst bei Pharao jene bewußte Auf»lehnung gegen Gott, die eines Tages in ihrem Kampf mit dem Ge=rieht enden muß. Denn Gott hält durch, ob mit dem Wollen odergegen das Wollen des Menschen. Ihm handelt es sich im Gerichtüber die Gegenwart um die Rettung der Zukunft. Wer sich nun inseinem Widerspruch Gott und seiner Offenbarung gegenüber zubehaupten sucht, der bricht rettungslos an diesem Widerspruch zu-sammen.

Ferner ist es eine seltene Tragik innerhalb der Geschichte, daß1 Kap. 7,10 f.

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bis heute der Prophet in der Regel vom Priester vor Jerobeam ver=klagt wurde. Im Priester überlieferte der offizielle Kultus das leben=dige Gotteswort im Propheten der Macht des Staates. Nicht Gott, der

Thron hatte die letzte Entscheidung über Wahrheit und Zukunft zutreffen. Muß aber erst Gott schweigen, dann redet alsbald um solauter der Mensch. Die dunkle Welt seiner Seele wird hinfort zujener geschichtlichen Tat, durch d ie er sich für die Zuk un ft sein Gerichtschafft. In dieses Gericht zieht er dann Thron und Heiligtum mithinein, so geheiligt sie durch Tradition und Geschichte auch immerzu sein schienen.

Die Anklage des Oberpriesters gegen Arnos lautete auf Maje=stätsbeleidigung, Tempelverachtung und Volksverhöhnung. DerKönig fällt durchs Schwert, die Heiligtümer werden wüste, und dasVolk wandert ins Exil. Schwereres konnte damals nicht gesagt wer=den gegen die zur Zeit bestehende Struktur des nordisraelitischenStaates. Es geschah nur selten in der Geschichte, daß wie Ninive

nach der Predigt eines Jona der Staat sich unter solch ein vernichten=des Prophetenwort beugte und den Weg zum Leben fand. Es bleibthier jedoch auffallend, daß scheinbar Jerobeam II. gar nicht auf dieAnklage seines Oberpriesters reagierte. So gab denn Amazja demPropheten aus Juda selbst den Rat: „Seher, geh, flieh du ins LandJuda! Iß dort dein Brot und dort weissage! Aber in Bethel sollst du

nicht länger weissagen; denn königliches Heiligtum ist es und Reichs°tempel."

Es scheint, daß auch Amazja diese Sprache eines Propheten nichtertragen konnte. Da der König schwieg, glaubte er dank seinerStellung dem Arnos keinen besseren Dienst erweisen zu können,als ihn nach Hause zu schicken. Dort könne er sein Brot mit Weis=

sagen verdienen. Aus der Bemerkung darf wohl geschlossen werden,daß m an d amals durch W eissagen ebenso sein Brot v erdienen ko nn tewie durch irgendeinen anderen Beruf. Jedenfalls behandelte Amazjadas Kommen eines Arnos allein vom Standpunkt der Brotfrage, nichtvom Standpunkt des innerlichen Von=Gott=Gesandtseins. Wahrlich,ein Standpunkt, der sehr wenig der wahren Würde und Stellung

eines Oberpriesters am bedeutendsten Jahve=Heiligtum in Nord=Israel entsprach!

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„Da hob Am os an und sprach: Nicht Prophet bin ich und nichtProphetenschüler, sondern Kleinviehzüchter bin ich und ziehe Syko=morenfeigen. Aber Jahve nahm mich von der Herde weg und sprach

zu mir: Geh, weissage wider mein Volk Israel1

!"Wie not täte uns heute wieder solch eine mutige Sprache der

Propheten! Die Antwort der Zeit würden überfüllte Kirchen undVereinshäuser sein. Mehr als je hat die Gegenwart Verständnis fürletzte Wirklichkeiten, besonders auf den Gebieten des Heiligsten.Wer wie der Prophet aus der Welt Gottes, mit absoluter innerlicher

Wahrhaftigkeit über die höchsten Wahrheiten zu reden sucht, hatweithin das Ohr des Volkes. Aber es lehnt bewußter als je alles ab,was gerade auf geistlichem Gebiet mit allerlei Nebengedanken undniederen Zielen verbunden wird. Ist man Prophet, dann rede manauch als Prophet, nämlich im Auftrage der höchsten Autorität undaus der Wirklichkeit einer höheren Welt!

Wie der Prophet nicht reden kann, wenn er sich nur von Men=sehen autorisiert sieht, so kann er auch nicht schweigen, wenn derMensch es ihm gebietet. Sein Weissagen und sein Nichtweissagensind von höheren Vollmachten abhängig, als sie ein Oberpriesteram Reichsheiligtum zu Bethel besitzt. Wäre das nicht je und je derFall gewesen, dann besäße die Geschichte nur noch einen Kultus,aber keine Offenbarung mehr. Auch Arnos' Antwort lautete: „Und

nun höre das Wort Jahves! Du sagst: Du sollst nicht weissagenwider Israel und nicht prophezeien gegen das Haus Isaaks. Darumspricht Jahve so: Dein Weib soll in der Stadt zur Hure werden, deineSöhne und Töchter sollen durch das Schwert fallen und dein Ackermit der Meßschnur verteilt werden, und du sollst in einem unreinenLande sterben und Israel gewiß in die Verbannung wandern aus

seinem Lande2

/'Das war eine Gerichtsbotschaft, wie sie für einen Oberpriester

in Bethel nicht erschütternder sein konnte. Und wie wahr kann solcheine Botschaft im Leben derer werden, denen ihre berufsmäßigeStellung in der Welt höher steht als der Dienst eines wahren Gottes=propheten! Muß erst die Geschichte mit ihren Gerichten die Exegese

1 Kap. 7 , 1 4 .2 Kap. 7,1 6 ff .

1 1 6

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zu dem verworfenen Prophetenwort geben, dann zieht sie unerbitt=lieh auch alles mit ihrem Wesen innerlich vermählte Priester« undProphetentum in ihre Macht und ihre Schrecken hinein.

d ) D i e v i e r t e V i s i o n : d i e R e i f e z u m G e r i c h t

„So ließ midi sehen der Herr Jahve, und siehe: ein Korb mitreifem Obst! Und er sprach: Was siehst du, Arnos? Und idi spradi:einen Korb mit reifem Obst. Da spradi Jahve zu mir: Gekommenist das Ende meinem Volke Israel, nidit werde idi ferner an ihmvorübergehen1/1 Auch die Sünde als Schuld eines ganzen Volkes läßtGott ausreifen, daß sie eines Tages ihr Gericht in sich selber findet.Arnos sieht diese Stunde für Nord=Israel kommen im Bilde einesObstkorbes mit reifer Frucht. Solange Hoffnung besteht, daß dasWort eines Propheten König und Volk zur Buße führen könnte, istGott immer wieder bereit, das ganze Land unter seine Vergebung

und wartende Geduld zu stellen. Erst wenn die letzte Hoffnungschwindet, daß eine völlige Neuorientierung erfolgen könne, beginntGott zu schweigen. Hat aber Gott erst nichts mehr zu sagen, dannschweigt auch der Mund seiner Propheten.

Damit das Volk seinen wahren Zustand erkenne, zeigt Arnos ihmnoch einmal das Antlitz seines Lebens. Der herrschende Wucher der

Starken ging damals so weit, daß man an den Festtagen fragte:„Wann ist der Neumond vorbei, daß wir Getreide verhandeln, kleinzu madien das Epha und groß zu machen das Gewicht und zu fäl-schen die betrügerische Waage, zu kaufen Geringe für Silber undArme um ein Paar Schuhe, und den Abfall des Korns wollen wirverhandeln 2?" Hier ist Wucher und völlige Entrechtung der Armen

nicht mehr eine gelegentliche Versündigung oder die Sünde einzelnner, sondern kaufmännisches System und herrschender Zustand ge=worden. Eintretende Festtage und Sabbate mit ihrer Weihe werdenals solch eine zeitliche Einschränkung des eigentlichen Lebensberufsempfunden, daß man sie unerträglich findet. Und solch ein Zu=stand fand weder beim öffentlichen Gericht, noch beim religiösen

1 Kap. 8, t ff.2 Kap. 8 ,4 ff.

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men, dann trat noch immer jener Hunger nach einem lebendigen

Wort Gottes und jener Durst nach Wahrheit ein, wie der Prophet

es so ergreifend schildert.

Und wer sieht diesen Zustand nicht heute wieder nach dem

furchtbaren Zusammenbruch unserer Hochkultur in ganz Europa?

Die ganze Welt ist arm an einem erlösenden Gotteswort, trotz der

Bibel, die sie besitzt, und trotz der Priester, die ihr predigen und sie

evangelisieren. Die Bibel ist ihr nur noch Erkenntnisbuch geblieben,

und sie muß schweigen als prophetisches Wort im geistigen Aufbau

der Gegenwart. Die Priester können nicht weissagen, weil ihnen dieUnabhängigkeit der Propheten von den Zeitströmungen und die Ab=

hängigkeit von Gott durch die Blütezeit der Kultur genommen wor=

den sind. Und dennoch muß auch heute wieder zuvor der Prophet

reden, bevor das Volk aus seinem Gericht eine Auferstehung erlebt.

e) Die fünfte Vi s ion : die Ze rsc hl ag ung des Al ta rs

„Ich sah den Herrn am Altar stehen, und er sprach: Schlage den

Knauf, daß erzittern die Schwellen, und zerschmettere sie auf das

Haupt aller . . M" Die letzte Vision des Propheten beschäftigt sich

nun mit dem sich vollziehenden Untergang des Volkes. Dieser be=

ginnt mit der Zertrümmerung des Altars zu Bethel. Das Gerichtbeginnt beim Allerheiligsten: an der Wurzel des geistlichen Lebens

des Volkes. Denn letzthin ist jede einzelne Volksschuld nur eine

Frucht, die aus dieser Wurzel erwuchs und im Verlauf der Geschichte

ausreifte. Diese Frucht am Baume des Volkslebens zeigte aber, wie

böse in Nord=Israel die Wurzel war. Das falsche Gottvertrauen, in

dem das Volk lebte, die unverantwortliche Unterdrückung der Schwa=

chen, der völlige Mißbrauch der staatlichen Rechtsordnung, die Ver=

sklavung des Lebens durch den herrschenden Wucher — alles Frucht

eines völlig falschen Verhältnisses des Volkes zu Gott.

Der Altar ist das Symbol des heiligsten Wurzelgebietes vom

menschlichen Leben. Er unterliegt zunächst dem Gericht. Die Gerichte

innerhalb der Geschichte setzten in der Regel da am ersten und

stärksten ein, wo die tiefste Schuld der Vergangenheit lag. Vielfach1 Kap. 9, l.

1 1 9

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Jesaja größer als die eines Arnos. Auch in den Heilserwartungenmußte der Prophet den Propheten ergänzen. Dem Wesen nach abererwarteten sie alle eine neue Heilsoffenbarung auf den Trümmerneiner untergegangenen Völkerwelt. Aber sie erwarteten diese vonGott aus, wenn auch nicht ohne Mitwirkung ihres Volkes oder derVölker. Darin unterschieden sie sich aber wesentlich von ihren viel=fach ganz verzweifelten Zeitgenossen. Die Verzweiflung fließt in derRegel aus der Erkenntnis, daß m an das Vergangene nicht mehr rettenkann. Mit der Rettung des Vergangenen, das fürs Gericht ausgereiftwar, haben sich die Propheten nie beschäftigt. Es war mit das ganz

Große ihrer Seele, daß sie sich auch unter das Gericht beugten unddaher gerichtet sein ließen, was Gott durch die Geschichte richten ließ.

Auch ihre Seele trauerte ob dem Untergehenden und Unterge=gangenen. Aber die Kraft ihrer Hoffnung lag nicht in der Erwartung,daß das Gerichtete durch die kommende Geschichte wieder gerecht=fertigt werden sollte. Das war ja stets die trügerische Hoffnung

derer, die eine Rettung der Zukunft nur aus der Neubelebung undWiederherstellung der Vergangenheit erwarteten. Nicht von Gottaus, der ein Neues zu schaffen vermag, sondern von dem Zusam=mengebrochenen aus erwartet eine trügerische Hoffnung die Krafteiner neuen Auferstehung. Eine im Gericht zusammengebrocheneKraft kann aber in ihrer Neubelebung nicht Höheres wiederherstel=

len als das, was vorher im Gericht unterlag. Teilt sich dem Ruinen=feld nicht eine neue Kraft mit, die mehr Erlösung in sich trägt alsdie zusammengebrochene, dann kommt es nicht zu einem verhei=ßungsvollen Neuaufbau der Zukunft. Dann werden die Reste desTrümmerfeldes im Laufe der Geschichte zu jener erschütterndenKlagemauer, deren Steine man, von Weh zerrissen, ewig küßt unddoch nicht zu neuem Leben erwecken kann.

Der Prophet erwartete jedoch nicht Wiederherstellung durch dieKräfte des Gerichteten, sondern schöpferischen Neuaufbau durch dieOffenbarung erlösender Gotteskräfte. Insoweit das Volk sich ihnenerschließen wird, erlebt es alsdann eine neue Auferstehung ausseinem Gericht. Mit dieser Erwartung schließt auch Arnos seinenprophetischen Dienst.

Wer von Gott aus wie die Propheten die Geschichte zu beurteilen

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wagt, der muß auch in seiner ernstesten Gerichtsbotschaft wie einArnos mit der Hoffnung enden, in der die Barmherzigkeit trium=phiert über das Gericht. Schuf die Sünde innerhalb der Geschichte

auch immer wieder ein Chaos, es blieb das Recht der Schöpfermaje=stät Gottes, seinen Odem lebenweckend über dem Gerichteten wehenzu lassen, bis es sich freiwillig aus seinem Gericht zu einer neuenAuferstehung erlösen ließ. Wem jedoch das Gericht der Vergangen*heit immer noch mehr bietet als die neue Erlösung, der bleibt imGericht auch trotz der Gnade, die zu neuem Leben zu führen sichanbietet.

In seiner Heilserwartung für die fernere Zukunft, ohne sie näheranzugeben, bewegt sich Arnos zunächst in der Hoffnung auf dieWiederherstellung der Hütte Davids. „An jenem Tage werde ichdie zerfallene Hütte Davids w iederaufrichten und ihre Risse ver*mauern und ihre Trümmer wiederaufrichten, und idi will sie bauenwie in den Tagen der Vorzeit, damit man erblich besitze den Über-

rest Edoms und aller der anderen Völker, über welche mein Nameangerufen ist, spricht Jahve, der solches tut1." Hier darf darauf hin=gewiesen werden, daß Arnos schon vorher zwei Erwartungen mitseiner Heilsbotschaft verband, die das Kommen des „Tages desHerrn" mit seiner neuen Heilsoffenbarung ahnen ließen. Mitten imGericht mit seiner Verzweiflung und Ratlosigkeit wird ein Hunger

im Volk geweckt werden nicht nach Brot, sondern nach dem leben*digen Gotteswort. Zwar äußert sich darin das Gericht, daß man essuchen, aber nicht finden wird. Denn man hatte Gottes Mund zumSchweigen gebracht, indem man seine Propheten verjagte. Aber eswar bereits das schöpferische Wehen des Geistes über dem Chaos,daß im Gericht ein Hunger nach dem Wort des Herrn in der Seele

des Volkes geweckt wurde, wie Israel es in seiner Vergangenheitnie gehabt hatte. Auch wenn dem schöpferischen und erlösendenGeist Gottes zunächst der Mund eines Propheten fehlt, um durchihn zum Volke reden zu können, so weckt er in der Seele des Men=sehen dennoch eine innere Verfassung, in der er aufhorcht, sobaldGo tt wieder v ernehm bar reden kann . Das ist aber v orlaufende Gnadeauch mitten im Gericht.

1 Kap. 9, l i ff.

1 2 3

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dem auch über alle jene Völker, über die Jahves Name angerufenwird. Mit dem Anrufen des Namens Jahve wird aber gesagt, daßes sich um Völker handeln wird, die ebenfalls unter den Einfluß derWirklichkeit und Herrschaft Gottes gekommen sind; denn Name istAusdruck des Wesens.

Zweitens beschäftigt sich Arnos' lebendige Hoffnung mit demgesegneten Ertrag der Arbeit. „Siehe, die Tage kommen, sprichtJahve, da reiht sich der Pflüger an den Schnitter und der Trauben*kelterer an den Säemann!" Was es bedeutet, wenn die Arbeit einesVolkes oder auch der Völker unter dem Gericht steht, haben wir oft

genug erlebt. Welche Versuche auch gemacht werden, die Arbeitwieder so gesunden zu lassen, daß sie mit reiner Freude am wirk=liehen Ertrag verbunden ist, alles scheitert unter dem herrschendenGericht.

Auch die Gesundung der Kultur, auch der Aufbau der Volkswirt»schaft, auch die Lösung der sozialen Frage werden in der Zukunft

mehr als je zuvor aufs engste mit der Frage der Gottesherrschaftauf Erden zusammenhängen. Erst mit der Herstellung der HütteDavids, d. h. mit dem Sichtbarwerden einer wirklichen Theokratieim Leben der Völkerwelt, wird es sich zeigen, daß die Welt genugSegen und Kräfte des Aufbaus in sich trägt, so daß Säen und Erntenzu gleicher Zeit geschehen kann. Denn was Arnos verheißt, ist der

Ausgleich der seelischen Spannung, die der Säemann bis zur Ernteerlebt. Denn „die Berge werden triefen von Most, und alle Hügelwerden fließen. Alsdann werde ich das Los meines Volkes Israelwenden, und sie werden verwüstete Städte hauen und (dieselben)bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und den Wein davontrinken und Gärten anlegen und die Frucht daraus essen1."

Erlösung des Geistes führte stets auch zur Erlösung der Kultur.Menschen unter der Herrschaft Gottes stellten auch die Schöpfungunter die Herrschaft Gottes. Paulus erwartete daher die Erlösungder seufzenden Kreatur von dem Offenbarwerden der Söhne Gottes2.Wahrlich, ein Wesenszug, der durch alle Heilserwartungen und mes»sianischen Hoffnungen hindurchgeht! Gott läßt seine erlösten Söhne

1

Kap. 9 ,13-15 .2 Römer 8, 19-22.

1 2 5

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Gerechtigkeit un d W ahrhe it gewo rden w ar. Es bedurfte einer ganzenPersönlichkeit, um diese Gotteswahrheit einem von seiner Erwäh=lung berauschten und doch in der Ungerechtigkeit der Nachbarvölker

lebenden Geschlecht mit dem ganzen Ernst der Ewigkeit zu dol=metschen.

Prophetische Einseitigkeiten sind aber nicht auch EinseitigkeitenGottes. Darum muß einen Arnos der etwas jüngere ZeitgenosseHosea ergänzen, ergänzen mit derselben Einseitigkeit, die seinenVorgänger so stark gemacht und dessen Botschaft solch einen er=

schütternden Ernst gegeben hatte. Und gerade auf Grund seiner Ein=seitigkeit wurde Hosea zu einer der innerlichsten und tiefsten Pro=phetennaturen innerhalb der Reichsgeschichte Israels.

Seine Mission galt der liebe Gottes. Sie ist ihm stark wie derTod. Sie stellt auch das sündige Volk unter die Vergebung unddessen Gericht unter die Gnade. Zwar war auch sein Protest gegen

Israels kultische Gottesverehrung und fleischliche Sicherheit, gegenIsraels sinnjiche Leidenschaften und soziale Ungerechtigkeiten nichtweniger scharf und stark als der eines Arnos. Denn auch ihm standunerschütterlich fest, daß Gott in seiner vergebenden Liebe nicht dieUngerechtigkeit als Gerechtigkeit, die Schande als erlaubtes Natur=recht, die Ausbeutung des Schwachen durch den Starken als Ge=Schäftsklugheit, des Volkes Erwählung nicht als ein Privileg vor demGericht gelten lassen könne. Der Blick für die vergebende Liebe, diein ihrer schöpferischen Kraft auch aus Schuld und Gericht zu erlösenv erm ag, h atte ihn nicht blind gemacht gegen d ie herrschenden Kräfteder Ungerechtigkeit, die Nord=Israel so zersetzt hatten, daß es imkommenden Gerichtssturm der Geschichte zusammenbrechen mußte.

Gerade in der Persönlichkeit eines Hosea erkennen wir, daß ver=

mehrtes Licht über Gott auch entsprechend tiefere Erkenntnis vonder Macht sozialer Ungerechtigkeit, der Gefahr politischer Selbst=berauschung und dem Trug religiöser Selbstsicherheit wirkt. Führtedoch noch immer höhere Erleuchtung zu tieferer Erfassung mensch=licher Verantwortung und persönlicher Schuld vor Gott und der Ge=schichte. Wo diese Frucht der Erleuchtung verleugnet wurde, da

gereichte sie ihren Trägern zum Verderben. Wen Erwählung nichtheiligt, der berauscht sich an ihr zu seinem Gericht. Es hatte daher

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Untergang zur Hoffnung, wenn er sie in seiner Souveränität erstin den Dienst seiner vergebenden Liebe ziehen kann. Hosea ist inseiner prophetischen Mission daher am verwandtesten jenem großen,

viel späteren Apostel der Nationen, der auf neutestamentlichemBoden die große Botschaft in die W elt tragen ko nn te: „W o die Sündemächtig geworden ist, da hat sich die Gnade als weit mächtigererwiesen1."

Wir können auch Propheten nur mit Maßstäben menschlicherErkenntnis messen. Im Urteil der Geschichte war aber Hosea größer

als sein älterer Zeitgenosse Arnos. Er hatte Größeres der Welt zudolmetschen als der Hirt und Sykomorenzüchter von Thekoa. Ergewann im Lichte seiner erschütternden Familienverhältnisse eineGotteserkenntnis, wie sie an Tiefe kaum von irgendeinem anderenPropheten erreicht worden ist. Ihm blieb in allem göttlichen Tun diebestimmende Macht doch die Liebe. Sie bestimmte auch das Verhält=

nis G ottes zu Israel. Die Grundlage für Jahv es Bund mit seinem Volkist ihm nicht so sehr eine gesetzliche Rechtsgemeinschaft, sonderneine sittliche Geistesgemeinschaft auf der Grundlage der Liebe.

Auch Hosea sieht bei der ganzen Struktur Nord=Israels und des=sen herrschendem Leben keine Möglichkeit, die drohenden Gerichteaufzuhalten. Er setzt sich nicht über den Ernst der Geschichte blindhinweg. Er ist kein falscher Prophet, der „Friede" ruft, wo vor demVolk der Abgrund gähnt. Aber das Volk soll eine Hoffnung mit=nehmen ins Gericht, durch die es, wenn es erwacht, neue Zuversichtzu seiner Erlösung gewinnt. Fester als manchem anderen Prophetenstand ihm daher, daß Gottes letztes Wort nicht Gericht, sondernGnade sein will. Nicht in den Gerichten, sondern allein in der Liebeliegen für ihn die schöpferischen Lebens= und Geisteskräfte, durch

die ihm eine größere und gerechtere Zukunft seines Volkes verbürgtwird.

Hoseas prophetische Zeugnisse klingen daher in einer HoffnungIsraels aus, die hinfort in den Heilserwartungen aller späteren Pro=pheten nachklingt. Von ihm ab bildet die große Hoffnung Israelseinen der wesentlichsten Bestandteile der prophetischen Missionen.

Im Blick auf das Kommende, das hinter den nahenden Gerichten für1 Rom. 5,20.

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göttlichen Wahrheit in der Geschichte wahrgenommen werden kön=nen. Auch das Widergöttliche in der Geschichte suchte vielfach ausgöttlichen Quellen sein Programm und seine Kraft zu schöpfen und

verstand sein ungöttliches Handeln durch die Berufung auf göttlicheZiele zu rechtfertigen.So kam es, daß auch in der späteren Entwicklungsgeschichte des

jüdischen Volkes nach dem Verstummen der biblischen Prophétiejene unnüchternen und spekulativen Zukunftserwartungen die Seeleder Hoffenden beherrschten. Diese mußten zu den schwersten Ent=täuschungen fuhren, ja den endgültigen Zusammenbruch des jüdi=sehen Volkes vorbereiten. Die apokryphe Prophetenliteratur jenerZeit liefert uns den Beweis dafür, wie wenig durch nationale undmachtpolitische Mittel göttliche Ziele zu verwirklichen sind.

Ob Hosea die v olle Erfüllung seiner Gerichtsverkündigung erlebthat, wissen wir nicht. Die Erfüllung der von ihm geschauten Heils=zeit hat er nicht erlebt. Sie begann erst nach siebenhundert Jahren

mit dem Kommen Jesu in Erscheinung zu treten. Wir wissen nur,daß mit dem Jahre 722 v. Chr. das Nordreich, dem die prophetischeMission eines Arnos und Hosea gegolten hatte, aus der GeschichteIsraels verschwand. Das Südreich, nämlich Juda, blieb hinfort deralleinige Träger der israelitischen Zukunft.

Was mithin Arnos und Hosea für die ganze spätere Prophétie

in der Geschichte Israels, ja letzthin für die religiöse Zukunft derM enschheit überhaup t, bedeutet hab en, kan n kau m m it unsern Maß=Stäben gemessen werden. Aber so groß ihre prophetische Missionvon der in Liebe sich auswirkenden Gerechtigkeit und der in Gerech=tigkeit sich offenbarenden liebe auch war, das, was Jesus uns in derOffenbarung des Vaters gegeben hat, konnten auch sie uns nicht

geben. Denn siehe, hier ist mehr als Arnos und Hosea!Wer war dieser Hosea? Was wir über seine Person, seine Lebens=geschichte, seine Mission und seine Leiden wissen, kann nur ausdem Inhalt seines Buches geschlossen werden. Vielleicht in schwererZeit, die Hoffnung auf die Hilfe Jahves setzend, war ihm von seinemVater Beeri der Name Hosea („Jahve hilft") gegeben worden. Diesergehörte offenbar den besseren und besitzenden Kreisen seines Volkesim Nordreich an. Nicht nur, daß Hoseas prophetische Mission ganz

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dem Zehnstämmereich galt, er war auch Bürger des Landes. Daherist er noch mehr als Arnos mit dem herrschenden Leben, der inner=liehen Krankheit und den trügerischen Hoffnungen des Volkes be=kannt. Innerlich ergriffen von der religiösen und politischen Notseines Volkes, gilt diesem ga nz besonders seine prophetische M ission.

Das Schwerste seines Lebens, die Heirat der Dirne Gomer, mitder er drei Kinder zeugte, denen er für die Zukunft seines Volkestypische Namen gab, hat er uns selbst erzählt. Offenbar entschloßer sich zu diesem schweren Schritt erst nach tiefen inneren Kämpfen,indem zuvor zweimal der göttliche Auftrag an ihn ergangen war.

In welch ein Geheimnis die ganze Frage seiner Ehe gehüllt ist, wirduns später aus den Mitteilungen selbst ersichtlich werden.

Das Auftreten des Propheten fällt noch in die RegierungszeitJerobeams II. Denn die schweren Gerichtsverkündigungen gegen dasHaus Jehus1 hat er jedenfalls ausgesprochen, als dieses in Jerobeamxioch bestand. Auch sonstige Aussprüche des Propheten beziehen sich

auf die allgemeinen Zustände, wie sie während Jerobeams Regierungvorherrschend waren. Niemand ahnte zunächst die drohende Gefahrvom Norden her. Daher lebten König und Volk in Ruhe und ver=meintlicher Sicherheit.

Im Jahre 743 v. Chr. starb Jerobeam II. Nun folgte eine an=nähernd zwölfjährige Anarchie, nachdem es seinem Thronerben

Sacharja gelang, die Herrschaft über Samaria zu übernehmen. Nachkaum sechsmonatiger Regierung erlag er bereits den innerpolitischenWirren, indem er von Sallum ermordet wurde. Nach einem Monaterreichte diesen dasselbe Schicksal durch Menahem, dem es alsdanngelang, zehn Jahre in Samaria zu herrschen2. Dieser sah sich undSamaria durch Assyrien unter der Führung Phuls bereits schwerbe=droht. Nur durch Zahlung eines hohen Tributs ließ Phul sich be=wegen, die Besatzung Nord=Israels zurückzuziehen3.

Im fünfzigsten Jahre Usias, des Königs von Juda, folgte Pekachjaseinem Vater Menahem auf dem Thron in Samaria. Nach zwei Jahrenfiel auch er wieder durch Mörderhand, und zwar durch die seines

1 Kap. 1, 4.2

2. Kön. 15 ,8 -1 4.3 2. Kön. 15,19 ff.

1 3 2

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Wagenkämpfers Pekah. Dieser behauptete sich alsdann zwanzigJahre in Samaria. Indem er sich mit Syrien verband, um gegen Judazu kämpfen, beschleunigte er aber nur den Untergang des Nord=

reiches. Denn der hartbedrängte Ahaz zu Jerusalem verband sich mitTiglath=Pileser, dem König von Assyrien. Dieser zerschlug imJahre 734—733 v. Chr. mit wuchtigen Schlägen nicht nur das Syrer=reich, sondern teilweise auch Nord=Israel, indem er Galiläa und dasganze Ostjordanland eroberte und dessen Bewohner ins Exil führte1.Auch Pekah fiel nun wieder durch Mörderhand, und zwar in derVerschwörung, die Hosea2 mit Hilfe aller Unzufriedenen gegen ihn

angestiftet ha tte . Diesem gelang es aber erst nach achtjähriger wüsterAnarchie, die Regierung zu übernehmen. Das war im zwölften Jahreder Herrschaft des Ahaz auf dem davidischen Thron zu Jerusalem.Hosea stand aber unter denselben schweren TributverpflichtungenAssyrien gegenüber wie seine Vorgänger. In der Hoffnung auf dieUnterstützung durch Ägypten löste er im Jahre 762 seine Abhängig=

keit vom assyrischen Reich. Da kam im Jahre 725 Salmanassar, er=oberte im Laufe von drei Jahren die Hauptstadt Samaria und dasganze Zehnstämmereich und führte das noch vor wenigen Jahrzehn=ten so selbstsichere Volk in die assyrische Gefangenschaft3.

In diese wilde und düstere Zeit politischer Wirren sah sich Hoseamit seiner prophetischen Mission hineingestellt. Denn seine Wirk«

samkeit begann noch vor Jerobeams II. Tod und währte alsdannetwa zwei Jahrzehnte lang nach dem Zusammenbruch der Herrscher»dynastie des Jehu. Manche seiner prophetischen Ausführungen hän=gen mit dem syrisch=ephraimitischen Kriege zusammen. Anderesbezieht sich auf die nachfolgenden Schicksalsschläge, die SamariasBestand allmählich, aber sicher seinem letzten Zusammenbruch ent=gegenführten.

Es war verständlich, daß solch eine große Zeit ein entsprechendgroßes Wort verlangte. Je lauter die Not des Schicksals der weltge=schichtlichen Wirren wurde, desto lauter und bestimmter mußte das

1 2. Kön. 15 ,29 .2 Nicht zu verwechseln mit unserem Propheten, mit dem er nur den gleichen

Namen hat .3 2. Kön. 1 5 ,3 0 ; 17,1—6.

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Prophetenwort sein, wenn es überhaupt gehört werden sollte. Arnos

und Hosea waren bereit, im Auftrage Gottes zu reden und einen

letzten Appell an das Volk zu riditen. Den Erfolg ihrer prophetisdien

Mission mußten sie ganz Gott überlassen. Er wurde erst den späte«

ren Jahrzehnten und Jahrhunderten in der Gesdiidite des jüdisdien

Volkes siditbar. Es war das je und je das Sdücksal prophetisdier

Missionen, daß erst die späteren Generationen deren Träger in ihrer

göttlidien Sendung verstanden und würdigten.

Der Dienst der Propheten war mithin immer Saat auf Hoffnung.

Ihre Zeit madite sie in der Regel ungemein einsam und hieß sie den

Weg sdiwerster Verkennung und tiefster Leiden gehen. Audi Hoseasah sidi diesen Weg geführt. Wissen wir audi nidit, wie weit seine

Leiden gingen, so lassen einige Stellen dodi die Annahme zu, daß

ihm der Besudi der Reidisheiligtümer einfadi verboten wurde1. Ob=

gleidi sein prophetisdier Dienst einen rein reformatorisdien Charak«

ter trug, so hatte man in den herrsdienden Kreisen und in der breiten

Offentlidikeit dodi keinen Raum für seine Mission. Aber verstandihn audi seine Zeit nidit, die kommenden Zeitalter der Mensdiheits=

gesdiidite haben in ihren tiefsten und größten Führern ihn verstan»

den. Sie danken ihm heute nodi für seine große Reidisgottesbot*

sdiaft, daß die Liebe stärker ist als der Tod und durdi Vergebung

triumphiert über das Geridit.

2. Das Geheimnis der Prophetenehe

„Anfang des Jahve-Wortes an Hosea. Es sprach Jahve zu Hosea:Geh, nimm dir ein Hurenweib und Hurenkinder; denn hurendhurt das Land von Jahve weg." Hosea i, 2

a) Die Pr op he tene he Hoseas

Um die sdiweren Rätsel der Prophetenehe Hoseas zu lösen, ist

eine ganze Literatur entstanden. Und dodi will keine Lösung restlos

befriedigen. Jede läßt Fragen zurück, die unbeantwortet bleiben.

Kap. 5,1 f.; 9,7 a.

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Ganze Romane hat man zur Lösung in die zwei Berichte von Kapi=

tel l und 3 hineingetragen1. Unmöglich können wir uns mit ihnen

auseinandersetzen. Und doch wissen auch wir keine Lösung, die uns

den Mut zur Behauptung gäbe, sie wäre die einzige und daher auchdie richtige. Wir sprechen daher über den Inhalt beider Berichte als

von einem Geheimnis.

Rückblickend wird uns vom Propheten erzählt, wie er dazu ge=

kommen sei, ein berüchtigtes Weib namens Gomer zu heiraten, und

was ihn bestimmt habe, den aus der Ehe hervorgegangenen drei

Kindern symbolische Namen zu geben. Hinter beiden Schritten steheGott mit seiner Offenbarung und seinem Auftrag für das dem Gericht

entgegengehende Zehnstämmereich. Erst nach wiederholtem Auftrag

und der Anregung, wie er durch die Absperrung Gomer heilen

könnte, habe er alle inneren Kämpfe überwunden und den bedenk=

liehen Schritt getan.

Nicht als ob die Ehe und die damit verbundenen Kämpfe für

Hosea erst der Anstoß geworden wären, den Prophetenberuf zu

erwählen. Er war schon vorher Prophet. Aber der schwere Auftrag

wurde ihm zu einem Gleichnis und Inhalt für die einzigartige Bot=

schaff, die er seinem Volke zu bringen hatte. Sie hat seine ganze

prophetische Mission ausgefüllt. Die außerordentliche Lage Israels

erforderte ein entsprechendes außerordentliches Zeugnis, um von

Israel in seinem Rausch verstanden zu werden.

b) Der opfe rs chwer e Auft ra g Jahve s

„Da sprach Jahve nodi einmal zu mir: Geh, liebe ein Weib, das

sich lieben läßt von einem andern und ehebrecherisch ist, gleichwie

Jahve die Kinder Israels liebt, obwohl sie sich fremden Göttern zu*wenden und Traubenkuchen lieben! Da kaufte ich sie mir um fünf=

zehn Sekel und ein Homer und ein Betek Gerste. Und sprich zu ihr:

viele Tage sollst du mir sitzen und nicht huren und nicht einem

Manne gehören, und ich werde nicht zu dir eingehen. Denn viele

Tage werden die Kinder Israels sitzen ohne König und ohne Fürst,

ohne Opfer und ohne Altar, ohne Leibrock und Heiligtum. Darnach1 Kap. i, 2; 3, 1-5.

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werden die Kinder Israels umkehren und werden Jahve, ihren Gott,und David, ihren König, suchen und werden dann voll Furcht hin"eilen zu Jahve und zu seiner Güte am Ende der Tage1."

Das war offenbar der Inhalt des göttlichen Auftrags, auf denhin Hosea als Prophet sich die Gomer als Eigentum erwarb. Es han=delte sich nicht um ein zerrüttetes Familienleben, sondern um dieHeirat einer Gomer, deren Vergangenheit nicht einwandfrei gewesenwar. Der geringe Preis, durch den der Prophet sie sich schließlichzum Eigentum erwarb, glich etwa dem, den man nach dem Gesetz

für eine Sklavin zu zahlen hatte

2

.Nach der Heirat nahm der Prophet sie als sein Eigentum nachdem Auftrage Jahves in Zucht, sperrte sie ein und mied selbst dieeheliche Gemeinschaft mit ihr. Darnach erst zeugte er mit ihr dreiKinder. Das Schwere für den Propheten lag mithin in dem Eingehenin die Ehe mit der Gomer, der Tochter Diblaims. Hier lag auch dastief Symbolische für seine kommende Prophetenbotschaft. Obgleichauf Grund der geschichtlichen Vergangenheit Israel nicht erwartenkonnte, von Jahve geliebt zu werden, nimmt er sich dennoch seinesVolkes an, gibt es in die Zucht seiner Gerichte, um es sich für einewahre Liebesgemeinschaft zu erlösen. So steht nicht nur die augen=blickliche Lage, sondern die ganze Heilsgeschichte Israels mit ihrendrei gewaltigen Strichen in einzigartigem Lichte vor uns. Gottes

Erwählung steigt hinab zum Würmlein Jakob. Sie beruft sich inÄgypten die versklavten Geschlechter der Stämme Israels zur Ge«meinschaft für die Zukunft. Um das neu erstandene Volk von seinerHurerei mit den Göttern der Nachbarvölker zu heilen, folgt in seinerGeschichte Gericht auf Gericht. Das letzte Ergebnis aller Gerichtewird aber dennoch sein: „Und ich verlobe dich mir in Ewigkeit und

verlobe dich mir um Recht und Gerechtigkeit, um Liebe und Erbar*men, und ich verlobe dich mir um Treue und Erkenntnis Jahves ...Und ich säe ihn mir im Lande und erbarme mich der Ungeliebtenund sage zu Nicht=mein=Volk: Du, mein Volk, und er wird sagen:Mein Golfi"

1 Kap. 3 , 1 - 5 .2 2 . Mose 2 1 ,3 2 ; Sadi. 11 ,1 2 .8 K ap . 2 , 2 1 . 2 2 . 2 5 .

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verlangte von ihren Trägern ganz personlidie Opfer zum Segen fürsGanze. Es kon nte m ithin imm er nur P rophet sein, wer Gegenw ärtigesin seinem Leben opfern konnte, um Zukünftiges zum Heile seinesVolkes zu gewinnen.

Menschen denen wie dem ältesten Sohn im Gleidmis des Lukas=Evangeliums das Verhältnis zum Vater und zum Bruder nur nodiRedits* und Pfliditerfüllung sind, kann niemals die prophetisdieM ission vo n der Gemeinsdiaf t auf Grund der Vergebun g anv ertrautwerden.

Aller Selbstgereditigkeit ist die Absage erteilt. Die Reditferti=

gung der Sünder, die es sidi gefallen lassen müssen, als ehebreche*risdies Volk beurteilt zu werden — das ist in der Tat das Grundver*haltn is zu G ott. W ie hier Treue gegen Un treue, unbean two rtete Liebegegenüber dauerndem Undank steht in einem täglidien Ringen, soist die Liebe Gottes zu seinem Volk. Sie rindet keinerlei Vorausset=zungen in seiner Lage oder in seinem Verhalten, und darum ist sie

völlig frei von allem, was der Mensdi wieder aufbringt, um ausdiesem Bund dodi nodi ein Reditsverhältnis mit einigermaßen glei=dien Teilen zu madien. Das ist der Grundton, wie er im 5. BudieMose zu hören ist: „Nidit hat eudi der Herr angenommen und eudierwählt, darum daß euer mehr wäre als alle Völker — denn du bistdas kleinste unter allen Völkern —, sondern darum, daß er eudi ge*

liebt hat, und daß er seinen Eid hielte

1

."

c) Die symbolischen Kindernamen

„Und er ging und nahm die Gomer, die Toditer des Diblaim,

und sie ward sdiwanger und gebar ihm einen Sohn. Und Jahve spradizu ihm: Nenne seinen Nam en Jesreel! Denn nodi ein kleines, undidi ahnde das Blutvergießen Jesreels am Hause Jehu und madie einEnde dem Königtum des Hauses Jehu2/' Hoseas göttlidie Sendungan Israel war mit einem weiteren Opfer verbunden. Er hatte niditpersonlidie Wünsche, Hoffnungen oder Glaubenszeugnisse mit dem

1

5. M ose 7, 7 f. Nach Th. Brandt.2 Kap. 1,3 f.

1 3 8

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Nam en seiner Kinder zu v erbinden , sondern die symbolisdien Nam ender Kinder sollten für immer dem Volke zu jener Deutung werden,wie gegenwärtig Jahves Verhältnis zu Israel sei. Die Ebene Jesreel,

die sich vom Karmel bis zum Jordan hinzieht, mit ihren einzelnenhistorisdien Ereignissen war zuletzt in besonderer Weise zu einemMittelpunkt schwerster Versündigungen geworden. Hier ließ Isebelden unschuldigen Naboth steinigen. Die Antwort der Gerechtigkeitder Geschichte war, daß die ganze Dynastie eines Ahab ausgerottetwurd e. So soll die Ebene auch für d ie Zukunft Inbegriff jener Gerichte

sein, die Gott seinem Volke senden wird. Der Name „Jesreel", denHosea seinem ältesten Sohne geben mußte, hatte hier daher die Be=deutung: „Gott (El) zerstreut".

Von diesem Gericht wird zunächst das Haus oder die herrschendeDynastie Jehus betroffen werden. Indem Jehu nicht nur den SohnAhabs, den König Joram, ermorden und seinen Leichnam auf dasFeld Naboths werfen ließ, sondern auch das göttliche Strafgerichtan Isebel und den siebzig Söhnen Ahabs vollzog, hatte er zugleicheine Blutschuld auf sich geladen, die ihm zum Gericht werden mußte.Zwar hatte Jehu bei seiner Salbung zum König durch Elisa den klarenAuftrag erhalten, das Haus Ahabs auszurotten1. Auch war ihm inder Ausführung des Gerichts die klare Verheißung geworden: „Dar*

um, weil du, wie es mir am Herzen war, am Haus Ahabs getan hast,

so sollen Söhne des vierten Geschlechts von dir auf dem Thron Israelssitzen*." Und doch waren ihm seine Handlungen zur Blutschuldgeworden.

Der Zusammenbruch der Dynastie Jehus wird aber die Einleitungvom völligen Zusammenbruch des Nordreiches sein. „Denn ge=sdiehen wird es an jenem Tage, daß ich zerbreche den Bogen Israels

in der Ebene Jesreel3

." Der Bogen Israels ist hier als Kollektivbegriff,als eine Totalität, d. h. als die gesamte Kriegs* und Heeresmachtdes Volkes zu verstehen. Zwar ließ die Erfüllung noch fünfzig Jahrenach dem Gericht am Hause Jehus auf sich warten. Joahas, Joas,Jerobeam II. und Sacharja hatten als Söhne und Nachfolger vom

1 2. Kön. 9, iff.2 2. Kön. io , 30.3 Kap. 1,5.

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Geschlechte Jehus den Thron Samarias bestiegen und Nord=Israelbeherrscht. Durch Sallum erfolgte aber der Sturz des Hauses Jehur

und nach fünfzig Jahren begann nach dem Wort des Herrn mit der=selben Folgerichtigkeit die völlige Zerschlagung Nord=Israels durchSahnanassar.

Die Tochter, die Hosea geboren wurde, mußte der Prophet Lo=Ruchama1 nennen. „Sie findet kein Erbarmen, daß ich ihnen vergebe.Aber des Hauses Juda will idi midi erbarmen und will sie rettendurai Jahve, ihren Gott. Nidit aber will idi sie retten durdi Bogenund durai Sdiwert und durdi Krieg, durdi Rosse und Reiter

2."' Auch

der Name der Tochter kündet dem Volke Gericht. Israels Existenz,Segen und Zukunft innerhalb der Geschichte beruhte auf Erbarmen.Es war von Gott geliebt und begnadigt worden, bevor es noch zulieben verstand. Was die Vergangenheit des Volkes an Selbstständig=keit gewonnen, an Kraft gesehen, an Größe gehabt hatte, das warstets aus dem Liebesverhältnis Gottes zu Israel geflossen. Das Sich=

zurückziehen Jahves aus der Geschichte Israels bringt das sichereUnterliegen des Volkes mit sich. In sich hat es nie die Stürme derGeschichte überwunden. Sein Fortbestand und Aufblühen war jedes*mal ein Akt des Erbarmens gewesen. Zieht sich dieses im Verlaufder kommenden Gerichte und Weltstürme aus der Geschichte Israels-zurück, dann steht es hinfort wie eine Lo=Ruchama innerhalb der

Stürme des Weltgeschehens. Das ist aber Gericht.Zu solch einer Lo=Ruchama war Juda noch nicht herabgesunken.

Dort hatte sich ein starker, heiliger Überrest gesammelt, der sich alsLicht des Volkes und Salz des Landes auswirkte. Sowohl der Thronals auch der Tempel wiesen in ihren Trägern zunächst nicht denunheilvollen Abfall auf, der in Samaria zum herrschenden Zustand

geworden war. Wenn die kommenden Geschichtsstürme auch fürSamaria zur Katastrophe werden müssen, so ist damit nicht gesagt,daß sie dem politisch weit schwächeren Juda ebenfalls zum Gerichtwerden müßten. Ein und dieselben Geschichtsereignisse können fürVolk und Volk von ganz verschiedener Wirkung sein.

Das Geheimnis dieser Wirkungen liegt aber in Gott. Während

1

D. h . Nichtbegnadigte.2 Kap. 1,6 f.

1 4 0

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Aber in diesem furchtbaren Gericht wird es sich dann offenbaren,

daß Israel in seiner Geschichte auch Zeiten höherer Gemeinschaft

gehabt hatte. Es wird sich erinnern an die Zeiten, wo es sich geliebt

sah und nicht verlassen war. Nicht vergeblich ist Gott einst durchseine Offenbarung in Israels Geschichte getreten. In seiner Weltge-

fangenschaft, im Gericht durch seine Liebhaber wird Israels Sehn-

sucht und Liebe erwachen nach dem, der es einst an Gemeinschaft

und Segen so reich gemacht hatte. So sucht Gott durch Gericht für

sich heim, die ohne Gericht ihn für immer verloren hätten. „Und sein

•wird die Zahl der Kinder Israels wie der Sand am Meer, der sich

nicht messen und zählen läßt, und geschehen wird es an dem Orte,

da man zu ihnen sagte: Nicht mein Volk ihr, wird man zu ihnen

sagen: Volk des lebendigen Gottes1!"

d) Der neue Gn ad en bu nd

Wie es von seinem Gerichtszustand zu einem völlig neuen Ver»

hältnis zwischen Israel und seinem Gott kommen soll, schildert nun

der Prophet in seinen weiteren Ausführungen. Das völlig Neue: der

neue Bund auf der Grundlage der Vergebung geht wieder zunächst

von Jahve aus. Auch in der Wiedergewinnung Israels bleibt Gott das

handelnde Subjekt, und die im Exil Schmachtenden sind das empfan»

gende Objekt. Ein zur Erkenntnis erwachtes Gewissen wagt in seinerVerzweiflung und Hoffnungslosigkeit nicht mit Gott zu reden. Es

hat das Verhältnis zu Gott immer nur vom Standpunkt eines Rechts=

Verhältnisses gesehen. Nun erkennt es aber, daß es in seiner Treu»

losigkeit seinen Rechtsanspruch an Jahve verloren hat. Daher

schweigt jede Erwartung und Hoffnung auf ein neues Verhältnis zu

Gott in der Seele der Gerichteten und sich ihrer Schuld Bewußtge»wordenen.

Glaubte Israel in der Wüste aber auch Gott verloren zu haben,

so hatte Gott jedoch nicht sein Israel im Exil innerhalb der Völker=

weit verloren. Für ihn gab es über das Rechtsverhältnis hinaus noch

einen neuen Bund auf Grund der Vergebung. In dieser kommt Gott

zum Volke, wo das Volk nicht mehr wagt, zu ihm zu kommen.i Kap. 2 , i .

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„Darum siehe! Ich will sie locken und in die Wüste führen und willan ihr Herz sprechen. Und ich gebe ihr ihre Weinberge von dort unddas Tal Adior (der Trübung) zur Pforte der Hoffnung; und singen

wird sie daselbst wie in den Tagen ihrer fugend und wie am Tage,da sie heraufzog aus Ägypten1/'

So läßt der Herr den Propheten zu seinem Volke reden, nachdemunmittelbar vorher Israel als treulose Mutter geschildert worden ist2.Diese soll sich selbst sehen in der ganzen Häßlichkeit ihres treulosenVerhältnisses zu Gott und alsdann erkennen, zu welchen Geschichts=

konsequenzen ihr Buhlen mit dem Wesen der Weltvölker fuhrenmuß. In ihr unvermeidlich gewordenes Exil soll sie aber auch dasganze Bild Jahves nehm en. W ird sie erst zu r Erkenn tnis ihrer Schulderwachen, dann soll sie nicht in der Verzweiflung enden, sondernaufhorchen, wenn der Herr mit ihr reden wird.

Diese Prophetenworte mit ihren Verheißungen gehören mit zumSchönsten, was der Herr je durch seine Knechte seinem Volke sagenließ. Und in ihrem Inhalt weisen sie weit über ihre nächstliegendeBestimmung für Israel hinaus. Sie werden zu einer prophetischenBotschaft für die ganze Völkerwelt. An Israels Fall und Wiederher=Stellung manifestiert Gottes Barmherzigkeit, was sie auch den Völ=kern zu deren Heil und Rettung offenbaren will.

Denn auch in der Wüste, im Gericht, im Weltexil kommt Israel

als Erstgeborener von seinem Gott nicht los. Auch da sieht er sichgefunden von dem Wort des Herrn. Jahve sorgt dafür, daß seinePropheten mit ins Exil wandern, um durch sie auch in der Wüstemit seinem Volke zu reden. Und spricht auch alles in der Wüstegegen ein Neues, das Jahve zum Heile seines Volkes offenbaren will,er gibt Weinberge in der Wüste und macht das Tal Achor zur Hoff=

nungspforte. In seiner Hand kann sich auch Gericht so in Segenverwandeln, daß er Zeitverhältnisse, Geschichtskatastrophen, poli=tische Spannungen — alles zur Hoffnungspforte, zur Grundlage einervöllig neuen Zukunft zu verklären vermag. Ihm ist es ein Kleines,die Welt zu erneuern, wenn er nur erst hat Israel, d. h. den Men=sehen, erneuern können.

1 Kap. 2,16 ff.2 K ap . 2 , 4 - 1 5 .

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Kapitel ab wiederum dasselbe Thema. Dies tut er aber in völlig freier

Rede und im Lichte der großen Vergangenheit des zu einer wahren

Theokratie berufenen Gottesvolkes. Es ist ihm aber in jeder Beleuch=

rung aller aktuellen Fragen immer um die rücksichtslos offene Bloß*

legung der letzten Gründe zu tun, durch die Israel sich als Erstge*

borener unter den Nationen, als Haus Gottes oder als berufener

Prophet bis an den Abgrund seines geschichtlichen Seins geführt

sieht. Denn Propheten können nicht nach dem Urteil fragen, das ihr

Dienst im Volk erfährt. Bis in das Heiligste des Hauses Gottes hinein

decken sie auf, was als schleichende Krankheit zum großen Sterben

ihres Volkes führen muß.

a) Die ve rs ag en de Pr ie st er sc ha ft

„Höret das Wort Jahves, ihr Söhne Israels! Denn Jahve hat zu

rechten mit den Bewohnern des Landes, weil keine Treue und keine

Liebe und keine Kenntnis Gottes im Lande ist1." Vernichtender hättedas Urteil über die versagende Priesterschaft kaum sein können. Des

Volkes Untergang geht bis auf den Priester des Heiligtums zurück.

Wenn sich das öffentliche Volks* und Staatsleben in Sünden und

Ungerechtigkeiten gemeinster Art austobt, jeden Maßstab für sitt=

lidies Recht, bürgerlichen Anstand und soziale Wohlfahrt des Volkes

verloren hat, dann ist für solch einen Zustand der Dolmetscher desGesetzes in erster Linie mitverantwortlich. Geht dem Volk erst die

wahre Kenntnis Gottes verloren, wie sie durch den Priester des

Heiligtums vermittelt werden sollte, dann besitzt es nur nodi ein

Gewissen, das sich durch persönliche Begehrlichkeit, nationale Selbst*

behauptung, materielle Vorteile, gesellschaftlichen Eigendünkel, sinn=

lidie Begierden, revolutionäre Selbsterlösung bestimmt sieht. Solch

ein Volk orientiert sich an seiner eigenen Weltanschauung, schafft

sich eine nationale Ethik, gefällt sich in seiner eigenen Stärke, be=

rauscht sich an seinen Geistessdiöpfungen und verachtet die Offen*

barung, die ihr Licht in sein Leben fallen läßt.

Wie soll aber ein Volk Kenntnis von Gott haben, wenn dessen

Priester an Unbekanntschaft mit Gott leiden? Wie soll Gott in seiner1 Kap. 4, l—10.

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Weltregierung, in seiner Reichsgotteswelt, in seiner Heilsgegenwart,in seinen W eltgerichten, in seinem Geisteswirken v erstanden werden ,w enn ihre Priester ih r Licht schöpfen aus der herrschenden Geschichts=philosophie, ihr Gewissen bilden nach den besten Romanschriftstel=

lern, ihr Leben einstellen nach den Urteilen ihrer Zeitgenossen, ihrenDienst gestalten nach den Wünschen des Volkes?

Ging den Priestern erst jene Stellung verloren, die Jesus mit denWorten bezeichnete: „wohl in der Welt, aber nicht von der Welt",dann konnten sie zwar noch berufsmäßige Kultusbeamte, aber nichtmehr Dolmetscher des Gesetzes und Vermittler der Kenntnis Gottes

sein. Von Gott und dessen Welt und Gegenwart vermag nur zureden, wer wie einst Mose als Freund Gottes vertraut ist mit seinemganzen Hause1. Denn in der Kenntnis Gottes handelt es sich nichtnur um dogmatische Fragen, nicht um die formelle Nennung seinesNamens, auch nicht etwa um eine rechtgläubige Wiederholung derGesetzesworte, es handelt sich um das Bekanntwerden mit der Wirk=

lichkeit, der Art und der Welt Gottes.Fehlt diese Bekanntschaft mit Gott, dann spricht in jedem Dienst

des Priesters weit mehr das formelle Bekenntnis als die Kraft derÜberzeugung. Es bleibt die Synagoge, es fehlt aber die Gemeinde.Es wird der Name Gottes genannt, aber ohne Bekanntschaft mitGott. Ging aber erst im Dienst der Priester die Kraft der Wirklich=

keit und der Ernst unbedingter Wahrhaftigkeit verloren, so tratimmer die Entwertung des priesterlichen Wortes ein. Es hat kaumeine Frage den Verfasser im letzten Jahrzehnt so tief bewegt wie die,warum vom Volk das Wort der Kirche Christi heute nicht mehr ernstgenommen wird. Es mag manche Gründe geben. Als Priester Gottessollten wir uns aber mit innerlicher Wahrhaftigkeit einmal vor dieeindeutige Frage stellen: inwieweit steht auch unser Dienst heutewieder unter dem Urteil des Gottespropheten: „Weil du (Priester)die Erkenntnis verworfen hast, verwerfe auch, idi diati, daß du mirnicht mehr als Priester dienen sollst; und weil du das Gesetz Gottesvergessen hast, will auch ich deine Kinder vergessen."

Wie der Prophet nur Prophet sein kann auf Grund besondererSendung, so kann der Priester nur Priester sein auf Grund beson=

1 4. Mose 12,7 f .

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derer Stellung im Heiligtum. Er ist mehr als Bürger seines Volkes,

er ist Gesalbter Gottes, Dolmetscher des Gesetzes, Vermittler des

Segens an das Volk. Entweiht er durch sein Leben diese Grundlage

seiner Berufung und diesen Inhalt seines Dienstes, dann verfällt erdem Urteil der Verwerfung. Göttliche Gerechtigkeit macht weder

vor dem Priester noch vor dem Propheten halt, sondern stößt den

Leuchter von seiner Stätte, sobald er sein öl und seine Leuchtkraft

verloren hat.

b) Der bu hl er is ch e Ku lt us di en st

„Mein Volk fragt an bei seinem Holze, und sein Stab gibt ihm

Kunde; denn ein Geist der Buhlerei hat sie irregeführt, und sie

buhlen hinweg unter ihrem Gott . .. Aber ein Volk ohne Einsicht

richtet sich selbst zugrunde1." Es liegt im Charakter der ewigen

Dinge, daß sie sich vom Menschen nicht fälschen lassen. Zieht der

Mensch sie in sein Leben und in seine Sünden hinab, dann ziehen

sie sich in ihrer schöpferischen Kraft und in ihrem verborgenen

Segen zurück und überlassen dem Menschen nur ihre äußere Form,

den nichtigen Schein, den vergänglichen Buchstaben. Mit diesen kann

der Mensch dann machen, was er will, sie in allen Schmutz und jede

Häßlichkeit des Lebens mit hineinziehen. So gewinnt alsdann das

sündliche Leben eine kultische Umrahmung, die Sünde wird verhüllt

durch einen religiösen Schein.Das war der herrschende Zustand im Kultusleben des Zehn=

stämmereiches geworden. Ein entweihtes Kultusleben war immer

die geschichtliche Konsequenz eines versagenden Priestergeschlechts.

War es damals in Israel doch schon so weit gekommen, daß der

Prophet den Priestern sagen mußte: „Einer hadere nicht und weise

nicht den anderen zurecht ob seines Frevels; denn es hilft ihm nichts,weil auch er übeltut wie jener2." Eigene Schuld machte auch Priester

je und je stumm der Schuld ihres Volkes gegenüber. Es gibt keine

tiefere Verwerfung eines Priesters, als wenn erst das Volk mit ihm

über seine Sünden hadern muß. Und hadert es nicht, dann teilt es

die Sünden des Priesters.

1Kap. 4,11—19.

2 Vgl. V . 4.

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Dann wird aber auch der Kultus nur noch ein Mittel der Sünde.Sie entweiht ihn und deckt durch ihn ihre eigene Blöße. Mit demGeist hat er auch seine Sprache verloren, und daher kann er sich

mit jeder Häßlichkeit des Volkes vermählen. Das ist aber Buhlerei.Vom Propheten wird dem Volke besonders das Suchen der Stab»orakel, der Opferkult auf den Höhen und der abgöttische Bilder?*dienst als Hurerei, d. h. als Vermählung des wahren Kultus mit denSitten und Sünden der kananäischen Kultfeiern vorgeworfen. VomGesetz zu den Staborakeln, vom Heiligtum zu den Höhen, vom An=gesichte Gottes zuden die eigene Phantasie verkörpernden Abbil*dem, das war noch immer der Weg derer, die die Kenntnis Gottesverloren und die Inspirationen ihres eigenen Geistes zum bestinv*menden Licht ihres Lebens machten. Indiesem Geiste schafft heuteauch einchristliches Abendland wieder seine eigenen Götter, die

man befragt, denen man opfert, und von denen man eine Zukunftabhängig zu machen sucht.

Zu welch einem Tiefstand des öffentlichen und sittlichen Lebenssolch eine Vermählung der geistigen Werte führt, das zeigt der Pro=phet in dem Bilde, das er von dem herrschenden Kultusleben weiterentwirft. Unkeuschheit aufdem Gebiet der geistigen Werte führteauch zur Prostitution im öffentlichen Leben. Auf allen Höhen wurdendas Opfer und die Festlichkeit mit der sinnlichen Lust verbunden.

Die öffentlichen Tempeldirnen schämten sich ihres Berufes nicht, unddie Männer Israels schämten sich nicht, zu ihnen zugehen; dennsie waren ihnen Geweihte wie auch der Priester. Solch eine Ver=wirrung aller Begriffe des geistigen Lebens muß aber mit einemchaotischen Zustand der Geschichte enden. Gott überläßt die Sündesich selbst; denn sie verurteilt sich durch ihre eigenen Schöpfungen.

„D enn ein Volk ohne Einsicht richtet sich selbst zugrunde/'

c) Die Verantwortung des Königshauses

„Höret dies, ihr Priester, und achtet darauf, Richter Israels, undHaus des Königs, merket auf! Gilt doch euch das Gericht! Denn eineFalle seid ihr geworden zuMizpa, und ein Netz ausgespannt auf

Tabor

1

." In den Sünden des Volkes und ganzer Zeitalter spiegelten» Kap.5,iff.

1 4 8

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Zwar werden sie in Stunden der Not mit ihren Rindern und

ihrem Kleinvieh als Opfergabe den Anlauf machen, Jahve zu suchen.

Er wird sich von ihnen aber nicht finden lassen. Er hat sich von

ihrem Kult völlig zurückgezogen. Ist Israel aber erst sich selbstüberlassen, dann muß es zum unglücklichsten Spielball der Geschichte

werden.

d) Das Urteil über den syrisch=ephraimi ti schen Krieg

„Stoßt in die Posaune in Gibea, in die Trompete in Rama, alar'miert in Bethel, bringt Benjamin in Schrecken! Ephraim soll zur

Wüste werden am Tage der Bestrafung; unter den Stämmen Israelstue ich Wahres kund1." Das war das Sturmzeichen vom Ausbruchdes Gerichts. Von jeder Hochwarte und jedem Wachtposten solldurch Lärmsignale dem Volke angekündigt werden, daß sich die

Wetterwolken der feindlichen Heere zur Entladung zusammenziehen,

daß das Schwert der Vernichtung wüten wird und das Volk sich alsBeute wird gefangengenommen sehen. Denn in den genanntenOrten Gibea, Rama und Beth=Aven oder Bethel handelt es sich um

hochgelegene Grenzstädte, von denen aus die Schreckenskundeschnell in das ganze Land getragen werden sollte.

In solchen Gerichtszuständen hört jede Berechnung auf, bricht

jede Sicherheit zusammen und hilft kein Bündnis aus der Not. Dennder Herr wird im Gericht wie eine Motte für Ephraim und wie ein

Wurmfraß für Juda sein. Mag auch Ephraim zu Assur und Juda zumGroßkönig gehen, „aber der kann nicht heilen euch und das Ge-

schwür nicht entfernen von euch; denn ich bin wie ein Löwe für

Ephraim und wie ein Jungleu für das Haus Juda, ich, ich reiße weg

und gehe, trage fort, und niemand rettet9

." In dieser menschlichenSprache sucht die göttliche Gerechtigkeit Bild und Ausdruck für den

furchtbaren Ernst der Gerichtssprache der Geschichte zu finden. Ein

Volk, das, gelöst von Gott , nur noch sich selbst vertraut, wird sichvergeblich bemühen, das Gericht zu überwinden und den Weg zu

neuem Leben zu finden.

1 Kap. 5, 8 ff.2 Kap. 5,13 f.

150

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e) Die prophetische Hoffnung

„Komm t! Laßt uns zurückkehren zu Jahve! Denn er hat zerrissen

und wird uns heilen, er hat geschlagen und w ird uns verbinden.Nach zwei Tagen wird er uns genesen lassen, am dritten Tage wie=

deraufhelfen, daß wir vor ihm leben1." Es war das Ewige in denPropheten, daß auch mitten im Gericht ihre Erwartungen nicht zu=sammenbrachen. Darin zeigte sich, daß sie Gott gesehen hatten be=reits vo r dem Gericht. Vor ihnen stand nicht nu r das Bild ihres unter=gehenden Volkes, vor ihnen stand weit mehr die Wirklichkeit ihresGottes. Darin verriet sich ihre Bekanntschaft mit Gott, daß ihnenin keinem zeitlichen Zusammenbruch die Zukunft verlorenging,auch nicht im Blick auf ihr Volk. Dessen gegenwärtiges Sterben wirdeines Tages in ein Auferstehen verwandelt werden.

Im Geiste sieht auch Hosea die große Wendung für sein Volkkommen. Er kann es nicht mehr retten, nicht das angebrochene Ge=rieht von ihm abwenden. Seine Hoffnung ist jedoch die danachfolgende „Neubelebung" oder Wiederherstellung des politisch undmoralisch gleichsam „abgestorbenen Staatskörpers". War Israel auchinfolge seiner Dahingabe ins Gericht der Weltvölker kein theokra=tisches Volk mehr, es wird aus seinem „todähnlichen Zustand derVerstoßung" durch den Odem Gottes zu einer politischen und mora=

lischen Auferstehung erwachen. Diese Erwartung brach dem Prophe=ten auch mitten im Gericht nicht zusammen. Sie war ihm verankertin Gott, nicht in der inneren Güte und Stärke des Volkes. Nicht vomVolke, von Gott aus gewann er diese unerschütterliche Glaubens=Zuversicht.

Er verbindet mit seiner Erwartung den damals sprichwörtlich

gewordenen Ausdruck: nach zwei Tagen und am dritten Tage. Wirddas gegenwärtige Sterben Israels erst seine äußerste Grenze erreichthaben, so daß niemand die Wiederaufrichtung der darniederliegen=den Volksgemeinde als durch das Fleisch geschehen wird verstehenkönnen, dann wird die Barmherzigkeit Jahves seinen Erstgeborenenerwecken und vor ihm leben lassen.

W ie w enig die neu erwachende Volksgemeinde ihre Auferstehung» Kap. 6,1-6.

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von ihren eigenen Kräften erwarten wird, geht aus dem gewaltigenEntschluß hervor: „Lasset uns erkennen, nachjagen, Jahve zu erken=

nenl Gleich, dem Morgengrauen ist sicher sein Aufgang, und er wird

uns kommen gleich dem Gußregen, gleich dem Spätregen, der dasLand benetzt1." Das wird die Bekehrung sein zu Gott, der Anfangeiner Wendung, die nicht an einem erneuerten Kultus oder bei be=geisterten Priestern oder am berauschten Nationalismus hängen»bleibt. Nur Jahve in seiner göttlichen Art und in seinen gegebenenVerheißungen steht fest wie das unbedingt wiederkehrende Morgen=grauen, dem ein neuer Tag des Lichtes und des Lebens folgt.

Wie wenig das Gewaltige und Neue der Zukunft Israel von sichzu erwarten hat, geht auch aus der Frage Jahves hervor: „Was sollich dir tun, Ephraim? Was soll ich dir tun, Juda? Da eure Liebe istgleich der Morgenwolke und gleich dem Tau, der am frühen Morgendahingeht2." Solch ein Bild rascher Vergänglichkeit war bisher IsraelsArt und Leben gewesen, und zwar bis in sein Heiligstes hinein. Von

daher ist also weder für die Gegenwart noch für die Zukunft dasvöllig Neue, einzig Zukünftige zu erwarten. Das Gegenwärtige gehtdaher unerbittlich ins Gericht. „Darum behaue ich sie durch diePropheten, töte sie durch die Worte meines M undes, und mein Ge*rieht geht gleich dem Licht hervor. Denn an Liebe habe ich WohUgefallen und nicht an Schlachtopfern, und an Erkenntnis Gottes

mehr denn an Brandopfern3

/'Zu dieser höheren Geistesgemeinschaft der Zukunft kann das

gegenwärtige Volk nur noch durch das Gericht über das Bestehendeund durch das Erwachen für das Verheißene geführt werden. Dannwird sich die Liebe nicht in Schlachtopfern am Altar erschöpfen,sondern in der Hingabe an den Nächsten bestehen, die Erkenntnis

sich nicht in Brandopfern an den Kulttagen verlieren, sondern in demanbetenden Zeugnis der Gemeinde unter den Nationen: „RühmetJahve; denn Großes hat er vollbracht! Erkannt sei dies auf der gan-zen Erde i!"

1 Kap. 6 ,3 .2 Kap. 6,4.

3 Kap. 6,5 f.4 Jes . 1 2 ,5 .

1 5 2

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ein sehr offenes Bekenntnis gewesen, als Jakob seinem Altar den

Namen gab: Stark ist der Gott Israels1. Gegenwärtig beteiligten sich

Priesterhände, anstatt heiliger Opfer mit reinen Händen zu pflegen,

an den unsauberen Plänen und Machenschaften dunkelster Kräfteam Hofe zu Samaria. In der Führung nationaler Opposition, blutiger

Revolutionen oder geheimer Reaktionen zu stehen, schien ihnen eine

größere Würde und Aufgabe zu sein, als heilige Opfer zu bringen

und dem Volke zur Förderung wahrer Kenntnis Gottes das Gesetz

zu deuten.

Woran wir bei dem vierten Ort, bei der Stadt Bethel, zu denken

haben, wo der Prophet von dem „Grauenhaften" spricht, das sich

dort vollzogen hatte, und wo Israel sich verunreinigte, läßt sich

ebenfalls nicht mit Bestimmtheit sagen. Wahrscheinlich handelte es

sich auch hier um heimliche Verschwörungen und dunkle, politische

Machenschaften, die das Volk weder zur Ruhe noch zu einer wahren

Besinnung kommen ließen. Denn löst erst im Lande eine Revolution

die andere ab, dann erstirbt alsbald jede friedliche Produktion, und

die politischen Strömungen leben nur noch vom Raub des Volkes.

b) Die bl ut ig en Th ro nw ir r en

„Sie alle glühen gleich dem Ofen und verzehren'ihre Herrscher,

alle ihre Könige fallen, keiner unter ihnen ruft zu mir2." Wahrlich

ein erschütterndes Bild eines Volksstaates, wenn dessen öffentlichesLeben erst einem glühenden Ofen gleicht! In ihm herrschen dann

nicht politische Vernunft, sachliche Erwägungen, soziale Gesinnung,

gewissenhafter Dienst, persönliches Pflichtbewußtsein, sondern

glühende Leidenschaften, die um ihrer Selbsterhaltung willen durch

ihre entfesselten Kräfte alles verzehren, was in ihre Gewalt kommt.

Leidenschaften wurden stets zu Dämonen, sobald sie mit ihremFanatismus zur Moral des Lebens und zur Quelle des Handelns er=

hoben werden konnten.

Wahrscheinlich handelte es sich um eine ziemlich späte Zeit nach

Jerobeam IL, die von fortwährenden Thronumwälzungen beherrscht

war, die der Prophet hier im Bilde schildert.

1 i. Mose 33, 20.2 Kap. 7 / 3 - 7 .

*54

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Aber Gerichte erlösen nicht. Sie verzehren nur die Kraft der

Vergangenheit. Obgleich Katastrophe um Katastrophe die Grund=

festen des Staates erschütterten, die Revolutionen die Volkskraft

und das Volksvermögen fraßen, die politischen Parteien sich gegen=seitig aufrieben und jede moralische und politische Widerstands=

kraft des Staates gegen die Feinde vernichtet wurde, „dennodi rief

niemand zu mir". So klagte der Herr in seinem Schmerz über

Ephraim. Es ist erstaunlich, wie Volksleidenschaften blind machen

können. Anstatt sich durch höhere Offenbarung den Weg in eine

neue Zukunft zeigen zu lassen, zehren sie von den letzten Reserven

ihrer Kräfte, bis eines Tages auch diese dem eigenen Wahn und der

politischen Selbsterlösung geopfert worden sind.

c) Die ver geb lic hen Aus la nd sh of fn un ge n

„Ephraim, mit den Völkern vermisdit es sich; Ephraim ist ge-

worden ein Kuchen sonder Umwendung. Es verzehren Fremde seine

Kraft, und er weiß es nicht; Greisenhaar findet sich zerstreut an

ihm, und er sieht es nicht ein1/' Nachdem Israel und dessen poli»

tische Führung jedes Verständnis für eine göttliche Bewahrung des

theokratischen Staates verloren und die eigenen Kräfte zum Wider=

stand durch revolutionäre Kämpfe vernichtet hatte, blieb nur noch

die Hoffnung auf die starken Nachbarstaaten. Gott hatte durch die

Berufung seines Volkes zum heiligen Eigentumsvolk und zumKönigreich von Priestern2 Israel für sein staatliches Leben eine sehr

klare theokratische Konstitution gegeben. Israels Volksstaat in seiner

Abhängigkeit von Gott und mit seiner. Aufgabe für die Welt konnte

nie ein Weltstaat sein, wie die Nationen sich einen solchen durch ihre

Leidenschaften und Machtmittel schufen. Bestand und Zukunft

Israels waren abhängig allein von der Herrschaft Jahves über dessenbürgerliches und politisches Leben. Eine Trennung von Thron und

Tempel war auf dieser theokratischen Grundlage gar nicht denkbar.

Jeder Versuch der Trennung auf irgendeinem Gebiet des Lebens

bedeutete bereits Abfall und damit den Beginn der innerlichen Zer=

Setzung.

1 Kap. 7,8-16.2 2. Mose 19,4—6.

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Die geschichtliche Entwicklung des Nordreiches hatte aber all=mählich diese göttliche Berufungs= und Bundesbasis völlig verlassen.Das erschütternde Ergebnis liegt nun vor uns. Der Anbruch war

heilig, das Ende ist Gericht. Israels Heil und Rettung konnte daherauch nie von den Nachbar= und Weltvölkern kommen. Zur Separa=tion des Glaubens eines Abraham berufen, konnte es nie seinenSegen und seine Zukunft in der Weltverbrüderung finden. DieseSeparation bedeutete allerdings nicht Kampf mit der Welt. NichtÄgyptens Rosse und Streitwagen, das Gesetz wurde dem Volke indie Hand gedrückt. Dienst mit der Kenntnis Gottes sollte die un=überwindliche Stärke und die Waffe Israels sein.

In diesem Geiste beginnend, zog Israel einst aus Ägypten aus;diesen Geist verleugnend, suchte es Hilfe in Ägypten. NachdemGottes Eigentumsvolk erst wieder nur nodi Welt war, fand es trotzGesetz und Tradition, trotz Ahnen und Erfahrung doch den Wegzur Welt wieder zurüde. Denn das Volk glich bereits einem Fladen,

der nicht gewendet wurde. Daher ist die eine Seite verbrannt unddie andere nicht durchgebacken und somit das ganze Brot ungenieß«bar geworden.

Da können denn weder Ägypten noch Assur helfen. Als Macht»Völker verfugen sie zwar über die Mittel, um einen ihrem Geisteverwandten Staat zu schaffen und zu schützen. Es fehlt ihnen aber

die Bekanntschaft mit Gott und die Unterweisung des Gesetzes, dieallein die Lebenskräfte des sterbenden Ephraim sein können. Indemsie Israel in ihre Interessensphäre hineinziehen, verzehren sie dessenletzte Kräfte. Die politische Buhlerei mit den Weltvölkern war inder Regel sehr teuer. Sie kostete noch immer dem Geweihten seineLocken und das Geheimnis seiner Kraft. Am Busen der Delila fand

Simson jene Stricke, die er eines Tages nicht mehr zerreißen konnte1

.Das Erschütternde in der Geschichte eines Volkes in diesem Zu=

stände war aber immer, daß es in seiner politischen Blindheit denVerfall seiner Kräfte nicht merkte. Schon graut das Haar, aber mangebärdet sich wie ein Jüngling. Und doch ist alles nur noch politischePh rase, Täuschung übe r die bereits gebrochene Lebenskraft. W ie eine

vor den Nachstellungen eines Habichts unsicher gewordene Taube1 Riditer i6, 19.

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flieht Ephraim bald nach Ägypten, bald nach Assur. Es ahnt abernicht, daß alles für ihn nur zu einem politischen Netz werden muß,durch das er gefangen wird. Denn letzthin steht Gott hinter allem

Geschehen, dem sich Israel auch in seiner Flucht vor Gott nicht zuentziehen vermag. Ob in der Ratsversammlung Israels die eine Parteiauch mit Ägypten und die andere mit Assur gehen will, Ephraimentflieht nicht dem Gericht, in dem es die Auferstehung für eineneue Zukunft finden soll. Gott ist unerbittlich konsequent auch inder Durchführung seiner Gerichte, wenn sie ihm nur noch als ein=ziger Weg geblieben sind, den verlorenen Sohn für eine zukünftigeTischgemeinschaft im Vaterhause zurückzugewinnen.

d) D e r g r o ß e A b f a l l

Noch einmal geht Hosea auf die verborgenen Gründe zurück, dieden gegenwärtigen Gerichtszustand allmählich herbeigeführt haben.In großen Strichen weist er auf den Unsinn des Bilderdienstes, auf

die Willkür bei den Königswahlen und auf den entweihten Opfer*kultus hin. „An deinen Mund eine Posaune! G leich dem Aar widerdas Haus Jahves! Denn übertreten haben sie meinen Bund, an mei=

nem Gesetz Treubruch geübt. Zwar schreien sie zu mir: Wir kennendich, Gott Israels! Verschmäht hat Israel das Gute, so mag derFeind es verfolgen1." Wiederum in Bildern schildert der Prophet die

politische Situation, deren Ernst keinen Fatalismus mehr verträgt.Wie ein Adler aus den Lüften plötzlich in raschem Fluge auf seineBeute stürzt, so stürmen kühn und wild die feindlichen Heere bereitsherbei zum Gericht über das Haus Jahves. Mit dem Verlust derGottesherrlichkeit ist es mit seinen Tempelschätzen und seinen silber=nen und goldenen Opfergeräten eine erwünschte Beute für den Feind

geworden. Wurde das Heilige trotz der Opfer mit in den Dienstheidnischer Sünden gezogen, so soll es denn auch den Heiden zumGericht übergeben werden.

Zwar behauptet Israel in dieser Not, Gott zu kennen. Aber derGott, den Israel kennt, ist nicht der Gott des Gesetzes und der Offen=barung. Dem Volke ist zwar der Name Gottes geblieben, aber die

Kenntnis von der Art und der Wirklichkeit Gottes hat es verloren.1 K a p . 8 , 1 — 1 4 .

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Israel trug in das Bild Jahves die Züge seines eigenen Herzens hin=ein. So schuf es sich aus dem Vater der Barmherzigkeit und Königder Völkerwelt eine nationale Gottheit, wie auch jede der Nationeneine solche hatte. Das ist das Gericht der Verleugnung des Gesetzes,daß man ohne das Licht der objektiven Offenbarung eines Tagesnur noch das Gottesbild subjektiver Inspirationen hat. Im NamenJahves betet man sich nur noch selbst an. In der eigenen Weltan=schauung findet man die Weltanschauung Gottes. Wie fremd istJahve aber dem Gott, zu dem Israel sich bekennt, den es in seinenOpfern ehrt, und dem es mit seinen sinnlichen Festen dient!

Wie wenig Israel wirklich den Gott der Offenbarung, Jahve, inseinem Wesen kannte, zeigte sich ja bereits darin, daß der Herr sichin seiner Gegenwart und mit seiner Offenbarung längst aus demHeiligtum und aus dem öffentlichen Volksleben zurückgezogen hatte,ohne daß es vom Volke empfunden worden war. So wenig warenOpferkultus, Priestersegen, Festfeier der Ausdruck der wahren Her=

zensgemeinschaft mit Gott gewesen, daß zwar der Kultus weiter*gepflegt wurde, ohne jedoch zu merken, daß sich die Gegenwart desHerrn, das Gottes=Du zur Pflege der Gemeinschaft längst zurück»gezogen hatte. So lautete zwar das Bekenntnis der Lippen: „Wirkennen dich, Gott Israels1/'; jedoch das Leben des Volkes ging zu-»gründe an der Unbekanntschaft mit Gott.

„Sie haben Könige eingesetzt, doch nicht von mir, haben Fürstenernann t, und ich weiß es nicht; ihr Silber und ihr Gold haben siesich zu Götzenbildern gemacht, damit es ausgerottet w erde1." Ver=liert man erst die wirkliche Autorität, dann schafft man sich eigeneAutoritäten. Kann Gott nicht mehr König und seine Offenbarungnicht mehr das licht sein, dann sitzt auf dem Thron der von der

Leidenschaft des Volkes gewählte Günstling, und Katheder undKanzeln lehren nur noch die zum Kanon erhobene Weltanschauungder Staatsautorität. Nicht mehr vom objektiven Gotteswort aussucht man die Erscheinungen des Lebens zu verstehen, sondern vonder Eigengesetzlichkeit des Lebens aus allein schafft man sich seineEthik und seine Dogmatik. In diesen werden eines Tages selbst dieschwersten Verbrechen zum Wohle des Staates kanonisiert, das Volk

i Kap. 8, 4.

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zum Sklaven seiner eigenen Kultur und Wirtschaft gemacht und dienatürlichen Schöpfungsordnungen Gottes als ein Fluch des Lebenserklärt. Es ist alles verboten, was das höhere Leben bejaht, und alles

erlaubt, was sicher ins Verderben führt. Dies war je und je die anti=christliche Stunde, die ein Volk in seiner Geschichte erlebte.

„Und es vergaß Israel seinen Schöpfer und baute Tempel, undJuda mehrte feste Städte. Doch ich werde Feuer senden in seineStädte, und es wird verzehren seine Paläste1." Wo erst das Gesetzmit seiner Offenbarung schweigen muß und im Namen Jahves das

Volk sein eigenes Götterbild verehrt, da kommen Tempel undFestungen in keinen Konflikt miteinander. Sie segnen sich gegen=seitig zum vermeintlichen Heil und zur Sicherung der Zukunft desVolkes. So entsteht alsdann eine Kultur, die selbst in den entschei=dendsten Fragen des Lebens fertig wird auch ohne Bekanntschaft mitGott. Bricht aber erst das Feuer des Gerichts aus, so frißt es nichtnur die Festungen, sondern auch die Tempel. Beide wurden aus der=

selben Gesinnung heraus erbaut, beide unterliegen auch demselbenGericht. Denn was je in der Geschichte vom Fleisch geboren wurde,das erntete sein Gericht wiederum durch das Fleisch.

Wie oft sprach im Laufe der Geschichte die Kirche zwar zur Syna=goge: „Hier ist mehr als das Gesetz!" Sooft aber auch sie das Gesetzmit seiner Gottesherrschaft auf Erden verleugnete, wandelte auch

sie wiederum im Licht der Heiden. Was Wunder, wenn sie jetzt mitden Nationen erntet, was sie in deren Gemeinschaft seit Jahrtausen=den gesät hat! Gott kann auch seine Kirche für Jahrzehnte und Jahr=hunderte ins Exil senden, wenn dies nur noch der einzige Weg seinsollte, um sie für ihre prophetische Aufgabe innerhalb der Geschichteund deren Zukunft zu erlösen.

5. Das unvermeidliche Gericht

„Es kommen die Tage der Heimsudiung, es kommen die Tage derVergeltung. Erkennen wird Israel (alsdann), ob ein Narr derProphet, ob ein W ahnsinniger ein Mann des Geistes." Hosea 9,7

Je dunkler die politische Lage für das Nordreich wurde, je mehr

dessen Verwicklungen mit den Nachbarvölkern zu einer unentrinn=1 Kap. 8,14.

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baren Katastrophe für das ganze Land und Volk zu werden drohten,

desto größer wurde auch die Spannung zwischen dem Propheten und

der herrschenden Politik. Es konnte keine Verständigung erfolgen

zwischen dem berufenen Träger einer gottgewollten Theokratie und

den Vertretern eines Reichsgedankens, der sich in seinen Grundbe»

griffen im Wesen heidnischer Weltreiche bewegte. Dieser Kampf

ist auch in die Zeitalter der christlichen Kirche hinübergegangen.

Er war auch hier um so stärker, je bewußter die Kirche Christi sich

ihrer Verantwortung der Welt und deren machtpolitischen und anti=

christlichen Entwicklung gegenüber war.

a) Die Ankündigung des Exils

„Nicht freue dich, Israel, wie (tanzend) jubeln die Völker; denn

treulos abgefallen bist du von deinem Gott, hast gern Buhlerlohn

genommen auf allen Korntennen . . . Nidit wohnen bleiben sie im

Lande Jahves, Ephraim muß wieder nach Ägypten zurück, und in

Assur werden sie Unreines essen1/'Es war eine gewaltige Zumutung des Propheten an sein Volk,

in diesem Jahre nicht den bunten, durch Reigentanz zum Ausdruck

gebrachten Erntejubel der anderen Völker zu teilen. Denn trotz der

Ernte soll das Volk den Segen der Ernte nicht mehr genießen. Wie

eine Buhlerin sich ihren Lohn für ihr unreines Leben von allen

Dreschtennen und Weinkeltern ihrer Liebhaber holte, so habe Israelals Volksgemeinschaft sich von Jahve hinweg zu den Baalkulten der

heidnischen Völker gewandt, um von ihnen seinen Segen und die

Garantie seiner Zukunft zu holen. Im Lichte der Berufung Israels

zu einer theokratischen Volksgemeinschaft war das aber Abfall von

Jahve, dem es seine nationale Auferstehung aus Ägyptens Knecht»

schaft und seine große Vergangenheit als selbständiger Staatskörperin Kanaan zu verdanken hatte.

Da Israel jedoch den Göttern der Weltvölker mehr Liebe, Hin*

gäbe und Vertrauen entgegenbrachte als dem Gott seiner Erwählung

und Berufung, muß es auch die geschichtlichen Konsequenzen dieses

Verhaltens tragen. Es muß zurück zu seinen Liebhabern, d. h. nach

Ägypten und Assur, von denen es in den Zeiten politischer Verwick=1 Kap. 9,1—4.

1 6 0

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hingen und Gefahren seine Hilfe erwartete. Aber in seinem neuenExil wird es Jahve nicht die Erstlinge seiner Ernte darbringen undsomit seine Erntefrucht nicht heiligen können.

Das Brot, das man im Exil essen wird, wird Trauerbrot sein;denn es wird einer Totenmahlzeit gleichen und dem Brot, das demToten gebrochen wurde1. Denn schon stand das große Ringen zwi=sehen Ägypten und Assur unmittelbar bevor, und dem Pro=pheten stand fest, daß bei der von Israel betriebenen Außenpolitikdas Ende seiner Geschichte im einen oder anderen Exil oder aber

in beiden sein werde. „Denn adii Wenn sie wegen der Verwüstungweggezogen sind, wird Ägypten sie versammeln und M emphis ihreGrabstätte sein; ihre Kostbarkeiten an Silber werden die Disteln inBesitz nehm en, das Dorngesträuch in ihren Zelten2/'

Durch diese ergreifenden Schilderungen sucht der Prophet seinemVolke den ganzen Ernst seiner geschichtlichen Stunde vor die Seelezu führen. Er erreichte jedoch nicht, was seine Gerichtsbotschaft er»reichen sollte. Im Gegenteil, sie trug ihm jene Leiden ein, die jedehöhere Offenbarung in ihrem Dienst zu erdulden hatte. Das Lichtwurde Finsternis genannt, die Wahrheit galt als Lüge, der ProphetGottes als ein politischer Narr und Demagoge. Aber wenn die Tageder Heimsuchung und Vergeltung gekommen sind, alsdann wirdIsrael erkennen, ob der Prophet ein Narr gewesen ist, und ob der

Mann des Geistes ein Wahnsinniger war.Denn unter diesem Urteil stand der Dienst der Propheten. Und

vom rein weltlichen und nationalpolitischen Standpunkt aus war estatsächlich eine wahnsinnige Anmaßung, die großen Fragen derPolitik mit ihren Notwendigkeiten besser beurteilen zu wollen, alses die verantwortlichen Träger des Nordreiches zu tun vermöchten.

Es war doch gewiß nicht deren Absicht, das Land ins Verderben zustürzen, den Staatskörper bewußt zerschlagen zu lassen, dem Volkdurch die großen W eltmächte Heim at und Freiheit nehm en zu lassen.Und doch lebten sie in jener großen Täuschung, die mit dem Gerichtenden mußte, dem man zu entfliehen hoffte. Sie rechneten eben nichtmit jenen unsichtbaren Geschichtsfaktoren, die außerhalb der poli=

1 Jer . i6 ,7 .2 Kap. 9 , 6 .

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die Gesinnung und das Leben der Väter in der Wüste so gewesen,daß es dem Herrn wie eine unerwartet gefundene Traube in derWüste, ja wie eine so beliebte Frühfrucht am Feigenbaum in seinem

ersten Triebe erschien. Aber schon am Berge Peor

1

beim Einzug insverheißene Land erfolgte die große Enttäuschung. Anstatt daß Israeldurch seine starke Gotteserkenntnis bei näherer Berührung mit denkananäischen Nachbarvölkern diese in sein theokratisches Leben hin=einzog, zogen die Völker mit ihren ausschweifenden BaalkultenIsrael aus seiner berufenen Stellung in die Greuel des heidnischenKultlebens hinein.

Es vollzog sich, vom Standpunkt prophetischer Geschichtsbetrach=rung aus gesehen, bereits damals, was auch die Kirche Christi imLaufe ihres Bestehens immer wieder erlebte. Entweder zog sie in derKraft ihrer Überzeugung und im Bewußtsein ihrer prophetischenVerantwortung die Welt mit in die Einflußsphäre des ihr erschlos=senen Gottesreiches hinein, oder sie sah sich eines Tages selbst mit

ihrer Gottesverehrung hineingezogen in das religiöse Kultleben derWelt, in dem auch die angebliche Gottesverehrung nur noch eineGelegenheit zur Pflege sinnlicher Leidenschaften wird.

An der Verirrung am Berge Peor, wo sich Israel zum erstenmalbeteiligte an den Opferfesten der Moabiter und den damit verbun=denen sinnlichen Ausschweifungen, zeigte der Prophet, zu welcher

Fehlentwicklung solch eine erstmalige Verirrung in der fernerenGeschichte eines Volkes werden k ann. D enn dem Proph eten stand dergegenwärtige Gerichstzustand des Volkes im engsten organischenZusammenhang mit dessen großer geschichtlicher Vergangenheit.Solch eine Gerichtsreife eines ganzen Volkes ist ihm nicht etwa nurdas Ergebnis einiger großer Fehler der letzten Jahre. Das Volk hatte

von Peor ab im Laufe seiner Geschichtsentwicklung nie den vollenEinsatz seiner prophetischen Berufung gewagt, nur ein theokratischesPriestervolk innerhalb der Geschichte zu sein. Es muß daher jetzt imGericht ernten, wozu die falsche Einstellung zu seiner Berufung esverleitet hat. Endgeschichtliche Gerichtskatastrophen in der Ge=schichte eines Volkes waren nie etwa nur die Folgen der falschenEntwicklung jüngster Vergangenheit oder weniger Jahrzehnte. Sie

1 4. Mose 25 ,1—4; 5 . Mose 4 , 3 .

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waren vielmehr die allmähliche Reife einer geschichtlichen Fehlent=Wicklung, deren Anfänge Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende zu=rückliegen können.

Der Prophet sieht nun den ganzen Schrecken des geschichtlichen

Zusammenbruchs seines Volkes und deren Folgen. „Ephraim — wieGeflügel wird davonfliegen seine Herrlichkeit, sonder Gebühren,sonder Leibesfrucht und sonder Empfängnis. Denn wenn sie auchgroßziehen ihre Kinder, so lasse ich sie verwaisen, weg von Men=sehen. Ja, wehe ihnen, wenn ich von ihnen weiche1!" Wahrlich, welchein Gericht, wenn alle Herrlichkeit vergangener Geschichte entflieht

wie ein von seinem Nest aufgescheuchter Vogel, wenn die Ernte=feste des Volkes sich in Trau ertage v erw and eln u nd die großgezogeneJugend nur noch ein vergebliches Opfer kommender Ereignisse seinwird! Was Wunder, wenn sich das von Weh zerrissene Innere desGottespropheten in das Gebet flüchtet: „db ihnen — was sollst dugeben? —, gib ihnen kinderlosen Mutterleib und vertrocknete

Brüste2

!" Besser das Gericht eines unfruchtbar gewordenen undalternden Volkes als das Gericht der Vernichtung der in der Jugendsich stets verjüngenden und erneuernden Volkskraft!

Alles hat jedoch, wie der Prophet an einem andern Fall zeigt,seinen bestimmten geschichtlichen Hintergrund. „Alle ihre Bosheitist in Gilgal offenbar geworden; von dort ab habe ich sie gehaßt.

Ob der Bosheit ihrer Handlungen werde ich sie aus meinem Hausetreiben, fernerhin sie nicht lieben; (auch) alle ihre Fürsten sind Ab*trünniges.u So wenig wir auch im einzelnen feststellen können, aufwelche Geschichtsereignisse der Prophet anspielt, wir erkennen aber,wie eng ihm das gegenwärtige Geschichtsbild mit der inneren Ge=schiditsehtwiddung seines Volkes zusammenhing. So läßt sich z. B.

nicht erkennen, warum gerade in Gilgal aller Frevel sich konzentrierthabe und offenbar geworden sei. Wahrscheinlich hatten die unzüch=tigen Kultfeiern dort allmählich solche Form oder solchen Umfangangenommen, daß der Ort als Hauptherd aller gepflegten Schandeangesehen werden mußte.

1 Kap. 9,11 f .2

Kap. 9 , 1 4 .» Kap. 9 ,15 f f .

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Was aber auch der Prophet immer mit den einzelnen Geschichts=

ereignissen der großen Vergangenheit verband, der allgemeine Zu=

stand des Volkes in der Gegenwart hatte,eine Reife erreicht, die gar

keine Hoffnung mehr auf eine moralische Gesundung Israels zuließ.Von da ab mußte Gott das Volk hassen, d. h. es sich und seinem

Gericht selbst überlassen. Denn auch die Fürsten, die berufenen

Führer des Volkes, sind „Abtrünnige". Anstatt Vorbilder der unselb=

ständigen Volksmassen in den entscheidenden Fragen des Lebens

und im Aufbau einer theokratischen Volksgemeinde zu sein, hatten

sie sich weit mehr als Verführer erwiesen. Dank ihrer Stellung im

Volksganzen waren sie doppelt verantwortlich in ihrem Dienst, in

ihrer Moral und in ihrem Urteil, das sie als politisches und religiöses

Programm dem Volke übergaben.

Daher entgeht Israel nicht mehr der Verstoßung vom Angesichte

Gottes, wie ein dauernd treulos gewordenes Weib von ihrem Manne

verstoßen wird. Anstatt nun von ihren Liebhabern für immer auf=

genommen zu werden, „werden sie umherirren unter den Völkern".

Es bleibt die große Tragik aller Berufenen, in deren Leben Gott mit

seiner Offenbarung treten konnte, bis heute, daß sie in der Welt

nirgends mehr zu Hause sind, wenn sie in Untreue und Ungehor*

sam ihre eigentliche Berufungsbasis verloren haben. Zieht Gott sich

erst mit seinem Angesicht aus ihrem Leben und ihrer Geschichte

zurück, dann suchen sie vergeblich unter ihren Verführern nachjenem Antlitz, aus dem ihnen wahre Freundschaft und Liebe ent-

gegenleuchtet. Die Welt wird ihnen zu einem Exil wie dem jüdischen

Volke, wohin dies im Lauf der Jahrtausende bisher auch immer seine

Zuflucht nahm.

c) Des Unhe i l s ti ef st e Gr ün de

„Ein üppig rankender Weinstode war Israel, der reiche Früchte

ansetzte; aber wie seine Früchte sich mehrten, mehrten sich bei ihm

auch die Altäre; je schöner sein Land trug, desto schönere Masseben

machten sie. Unireu war ihr Herz; jetzt sollen sie ihre Schuld finden.

Er wird ihren Altären den Hals brechen, wird ihre Machthaber zer»

stören

1

." Damit greift der Prophet wiederum auf die Geschichte des1

Kap. 10,1—4.

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Volkes zurück. Auch seine großen Zeiten, wie in den Tagen Salomos,des Hauses Omri und der Regierung Jerobeams II., haben mit ihremwirtschaftlichen Segen, mit ihrer außenpolitischen Machtentfaltungund ihrem inneren Kulturaufstieg das gegenwärtige Unheil vorberei=tet. Wie ein üppig rankender Weinstock war in jenen Zeiten dasganze Volksleben. Aber die in Frucht sich äußernde jugendlicheVolkskraft war nicht ein entsprechend klarer Einsatz für Israelseigentliche Berufung, sondern erschöpfte sich in politischer Buhlereimit den Nachbarvölkern und in religiösen Liebeleien mit deren sinn=lichem Kultleben. Mit des Volkes Segen und zunehmender Kraft

wuchsen die heidnischen Götzenaltäre und vermehrten sich dieschamlosen Kultfeiern.

In solchen Zeiten zeigte sich die Grundeinstellung des Volkestrotz der reichen Offenbarung, die mit Israels Geschichte bisher un=auflöslich verbunden war. Das Fleisch siegte über den Geist. Nunmuß es durch das Fleisch sein Verderben ernten, und zwar auf jenen

Gebieten am tiefsten, wo es am schwersten gesündigt hatte: amThron un d am Altar . „Ja, dann werden sie sagen: Wir haben keinenKönig; denn Jahve haben wir niait gefürchtet, und der König, waskann der für uns tun? Große Worte reden, falsate Eide schwören,Bündnisse schließen! So wird denn das Geridit sprossen wie Gift'kraut in Ackerfurchen1." Ein Volk, das wie Israel je länger, desto

mehr in den entscheidenden Fragen seiner Berufung und Geschichtefaul wurde, wurde faul auch in seiner politischen, kulturellen undreligiösen Führung. Ging dieser erst die Abhängigkeit von Gott unddessen klarer Leitung verloren, dann würde sie stets das Opfer ihrermachtpolitischen Neigungen und der schwankenden Leidenschaftendes Volkes. Ihr Regieren wurde zu einem fruchtlosen Experimen=

tieren, ihre Rettungsversuche die Grundlage neuer Verwicklungeninnerhalb der Geschichte.

In solch einem Gerichte stehend, wird auch das offizielle Kult=leben mit ins Gericht hineingezogen. „Für die Kälber Beth=Avensfürchten die Bewohner Samarias; ja, es trauert darob sein Volk, undseine Priester beben ob seiner Herrlichkeit, daß sie von ihnen ge»

wandert

2

." Wenn sich Gottes Gerechtigkeit im Gericht innerhalb1 Kap. 10,3 ÉF- f Kap. 1 0 , 5 .

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eines Volkes auswirkt, dann macht sie auch vor dem angeblichHeiligen nicht halt. Sie greift durch bis zu den tiefsten Wurzelge=bieten der bisherigen Geschichtsentwicklung. Mag ein im Kultleben

großgewordenes Priestertum auch noch so stark erbeben, was fragtdie Gerechtigkeit nach der Existenz solch eines falschen Priestertumsund nach dem entschwindenden Glanz solch eines Kultlebens, durchwelches das Volk den Blick für seine göttliche Berufung, das Ver=ständnis für seine theokratische Stellung und die Kraft für seineprophetische Aufgabe in der Geschichte verlor? Wenn in solchenZeiten alles, wodurch die unmittelbare Vergangenheit groß und reichgeworden war, in Schrecken und Gericht sich auflöst, dann zeigt sichauch die völlige Halt= und H offnungslosigkeit solch eines Priester=turns. Anstatt dem Volke den Weg zur Buße und zum Leben zugeben, sprechen sie in innerlicher Verzweiflung mit demselben „zuden B ergen: Bedecket uns! und zu den Hügeln: Fallet über uns!"Mit dem Zusammenbruch der Altäre und der äußeren Kultpflege

und dem Glanz der Festlichkeiten sind auch ihr Leben und ihre Zu=kunft hoffnungslos zusammengebrochen.

Für den Propheten gab es daher nur noch einen Hoffnungsschim*mer: „Machet Gerechtigkeit zu eurer Aussaat und erntet der Barm*herzigkeit entsprechend! Brechet euch einen N eubnich, da es nochZeit ist, Jahve zu suchen, auf daß er endlich komme und Heil euch

regnen lasse1!" Wie schlicht und einfach wird die Grundrichtung desVolkslebens und der Aufbau eines Staates, wenn die Offenbarungihnen die Richtung geben kann! Wenn Gerechtigkeit zur Aussaatgemacht wird und die Ernte die Frucht ist, die von der Liebe gesätwurde, dann lösen sich sehr bald alle gesellschaftlichen Fragen desVolkes, und der Staat gewinnt jene geschichtlichen Grundlagen, die

durch Geschichtskatastrophen nicht erschüttert werden. Das ist dergroße Neubruch, der aber die radikale Verurteilung der buhlerischenVergangenheit und den vollen Einsatz für eine theokratische Zu=kunft erfordert.

1 Kap. io , 12.

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6. Israels Vergangenheit im prophetischen Lichte

„Als Israel jung war, gewann idi es lieb, und aus Ägypten habeidi meinen Sohn gerufen. Je mehr idi sie gerufen habe, desto mehr

haben sie sidi von mir entfernt, während sie den Baalen opfertenund den Götzenbildern räudierten.* Hosea 11,1 f.

Der Prophet kommt in seinen Gerichtsdeutungen von der Ge«

schichte seines Volkes nicht mehr los. Zu sehr ist ihm das Gegen*

wärtige nur die Frucht einer allmählichen Entwicklung der geschieht^

liehen Vergangenheit. Die große Gefahr für den Bestand und die

Zukunft des Volkes liegt ihm daher weniger in der schweren Be=

drohung durch Assur und Ägypten von außen her. Sie liegt ihm in

der inneren Gerichtsreife des Volkes auf Grund seiner bewußt ge=

pflegten Geschichtsentwicklung wider Gott.

a) Die ve r le ug ne t e Jugend li ebe

Der Prophet greift auf das Größte in der Geschichte seines Volkeszurück: auf die göttliche Berufung zum Erstgeborenen. Das war eine

Gottestat gewesen, die aller Entwicklungsgesetze eines Volkes spot»

tete. Unmögliches war in Ägypten geschichtliche Wirklichkeit ge=

worden. Israel feierte trotz der Weltmacht eines Pharao in seinem

ägyptischen Sklavenhause seine Auferstehung zu einer theokrati*

sehen Volksgemeinde. Ungemein klar und scharf war die Gottes«forderung gewesen, die Mose dem Pharao bringen mußte: „Mein

Sohn, mein Erstgeborener ist Israel, und idi lasse dir sagen: Gib

meinen Sohn frei, damit er mir diene1!" Pharao in seinem Machtbe*

wußtsein spottete. Sein Widerspruch endete jedoch mit dem Unter»

gang im Roten Meer. Gott setzte sich durch trotz des Widerspruchs

der ägyptischen Weltmacht. Es war ein Ereignis gewesen, das dieVölker jahrhundertelang nicht vergaßen.

In dieser großen Gottestat lag die Geburt Israels. Sie hatte dem

Volke die Grundlage, den Inhalt und die Richtung für seine theo»

kratische Zukunft gegeben. Von dieser Jugendliebe Jahves zu seinem

Volke spricht hier der Prophet. Aber schon bei der Gesetzesoffen*

barung am Sinai hatte das Sichentfernen vom Angesichte Jahves12. Mose 4,22 f.

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begonnen. Als das Volk merkte, mit weldi einer Heiligkeit die

Gegenwart Gottes und dessen unmittelbares Reden zum Volk ver=

bunden war, hatte es zu Mose gesprodien: „Rede du mit uns, wir

wollen hören; aber Jahve soll nicht mit uns reden, wir möchten sonststerben1!" Diese Sprache hatte das Volk von seiner Berufung an mit

in seine Geschichte genommen: kein unmittelbarer, nur ein mittel»

barer Verkehr mit Gott durch Prophet, Priester und Altar.

Gott in seiner herabsteigenden Barmherzigkeit gab sie im Laufe

der Geschichte immer wieder dem Volk. In Prophet, Priester, Altar

und zuletzt auch im König verkörperte sich sein göttliches Rufen.

Aber „je mehr ich sie gerufen habe, desto mehr haben sie sich von

mir entfernt". Wer aber das Angesicht Gottes verläßt, landet bei

den Göttern; wem Gottes Gegenwart zu licht ist, endet bei den

Opferfesten der Moabiter; wer seine Berufung zur Sohnschaft ver»

leugnet, wird ein Sklave Assurs und findet sein Grab in Ägypten2.

Gott hatte zwar im Laufe der großen und reidien Geschichte Ephraims

(ein Lieblingsname fürs Volk) das Volk wie am Gängelbande geleitetund es auf dem Arm getragen, aber „sie haben nicht erkannt, daß ich

ihr Retter bin9".

Diese Entwicklung des Volkes bis zum Festhalten des Abfalls

zwingt Gott, sich in seiner rettenden und heilenden Aktivität aus

der Geschichte Ephraims zurüdczuziehen und es seiner ausreifenden

Entwicklung zu überlassen. „Nicht wird es zurückkehren ins LandÄgypten, sondern Assur, der ist ihr König; denn sie haben sich

geweigert, umzukehren*." Die bewußte Ablehnung der Umkehr —das war eingetretene Gerichtsreife. Das Gericht wird aber weit

schwerer sein, als die Rückkehr ins ägyptische Sklavenhaus sein

könnte. Ephraim wird der brutalen Herrschermacht Assurs ausge=

liefert werden und so in seinem gesuchten Retter seinen Riditerfinden.

b) Die zu kü nf ti ge Besi nnung

„Wie sollte ich dich hingeben, Ephraim, dich preisgeben, Israel?

Wie sollte ich dich hingeben gleich Adama, dich gleichmachen

1 2. Mose 2 0 , 1 9 . 3 Kap. 11,3.2

Siehe Kap. 9,6.4

Kap. 11 , 5.

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dem Volke nur die eine große Heilswahrheit nahelegen, daß dieGnade groß genug ist, auch über das Gericht zu triumphieren.

c) S ü n d e u n d G n a d e i n I s r a e l s G e s c h i c h t e„Ephraim huldigt windigem Treiben und jagt dem Ostwind nach;

den ganzen Tag mehrt es Lüge und Gewalttat, und ein Bündnis mitAssur sdiließen sie, und ö l wird nach Ägypten gebradit. Und einenRechtsstreit hat Jahve m it Juda , und ahnden wird er an Jakob nachseinen Wegen; nadi seinen Taten wird er ihm vergelten 1." DemPropheten steht letzthin Gesamt=Israel vor der Seele. Ob Ephraim,ob Juda — wenn auch nicht dem Grade nach, aber in der Grundein=Stellung offenbart sich bei beiden Verleugnung ihrer einstigen Be=rufung. So stark Ephraims Politik auch einem wahnsinnigenHaschen nach Wind gleicht, es treibt dennoch das Doppelspiel undschließt Freundschaftsbündnisse mit Assur und sendet Geschenke

nach Ägypten, um Ägyptens Kampf gegen Assur zu stützen.Im Lichte der Gottesgerechtigkeit findet solch ein politisches

Doppelspiel jedoch die schwerste Verurteilung, auch wenn es gegendie Feinde und zur Erhaltung des eigenen Volkes gespielt wird. Siekennt auch den Feinden gegenüber keine doppelte Moral: was Lügeist am eigenen Volk, ist Lüge auch dem Feind gegenüber. Auch in

den großen Fragen einer national betriebenen Außenpolitik weichtGott nicht von seinen Grundsätzen ab: „Gerechtigkeit erhöht einVolk; aber jede lügnerische Politik ist des Volkes Verderben."Glaubten auch die Völker immer wieder, sich dieser Geschichtsgerech=tigkeit gegenüber durchsetzen zu können, eines Tages schrieb dieKatastrophe mit unerbittlicher Härte es in die eigene Geschichte hin=

ein: „Irret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten!" Wer falsch istden Feinden gegenüber, schrickt im Falle angeblicher Notwendig=keiten auch vor der Lüge dem eigenen Volke gegenüber nicht zurück.

Aus solchem Verschulden kann der Griff nach der VerheißungGottes und seiner Gnade retten. Der Erzvater Jakob ist darin einVorbild: „Im M utterleibe faßte er die Ferse seines Bruders, und in

seiner Kraft kämpfte er mit Gott. Und er kämpfte mit einem Engel1 Kap . 1 2 , 2 . 3 .

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und siegte ob, er weinte und flehte zu ihm, zu Bethel fand er ihn,

und daselbst redete er mit uns. Und Jahve, Gott der Heersdiaren,

Jahve ist sein Gedächtnis1."

Der Prophet wollte seinem Volke damit sagen, daß bei Jakoballes vorbildlich gewesen sei, ein Ringen um den Segen, das bereits

im Muttersdioß begonnen habe. Darum sollte Ephraim=Juda in

diesem lichten Vorbilde eines Jakob um so tiefer sein eigenes häß=

liches Bild erkennen. Denn Ephraim sagt: „Ich. bin dodi reidi gewor°

den, habe mir Vermögen erworben: alle meine Arbeiten erwerben

mir keine Sdiuld, die Sünde wäre?." Das war die Antwort, die aus

der selbstgerechten Gesamthaltung Ephraims den Prophetenworten

gegenüber erfolgte. Sobald ein Volk wie Israel nur noch im eigenen

Lichte wandelt und in den Schöpfungen seines Geistes und in den

Spekulationen seiner Weltanschauung seine letzte Orientierung fm=

det, hat es jedes höhere Maß zu seiner Selbstbeurteilung verloren.

Das Ergebnis ist dann immer jene täuschende Selbstgerechtigkeit,

die blind macht aller eigenen Schuld gegenüber. Sie führte daherstets zur innerlichen Ausreifung zum Gericht; denn sie macht unfähig

zu einem sittlichen Umdenken, wodurch das Gericht abgewendet

werden könnte.

d) Der fu rc ht ba re Un te r ga ng

In immer neuen Wendungen und Bildern schilderte der Prophetdie Schrecken, denen das Volk blind entgegenging. Man lebte in

einer unverantwortlichen Selbsttäuschung. Auch jeder Hinweis, was

der Herr dem Volke in seiner Geschichte gewesen, erweckte keine

Selbstbesinnung mehr. Man gefiel sich in seinem Reichtum, in seiner

Stärke, in seinem Kultus und in seiner vermeintlichen Sicherheit.

„Opfernde Menschen küssen Kälber! Darum werden sie gleidi demMorgengewölk, gleidi dem früh verschwindenden Tau, gleidi der Spreu

sein, die von der Tenne verweht wird, gleidi dem Raudi am Fenster.

Und dodi bin idi Jahve, dein Gott, von Ägypten her; einen Gott

außer mir kennst du nicht, und einen Helfer außer mir gibt es nicht*."

1Kap. 12,4—6.

2 Kap. 12,9.3

Kap. 1 3 , 2 - 4 .

1 7 2

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Politische Verblendung verdunkelte dem Volke auch sein Urteilüber seine große Vergangenheit. Anstatt hinter seinem Werden undBlühen Gott zu sehen, der über ihm gewacht und in ihm gewaltethatte, schrieb man alles der Kraft seines Arms und der Größe seinesGeistes zu. Aber wie Morgengewölk, wie Tau, wie Spreu muß sichalles erweisen, wenn erst der Glutwind des Gerichts über das Landund Volk hinfährt und alles in seinen Tod mit hineinreißt.

Wo gibt es aber eine Macht in Gottes Schöpfung, die ein Volkretten könnte, wenn es sich erst von Gott preisgegeben sieht? „Vonder Hand des Totenreiches sollte ich sie befreien, vom Tode los=

kaufen? Wo sind deine Seuchen, Tod; wo deine Pestilenz, TotenreidiiReue ist vor meinen Augen verborgen. Denn mag E phraim auch wieRiedgras zwischen Wassern üppig sprossen: ein Ostwind wird kom=

men, der W ind Jahves, der aus der Steppe hereinbricht; da werdenseine Brunnen versiegen und seine Quellen vertrocknen; der Feindaber wird die Schatzkammer aller kostbaren Kleinodien berauben1."

So ende te die g roße Geschichte Ephraims im Lichte des ProphetenHosea. Und die nächsten Ereignisse der Weltgeschichte bestätigtensein gewaltiges Wort: „Das ist dein Verderben, Israel, daß du gegenmich, deine Hilfe, bist2!"

7. Der zukünftige Gnadeobund der. Liebe„Kehre um, Israel, bis hin zu Jahve, deinem Gott; denn dustraucheltest durch deine Schuld." Hosea 14,2

Das Prophetenleben eines Arnos und eines Hosea ist vor unsereSeele getreten . Welch un geh eure Seelenspannungen w urden in beiden

sichtbar! Die gewaltigsten Gegensätze rangen in ihrem Geiste umihre letzte Behauptung. Wird das Gericht triumphieren über ihreHoffnung? Oder wird die Glaubenserwartung letzthin dennochsiegen über das Gericht? Triumphiert das Gericht, dann endet dieGeschichte des Volkes in ewiger Nacht. Dann muß auch das Lebenderer, die an der herrschenden Schuld des Volkes unbeteiligt geblie=

1 Kap. 13,14.15.2 Kap. 13,9.

*73

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ben sind, in Verzweiflung enden. Denn obgleich schuldlos, müssenauch sie das Gericht, das sich als entsetzliche Katastrophe am ganzenVolkskörper auswirkt, mit denselben Endfolgen, der Volksauflösung

und der Vernichtung, tragen. Auch ihr Leben muß untergehen mitder Nacht der Sünder. Schicksalsverbunden mit dem Ganzen, endetes auch im Gericht mit dem Ganzen.- " W ä r e das der Au sklang der prophetischen M issionen geblieben,wir hätten heute keinen alttestamentlichen Kanon mit seiner weit*überwindenden Glaubenserwartung. Wie die Geschichte der antikenVölker den Nationen der kommenden Jahrtausende nur zu einerZeugin der unerbittlichen Weltgeschichte werden konnte, so hätteauch Israel durch seine Geschichts= und Endkatastrophe der Weltnichts Höheres zu sagen vermocht.

Aber mit den Propheten war die Ewigkeit in der Kraft ihrerOffenbarung in die Geschichte Israels getreten. Dieser gehört aberdie Zukunft. Sie bricht auch im jeweiligen Gericht der Geschichte

eines V olkes nicht zusamm en. „Es vertrocknet das Gras, es welkt dieBlume, wenn der Hauch Jahves dagegen weht — fürwahr, wie Grasist das Volk! Allein es vertrocknet nur das Gras, es welkt nur dieBlume; jedoch für ewig wird bestehen das Wort unseres Gottes1."Die Ewigkeit ist mit ihrer Offenbarung und ihrer Kraft nicht vonder Art dieser Welt, daher unterliegt sie auch nicht im Gericht

dieser Welt. Sie trägt den Odem Gottes in sich, die schöpferischenEnergien des Geistes, die Leben aus dem Tode zu rufen vermögen.

Im Pulsschlag dieser Geisteswirkungen stehend, kann die Bot=schaft der Propheten nicht nur mit Gericht enden. Dies wird zwarfurchtbar sein. Was sah nicht alles der prophetische Seherblick einesHosea kommen! Und wieviel schrecklicher war alles, als die Ge=

richtswetter sich erst über Ephraim entluden! Denn wahrscheinlichhat er die wunderbaren Hoffnungsworte erst nach 722, d. h. nachdem völligen Zusammenbruch des Zehnstämmereichs, dem Volkemit ins Exil und in seine Leidensnacht gegeben. Wenn nicht, dannjedenfalls mitten in den bereits eingetretenen Katastrophen derGeschichte seines Volkes. Was hatte während dieses erschütternden

Geschehens sein Auge nicht alles gesehen, was hatte seine Seele

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angesichts aller Unmenschlichkeiten durchlitten! Wohin sich die

menschliche Hoffnung auch wandte, von überall nur neues Wetter=

leuchten! Jede erflehte Hilfe wurde zu einem vermehrten Gericht.

Was Wunder, wenn auch die Stärksten sich von der Verzweiflung

gepackt sahen und die Ruhe im Tode dem Kampf im Leben vorzogen!

Ohne prophetische Schau auf Grund göttlicher Erleuchtung und

ohne Kräfte der Ewigkeit im Herzen hätte auch der Prophet nicht

kommendes Leben mitten im Tode gesehen. Er sah es aber, weil er

Gott gesehen hatte. Bricht ein alter Bund im Gericht auch zusammen,

Gott ist ihm nicht nur allein der Gott vom Sinai. Er wird in seinem

großen Morgen kein anderer sein, als er in seinem großen Gesternwar. Der Sinai=Bund war nicht eine einmalige, sondern nur eine

erstmalige Enthüllung, wer Gott ist, und worin seine Offenbarung

besteht. Seine Offenbarung ist nicht eine vergangene Größe, eine

ruhende Kraft, sondern schöpferische Aktivität, durch die er die

Ewigkeiten umfaßt. Brach Israel auch sein Bundesverhältnis zu ihm,

er konnte nie sein Bundesverhältnis zu seinen Berufenen brechen.Gott würde sich selbst verleugnen, wenn der auf dem Sinai sichtbar

gewordene Gnadenbund nur ein von ihm vollzogener geschichtlicher

Akt und nicht sein ewiges Wesen und Wirken sei, aus dem alle

Gottesoffenbarung fließt. „Idi werde sein, der idi sein will" — das

war der neue Name, der höhere Gottesbegriff, mit dem Jahve in

Israels Geschichte getreten war1. Seine wiederholten Offenbarungen

innerhalb derselben sollten eine stets neue Auslegung seiner im

Sinai=Bund enthüllten Gotteswirklichkeit sein. „Ich werde Israel Gott

sein; Israel soll mir Volk sein."

a) Die große Si nn es än de r un g Isr ael s

So Gott als den sich ewig Offenbarenden erfassend, konnten die

Propheten ihrem Volke auch im furchtbarsten Gericht noch eine

Hoffnung für die Zukunft geben. Diese Zukunft wird aber nie wie=

der dem zur Auferstehung helfen, was durch die Geschichte in Israel

gerichtet wurde. Gott rettet durch seinen Odem nicht eine gerichtete

Vergangenheit. Er erweckt die Gerichteten zu einem Leben höherer1 2.Mose 3,14.

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Ordnung, in dem sie verneinen werden, was ins Gericht führte, undbejahen werden , wa s allein Inh alt einer neuen Z ukunft werden ka nn .Dies wird Gottes Herrschaft im Leben der aufs neue unter die Ver=gebung und Begnadigung Gestellten sein. Daher kann diese Zukunfterst mit der großen Sinnesänderung des Volkes beginnen. In ihrallein kann der Anbruch des Neuen und die Erfüllung des Verhei=ßenen liegen.

Daher wendet sich der Prophet mit seinem letzten Appell ansInnerste des Volkes, an dessen Gesinnung: „Kehre um, Israel, biszu Jahve, deinem Gott; denn durai deine Schuld bist du zu Fall

gekommen." Geschichte wird von Menschen gemacht. Die Geschichteeines Volkes hatte stets den Inhalt, der ihm vom Volke gegebenwurde. So stark Gott in der Sprache der Propheten im Blick auf dieGerichte auch in der Ich=Form redet, die große Wetterecke der Ge=Schichtskatastrophen liegt in der menschlichen Seele. Hier brodeltder große Hexenkessel, der sich in seinen Energien und Leidenschaf=

ten eines Tages in der Geschichte als Gericht auswirkt. Die Mensch«heit erlebt so viel Gericht, als sie durch ihre Gesinnung und Geistes*Schöpfungen an Gericht in die Welt hineinträgt. „Durch deine Schuldbist du zu Fall gekommen."

Im Herzen muß daher auch die neue Wendung beginnen. DieSchrift nennt sie Buße, Bekehrung, Sinnesänderung. Diese bleibt

nicht stehen bei einzelnen Irrungen der Vergangenheit. Sie erfaßtden Menschen in seinem innersten Sein. Ihr Ziel sind nicht ein neuerKultus u nd fleischliche Daseinshoffnungen. Sie führt bis zu G ottselbst. Floß alles Unheil in der Vergangenheit aus dem Gelöstseinvon Gott, aus der praktischen Ausschaltung der Gottesaktivität ausdem religiösen, kulturellen und politischen Leben des Volkes, dann

kann das Erlösende der Zukunft nur in der bewußten Hingabe anGott liegen. Von ihm muß das Neue ausgehen, durch ihn muß esgew irkt werden, und zu ihm m uß es führen.

Diese Gottesaktivität, die sich aufs neue durch den Mund desPropheten an die Gerichteten wendet, um diese zu einer völlig neuenUmkehr zu erwecken, damit sie alsdann das Gericht in Leben ver=wandeln könne, fließt aus der Vergebung. Aber was von Gott unterdie Vergebung gestellt werden soll, muß auch der Mensch unter

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ihr wissen. Wenn nicht, so bleibt er an der Schuld seiner Vergangen»heit hängen. Sie begleitet ihn alsdann wie Modergeruch mit in seineneue Zukunft hinein. Der Prophet legt dem Volke daher das großeBußgebet aller Zeitalter der Menschheit auf die Lippen: „Ganz ver«

gib die Schuld! So wollen wir dir statt der Darren die Dankliederunserer Lippen als Opfer bringen1."

Vergebung zu empfangen vermag jedoch nur, wer vergebungs*hungrig geworden ist. Nicht um seinetwillen, sondern um des Men=sehen willen macht Gott das Empfangen und die Gewißheit der Ver=gebung abhängig vom vertrauensvollen Gebet um die Vergebung.

Denn nicht etwa erst durchs Bußgebet wird Gott bestimmt, die Ver=gangenheit mit ihrer Schuld unter seine vergebende Barmherzigkeitzu stellen. Sie steht längst unter seiner Vergebung; daher wirbt erin seiner Liebe um eine neue Hingabe der im Gericht Stehenden.

Denn das wahre Gebet um Vergebung fließt aus der Erkenntnisder Schuld. Daher wird zum Gelübde und zum Bekenntnis: „Assur

soll uns nicht mehr helfen, auf Rossen wollen wir nicht mehr reiten,und nicht mehr wollen wir sagen zum Werk unserer Hände: UnserGott2!" Auf diesen drei Hauptlinien lag die große Schuld der Ver*gangenheit, durch die Israel seine Katastrophe herbeigeführt hatte.

Zunächst d as V ertrauen auf A ssur. Als das Volk in seinem Lebendie Beziehung zu Gott verloren hatte, da suchte es die Beziehungen

zu den Nachbarvölkern. Wußte Israel sich erst in der Stunde seinerGefahr nicht mehr gedeckt durch die Macht seines Gottes, so suchtees Zuflucht bei der Stärke Assurs. Und diese politische Blindheitwuchs, je mehr Israel seine Berufung zu einer theokratischen Volks*gemeinde verließ. Es bleibt die große Tragik des einzelnen und derVölker, daß jede Lockerung ihrer Abhängigkeit von Gott zu einer

Knechtung durch den Menschen führte. Denn nicht Erlösung, Knecb»rung brachte bisher der Mensch dem Menschen. Je stärker Assur ist,desto weniger wird er erlösen, desto unerträglicher muß jedoch derDruck seiner Knechtung werden.

„Wir wollen nicht auf Rossen reiten." Rosse und Streitwagenwaren die Machtmittel der damaligen Weltvölker. In ihnen verkör»

1

Kap. 1 4 , 3 .2 Kap. 1 4 , 4 .

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perte sich ihr Ruhm, ihre Stärke und ihre Sicherheit. Und es war das

Verhängnis Israels geworden, daß es sich besonders seit Salomo auf

denselben Boden begeben1. Israel als kleiner Prophet wollte reiten

wie Ägypten als Weltmacht. Gott hatte sich aber seinen Erstgebore*

nen nicht aus Ägypten gerufen, um durch dessen Militärmacht die

Welt zu knechten, sondern um durch seinen Dienst den Völkern das

Gesetz zu geben. Nicht einen Propheten politischer Machtentfaltung,

einen Propheten seiner Offenbarung brauchte Gott zum Heil der

Völkerwelt.

„Und nickt wollen Wir sagen zum Werk unserer Hände: Unser

Gott!" Das war die dritte große Volksschuld gewesen. In den Stier=

bildern, die man sich für die Altäre als Symbol der Gottheit geschaf*

fen hatte, war nicht weniger stark als im öffentlichen Leben zum

Ausdruck gekommen, wie wenig Israel bekannt war mit Gott. Es

verehrte Gott in seinen einzelnen Wirkungen als Idee der Macht,

aber nicht als heilige Persönlichkeit, die durch kein menschliches

Symbol erfaßt werden kann. Diese Symbole waren dem Volke zuGötzen geworden. So gewann das Werk der eigenen Hände im

religiösen Leben Israels mehr Realität als die Wirklichkeit des leben*

digen Gottes.

Wo der große Fall des Volkes sich zum Gericht ausgewirkt hatte,

da mußte mithin auch die große Wendung, die Bekehrung des Volkes

erfolgen. Jedoch keine Erlösung durch den Menschen, sondern alleindurch Gott. „Denn durch dich findet die Waise Erbarmen2." Keine

Gleichstellung mit den Weltvölkern, sondern das Dankopfer der

Lippen zum Zeugnis für die Nationen. Und keine Götzen als Mach=

werk menschlicher Hände, sondern die Anbetung der ewigen Maje=

stät im Geist und in der Wahrheit. Diese große Wendung gibt Hosea

seinem Volke als Hoffnung in die Nacht seines Exils mit.

b) Die Macht gö t t l i ch er Verg eb ung

„Ich will ihren Abfall heilen, will sie aus freien Stücken lieben.

Ich will wie der Tau für Israel sein; es wird sprossen wie eine Lilie,

und seine Wurzelschossen werden sich ausbreiten wie der Libanon;

1 5. Mose 1 7 , 1 6 ; 1. Kön. 10,28.2 Kap. 14,4.

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es werden sich erstrecken seine Zweige, und seine Pracht wird wiedie eines Ölbaums und sein Geruch wie der des Libanon sein1."

Das ist die Macht göttlicher Vergebung in ihrer erlösenden und

wiederherstellenden Aktivität. Sie erscheint in Arnos und Hosea zu-nächst nur wie eine große verheißungsvolle Morgendämmerung. Siespricht noch nicht von einem kommenden Gesalbten, von einemleidenden Gottesknecht, von einer klar umrissenen Weltmonarchie,in der Gerechtigkeit und Friede sich küssen und die Völker von derErkenntnis des Herrn bedeckt sein werden, wie Meereswogen den

Meeresgrund bedecken. Die Hoffnung bleibt zunächst auf die Wie=deraufrichtung Israels zu einem Königreich Gottes beschränkt. DasMessianische und Heilsgeschichtliche im neutestamentlichen Lichtevermochten erst spätere Propheten in ihrer Fernschau der Welt zukünden.

Aber die Liebe in der Macht der Vergebung, welche die Quellealler heilsgeschichtlichen Offenbarung bis zur Vollendung einerneuen Gottesschöpfung sein wird, tritt auch schon in Hoseas Erwar=tung in ihrer großen Aktivität hervor. Denn Vergebung ist bei Gottunendlich mehr als nur innerlicher Ausdruck der Gesinnung, sie istpraktisches Eingreifen in den Zustand der Gerichteten, erlösendeAktivität zum Heil einer erstorbenen Exilgemeinde. „Ich will ihrenAbfall heilen, ich werde für Israel wie der Tau sein, ich erhöre ihnund blicke ihn an, ich gleiche einer immergrünenden Zypresse, vonmir wird deine Frucht kommen." Das ist erlösende Gottesaktivität,auf Grund derer allein jene neuen Segnungen geschichtliche Wirk»lichkeit werden können, die Israels Heil in der Zukunft ausmachenwerden.

„Ich will ihren Abfall heilen", das bedeutet einen Eingriff in das

innerste Sein Israels, ein Erfassen des ganzen Geisteslebens des Vol»kes. Der Innenmensch m uß neu w erden, w enn der ganze V olkskörperin Zukunft gesund werden soll. Daher kann die Auferstehung derTotengebeine nach Hesekiels Botschaft auch erst erfolgen, wenn derGeist Gottes über die Erstorbenen weht. Dieser Grundzug, daß Er=lösung nur in Verbindung mit einer göttlichen Geistesmitteilung

kommen kann, zieht sich daher durch die ganze alt= und neutesta=* Kap. 14 ,5-7 .

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mendiche Heilsgeschichte und Eschatologie hindurch. Der kommendeErlöser des Volkes kann nach den Propheten nur der mit dem GeistGesalbte, nur der in der Vollmacht Gottes Handelnde sein. DerAbfall zu den Göttern und Götzen der Nationen wird erst dannüberwunden, wenn das neue Verhältnis des Volkes zur Welt Gotteserst nicht mehr ein religiöses und kultisches ist, sondern die geist=liehe Frucht jener neuen Gemeinschaft, deren Grundlage die schöpfferischen Wirkungen des Geistes sind.

„lai werde für Israel wie der Tau sein." In diesem Bilde sprichtweniger das Schöpferische: der Geist, sondern das Erquickende: der

Morgentau. Es setzt Erdreich und Frucht bereits voraus. Beides kannjedoch unter der Dürre und unter den Glutwinden des Ostens leiden,eine in Palästina so bekannte Erscheinung. Aber wie im Sommer dervom Mittelmeer in solcher Stärke auftretende Morgentau das ganzeLand mit seinem Wachstum täglich erquickt, so will Gott Israel er»quicken, und zwar durch sein Zelten in seiner Mitte und durch das

Wort seines Mundes. Seine Gegenwart und seine Offenbarung wer=den der nie versagende Quell sein, aus dem das Geistesleben Israelsfür sein Schaffen und Dienen immer wieder neue Kraft gewinnt.

Was wird Ephraim dann noch weiter nach Götzen fragen, wennes mit seiner Innenwelt und mit seinem neuen Volksleben wirklichbis zu G ott selbst gekom m en ist? Ist ihm doch erst jetzt aufgegangen,

daß das wahre Wesen des Reiches Gottes Geistesgemeinschaft ist.Eine Geistes* und Glaubensgemeinschaft, wo der Mensch in seinenHandlungen sich gesegnet sieht, aber allein von Gott, „lai will ihmeine immergrüne Zypresse sein." Unter deren tiefem Schatten sollIsrael in der Gluthitze Ruhe und Erquickung finden. Und infolge dergöttlichen Segnungen wird das Leben und der Dienst des Volkes

nicht unfruchtbar sein.Solch ein lebendiges Verhältnis Gottes zum Volk und solch ein

positives Verhältnis des Volkes zu Gott müssen alsdann zu jenemneuen Volksleben führen, wie Hosea es in seinen vielen Bildernschildert. Sie sind alle aus der Heimat seines Volkes genommen:Lilie, Ölbaum, Weinstock, Geruch des Libanon, alles Gleichnisse

jenes reichen Wachstums, Blühens und Fruchttragens, zu denen dasLand fähig ist, wenn der Segen von oben auf ihm ruhen kann.

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Handbuch zur Bibel

Herausgegeben von P. und D. Alexander

680 Seiten, Paperbackdurchgehend vierfarbig illustriert

Das Buch enthält unter anderem: Eine Kurzerklärung aller biblischen Bücher auf

insgesamt 543 Seiten.

60 Sonderartikel beantworten kurz und zuverlässig grundlegende Fragen desBibelinteressierten. Behandelt werden die Themen: außerbiblische Schöpfungsbe-richte, das Opfersystem des Alten Testaments, alttestamentliche Feste, die Tempeldes Alten Bundes, die Jungfrauengeburt, die Auferstehungsberichte, die apokalypti-schen Schriften und vieles andere.

437 Fotos, davon 363 vierfarbig, lassen die Welt der Bibel greifbar vor uns erstehen:Landschaften und Menschen, Tiere und Pflanzen. Alltagsleben und archäologischeFunde in Palästina.

68 Karten zeigen, wo sich die biblischen Ereignisse abgespielt haben. Sie bietenGesamtüberblicke über bestimmte politische Situationen und Bewegungen odergreifen die Schauplätze bestimmter Begebenheiten heraus.

20 graphische Übersich ten und Tafeln lassen den Ablauf der biblischen Geschichte

sichtbar werden und geben Überblick, z. B. über die Maße und Gewichte derbiblischen Zeit, die antiken Kalender, die verschiedenen Bibelübersetzungen etc.

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Eine verständliche Einführung in das Alte Testamentauf neustem Stand

W. S. LaSor / D. A. Hubbard / F. W. BushÜbersetzt und herausgegeben von Helmuth Egelkraut

Das Alte Testament -Entstehung, Geschichte, Botschaft

880 Seiten. Fester Einband

Ein unentbehrliches Studienbuch, das gründlich und ausführlich in das AlteTestament einführt, dessen Um welt und Geschichte beleuchtet, auf viele Fragen undProbleme eingeht, aber allgemeinverständlich geschrieben ist.

Die Bücher des Alten Testaments werden in der Reihenfolge der hebräischen Bibel

besprochen: sein Aufbau und sein Inhalt, die historischen Zusammenhänge undseine Entstehung, die theologische Bedeutung des Buches und - wo angebracht -seine zentrale Person.

In glücklicher Weise verbindet diese Einführung in das Alte Testament Fragen derEinleitung, der Bibelkunde, der Geschichte Israels und der alttestamentlichenTheologie. Einzelfragen und schwierige Stellen werden besprochen und diskutiert.Zu jedem Kapitel gibt es Hinweise auf weiterführende und ergänzende Literatur für

den, der sich noch weiter informieren will.

Ein Buch, das zuverlässige Bibelkenntnis vermitteln will. Es setzt sich gewissenhaftsowohl mit allen bedeutenden liberalen als auch konservativen theologischenPositionen auseinander und arbeitete sie auf. Die Autoren sind bemüht, zu einemausgewogenen Urteil zu kommen, das nicht über die Selbstaussagen der alttesta-mentlichen Bücher hinausgeht.

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D A S LEBENDIGE W O R T

Diese Auslegungsreihe will die heilsgeschichtlichen Zu-sammenhänge und die Lebensprinzipien des Alten Testa-ments für den Bibelleser heute aufschließen und verständ-lich machen.Bei den meisten alttestamentlichen Texten wird dabei vers-

weise und unter Benutzung einer eigenen Übersetzung ausdem Grundtext vorgegangen. Das erleichtert den Gebrauchder Auslegungsreihe für den Mitarbeiter im Verkündigungs-dienst. Andere biblische Bücher werden stärker im Über-

blick und mit Hinweis auf die geschichtliche Situation derUmwelt dargestellt.