Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2012 · Mit: Fátima Mello* (FASE, Brasilien);...

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Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2012 Digitale Demokratie N eue Partei – alte Probleme Marina Weisband im Gespräch mit Ralf Fücks über die Perspektiven der Piraten 8 The new Clash of Culture Wolfgang Kleinwächter über den Kompromisszwang der Internet-Regierung 14 Die neue Unübersichtlichkeit Christoph Kappes über den Reiz glokaler Öffentlichkeit im Internet 24

Transcript of Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2012 · Mit: Fátima Mello* (FASE, Brasilien);...

Das Magazin der Heinrich-Boumlll-Stiftung Ausgabe 2 2012

Digitale Demokratie

N eue Partei ndash alte Probleme Marina Weisband im Gespraumlch mit Ralf Fuumlcks uumlber die Perspektiven der Piraten

8 The new Clash of Culture Wolfgang Kleinwaumlchter uumlber den Kompromisszwang der Internet-Regierung

14 Die neue Unuumlbersichtlichkeit Christoph Kappes uumlber den Reiz glokaler Oumlffentlichkeit im Internet

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BoumlllThema 22012

Der besondere Tipp

Konferenzen

Europas gemeinsame Zukunft

DiMi 25ndash26 September 2012 Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Mit Roger Bootle (Capital Economics London) Anna Visvizi (American College of Greece Athen) Karine Berger (Abgeordnete der Nationalver-sammlung Parti socialiste Paris) Aitor Tinoco i Girona (Bewegung Democracia Real Ya Madrid) Lai Hairong (China Center for Overseas Social and Philosophical Theories Peking) ua

Hochinklusiv Zusammenhalt einer vielfaumlltigen Gesellschaft

Sa 20 Oktober 2012 1030ndash1730 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Mit Frank Bsirske (Vorsitzender von verdi) Prof Dr Heinz Bude (Uni Kassel) Dr Naika Foroutan (DeutschPlus Humboldt-Universitaumlt Berlin) uvaAnmeldung ab September unter wwwboellde

Gruumlne Lateinamerika-Konferenz

Otra alianza es posible ndash eine andere Partner-schaft ist moumlglich

Sa 10 November 2012 930ndash1815 Uhr Deutscher Bundestag Paul-Loumlbe-Haus

Mit Faacutetima Mello (FASE Brasilien) Oscar Rivas (ehem Umweltminister Paraguay) Ska Keller (MdEP) Barbara Lochbiehler (MdEP) ua

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Demokratie und Sicherheit im Nahen Osten Wie antworten Deutschland und die EU auf die Umwaumllzungen im arabischen Raum

DoFr 8ndash9 November 2012 Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

13 Auszligenpolitische Jahrestagung mit Hossam Bahgat (Aumlgypten) Mehran Kamrava (Qatar) Andreas Reinicke (EU-Sonderbeauftragter) Soli Oumlzel (Tuumlrkei) Oded Eran (Israel) Tamara Cofman Wittes (USA) Franziska Brantner (Europaparla-ment) Doreen Khoury (Syrien) Sylke Tempel (Berlin) Claire Beaugrand (Bruumlssel) ua

Publikationen

Rechtspopulismus in Europa

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung in Zusam-menarbeit mit Green European Foundation Gruumlne Bildungswerkstatt und Bureau de Helling im planetVerlag Wien 2012 222 Seiten 18ndash Euro ISBN 978-3-902555-32-8

Gute NachrichtenWie Frauen und Maumlnner weltweit Kriege beenden und die Umwelt retten

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Ute ScheubBerlin 2012 ca 176 Seiten ISBN 978-3-86928-092-9

International Resource Politics

New challenges demanding new governance approaches for a green economy

Edited by the Heinrich Boumlll Foundation in coope-ration with Wuppertal Institut Berlin 2012 96 pages

Dossiers und Blogs

wwwboelldeeuropas-gemeinsame-zukunft Dossier zur Debatte uumlber die richtigen Wege aus der Krise

eurocrisisboellblogorg ndash englischsprachiges Blog mit Analysen und Beitraumlgen zur Eurokrise

Focus on Hungary ndash englischsprachiges Dossier uumlber die Situation in Ungarn nach der Regierungs-uumlbernahme der Rechtspopulisten im Jahr 2010

wwwboelldehochinklusiv ndash hochinklusiv Zusammenhalt einer vielfaumlltigen Gesellschaft Veranstaltungen Tagungen Dossiers und Bei-traumlge zum Thema Inklusion

Preisverleihungen

Verleihung des jj-Reportagepreises

Sa 6 Oktober 2012 1900 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Jungejournalistende hat in Kooperation mit sued-deutschede und der Heinrich-Boumlll-Stiftung einen Reportagepreis fuumlr Nachwuchsjournalisten ausge-schrieben Die Reportagen der drei Preistraumlger werden auf sueddeutschede veroumlffentlicht

Petra-Kelly-Preis an Ales Bialiatski

Do 22 November 2012 18 ndash 21 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Bialiatski ist Mitbegruumlnder und Vorsitzender der belarussischen Menschenrechtsorganisation laquoViasna raquo und befindet sich derzeit in Belarus in politischer Gefangenschaft

Hannah Arendt-Preis an Yfaat Weiss

Fr 7 Dezember 2012 18ndash21 Uhr Rathaus Bremen

Yfaat Weiss ist Historikerin an der Hebraumlischen Universitaumlt in Jerusalem Termine ihrer Lesereise 8 November 2012 Juumldisches Museum Berlin12 November 2012 Juumldisches Museum Frankfurt

Theaterproduktion

Ansichten eines Clowns

Eine Inszenierung des Theaters 89 782122272829 Dezember 2012 jeweils 20 Uhr

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung Karten unter 030 282 46 56

Die Stiftung in Sozialen Netzwerken

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist in verschiedenen Sozialen Netzwerken aktiv

Werden Sie Freund oder Freundin der Stiftung auf Facebook unter wwwboellde facebook sehen Sie Filme und Videos bei YouTube (www boellde youtube) Bilder bei Flickr (wwwflickr com photos boellstiftung) houmlren Sie unsere Audiofiles (wwwsoundcloudcomboellstiftung) oder verfolgen Sie die aktuellen Nachrichten der Stiftung uumlber den Kurznachrichtendienst Twitter unter wwwtwittercom boell_ stiftung Wie immer bieten diese Netzwerke einen Ruumlckkanal uumlber den Sie mit uns in Kontakt treten koumlnnen

Impressum

Herausgeberin Heinrich-Boumlll-Stiftung eV Schumannstraszlige 8 10117 Berlin T 030 ndash 2 85 34 ndash 0 F 030 ndash 2 85 34 ndash 109 E themaboellde W wwwboellde thema

Redaktion Dieter Rulff

Redaktionsassistenz Susanne Dittrich

Mitarbeit Ralf Fuumlcks Michael Stognienko Annette Maennel (ViSdP)

Art Direktion Blotto Design Berlin wwwblottodesignde

Illustrationen und Umschlag Martin Nicolausson wwwmartinnicolaussoncom

Druck agit-Druck Berlin

Papier Inhalt Envirotop 100gm2 matt hochweiszlig Recyclingpapier aus 100 Altpapier Umschlag Clarosilk 200gm2

Bezugsbedingungen zu bestellen bei oben genannter Adresse

Die einzelnen Beitraumlge stehen unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND 30

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Auf dem Weg zur digitalen Demokratie

Das Internet revolutioniert die Welt Klingt bombastisch ist aber nicht verkehrt Jede Zeit hat ihre Leittechnologie die Wirtschaft Alltagsleben und Politik tiefgreifend veraumlndert

Das galt fuumlr die Dampfmaschine und die Eisenbahn fuumlr die Elektrifizierung und die Chemie fuumlr das Automobil und das Fernsehen Heute trifft es fuumlr das Internet zu ndash und morgen hoffentlich fuumlr die Solarenergie

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Lange Zeit hatte die Oumlffentlichkeit eher die wirtschaftlichen Auswirkungen der modernen Informations- und Kommunikationsmedien im Blick Sie haben die Buumlroarbeit ebenso gruumlndlich veraumlndert wie die industrielle Produktion Weltweite Produktions- und Logistikketten werden uumlber das Internet gesteuert Auch die Volatilitaumlt der Finanzmaumlrkte wurde durch die moderne Computertechnik verstaumlrkt Rechnergestuumltzte weltweit vernetzte Programme haben Volumen und Geschwindigkeit von Finanztransaktionen in ungekannte Dimensionen katapultiert

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Der Siegeszug der laquo sozialen Medien raquo ndash Blogs Facebook Twitter amp Co ndash hat die politische Dimension der digitalen Revolution staumlrker ins Blickfeld geruumlckt Sie steht auch im Mittelpunkt dieser Ausgabe von BoumlllThema Die politischen Implikationen digitaler Medien sind ambivalent Sie erweitern das Arsenal staatlicher Uumlberwachung und Repression und sie koumlnnen zum Verstaumlrker sozialer Bewegungen und demokratischer Opposition werden Der Verfasser dieser Zeilen neigt mit den meisten Autoren dieses Hefts dazu das demokratische Potenzial des Internets houmlher zu bewerten

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Blogs Facebook Twitter und YouTube loumlsen keine Revolutionen aus aber sie koumlnnen gerade in autoritaumlren Staaten zur Plattform fuumlr zivilen Protest und politische Mobilisierung werden wie zuletzt die laquo Arabellion raquo gezeigt hat Hierzulande eroumlffnen digitale Medien neue Moumlglichkeiten der Buumlrgerbeteiligung Im Netz ist potenziell jede und jeder zugleich Produzent und Rezipient von Nachrichten Planungsunterlagen koumlnnen oumlffentlich gemacht Haushaltsentwuumlrfe vorab diskutiert und Volksentscheide organisiert werden Entscheidend ist dass digitale Medien zu einer Verbreiterung und Vertiefung politischer Oumlffentlichkeit beitragen statt ihre Parzellierung und Verflachung zu befoumlrdern Wenn sich nur noch Gleichgesinnte in ihrer Haltung bestaumltigen und jede abweichende Position einen laquo Shitstorm raquo ausloumlst ist das kein Zugewinn an politischer Kultur

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Fuumlr die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist dieses Heft keine Eintagsfliege das Thema wird in der kommenden Ausgabe eine Fortsetzung finden Es ist eingebettet in unsere netzpolitischen Aktivitaumlten im In- und Ausland Wir laden alle ein sich an dieser Debatte zu beteiligen

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Ralf Fuumlcks Mitglied des Vorstands der Heinrich-Boumlll-Stiftung

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1 Auf dem Weg zur digitalen Demokratie Editorial emspvon emspRalf emspFuumlcks

Digitale DemokratieDigitale Demokratie 3 Politik braucht eine neue Kultur der

Verknuumlpfung mdash Essay von Christoph Bieber

7 E-Democracy = estnische Demokratie Von Manuel Kripp

8 Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen sicher sein mdash Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband emsp

12 Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen mdash Von Felix Kolb

13 Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen mdash Rebecca MacKinnon interviewt von David Pachali

14 Clash of Cultures im Cyberspace mdash Essay von Wolfgang Kleinwaumlchter

18 laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo mdash Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

20 laquo Die Feinde des Internets und ihre Opfer raquo

23 Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern Von Konstantin von Notz

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit 24 Die neue Unuumlbersichtlichkeit des Internets

Essay von Christoph Kappes

27 Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts mdash Von Katrin Roumlnicke

Digitale KDigitale Kulturultur 28 laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende

Wollmilchsau raquo mdash Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz (Chaos Computer Club) und Konstantin von Notz (Gruumlne) moderiert von Carsten Werner

Digitale OumlkonomieDigitale Oumlkonomie 32 Die Versuchungen von Big Data

Essay von Jeanette Hofmann

34 Die Antwort auf Big Data lautet Open Data Essay von Jan Schallaboumlck

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag 36 Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

Eine Betrachtung von Annette Maennel emsp

rarrrarr 118 8 Die Kuumlnstlerin und Bloggerin Sondos Shabayek (Aumlgypten) uumlber Twitter und die Ereignisse auf dem Tahrir Platz

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InhaltInhalt 3 Digitale Demokratie 24 Digitale

Oumlffentlichkeit 28 Digitale Kultur 32 Digitale Oumlkonomie 36 Mein digitaler Alltag

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Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung

Von Christoph Bieber

Die Debatte um die Chancen (und Grenzen) digitaler Partizipation hat in den letzten Jahren deutlich Fahrt aufgenommen ndash in der Ruumlckschau lassen sich in einer internashytionalen Perspektive der laquoObama-Effektraquo

im US-Wahlkampf 2008 und in Deutschland die Ausshyeinandersetzung um die Einfuumlhrung von Netzsperren im Fruumlhjahr 2009 als wichtige Wegmarken fuumlr die weiteren Entwicklungen benennen Die hierzulande unter dem Schlagwort laquoZensursularaquo bekannt geworshydene Episode ist dabei eine von mehreren Schockshysituationen die das politische System ganz offenbar benoumltigt hat um sich mit der wachsenden Bedeushytung der digitalen interaktiven Kommunikationsumshygebung des Internets zu beschaumlftigen Im Sommer 2010 waren es dann die WikiLeaks-Enthuumlllungen die Politikern und Journalisten vor Augen fuumlhrten dass sich Konfigurationen politischer Oumlffentlichkeiten in einem grundlegenden Wandel befinden Und wieder ein Jahr spaumlter im Herbst 2011 sorgten zunaumlchst die Affaumlre um den Bundestrojaner eine im Staatsauftrag entwickelte Spionagesoftware und bald darauf die

Wahlerfolge der Piratenpartei fuumlr weitere Erschuumltteshyrungen im analogen Zentrum der Macht

Den laquoDigitalschocksraquo ist trotz ihrer verschiedenen Kontexte eines gemein Sie verweisen jeweils auf neuartige Beteiligungsmoumlglichkeiten am politischen Prozess ndash sei es uumlber kampagnenorientierte Echt shyzeitkommunikation die Kollaboration auf Leaking-Plattformen das Dabeisein in einer auf Mitmachen gepolten Parteiorganisation oder die Programmieshyrung unfreundlich-interaktiver Software Die ausshyfuumlhrliche Systematisierung dieser Entwicklungen hat gerade erst begonnen denn aumlhnlich wie die Politik steht auch die Wissenschaft angesichts der enormen Dynamik und Vielschichtigkeit der Phaumlnomene unter Schock ndash es fehlen nicht nur geeignete Methoden und neue Werkzeuge fuumlr eine akademische Analyse auch in theoretischer Hinsicht bestehen noch gravieshyrende Defizite Waumlhrend sich die Politikwissenschaft gerade erst muumlhsam an die Massenmediendemokra shytie des Fernsehzeitalters herangearbeitet hat (und mit der Postdemokratie ein Konzept umwaumllzt das schon wieder seltsam veraltet wirkt)

DIGITDIGITAL-ALshy SCHOCKSCHOCKSS

2008 Obamas Facebook-

Wahlkampf

2009 Ursula van der Leyens

Netzsperre

2010 WikiLeaks veroumlffentlicht

Videos uumlber einen Luftangriff des US-Militaumlrs in Bagdhad bei dem u a 2 Journalisten

getoumltet werden

2011 Die Piratenpartei erreicht 89 der Stimmen bei der Wahl zum

Berliner Abgeordnetenhaus

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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sortieren Medien- und Kommunikationswissenschaft die Theorie-Schubladen neu (wo hatten wir gleich nochmal den McLuhan hingelegt)

In der Uumlbergangsphase zwischen fernsehorien shytierter Mediendemokratie hin zur internetbasierten Beteiligungsdemokratie geraumlt vor allem die Kategoshyrie des Publikums in den Blick Bislang realisieren nur wenige Untersuchungszusammenhaumlnge diesen Entwicklungsschritt der gerade auch in einer polishytik- und demokratiewissenschaftlichen Perspektive ebenso relevant wie zeitgemaumlszlig erscheint Waumlh shyrend sich in der medialen Dimension vor allem die Zuschauerposition radikal wandelt und laumlngst nicht mehr als passive Konsumentenrolle modelliert wirdist es in der politischen Dimension die Gestalt des Buumlrgers die mit staumlrkeren Beteiligungsrechten (und -pflichten) ausgestattet werden kann laquoDie Couch-Potato hat sich vom Sofa erhobenraquo formuliert der Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig und skizshy

ziert so den Uumlbergang von der laquoNur-Lese-Kulturraquo des Fernsehens zur laquoLeseSchreibe-Kulturraquo der digitalen Medien

Oft wird die neue Beteiligungsmacht dieser aktiv gewordenen Couch-Potatoes belaumlchelt oder gleich ganz ignoriert ndash zumindest so lange bis die naumlchste Schocktherapie anschlaumlgt und politische Akteure (dann meist schmerzhaft) an die Existenz des Politikshyraums Internet erinnert

Vier Vektoren der Digitalisierung der Politik Ganz grob bestimmen seit dem Jahr 2008 vier Vektoshyren die nachholende Digitalisierung der Politik das Aufkommen sozialer Netzwerke als vernetzte Oumlffent shylichkeiten die Erfahrungen mit den Formaten der Echtzeitkommunikation die Nutzung von Online-Plattformen zur digitalen Kollaboration sowie die wachsende Bedeutung von Code als Machtressource

1 Der Siegeszug der sozialen Netzwerke Nicht erst der Boumlrsengang von Facebook im Fruumlhjahr 2012 dokumentiert den enormen Siegeszug der sozialen Netzwerke in den vergangenen vier Jahren Zur Erinnerung Als im Vorfeld der US-Praumlsidentschaftswahl Barack Obama die Netzwerkstrukturen auf seine Wahlkampfkommunikation uumlbertrug dominierten in Deutschland noch die Angebote der VZ-Gruppe und Facebook duumlmpelte bei weniger als vier Millionen Nutzern vor sich hin Inzwischen haben weltweit mehr als 850 Millionen Menschen eigene Profilseiten angelegt Zur Zeit der Programmierung der ersten Facebook-Plattform im Jahr 2004 war dies in etwa die Gesamtnutzerzahl des Internets Auch in Deutschland ist Facebook laumlngst das dominierende Online-Netzwerk geworden die Zahl der hierzulande angelegten Profile betrug laut allfacebookde im Juli 2012 stattliche 237 Millionen Die laquo Massenmedialisierung raquo der sozialen Netzwerke ist nicht allein auf Facebook beschraumlnkt auch YouTube Twitter und andere Spielarten dieses Online-Genres erfreuen sich groszliger Beliebtheit Angesichts dieser Entwicklung erscheint es nur logisch dass sich politische Akteure zunehmend mit dieser neuen kommunikativen Arena auseinandersetzen Doch nur die wenigsten politischen Netzwerker realisieren die besonderen Probleme die daraus in Deutschland resultieren ndash die Oumlffnung hin zu Freunden Fans und Followern wirkt stets auch auf die schon vorhandenen analogen sozialen Netzwerke zuruumlck Und das sind in der deutschen Parteiendemokratie in erster Linie die Mitgliederorganisationen der Parteien ndash erkennbar wird hier ein besonderes Dilemma fuumlr die vernetzten Politiker Sie koumlnnen sich zwar individuell neue laquo persoumlnliche Oumlffentlichkeiten raquo (Jan Schmidt) erschlieszligen loumlsen damit aber zugleich nicht selten unmittelbare Konkurrenzverhaumlltnisse mit den bereits bestehenden Netzwerken aus Auf die Frage wie sich diese Segmente produktiv miteinander verschraumlnken lassen

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uarr Digitale Alter Ego im Kampagnenmotiv der franzoumlsischen NGO La Quadrature du Net Dass mit ACTA ein netzspezifisches Thema gezeigt hat was an digitaler transnationaler europaumlischer Oumlffentlichkeit moumlglich ist duumlrfte auch NGOs im nicht-digitalen Sektor befluumlgelt haben (Lizenz CC-BY-SA)

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laquolaquo Die verDie vergangenen vier Jahregangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wiehaben gezeigt dass es so etwas wie lsaquolsaquo SchnittstellenSchnittstellen rsaquo braucht die digitalersaquo braucht die digitale

PPolitikprozesse undolitikprozesse und -innovationen mit-innovationen mit den traditionell (und richtigerweise)den traditionell (und richtigerweise)

langsameren Rlangsameren Routinen des politischenoutinen des politischen AlltagsgeschaumlftsAlltagsgeschaumlfts verkoppelnverkoppeln raquoraquo

sind bislang noch kaum uumlberzeugende Antworten gefunden worden

2 Die Effekte der Echzeitkommunikation Die Effekte der laquo politischen Echtzeitkommunikation raquo wurden in Deutschland lange Zeit belaumlchelt ndash doch trotz des hierzulande schlechten Images des weltweit houmlchst erfolgreichen Kurzmitteilungsservice Twitter haben sich Politiker recht fruumlh auf das Format eingelassen Dass man via Twitter weit mehr als nur laquo 140 Zeichen heiszlige Luft raquo (FAZ) verbreiten kann haben zuletzt zahlreiche parlamentarische Spitzenakteure bewiesen den vielleicht groumlszligten Beitrag zur Salonreife hat mit RegSprecher jedoch ein institutioneller Twitterer geliefert Die professionelle und dem knappen dialogischen Format angemessene Form macht deutlich dass hier ein neuer Distributionskanal entstanden ist den politische Akteure sehr produktiv in die alltaumlgliche Vermittlungsarbeit integrieren koumlnnen Dabei umgehen sie mitunter die klassischen Vertriebswege des politischen Journalismus und erreichen ihre Zielpublika direkt ndash ein weiteres Beispiel fuumlr die Entstehung neuer vernetzter Oumlffentlichkeiten Allmaumlhlich zeichnet sich in der parlamentarischen Twitter-Nutzung eine zweite Neuerung ab bisweilen erhalten die Kurzdialoge den Charakter einer laquo Branchenkommunikation raquo wenn die Politiker innerhalb der eigenen Partei aber auch quer zu den Fraktionsgrenzen miteinander ins Gespraumlch kommen Dass sich dadurch die Kommunikationsarena des Parlaments veraumlndern kann hat etwa die Debatte im hessischen Landtag gezeigt Dort erlaubte der Aumlltestenrat nach einer internen Kontroverse das Twittern von der Besuchergalerie Damit erhaumllt nun auch der interessierte Buumlrger die Moumlglichkeit sich in die parlamentarische Parallelkommunikation einzuschalten ndash das bezeugt die allmaumlhliche Anerkennung des Veraumlnderungsdrucks medialer Innovationen im Politikbetrieb

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3 Die Moumlglichkeiten der digitalen Kollaboration Die Moumlglichkeiten einer dezentralen uumlber multi- oder monothematische Plattformen organisierten digitalen Kollaboration koumlnnen als weitere Triebfeder der politischen Digitalisierung verstanden werdenAls Prototyp gilt hier sicher die Online-Enzyklopaumldie Wikipedia doch zuletzt haben auch explizit politische Plattformen als Partizipationsangebote reuumlssiert Selbst wenn WikiLeaks als Enthuumlllungsplattform den offenen dezentralen Arbeitsmodus zu Gunsten einer staumlrker laquo sendeorientierten raquo Arbeitsteilung mit prominenten Medienvertretern aufgegeben hat gilt die Website in ihrer urspruumlnglichen Version als Wegbereiter fuumlr eine ganze Reihe von Transparenzakteuren In Deutschland haben insbesondere die Aktivitaumlten des laquo GuttenPlag Wiki raquo die Funktionsweise der Online-Kollaboration illustriert Die dort entstandene Datensammlung fungierte nach auszligen als Informations

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plattform und wirkte gleichzeitig identitaumltsstiftend im Gruppenzusammenhang der Aktiven Die groszlige Produktivkraft solch niedrigschwelliger Mitmach-Angebote zeigt sich auch entlang des Piratenwiki Es ist weit mehr als nur eine willkuumlrlich zusammengetragene Sammlung von Informationen uumlber die Piratenpartei Es uumlbernimmt auszligerdem die Rolle der Planungszentrale fuumlr Parteiversammlungen bietet Orientierung fuumlr Neumitglieder und dokumentiert die unterschiedlichsten Parteiaktivitaumlten Anders als die digitalen Parteizentralen der uumlbrigen Parteien bleibt die Gestaltung dieser strategischen Ressource damit in den Haumlnden der Mitglieder und Unterstuumltzer und eroumlffnet so neue digitale Beteiligungsmoumlglichkeiten an der innerparteilichen Kommunikation und Organisation

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4 Der Einsatz von Code Waumlhrend die vorgenannten Digitalisierungsprozesse noch einen starken politischen Akteurs- oder Prozessbezug aufweisen laumlsst sich auch eine vierte weniger sichtbare Ebene ausmachen die gewissermaszligen laquo hinter raquo den verschiedenen Phaumlnomenen liegt Gerne uumlbersehen wird naumlmlich dass politische Beteiligungsinnovationen auf den kenntnisreichen Einsatz von Code zuruumlckzufuumlhren sind Das Programmieren neuer Demokratie-Anwendungen ist andernorts weit verbreitet ndash mit dem W ettbewerb laquo Apps for Democracy raquo (USA) oder dem Daten-Portal datagov uk (Groszligbritannien) existieren bereits Leuchtturm-Projekte deren Uumlbertragung nach Deutschland als vorerst gescheitert gelten kann Die gesellschaftliche Bedeutung dieser neuen produktions- und nicht rezeptionsorientierten Form von Medienkompetenz ist hierzulande noch kaum angekommen ndash der US-amerikanische Medientheoretiker Douglas Rushkoff bemuumlht angesichts der wachsenden Bedeutung von Code als Kulturgut eine drastische Sprache laquo Programmiert selbst ndash oder ihr werdet programmiert werden raquo Allerdings haben zuletzt auch in Deutschland einige softwareorientierte Projekte diese ebenso aktuelle wie wichtige Debatte forciert

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6 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

uarr Wer kommuniziert hier mit wem Parteitag der Piraten in Muumlnster 2012

Die innerparteiliche Entscheidungsfindung verschie shydener Gliederungen der Piratenpartei mittels laquoLiquid Feedbackraquo oder die Erweiterung der Enquecircte-Kom shymission laquoInternet und Digitale Gesellschaftraquo um den so genannten laquo18 Sachverstaumlndigenraquo durch die Diskussions- und Bewertungssoftware laquoAdhocracyraquo stellen unter Beweis dass auch in Deutschland polishytisches Innovationspotenzial vorhanden ist Einge shyrahmt von der eher demokratietheoretischen Debatte um laquoLiquid Democracyraquo wecken die politischen Soft shyware-Entwicklungen nun auch das Interesse internashytionaler Beobachter Deren Fokus faumlllt ndash bislang zu Recht ndash auf die Piratenpartei die dem politischen Alltag eine digitale Facette hinzugefuumlgt hat und darin den neuen Normalmodus gesellschaftlicher Beteili shygung erkennen will Die uumlbrigen Mitgliederparteien nehmen den interaktiven Kommunikationsraum des Internets zwar auch nicht mehr als ein voumlllig fremdes wohl aber als ein ungewoumlhnliches Terrain wahr und agieren eher zoumlgerlich

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Digitale Partizipation benoumltigt Schnittstellen zur analogen Welt Ob sich die digitale Schocktherapie schlieszliglich in einem gesellschaftlichen Partizipationsplus auszahlen wird ist laumlngst noch nicht klar Zu ungewiss sind einerseits die Verarbeitungs- und Anpassungskapazitaumlten der politischen Akteure ndash und auf die kommt es immer noch an wenn sich das politische System einer digitalen Beteiligungskur unterziehen soll Die vergangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wie laquo Schnittstellen raquo braucht die digitale Politikprozesse und -innovationen mit den traditionell (und richtigerweise) langsameren Routinen des politischen Alltagsgeschaumlfts verkoppeln Die Obama-Kampagne war ein solches laquo Interface raquo zwischen digitalen und analogen Politikraumlumen die WikiLeaks-

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Entwicklungen ebenfalls Gleiches gilt fuumlr Anonymus oder auch die Occupy-Bewegung In Deutschland haben sich die Piraten zum aktuell wirkmaumlchtigsten Schnittstellenakteur entwickelt sie uumlberlagern inzwischen sogar die Impulse aus der internationalen Online-Welt Bis vor gut einem Jahr brauchte es Julian Assange und die WikiLeaks-Kampagnen um den Begriff der Transparenz auf die politische Agenda zu bringen ndash in Deutschland haben die Piraten diese Aufgabe uumlbernommen Aumlhnliches gilt fuumlr politische Echtzeitkommunikation oder auch die Debatte um die gesellschaftliche Bedeutung von Code

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Es waumlre allerdings geradezu fatal die digitale Modernisierung der Politik als exklusives Piratenpro shyjekt zu verstehen Es ist richtig und konsequent dass sich die anderen Parteien einem laquodigitalen Selbst shytestraquo unterziehen und in mitunter schmerzhaften Identitaumltsfindungsprozessen neue Positionen zu den Themen und Verfahren einer internetorientierten Mediendemokratie ermitteln Mindestens an dieser Stelle ist der Begriff der laquoMitmach-Politikraquo ernst zu nehmen ndash fuumlr die verschiedenen Plattformen der sozi shyalen Medien gibt es keine Anleitung Die Potenziale vernetzter Oumlffentlichkeiten politischer Echtzeitkom shymunikation oder Online-Kollaborationsplattformen erschlieszligen sich vor allem deren Nutzern Es ist an der Zeit dass die Politik die Potenziale des aktiven Publikums erkennt ndash auch und gerade dann wenn dafuumlr ein Wechsel der Perspektive noumltig sein sollte

Prof Christoph Bieber forscht lehrt und publiziert seit Jahren zu Fragen der digitalen Oumlffentlichkeit und Demokratie

7laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das

Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werdenraquowieder gesteigert werdenraquo

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E-Democracy = estnische Demokratie

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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DVon Manuel Kripp

emokratien sind hohen Anforderungen ausgesetzt davon zeugen sinkende Wahlbeteiligungen steigende

Briefwaumlhleranteile sowie der Wunsch der Buumlrger nach haumlufigerer und direkterer Beteiligung bei gleichzeitiger Ortsunabhaumlngigkeit Eine Antwort auf diese Herausforderungen liegt im Einsatz moderner Technologien im Wahlprozess Durch eine Digitalisierung der Demokratie koumlnnen das Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werden

Vorreiter der Entwicklung zum I-Voting war und ist Estland Dort wurde es zum ersten Mal bei der Lokalwahl 2005 praktiziert Die seinerzeitige Internet-Wahlbeteiligung von rund 2 Prozent hat sich bei der Parlamentswahl vom Maumlrz 2011 bereits auf 243 Prozent gesteigert Laut Untersuchungen des European University Institute haumltten 16 Prozent dieser Internet-Waumlhlerinnen und -Waumlhler ihre Stimme nicht abgegeben wenn die Moumlglichkeit der Internetwahl nicht zur Verfuumlgung gestanden haumltte

Die hohe Internet-Wahlbeteiligung ist auch in der ausgepraumlgten E-Governmentstruktur Estlands begruumlndet Ca 95 Prozent der Esten besitzen im Rahmen ihrer nationalen ID-Karte eine digitale Buumlrgerkarte und sind somit in der Lage den uumlberwiegenden Teil ihrer Kommunikation mit den Behoumlrden uumlber das Internet zu fuumlhren

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92 Prozent erledigen ihre Steuererklaumlrung online Firmenanmeldungen koumlnnen ebenso uumlber das Internet abgewickelt werden wie Autoverkaumlufe oder die notarielle Beglaubigung von Dokumenten Daruumlber hinaus bekommt jeder Buumlrger mit der nationalen ID-Karte auch eine estnische E-Mail-Adresse Die elektronische Kommunikation und Interaktion ist zur alltaumlglichen Normalitaumlt der Esten geworden Und das estnische Beispiel findet Nachahmer 2011 fuumlhrten auch Norwegen und die Schweiz und 2012 Frankreich Internetwahlen ein Die Schweiz ist ein sehr interessantes Beispiel denn Internet-Abstimmungen werden schon seit einiger Zeit in gewissen Kantonen angeboten 2011 wurde aber bei einem Bundesreferendum jedem im Ausland lebenden Schweizer in zehn Kantonen die Moumlglichkeit des I-Votings gegeben Auch Frankreich hat bei den Parlamentswahlen 2012 fuumlr im Ausland lebende Waumlhler das Internet eingesetzt Bei beiden Wahlen hielt sich die Wahlbeteiligung noch in Grenzen doch zeigten sich die Nutzungsmoumlglichkeiten fuumlr spezifische Waumlhlergruppen

In Norwegen beteiligten sich 2011 bei einem Pilotprojekt zehn Gemeinden an der Internetwahl dabei wurden ca 25 Prozent der Stimmen digital abgegeben Dieser Erfolg laumlsst sich auf eine offene Diskussion des I-Votings und ein ausgepraumlgtes E-Governmentsystem mit einer mobilen ID zuruumlckfuumlhren Dadurch wurde ein Verifikationsmechanismus moumlglich der jedem Waumlhler eine teilweise Kontrolle des nicht einsehbaren technischen Wahlprozesses gestattete

Im Vergleich zu Laumlndern wie Estland und Norwegen steht Deutschland noch am Anfang Nicht zuletzt das Urteil des BVerfG zum I-Voting ist fuumlr dessen Einfuumlhrung eine hohe Huumlrde Um dem zu genuumlgen ist nicht zuletzt Voraussetzung dass jedem Buumlrger eine digitale Identitaumlt zur Verfuumlgung steht mit der eine sichere rechtsguumlltige digitale Unterschrift moumlglich ist Der neue Personalausweis ist ein erster Schritt in die richtige Richtung jedoch fehlen bisher entsprechende Applikationen und Pilotprojekte Eine moumlgliche Vision koumlnnte der Einsatz von Internetwahlen bei den Sozialwahlen 2017 sein bei denen beispielsweise uumlber die Krankenversichertenkarte die Identifikation sichergestellt werden kann und eine kostenguumlnstige schnelle Alternative zur Briefwahl angeboten wird

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Manuel Kripp ist Geschaumlftsfuumlhrer des Competence Center for Electronic Voting and Participation (wwwe-votingcc)

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Kein Koalitionspartner kann aller Piraten-stimmen sicher sein

Wo die Piraten auf der Rechts-links-Skala zu finden sind was die 90-9-1-Regel besagt wie die repraumlsentative durch die liquide Demokratie ergaumlnzt werden kann und warum die Abgeordneten der Piraten zwar nach ihrem Gewissen entscheiden aber so wie die Basis abstimmen

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Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband

Ralf Fuumlcks Die Piraten haben einen fast maumlrchenhaften Aufstieg erlebt seit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eilen sie von Erfolg zu Erfolg Trotzdem hat man das Gefuumlhl dass sie ihren Zenit schon uumlberschritten haben Sie sind vor allem mit sich selbst beschaumlftigt wirken bei den groszligen politischen Entscheidungen ndash wie weiter mit Europa Griechenland Fiskal-Pakt Energiewende ndash merkwuumlrdig abwesend Wie lange koumlnnen sie sich das leisten Marina Weisband Von den vier Themen die Sie gerade benannt haben beziehen sich drei auf die Euro-Krise Die Piraten haben zu zwei groumlszligeren Themenkomplexen noch kein Grundsatzprogramm das sind die Wirtschafts- und die Auszligenpolitik Das erschwert natuumlrlich das Mitreden in diesen Bereichen Bei beiden werden wir jedoch im November ein Grundsatzprogramm beschlieszligen Bis dahin koumlnnen wir uumlber diese Themen nicht sehr intensiv mitentscheiden Bei anderen hingegen die wir schon in unser Programm aufgenommen haben haben wir auch zur oumlffentlichen Debatte beigetragen Wir haben uns auch zur Energiewende positioniert unsere Anti-Atom-Piraten sind da zu ihrer Houmlchstform aufgelaufen und haben bei saumlmtlichen Demonstrationen mitgewirkt Es ist also gar nicht so dass wir uns voumlllig bedeckt halten

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Fuumlcks Auch wo die Piraten programmatische Aussagen beschlossen haben merkt man davon nicht viel in der oumlffentlichen Debatte Ich mutmaszlige das hat sehr viel mit ihren internen Strukturen zu tun Der Bundesvorstand wird sowohl in der Ausuumlbung seines politischen Mandates als auch finanziell extrem kurzgehalten Er ist im Grunde nicht autorisiert mit authentischen Positionen an der oumlffentlichen Debatte teilzunehmen und politische Initiativen zu ergreifen Kann diese basisdemokratische Weigerung eine professionelle Struktur aufzubauen nicht zum politischen Bumerang werden

Weisband Ich glaube nicht Ihre Auszligenwahrnehmung hat ganz viel damit zu tun dass wir einfach keine professionellen PR-Strukturen haben Wir haben keinerlei Erfahrung in Oumlffentlichkeitsarbeit wir machen das einfach wie es uns gerade einfaumlllt Das bedeutet dass die oumlffentliche Wahrnehmung der Piraten stark davon bestimmt ist was Journalisten uumlber uns erzaumlhlen wollen Immer das was gerade als Story gut ist wird dargestellt zum Positiven wie zum Negativen Auch wenn unser Bundesvorstand eine eigene Meinung sagen durfte wird die nicht abgedruckt

Fuumlcks Aber die Piraten sind doch sehr stark medial praumlsent

Ralf Fuumlcks ist Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Marina Weisband war Bun-desgeschaumlftsfuumlhrerin der Partei laquo Die Piraten raquo

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laquoDurch die Information und dielaquoDurch die Information und die KKommunikation miteinander brauchenommunikation miteinander brauchen

BuumlrBuumlrger weniger Rger weniger Repraumlsentanten sieepraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Vkoumlnnen und sollen mehr Verantwortungerantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundideefuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee

unserer Punserer Partei ist der informierteartei ist der informierte MenschMensch raquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

GespraumlchGespraumlch

Weisband Das ist richtig Aber das heiszligt nicht dass alles was man sagt so auch erscheint Wir haben es natuumlrlich auch uns selbst zuzurechnen dass wir einfach noch nicht so gut darin sind unsere eigenen Themen zu platzieren Aber das werden wir noch lernen

Was den Bundesvorstand betrifft ich wuumlrde mir wirklich nicht wuumlnschen dass er legitimiert ist eine eigene Agenda zu setzen Denn wozu haben wir unsere basisdemokratischen Strukturen wenn ein paar Leute die mehr Macht haben weil ihnen zugehoumlrt wird dadurch ihre eigenen Plaumlne durchpushen koumlnnen Wenn ich als Bundesvorstand sage Ich bin gegen einen Atomausstieg ndash was ich nicht bin aber als Beispiel ndash dann wuumlrde es heiszligen Die Piratenpartei ist gegen den Atomausstieg Und das wuumlrde einfach nicht stimmen

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Fuumlcks Dieses Hohelied auf die Basisdemokratie das imperative Mandat fuumlr Abgeordnete die Ablehnung einer Professionalisierung von Politik zeugt das nicht von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenuumlber Personen die man in verantwortliche Positionen gewaumlhlt hat Sie reduzieren Abgeordnete und Vorstaumlnde auf Funktionaumlre wenn Sie ihnen gar keine Freiheit zubilligen diese Rolle auszufuumlllen

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Weisband Es ist genau das Gegenteil der Fall Wir wollen dass moumlglichst viele moumlglichst viel Freiheit und moumlglichst viel Verantwortung haben und denen vertrauen wir und das ist unsere Parteibasis Wir wollen dass die die Verantwortung tragen dass die das Programm weiterentwickeln dass die fuumlr uns mitsprechen dass die unsere Partei entwickeln Wir wollen kein imperatives Mandat auf keinen Fall Wir sind gerade fuumlr die Gewissensfreiheit der Abgeordneten deshalb sind wir auch gegen Fraktionszwang Aber wir moumlchten dass moumlglichst viel von der Basis aus gemacht wird Das ist das Humane an unserem Modell Wir wollen gerade denen die Verantwortung und das Vertrauen schenken

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Fuumlcks Soweit ich weiszlig beteiligt sich nur ein Bruchteil dieser Basis tatsaumlchlich an der Parteidebatte Wenn eine kleine Minderheit von Aktivisten die im Netz zu Hause sind eine sehr starke Praumlgekraft hat dann ist das doch ein hoch selektiver nicht wirklich repraumlsentativer Prozess

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Weisband Dieser Prozess ist keineswegs selektivweil jeder mitarbeiten kann der will Und in Systemen in denen jeder mitarbeiten kann der willhaben wir eine so genannte 90-9-1-Regel In einem freien System sind 90 Prozent der Mitglieder meistens eher schweigende Zuschauer 9 Prozent sind mittelaktive User und von einem Prozent stammen 90 Prozent des Contents Das erleben wir so in Forendas erleben wir auf jeder Plattform wo man freiwillig mitarbeiten kann Sie werden auch von den Gruumlnen wissen dass die meisten Mitglieder doch inaktiv sind

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Weisband Nein das Verfahren ist einfach nur Teil unseres Inhalts Und unser Inhalt besagt dass unsere Welt sich so weit zu einer Informationsgesellschaft entwickelt hat dass der Mensch besser informiert ist Durch die Information und die Kommunikation miteinander brauchen Buumlrger weniger Repraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Verantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee unserer Partei ist der informierte Mensch

Ein Zehntel wirklich aktiv beteiligter Mitglieder ist so gesehen eine ganz gute Zahl Das Wichtigste ist dass wir keine Huumlrden fuumlr Beteiligung setzen Das heiszligt dass jeder der mitarbeiten will wirklich mitarbeiten kann und das ist eine demokratische Struktur Wir koumlnnen die Menschen ja nicht zur Mitarbeit zwingen

Fuumlcks Ist das der Kern Ihres Selbstverstaumlndnisses als neue politische Formation Parteien stehen in der Regel fuumlr eine groszlige politische Idee Liberalismus christliche Werte soziale Gerechtigkeit oder Oumlkologie Stehen die Piraten nicht fuumlr eine neue politische Richtung sondern fuumlr ein alternatives Verfahren

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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laquoIch kann mir vorstellen dass die PlaquoIch kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in einiratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Rpaar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgtegierungsverantwortung traumlgt

Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

BoumlllThema 22012 11

GespraumlchGespraumlch

einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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12 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

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Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

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Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

vonvon untenunten rsaquorsaquo raquoraquo

EssayEssay

Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

DDeerzzeeiit siind wnd weellttwweeit rt ruund 1nd 1220 B0 Bllooggggeerriinnnneenn B Blooggggeer ur und Ond Onnlliinnee--AAkkttiivviisstteen in in Hn Haafftt v vor ar allllem im in Cn Chhinnaa IIrraan un und Vnd Viieettnnaamm St Steellllvveerrttrreetteend fnd fuumluumlr dr diie ve viieelleen sn stteelllleen wn wiir drr dreei vi voon in ihhnneen vn voorr

Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

ansagenraquo mdash Konstantin von Notz

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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EssayEssay

dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

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Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

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laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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32 BoumlllThema 22012

DigitaleDigitale oOumlkon mieomie

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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BoumlllThema 22012

Der besondere Tipp

Konferenzen

Europas gemeinsame Zukunft

DiMi 25ndash26 September 2012 Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Mit Roger Bootle (Capital Economics London) Anna Visvizi (American College of Greece Athen) Karine Berger (Abgeordnete der Nationalver-sammlung Parti socialiste Paris) Aitor Tinoco i Girona (Bewegung Democracia Real Ya Madrid) Lai Hairong (China Center for Overseas Social and Philosophical Theories Peking) ua

Hochinklusiv Zusammenhalt einer vielfaumlltigen Gesellschaft

Sa 20 Oktober 2012 1030ndash1730 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Mit Frank Bsirske (Vorsitzender von verdi) Prof Dr Heinz Bude (Uni Kassel) Dr Naika Foroutan (DeutschPlus Humboldt-Universitaumlt Berlin) uvaAnmeldung ab September unter wwwboellde

Gruumlne Lateinamerika-Konferenz

Otra alianza es posible ndash eine andere Partner-schaft ist moumlglich

Sa 10 November 2012 930ndash1815 Uhr Deutscher Bundestag Paul-Loumlbe-Haus

Mit Faacutetima Mello (FASE Brasilien) Oscar Rivas (ehem Umweltminister Paraguay) Ska Keller (MdEP) Barbara Lochbiehler (MdEP) ua

angefr

Demokratie und Sicherheit im Nahen Osten Wie antworten Deutschland und die EU auf die Umwaumllzungen im arabischen Raum

DoFr 8ndash9 November 2012 Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

13 Auszligenpolitische Jahrestagung mit Hossam Bahgat (Aumlgypten) Mehran Kamrava (Qatar) Andreas Reinicke (EU-Sonderbeauftragter) Soli Oumlzel (Tuumlrkei) Oded Eran (Israel) Tamara Cofman Wittes (USA) Franziska Brantner (Europaparla-ment) Doreen Khoury (Syrien) Sylke Tempel (Berlin) Claire Beaugrand (Bruumlssel) ua

Publikationen

Rechtspopulismus in Europa

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung in Zusam-menarbeit mit Green European Foundation Gruumlne Bildungswerkstatt und Bureau de Helling im planetVerlag Wien 2012 222 Seiten 18ndash Euro ISBN 978-3-902555-32-8

Gute NachrichtenWie Frauen und Maumlnner weltweit Kriege beenden und die Umwelt retten

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Ute ScheubBerlin 2012 ca 176 Seiten ISBN 978-3-86928-092-9

International Resource Politics

New challenges demanding new governance approaches for a green economy

Edited by the Heinrich Boumlll Foundation in coope-ration with Wuppertal Institut Berlin 2012 96 pages

Dossiers und Blogs

wwwboelldeeuropas-gemeinsame-zukunft Dossier zur Debatte uumlber die richtigen Wege aus der Krise

eurocrisisboellblogorg ndash englischsprachiges Blog mit Analysen und Beitraumlgen zur Eurokrise

Focus on Hungary ndash englischsprachiges Dossier uumlber die Situation in Ungarn nach der Regierungs-uumlbernahme der Rechtspopulisten im Jahr 2010

wwwboelldehochinklusiv ndash hochinklusiv Zusammenhalt einer vielfaumlltigen Gesellschaft Veranstaltungen Tagungen Dossiers und Bei-traumlge zum Thema Inklusion

Preisverleihungen

Verleihung des jj-Reportagepreises

Sa 6 Oktober 2012 1900 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Jungejournalistende hat in Kooperation mit sued-deutschede und der Heinrich-Boumlll-Stiftung einen Reportagepreis fuumlr Nachwuchsjournalisten ausge-schrieben Die Reportagen der drei Preistraumlger werden auf sueddeutschede veroumlffentlicht

Petra-Kelly-Preis an Ales Bialiatski

Do 22 November 2012 18 ndash 21 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Bialiatski ist Mitbegruumlnder und Vorsitzender der belarussischen Menschenrechtsorganisation laquoViasna raquo und befindet sich derzeit in Belarus in politischer Gefangenschaft

Hannah Arendt-Preis an Yfaat Weiss

Fr 7 Dezember 2012 18ndash21 Uhr Rathaus Bremen

Yfaat Weiss ist Historikerin an der Hebraumlischen Universitaumlt in Jerusalem Termine ihrer Lesereise 8 November 2012 Juumldisches Museum Berlin12 November 2012 Juumldisches Museum Frankfurt

Theaterproduktion

Ansichten eines Clowns

Eine Inszenierung des Theaters 89 782122272829 Dezember 2012 jeweils 20 Uhr

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung Karten unter 030 282 46 56

Die Stiftung in Sozialen Netzwerken

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist in verschiedenen Sozialen Netzwerken aktiv

Werden Sie Freund oder Freundin der Stiftung auf Facebook unter wwwboellde facebook sehen Sie Filme und Videos bei YouTube (www boellde youtube) Bilder bei Flickr (wwwflickr com photos boellstiftung) houmlren Sie unsere Audiofiles (wwwsoundcloudcomboellstiftung) oder verfolgen Sie die aktuellen Nachrichten der Stiftung uumlber den Kurznachrichtendienst Twitter unter wwwtwittercom boell_ stiftung Wie immer bieten diese Netzwerke einen Ruumlckkanal uumlber den Sie mit uns in Kontakt treten koumlnnen

Impressum

Herausgeberin Heinrich-Boumlll-Stiftung eV Schumannstraszlige 8 10117 Berlin T 030 ndash 2 85 34 ndash 0 F 030 ndash 2 85 34 ndash 109 E themaboellde W wwwboellde thema

Redaktion Dieter Rulff

Redaktionsassistenz Susanne Dittrich

Mitarbeit Ralf Fuumlcks Michael Stognienko Annette Maennel (ViSdP)

Art Direktion Blotto Design Berlin wwwblottodesignde

Illustrationen und Umschlag Martin Nicolausson wwwmartinnicolaussoncom

Druck agit-Druck Berlin

Papier Inhalt Envirotop 100gm2 matt hochweiszlig Recyclingpapier aus 100 Altpapier Umschlag Clarosilk 200gm2

Bezugsbedingungen zu bestellen bei oben genannter Adresse

Die einzelnen Beitraumlge stehen unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND 30

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Auf dem Weg zur digitalen Demokratie

Das Internet revolutioniert die Welt Klingt bombastisch ist aber nicht verkehrt Jede Zeit hat ihre Leittechnologie die Wirtschaft Alltagsleben und Politik tiefgreifend veraumlndert

Das galt fuumlr die Dampfmaschine und die Eisenbahn fuumlr die Elektrifizierung und die Chemie fuumlr das Automobil und das Fernsehen Heute trifft es fuumlr das Internet zu ndash und morgen hoffentlich fuumlr die Solarenergie

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Lange Zeit hatte die Oumlffentlichkeit eher die wirtschaftlichen Auswirkungen der modernen Informations- und Kommunikationsmedien im Blick Sie haben die Buumlroarbeit ebenso gruumlndlich veraumlndert wie die industrielle Produktion Weltweite Produktions- und Logistikketten werden uumlber das Internet gesteuert Auch die Volatilitaumlt der Finanzmaumlrkte wurde durch die moderne Computertechnik verstaumlrkt Rechnergestuumltzte weltweit vernetzte Programme haben Volumen und Geschwindigkeit von Finanztransaktionen in ungekannte Dimensionen katapultiert

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Der Siegeszug der laquo sozialen Medien raquo ndash Blogs Facebook Twitter amp Co ndash hat die politische Dimension der digitalen Revolution staumlrker ins Blickfeld geruumlckt Sie steht auch im Mittelpunkt dieser Ausgabe von BoumlllThema Die politischen Implikationen digitaler Medien sind ambivalent Sie erweitern das Arsenal staatlicher Uumlberwachung und Repression und sie koumlnnen zum Verstaumlrker sozialer Bewegungen und demokratischer Opposition werden Der Verfasser dieser Zeilen neigt mit den meisten Autoren dieses Hefts dazu das demokratische Potenzial des Internets houmlher zu bewerten

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Blogs Facebook Twitter und YouTube loumlsen keine Revolutionen aus aber sie koumlnnen gerade in autoritaumlren Staaten zur Plattform fuumlr zivilen Protest und politische Mobilisierung werden wie zuletzt die laquo Arabellion raquo gezeigt hat Hierzulande eroumlffnen digitale Medien neue Moumlglichkeiten der Buumlrgerbeteiligung Im Netz ist potenziell jede und jeder zugleich Produzent und Rezipient von Nachrichten Planungsunterlagen koumlnnen oumlffentlich gemacht Haushaltsentwuumlrfe vorab diskutiert und Volksentscheide organisiert werden Entscheidend ist dass digitale Medien zu einer Verbreiterung und Vertiefung politischer Oumlffentlichkeit beitragen statt ihre Parzellierung und Verflachung zu befoumlrdern Wenn sich nur noch Gleichgesinnte in ihrer Haltung bestaumltigen und jede abweichende Position einen laquo Shitstorm raquo ausloumlst ist das kein Zugewinn an politischer Kultur

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Fuumlr die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist dieses Heft keine Eintagsfliege das Thema wird in der kommenden Ausgabe eine Fortsetzung finden Es ist eingebettet in unsere netzpolitischen Aktivitaumlten im In- und Ausland Wir laden alle ein sich an dieser Debatte zu beteiligen

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Ralf Fuumlcks Mitglied des Vorstands der Heinrich-Boumlll-Stiftung

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Inhalt

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1 Auf dem Weg zur digitalen Demokratie Editorial emspvon emspRalf emspFuumlcks

Digitale DemokratieDigitale Demokratie 3 Politik braucht eine neue Kultur der

Verknuumlpfung mdash Essay von Christoph Bieber

7 E-Democracy = estnische Demokratie Von Manuel Kripp

8 Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen sicher sein mdash Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband emsp

12 Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen mdash Von Felix Kolb

13 Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen mdash Rebecca MacKinnon interviewt von David Pachali

14 Clash of Cultures im Cyberspace mdash Essay von Wolfgang Kleinwaumlchter

18 laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo mdash Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

20 laquo Die Feinde des Internets und ihre Opfer raquo

23 Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern Von Konstantin von Notz

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit 24 Die neue Unuumlbersichtlichkeit des Internets

Essay von Christoph Kappes

27 Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts mdash Von Katrin Roumlnicke

Digitale KDigitale Kulturultur 28 laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende

Wollmilchsau raquo mdash Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz (Chaos Computer Club) und Konstantin von Notz (Gruumlne) moderiert von Carsten Werner

Digitale OumlkonomieDigitale Oumlkonomie 32 Die Versuchungen von Big Data

Essay von Jeanette Hofmann

34 Die Antwort auf Big Data lautet Open Data Essay von Jan Schallaboumlck

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag 36 Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

Eine Betrachtung von Annette Maennel emsp

rarrrarr 118 8 Die Kuumlnstlerin und Bloggerin Sondos Shabayek (Aumlgypten) uumlber Twitter und die Ereignisse auf dem Tahrir Platz

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InhaltInhalt 3 Digitale Demokratie 24 Digitale

Oumlffentlichkeit 28 Digitale Kultur 32 Digitale Oumlkonomie 36 Mein digitaler Alltag

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Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung

Von Christoph Bieber

Die Debatte um die Chancen (und Grenzen) digitaler Partizipation hat in den letzten Jahren deutlich Fahrt aufgenommen ndash in der Ruumlckschau lassen sich in einer internashytionalen Perspektive der laquoObama-Effektraquo

im US-Wahlkampf 2008 und in Deutschland die Ausshyeinandersetzung um die Einfuumlhrung von Netzsperren im Fruumlhjahr 2009 als wichtige Wegmarken fuumlr die weiteren Entwicklungen benennen Die hierzulande unter dem Schlagwort laquoZensursularaquo bekannt geworshydene Episode ist dabei eine von mehreren Schockshysituationen die das politische System ganz offenbar benoumltigt hat um sich mit der wachsenden Bedeushytung der digitalen interaktiven Kommunikationsumshygebung des Internets zu beschaumlftigen Im Sommer 2010 waren es dann die WikiLeaks-Enthuumlllungen die Politikern und Journalisten vor Augen fuumlhrten dass sich Konfigurationen politischer Oumlffentlichkeiten in einem grundlegenden Wandel befinden Und wieder ein Jahr spaumlter im Herbst 2011 sorgten zunaumlchst die Affaumlre um den Bundestrojaner eine im Staatsauftrag entwickelte Spionagesoftware und bald darauf die

Wahlerfolge der Piratenpartei fuumlr weitere Erschuumltteshyrungen im analogen Zentrum der Macht

Den laquoDigitalschocksraquo ist trotz ihrer verschiedenen Kontexte eines gemein Sie verweisen jeweils auf neuartige Beteiligungsmoumlglichkeiten am politischen Prozess ndash sei es uumlber kampagnenorientierte Echt shyzeitkommunikation die Kollaboration auf Leaking-Plattformen das Dabeisein in einer auf Mitmachen gepolten Parteiorganisation oder die Programmieshyrung unfreundlich-interaktiver Software Die ausshyfuumlhrliche Systematisierung dieser Entwicklungen hat gerade erst begonnen denn aumlhnlich wie die Politik steht auch die Wissenschaft angesichts der enormen Dynamik und Vielschichtigkeit der Phaumlnomene unter Schock ndash es fehlen nicht nur geeignete Methoden und neue Werkzeuge fuumlr eine akademische Analyse auch in theoretischer Hinsicht bestehen noch gravieshyrende Defizite Waumlhrend sich die Politikwissenschaft gerade erst muumlhsam an die Massenmediendemokra shytie des Fernsehzeitalters herangearbeitet hat (und mit der Postdemokratie ein Konzept umwaumllzt das schon wieder seltsam veraltet wirkt)

DIGITDIGITAL-ALshy SCHOCKSCHOCKSS

2008 Obamas Facebook-

Wahlkampf

2009 Ursula van der Leyens

Netzsperre

2010 WikiLeaks veroumlffentlicht

Videos uumlber einen Luftangriff des US-Militaumlrs in Bagdhad bei dem u a 2 Journalisten

getoumltet werden

2011 Die Piratenpartei erreicht 89 der Stimmen bei der Wahl zum

Berliner Abgeordnetenhaus

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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sortieren Medien- und Kommunikationswissenschaft die Theorie-Schubladen neu (wo hatten wir gleich nochmal den McLuhan hingelegt)

In der Uumlbergangsphase zwischen fernsehorien shytierter Mediendemokratie hin zur internetbasierten Beteiligungsdemokratie geraumlt vor allem die Kategoshyrie des Publikums in den Blick Bislang realisieren nur wenige Untersuchungszusammenhaumlnge diesen Entwicklungsschritt der gerade auch in einer polishytik- und demokratiewissenschaftlichen Perspektive ebenso relevant wie zeitgemaumlszlig erscheint Waumlh shyrend sich in der medialen Dimension vor allem die Zuschauerposition radikal wandelt und laumlngst nicht mehr als passive Konsumentenrolle modelliert wirdist es in der politischen Dimension die Gestalt des Buumlrgers die mit staumlrkeren Beteiligungsrechten (und -pflichten) ausgestattet werden kann laquoDie Couch-Potato hat sich vom Sofa erhobenraquo formuliert der Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig und skizshy

ziert so den Uumlbergang von der laquoNur-Lese-Kulturraquo des Fernsehens zur laquoLeseSchreibe-Kulturraquo der digitalen Medien

Oft wird die neue Beteiligungsmacht dieser aktiv gewordenen Couch-Potatoes belaumlchelt oder gleich ganz ignoriert ndash zumindest so lange bis die naumlchste Schocktherapie anschlaumlgt und politische Akteure (dann meist schmerzhaft) an die Existenz des Politikshyraums Internet erinnert

Vier Vektoren der Digitalisierung der Politik Ganz grob bestimmen seit dem Jahr 2008 vier Vektoshyren die nachholende Digitalisierung der Politik das Aufkommen sozialer Netzwerke als vernetzte Oumlffent shylichkeiten die Erfahrungen mit den Formaten der Echtzeitkommunikation die Nutzung von Online-Plattformen zur digitalen Kollaboration sowie die wachsende Bedeutung von Code als Machtressource

1 Der Siegeszug der sozialen Netzwerke Nicht erst der Boumlrsengang von Facebook im Fruumlhjahr 2012 dokumentiert den enormen Siegeszug der sozialen Netzwerke in den vergangenen vier Jahren Zur Erinnerung Als im Vorfeld der US-Praumlsidentschaftswahl Barack Obama die Netzwerkstrukturen auf seine Wahlkampfkommunikation uumlbertrug dominierten in Deutschland noch die Angebote der VZ-Gruppe und Facebook duumlmpelte bei weniger als vier Millionen Nutzern vor sich hin Inzwischen haben weltweit mehr als 850 Millionen Menschen eigene Profilseiten angelegt Zur Zeit der Programmierung der ersten Facebook-Plattform im Jahr 2004 war dies in etwa die Gesamtnutzerzahl des Internets Auch in Deutschland ist Facebook laumlngst das dominierende Online-Netzwerk geworden die Zahl der hierzulande angelegten Profile betrug laut allfacebookde im Juli 2012 stattliche 237 Millionen Die laquo Massenmedialisierung raquo der sozialen Netzwerke ist nicht allein auf Facebook beschraumlnkt auch YouTube Twitter und andere Spielarten dieses Online-Genres erfreuen sich groszliger Beliebtheit Angesichts dieser Entwicklung erscheint es nur logisch dass sich politische Akteure zunehmend mit dieser neuen kommunikativen Arena auseinandersetzen Doch nur die wenigsten politischen Netzwerker realisieren die besonderen Probleme die daraus in Deutschland resultieren ndash die Oumlffnung hin zu Freunden Fans und Followern wirkt stets auch auf die schon vorhandenen analogen sozialen Netzwerke zuruumlck Und das sind in der deutschen Parteiendemokratie in erster Linie die Mitgliederorganisationen der Parteien ndash erkennbar wird hier ein besonderes Dilemma fuumlr die vernetzten Politiker Sie koumlnnen sich zwar individuell neue laquo persoumlnliche Oumlffentlichkeiten raquo (Jan Schmidt) erschlieszligen loumlsen damit aber zugleich nicht selten unmittelbare Konkurrenzverhaumlltnisse mit den bereits bestehenden Netzwerken aus Auf die Frage wie sich diese Segmente produktiv miteinander verschraumlnken lassen

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uarr Digitale Alter Ego im Kampagnenmotiv der franzoumlsischen NGO La Quadrature du Net Dass mit ACTA ein netzspezifisches Thema gezeigt hat was an digitaler transnationaler europaumlischer Oumlffentlichkeit moumlglich ist duumlrfte auch NGOs im nicht-digitalen Sektor befluumlgelt haben (Lizenz CC-BY-SA)

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EssayEssay

laquolaquo Die verDie vergangenen vier Jahregangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wiehaben gezeigt dass es so etwas wie lsaquolsaquo SchnittstellenSchnittstellen rsaquo braucht die digitalersaquo braucht die digitale

PPolitikprozesse undolitikprozesse und -innovationen mit-innovationen mit den traditionell (und richtigerweise)den traditionell (und richtigerweise)

langsameren Rlangsameren Routinen des politischenoutinen des politischen AlltagsgeschaumlftsAlltagsgeschaumlfts verkoppelnverkoppeln raquoraquo

sind bislang noch kaum uumlberzeugende Antworten gefunden worden

2 Die Effekte der Echzeitkommunikation Die Effekte der laquo politischen Echtzeitkommunikation raquo wurden in Deutschland lange Zeit belaumlchelt ndash doch trotz des hierzulande schlechten Images des weltweit houmlchst erfolgreichen Kurzmitteilungsservice Twitter haben sich Politiker recht fruumlh auf das Format eingelassen Dass man via Twitter weit mehr als nur laquo 140 Zeichen heiszlige Luft raquo (FAZ) verbreiten kann haben zuletzt zahlreiche parlamentarische Spitzenakteure bewiesen den vielleicht groumlszligten Beitrag zur Salonreife hat mit RegSprecher jedoch ein institutioneller Twitterer geliefert Die professionelle und dem knappen dialogischen Format angemessene Form macht deutlich dass hier ein neuer Distributionskanal entstanden ist den politische Akteure sehr produktiv in die alltaumlgliche Vermittlungsarbeit integrieren koumlnnen Dabei umgehen sie mitunter die klassischen Vertriebswege des politischen Journalismus und erreichen ihre Zielpublika direkt ndash ein weiteres Beispiel fuumlr die Entstehung neuer vernetzter Oumlffentlichkeiten Allmaumlhlich zeichnet sich in der parlamentarischen Twitter-Nutzung eine zweite Neuerung ab bisweilen erhalten die Kurzdialoge den Charakter einer laquo Branchenkommunikation raquo wenn die Politiker innerhalb der eigenen Partei aber auch quer zu den Fraktionsgrenzen miteinander ins Gespraumlch kommen Dass sich dadurch die Kommunikationsarena des Parlaments veraumlndern kann hat etwa die Debatte im hessischen Landtag gezeigt Dort erlaubte der Aumlltestenrat nach einer internen Kontroverse das Twittern von der Besuchergalerie Damit erhaumllt nun auch der interessierte Buumlrger die Moumlglichkeit sich in die parlamentarische Parallelkommunikation einzuschalten ndash das bezeugt die allmaumlhliche Anerkennung des Veraumlnderungsdrucks medialer Innovationen im Politikbetrieb

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3 Die Moumlglichkeiten der digitalen Kollaboration Die Moumlglichkeiten einer dezentralen uumlber multi- oder monothematische Plattformen organisierten digitalen Kollaboration koumlnnen als weitere Triebfeder der politischen Digitalisierung verstanden werdenAls Prototyp gilt hier sicher die Online-Enzyklopaumldie Wikipedia doch zuletzt haben auch explizit politische Plattformen als Partizipationsangebote reuumlssiert Selbst wenn WikiLeaks als Enthuumlllungsplattform den offenen dezentralen Arbeitsmodus zu Gunsten einer staumlrker laquo sendeorientierten raquo Arbeitsteilung mit prominenten Medienvertretern aufgegeben hat gilt die Website in ihrer urspruumlnglichen Version als Wegbereiter fuumlr eine ganze Reihe von Transparenzakteuren In Deutschland haben insbesondere die Aktivitaumlten des laquo GuttenPlag Wiki raquo die Funktionsweise der Online-Kollaboration illustriert Die dort entstandene Datensammlung fungierte nach auszligen als Informations

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plattform und wirkte gleichzeitig identitaumltsstiftend im Gruppenzusammenhang der Aktiven Die groszlige Produktivkraft solch niedrigschwelliger Mitmach-Angebote zeigt sich auch entlang des Piratenwiki Es ist weit mehr als nur eine willkuumlrlich zusammengetragene Sammlung von Informationen uumlber die Piratenpartei Es uumlbernimmt auszligerdem die Rolle der Planungszentrale fuumlr Parteiversammlungen bietet Orientierung fuumlr Neumitglieder und dokumentiert die unterschiedlichsten Parteiaktivitaumlten Anders als die digitalen Parteizentralen der uumlbrigen Parteien bleibt die Gestaltung dieser strategischen Ressource damit in den Haumlnden der Mitglieder und Unterstuumltzer und eroumlffnet so neue digitale Beteiligungsmoumlglichkeiten an der innerparteilichen Kommunikation und Organisation

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4 Der Einsatz von Code Waumlhrend die vorgenannten Digitalisierungsprozesse noch einen starken politischen Akteurs- oder Prozessbezug aufweisen laumlsst sich auch eine vierte weniger sichtbare Ebene ausmachen die gewissermaszligen laquo hinter raquo den verschiedenen Phaumlnomenen liegt Gerne uumlbersehen wird naumlmlich dass politische Beteiligungsinnovationen auf den kenntnisreichen Einsatz von Code zuruumlckzufuumlhren sind Das Programmieren neuer Demokratie-Anwendungen ist andernorts weit verbreitet ndash mit dem W ettbewerb laquo Apps for Democracy raquo (USA) oder dem Daten-Portal datagov uk (Groszligbritannien) existieren bereits Leuchtturm-Projekte deren Uumlbertragung nach Deutschland als vorerst gescheitert gelten kann Die gesellschaftliche Bedeutung dieser neuen produktions- und nicht rezeptionsorientierten Form von Medienkompetenz ist hierzulande noch kaum angekommen ndash der US-amerikanische Medientheoretiker Douglas Rushkoff bemuumlht angesichts der wachsenden Bedeutung von Code als Kulturgut eine drastische Sprache laquo Programmiert selbst ndash oder ihr werdet programmiert werden raquo Allerdings haben zuletzt auch in Deutschland einige softwareorientierte Projekte diese ebenso aktuelle wie wichtige Debatte forciert

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

uarr Wer kommuniziert hier mit wem Parteitag der Piraten in Muumlnster 2012

Die innerparteiliche Entscheidungsfindung verschie shydener Gliederungen der Piratenpartei mittels laquoLiquid Feedbackraquo oder die Erweiterung der Enquecircte-Kom shymission laquoInternet und Digitale Gesellschaftraquo um den so genannten laquo18 Sachverstaumlndigenraquo durch die Diskussions- und Bewertungssoftware laquoAdhocracyraquo stellen unter Beweis dass auch in Deutschland polishytisches Innovationspotenzial vorhanden ist Einge shyrahmt von der eher demokratietheoretischen Debatte um laquoLiquid Democracyraquo wecken die politischen Soft shyware-Entwicklungen nun auch das Interesse internashytionaler Beobachter Deren Fokus faumlllt ndash bislang zu Recht ndash auf die Piratenpartei die dem politischen Alltag eine digitale Facette hinzugefuumlgt hat und darin den neuen Normalmodus gesellschaftlicher Beteili shygung erkennen will Die uumlbrigen Mitgliederparteien nehmen den interaktiven Kommunikationsraum des Internets zwar auch nicht mehr als ein voumlllig fremdes wohl aber als ein ungewoumlhnliches Terrain wahr und agieren eher zoumlgerlich

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Digitale Partizipation benoumltigt Schnittstellen zur analogen Welt Ob sich die digitale Schocktherapie schlieszliglich in einem gesellschaftlichen Partizipationsplus auszahlen wird ist laumlngst noch nicht klar Zu ungewiss sind einerseits die Verarbeitungs- und Anpassungskapazitaumlten der politischen Akteure ndash und auf die kommt es immer noch an wenn sich das politische System einer digitalen Beteiligungskur unterziehen soll Die vergangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wie laquo Schnittstellen raquo braucht die digitale Politikprozesse und -innovationen mit den traditionell (und richtigerweise) langsameren Routinen des politischen Alltagsgeschaumlfts verkoppeln Die Obama-Kampagne war ein solches laquo Interface raquo zwischen digitalen und analogen Politikraumlumen die WikiLeaks-

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Entwicklungen ebenfalls Gleiches gilt fuumlr Anonymus oder auch die Occupy-Bewegung In Deutschland haben sich die Piraten zum aktuell wirkmaumlchtigsten Schnittstellenakteur entwickelt sie uumlberlagern inzwischen sogar die Impulse aus der internationalen Online-Welt Bis vor gut einem Jahr brauchte es Julian Assange und die WikiLeaks-Kampagnen um den Begriff der Transparenz auf die politische Agenda zu bringen ndash in Deutschland haben die Piraten diese Aufgabe uumlbernommen Aumlhnliches gilt fuumlr politische Echtzeitkommunikation oder auch die Debatte um die gesellschaftliche Bedeutung von Code

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Es waumlre allerdings geradezu fatal die digitale Modernisierung der Politik als exklusives Piratenpro shyjekt zu verstehen Es ist richtig und konsequent dass sich die anderen Parteien einem laquodigitalen Selbst shytestraquo unterziehen und in mitunter schmerzhaften Identitaumltsfindungsprozessen neue Positionen zu den Themen und Verfahren einer internetorientierten Mediendemokratie ermitteln Mindestens an dieser Stelle ist der Begriff der laquoMitmach-Politikraquo ernst zu nehmen ndash fuumlr die verschiedenen Plattformen der sozi shyalen Medien gibt es keine Anleitung Die Potenziale vernetzter Oumlffentlichkeiten politischer Echtzeitkom shymunikation oder Online-Kollaborationsplattformen erschlieszligen sich vor allem deren Nutzern Es ist an der Zeit dass die Politik die Potenziale des aktiven Publikums erkennt ndash auch und gerade dann wenn dafuumlr ein Wechsel der Perspektive noumltig sein sollte

Prof Christoph Bieber forscht lehrt und publiziert seit Jahren zu Fragen der digitalen Oumlffentlichkeit und Demokratie

7laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das

Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werdenraquowieder gesteigert werdenraquo

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E-Democracy = estnische Demokratie

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

2200005 w5 wurrddeen en errssttmmals is in En Essttlaland Pnd Paarrlammeennttsswahlen per Ir Intteerrnnett moumlgglliicchh s seecchhs Js Jaahhrre se sppaumlter maachte dort berreeiitts js jeeddeer vr viieerrtte We Waumlhhlleerr ddavoon Gn Geebrbraauucchh M Miitttleerrwweeiile follgeen Ln Laumlaumlndndeer wr wie Norwegenn F Frraannkkrreeiicchh und diie Se Scchhwweeiiz dz deem em essttnniisscchhen Beiisspiel ndash w oomoumloumlglich aucch eh eiinnees Ts Taaggeess DDeeuuttsscchhlalandnd

DVon Manuel Kripp

emokratien sind hohen Anforderungen ausgesetzt davon zeugen sinkende Wahlbeteiligungen steigende

Briefwaumlhleranteile sowie der Wunsch der Buumlrger nach haumlufigerer und direkterer Beteiligung bei gleichzeitiger Ortsunabhaumlngigkeit Eine Antwort auf diese Herausforderungen liegt im Einsatz moderner Technologien im Wahlprozess Durch eine Digitalisierung der Demokratie koumlnnen das Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werden

Vorreiter der Entwicklung zum I-Voting war und ist Estland Dort wurde es zum ersten Mal bei der Lokalwahl 2005 praktiziert Die seinerzeitige Internet-Wahlbeteiligung von rund 2 Prozent hat sich bei der Parlamentswahl vom Maumlrz 2011 bereits auf 243 Prozent gesteigert Laut Untersuchungen des European University Institute haumltten 16 Prozent dieser Internet-Waumlhlerinnen und -Waumlhler ihre Stimme nicht abgegeben wenn die Moumlglichkeit der Internetwahl nicht zur Verfuumlgung gestanden haumltte

Die hohe Internet-Wahlbeteiligung ist auch in der ausgepraumlgten E-Governmentstruktur Estlands begruumlndet Ca 95 Prozent der Esten besitzen im Rahmen ihrer nationalen ID-Karte eine digitale Buumlrgerkarte und sind somit in der Lage den uumlberwiegenden Teil ihrer Kommunikation mit den Behoumlrden uumlber das Internet zu fuumlhren

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92 Prozent erledigen ihre Steuererklaumlrung online Firmenanmeldungen koumlnnen ebenso uumlber das Internet abgewickelt werden wie Autoverkaumlufe oder die notarielle Beglaubigung von Dokumenten Daruumlber hinaus bekommt jeder Buumlrger mit der nationalen ID-Karte auch eine estnische E-Mail-Adresse Die elektronische Kommunikation und Interaktion ist zur alltaumlglichen Normalitaumlt der Esten geworden Und das estnische Beispiel findet Nachahmer 2011 fuumlhrten auch Norwegen und die Schweiz und 2012 Frankreich Internetwahlen ein Die Schweiz ist ein sehr interessantes Beispiel denn Internet-Abstimmungen werden schon seit einiger Zeit in gewissen Kantonen angeboten 2011 wurde aber bei einem Bundesreferendum jedem im Ausland lebenden Schweizer in zehn Kantonen die Moumlglichkeit des I-Votings gegeben Auch Frankreich hat bei den Parlamentswahlen 2012 fuumlr im Ausland lebende Waumlhler das Internet eingesetzt Bei beiden Wahlen hielt sich die Wahlbeteiligung noch in Grenzen doch zeigten sich die Nutzungsmoumlglichkeiten fuumlr spezifische Waumlhlergruppen

In Norwegen beteiligten sich 2011 bei einem Pilotprojekt zehn Gemeinden an der Internetwahl dabei wurden ca 25 Prozent der Stimmen digital abgegeben Dieser Erfolg laumlsst sich auf eine offene Diskussion des I-Votings und ein ausgepraumlgtes E-Governmentsystem mit einer mobilen ID zuruumlckfuumlhren Dadurch wurde ein Verifikationsmechanismus moumlglich der jedem Waumlhler eine teilweise Kontrolle des nicht einsehbaren technischen Wahlprozesses gestattete

Im Vergleich zu Laumlndern wie Estland und Norwegen steht Deutschland noch am Anfang Nicht zuletzt das Urteil des BVerfG zum I-Voting ist fuumlr dessen Einfuumlhrung eine hohe Huumlrde Um dem zu genuumlgen ist nicht zuletzt Voraussetzung dass jedem Buumlrger eine digitale Identitaumlt zur Verfuumlgung steht mit der eine sichere rechtsguumlltige digitale Unterschrift moumlglich ist Der neue Personalausweis ist ein erster Schritt in die richtige Richtung jedoch fehlen bisher entsprechende Applikationen und Pilotprojekte Eine moumlgliche Vision koumlnnte der Einsatz von Internetwahlen bei den Sozialwahlen 2017 sein bei denen beispielsweise uumlber die Krankenversichertenkarte die Identifikation sichergestellt werden kann und eine kostenguumlnstige schnelle Alternative zur Briefwahl angeboten wird

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Manuel Kripp ist Geschaumlftsfuumlhrer des Competence Center for Electronic Voting and Participation (wwwe-votingcc)

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Kein Koalitionspartner kann aller Piraten-stimmen sicher sein

Wo die Piraten auf der Rechts-links-Skala zu finden sind was die 90-9-1-Regel besagt wie die repraumlsentative durch die liquide Demokratie ergaumlnzt werden kann und warum die Abgeordneten der Piraten zwar nach ihrem Gewissen entscheiden aber so wie die Basis abstimmen

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Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband

Ralf Fuumlcks Die Piraten haben einen fast maumlrchenhaften Aufstieg erlebt seit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eilen sie von Erfolg zu Erfolg Trotzdem hat man das Gefuumlhl dass sie ihren Zenit schon uumlberschritten haben Sie sind vor allem mit sich selbst beschaumlftigt wirken bei den groszligen politischen Entscheidungen ndash wie weiter mit Europa Griechenland Fiskal-Pakt Energiewende ndash merkwuumlrdig abwesend Wie lange koumlnnen sie sich das leisten Marina Weisband Von den vier Themen die Sie gerade benannt haben beziehen sich drei auf die Euro-Krise Die Piraten haben zu zwei groumlszligeren Themenkomplexen noch kein Grundsatzprogramm das sind die Wirtschafts- und die Auszligenpolitik Das erschwert natuumlrlich das Mitreden in diesen Bereichen Bei beiden werden wir jedoch im November ein Grundsatzprogramm beschlieszligen Bis dahin koumlnnen wir uumlber diese Themen nicht sehr intensiv mitentscheiden Bei anderen hingegen die wir schon in unser Programm aufgenommen haben haben wir auch zur oumlffentlichen Debatte beigetragen Wir haben uns auch zur Energiewende positioniert unsere Anti-Atom-Piraten sind da zu ihrer Houmlchstform aufgelaufen und haben bei saumlmtlichen Demonstrationen mitgewirkt Es ist also gar nicht so dass wir uns voumlllig bedeckt halten

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Fuumlcks Auch wo die Piraten programmatische Aussagen beschlossen haben merkt man davon nicht viel in der oumlffentlichen Debatte Ich mutmaszlige das hat sehr viel mit ihren internen Strukturen zu tun Der Bundesvorstand wird sowohl in der Ausuumlbung seines politischen Mandates als auch finanziell extrem kurzgehalten Er ist im Grunde nicht autorisiert mit authentischen Positionen an der oumlffentlichen Debatte teilzunehmen und politische Initiativen zu ergreifen Kann diese basisdemokratische Weigerung eine professionelle Struktur aufzubauen nicht zum politischen Bumerang werden

Weisband Ich glaube nicht Ihre Auszligenwahrnehmung hat ganz viel damit zu tun dass wir einfach keine professionellen PR-Strukturen haben Wir haben keinerlei Erfahrung in Oumlffentlichkeitsarbeit wir machen das einfach wie es uns gerade einfaumlllt Das bedeutet dass die oumlffentliche Wahrnehmung der Piraten stark davon bestimmt ist was Journalisten uumlber uns erzaumlhlen wollen Immer das was gerade als Story gut ist wird dargestellt zum Positiven wie zum Negativen Auch wenn unser Bundesvorstand eine eigene Meinung sagen durfte wird die nicht abgedruckt

Fuumlcks Aber die Piraten sind doch sehr stark medial praumlsent

Ralf Fuumlcks ist Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Marina Weisband war Bun-desgeschaumlftsfuumlhrerin der Partei laquo Die Piraten raquo

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laquoDurch die Information und dielaquoDurch die Information und die KKommunikation miteinander brauchenommunikation miteinander brauchen

BuumlrBuumlrger weniger Rger weniger Repraumlsentanten sieepraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Vkoumlnnen und sollen mehr Verantwortungerantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundideefuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee

unserer Punserer Partei ist der informierteartei ist der informierte MenschMensch raquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

GespraumlchGespraumlch

Weisband Das ist richtig Aber das heiszligt nicht dass alles was man sagt so auch erscheint Wir haben es natuumlrlich auch uns selbst zuzurechnen dass wir einfach noch nicht so gut darin sind unsere eigenen Themen zu platzieren Aber das werden wir noch lernen

Was den Bundesvorstand betrifft ich wuumlrde mir wirklich nicht wuumlnschen dass er legitimiert ist eine eigene Agenda zu setzen Denn wozu haben wir unsere basisdemokratischen Strukturen wenn ein paar Leute die mehr Macht haben weil ihnen zugehoumlrt wird dadurch ihre eigenen Plaumlne durchpushen koumlnnen Wenn ich als Bundesvorstand sage Ich bin gegen einen Atomausstieg ndash was ich nicht bin aber als Beispiel ndash dann wuumlrde es heiszligen Die Piratenpartei ist gegen den Atomausstieg Und das wuumlrde einfach nicht stimmen

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Fuumlcks Dieses Hohelied auf die Basisdemokratie das imperative Mandat fuumlr Abgeordnete die Ablehnung einer Professionalisierung von Politik zeugt das nicht von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenuumlber Personen die man in verantwortliche Positionen gewaumlhlt hat Sie reduzieren Abgeordnete und Vorstaumlnde auf Funktionaumlre wenn Sie ihnen gar keine Freiheit zubilligen diese Rolle auszufuumlllen

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Weisband Es ist genau das Gegenteil der Fall Wir wollen dass moumlglichst viele moumlglichst viel Freiheit und moumlglichst viel Verantwortung haben und denen vertrauen wir und das ist unsere Parteibasis Wir wollen dass die die Verantwortung tragen dass die das Programm weiterentwickeln dass die fuumlr uns mitsprechen dass die unsere Partei entwickeln Wir wollen kein imperatives Mandat auf keinen Fall Wir sind gerade fuumlr die Gewissensfreiheit der Abgeordneten deshalb sind wir auch gegen Fraktionszwang Aber wir moumlchten dass moumlglichst viel von der Basis aus gemacht wird Das ist das Humane an unserem Modell Wir wollen gerade denen die Verantwortung und das Vertrauen schenken

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Fuumlcks Soweit ich weiszlig beteiligt sich nur ein Bruchteil dieser Basis tatsaumlchlich an der Parteidebatte Wenn eine kleine Minderheit von Aktivisten die im Netz zu Hause sind eine sehr starke Praumlgekraft hat dann ist das doch ein hoch selektiver nicht wirklich repraumlsentativer Prozess

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Weisband Dieser Prozess ist keineswegs selektivweil jeder mitarbeiten kann der will Und in Systemen in denen jeder mitarbeiten kann der willhaben wir eine so genannte 90-9-1-Regel In einem freien System sind 90 Prozent der Mitglieder meistens eher schweigende Zuschauer 9 Prozent sind mittelaktive User und von einem Prozent stammen 90 Prozent des Contents Das erleben wir so in Forendas erleben wir auf jeder Plattform wo man freiwillig mitarbeiten kann Sie werden auch von den Gruumlnen wissen dass die meisten Mitglieder doch inaktiv sind

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Weisband Nein das Verfahren ist einfach nur Teil unseres Inhalts Und unser Inhalt besagt dass unsere Welt sich so weit zu einer Informationsgesellschaft entwickelt hat dass der Mensch besser informiert ist Durch die Information und die Kommunikation miteinander brauchen Buumlrger weniger Repraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Verantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee unserer Partei ist der informierte Mensch

Ein Zehntel wirklich aktiv beteiligter Mitglieder ist so gesehen eine ganz gute Zahl Das Wichtigste ist dass wir keine Huumlrden fuumlr Beteiligung setzen Das heiszligt dass jeder der mitarbeiten will wirklich mitarbeiten kann und das ist eine demokratische Struktur Wir koumlnnen die Menschen ja nicht zur Mitarbeit zwingen

Fuumlcks Ist das der Kern Ihres Selbstverstaumlndnisses als neue politische Formation Parteien stehen in der Regel fuumlr eine groszlige politische Idee Liberalismus christliche Werte soziale Gerechtigkeit oder Oumlkologie Stehen die Piraten nicht fuumlr eine neue politische Richtung sondern fuumlr ein alternatives Verfahren

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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laquoIch kann mir vorstellen dass die PlaquoIch kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in einiratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Rpaar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgtegierungsverantwortung traumlgt

Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

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GespraumlchGespraumlch

einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

DDaas Is Inntteerrnneet it isst ft fuumluumlr sr soozziiaalle Be Beewweegguunnggeen en eiinne ie iddeeaalle Pe Plalattttffoorrm dm deerr MMoobbiilliissiieerruunngg W Wiirkrklliicchhe Se Scchhlalaggkkrraafft gt geewwiinnnnt dt deer Or Onnlliinnee--PPrrootteesstt jjeeddoocch eh errsstt w weennn en er sr siicch oh offflfliinne se stteeiiggeerrn laumln laumlsssstt

Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

id Pachali

Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

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16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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20 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

DDeerzzeeiit siind wnd weellttwweeit rt ruund 1nd 1220 B0 Bllooggggeerriinnnneenn B Blooggggeer ur und Ond Onnlliinnee--AAkkttiivviisstteen in in Hn Haafftt v vor ar allllem im in Cn Chhinnaa IIrraan un und Vnd Viieettnnaamm St Steellllvveerrttrreetteend fnd fuumluumlr dr diie ve viieelleen sn stteelllleen wn wiir drr dreei vi voon in ihhnneen vn voorr

Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

BoumlllThema 22012 21

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

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Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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28 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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Auf dem Weg zur digitalen Demokratie

Das Internet revolutioniert die Welt Klingt bombastisch ist aber nicht verkehrt Jede Zeit hat ihre Leittechnologie die Wirtschaft Alltagsleben und Politik tiefgreifend veraumlndert

Das galt fuumlr die Dampfmaschine und die Eisenbahn fuumlr die Elektrifizierung und die Chemie fuumlr das Automobil und das Fernsehen Heute trifft es fuumlr das Internet zu ndash und morgen hoffentlich fuumlr die Solarenergie

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Lange Zeit hatte die Oumlffentlichkeit eher die wirtschaftlichen Auswirkungen der modernen Informations- und Kommunikationsmedien im Blick Sie haben die Buumlroarbeit ebenso gruumlndlich veraumlndert wie die industrielle Produktion Weltweite Produktions- und Logistikketten werden uumlber das Internet gesteuert Auch die Volatilitaumlt der Finanzmaumlrkte wurde durch die moderne Computertechnik verstaumlrkt Rechnergestuumltzte weltweit vernetzte Programme haben Volumen und Geschwindigkeit von Finanztransaktionen in ungekannte Dimensionen katapultiert

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Der Siegeszug der laquo sozialen Medien raquo ndash Blogs Facebook Twitter amp Co ndash hat die politische Dimension der digitalen Revolution staumlrker ins Blickfeld geruumlckt Sie steht auch im Mittelpunkt dieser Ausgabe von BoumlllThema Die politischen Implikationen digitaler Medien sind ambivalent Sie erweitern das Arsenal staatlicher Uumlberwachung und Repression und sie koumlnnen zum Verstaumlrker sozialer Bewegungen und demokratischer Opposition werden Der Verfasser dieser Zeilen neigt mit den meisten Autoren dieses Hefts dazu das demokratische Potenzial des Internets houmlher zu bewerten

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Blogs Facebook Twitter und YouTube loumlsen keine Revolutionen aus aber sie koumlnnen gerade in autoritaumlren Staaten zur Plattform fuumlr zivilen Protest und politische Mobilisierung werden wie zuletzt die laquo Arabellion raquo gezeigt hat Hierzulande eroumlffnen digitale Medien neue Moumlglichkeiten der Buumlrgerbeteiligung Im Netz ist potenziell jede und jeder zugleich Produzent und Rezipient von Nachrichten Planungsunterlagen koumlnnen oumlffentlich gemacht Haushaltsentwuumlrfe vorab diskutiert und Volksentscheide organisiert werden Entscheidend ist dass digitale Medien zu einer Verbreiterung und Vertiefung politischer Oumlffentlichkeit beitragen statt ihre Parzellierung und Verflachung zu befoumlrdern Wenn sich nur noch Gleichgesinnte in ihrer Haltung bestaumltigen und jede abweichende Position einen laquo Shitstorm raquo ausloumlst ist das kein Zugewinn an politischer Kultur

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Fuumlr die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist dieses Heft keine Eintagsfliege das Thema wird in der kommenden Ausgabe eine Fortsetzung finden Es ist eingebettet in unsere netzpolitischen Aktivitaumlten im In- und Ausland Wir laden alle ein sich an dieser Debatte zu beteiligen

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Ralf Fuumlcks Mitglied des Vorstands der Heinrich-Boumlll-Stiftung

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Inhalt

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1 Auf dem Weg zur digitalen Demokratie Editorial emspvon emspRalf emspFuumlcks

Digitale DemokratieDigitale Demokratie 3 Politik braucht eine neue Kultur der

Verknuumlpfung mdash Essay von Christoph Bieber

7 E-Democracy = estnische Demokratie Von Manuel Kripp

8 Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen sicher sein mdash Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband emsp

12 Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen mdash Von Felix Kolb

13 Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen mdash Rebecca MacKinnon interviewt von David Pachali

14 Clash of Cultures im Cyberspace mdash Essay von Wolfgang Kleinwaumlchter

18 laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo mdash Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

20 laquo Die Feinde des Internets und ihre Opfer raquo

23 Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern Von Konstantin von Notz

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit 24 Die neue Unuumlbersichtlichkeit des Internets

Essay von Christoph Kappes

27 Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts mdash Von Katrin Roumlnicke

Digitale KDigitale Kulturultur 28 laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende

Wollmilchsau raquo mdash Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz (Chaos Computer Club) und Konstantin von Notz (Gruumlne) moderiert von Carsten Werner

Digitale OumlkonomieDigitale Oumlkonomie 32 Die Versuchungen von Big Data

Essay von Jeanette Hofmann

34 Die Antwort auf Big Data lautet Open Data Essay von Jan Schallaboumlck

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag 36 Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

Eine Betrachtung von Annette Maennel emsp

rarrrarr 118 8 Die Kuumlnstlerin und Bloggerin Sondos Shabayek (Aumlgypten) uumlber Twitter und die Ereignisse auf dem Tahrir Platz

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InhaltInhalt 3 Digitale Demokratie 24 Digitale

Oumlffentlichkeit 28 Digitale Kultur 32 Digitale Oumlkonomie 36 Mein digitaler Alltag

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Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung

Von Christoph Bieber

Die Debatte um die Chancen (und Grenzen) digitaler Partizipation hat in den letzten Jahren deutlich Fahrt aufgenommen ndash in der Ruumlckschau lassen sich in einer internashytionalen Perspektive der laquoObama-Effektraquo

im US-Wahlkampf 2008 und in Deutschland die Ausshyeinandersetzung um die Einfuumlhrung von Netzsperren im Fruumlhjahr 2009 als wichtige Wegmarken fuumlr die weiteren Entwicklungen benennen Die hierzulande unter dem Schlagwort laquoZensursularaquo bekannt geworshydene Episode ist dabei eine von mehreren Schockshysituationen die das politische System ganz offenbar benoumltigt hat um sich mit der wachsenden Bedeushytung der digitalen interaktiven Kommunikationsumshygebung des Internets zu beschaumlftigen Im Sommer 2010 waren es dann die WikiLeaks-Enthuumlllungen die Politikern und Journalisten vor Augen fuumlhrten dass sich Konfigurationen politischer Oumlffentlichkeiten in einem grundlegenden Wandel befinden Und wieder ein Jahr spaumlter im Herbst 2011 sorgten zunaumlchst die Affaumlre um den Bundestrojaner eine im Staatsauftrag entwickelte Spionagesoftware und bald darauf die

Wahlerfolge der Piratenpartei fuumlr weitere Erschuumltteshyrungen im analogen Zentrum der Macht

Den laquoDigitalschocksraquo ist trotz ihrer verschiedenen Kontexte eines gemein Sie verweisen jeweils auf neuartige Beteiligungsmoumlglichkeiten am politischen Prozess ndash sei es uumlber kampagnenorientierte Echt shyzeitkommunikation die Kollaboration auf Leaking-Plattformen das Dabeisein in einer auf Mitmachen gepolten Parteiorganisation oder die Programmieshyrung unfreundlich-interaktiver Software Die ausshyfuumlhrliche Systematisierung dieser Entwicklungen hat gerade erst begonnen denn aumlhnlich wie die Politik steht auch die Wissenschaft angesichts der enormen Dynamik und Vielschichtigkeit der Phaumlnomene unter Schock ndash es fehlen nicht nur geeignete Methoden und neue Werkzeuge fuumlr eine akademische Analyse auch in theoretischer Hinsicht bestehen noch gravieshyrende Defizite Waumlhrend sich die Politikwissenschaft gerade erst muumlhsam an die Massenmediendemokra shytie des Fernsehzeitalters herangearbeitet hat (und mit der Postdemokratie ein Konzept umwaumllzt das schon wieder seltsam veraltet wirkt)

DIGITDIGITAL-ALshy SCHOCKSCHOCKSS

2008 Obamas Facebook-

Wahlkampf

2009 Ursula van der Leyens

Netzsperre

2010 WikiLeaks veroumlffentlicht

Videos uumlber einen Luftangriff des US-Militaumlrs in Bagdhad bei dem u a 2 Journalisten

getoumltet werden

2011 Die Piratenpartei erreicht 89 der Stimmen bei der Wahl zum

Berliner Abgeordnetenhaus

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sortieren Medien- und Kommunikationswissenschaft die Theorie-Schubladen neu (wo hatten wir gleich nochmal den McLuhan hingelegt)

In der Uumlbergangsphase zwischen fernsehorien shytierter Mediendemokratie hin zur internetbasierten Beteiligungsdemokratie geraumlt vor allem die Kategoshyrie des Publikums in den Blick Bislang realisieren nur wenige Untersuchungszusammenhaumlnge diesen Entwicklungsschritt der gerade auch in einer polishytik- und demokratiewissenschaftlichen Perspektive ebenso relevant wie zeitgemaumlszlig erscheint Waumlh shyrend sich in der medialen Dimension vor allem die Zuschauerposition radikal wandelt und laumlngst nicht mehr als passive Konsumentenrolle modelliert wirdist es in der politischen Dimension die Gestalt des Buumlrgers die mit staumlrkeren Beteiligungsrechten (und -pflichten) ausgestattet werden kann laquoDie Couch-Potato hat sich vom Sofa erhobenraquo formuliert der Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig und skizshy

ziert so den Uumlbergang von der laquoNur-Lese-Kulturraquo des Fernsehens zur laquoLeseSchreibe-Kulturraquo der digitalen Medien

Oft wird die neue Beteiligungsmacht dieser aktiv gewordenen Couch-Potatoes belaumlchelt oder gleich ganz ignoriert ndash zumindest so lange bis die naumlchste Schocktherapie anschlaumlgt und politische Akteure (dann meist schmerzhaft) an die Existenz des Politikshyraums Internet erinnert

Vier Vektoren der Digitalisierung der Politik Ganz grob bestimmen seit dem Jahr 2008 vier Vektoshyren die nachholende Digitalisierung der Politik das Aufkommen sozialer Netzwerke als vernetzte Oumlffent shylichkeiten die Erfahrungen mit den Formaten der Echtzeitkommunikation die Nutzung von Online-Plattformen zur digitalen Kollaboration sowie die wachsende Bedeutung von Code als Machtressource

1 Der Siegeszug der sozialen Netzwerke Nicht erst der Boumlrsengang von Facebook im Fruumlhjahr 2012 dokumentiert den enormen Siegeszug der sozialen Netzwerke in den vergangenen vier Jahren Zur Erinnerung Als im Vorfeld der US-Praumlsidentschaftswahl Barack Obama die Netzwerkstrukturen auf seine Wahlkampfkommunikation uumlbertrug dominierten in Deutschland noch die Angebote der VZ-Gruppe und Facebook duumlmpelte bei weniger als vier Millionen Nutzern vor sich hin Inzwischen haben weltweit mehr als 850 Millionen Menschen eigene Profilseiten angelegt Zur Zeit der Programmierung der ersten Facebook-Plattform im Jahr 2004 war dies in etwa die Gesamtnutzerzahl des Internets Auch in Deutschland ist Facebook laumlngst das dominierende Online-Netzwerk geworden die Zahl der hierzulande angelegten Profile betrug laut allfacebookde im Juli 2012 stattliche 237 Millionen Die laquo Massenmedialisierung raquo der sozialen Netzwerke ist nicht allein auf Facebook beschraumlnkt auch YouTube Twitter und andere Spielarten dieses Online-Genres erfreuen sich groszliger Beliebtheit Angesichts dieser Entwicklung erscheint es nur logisch dass sich politische Akteure zunehmend mit dieser neuen kommunikativen Arena auseinandersetzen Doch nur die wenigsten politischen Netzwerker realisieren die besonderen Probleme die daraus in Deutschland resultieren ndash die Oumlffnung hin zu Freunden Fans und Followern wirkt stets auch auf die schon vorhandenen analogen sozialen Netzwerke zuruumlck Und das sind in der deutschen Parteiendemokratie in erster Linie die Mitgliederorganisationen der Parteien ndash erkennbar wird hier ein besonderes Dilemma fuumlr die vernetzten Politiker Sie koumlnnen sich zwar individuell neue laquo persoumlnliche Oumlffentlichkeiten raquo (Jan Schmidt) erschlieszligen loumlsen damit aber zugleich nicht selten unmittelbare Konkurrenzverhaumlltnisse mit den bereits bestehenden Netzwerken aus Auf die Frage wie sich diese Segmente produktiv miteinander verschraumlnken lassen

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uarr Digitale Alter Ego im Kampagnenmotiv der franzoumlsischen NGO La Quadrature du Net Dass mit ACTA ein netzspezifisches Thema gezeigt hat was an digitaler transnationaler europaumlischer Oumlffentlichkeit moumlglich ist duumlrfte auch NGOs im nicht-digitalen Sektor befluumlgelt haben (Lizenz CC-BY-SA)

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EssayEssay

laquolaquo Die verDie vergangenen vier Jahregangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wiehaben gezeigt dass es so etwas wie lsaquolsaquo SchnittstellenSchnittstellen rsaquo braucht die digitalersaquo braucht die digitale

PPolitikprozesse undolitikprozesse und -innovationen mit-innovationen mit den traditionell (und richtigerweise)den traditionell (und richtigerweise)

langsameren Rlangsameren Routinen des politischenoutinen des politischen AlltagsgeschaumlftsAlltagsgeschaumlfts verkoppelnverkoppeln raquoraquo

sind bislang noch kaum uumlberzeugende Antworten gefunden worden

2 Die Effekte der Echzeitkommunikation Die Effekte der laquo politischen Echtzeitkommunikation raquo wurden in Deutschland lange Zeit belaumlchelt ndash doch trotz des hierzulande schlechten Images des weltweit houmlchst erfolgreichen Kurzmitteilungsservice Twitter haben sich Politiker recht fruumlh auf das Format eingelassen Dass man via Twitter weit mehr als nur laquo 140 Zeichen heiszlige Luft raquo (FAZ) verbreiten kann haben zuletzt zahlreiche parlamentarische Spitzenakteure bewiesen den vielleicht groumlszligten Beitrag zur Salonreife hat mit RegSprecher jedoch ein institutioneller Twitterer geliefert Die professionelle und dem knappen dialogischen Format angemessene Form macht deutlich dass hier ein neuer Distributionskanal entstanden ist den politische Akteure sehr produktiv in die alltaumlgliche Vermittlungsarbeit integrieren koumlnnen Dabei umgehen sie mitunter die klassischen Vertriebswege des politischen Journalismus und erreichen ihre Zielpublika direkt ndash ein weiteres Beispiel fuumlr die Entstehung neuer vernetzter Oumlffentlichkeiten Allmaumlhlich zeichnet sich in der parlamentarischen Twitter-Nutzung eine zweite Neuerung ab bisweilen erhalten die Kurzdialoge den Charakter einer laquo Branchenkommunikation raquo wenn die Politiker innerhalb der eigenen Partei aber auch quer zu den Fraktionsgrenzen miteinander ins Gespraumlch kommen Dass sich dadurch die Kommunikationsarena des Parlaments veraumlndern kann hat etwa die Debatte im hessischen Landtag gezeigt Dort erlaubte der Aumlltestenrat nach einer internen Kontroverse das Twittern von der Besuchergalerie Damit erhaumllt nun auch der interessierte Buumlrger die Moumlglichkeit sich in die parlamentarische Parallelkommunikation einzuschalten ndash das bezeugt die allmaumlhliche Anerkennung des Veraumlnderungsdrucks medialer Innovationen im Politikbetrieb

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3 Die Moumlglichkeiten der digitalen Kollaboration Die Moumlglichkeiten einer dezentralen uumlber multi- oder monothematische Plattformen organisierten digitalen Kollaboration koumlnnen als weitere Triebfeder der politischen Digitalisierung verstanden werdenAls Prototyp gilt hier sicher die Online-Enzyklopaumldie Wikipedia doch zuletzt haben auch explizit politische Plattformen als Partizipationsangebote reuumlssiert Selbst wenn WikiLeaks als Enthuumlllungsplattform den offenen dezentralen Arbeitsmodus zu Gunsten einer staumlrker laquo sendeorientierten raquo Arbeitsteilung mit prominenten Medienvertretern aufgegeben hat gilt die Website in ihrer urspruumlnglichen Version als Wegbereiter fuumlr eine ganze Reihe von Transparenzakteuren In Deutschland haben insbesondere die Aktivitaumlten des laquo GuttenPlag Wiki raquo die Funktionsweise der Online-Kollaboration illustriert Die dort entstandene Datensammlung fungierte nach auszligen als Informations

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plattform und wirkte gleichzeitig identitaumltsstiftend im Gruppenzusammenhang der Aktiven Die groszlige Produktivkraft solch niedrigschwelliger Mitmach-Angebote zeigt sich auch entlang des Piratenwiki Es ist weit mehr als nur eine willkuumlrlich zusammengetragene Sammlung von Informationen uumlber die Piratenpartei Es uumlbernimmt auszligerdem die Rolle der Planungszentrale fuumlr Parteiversammlungen bietet Orientierung fuumlr Neumitglieder und dokumentiert die unterschiedlichsten Parteiaktivitaumlten Anders als die digitalen Parteizentralen der uumlbrigen Parteien bleibt die Gestaltung dieser strategischen Ressource damit in den Haumlnden der Mitglieder und Unterstuumltzer und eroumlffnet so neue digitale Beteiligungsmoumlglichkeiten an der innerparteilichen Kommunikation und Organisation

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4 Der Einsatz von Code Waumlhrend die vorgenannten Digitalisierungsprozesse noch einen starken politischen Akteurs- oder Prozessbezug aufweisen laumlsst sich auch eine vierte weniger sichtbare Ebene ausmachen die gewissermaszligen laquo hinter raquo den verschiedenen Phaumlnomenen liegt Gerne uumlbersehen wird naumlmlich dass politische Beteiligungsinnovationen auf den kenntnisreichen Einsatz von Code zuruumlckzufuumlhren sind Das Programmieren neuer Demokratie-Anwendungen ist andernorts weit verbreitet ndash mit dem W ettbewerb laquo Apps for Democracy raquo (USA) oder dem Daten-Portal datagov uk (Groszligbritannien) existieren bereits Leuchtturm-Projekte deren Uumlbertragung nach Deutschland als vorerst gescheitert gelten kann Die gesellschaftliche Bedeutung dieser neuen produktions- und nicht rezeptionsorientierten Form von Medienkompetenz ist hierzulande noch kaum angekommen ndash der US-amerikanische Medientheoretiker Douglas Rushkoff bemuumlht angesichts der wachsenden Bedeutung von Code als Kulturgut eine drastische Sprache laquo Programmiert selbst ndash oder ihr werdet programmiert werden raquo Allerdings haben zuletzt auch in Deutschland einige softwareorientierte Projekte diese ebenso aktuelle wie wichtige Debatte forciert

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uarr Wer kommuniziert hier mit wem Parteitag der Piraten in Muumlnster 2012

Die innerparteiliche Entscheidungsfindung verschie shydener Gliederungen der Piratenpartei mittels laquoLiquid Feedbackraquo oder die Erweiterung der Enquecircte-Kom shymission laquoInternet und Digitale Gesellschaftraquo um den so genannten laquo18 Sachverstaumlndigenraquo durch die Diskussions- und Bewertungssoftware laquoAdhocracyraquo stellen unter Beweis dass auch in Deutschland polishytisches Innovationspotenzial vorhanden ist Einge shyrahmt von der eher demokratietheoretischen Debatte um laquoLiquid Democracyraquo wecken die politischen Soft shyware-Entwicklungen nun auch das Interesse internashytionaler Beobachter Deren Fokus faumlllt ndash bislang zu Recht ndash auf die Piratenpartei die dem politischen Alltag eine digitale Facette hinzugefuumlgt hat und darin den neuen Normalmodus gesellschaftlicher Beteili shygung erkennen will Die uumlbrigen Mitgliederparteien nehmen den interaktiven Kommunikationsraum des Internets zwar auch nicht mehr als ein voumlllig fremdes wohl aber als ein ungewoumlhnliches Terrain wahr und agieren eher zoumlgerlich

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Digitale Partizipation benoumltigt Schnittstellen zur analogen Welt Ob sich die digitale Schocktherapie schlieszliglich in einem gesellschaftlichen Partizipationsplus auszahlen wird ist laumlngst noch nicht klar Zu ungewiss sind einerseits die Verarbeitungs- und Anpassungskapazitaumlten der politischen Akteure ndash und auf die kommt es immer noch an wenn sich das politische System einer digitalen Beteiligungskur unterziehen soll Die vergangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wie laquo Schnittstellen raquo braucht die digitale Politikprozesse und -innovationen mit den traditionell (und richtigerweise) langsameren Routinen des politischen Alltagsgeschaumlfts verkoppeln Die Obama-Kampagne war ein solches laquo Interface raquo zwischen digitalen und analogen Politikraumlumen die WikiLeaks-

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Entwicklungen ebenfalls Gleiches gilt fuumlr Anonymus oder auch die Occupy-Bewegung In Deutschland haben sich die Piraten zum aktuell wirkmaumlchtigsten Schnittstellenakteur entwickelt sie uumlberlagern inzwischen sogar die Impulse aus der internationalen Online-Welt Bis vor gut einem Jahr brauchte es Julian Assange und die WikiLeaks-Kampagnen um den Begriff der Transparenz auf die politische Agenda zu bringen ndash in Deutschland haben die Piraten diese Aufgabe uumlbernommen Aumlhnliches gilt fuumlr politische Echtzeitkommunikation oder auch die Debatte um die gesellschaftliche Bedeutung von Code

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Es waumlre allerdings geradezu fatal die digitale Modernisierung der Politik als exklusives Piratenpro shyjekt zu verstehen Es ist richtig und konsequent dass sich die anderen Parteien einem laquodigitalen Selbst shytestraquo unterziehen und in mitunter schmerzhaften Identitaumltsfindungsprozessen neue Positionen zu den Themen und Verfahren einer internetorientierten Mediendemokratie ermitteln Mindestens an dieser Stelle ist der Begriff der laquoMitmach-Politikraquo ernst zu nehmen ndash fuumlr die verschiedenen Plattformen der sozi shyalen Medien gibt es keine Anleitung Die Potenziale vernetzter Oumlffentlichkeiten politischer Echtzeitkom shymunikation oder Online-Kollaborationsplattformen erschlieszligen sich vor allem deren Nutzern Es ist an der Zeit dass die Politik die Potenziale des aktiven Publikums erkennt ndash auch und gerade dann wenn dafuumlr ein Wechsel der Perspektive noumltig sein sollte

Prof Christoph Bieber forscht lehrt und publiziert seit Jahren zu Fragen der digitalen Oumlffentlichkeit und Demokratie

7laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das

Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werdenraquowieder gesteigert werdenraquo

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E-Democracy = estnische Demokratie

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

2200005 w5 wurrddeen en errssttmmals is in En Essttlaland Pnd Paarrlammeennttsswahlen per Ir Intteerrnnett moumlgglliicchh s seecchhs Js Jaahhrre se sppaumlter maachte dort berreeiitts js jeeddeer vr viieerrtte We Waumlhhlleerr ddavoon Gn Geebrbraauucchh M Miitttleerrwweeiile follgeen Ln Laumlaumlndndeer wr wie Norwegenn F Frraannkkrreeiicchh und diie Se Scchhwweeiiz dz deem em essttnniisscchhen Beiisspiel ndash w oomoumloumlglich aucch eh eiinnees Ts Taaggeess DDeeuuttsscchhlalandnd

DVon Manuel Kripp

emokratien sind hohen Anforderungen ausgesetzt davon zeugen sinkende Wahlbeteiligungen steigende

Briefwaumlhleranteile sowie der Wunsch der Buumlrger nach haumlufigerer und direkterer Beteiligung bei gleichzeitiger Ortsunabhaumlngigkeit Eine Antwort auf diese Herausforderungen liegt im Einsatz moderner Technologien im Wahlprozess Durch eine Digitalisierung der Demokratie koumlnnen das Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werden

Vorreiter der Entwicklung zum I-Voting war und ist Estland Dort wurde es zum ersten Mal bei der Lokalwahl 2005 praktiziert Die seinerzeitige Internet-Wahlbeteiligung von rund 2 Prozent hat sich bei der Parlamentswahl vom Maumlrz 2011 bereits auf 243 Prozent gesteigert Laut Untersuchungen des European University Institute haumltten 16 Prozent dieser Internet-Waumlhlerinnen und -Waumlhler ihre Stimme nicht abgegeben wenn die Moumlglichkeit der Internetwahl nicht zur Verfuumlgung gestanden haumltte

Die hohe Internet-Wahlbeteiligung ist auch in der ausgepraumlgten E-Governmentstruktur Estlands begruumlndet Ca 95 Prozent der Esten besitzen im Rahmen ihrer nationalen ID-Karte eine digitale Buumlrgerkarte und sind somit in der Lage den uumlberwiegenden Teil ihrer Kommunikation mit den Behoumlrden uumlber das Internet zu fuumlhren

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92 Prozent erledigen ihre Steuererklaumlrung online Firmenanmeldungen koumlnnen ebenso uumlber das Internet abgewickelt werden wie Autoverkaumlufe oder die notarielle Beglaubigung von Dokumenten Daruumlber hinaus bekommt jeder Buumlrger mit der nationalen ID-Karte auch eine estnische E-Mail-Adresse Die elektronische Kommunikation und Interaktion ist zur alltaumlglichen Normalitaumlt der Esten geworden Und das estnische Beispiel findet Nachahmer 2011 fuumlhrten auch Norwegen und die Schweiz und 2012 Frankreich Internetwahlen ein Die Schweiz ist ein sehr interessantes Beispiel denn Internet-Abstimmungen werden schon seit einiger Zeit in gewissen Kantonen angeboten 2011 wurde aber bei einem Bundesreferendum jedem im Ausland lebenden Schweizer in zehn Kantonen die Moumlglichkeit des I-Votings gegeben Auch Frankreich hat bei den Parlamentswahlen 2012 fuumlr im Ausland lebende Waumlhler das Internet eingesetzt Bei beiden Wahlen hielt sich die Wahlbeteiligung noch in Grenzen doch zeigten sich die Nutzungsmoumlglichkeiten fuumlr spezifische Waumlhlergruppen

In Norwegen beteiligten sich 2011 bei einem Pilotprojekt zehn Gemeinden an der Internetwahl dabei wurden ca 25 Prozent der Stimmen digital abgegeben Dieser Erfolg laumlsst sich auf eine offene Diskussion des I-Votings und ein ausgepraumlgtes E-Governmentsystem mit einer mobilen ID zuruumlckfuumlhren Dadurch wurde ein Verifikationsmechanismus moumlglich der jedem Waumlhler eine teilweise Kontrolle des nicht einsehbaren technischen Wahlprozesses gestattete

Im Vergleich zu Laumlndern wie Estland und Norwegen steht Deutschland noch am Anfang Nicht zuletzt das Urteil des BVerfG zum I-Voting ist fuumlr dessen Einfuumlhrung eine hohe Huumlrde Um dem zu genuumlgen ist nicht zuletzt Voraussetzung dass jedem Buumlrger eine digitale Identitaumlt zur Verfuumlgung steht mit der eine sichere rechtsguumlltige digitale Unterschrift moumlglich ist Der neue Personalausweis ist ein erster Schritt in die richtige Richtung jedoch fehlen bisher entsprechende Applikationen und Pilotprojekte Eine moumlgliche Vision koumlnnte der Einsatz von Internetwahlen bei den Sozialwahlen 2017 sein bei denen beispielsweise uumlber die Krankenversichertenkarte die Identifikation sichergestellt werden kann und eine kostenguumlnstige schnelle Alternative zur Briefwahl angeboten wird

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Manuel Kripp ist Geschaumlftsfuumlhrer des Competence Center for Electronic Voting and Participation (wwwe-votingcc)

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Kein Koalitionspartner kann aller Piraten-stimmen sicher sein

Wo die Piraten auf der Rechts-links-Skala zu finden sind was die 90-9-1-Regel besagt wie die repraumlsentative durch die liquide Demokratie ergaumlnzt werden kann und warum die Abgeordneten der Piraten zwar nach ihrem Gewissen entscheiden aber so wie die Basis abstimmen

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Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband

Ralf Fuumlcks Die Piraten haben einen fast maumlrchenhaften Aufstieg erlebt seit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eilen sie von Erfolg zu Erfolg Trotzdem hat man das Gefuumlhl dass sie ihren Zenit schon uumlberschritten haben Sie sind vor allem mit sich selbst beschaumlftigt wirken bei den groszligen politischen Entscheidungen ndash wie weiter mit Europa Griechenland Fiskal-Pakt Energiewende ndash merkwuumlrdig abwesend Wie lange koumlnnen sie sich das leisten Marina Weisband Von den vier Themen die Sie gerade benannt haben beziehen sich drei auf die Euro-Krise Die Piraten haben zu zwei groumlszligeren Themenkomplexen noch kein Grundsatzprogramm das sind die Wirtschafts- und die Auszligenpolitik Das erschwert natuumlrlich das Mitreden in diesen Bereichen Bei beiden werden wir jedoch im November ein Grundsatzprogramm beschlieszligen Bis dahin koumlnnen wir uumlber diese Themen nicht sehr intensiv mitentscheiden Bei anderen hingegen die wir schon in unser Programm aufgenommen haben haben wir auch zur oumlffentlichen Debatte beigetragen Wir haben uns auch zur Energiewende positioniert unsere Anti-Atom-Piraten sind da zu ihrer Houmlchstform aufgelaufen und haben bei saumlmtlichen Demonstrationen mitgewirkt Es ist also gar nicht so dass wir uns voumlllig bedeckt halten

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Fuumlcks Auch wo die Piraten programmatische Aussagen beschlossen haben merkt man davon nicht viel in der oumlffentlichen Debatte Ich mutmaszlige das hat sehr viel mit ihren internen Strukturen zu tun Der Bundesvorstand wird sowohl in der Ausuumlbung seines politischen Mandates als auch finanziell extrem kurzgehalten Er ist im Grunde nicht autorisiert mit authentischen Positionen an der oumlffentlichen Debatte teilzunehmen und politische Initiativen zu ergreifen Kann diese basisdemokratische Weigerung eine professionelle Struktur aufzubauen nicht zum politischen Bumerang werden

Weisband Ich glaube nicht Ihre Auszligenwahrnehmung hat ganz viel damit zu tun dass wir einfach keine professionellen PR-Strukturen haben Wir haben keinerlei Erfahrung in Oumlffentlichkeitsarbeit wir machen das einfach wie es uns gerade einfaumlllt Das bedeutet dass die oumlffentliche Wahrnehmung der Piraten stark davon bestimmt ist was Journalisten uumlber uns erzaumlhlen wollen Immer das was gerade als Story gut ist wird dargestellt zum Positiven wie zum Negativen Auch wenn unser Bundesvorstand eine eigene Meinung sagen durfte wird die nicht abgedruckt

Fuumlcks Aber die Piraten sind doch sehr stark medial praumlsent

Ralf Fuumlcks ist Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Marina Weisband war Bun-desgeschaumlftsfuumlhrerin der Partei laquo Die Piraten raquo

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laquoDurch die Information und dielaquoDurch die Information und die KKommunikation miteinander brauchenommunikation miteinander brauchen

BuumlrBuumlrger weniger Rger weniger Repraumlsentanten sieepraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Vkoumlnnen und sollen mehr Verantwortungerantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundideefuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee

unserer Punserer Partei ist der informierteartei ist der informierte MenschMensch raquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

GespraumlchGespraumlch

Weisband Das ist richtig Aber das heiszligt nicht dass alles was man sagt so auch erscheint Wir haben es natuumlrlich auch uns selbst zuzurechnen dass wir einfach noch nicht so gut darin sind unsere eigenen Themen zu platzieren Aber das werden wir noch lernen

Was den Bundesvorstand betrifft ich wuumlrde mir wirklich nicht wuumlnschen dass er legitimiert ist eine eigene Agenda zu setzen Denn wozu haben wir unsere basisdemokratischen Strukturen wenn ein paar Leute die mehr Macht haben weil ihnen zugehoumlrt wird dadurch ihre eigenen Plaumlne durchpushen koumlnnen Wenn ich als Bundesvorstand sage Ich bin gegen einen Atomausstieg ndash was ich nicht bin aber als Beispiel ndash dann wuumlrde es heiszligen Die Piratenpartei ist gegen den Atomausstieg Und das wuumlrde einfach nicht stimmen

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Fuumlcks Dieses Hohelied auf die Basisdemokratie das imperative Mandat fuumlr Abgeordnete die Ablehnung einer Professionalisierung von Politik zeugt das nicht von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenuumlber Personen die man in verantwortliche Positionen gewaumlhlt hat Sie reduzieren Abgeordnete und Vorstaumlnde auf Funktionaumlre wenn Sie ihnen gar keine Freiheit zubilligen diese Rolle auszufuumlllen

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Weisband Es ist genau das Gegenteil der Fall Wir wollen dass moumlglichst viele moumlglichst viel Freiheit und moumlglichst viel Verantwortung haben und denen vertrauen wir und das ist unsere Parteibasis Wir wollen dass die die Verantwortung tragen dass die das Programm weiterentwickeln dass die fuumlr uns mitsprechen dass die unsere Partei entwickeln Wir wollen kein imperatives Mandat auf keinen Fall Wir sind gerade fuumlr die Gewissensfreiheit der Abgeordneten deshalb sind wir auch gegen Fraktionszwang Aber wir moumlchten dass moumlglichst viel von der Basis aus gemacht wird Das ist das Humane an unserem Modell Wir wollen gerade denen die Verantwortung und das Vertrauen schenken

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Fuumlcks Soweit ich weiszlig beteiligt sich nur ein Bruchteil dieser Basis tatsaumlchlich an der Parteidebatte Wenn eine kleine Minderheit von Aktivisten die im Netz zu Hause sind eine sehr starke Praumlgekraft hat dann ist das doch ein hoch selektiver nicht wirklich repraumlsentativer Prozess

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Weisband Dieser Prozess ist keineswegs selektivweil jeder mitarbeiten kann der will Und in Systemen in denen jeder mitarbeiten kann der willhaben wir eine so genannte 90-9-1-Regel In einem freien System sind 90 Prozent der Mitglieder meistens eher schweigende Zuschauer 9 Prozent sind mittelaktive User und von einem Prozent stammen 90 Prozent des Contents Das erleben wir so in Forendas erleben wir auf jeder Plattform wo man freiwillig mitarbeiten kann Sie werden auch von den Gruumlnen wissen dass die meisten Mitglieder doch inaktiv sind

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Weisband Nein das Verfahren ist einfach nur Teil unseres Inhalts Und unser Inhalt besagt dass unsere Welt sich so weit zu einer Informationsgesellschaft entwickelt hat dass der Mensch besser informiert ist Durch die Information und die Kommunikation miteinander brauchen Buumlrger weniger Repraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Verantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee unserer Partei ist der informierte Mensch

Ein Zehntel wirklich aktiv beteiligter Mitglieder ist so gesehen eine ganz gute Zahl Das Wichtigste ist dass wir keine Huumlrden fuumlr Beteiligung setzen Das heiszligt dass jeder der mitarbeiten will wirklich mitarbeiten kann und das ist eine demokratische Struktur Wir koumlnnen die Menschen ja nicht zur Mitarbeit zwingen

Fuumlcks Ist das der Kern Ihres Selbstverstaumlndnisses als neue politische Formation Parteien stehen in der Regel fuumlr eine groszlige politische Idee Liberalismus christliche Werte soziale Gerechtigkeit oder Oumlkologie Stehen die Piraten nicht fuumlr eine neue politische Richtung sondern fuumlr ein alternatives Verfahren

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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laquoIch kann mir vorstellen dass die PlaquoIch kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in einiratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Rpaar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgtegierungsverantwortung traumlgt

Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

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einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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12 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

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Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

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Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

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16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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24 BoumlllThema 22012

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

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26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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BoumlllThema 22012 27

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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1 Auf dem Weg zur digitalen Demokratie Editorial emspvon emspRalf emspFuumlcks

Digitale DemokratieDigitale Demokratie 3 Politik braucht eine neue Kultur der

Verknuumlpfung mdash Essay von Christoph Bieber

7 E-Democracy = estnische Demokratie Von Manuel Kripp

8 Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen sicher sein mdash Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband emsp

12 Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen mdash Von Felix Kolb

13 Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen mdash Rebecca MacKinnon interviewt von David Pachali

14 Clash of Cultures im Cyberspace mdash Essay von Wolfgang Kleinwaumlchter

18 laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo mdash Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

20 laquo Die Feinde des Internets und ihre Opfer raquo

23 Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern Von Konstantin von Notz

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit 24 Die neue Unuumlbersichtlichkeit des Internets

Essay von Christoph Kappes

27 Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts mdash Von Katrin Roumlnicke

Digitale KDigitale Kulturultur 28 laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende

Wollmilchsau raquo mdash Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz (Chaos Computer Club) und Konstantin von Notz (Gruumlne) moderiert von Carsten Werner

Digitale OumlkonomieDigitale Oumlkonomie 32 Die Versuchungen von Big Data

Essay von Jeanette Hofmann

34 Die Antwort auf Big Data lautet Open Data Essay von Jan Schallaboumlck

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag 36 Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

Eine Betrachtung von Annette Maennel emsp

rarrrarr 118 8 Die Kuumlnstlerin und Bloggerin Sondos Shabayek (Aumlgypten) uumlber Twitter und die Ereignisse auf dem Tahrir Platz

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InhaltInhalt 3 Digitale Demokratie 24 Digitale

Oumlffentlichkeit 28 Digitale Kultur 32 Digitale Oumlkonomie 36 Mein digitaler Alltag

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Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung

Von Christoph Bieber

Die Debatte um die Chancen (und Grenzen) digitaler Partizipation hat in den letzten Jahren deutlich Fahrt aufgenommen ndash in der Ruumlckschau lassen sich in einer internashytionalen Perspektive der laquoObama-Effektraquo

im US-Wahlkampf 2008 und in Deutschland die Ausshyeinandersetzung um die Einfuumlhrung von Netzsperren im Fruumlhjahr 2009 als wichtige Wegmarken fuumlr die weiteren Entwicklungen benennen Die hierzulande unter dem Schlagwort laquoZensursularaquo bekannt geworshydene Episode ist dabei eine von mehreren Schockshysituationen die das politische System ganz offenbar benoumltigt hat um sich mit der wachsenden Bedeushytung der digitalen interaktiven Kommunikationsumshygebung des Internets zu beschaumlftigen Im Sommer 2010 waren es dann die WikiLeaks-Enthuumlllungen die Politikern und Journalisten vor Augen fuumlhrten dass sich Konfigurationen politischer Oumlffentlichkeiten in einem grundlegenden Wandel befinden Und wieder ein Jahr spaumlter im Herbst 2011 sorgten zunaumlchst die Affaumlre um den Bundestrojaner eine im Staatsauftrag entwickelte Spionagesoftware und bald darauf die

Wahlerfolge der Piratenpartei fuumlr weitere Erschuumltteshyrungen im analogen Zentrum der Macht

Den laquoDigitalschocksraquo ist trotz ihrer verschiedenen Kontexte eines gemein Sie verweisen jeweils auf neuartige Beteiligungsmoumlglichkeiten am politischen Prozess ndash sei es uumlber kampagnenorientierte Echt shyzeitkommunikation die Kollaboration auf Leaking-Plattformen das Dabeisein in einer auf Mitmachen gepolten Parteiorganisation oder die Programmieshyrung unfreundlich-interaktiver Software Die ausshyfuumlhrliche Systematisierung dieser Entwicklungen hat gerade erst begonnen denn aumlhnlich wie die Politik steht auch die Wissenschaft angesichts der enormen Dynamik und Vielschichtigkeit der Phaumlnomene unter Schock ndash es fehlen nicht nur geeignete Methoden und neue Werkzeuge fuumlr eine akademische Analyse auch in theoretischer Hinsicht bestehen noch gravieshyrende Defizite Waumlhrend sich die Politikwissenschaft gerade erst muumlhsam an die Massenmediendemokra shytie des Fernsehzeitalters herangearbeitet hat (und mit der Postdemokratie ein Konzept umwaumllzt das schon wieder seltsam veraltet wirkt)

DIGITDIGITAL-ALshy SCHOCKSCHOCKSS

2008 Obamas Facebook-

Wahlkampf

2009 Ursula van der Leyens

Netzsperre

2010 WikiLeaks veroumlffentlicht

Videos uumlber einen Luftangriff des US-Militaumlrs in Bagdhad bei dem u a 2 Journalisten

getoumltet werden

2011 Die Piratenpartei erreicht 89 der Stimmen bei der Wahl zum

Berliner Abgeordnetenhaus

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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sortieren Medien- und Kommunikationswissenschaft die Theorie-Schubladen neu (wo hatten wir gleich nochmal den McLuhan hingelegt)

In der Uumlbergangsphase zwischen fernsehorien shytierter Mediendemokratie hin zur internetbasierten Beteiligungsdemokratie geraumlt vor allem die Kategoshyrie des Publikums in den Blick Bislang realisieren nur wenige Untersuchungszusammenhaumlnge diesen Entwicklungsschritt der gerade auch in einer polishytik- und demokratiewissenschaftlichen Perspektive ebenso relevant wie zeitgemaumlszlig erscheint Waumlh shyrend sich in der medialen Dimension vor allem die Zuschauerposition radikal wandelt und laumlngst nicht mehr als passive Konsumentenrolle modelliert wirdist es in der politischen Dimension die Gestalt des Buumlrgers die mit staumlrkeren Beteiligungsrechten (und -pflichten) ausgestattet werden kann laquoDie Couch-Potato hat sich vom Sofa erhobenraquo formuliert der Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig und skizshy

ziert so den Uumlbergang von der laquoNur-Lese-Kulturraquo des Fernsehens zur laquoLeseSchreibe-Kulturraquo der digitalen Medien

Oft wird die neue Beteiligungsmacht dieser aktiv gewordenen Couch-Potatoes belaumlchelt oder gleich ganz ignoriert ndash zumindest so lange bis die naumlchste Schocktherapie anschlaumlgt und politische Akteure (dann meist schmerzhaft) an die Existenz des Politikshyraums Internet erinnert

Vier Vektoren der Digitalisierung der Politik Ganz grob bestimmen seit dem Jahr 2008 vier Vektoshyren die nachholende Digitalisierung der Politik das Aufkommen sozialer Netzwerke als vernetzte Oumlffent shylichkeiten die Erfahrungen mit den Formaten der Echtzeitkommunikation die Nutzung von Online-Plattformen zur digitalen Kollaboration sowie die wachsende Bedeutung von Code als Machtressource

1 Der Siegeszug der sozialen Netzwerke Nicht erst der Boumlrsengang von Facebook im Fruumlhjahr 2012 dokumentiert den enormen Siegeszug der sozialen Netzwerke in den vergangenen vier Jahren Zur Erinnerung Als im Vorfeld der US-Praumlsidentschaftswahl Barack Obama die Netzwerkstrukturen auf seine Wahlkampfkommunikation uumlbertrug dominierten in Deutschland noch die Angebote der VZ-Gruppe und Facebook duumlmpelte bei weniger als vier Millionen Nutzern vor sich hin Inzwischen haben weltweit mehr als 850 Millionen Menschen eigene Profilseiten angelegt Zur Zeit der Programmierung der ersten Facebook-Plattform im Jahr 2004 war dies in etwa die Gesamtnutzerzahl des Internets Auch in Deutschland ist Facebook laumlngst das dominierende Online-Netzwerk geworden die Zahl der hierzulande angelegten Profile betrug laut allfacebookde im Juli 2012 stattliche 237 Millionen Die laquo Massenmedialisierung raquo der sozialen Netzwerke ist nicht allein auf Facebook beschraumlnkt auch YouTube Twitter und andere Spielarten dieses Online-Genres erfreuen sich groszliger Beliebtheit Angesichts dieser Entwicklung erscheint es nur logisch dass sich politische Akteure zunehmend mit dieser neuen kommunikativen Arena auseinandersetzen Doch nur die wenigsten politischen Netzwerker realisieren die besonderen Probleme die daraus in Deutschland resultieren ndash die Oumlffnung hin zu Freunden Fans und Followern wirkt stets auch auf die schon vorhandenen analogen sozialen Netzwerke zuruumlck Und das sind in der deutschen Parteiendemokratie in erster Linie die Mitgliederorganisationen der Parteien ndash erkennbar wird hier ein besonderes Dilemma fuumlr die vernetzten Politiker Sie koumlnnen sich zwar individuell neue laquo persoumlnliche Oumlffentlichkeiten raquo (Jan Schmidt) erschlieszligen loumlsen damit aber zugleich nicht selten unmittelbare Konkurrenzverhaumlltnisse mit den bereits bestehenden Netzwerken aus Auf die Frage wie sich diese Segmente produktiv miteinander verschraumlnken lassen

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uarr Digitale Alter Ego im Kampagnenmotiv der franzoumlsischen NGO La Quadrature du Net Dass mit ACTA ein netzspezifisches Thema gezeigt hat was an digitaler transnationaler europaumlischer Oumlffentlichkeit moumlglich ist duumlrfte auch NGOs im nicht-digitalen Sektor befluumlgelt haben (Lizenz CC-BY-SA)

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EssayEssay

laquolaquo Die verDie vergangenen vier Jahregangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wiehaben gezeigt dass es so etwas wie lsaquolsaquo SchnittstellenSchnittstellen rsaquo braucht die digitalersaquo braucht die digitale

PPolitikprozesse undolitikprozesse und -innovationen mit-innovationen mit den traditionell (und richtigerweise)den traditionell (und richtigerweise)

langsameren Rlangsameren Routinen des politischenoutinen des politischen AlltagsgeschaumlftsAlltagsgeschaumlfts verkoppelnverkoppeln raquoraquo

sind bislang noch kaum uumlberzeugende Antworten gefunden worden

2 Die Effekte der Echzeitkommunikation Die Effekte der laquo politischen Echtzeitkommunikation raquo wurden in Deutschland lange Zeit belaumlchelt ndash doch trotz des hierzulande schlechten Images des weltweit houmlchst erfolgreichen Kurzmitteilungsservice Twitter haben sich Politiker recht fruumlh auf das Format eingelassen Dass man via Twitter weit mehr als nur laquo 140 Zeichen heiszlige Luft raquo (FAZ) verbreiten kann haben zuletzt zahlreiche parlamentarische Spitzenakteure bewiesen den vielleicht groumlszligten Beitrag zur Salonreife hat mit RegSprecher jedoch ein institutioneller Twitterer geliefert Die professionelle und dem knappen dialogischen Format angemessene Form macht deutlich dass hier ein neuer Distributionskanal entstanden ist den politische Akteure sehr produktiv in die alltaumlgliche Vermittlungsarbeit integrieren koumlnnen Dabei umgehen sie mitunter die klassischen Vertriebswege des politischen Journalismus und erreichen ihre Zielpublika direkt ndash ein weiteres Beispiel fuumlr die Entstehung neuer vernetzter Oumlffentlichkeiten Allmaumlhlich zeichnet sich in der parlamentarischen Twitter-Nutzung eine zweite Neuerung ab bisweilen erhalten die Kurzdialoge den Charakter einer laquo Branchenkommunikation raquo wenn die Politiker innerhalb der eigenen Partei aber auch quer zu den Fraktionsgrenzen miteinander ins Gespraumlch kommen Dass sich dadurch die Kommunikationsarena des Parlaments veraumlndern kann hat etwa die Debatte im hessischen Landtag gezeigt Dort erlaubte der Aumlltestenrat nach einer internen Kontroverse das Twittern von der Besuchergalerie Damit erhaumllt nun auch der interessierte Buumlrger die Moumlglichkeit sich in die parlamentarische Parallelkommunikation einzuschalten ndash das bezeugt die allmaumlhliche Anerkennung des Veraumlnderungsdrucks medialer Innovationen im Politikbetrieb

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3 Die Moumlglichkeiten der digitalen Kollaboration Die Moumlglichkeiten einer dezentralen uumlber multi- oder monothematische Plattformen organisierten digitalen Kollaboration koumlnnen als weitere Triebfeder der politischen Digitalisierung verstanden werdenAls Prototyp gilt hier sicher die Online-Enzyklopaumldie Wikipedia doch zuletzt haben auch explizit politische Plattformen als Partizipationsangebote reuumlssiert Selbst wenn WikiLeaks als Enthuumlllungsplattform den offenen dezentralen Arbeitsmodus zu Gunsten einer staumlrker laquo sendeorientierten raquo Arbeitsteilung mit prominenten Medienvertretern aufgegeben hat gilt die Website in ihrer urspruumlnglichen Version als Wegbereiter fuumlr eine ganze Reihe von Transparenzakteuren In Deutschland haben insbesondere die Aktivitaumlten des laquo GuttenPlag Wiki raquo die Funktionsweise der Online-Kollaboration illustriert Die dort entstandene Datensammlung fungierte nach auszligen als Informations

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plattform und wirkte gleichzeitig identitaumltsstiftend im Gruppenzusammenhang der Aktiven Die groszlige Produktivkraft solch niedrigschwelliger Mitmach-Angebote zeigt sich auch entlang des Piratenwiki Es ist weit mehr als nur eine willkuumlrlich zusammengetragene Sammlung von Informationen uumlber die Piratenpartei Es uumlbernimmt auszligerdem die Rolle der Planungszentrale fuumlr Parteiversammlungen bietet Orientierung fuumlr Neumitglieder und dokumentiert die unterschiedlichsten Parteiaktivitaumlten Anders als die digitalen Parteizentralen der uumlbrigen Parteien bleibt die Gestaltung dieser strategischen Ressource damit in den Haumlnden der Mitglieder und Unterstuumltzer und eroumlffnet so neue digitale Beteiligungsmoumlglichkeiten an der innerparteilichen Kommunikation und Organisation

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4 Der Einsatz von Code Waumlhrend die vorgenannten Digitalisierungsprozesse noch einen starken politischen Akteurs- oder Prozessbezug aufweisen laumlsst sich auch eine vierte weniger sichtbare Ebene ausmachen die gewissermaszligen laquo hinter raquo den verschiedenen Phaumlnomenen liegt Gerne uumlbersehen wird naumlmlich dass politische Beteiligungsinnovationen auf den kenntnisreichen Einsatz von Code zuruumlckzufuumlhren sind Das Programmieren neuer Demokratie-Anwendungen ist andernorts weit verbreitet ndash mit dem W ettbewerb laquo Apps for Democracy raquo (USA) oder dem Daten-Portal datagov uk (Groszligbritannien) existieren bereits Leuchtturm-Projekte deren Uumlbertragung nach Deutschland als vorerst gescheitert gelten kann Die gesellschaftliche Bedeutung dieser neuen produktions- und nicht rezeptionsorientierten Form von Medienkompetenz ist hierzulande noch kaum angekommen ndash der US-amerikanische Medientheoretiker Douglas Rushkoff bemuumlht angesichts der wachsenden Bedeutung von Code als Kulturgut eine drastische Sprache laquo Programmiert selbst ndash oder ihr werdet programmiert werden raquo Allerdings haben zuletzt auch in Deutschland einige softwareorientierte Projekte diese ebenso aktuelle wie wichtige Debatte forciert

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

uarr Wer kommuniziert hier mit wem Parteitag der Piraten in Muumlnster 2012

Die innerparteiliche Entscheidungsfindung verschie shydener Gliederungen der Piratenpartei mittels laquoLiquid Feedbackraquo oder die Erweiterung der Enquecircte-Kom shymission laquoInternet und Digitale Gesellschaftraquo um den so genannten laquo18 Sachverstaumlndigenraquo durch die Diskussions- und Bewertungssoftware laquoAdhocracyraquo stellen unter Beweis dass auch in Deutschland polishytisches Innovationspotenzial vorhanden ist Einge shyrahmt von der eher demokratietheoretischen Debatte um laquoLiquid Democracyraquo wecken die politischen Soft shyware-Entwicklungen nun auch das Interesse internashytionaler Beobachter Deren Fokus faumlllt ndash bislang zu Recht ndash auf die Piratenpartei die dem politischen Alltag eine digitale Facette hinzugefuumlgt hat und darin den neuen Normalmodus gesellschaftlicher Beteili shygung erkennen will Die uumlbrigen Mitgliederparteien nehmen den interaktiven Kommunikationsraum des Internets zwar auch nicht mehr als ein voumlllig fremdes wohl aber als ein ungewoumlhnliches Terrain wahr und agieren eher zoumlgerlich

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Digitale Partizipation benoumltigt Schnittstellen zur analogen Welt Ob sich die digitale Schocktherapie schlieszliglich in einem gesellschaftlichen Partizipationsplus auszahlen wird ist laumlngst noch nicht klar Zu ungewiss sind einerseits die Verarbeitungs- und Anpassungskapazitaumlten der politischen Akteure ndash und auf die kommt es immer noch an wenn sich das politische System einer digitalen Beteiligungskur unterziehen soll Die vergangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wie laquo Schnittstellen raquo braucht die digitale Politikprozesse und -innovationen mit den traditionell (und richtigerweise) langsameren Routinen des politischen Alltagsgeschaumlfts verkoppeln Die Obama-Kampagne war ein solches laquo Interface raquo zwischen digitalen und analogen Politikraumlumen die WikiLeaks-

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Entwicklungen ebenfalls Gleiches gilt fuumlr Anonymus oder auch die Occupy-Bewegung In Deutschland haben sich die Piraten zum aktuell wirkmaumlchtigsten Schnittstellenakteur entwickelt sie uumlberlagern inzwischen sogar die Impulse aus der internationalen Online-Welt Bis vor gut einem Jahr brauchte es Julian Assange und die WikiLeaks-Kampagnen um den Begriff der Transparenz auf die politische Agenda zu bringen ndash in Deutschland haben die Piraten diese Aufgabe uumlbernommen Aumlhnliches gilt fuumlr politische Echtzeitkommunikation oder auch die Debatte um die gesellschaftliche Bedeutung von Code

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Es waumlre allerdings geradezu fatal die digitale Modernisierung der Politik als exklusives Piratenpro shyjekt zu verstehen Es ist richtig und konsequent dass sich die anderen Parteien einem laquodigitalen Selbst shytestraquo unterziehen und in mitunter schmerzhaften Identitaumltsfindungsprozessen neue Positionen zu den Themen und Verfahren einer internetorientierten Mediendemokratie ermitteln Mindestens an dieser Stelle ist der Begriff der laquoMitmach-Politikraquo ernst zu nehmen ndash fuumlr die verschiedenen Plattformen der sozi shyalen Medien gibt es keine Anleitung Die Potenziale vernetzter Oumlffentlichkeiten politischer Echtzeitkom shymunikation oder Online-Kollaborationsplattformen erschlieszligen sich vor allem deren Nutzern Es ist an der Zeit dass die Politik die Potenziale des aktiven Publikums erkennt ndash auch und gerade dann wenn dafuumlr ein Wechsel der Perspektive noumltig sein sollte

Prof Christoph Bieber forscht lehrt und publiziert seit Jahren zu Fragen der digitalen Oumlffentlichkeit und Demokratie

7laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das

Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werdenraquowieder gesteigert werdenraquo

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E-Democracy = estnische Demokratie

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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DVon Manuel Kripp

emokratien sind hohen Anforderungen ausgesetzt davon zeugen sinkende Wahlbeteiligungen steigende

Briefwaumlhleranteile sowie der Wunsch der Buumlrger nach haumlufigerer und direkterer Beteiligung bei gleichzeitiger Ortsunabhaumlngigkeit Eine Antwort auf diese Herausforderungen liegt im Einsatz moderner Technologien im Wahlprozess Durch eine Digitalisierung der Demokratie koumlnnen das Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werden

Vorreiter der Entwicklung zum I-Voting war und ist Estland Dort wurde es zum ersten Mal bei der Lokalwahl 2005 praktiziert Die seinerzeitige Internet-Wahlbeteiligung von rund 2 Prozent hat sich bei der Parlamentswahl vom Maumlrz 2011 bereits auf 243 Prozent gesteigert Laut Untersuchungen des European University Institute haumltten 16 Prozent dieser Internet-Waumlhlerinnen und -Waumlhler ihre Stimme nicht abgegeben wenn die Moumlglichkeit der Internetwahl nicht zur Verfuumlgung gestanden haumltte

Die hohe Internet-Wahlbeteiligung ist auch in der ausgepraumlgten E-Governmentstruktur Estlands begruumlndet Ca 95 Prozent der Esten besitzen im Rahmen ihrer nationalen ID-Karte eine digitale Buumlrgerkarte und sind somit in der Lage den uumlberwiegenden Teil ihrer Kommunikation mit den Behoumlrden uumlber das Internet zu fuumlhren

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92 Prozent erledigen ihre Steuererklaumlrung online Firmenanmeldungen koumlnnen ebenso uumlber das Internet abgewickelt werden wie Autoverkaumlufe oder die notarielle Beglaubigung von Dokumenten Daruumlber hinaus bekommt jeder Buumlrger mit der nationalen ID-Karte auch eine estnische E-Mail-Adresse Die elektronische Kommunikation und Interaktion ist zur alltaumlglichen Normalitaumlt der Esten geworden Und das estnische Beispiel findet Nachahmer 2011 fuumlhrten auch Norwegen und die Schweiz und 2012 Frankreich Internetwahlen ein Die Schweiz ist ein sehr interessantes Beispiel denn Internet-Abstimmungen werden schon seit einiger Zeit in gewissen Kantonen angeboten 2011 wurde aber bei einem Bundesreferendum jedem im Ausland lebenden Schweizer in zehn Kantonen die Moumlglichkeit des I-Votings gegeben Auch Frankreich hat bei den Parlamentswahlen 2012 fuumlr im Ausland lebende Waumlhler das Internet eingesetzt Bei beiden Wahlen hielt sich die Wahlbeteiligung noch in Grenzen doch zeigten sich die Nutzungsmoumlglichkeiten fuumlr spezifische Waumlhlergruppen

In Norwegen beteiligten sich 2011 bei einem Pilotprojekt zehn Gemeinden an der Internetwahl dabei wurden ca 25 Prozent der Stimmen digital abgegeben Dieser Erfolg laumlsst sich auf eine offene Diskussion des I-Votings und ein ausgepraumlgtes E-Governmentsystem mit einer mobilen ID zuruumlckfuumlhren Dadurch wurde ein Verifikationsmechanismus moumlglich der jedem Waumlhler eine teilweise Kontrolle des nicht einsehbaren technischen Wahlprozesses gestattete

Im Vergleich zu Laumlndern wie Estland und Norwegen steht Deutschland noch am Anfang Nicht zuletzt das Urteil des BVerfG zum I-Voting ist fuumlr dessen Einfuumlhrung eine hohe Huumlrde Um dem zu genuumlgen ist nicht zuletzt Voraussetzung dass jedem Buumlrger eine digitale Identitaumlt zur Verfuumlgung steht mit der eine sichere rechtsguumlltige digitale Unterschrift moumlglich ist Der neue Personalausweis ist ein erster Schritt in die richtige Richtung jedoch fehlen bisher entsprechende Applikationen und Pilotprojekte Eine moumlgliche Vision koumlnnte der Einsatz von Internetwahlen bei den Sozialwahlen 2017 sein bei denen beispielsweise uumlber die Krankenversichertenkarte die Identifikation sichergestellt werden kann und eine kostenguumlnstige schnelle Alternative zur Briefwahl angeboten wird

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Manuel Kripp ist Geschaumlftsfuumlhrer des Competence Center for Electronic Voting and Participation (wwwe-votingcc)

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Kein Koalitionspartner kann aller Piraten-stimmen sicher sein

Wo die Piraten auf der Rechts-links-Skala zu finden sind was die 90-9-1-Regel besagt wie die repraumlsentative durch die liquide Demokratie ergaumlnzt werden kann und warum die Abgeordneten der Piraten zwar nach ihrem Gewissen entscheiden aber so wie die Basis abstimmen

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Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband

Ralf Fuumlcks Die Piraten haben einen fast maumlrchenhaften Aufstieg erlebt seit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eilen sie von Erfolg zu Erfolg Trotzdem hat man das Gefuumlhl dass sie ihren Zenit schon uumlberschritten haben Sie sind vor allem mit sich selbst beschaumlftigt wirken bei den groszligen politischen Entscheidungen ndash wie weiter mit Europa Griechenland Fiskal-Pakt Energiewende ndash merkwuumlrdig abwesend Wie lange koumlnnen sie sich das leisten Marina Weisband Von den vier Themen die Sie gerade benannt haben beziehen sich drei auf die Euro-Krise Die Piraten haben zu zwei groumlszligeren Themenkomplexen noch kein Grundsatzprogramm das sind die Wirtschafts- und die Auszligenpolitik Das erschwert natuumlrlich das Mitreden in diesen Bereichen Bei beiden werden wir jedoch im November ein Grundsatzprogramm beschlieszligen Bis dahin koumlnnen wir uumlber diese Themen nicht sehr intensiv mitentscheiden Bei anderen hingegen die wir schon in unser Programm aufgenommen haben haben wir auch zur oumlffentlichen Debatte beigetragen Wir haben uns auch zur Energiewende positioniert unsere Anti-Atom-Piraten sind da zu ihrer Houmlchstform aufgelaufen und haben bei saumlmtlichen Demonstrationen mitgewirkt Es ist also gar nicht so dass wir uns voumlllig bedeckt halten

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Fuumlcks Auch wo die Piraten programmatische Aussagen beschlossen haben merkt man davon nicht viel in der oumlffentlichen Debatte Ich mutmaszlige das hat sehr viel mit ihren internen Strukturen zu tun Der Bundesvorstand wird sowohl in der Ausuumlbung seines politischen Mandates als auch finanziell extrem kurzgehalten Er ist im Grunde nicht autorisiert mit authentischen Positionen an der oumlffentlichen Debatte teilzunehmen und politische Initiativen zu ergreifen Kann diese basisdemokratische Weigerung eine professionelle Struktur aufzubauen nicht zum politischen Bumerang werden

Weisband Ich glaube nicht Ihre Auszligenwahrnehmung hat ganz viel damit zu tun dass wir einfach keine professionellen PR-Strukturen haben Wir haben keinerlei Erfahrung in Oumlffentlichkeitsarbeit wir machen das einfach wie es uns gerade einfaumlllt Das bedeutet dass die oumlffentliche Wahrnehmung der Piraten stark davon bestimmt ist was Journalisten uumlber uns erzaumlhlen wollen Immer das was gerade als Story gut ist wird dargestellt zum Positiven wie zum Negativen Auch wenn unser Bundesvorstand eine eigene Meinung sagen durfte wird die nicht abgedruckt

Fuumlcks Aber die Piraten sind doch sehr stark medial praumlsent

Ralf Fuumlcks ist Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Marina Weisband war Bun-desgeschaumlftsfuumlhrerin der Partei laquo Die Piraten raquo

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laquoDurch die Information und dielaquoDurch die Information und die KKommunikation miteinander brauchenommunikation miteinander brauchen

BuumlrBuumlrger weniger Rger weniger Repraumlsentanten sieepraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Vkoumlnnen und sollen mehr Verantwortungerantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundideefuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee

unserer Punserer Partei ist der informierteartei ist der informierte MenschMensch raquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

GespraumlchGespraumlch

Weisband Das ist richtig Aber das heiszligt nicht dass alles was man sagt so auch erscheint Wir haben es natuumlrlich auch uns selbst zuzurechnen dass wir einfach noch nicht so gut darin sind unsere eigenen Themen zu platzieren Aber das werden wir noch lernen

Was den Bundesvorstand betrifft ich wuumlrde mir wirklich nicht wuumlnschen dass er legitimiert ist eine eigene Agenda zu setzen Denn wozu haben wir unsere basisdemokratischen Strukturen wenn ein paar Leute die mehr Macht haben weil ihnen zugehoumlrt wird dadurch ihre eigenen Plaumlne durchpushen koumlnnen Wenn ich als Bundesvorstand sage Ich bin gegen einen Atomausstieg ndash was ich nicht bin aber als Beispiel ndash dann wuumlrde es heiszligen Die Piratenpartei ist gegen den Atomausstieg Und das wuumlrde einfach nicht stimmen

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Fuumlcks Dieses Hohelied auf die Basisdemokratie das imperative Mandat fuumlr Abgeordnete die Ablehnung einer Professionalisierung von Politik zeugt das nicht von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenuumlber Personen die man in verantwortliche Positionen gewaumlhlt hat Sie reduzieren Abgeordnete und Vorstaumlnde auf Funktionaumlre wenn Sie ihnen gar keine Freiheit zubilligen diese Rolle auszufuumlllen

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Weisband Es ist genau das Gegenteil der Fall Wir wollen dass moumlglichst viele moumlglichst viel Freiheit und moumlglichst viel Verantwortung haben und denen vertrauen wir und das ist unsere Parteibasis Wir wollen dass die die Verantwortung tragen dass die das Programm weiterentwickeln dass die fuumlr uns mitsprechen dass die unsere Partei entwickeln Wir wollen kein imperatives Mandat auf keinen Fall Wir sind gerade fuumlr die Gewissensfreiheit der Abgeordneten deshalb sind wir auch gegen Fraktionszwang Aber wir moumlchten dass moumlglichst viel von der Basis aus gemacht wird Das ist das Humane an unserem Modell Wir wollen gerade denen die Verantwortung und das Vertrauen schenken

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Fuumlcks Soweit ich weiszlig beteiligt sich nur ein Bruchteil dieser Basis tatsaumlchlich an der Parteidebatte Wenn eine kleine Minderheit von Aktivisten die im Netz zu Hause sind eine sehr starke Praumlgekraft hat dann ist das doch ein hoch selektiver nicht wirklich repraumlsentativer Prozess

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Weisband Dieser Prozess ist keineswegs selektivweil jeder mitarbeiten kann der will Und in Systemen in denen jeder mitarbeiten kann der willhaben wir eine so genannte 90-9-1-Regel In einem freien System sind 90 Prozent der Mitglieder meistens eher schweigende Zuschauer 9 Prozent sind mittelaktive User und von einem Prozent stammen 90 Prozent des Contents Das erleben wir so in Forendas erleben wir auf jeder Plattform wo man freiwillig mitarbeiten kann Sie werden auch von den Gruumlnen wissen dass die meisten Mitglieder doch inaktiv sind

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Weisband Nein das Verfahren ist einfach nur Teil unseres Inhalts Und unser Inhalt besagt dass unsere Welt sich so weit zu einer Informationsgesellschaft entwickelt hat dass der Mensch besser informiert ist Durch die Information und die Kommunikation miteinander brauchen Buumlrger weniger Repraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Verantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee unserer Partei ist der informierte Mensch

Ein Zehntel wirklich aktiv beteiligter Mitglieder ist so gesehen eine ganz gute Zahl Das Wichtigste ist dass wir keine Huumlrden fuumlr Beteiligung setzen Das heiszligt dass jeder der mitarbeiten will wirklich mitarbeiten kann und das ist eine demokratische Struktur Wir koumlnnen die Menschen ja nicht zur Mitarbeit zwingen

Fuumlcks Ist das der Kern Ihres Selbstverstaumlndnisses als neue politische Formation Parteien stehen in der Regel fuumlr eine groszlige politische Idee Liberalismus christliche Werte soziale Gerechtigkeit oder Oumlkologie Stehen die Piraten nicht fuumlr eine neue politische Richtung sondern fuumlr ein alternatives Verfahren

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

BoumlllThema 22012 11

GespraumlchGespraumlch

einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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12 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

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Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

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Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

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16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

BoumlllThema 22012 19

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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20 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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24 BoumlllThema 22012

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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BoumlllThema 22012 27

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung

Von Christoph Bieber

Die Debatte um die Chancen (und Grenzen) digitaler Partizipation hat in den letzten Jahren deutlich Fahrt aufgenommen ndash in der Ruumlckschau lassen sich in einer internashytionalen Perspektive der laquoObama-Effektraquo

im US-Wahlkampf 2008 und in Deutschland die Ausshyeinandersetzung um die Einfuumlhrung von Netzsperren im Fruumlhjahr 2009 als wichtige Wegmarken fuumlr die weiteren Entwicklungen benennen Die hierzulande unter dem Schlagwort laquoZensursularaquo bekannt geworshydene Episode ist dabei eine von mehreren Schockshysituationen die das politische System ganz offenbar benoumltigt hat um sich mit der wachsenden Bedeushytung der digitalen interaktiven Kommunikationsumshygebung des Internets zu beschaumlftigen Im Sommer 2010 waren es dann die WikiLeaks-Enthuumlllungen die Politikern und Journalisten vor Augen fuumlhrten dass sich Konfigurationen politischer Oumlffentlichkeiten in einem grundlegenden Wandel befinden Und wieder ein Jahr spaumlter im Herbst 2011 sorgten zunaumlchst die Affaumlre um den Bundestrojaner eine im Staatsauftrag entwickelte Spionagesoftware und bald darauf die

Wahlerfolge der Piratenpartei fuumlr weitere Erschuumltteshyrungen im analogen Zentrum der Macht

Den laquoDigitalschocksraquo ist trotz ihrer verschiedenen Kontexte eines gemein Sie verweisen jeweils auf neuartige Beteiligungsmoumlglichkeiten am politischen Prozess ndash sei es uumlber kampagnenorientierte Echt shyzeitkommunikation die Kollaboration auf Leaking-Plattformen das Dabeisein in einer auf Mitmachen gepolten Parteiorganisation oder die Programmieshyrung unfreundlich-interaktiver Software Die ausshyfuumlhrliche Systematisierung dieser Entwicklungen hat gerade erst begonnen denn aumlhnlich wie die Politik steht auch die Wissenschaft angesichts der enormen Dynamik und Vielschichtigkeit der Phaumlnomene unter Schock ndash es fehlen nicht nur geeignete Methoden und neue Werkzeuge fuumlr eine akademische Analyse auch in theoretischer Hinsicht bestehen noch gravieshyrende Defizite Waumlhrend sich die Politikwissenschaft gerade erst muumlhsam an die Massenmediendemokra shytie des Fernsehzeitalters herangearbeitet hat (und mit der Postdemokratie ein Konzept umwaumllzt das schon wieder seltsam veraltet wirkt)

DIGITDIGITAL-ALshy SCHOCKSCHOCKSS

2008 Obamas Facebook-

Wahlkampf

2009 Ursula van der Leyens

Netzsperre

2010 WikiLeaks veroumlffentlicht

Videos uumlber einen Luftangriff des US-Militaumlrs in Bagdhad bei dem u a 2 Journalisten

getoumltet werden

2011 Die Piratenpartei erreicht 89 der Stimmen bei der Wahl zum

Berliner Abgeordnetenhaus

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sortieren Medien- und Kommunikationswissenschaft die Theorie-Schubladen neu (wo hatten wir gleich nochmal den McLuhan hingelegt)

In der Uumlbergangsphase zwischen fernsehorien shytierter Mediendemokratie hin zur internetbasierten Beteiligungsdemokratie geraumlt vor allem die Kategoshyrie des Publikums in den Blick Bislang realisieren nur wenige Untersuchungszusammenhaumlnge diesen Entwicklungsschritt der gerade auch in einer polishytik- und demokratiewissenschaftlichen Perspektive ebenso relevant wie zeitgemaumlszlig erscheint Waumlh shyrend sich in der medialen Dimension vor allem die Zuschauerposition radikal wandelt und laumlngst nicht mehr als passive Konsumentenrolle modelliert wirdist es in der politischen Dimension die Gestalt des Buumlrgers die mit staumlrkeren Beteiligungsrechten (und -pflichten) ausgestattet werden kann laquoDie Couch-Potato hat sich vom Sofa erhobenraquo formuliert der Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig und skizshy

ziert so den Uumlbergang von der laquoNur-Lese-Kulturraquo des Fernsehens zur laquoLeseSchreibe-Kulturraquo der digitalen Medien

Oft wird die neue Beteiligungsmacht dieser aktiv gewordenen Couch-Potatoes belaumlchelt oder gleich ganz ignoriert ndash zumindest so lange bis die naumlchste Schocktherapie anschlaumlgt und politische Akteure (dann meist schmerzhaft) an die Existenz des Politikshyraums Internet erinnert

Vier Vektoren der Digitalisierung der Politik Ganz grob bestimmen seit dem Jahr 2008 vier Vektoshyren die nachholende Digitalisierung der Politik das Aufkommen sozialer Netzwerke als vernetzte Oumlffent shylichkeiten die Erfahrungen mit den Formaten der Echtzeitkommunikation die Nutzung von Online-Plattformen zur digitalen Kollaboration sowie die wachsende Bedeutung von Code als Machtressource

1 Der Siegeszug der sozialen Netzwerke Nicht erst der Boumlrsengang von Facebook im Fruumlhjahr 2012 dokumentiert den enormen Siegeszug der sozialen Netzwerke in den vergangenen vier Jahren Zur Erinnerung Als im Vorfeld der US-Praumlsidentschaftswahl Barack Obama die Netzwerkstrukturen auf seine Wahlkampfkommunikation uumlbertrug dominierten in Deutschland noch die Angebote der VZ-Gruppe und Facebook duumlmpelte bei weniger als vier Millionen Nutzern vor sich hin Inzwischen haben weltweit mehr als 850 Millionen Menschen eigene Profilseiten angelegt Zur Zeit der Programmierung der ersten Facebook-Plattform im Jahr 2004 war dies in etwa die Gesamtnutzerzahl des Internets Auch in Deutschland ist Facebook laumlngst das dominierende Online-Netzwerk geworden die Zahl der hierzulande angelegten Profile betrug laut allfacebookde im Juli 2012 stattliche 237 Millionen Die laquo Massenmedialisierung raquo der sozialen Netzwerke ist nicht allein auf Facebook beschraumlnkt auch YouTube Twitter und andere Spielarten dieses Online-Genres erfreuen sich groszliger Beliebtheit Angesichts dieser Entwicklung erscheint es nur logisch dass sich politische Akteure zunehmend mit dieser neuen kommunikativen Arena auseinandersetzen Doch nur die wenigsten politischen Netzwerker realisieren die besonderen Probleme die daraus in Deutschland resultieren ndash die Oumlffnung hin zu Freunden Fans und Followern wirkt stets auch auf die schon vorhandenen analogen sozialen Netzwerke zuruumlck Und das sind in der deutschen Parteiendemokratie in erster Linie die Mitgliederorganisationen der Parteien ndash erkennbar wird hier ein besonderes Dilemma fuumlr die vernetzten Politiker Sie koumlnnen sich zwar individuell neue laquo persoumlnliche Oumlffentlichkeiten raquo (Jan Schmidt) erschlieszligen loumlsen damit aber zugleich nicht selten unmittelbare Konkurrenzverhaumlltnisse mit den bereits bestehenden Netzwerken aus Auf die Frage wie sich diese Segmente produktiv miteinander verschraumlnken lassen

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uarr Digitale Alter Ego im Kampagnenmotiv der franzoumlsischen NGO La Quadrature du Net Dass mit ACTA ein netzspezifisches Thema gezeigt hat was an digitaler transnationaler europaumlischer Oumlffentlichkeit moumlglich ist duumlrfte auch NGOs im nicht-digitalen Sektor befluumlgelt haben (Lizenz CC-BY-SA)

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EssayEssay

laquolaquo Die verDie vergangenen vier Jahregangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wiehaben gezeigt dass es so etwas wie lsaquolsaquo SchnittstellenSchnittstellen rsaquo braucht die digitalersaquo braucht die digitale

PPolitikprozesse undolitikprozesse und -innovationen mit-innovationen mit den traditionell (und richtigerweise)den traditionell (und richtigerweise)

langsameren Rlangsameren Routinen des politischenoutinen des politischen AlltagsgeschaumlftsAlltagsgeschaumlfts verkoppelnverkoppeln raquoraquo

sind bislang noch kaum uumlberzeugende Antworten gefunden worden

2 Die Effekte der Echzeitkommunikation Die Effekte der laquo politischen Echtzeitkommunikation raquo wurden in Deutschland lange Zeit belaumlchelt ndash doch trotz des hierzulande schlechten Images des weltweit houmlchst erfolgreichen Kurzmitteilungsservice Twitter haben sich Politiker recht fruumlh auf das Format eingelassen Dass man via Twitter weit mehr als nur laquo 140 Zeichen heiszlige Luft raquo (FAZ) verbreiten kann haben zuletzt zahlreiche parlamentarische Spitzenakteure bewiesen den vielleicht groumlszligten Beitrag zur Salonreife hat mit RegSprecher jedoch ein institutioneller Twitterer geliefert Die professionelle und dem knappen dialogischen Format angemessene Form macht deutlich dass hier ein neuer Distributionskanal entstanden ist den politische Akteure sehr produktiv in die alltaumlgliche Vermittlungsarbeit integrieren koumlnnen Dabei umgehen sie mitunter die klassischen Vertriebswege des politischen Journalismus und erreichen ihre Zielpublika direkt ndash ein weiteres Beispiel fuumlr die Entstehung neuer vernetzter Oumlffentlichkeiten Allmaumlhlich zeichnet sich in der parlamentarischen Twitter-Nutzung eine zweite Neuerung ab bisweilen erhalten die Kurzdialoge den Charakter einer laquo Branchenkommunikation raquo wenn die Politiker innerhalb der eigenen Partei aber auch quer zu den Fraktionsgrenzen miteinander ins Gespraumlch kommen Dass sich dadurch die Kommunikationsarena des Parlaments veraumlndern kann hat etwa die Debatte im hessischen Landtag gezeigt Dort erlaubte der Aumlltestenrat nach einer internen Kontroverse das Twittern von der Besuchergalerie Damit erhaumllt nun auch der interessierte Buumlrger die Moumlglichkeit sich in die parlamentarische Parallelkommunikation einzuschalten ndash das bezeugt die allmaumlhliche Anerkennung des Veraumlnderungsdrucks medialer Innovationen im Politikbetrieb

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3 Die Moumlglichkeiten der digitalen Kollaboration Die Moumlglichkeiten einer dezentralen uumlber multi- oder monothematische Plattformen organisierten digitalen Kollaboration koumlnnen als weitere Triebfeder der politischen Digitalisierung verstanden werdenAls Prototyp gilt hier sicher die Online-Enzyklopaumldie Wikipedia doch zuletzt haben auch explizit politische Plattformen als Partizipationsangebote reuumlssiert Selbst wenn WikiLeaks als Enthuumlllungsplattform den offenen dezentralen Arbeitsmodus zu Gunsten einer staumlrker laquo sendeorientierten raquo Arbeitsteilung mit prominenten Medienvertretern aufgegeben hat gilt die Website in ihrer urspruumlnglichen Version als Wegbereiter fuumlr eine ganze Reihe von Transparenzakteuren In Deutschland haben insbesondere die Aktivitaumlten des laquo GuttenPlag Wiki raquo die Funktionsweise der Online-Kollaboration illustriert Die dort entstandene Datensammlung fungierte nach auszligen als Informations

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plattform und wirkte gleichzeitig identitaumltsstiftend im Gruppenzusammenhang der Aktiven Die groszlige Produktivkraft solch niedrigschwelliger Mitmach-Angebote zeigt sich auch entlang des Piratenwiki Es ist weit mehr als nur eine willkuumlrlich zusammengetragene Sammlung von Informationen uumlber die Piratenpartei Es uumlbernimmt auszligerdem die Rolle der Planungszentrale fuumlr Parteiversammlungen bietet Orientierung fuumlr Neumitglieder und dokumentiert die unterschiedlichsten Parteiaktivitaumlten Anders als die digitalen Parteizentralen der uumlbrigen Parteien bleibt die Gestaltung dieser strategischen Ressource damit in den Haumlnden der Mitglieder und Unterstuumltzer und eroumlffnet so neue digitale Beteiligungsmoumlglichkeiten an der innerparteilichen Kommunikation und Organisation

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4 Der Einsatz von Code Waumlhrend die vorgenannten Digitalisierungsprozesse noch einen starken politischen Akteurs- oder Prozessbezug aufweisen laumlsst sich auch eine vierte weniger sichtbare Ebene ausmachen die gewissermaszligen laquo hinter raquo den verschiedenen Phaumlnomenen liegt Gerne uumlbersehen wird naumlmlich dass politische Beteiligungsinnovationen auf den kenntnisreichen Einsatz von Code zuruumlckzufuumlhren sind Das Programmieren neuer Demokratie-Anwendungen ist andernorts weit verbreitet ndash mit dem W ettbewerb laquo Apps for Democracy raquo (USA) oder dem Daten-Portal datagov uk (Groszligbritannien) existieren bereits Leuchtturm-Projekte deren Uumlbertragung nach Deutschland als vorerst gescheitert gelten kann Die gesellschaftliche Bedeutung dieser neuen produktions- und nicht rezeptionsorientierten Form von Medienkompetenz ist hierzulande noch kaum angekommen ndash der US-amerikanische Medientheoretiker Douglas Rushkoff bemuumlht angesichts der wachsenden Bedeutung von Code als Kulturgut eine drastische Sprache laquo Programmiert selbst ndash oder ihr werdet programmiert werden raquo Allerdings haben zuletzt auch in Deutschland einige softwareorientierte Projekte diese ebenso aktuelle wie wichtige Debatte forciert

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uarr Wer kommuniziert hier mit wem Parteitag der Piraten in Muumlnster 2012

Die innerparteiliche Entscheidungsfindung verschie shydener Gliederungen der Piratenpartei mittels laquoLiquid Feedbackraquo oder die Erweiterung der Enquecircte-Kom shymission laquoInternet und Digitale Gesellschaftraquo um den so genannten laquo18 Sachverstaumlndigenraquo durch die Diskussions- und Bewertungssoftware laquoAdhocracyraquo stellen unter Beweis dass auch in Deutschland polishytisches Innovationspotenzial vorhanden ist Einge shyrahmt von der eher demokratietheoretischen Debatte um laquoLiquid Democracyraquo wecken die politischen Soft shyware-Entwicklungen nun auch das Interesse internashytionaler Beobachter Deren Fokus faumlllt ndash bislang zu Recht ndash auf die Piratenpartei die dem politischen Alltag eine digitale Facette hinzugefuumlgt hat und darin den neuen Normalmodus gesellschaftlicher Beteili shygung erkennen will Die uumlbrigen Mitgliederparteien nehmen den interaktiven Kommunikationsraum des Internets zwar auch nicht mehr als ein voumlllig fremdes wohl aber als ein ungewoumlhnliches Terrain wahr und agieren eher zoumlgerlich

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Digitale Partizipation benoumltigt Schnittstellen zur analogen Welt Ob sich die digitale Schocktherapie schlieszliglich in einem gesellschaftlichen Partizipationsplus auszahlen wird ist laumlngst noch nicht klar Zu ungewiss sind einerseits die Verarbeitungs- und Anpassungskapazitaumlten der politischen Akteure ndash und auf die kommt es immer noch an wenn sich das politische System einer digitalen Beteiligungskur unterziehen soll Die vergangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wie laquo Schnittstellen raquo braucht die digitale Politikprozesse und -innovationen mit den traditionell (und richtigerweise) langsameren Routinen des politischen Alltagsgeschaumlfts verkoppeln Die Obama-Kampagne war ein solches laquo Interface raquo zwischen digitalen und analogen Politikraumlumen die WikiLeaks-

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Entwicklungen ebenfalls Gleiches gilt fuumlr Anonymus oder auch die Occupy-Bewegung In Deutschland haben sich die Piraten zum aktuell wirkmaumlchtigsten Schnittstellenakteur entwickelt sie uumlberlagern inzwischen sogar die Impulse aus der internationalen Online-Welt Bis vor gut einem Jahr brauchte es Julian Assange und die WikiLeaks-Kampagnen um den Begriff der Transparenz auf die politische Agenda zu bringen ndash in Deutschland haben die Piraten diese Aufgabe uumlbernommen Aumlhnliches gilt fuumlr politische Echtzeitkommunikation oder auch die Debatte um die gesellschaftliche Bedeutung von Code

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Es waumlre allerdings geradezu fatal die digitale Modernisierung der Politik als exklusives Piratenpro shyjekt zu verstehen Es ist richtig und konsequent dass sich die anderen Parteien einem laquodigitalen Selbst shytestraquo unterziehen und in mitunter schmerzhaften Identitaumltsfindungsprozessen neue Positionen zu den Themen und Verfahren einer internetorientierten Mediendemokratie ermitteln Mindestens an dieser Stelle ist der Begriff der laquoMitmach-Politikraquo ernst zu nehmen ndash fuumlr die verschiedenen Plattformen der sozi shyalen Medien gibt es keine Anleitung Die Potenziale vernetzter Oumlffentlichkeiten politischer Echtzeitkom shymunikation oder Online-Kollaborationsplattformen erschlieszligen sich vor allem deren Nutzern Es ist an der Zeit dass die Politik die Potenziale des aktiven Publikums erkennt ndash auch und gerade dann wenn dafuumlr ein Wechsel der Perspektive noumltig sein sollte

Prof Christoph Bieber forscht lehrt und publiziert seit Jahren zu Fragen der digitalen Oumlffentlichkeit und Demokratie

7laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das

Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werdenraquowieder gesteigert werdenraquo

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E-Democracy = estnische Demokratie

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

2200005 w5 wurrddeen en errssttmmals is in En Essttlaland Pnd Paarrlammeennttsswahlen per Ir Intteerrnnett moumlgglliicchh s seecchhs Js Jaahhrre se sppaumlter maachte dort berreeiitts js jeeddeer vr viieerrtte We Waumlhhlleerr ddavoon Gn Geebrbraauucchh M Miitttleerrwweeiile follgeen Ln Laumlaumlndndeer wr wie Norwegenn F Frraannkkrreeiicchh und diie Se Scchhwweeiiz dz deem em essttnniisscchhen Beiisspiel ndash w oomoumloumlglich aucch eh eiinnees Ts Taaggeess DDeeuuttsscchhlalandnd

DVon Manuel Kripp

emokratien sind hohen Anforderungen ausgesetzt davon zeugen sinkende Wahlbeteiligungen steigende

Briefwaumlhleranteile sowie der Wunsch der Buumlrger nach haumlufigerer und direkterer Beteiligung bei gleichzeitiger Ortsunabhaumlngigkeit Eine Antwort auf diese Herausforderungen liegt im Einsatz moderner Technologien im Wahlprozess Durch eine Digitalisierung der Demokratie koumlnnen das Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werden

Vorreiter der Entwicklung zum I-Voting war und ist Estland Dort wurde es zum ersten Mal bei der Lokalwahl 2005 praktiziert Die seinerzeitige Internet-Wahlbeteiligung von rund 2 Prozent hat sich bei der Parlamentswahl vom Maumlrz 2011 bereits auf 243 Prozent gesteigert Laut Untersuchungen des European University Institute haumltten 16 Prozent dieser Internet-Waumlhlerinnen und -Waumlhler ihre Stimme nicht abgegeben wenn die Moumlglichkeit der Internetwahl nicht zur Verfuumlgung gestanden haumltte

Die hohe Internet-Wahlbeteiligung ist auch in der ausgepraumlgten E-Governmentstruktur Estlands begruumlndet Ca 95 Prozent der Esten besitzen im Rahmen ihrer nationalen ID-Karte eine digitale Buumlrgerkarte und sind somit in der Lage den uumlberwiegenden Teil ihrer Kommunikation mit den Behoumlrden uumlber das Internet zu fuumlhren

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92 Prozent erledigen ihre Steuererklaumlrung online Firmenanmeldungen koumlnnen ebenso uumlber das Internet abgewickelt werden wie Autoverkaumlufe oder die notarielle Beglaubigung von Dokumenten Daruumlber hinaus bekommt jeder Buumlrger mit der nationalen ID-Karte auch eine estnische E-Mail-Adresse Die elektronische Kommunikation und Interaktion ist zur alltaumlglichen Normalitaumlt der Esten geworden Und das estnische Beispiel findet Nachahmer 2011 fuumlhrten auch Norwegen und die Schweiz und 2012 Frankreich Internetwahlen ein Die Schweiz ist ein sehr interessantes Beispiel denn Internet-Abstimmungen werden schon seit einiger Zeit in gewissen Kantonen angeboten 2011 wurde aber bei einem Bundesreferendum jedem im Ausland lebenden Schweizer in zehn Kantonen die Moumlglichkeit des I-Votings gegeben Auch Frankreich hat bei den Parlamentswahlen 2012 fuumlr im Ausland lebende Waumlhler das Internet eingesetzt Bei beiden Wahlen hielt sich die Wahlbeteiligung noch in Grenzen doch zeigten sich die Nutzungsmoumlglichkeiten fuumlr spezifische Waumlhlergruppen

In Norwegen beteiligten sich 2011 bei einem Pilotprojekt zehn Gemeinden an der Internetwahl dabei wurden ca 25 Prozent der Stimmen digital abgegeben Dieser Erfolg laumlsst sich auf eine offene Diskussion des I-Votings und ein ausgepraumlgtes E-Governmentsystem mit einer mobilen ID zuruumlckfuumlhren Dadurch wurde ein Verifikationsmechanismus moumlglich der jedem Waumlhler eine teilweise Kontrolle des nicht einsehbaren technischen Wahlprozesses gestattete

Im Vergleich zu Laumlndern wie Estland und Norwegen steht Deutschland noch am Anfang Nicht zuletzt das Urteil des BVerfG zum I-Voting ist fuumlr dessen Einfuumlhrung eine hohe Huumlrde Um dem zu genuumlgen ist nicht zuletzt Voraussetzung dass jedem Buumlrger eine digitale Identitaumlt zur Verfuumlgung steht mit der eine sichere rechtsguumlltige digitale Unterschrift moumlglich ist Der neue Personalausweis ist ein erster Schritt in die richtige Richtung jedoch fehlen bisher entsprechende Applikationen und Pilotprojekte Eine moumlgliche Vision koumlnnte der Einsatz von Internetwahlen bei den Sozialwahlen 2017 sein bei denen beispielsweise uumlber die Krankenversichertenkarte die Identifikation sichergestellt werden kann und eine kostenguumlnstige schnelle Alternative zur Briefwahl angeboten wird

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Manuel Kripp ist Geschaumlftsfuumlhrer des Competence Center for Electronic Voting and Participation (wwwe-votingcc)

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Kein Koalitionspartner kann aller Piraten-stimmen sicher sein

Wo die Piraten auf der Rechts-links-Skala zu finden sind was die 90-9-1-Regel besagt wie die repraumlsentative durch die liquide Demokratie ergaumlnzt werden kann und warum die Abgeordneten der Piraten zwar nach ihrem Gewissen entscheiden aber so wie die Basis abstimmen

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Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband

Ralf Fuumlcks Die Piraten haben einen fast maumlrchenhaften Aufstieg erlebt seit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eilen sie von Erfolg zu Erfolg Trotzdem hat man das Gefuumlhl dass sie ihren Zenit schon uumlberschritten haben Sie sind vor allem mit sich selbst beschaumlftigt wirken bei den groszligen politischen Entscheidungen ndash wie weiter mit Europa Griechenland Fiskal-Pakt Energiewende ndash merkwuumlrdig abwesend Wie lange koumlnnen sie sich das leisten Marina Weisband Von den vier Themen die Sie gerade benannt haben beziehen sich drei auf die Euro-Krise Die Piraten haben zu zwei groumlszligeren Themenkomplexen noch kein Grundsatzprogramm das sind die Wirtschafts- und die Auszligenpolitik Das erschwert natuumlrlich das Mitreden in diesen Bereichen Bei beiden werden wir jedoch im November ein Grundsatzprogramm beschlieszligen Bis dahin koumlnnen wir uumlber diese Themen nicht sehr intensiv mitentscheiden Bei anderen hingegen die wir schon in unser Programm aufgenommen haben haben wir auch zur oumlffentlichen Debatte beigetragen Wir haben uns auch zur Energiewende positioniert unsere Anti-Atom-Piraten sind da zu ihrer Houmlchstform aufgelaufen und haben bei saumlmtlichen Demonstrationen mitgewirkt Es ist also gar nicht so dass wir uns voumlllig bedeckt halten

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Fuumlcks Auch wo die Piraten programmatische Aussagen beschlossen haben merkt man davon nicht viel in der oumlffentlichen Debatte Ich mutmaszlige das hat sehr viel mit ihren internen Strukturen zu tun Der Bundesvorstand wird sowohl in der Ausuumlbung seines politischen Mandates als auch finanziell extrem kurzgehalten Er ist im Grunde nicht autorisiert mit authentischen Positionen an der oumlffentlichen Debatte teilzunehmen und politische Initiativen zu ergreifen Kann diese basisdemokratische Weigerung eine professionelle Struktur aufzubauen nicht zum politischen Bumerang werden

Weisband Ich glaube nicht Ihre Auszligenwahrnehmung hat ganz viel damit zu tun dass wir einfach keine professionellen PR-Strukturen haben Wir haben keinerlei Erfahrung in Oumlffentlichkeitsarbeit wir machen das einfach wie es uns gerade einfaumlllt Das bedeutet dass die oumlffentliche Wahrnehmung der Piraten stark davon bestimmt ist was Journalisten uumlber uns erzaumlhlen wollen Immer das was gerade als Story gut ist wird dargestellt zum Positiven wie zum Negativen Auch wenn unser Bundesvorstand eine eigene Meinung sagen durfte wird die nicht abgedruckt

Fuumlcks Aber die Piraten sind doch sehr stark medial praumlsent

Ralf Fuumlcks ist Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Marina Weisband war Bun-desgeschaumlftsfuumlhrerin der Partei laquo Die Piraten raquo

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laquoDurch die Information und dielaquoDurch die Information und die KKommunikation miteinander brauchenommunikation miteinander brauchen

BuumlrBuumlrger weniger Rger weniger Repraumlsentanten sieepraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Vkoumlnnen und sollen mehr Verantwortungerantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundideefuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee

unserer Punserer Partei ist der informierteartei ist der informierte MenschMensch raquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

GespraumlchGespraumlch

Weisband Das ist richtig Aber das heiszligt nicht dass alles was man sagt so auch erscheint Wir haben es natuumlrlich auch uns selbst zuzurechnen dass wir einfach noch nicht so gut darin sind unsere eigenen Themen zu platzieren Aber das werden wir noch lernen

Was den Bundesvorstand betrifft ich wuumlrde mir wirklich nicht wuumlnschen dass er legitimiert ist eine eigene Agenda zu setzen Denn wozu haben wir unsere basisdemokratischen Strukturen wenn ein paar Leute die mehr Macht haben weil ihnen zugehoumlrt wird dadurch ihre eigenen Plaumlne durchpushen koumlnnen Wenn ich als Bundesvorstand sage Ich bin gegen einen Atomausstieg ndash was ich nicht bin aber als Beispiel ndash dann wuumlrde es heiszligen Die Piratenpartei ist gegen den Atomausstieg Und das wuumlrde einfach nicht stimmen

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Fuumlcks Dieses Hohelied auf die Basisdemokratie das imperative Mandat fuumlr Abgeordnete die Ablehnung einer Professionalisierung von Politik zeugt das nicht von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenuumlber Personen die man in verantwortliche Positionen gewaumlhlt hat Sie reduzieren Abgeordnete und Vorstaumlnde auf Funktionaumlre wenn Sie ihnen gar keine Freiheit zubilligen diese Rolle auszufuumlllen

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Weisband Es ist genau das Gegenteil der Fall Wir wollen dass moumlglichst viele moumlglichst viel Freiheit und moumlglichst viel Verantwortung haben und denen vertrauen wir und das ist unsere Parteibasis Wir wollen dass die die Verantwortung tragen dass die das Programm weiterentwickeln dass die fuumlr uns mitsprechen dass die unsere Partei entwickeln Wir wollen kein imperatives Mandat auf keinen Fall Wir sind gerade fuumlr die Gewissensfreiheit der Abgeordneten deshalb sind wir auch gegen Fraktionszwang Aber wir moumlchten dass moumlglichst viel von der Basis aus gemacht wird Das ist das Humane an unserem Modell Wir wollen gerade denen die Verantwortung und das Vertrauen schenken

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Fuumlcks Soweit ich weiszlig beteiligt sich nur ein Bruchteil dieser Basis tatsaumlchlich an der Parteidebatte Wenn eine kleine Minderheit von Aktivisten die im Netz zu Hause sind eine sehr starke Praumlgekraft hat dann ist das doch ein hoch selektiver nicht wirklich repraumlsentativer Prozess

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Weisband Dieser Prozess ist keineswegs selektivweil jeder mitarbeiten kann der will Und in Systemen in denen jeder mitarbeiten kann der willhaben wir eine so genannte 90-9-1-Regel In einem freien System sind 90 Prozent der Mitglieder meistens eher schweigende Zuschauer 9 Prozent sind mittelaktive User und von einem Prozent stammen 90 Prozent des Contents Das erleben wir so in Forendas erleben wir auf jeder Plattform wo man freiwillig mitarbeiten kann Sie werden auch von den Gruumlnen wissen dass die meisten Mitglieder doch inaktiv sind

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Weisband Nein das Verfahren ist einfach nur Teil unseres Inhalts Und unser Inhalt besagt dass unsere Welt sich so weit zu einer Informationsgesellschaft entwickelt hat dass der Mensch besser informiert ist Durch die Information und die Kommunikation miteinander brauchen Buumlrger weniger Repraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Verantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee unserer Partei ist der informierte Mensch

Ein Zehntel wirklich aktiv beteiligter Mitglieder ist so gesehen eine ganz gute Zahl Das Wichtigste ist dass wir keine Huumlrden fuumlr Beteiligung setzen Das heiszligt dass jeder der mitarbeiten will wirklich mitarbeiten kann und das ist eine demokratische Struktur Wir koumlnnen die Menschen ja nicht zur Mitarbeit zwingen

Fuumlcks Ist das der Kern Ihres Selbstverstaumlndnisses als neue politische Formation Parteien stehen in der Regel fuumlr eine groszlige politische Idee Liberalismus christliche Werte soziale Gerechtigkeit oder Oumlkologie Stehen die Piraten nicht fuumlr eine neue politische Richtung sondern fuumlr ein alternatives Verfahren

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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laquoIch kann mir vorstellen dass die PlaquoIch kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in einiratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Rpaar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgtegierungsverantwortung traumlgt

Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

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einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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12 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

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Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

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Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

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16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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24 BoumlllThema 22012

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

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26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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BoumlllThema 22012 27

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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sortieren Medien- und Kommunikationswissenschaft die Theorie-Schubladen neu (wo hatten wir gleich nochmal den McLuhan hingelegt)

In der Uumlbergangsphase zwischen fernsehorien shytierter Mediendemokratie hin zur internetbasierten Beteiligungsdemokratie geraumlt vor allem die Kategoshyrie des Publikums in den Blick Bislang realisieren nur wenige Untersuchungszusammenhaumlnge diesen Entwicklungsschritt der gerade auch in einer polishytik- und demokratiewissenschaftlichen Perspektive ebenso relevant wie zeitgemaumlszlig erscheint Waumlh shyrend sich in der medialen Dimension vor allem die Zuschauerposition radikal wandelt und laumlngst nicht mehr als passive Konsumentenrolle modelliert wirdist es in der politischen Dimension die Gestalt des Buumlrgers die mit staumlrkeren Beteiligungsrechten (und -pflichten) ausgestattet werden kann laquoDie Couch-Potato hat sich vom Sofa erhobenraquo formuliert der Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig und skizshy

ziert so den Uumlbergang von der laquoNur-Lese-Kulturraquo des Fernsehens zur laquoLeseSchreibe-Kulturraquo der digitalen Medien

Oft wird die neue Beteiligungsmacht dieser aktiv gewordenen Couch-Potatoes belaumlchelt oder gleich ganz ignoriert ndash zumindest so lange bis die naumlchste Schocktherapie anschlaumlgt und politische Akteure (dann meist schmerzhaft) an die Existenz des Politikshyraums Internet erinnert

Vier Vektoren der Digitalisierung der Politik Ganz grob bestimmen seit dem Jahr 2008 vier Vektoshyren die nachholende Digitalisierung der Politik das Aufkommen sozialer Netzwerke als vernetzte Oumlffent shylichkeiten die Erfahrungen mit den Formaten der Echtzeitkommunikation die Nutzung von Online-Plattformen zur digitalen Kollaboration sowie die wachsende Bedeutung von Code als Machtressource

1 Der Siegeszug der sozialen Netzwerke Nicht erst der Boumlrsengang von Facebook im Fruumlhjahr 2012 dokumentiert den enormen Siegeszug der sozialen Netzwerke in den vergangenen vier Jahren Zur Erinnerung Als im Vorfeld der US-Praumlsidentschaftswahl Barack Obama die Netzwerkstrukturen auf seine Wahlkampfkommunikation uumlbertrug dominierten in Deutschland noch die Angebote der VZ-Gruppe und Facebook duumlmpelte bei weniger als vier Millionen Nutzern vor sich hin Inzwischen haben weltweit mehr als 850 Millionen Menschen eigene Profilseiten angelegt Zur Zeit der Programmierung der ersten Facebook-Plattform im Jahr 2004 war dies in etwa die Gesamtnutzerzahl des Internets Auch in Deutschland ist Facebook laumlngst das dominierende Online-Netzwerk geworden die Zahl der hierzulande angelegten Profile betrug laut allfacebookde im Juli 2012 stattliche 237 Millionen Die laquo Massenmedialisierung raquo der sozialen Netzwerke ist nicht allein auf Facebook beschraumlnkt auch YouTube Twitter und andere Spielarten dieses Online-Genres erfreuen sich groszliger Beliebtheit Angesichts dieser Entwicklung erscheint es nur logisch dass sich politische Akteure zunehmend mit dieser neuen kommunikativen Arena auseinandersetzen Doch nur die wenigsten politischen Netzwerker realisieren die besonderen Probleme die daraus in Deutschland resultieren ndash die Oumlffnung hin zu Freunden Fans und Followern wirkt stets auch auf die schon vorhandenen analogen sozialen Netzwerke zuruumlck Und das sind in der deutschen Parteiendemokratie in erster Linie die Mitgliederorganisationen der Parteien ndash erkennbar wird hier ein besonderes Dilemma fuumlr die vernetzten Politiker Sie koumlnnen sich zwar individuell neue laquo persoumlnliche Oumlffentlichkeiten raquo (Jan Schmidt) erschlieszligen loumlsen damit aber zugleich nicht selten unmittelbare Konkurrenzverhaumlltnisse mit den bereits bestehenden Netzwerken aus Auf die Frage wie sich diese Segmente produktiv miteinander verschraumlnken lassen

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uarr Digitale Alter Ego im Kampagnenmotiv der franzoumlsischen NGO La Quadrature du Net Dass mit ACTA ein netzspezifisches Thema gezeigt hat was an digitaler transnationaler europaumlischer Oumlffentlichkeit moumlglich ist duumlrfte auch NGOs im nicht-digitalen Sektor befluumlgelt haben (Lizenz CC-BY-SA)

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EssayEssay

laquolaquo Die verDie vergangenen vier Jahregangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wiehaben gezeigt dass es so etwas wie lsaquolsaquo SchnittstellenSchnittstellen rsaquo braucht die digitalersaquo braucht die digitale

PPolitikprozesse undolitikprozesse und -innovationen mit-innovationen mit den traditionell (und richtigerweise)den traditionell (und richtigerweise)

langsameren Rlangsameren Routinen des politischenoutinen des politischen AlltagsgeschaumlftsAlltagsgeschaumlfts verkoppelnverkoppeln raquoraquo

sind bislang noch kaum uumlberzeugende Antworten gefunden worden

2 Die Effekte der Echzeitkommunikation Die Effekte der laquo politischen Echtzeitkommunikation raquo wurden in Deutschland lange Zeit belaumlchelt ndash doch trotz des hierzulande schlechten Images des weltweit houmlchst erfolgreichen Kurzmitteilungsservice Twitter haben sich Politiker recht fruumlh auf das Format eingelassen Dass man via Twitter weit mehr als nur laquo 140 Zeichen heiszlige Luft raquo (FAZ) verbreiten kann haben zuletzt zahlreiche parlamentarische Spitzenakteure bewiesen den vielleicht groumlszligten Beitrag zur Salonreife hat mit RegSprecher jedoch ein institutioneller Twitterer geliefert Die professionelle und dem knappen dialogischen Format angemessene Form macht deutlich dass hier ein neuer Distributionskanal entstanden ist den politische Akteure sehr produktiv in die alltaumlgliche Vermittlungsarbeit integrieren koumlnnen Dabei umgehen sie mitunter die klassischen Vertriebswege des politischen Journalismus und erreichen ihre Zielpublika direkt ndash ein weiteres Beispiel fuumlr die Entstehung neuer vernetzter Oumlffentlichkeiten Allmaumlhlich zeichnet sich in der parlamentarischen Twitter-Nutzung eine zweite Neuerung ab bisweilen erhalten die Kurzdialoge den Charakter einer laquo Branchenkommunikation raquo wenn die Politiker innerhalb der eigenen Partei aber auch quer zu den Fraktionsgrenzen miteinander ins Gespraumlch kommen Dass sich dadurch die Kommunikationsarena des Parlaments veraumlndern kann hat etwa die Debatte im hessischen Landtag gezeigt Dort erlaubte der Aumlltestenrat nach einer internen Kontroverse das Twittern von der Besuchergalerie Damit erhaumllt nun auch der interessierte Buumlrger die Moumlglichkeit sich in die parlamentarische Parallelkommunikation einzuschalten ndash das bezeugt die allmaumlhliche Anerkennung des Veraumlnderungsdrucks medialer Innovationen im Politikbetrieb

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3 Die Moumlglichkeiten der digitalen Kollaboration Die Moumlglichkeiten einer dezentralen uumlber multi- oder monothematische Plattformen organisierten digitalen Kollaboration koumlnnen als weitere Triebfeder der politischen Digitalisierung verstanden werdenAls Prototyp gilt hier sicher die Online-Enzyklopaumldie Wikipedia doch zuletzt haben auch explizit politische Plattformen als Partizipationsangebote reuumlssiert Selbst wenn WikiLeaks als Enthuumlllungsplattform den offenen dezentralen Arbeitsmodus zu Gunsten einer staumlrker laquo sendeorientierten raquo Arbeitsteilung mit prominenten Medienvertretern aufgegeben hat gilt die Website in ihrer urspruumlnglichen Version als Wegbereiter fuumlr eine ganze Reihe von Transparenzakteuren In Deutschland haben insbesondere die Aktivitaumlten des laquo GuttenPlag Wiki raquo die Funktionsweise der Online-Kollaboration illustriert Die dort entstandene Datensammlung fungierte nach auszligen als Informations

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plattform und wirkte gleichzeitig identitaumltsstiftend im Gruppenzusammenhang der Aktiven Die groszlige Produktivkraft solch niedrigschwelliger Mitmach-Angebote zeigt sich auch entlang des Piratenwiki Es ist weit mehr als nur eine willkuumlrlich zusammengetragene Sammlung von Informationen uumlber die Piratenpartei Es uumlbernimmt auszligerdem die Rolle der Planungszentrale fuumlr Parteiversammlungen bietet Orientierung fuumlr Neumitglieder und dokumentiert die unterschiedlichsten Parteiaktivitaumlten Anders als die digitalen Parteizentralen der uumlbrigen Parteien bleibt die Gestaltung dieser strategischen Ressource damit in den Haumlnden der Mitglieder und Unterstuumltzer und eroumlffnet so neue digitale Beteiligungsmoumlglichkeiten an der innerparteilichen Kommunikation und Organisation

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4 Der Einsatz von Code Waumlhrend die vorgenannten Digitalisierungsprozesse noch einen starken politischen Akteurs- oder Prozessbezug aufweisen laumlsst sich auch eine vierte weniger sichtbare Ebene ausmachen die gewissermaszligen laquo hinter raquo den verschiedenen Phaumlnomenen liegt Gerne uumlbersehen wird naumlmlich dass politische Beteiligungsinnovationen auf den kenntnisreichen Einsatz von Code zuruumlckzufuumlhren sind Das Programmieren neuer Demokratie-Anwendungen ist andernorts weit verbreitet ndash mit dem W ettbewerb laquo Apps for Democracy raquo (USA) oder dem Daten-Portal datagov uk (Groszligbritannien) existieren bereits Leuchtturm-Projekte deren Uumlbertragung nach Deutschland als vorerst gescheitert gelten kann Die gesellschaftliche Bedeutung dieser neuen produktions- und nicht rezeptionsorientierten Form von Medienkompetenz ist hierzulande noch kaum angekommen ndash der US-amerikanische Medientheoretiker Douglas Rushkoff bemuumlht angesichts der wachsenden Bedeutung von Code als Kulturgut eine drastische Sprache laquo Programmiert selbst ndash oder ihr werdet programmiert werden raquo Allerdings haben zuletzt auch in Deutschland einige softwareorientierte Projekte diese ebenso aktuelle wie wichtige Debatte forciert

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

uarr Wer kommuniziert hier mit wem Parteitag der Piraten in Muumlnster 2012

Die innerparteiliche Entscheidungsfindung verschie shydener Gliederungen der Piratenpartei mittels laquoLiquid Feedbackraquo oder die Erweiterung der Enquecircte-Kom shymission laquoInternet und Digitale Gesellschaftraquo um den so genannten laquo18 Sachverstaumlndigenraquo durch die Diskussions- und Bewertungssoftware laquoAdhocracyraquo stellen unter Beweis dass auch in Deutschland polishytisches Innovationspotenzial vorhanden ist Einge shyrahmt von der eher demokratietheoretischen Debatte um laquoLiquid Democracyraquo wecken die politischen Soft shyware-Entwicklungen nun auch das Interesse internashytionaler Beobachter Deren Fokus faumlllt ndash bislang zu Recht ndash auf die Piratenpartei die dem politischen Alltag eine digitale Facette hinzugefuumlgt hat und darin den neuen Normalmodus gesellschaftlicher Beteili shygung erkennen will Die uumlbrigen Mitgliederparteien nehmen den interaktiven Kommunikationsraum des Internets zwar auch nicht mehr als ein voumlllig fremdes wohl aber als ein ungewoumlhnliches Terrain wahr und agieren eher zoumlgerlich

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Digitale Partizipation benoumltigt Schnittstellen zur analogen Welt Ob sich die digitale Schocktherapie schlieszliglich in einem gesellschaftlichen Partizipationsplus auszahlen wird ist laumlngst noch nicht klar Zu ungewiss sind einerseits die Verarbeitungs- und Anpassungskapazitaumlten der politischen Akteure ndash und auf die kommt es immer noch an wenn sich das politische System einer digitalen Beteiligungskur unterziehen soll Die vergangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wie laquo Schnittstellen raquo braucht die digitale Politikprozesse und -innovationen mit den traditionell (und richtigerweise) langsameren Routinen des politischen Alltagsgeschaumlfts verkoppeln Die Obama-Kampagne war ein solches laquo Interface raquo zwischen digitalen und analogen Politikraumlumen die WikiLeaks-

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Entwicklungen ebenfalls Gleiches gilt fuumlr Anonymus oder auch die Occupy-Bewegung In Deutschland haben sich die Piraten zum aktuell wirkmaumlchtigsten Schnittstellenakteur entwickelt sie uumlberlagern inzwischen sogar die Impulse aus der internationalen Online-Welt Bis vor gut einem Jahr brauchte es Julian Assange und die WikiLeaks-Kampagnen um den Begriff der Transparenz auf die politische Agenda zu bringen ndash in Deutschland haben die Piraten diese Aufgabe uumlbernommen Aumlhnliches gilt fuumlr politische Echtzeitkommunikation oder auch die Debatte um die gesellschaftliche Bedeutung von Code

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Es waumlre allerdings geradezu fatal die digitale Modernisierung der Politik als exklusives Piratenpro shyjekt zu verstehen Es ist richtig und konsequent dass sich die anderen Parteien einem laquodigitalen Selbst shytestraquo unterziehen und in mitunter schmerzhaften Identitaumltsfindungsprozessen neue Positionen zu den Themen und Verfahren einer internetorientierten Mediendemokratie ermitteln Mindestens an dieser Stelle ist der Begriff der laquoMitmach-Politikraquo ernst zu nehmen ndash fuumlr die verschiedenen Plattformen der sozi shyalen Medien gibt es keine Anleitung Die Potenziale vernetzter Oumlffentlichkeiten politischer Echtzeitkom shymunikation oder Online-Kollaborationsplattformen erschlieszligen sich vor allem deren Nutzern Es ist an der Zeit dass die Politik die Potenziale des aktiven Publikums erkennt ndash auch und gerade dann wenn dafuumlr ein Wechsel der Perspektive noumltig sein sollte

Prof Christoph Bieber forscht lehrt und publiziert seit Jahren zu Fragen der digitalen Oumlffentlichkeit und Demokratie

7laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das

Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werdenraquowieder gesteigert werdenraquo

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E-Democracy = estnische Demokratie

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

2200005 w5 wurrddeen en errssttmmals is in En Essttlaland Pnd Paarrlammeennttsswahlen per Ir Intteerrnnett moumlgglliicchh s seecchhs Js Jaahhrre se sppaumlter maachte dort berreeiitts js jeeddeer vr viieerrtte We Waumlhhlleerr ddavoon Gn Geebrbraauucchh M Miitttleerrwweeiile follgeen Ln Laumlaumlndndeer wr wie Norwegenn F Frraannkkrreeiicchh und diie Se Scchhwweeiiz dz deem em essttnniisscchhen Beiisspiel ndash w oomoumloumlglich aucch eh eiinnees Ts Taaggeess DDeeuuttsscchhlalandnd

DVon Manuel Kripp

emokratien sind hohen Anforderungen ausgesetzt davon zeugen sinkende Wahlbeteiligungen steigende

Briefwaumlhleranteile sowie der Wunsch der Buumlrger nach haumlufigerer und direkterer Beteiligung bei gleichzeitiger Ortsunabhaumlngigkeit Eine Antwort auf diese Herausforderungen liegt im Einsatz moderner Technologien im Wahlprozess Durch eine Digitalisierung der Demokratie koumlnnen das Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werden

Vorreiter der Entwicklung zum I-Voting war und ist Estland Dort wurde es zum ersten Mal bei der Lokalwahl 2005 praktiziert Die seinerzeitige Internet-Wahlbeteiligung von rund 2 Prozent hat sich bei der Parlamentswahl vom Maumlrz 2011 bereits auf 243 Prozent gesteigert Laut Untersuchungen des European University Institute haumltten 16 Prozent dieser Internet-Waumlhlerinnen und -Waumlhler ihre Stimme nicht abgegeben wenn die Moumlglichkeit der Internetwahl nicht zur Verfuumlgung gestanden haumltte

Die hohe Internet-Wahlbeteiligung ist auch in der ausgepraumlgten E-Governmentstruktur Estlands begruumlndet Ca 95 Prozent der Esten besitzen im Rahmen ihrer nationalen ID-Karte eine digitale Buumlrgerkarte und sind somit in der Lage den uumlberwiegenden Teil ihrer Kommunikation mit den Behoumlrden uumlber das Internet zu fuumlhren

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92 Prozent erledigen ihre Steuererklaumlrung online Firmenanmeldungen koumlnnen ebenso uumlber das Internet abgewickelt werden wie Autoverkaumlufe oder die notarielle Beglaubigung von Dokumenten Daruumlber hinaus bekommt jeder Buumlrger mit der nationalen ID-Karte auch eine estnische E-Mail-Adresse Die elektronische Kommunikation und Interaktion ist zur alltaumlglichen Normalitaumlt der Esten geworden Und das estnische Beispiel findet Nachahmer 2011 fuumlhrten auch Norwegen und die Schweiz und 2012 Frankreich Internetwahlen ein Die Schweiz ist ein sehr interessantes Beispiel denn Internet-Abstimmungen werden schon seit einiger Zeit in gewissen Kantonen angeboten 2011 wurde aber bei einem Bundesreferendum jedem im Ausland lebenden Schweizer in zehn Kantonen die Moumlglichkeit des I-Votings gegeben Auch Frankreich hat bei den Parlamentswahlen 2012 fuumlr im Ausland lebende Waumlhler das Internet eingesetzt Bei beiden Wahlen hielt sich die Wahlbeteiligung noch in Grenzen doch zeigten sich die Nutzungsmoumlglichkeiten fuumlr spezifische Waumlhlergruppen

In Norwegen beteiligten sich 2011 bei einem Pilotprojekt zehn Gemeinden an der Internetwahl dabei wurden ca 25 Prozent der Stimmen digital abgegeben Dieser Erfolg laumlsst sich auf eine offene Diskussion des I-Votings und ein ausgepraumlgtes E-Governmentsystem mit einer mobilen ID zuruumlckfuumlhren Dadurch wurde ein Verifikationsmechanismus moumlglich der jedem Waumlhler eine teilweise Kontrolle des nicht einsehbaren technischen Wahlprozesses gestattete

Im Vergleich zu Laumlndern wie Estland und Norwegen steht Deutschland noch am Anfang Nicht zuletzt das Urteil des BVerfG zum I-Voting ist fuumlr dessen Einfuumlhrung eine hohe Huumlrde Um dem zu genuumlgen ist nicht zuletzt Voraussetzung dass jedem Buumlrger eine digitale Identitaumlt zur Verfuumlgung steht mit der eine sichere rechtsguumlltige digitale Unterschrift moumlglich ist Der neue Personalausweis ist ein erster Schritt in die richtige Richtung jedoch fehlen bisher entsprechende Applikationen und Pilotprojekte Eine moumlgliche Vision koumlnnte der Einsatz von Internetwahlen bei den Sozialwahlen 2017 sein bei denen beispielsweise uumlber die Krankenversichertenkarte die Identifikation sichergestellt werden kann und eine kostenguumlnstige schnelle Alternative zur Briefwahl angeboten wird

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Manuel Kripp ist Geschaumlftsfuumlhrer des Competence Center for Electronic Voting and Participation (wwwe-votingcc)

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Kein Koalitionspartner kann aller Piraten-stimmen sicher sein

Wo die Piraten auf der Rechts-links-Skala zu finden sind was die 90-9-1-Regel besagt wie die repraumlsentative durch die liquide Demokratie ergaumlnzt werden kann und warum die Abgeordneten der Piraten zwar nach ihrem Gewissen entscheiden aber so wie die Basis abstimmen

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Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband

Ralf Fuumlcks Die Piraten haben einen fast maumlrchenhaften Aufstieg erlebt seit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eilen sie von Erfolg zu Erfolg Trotzdem hat man das Gefuumlhl dass sie ihren Zenit schon uumlberschritten haben Sie sind vor allem mit sich selbst beschaumlftigt wirken bei den groszligen politischen Entscheidungen ndash wie weiter mit Europa Griechenland Fiskal-Pakt Energiewende ndash merkwuumlrdig abwesend Wie lange koumlnnen sie sich das leisten Marina Weisband Von den vier Themen die Sie gerade benannt haben beziehen sich drei auf die Euro-Krise Die Piraten haben zu zwei groumlszligeren Themenkomplexen noch kein Grundsatzprogramm das sind die Wirtschafts- und die Auszligenpolitik Das erschwert natuumlrlich das Mitreden in diesen Bereichen Bei beiden werden wir jedoch im November ein Grundsatzprogramm beschlieszligen Bis dahin koumlnnen wir uumlber diese Themen nicht sehr intensiv mitentscheiden Bei anderen hingegen die wir schon in unser Programm aufgenommen haben haben wir auch zur oumlffentlichen Debatte beigetragen Wir haben uns auch zur Energiewende positioniert unsere Anti-Atom-Piraten sind da zu ihrer Houmlchstform aufgelaufen und haben bei saumlmtlichen Demonstrationen mitgewirkt Es ist also gar nicht so dass wir uns voumlllig bedeckt halten

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Fuumlcks Auch wo die Piraten programmatische Aussagen beschlossen haben merkt man davon nicht viel in der oumlffentlichen Debatte Ich mutmaszlige das hat sehr viel mit ihren internen Strukturen zu tun Der Bundesvorstand wird sowohl in der Ausuumlbung seines politischen Mandates als auch finanziell extrem kurzgehalten Er ist im Grunde nicht autorisiert mit authentischen Positionen an der oumlffentlichen Debatte teilzunehmen und politische Initiativen zu ergreifen Kann diese basisdemokratische Weigerung eine professionelle Struktur aufzubauen nicht zum politischen Bumerang werden

Weisband Ich glaube nicht Ihre Auszligenwahrnehmung hat ganz viel damit zu tun dass wir einfach keine professionellen PR-Strukturen haben Wir haben keinerlei Erfahrung in Oumlffentlichkeitsarbeit wir machen das einfach wie es uns gerade einfaumlllt Das bedeutet dass die oumlffentliche Wahrnehmung der Piraten stark davon bestimmt ist was Journalisten uumlber uns erzaumlhlen wollen Immer das was gerade als Story gut ist wird dargestellt zum Positiven wie zum Negativen Auch wenn unser Bundesvorstand eine eigene Meinung sagen durfte wird die nicht abgedruckt

Fuumlcks Aber die Piraten sind doch sehr stark medial praumlsent

Ralf Fuumlcks ist Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Marina Weisband war Bun-desgeschaumlftsfuumlhrerin der Partei laquo Die Piraten raquo

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laquoDurch die Information und dielaquoDurch die Information und die KKommunikation miteinander brauchenommunikation miteinander brauchen

BuumlrBuumlrger weniger Rger weniger Repraumlsentanten sieepraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Vkoumlnnen und sollen mehr Verantwortungerantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundideefuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee

unserer Punserer Partei ist der informierteartei ist der informierte MenschMensch raquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

GespraumlchGespraumlch

Weisband Das ist richtig Aber das heiszligt nicht dass alles was man sagt so auch erscheint Wir haben es natuumlrlich auch uns selbst zuzurechnen dass wir einfach noch nicht so gut darin sind unsere eigenen Themen zu platzieren Aber das werden wir noch lernen

Was den Bundesvorstand betrifft ich wuumlrde mir wirklich nicht wuumlnschen dass er legitimiert ist eine eigene Agenda zu setzen Denn wozu haben wir unsere basisdemokratischen Strukturen wenn ein paar Leute die mehr Macht haben weil ihnen zugehoumlrt wird dadurch ihre eigenen Plaumlne durchpushen koumlnnen Wenn ich als Bundesvorstand sage Ich bin gegen einen Atomausstieg ndash was ich nicht bin aber als Beispiel ndash dann wuumlrde es heiszligen Die Piratenpartei ist gegen den Atomausstieg Und das wuumlrde einfach nicht stimmen

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Fuumlcks Dieses Hohelied auf die Basisdemokratie das imperative Mandat fuumlr Abgeordnete die Ablehnung einer Professionalisierung von Politik zeugt das nicht von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenuumlber Personen die man in verantwortliche Positionen gewaumlhlt hat Sie reduzieren Abgeordnete und Vorstaumlnde auf Funktionaumlre wenn Sie ihnen gar keine Freiheit zubilligen diese Rolle auszufuumlllen

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Weisband Es ist genau das Gegenteil der Fall Wir wollen dass moumlglichst viele moumlglichst viel Freiheit und moumlglichst viel Verantwortung haben und denen vertrauen wir und das ist unsere Parteibasis Wir wollen dass die die Verantwortung tragen dass die das Programm weiterentwickeln dass die fuumlr uns mitsprechen dass die unsere Partei entwickeln Wir wollen kein imperatives Mandat auf keinen Fall Wir sind gerade fuumlr die Gewissensfreiheit der Abgeordneten deshalb sind wir auch gegen Fraktionszwang Aber wir moumlchten dass moumlglichst viel von der Basis aus gemacht wird Das ist das Humane an unserem Modell Wir wollen gerade denen die Verantwortung und das Vertrauen schenken

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Fuumlcks Soweit ich weiszlig beteiligt sich nur ein Bruchteil dieser Basis tatsaumlchlich an der Parteidebatte Wenn eine kleine Minderheit von Aktivisten die im Netz zu Hause sind eine sehr starke Praumlgekraft hat dann ist das doch ein hoch selektiver nicht wirklich repraumlsentativer Prozess

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Weisband Dieser Prozess ist keineswegs selektivweil jeder mitarbeiten kann der will Und in Systemen in denen jeder mitarbeiten kann der willhaben wir eine so genannte 90-9-1-Regel In einem freien System sind 90 Prozent der Mitglieder meistens eher schweigende Zuschauer 9 Prozent sind mittelaktive User und von einem Prozent stammen 90 Prozent des Contents Das erleben wir so in Forendas erleben wir auf jeder Plattform wo man freiwillig mitarbeiten kann Sie werden auch von den Gruumlnen wissen dass die meisten Mitglieder doch inaktiv sind

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Weisband Nein das Verfahren ist einfach nur Teil unseres Inhalts Und unser Inhalt besagt dass unsere Welt sich so weit zu einer Informationsgesellschaft entwickelt hat dass der Mensch besser informiert ist Durch die Information und die Kommunikation miteinander brauchen Buumlrger weniger Repraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Verantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee unserer Partei ist der informierte Mensch

Ein Zehntel wirklich aktiv beteiligter Mitglieder ist so gesehen eine ganz gute Zahl Das Wichtigste ist dass wir keine Huumlrden fuumlr Beteiligung setzen Das heiszligt dass jeder der mitarbeiten will wirklich mitarbeiten kann und das ist eine demokratische Struktur Wir koumlnnen die Menschen ja nicht zur Mitarbeit zwingen

Fuumlcks Ist das der Kern Ihres Selbstverstaumlndnisses als neue politische Formation Parteien stehen in der Regel fuumlr eine groszlige politische Idee Liberalismus christliche Werte soziale Gerechtigkeit oder Oumlkologie Stehen die Piraten nicht fuumlr eine neue politische Richtung sondern fuumlr ein alternatives Verfahren

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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laquoIch kann mir vorstellen dass die PlaquoIch kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in einiratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Rpaar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgtegierungsverantwortung traumlgt

Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

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GespraumlchGespraumlch

einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

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Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

id Pachali

Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

vonvon untenunten rsaquorsaquo raquoraquo

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

werdenwerden kannkannraquoraquo

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

BoumlllThema 22012 21

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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22 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

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Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

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28 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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BoumlllThema 22012 5 Fo

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EssayEssay

laquolaquo Die verDie vergangenen vier Jahregangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wiehaben gezeigt dass es so etwas wie lsaquolsaquo SchnittstellenSchnittstellen rsaquo braucht die digitalersaquo braucht die digitale

PPolitikprozesse undolitikprozesse und -innovationen mit-innovationen mit den traditionell (und richtigerweise)den traditionell (und richtigerweise)

langsameren Rlangsameren Routinen des politischenoutinen des politischen AlltagsgeschaumlftsAlltagsgeschaumlfts verkoppelnverkoppeln raquoraquo

sind bislang noch kaum uumlberzeugende Antworten gefunden worden

2 Die Effekte der Echzeitkommunikation Die Effekte der laquo politischen Echtzeitkommunikation raquo wurden in Deutschland lange Zeit belaumlchelt ndash doch trotz des hierzulande schlechten Images des weltweit houmlchst erfolgreichen Kurzmitteilungsservice Twitter haben sich Politiker recht fruumlh auf das Format eingelassen Dass man via Twitter weit mehr als nur laquo 140 Zeichen heiszlige Luft raquo (FAZ) verbreiten kann haben zuletzt zahlreiche parlamentarische Spitzenakteure bewiesen den vielleicht groumlszligten Beitrag zur Salonreife hat mit RegSprecher jedoch ein institutioneller Twitterer geliefert Die professionelle und dem knappen dialogischen Format angemessene Form macht deutlich dass hier ein neuer Distributionskanal entstanden ist den politische Akteure sehr produktiv in die alltaumlgliche Vermittlungsarbeit integrieren koumlnnen Dabei umgehen sie mitunter die klassischen Vertriebswege des politischen Journalismus und erreichen ihre Zielpublika direkt ndash ein weiteres Beispiel fuumlr die Entstehung neuer vernetzter Oumlffentlichkeiten Allmaumlhlich zeichnet sich in der parlamentarischen Twitter-Nutzung eine zweite Neuerung ab bisweilen erhalten die Kurzdialoge den Charakter einer laquo Branchenkommunikation raquo wenn die Politiker innerhalb der eigenen Partei aber auch quer zu den Fraktionsgrenzen miteinander ins Gespraumlch kommen Dass sich dadurch die Kommunikationsarena des Parlaments veraumlndern kann hat etwa die Debatte im hessischen Landtag gezeigt Dort erlaubte der Aumlltestenrat nach einer internen Kontroverse das Twittern von der Besuchergalerie Damit erhaumllt nun auch der interessierte Buumlrger die Moumlglichkeit sich in die parlamentarische Parallelkommunikation einzuschalten ndash das bezeugt die allmaumlhliche Anerkennung des Veraumlnderungsdrucks medialer Innovationen im Politikbetrieb

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3 Die Moumlglichkeiten der digitalen Kollaboration Die Moumlglichkeiten einer dezentralen uumlber multi- oder monothematische Plattformen organisierten digitalen Kollaboration koumlnnen als weitere Triebfeder der politischen Digitalisierung verstanden werdenAls Prototyp gilt hier sicher die Online-Enzyklopaumldie Wikipedia doch zuletzt haben auch explizit politische Plattformen als Partizipationsangebote reuumlssiert Selbst wenn WikiLeaks als Enthuumlllungsplattform den offenen dezentralen Arbeitsmodus zu Gunsten einer staumlrker laquo sendeorientierten raquo Arbeitsteilung mit prominenten Medienvertretern aufgegeben hat gilt die Website in ihrer urspruumlnglichen Version als Wegbereiter fuumlr eine ganze Reihe von Transparenzakteuren In Deutschland haben insbesondere die Aktivitaumlten des laquo GuttenPlag Wiki raquo die Funktionsweise der Online-Kollaboration illustriert Die dort entstandene Datensammlung fungierte nach auszligen als Informations

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plattform und wirkte gleichzeitig identitaumltsstiftend im Gruppenzusammenhang der Aktiven Die groszlige Produktivkraft solch niedrigschwelliger Mitmach-Angebote zeigt sich auch entlang des Piratenwiki Es ist weit mehr als nur eine willkuumlrlich zusammengetragene Sammlung von Informationen uumlber die Piratenpartei Es uumlbernimmt auszligerdem die Rolle der Planungszentrale fuumlr Parteiversammlungen bietet Orientierung fuumlr Neumitglieder und dokumentiert die unterschiedlichsten Parteiaktivitaumlten Anders als die digitalen Parteizentralen der uumlbrigen Parteien bleibt die Gestaltung dieser strategischen Ressource damit in den Haumlnden der Mitglieder und Unterstuumltzer und eroumlffnet so neue digitale Beteiligungsmoumlglichkeiten an der innerparteilichen Kommunikation und Organisation

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4 Der Einsatz von Code Waumlhrend die vorgenannten Digitalisierungsprozesse noch einen starken politischen Akteurs- oder Prozessbezug aufweisen laumlsst sich auch eine vierte weniger sichtbare Ebene ausmachen die gewissermaszligen laquo hinter raquo den verschiedenen Phaumlnomenen liegt Gerne uumlbersehen wird naumlmlich dass politische Beteiligungsinnovationen auf den kenntnisreichen Einsatz von Code zuruumlckzufuumlhren sind Das Programmieren neuer Demokratie-Anwendungen ist andernorts weit verbreitet ndash mit dem W ettbewerb laquo Apps for Democracy raquo (USA) oder dem Daten-Portal datagov uk (Groszligbritannien) existieren bereits Leuchtturm-Projekte deren Uumlbertragung nach Deutschland als vorerst gescheitert gelten kann Die gesellschaftliche Bedeutung dieser neuen produktions- und nicht rezeptionsorientierten Form von Medienkompetenz ist hierzulande noch kaum angekommen ndash der US-amerikanische Medientheoretiker Douglas Rushkoff bemuumlht angesichts der wachsenden Bedeutung von Code als Kulturgut eine drastische Sprache laquo Programmiert selbst ndash oder ihr werdet programmiert werden raquo Allerdings haben zuletzt auch in Deutschland einige softwareorientierte Projekte diese ebenso aktuelle wie wichtige Debatte forciert

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

uarr Wer kommuniziert hier mit wem Parteitag der Piraten in Muumlnster 2012

Die innerparteiliche Entscheidungsfindung verschie shydener Gliederungen der Piratenpartei mittels laquoLiquid Feedbackraquo oder die Erweiterung der Enquecircte-Kom shymission laquoInternet und Digitale Gesellschaftraquo um den so genannten laquo18 Sachverstaumlndigenraquo durch die Diskussions- und Bewertungssoftware laquoAdhocracyraquo stellen unter Beweis dass auch in Deutschland polishytisches Innovationspotenzial vorhanden ist Einge shyrahmt von der eher demokratietheoretischen Debatte um laquoLiquid Democracyraquo wecken die politischen Soft shyware-Entwicklungen nun auch das Interesse internashytionaler Beobachter Deren Fokus faumlllt ndash bislang zu Recht ndash auf die Piratenpartei die dem politischen Alltag eine digitale Facette hinzugefuumlgt hat und darin den neuen Normalmodus gesellschaftlicher Beteili shygung erkennen will Die uumlbrigen Mitgliederparteien nehmen den interaktiven Kommunikationsraum des Internets zwar auch nicht mehr als ein voumlllig fremdes wohl aber als ein ungewoumlhnliches Terrain wahr und agieren eher zoumlgerlich

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Digitale Partizipation benoumltigt Schnittstellen zur analogen Welt Ob sich die digitale Schocktherapie schlieszliglich in einem gesellschaftlichen Partizipationsplus auszahlen wird ist laumlngst noch nicht klar Zu ungewiss sind einerseits die Verarbeitungs- und Anpassungskapazitaumlten der politischen Akteure ndash und auf die kommt es immer noch an wenn sich das politische System einer digitalen Beteiligungskur unterziehen soll Die vergangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wie laquo Schnittstellen raquo braucht die digitale Politikprozesse und -innovationen mit den traditionell (und richtigerweise) langsameren Routinen des politischen Alltagsgeschaumlfts verkoppeln Die Obama-Kampagne war ein solches laquo Interface raquo zwischen digitalen und analogen Politikraumlumen die WikiLeaks-

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Entwicklungen ebenfalls Gleiches gilt fuumlr Anonymus oder auch die Occupy-Bewegung In Deutschland haben sich die Piraten zum aktuell wirkmaumlchtigsten Schnittstellenakteur entwickelt sie uumlberlagern inzwischen sogar die Impulse aus der internationalen Online-Welt Bis vor gut einem Jahr brauchte es Julian Assange und die WikiLeaks-Kampagnen um den Begriff der Transparenz auf die politische Agenda zu bringen ndash in Deutschland haben die Piraten diese Aufgabe uumlbernommen Aumlhnliches gilt fuumlr politische Echtzeitkommunikation oder auch die Debatte um die gesellschaftliche Bedeutung von Code

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Es waumlre allerdings geradezu fatal die digitale Modernisierung der Politik als exklusives Piratenpro shyjekt zu verstehen Es ist richtig und konsequent dass sich die anderen Parteien einem laquodigitalen Selbst shytestraquo unterziehen und in mitunter schmerzhaften Identitaumltsfindungsprozessen neue Positionen zu den Themen und Verfahren einer internetorientierten Mediendemokratie ermitteln Mindestens an dieser Stelle ist der Begriff der laquoMitmach-Politikraquo ernst zu nehmen ndash fuumlr die verschiedenen Plattformen der sozi shyalen Medien gibt es keine Anleitung Die Potenziale vernetzter Oumlffentlichkeiten politischer Echtzeitkom shymunikation oder Online-Kollaborationsplattformen erschlieszligen sich vor allem deren Nutzern Es ist an der Zeit dass die Politik die Potenziale des aktiven Publikums erkennt ndash auch und gerade dann wenn dafuumlr ein Wechsel der Perspektive noumltig sein sollte

Prof Christoph Bieber forscht lehrt und publiziert seit Jahren zu Fragen der digitalen Oumlffentlichkeit und Demokratie

7laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das

Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werdenraquowieder gesteigert werdenraquo

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E-Democracy = estnische Demokratie

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

2200005 w5 wurrddeen en errssttmmals is in En Essttlaland Pnd Paarrlammeennttsswahlen per Ir Intteerrnnett moumlgglliicchh s seecchhs Js Jaahhrre se sppaumlter maachte dort berreeiitts js jeeddeer vr viieerrtte We Waumlhhlleerr ddavoon Gn Geebrbraauucchh M Miitttleerrwweeiile follgeen Ln Laumlaumlndndeer wr wie Norwegenn F Frraannkkrreeiicchh und diie Se Scchhwweeiiz dz deem em essttnniisscchhen Beiisspiel ndash w oomoumloumlglich aucch eh eiinnees Ts Taaggeess DDeeuuttsscchhlalandnd

DVon Manuel Kripp

emokratien sind hohen Anforderungen ausgesetzt davon zeugen sinkende Wahlbeteiligungen steigende

Briefwaumlhleranteile sowie der Wunsch der Buumlrger nach haumlufigerer und direkterer Beteiligung bei gleichzeitiger Ortsunabhaumlngigkeit Eine Antwort auf diese Herausforderungen liegt im Einsatz moderner Technologien im Wahlprozess Durch eine Digitalisierung der Demokratie koumlnnen das Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werden

Vorreiter der Entwicklung zum I-Voting war und ist Estland Dort wurde es zum ersten Mal bei der Lokalwahl 2005 praktiziert Die seinerzeitige Internet-Wahlbeteiligung von rund 2 Prozent hat sich bei der Parlamentswahl vom Maumlrz 2011 bereits auf 243 Prozent gesteigert Laut Untersuchungen des European University Institute haumltten 16 Prozent dieser Internet-Waumlhlerinnen und -Waumlhler ihre Stimme nicht abgegeben wenn die Moumlglichkeit der Internetwahl nicht zur Verfuumlgung gestanden haumltte

Die hohe Internet-Wahlbeteiligung ist auch in der ausgepraumlgten E-Governmentstruktur Estlands begruumlndet Ca 95 Prozent der Esten besitzen im Rahmen ihrer nationalen ID-Karte eine digitale Buumlrgerkarte und sind somit in der Lage den uumlberwiegenden Teil ihrer Kommunikation mit den Behoumlrden uumlber das Internet zu fuumlhren

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92 Prozent erledigen ihre Steuererklaumlrung online Firmenanmeldungen koumlnnen ebenso uumlber das Internet abgewickelt werden wie Autoverkaumlufe oder die notarielle Beglaubigung von Dokumenten Daruumlber hinaus bekommt jeder Buumlrger mit der nationalen ID-Karte auch eine estnische E-Mail-Adresse Die elektronische Kommunikation und Interaktion ist zur alltaumlglichen Normalitaumlt der Esten geworden Und das estnische Beispiel findet Nachahmer 2011 fuumlhrten auch Norwegen und die Schweiz und 2012 Frankreich Internetwahlen ein Die Schweiz ist ein sehr interessantes Beispiel denn Internet-Abstimmungen werden schon seit einiger Zeit in gewissen Kantonen angeboten 2011 wurde aber bei einem Bundesreferendum jedem im Ausland lebenden Schweizer in zehn Kantonen die Moumlglichkeit des I-Votings gegeben Auch Frankreich hat bei den Parlamentswahlen 2012 fuumlr im Ausland lebende Waumlhler das Internet eingesetzt Bei beiden Wahlen hielt sich die Wahlbeteiligung noch in Grenzen doch zeigten sich die Nutzungsmoumlglichkeiten fuumlr spezifische Waumlhlergruppen

In Norwegen beteiligten sich 2011 bei einem Pilotprojekt zehn Gemeinden an der Internetwahl dabei wurden ca 25 Prozent der Stimmen digital abgegeben Dieser Erfolg laumlsst sich auf eine offene Diskussion des I-Votings und ein ausgepraumlgtes E-Governmentsystem mit einer mobilen ID zuruumlckfuumlhren Dadurch wurde ein Verifikationsmechanismus moumlglich der jedem Waumlhler eine teilweise Kontrolle des nicht einsehbaren technischen Wahlprozesses gestattete

Im Vergleich zu Laumlndern wie Estland und Norwegen steht Deutschland noch am Anfang Nicht zuletzt das Urteil des BVerfG zum I-Voting ist fuumlr dessen Einfuumlhrung eine hohe Huumlrde Um dem zu genuumlgen ist nicht zuletzt Voraussetzung dass jedem Buumlrger eine digitale Identitaumlt zur Verfuumlgung steht mit der eine sichere rechtsguumlltige digitale Unterschrift moumlglich ist Der neue Personalausweis ist ein erster Schritt in die richtige Richtung jedoch fehlen bisher entsprechende Applikationen und Pilotprojekte Eine moumlgliche Vision koumlnnte der Einsatz von Internetwahlen bei den Sozialwahlen 2017 sein bei denen beispielsweise uumlber die Krankenversichertenkarte die Identifikation sichergestellt werden kann und eine kostenguumlnstige schnelle Alternative zur Briefwahl angeboten wird

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Manuel Kripp ist Geschaumlftsfuumlhrer des Competence Center for Electronic Voting and Participation (wwwe-votingcc)

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Kein Koalitionspartner kann aller Piraten-stimmen sicher sein

Wo die Piraten auf der Rechts-links-Skala zu finden sind was die 90-9-1-Regel besagt wie die repraumlsentative durch die liquide Demokratie ergaumlnzt werden kann und warum die Abgeordneten der Piraten zwar nach ihrem Gewissen entscheiden aber so wie die Basis abstimmen

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Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband

Ralf Fuumlcks Die Piraten haben einen fast maumlrchenhaften Aufstieg erlebt seit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eilen sie von Erfolg zu Erfolg Trotzdem hat man das Gefuumlhl dass sie ihren Zenit schon uumlberschritten haben Sie sind vor allem mit sich selbst beschaumlftigt wirken bei den groszligen politischen Entscheidungen ndash wie weiter mit Europa Griechenland Fiskal-Pakt Energiewende ndash merkwuumlrdig abwesend Wie lange koumlnnen sie sich das leisten Marina Weisband Von den vier Themen die Sie gerade benannt haben beziehen sich drei auf die Euro-Krise Die Piraten haben zu zwei groumlszligeren Themenkomplexen noch kein Grundsatzprogramm das sind die Wirtschafts- und die Auszligenpolitik Das erschwert natuumlrlich das Mitreden in diesen Bereichen Bei beiden werden wir jedoch im November ein Grundsatzprogramm beschlieszligen Bis dahin koumlnnen wir uumlber diese Themen nicht sehr intensiv mitentscheiden Bei anderen hingegen die wir schon in unser Programm aufgenommen haben haben wir auch zur oumlffentlichen Debatte beigetragen Wir haben uns auch zur Energiewende positioniert unsere Anti-Atom-Piraten sind da zu ihrer Houmlchstform aufgelaufen und haben bei saumlmtlichen Demonstrationen mitgewirkt Es ist also gar nicht so dass wir uns voumlllig bedeckt halten

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Fuumlcks Auch wo die Piraten programmatische Aussagen beschlossen haben merkt man davon nicht viel in der oumlffentlichen Debatte Ich mutmaszlige das hat sehr viel mit ihren internen Strukturen zu tun Der Bundesvorstand wird sowohl in der Ausuumlbung seines politischen Mandates als auch finanziell extrem kurzgehalten Er ist im Grunde nicht autorisiert mit authentischen Positionen an der oumlffentlichen Debatte teilzunehmen und politische Initiativen zu ergreifen Kann diese basisdemokratische Weigerung eine professionelle Struktur aufzubauen nicht zum politischen Bumerang werden

Weisband Ich glaube nicht Ihre Auszligenwahrnehmung hat ganz viel damit zu tun dass wir einfach keine professionellen PR-Strukturen haben Wir haben keinerlei Erfahrung in Oumlffentlichkeitsarbeit wir machen das einfach wie es uns gerade einfaumlllt Das bedeutet dass die oumlffentliche Wahrnehmung der Piraten stark davon bestimmt ist was Journalisten uumlber uns erzaumlhlen wollen Immer das was gerade als Story gut ist wird dargestellt zum Positiven wie zum Negativen Auch wenn unser Bundesvorstand eine eigene Meinung sagen durfte wird die nicht abgedruckt

Fuumlcks Aber die Piraten sind doch sehr stark medial praumlsent

Ralf Fuumlcks ist Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Marina Weisband war Bun-desgeschaumlftsfuumlhrerin der Partei laquo Die Piraten raquo

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laquoDurch die Information und dielaquoDurch die Information und die KKommunikation miteinander brauchenommunikation miteinander brauchen

BuumlrBuumlrger weniger Rger weniger Repraumlsentanten sieepraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Vkoumlnnen und sollen mehr Verantwortungerantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundideefuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee

unserer Punserer Partei ist der informierteartei ist der informierte MenschMensch raquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

GespraumlchGespraumlch

Weisband Das ist richtig Aber das heiszligt nicht dass alles was man sagt so auch erscheint Wir haben es natuumlrlich auch uns selbst zuzurechnen dass wir einfach noch nicht so gut darin sind unsere eigenen Themen zu platzieren Aber das werden wir noch lernen

Was den Bundesvorstand betrifft ich wuumlrde mir wirklich nicht wuumlnschen dass er legitimiert ist eine eigene Agenda zu setzen Denn wozu haben wir unsere basisdemokratischen Strukturen wenn ein paar Leute die mehr Macht haben weil ihnen zugehoumlrt wird dadurch ihre eigenen Plaumlne durchpushen koumlnnen Wenn ich als Bundesvorstand sage Ich bin gegen einen Atomausstieg ndash was ich nicht bin aber als Beispiel ndash dann wuumlrde es heiszligen Die Piratenpartei ist gegen den Atomausstieg Und das wuumlrde einfach nicht stimmen

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Fuumlcks Dieses Hohelied auf die Basisdemokratie das imperative Mandat fuumlr Abgeordnete die Ablehnung einer Professionalisierung von Politik zeugt das nicht von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenuumlber Personen die man in verantwortliche Positionen gewaumlhlt hat Sie reduzieren Abgeordnete und Vorstaumlnde auf Funktionaumlre wenn Sie ihnen gar keine Freiheit zubilligen diese Rolle auszufuumlllen

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Weisband Es ist genau das Gegenteil der Fall Wir wollen dass moumlglichst viele moumlglichst viel Freiheit und moumlglichst viel Verantwortung haben und denen vertrauen wir und das ist unsere Parteibasis Wir wollen dass die die Verantwortung tragen dass die das Programm weiterentwickeln dass die fuumlr uns mitsprechen dass die unsere Partei entwickeln Wir wollen kein imperatives Mandat auf keinen Fall Wir sind gerade fuumlr die Gewissensfreiheit der Abgeordneten deshalb sind wir auch gegen Fraktionszwang Aber wir moumlchten dass moumlglichst viel von der Basis aus gemacht wird Das ist das Humane an unserem Modell Wir wollen gerade denen die Verantwortung und das Vertrauen schenken

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Fuumlcks Soweit ich weiszlig beteiligt sich nur ein Bruchteil dieser Basis tatsaumlchlich an der Parteidebatte Wenn eine kleine Minderheit von Aktivisten die im Netz zu Hause sind eine sehr starke Praumlgekraft hat dann ist das doch ein hoch selektiver nicht wirklich repraumlsentativer Prozess

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Weisband Dieser Prozess ist keineswegs selektivweil jeder mitarbeiten kann der will Und in Systemen in denen jeder mitarbeiten kann der willhaben wir eine so genannte 90-9-1-Regel In einem freien System sind 90 Prozent der Mitglieder meistens eher schweigende Zuschauer 9 Prozent sind mittelaktive User und von einem Prozent stammen 90 Prozent des Contents Das erleben wir so in Forendas erleben wir auf jeder Plattform wo man freiwillig mitarbeiten kann Sie werden auch von den Gruumlnen wissen dass die meisten Mitglieder doch inaktiv sind

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Weisband Nein das Verfahren ist einfach nur Teil unseres Inhalts Und unser Inhalt besagt dass unsere Welt sich so weit zu einer Informationsgesellschaft entwickelt hat dass der Mensch besser informiert ist Durch die Information und die Kommunikation miteinander brauchen Buumlrger weniger Repraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Verantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee unserer Partei ist der informierte Mensch

Ein Zehntel wirklich aktiv beteiligter Mitglieder ist so gesehen eine ganz gute Zahl Das Wichtigste ist dass wir keine Huumlrden fuumlr Beteiligung setzen Das heiszligt dass jeder der mitarbeiten will wirklich mitarbeiten kann und das ist eine demokratische Struktur Wir koumlnnen die Menschen ja nicht zur Mitarbeit zwingen

Fuumlcks Ist das der Kern Ihres Selbstverstaumlndnisses als neue politische Formation Parteien stehen in der Regel fuumlr eine groszlige politische Idee Liberalismus christliche Werte soziale Gerechtigkeit oder Oumlkologie Stehen die Piraten nicht fuumlr eine neue politische Richtung sondern fuumlr ein alternatives Verfahren

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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laquoIch kann mir vorstellen dass die PlaquoIch kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in einiratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Rpaar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgtegierungsverantwortung traumlgt

Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

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GespraumlchGespraumlch

einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

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Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

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Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

EEnnttwweeddeer dr daas Is Inntteerrnneet blt bleeiibbt et eiin fn frreeiieess o offffeennees us und gnd grreennzzeennlloossees Ns Neettzzwweerkrk o oddeer er es fis findndeet et eiinne Ke Keehhrrttwweendnde ie inn RRiicchhttuunng eg eiinnees zs zeennssiieerrtteen un und fnd frraaggmmeennttiieerrtteen In Inntteerrnneetts ss sttaatttt i in dn deem nm naattiioonnaalle Re Reeggiieerruunnggeen un und Und Unntteerrnneehhmmeenn iindndiivviidudueelllle Re Reecchhtte ue und Fnd Frreeiihheeiitteen vn voon Mn Miilllliiaarrddeen In Inntteerrnneettnnuuttzzeerrn en eiinnsscchhrraumlaumlnnkkeen on oddeer gaumlr gaumlnnzzlliicch sh sttrraanngguulliieerreenn

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

DDeerzzeeiit siind wnd weellttwweeit rt ruund 1nd 1220 B0 Bllooggggeerriinnnneenn B Blooggggeer ur und Ond Onnlliinnee--AAkkttiivviisstteen in in Hn Haafftt v vor ar allllem im in Cn Chhinnaa IIrraan un und Vnd Viieettnnaamm St Steellllvveerrttrreetteend fnd fuumluumlr dr diie ve viieelleen sn stteelllleen wn wiir drr dreei vi voon in ihhnneen vn voorr

Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

ansagenraquo mdash Konstantin von Notz

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

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Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

BoumlllThema 22012 31

GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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32 BoumlllThema 22012

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

BoumlllThema 22012 33

EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

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Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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6 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

uarr Wer kommuniziert hier mit wem Parteitag der Piraten in Muumlnster 2012

Die innerparteiliche Entscheidungsfindung verschie shydener Gliederungen der Piratenpartei mittels laquoLiquid Feedbackraquo oder die Erweiterung der Enquecircte-Kom shymission laquoInternet und Digitale Gesellschaftraquo um den so genannten laquo18 Sachverstaumlndigenraquo durch die Diskussions- und Bewertungssoftware laquoAdhocracyraquo stellen unter Beweis dass auch in Deutschland polishytisches Innovationspotenzial vorhanden ist Einge shyrahmt von der eher demokratietheoretischen Debatte um laquoLiquid Democracyraquo wecken die politischen Soft shyware-Entwicklungen nun auch das Interesse internashytionaler Beobachter Deren Fokus faumlllt ndash bislang zu Recht ndash auf die Piratenpartei die dem politischen Alltag eine digitale Facette hinzugefuumlgt hat und darin den neuen Normalmodus gesellschaftlicher Beteili shygung erkennen will Die uumlbrigen Mitgliederparteien nehmen den interaktiven Kommunikationsraum des Internets zwar auch nicht mehr als ein voumlllig fremdes wohl aber als ein ungewoumlhnliches Terrain wahr und agieren eher zoumlgerlich

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Digitale Partizipation benoumltigt Schnittstellen zur analogen Welt Ob sich die digitale Schocktherapie schlieszliglich in einem gesellschaftlichen Partizipationsplus auszahlen wird ist laumlngst noch nicht klar Zu ungewiss sind einerseits die Verarbeitungs- und Anpassungskapazitaumlten der politischen Akteure ndash und auf die kommt es immer noch an wenn sich das politische System einer digitalen Beteiligungskur unterziehen soll Die vergangenen vier Jahre haben gezeigt dass es so etwas wie laquo Schnittstellen raquo braucht die digitale Politikprozesse und -innovationen mit den traditionell (und richtigerweise) langsameren Routinen des politischen Alltagsgeschaumlfts verkoppeln Die Obama-Kampagne war ein solches laquo Interface raquo zwischen digitalen und analogen Politikraumlumen die WikiLeaks-

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Entwicklungen ebenfalls Gleiches gilt fuumlr Anonymus oder auch die Occupy-Bewegung In Deutschland haben sich die Piraten zum aktuell wirkmaumlchtigsten Schnittstellenakteur entwickelt sie uumlberlagern inzwischen sogar die Impulse aus der internationalen Online-Welt Bis vor gut einem Jahr brauchte es Julian Assange und die WikiLeaks-Kampagnen um den Begriff der Transparenz auf die politische Agenda zu bringen ndash in Deutschland haben die Piraten diese Aufgabe uumlbernommen Aumlhnliches gilt fuumlr politische Echtzeitkommunikation oder auch die Debatte um die gesellschaftliche Bedeutung von Code

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Es waumlre allerdings geradezu fatal die digitale Modernisierung der Politik als exklusives Piratenpro shyjekt zu verstehen Es ist richtig und konsequent dass sich die anderen Parteien einem laquodigitalen Selbst shytestraquo unterziehen und in mitunter schmerzhaften Identitaumltsfindungsprozessen neue Positionen zu den Themen und Verfahren einer internetorientierten Mediendemokratie ermitteln Mindestens an dieser Stelle ist der Begriff der laquoMitmach-Politikraquo ernst zu nehmen ndash fuumlr die verschiedenen Plattformen der sozi shyalen Medien gibt es keine Anleitung Die Potenziale vernetzter Oumlffentlichkeiten politischer Echtzeitkom shymunikation oder Online-Kollaborationsplattformen erschlieszligen sich vor allem deren Nutzern Es ist an der Zeit dass die Politik die Potenziale des aktiven Publikums erkennt ndash auch und gerade dann wenn dafuumlr ein Wechsel der Perspektive noumltig sein sollte

Prof Christoph Bieber forscht lehrt und publiziert seit Jahren zu Fragen der digitalen Oumlffentlichkeit und Demokratie

7laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das

Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werdenraquowieder gesteigert werdenraquo

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BoumlllThema 22012 7

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E-Democracy = estnische Demokratie

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

2200005 w5 wurrddeen en errssttmmals is in En Essttlaland Pnd Paarrlammeennttsswahlen per Ir Intteerrnnett moumlgglliicchh s seecchhs Js Jaahhrre se sppaumlter maachte dort berreeiitts js jeeddeer vr viieerrtte We Waumlhhlleerr ddavoon Gn Geebrbraauucchh M Miitttleerrwweeiile follgeen Ln Laumlaumlndndeer wr wie Norwegenn F Frraannkkrreeiicchh und diie Se Scchhwweeiiz dz deem em essttnniisscchhen Beiisspiel ndash w oomoumloumlglich aucch eh eiinnees Ts Taaggeess DDeeuuttsscchhlalandnd

DVon Manuel Kripp

emokratien sind hohen Anforderungen ausgesetzt davon zeugen sinkende Wahlbeteiligungen steigende

Briefwaumlhleranteile sowie der Wunsch der Buumlrger nach haumlufigerer und direkterer Beteiligung bei gleichzeitiger Ortsunabhaumlngigkeit Eine Antwort auf diese Herausforderungen liegt im Einsatz moderner Technologien im Wahlprozess Durch eine Digitalisierung der Demokratie koumlnnen das Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werden

Vorreiter der Entwicklung zum I-Voting war und ist Estland Dort wurde es zum ersten Mal bei der Lokalwahl 2005 praktiziert Die seinerzeitige Internet-Wahlbeteiligung von rund 2 Prozent hat sich bei der Parlamentswahl vom Maumlrz 2011 bereits auf 243 Prozent gesteigert Laut Untersuchungen des European University Institute haumltten 16 Prozent dieser Internet-Waumlhlerinnen und -Waumlhler ihre Stimme nicht abgegeben wenn die Moumlglichkeit der Internetwahl nicht zur Verfuumlgung gestanden haumltte

Die hohe Internet-Wahlbeteiligung ist auch in der ausgepraumlgten E-Governmentstruktur Estlands begruumlndet Ca 95 Prozent der Esten besitzen im Rahmen ihrer nationalen ID-Karte eine digitale Buumlrgerkarte und sind somit in der Lage den uumlberwiegenden Teil ihrer Kommunikation mit den Behoumlrden uumlber das Internet zu fuumlhren

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92 Prozent erledigen ihre Steuererklaumlrung online Firmenanmeldungen koumlnnen ebenso uumlber das Internet abgewickelt werden wie Autoverkaumlufe oder die notarielle Beglaubigung von Dokumenten Daruumlber hinaus bekommt jeder Buumlrger mit der nationalen ID-Karte auch eine estnische E-Mail-Adresse Die elektronische Kommunikation und Interaktion ist zur alltaumlglichen Normalitaumlt der Esten geworden Und das estnische Beispiel findet Nachahmer 2011 fuumlhrten auch Norwegen und die Schweiz und 2012 Frankreich Internetwahlen ein Die Schweiz ist ein sehr interessantes Beispiel denn Internet-Abstimmungen werden schon seit einiger Zeit in gewissen Kantonen angeboten 2011 wurde aber bei einem Bundesreferendum jedem im Ausland lebenden Schweizer in zehn Kantonen die Moumlglichkeit des I-Votings gegeben Auch Frankreich hat bei den Parlamentswahlen 2012 fuumlr im Ausland lebende Waumlhler das Internet eingesetzt Bei beiden Wahlen hielt sich die Wahlbeteiligung noch in Grenzen doch zeigten sich die Nutzungsmoumlglichkeiten fuumlr spezifische Waumlhlergruppen

In Norwegen beteiligten sich 2011 bei einem Pilotprojekt zehn Gemeinden an der Internetwahl dabei wurden ca 25 Prozent der Stimmen digital abgegeben Dieser Erfolg laumlsst sich auf eine offene Diskussion des I-Votings und ein ausgepraumlgtes E-Governmentsystem mit einer mobilen ID zuruumlckfuumlhren Dadurch wurde ein Verifikationsmechanismus moumlglich der jedem Waumlhler eine teilweise Kontrolle des nicht einsehbaren technischen Wahlprozesses gestattete

Im Vergleich zu Laumlndern wie Estland und Norwegen steht Deutschland noch am Anfang Nicht zuletzt das Urteil des BVerfG zum I-Voting ist fuumlr dessen Einfuumlhrung eine hohe Huumlrde Um dem zu genuumlgen ist nicht zuletzt Voraussetzung dass jedem Buumlrger eine digitale Identitaumlt zur Verfuumlgung steht mit der eine sichere rechtsguumlltige digitale Unterschrift moumlglich ist Der neue Personalausweis ist ein erster Schritt in die richtige Richtung jedoch fehlen bisher entsprechende Applikationen und Pilotprojekte Eine moumlgliche Vision koumlnnte der Einsatz von Internetwahlen bei den Sozialwahlen 2017 sein bei denen beispielsweise uumlber die Krankenversichertenkarte die Identifikation sichergestellt werden kann und eine kostenguumlnstige schnelle Alternative zur Briefwahl angeboten wird

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Manuel Kripp ist Geschaumlftsfuumlhrer des Competence Center for Electronic Voting and Participation (wwwe-votingcc)

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8 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Kein Koalitionspartner kann aller Piraten-stimmen sicher sein

Wo die Piraten auf der Rechts-links-Skala zu finden sind was die 90-9-1-Regel besagt wie die repraumlsentative durch die liquide Demokratie ergaumlnzt werden kann und warum die Abgeordneten der Piraten zwar nach ihrem Gewissen entscheiden aber so wie die Basis abstimmen

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Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband

Ralf Fuumlcks Die Piraten haben einen fast maumlrchenhaften Aufstieg erlebt seit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eilen sie von Erfolg zu Erfolg Trotzdem hat man das Gefuumlhl dass sie ihren Zenit schon uumlberschritten haben Sie sind vor allem mit sich selbst beschaumlftigt wirken bei den groszligen politischen Entscheidungen ndash wie weiter mit Europa Griechenland Fiskal-Pakt Energiewende ndash merkwuumlrdig abwesend Wie lange koumlnnen sie sich das leisten Marina Weisband Von den vier Themen die Sie gerade benannt haben beziehen sich drei auf die Euro-Krise Die Piraten haben zu zwei groumlszligeren Themenkomplexen noch kein Grundsatzprogramm das sind die Wirtschafts- und die Auszligenpolitik Das erschwert natuumlrlich das Mitreden in diesen Bereichen Bei beiden werden wir jedoch im November ein Grundsatzprogramm beschlieszligen Bis dahin koumlnnen wir uumlber diese Themen nicht sehr intensiv mitentscheiden Bei anderen hingegen die wir schon in unser Programm aufgenommen haben haben wir auch zur oumlffentlichen Debatte beigetragen Wir haben uns auch zur Energiewende positioniert unsere Anti-Atom-Piraten sind da zu ihrer Houmlchstform aufgelaufen und haben bei saumlmtlichen Demonstrationen mitgewirkt Es ist also gar nicht so dass wir uns voumlllig bedeckt halten

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Fuumlcks Auch wo die Piraten programmatische Aussagen beschlossen haben merkt man davon nicht viel in der oumlffentlichen Debatte Ich mutmaszlige das hat sehr viel mit ihren internen Strukturen zu tun Der Bundesvorstand wird sowohl in der Ausuumlbung seines politischen Mandates als auch finanziell extrem kurzgehalten Er ist im Grunde nicht autorisiert mit authentischen Positionen an der oumlffentlichen Debatte teilzunehmen und politische Initiativen zu ergreifen Kann diese basisdemokratische Weigerung eine professionelle Struktur aufzubauen nicht zum politischen Bumerang werden

Weisband Ich glaube nicht Ihre Auszligenwahrnehmung hat ganz viel damit zu tun dass wir einfach keine professionellen PR-Strukturen haben Wir haben keinerlei Erfahrung in Oumlffentlichkeitsarbeit wir machen das einfach wie es uns gerade einfaumlllt Das bedeutet dass die oumlffentliche Wahrnehmung der Piraten stark davon bestimmt ist was Journalisten uumlber uns erzaumlhlen wollen Immer das was gerade als Story gut ist wird dargestellt zum Positiven wie zum Negativen Auch wenn unser Bundesvorstand eine eigene Meinung sagen durfte wird die nicht abgedruckt

Fuumlcks Aber die Piraten sind doch sehr stark medial praumlsent

Ralf Fuumlcks ist Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Marina Weisband war Bun-desgeschaumlftsfuumlhrerin der Partei laquo Die Piraten raquo

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laquoDurch die Information und dielaquoDurch die Information und die KKommunikation miteinander brauchenommunikation miteinander brauchen

BuumlrBuumlrger weniger Rger weniger Repraumlsentanten sieepraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Vkoumlnnen und sollen mehr Verantwortungerantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundideefuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee

unserer Punserer Partei ist der informierteartei ist der informierte MenschMensch raquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

GespraumlchGespraumlch

Weisband Das ist richtig Aber das heiszligt nicht dass alles was man sagt so auch erscheint Wir haben es natuumlrlich auch uns selbst zuzurechnen dass wir einfach noch nicht so gut darin sind unsere eigenen Themen zu platzieren Aber das werden wir noch lernen

Was den Bundesvorstand betrifft ich wuumlrde mir wirklich nicht wuumlnschen dass er legitimiert ist eine eigene Agenda zu setzen Denn wozu haben wir unsere basisdemokratischen Strukturen wenn ein paar Leute die mehr Macht haben weil ihnen zugehoumlrt wird dadurch ihre eigenen Plaumlne durchpushen koumlnnen Wenn ich als Bundesvorstand sage Ich bin gegen einen Atomausstieg ndash was ich nicht bin aber als Beispiel ndash dann wuumlrde es heiszligen Die Piratenpartei ist gegen den Atomausstieg Und das wuumlrde einfach nicht stimmen

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Fuumlcks Dieses Hohelied auf die Basisdemokratie das imperative Mandat fuumlr Abgeordnete die Ablehnung einer Professionalisierung von Politik zeugt das nicht von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenuumlber Personen die man in verantwortliche Positionen gewaumlhlt hat Sie reduzieren Abgeordnete und Vorstaumlnde auf Funktionaumlre wenn Sie ihnen gar keine Freiheit zubilligen diese Rolle auszufuumlllen

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Weisband Es ist genau das Gegenteil der Fall Wir wollen dass moumlglichst viele moumlglichst viel Freiheit und moumlglichst viel Verantwortung haben und denen vertrauen wir und das ist unsere Parteibasis Wir wollen dass die die Verantwortung tragen dass die das Programm weiterentwickeln dass die fuumlr uns mitsprechen dass die unsere Partei entwickeln Wir wollen kein imperatives Mandat auf keinen Fall Wir sind gerade fuumlr die Gewissensfreiheit der Abgeordneten deshalb sind wir auch gegen Fraktionszwang Aber wir moumlchten dass moumlglichst viel von der Basis aus gemacht wird Das ist das Humane an unserem Modell Wir wollen gerade denen die Verantwortung und das Vertrauen schenken

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Fuumlcks Soweit ich weiszlig beteiligt sich nur ein Bruchteil dieser Basis tatsaumlchlich an der Parteidebatte Wenn eine kleine Minderheit von Aktivisten die im Netz zu Hause sind eine sehr starke Praumlgekraft hat dann ist das doch ein hoch selektiver nicht wirklich repraumlsentativer Prozess

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Weisband Dieser Prozess ist keineswegs selektivweil jeder mitarbeiten kann der will Und in Systemen in denen jeder mitarbeiten kann der willhaben wir eine so genannte 90-9-1-Regel In einem freien System sind 90 Prozent der Mitglieder meistens eher schweigende Zuschauer 9 Prozent sind mittelaktive User und von einem Prozent stammen 90 Prozent des Contents Das erleben wir so in Forendas erleben wir auf jeder Plattform wo man freiwillig mitarbeiten kann Sie werden auch von den Gruumlnen wissen dass die meisten Mitglieder doch inaktiv sind

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Weisband Nein das Verfahren ist einfach nur Teil unseres Inhalts Und unser Inhalt besagt dass unsere Welt sich so weit zu einer Informationsgesellschaft entwickelt hat dass der Mensch besser informiert ist Durch die Information und die Kommunikation miteinander brauchen Buumlrger weniger Repraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Verantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee unserer Partei ist der informierte Mensch

Ein Zehntel wirklich aktiv beteiligter Mitglieder ist so gesehen eine ganz gute Zahl Das Wichtigste ist dass wir keine Huumlrden fuumlr Beteiligung setzen Das heiszligt dass jeder der mitarbeiten will wirklich mitarbeiten kann und das ist eine demokratische Struktur Wir koumlnnen die Menschen ja nicht zur Mitarbeit zwingen

Fuumlcks Ist das der Kern Ihres Selbstverstaumlndnisses als neue politische Formation Parteien stehen in der Regel fuumlr eine groszlige politische Idee Liberalismus christliche Werte soziale Gerechtigkeit oder Oumlkologie Stehen die Piraten nicht fuumlr eine neue politische Richtung sondern fuumlr ein alternatives Verfahren

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10 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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laquoIch kann mir vorstellen dass die PlaquoIch kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in einiratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Rpaar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgtegierungsverantwortung traumlgt

Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

BoumlllThema 22012 11

GespraumlchGespraumlch

einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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12 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

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Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

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Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

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16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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BoumlllThema 22012 17

EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

BoumlllThema 22012 19

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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20 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Die Feinde des Internets und ihre Opfer

BoumlllThema 22012 21

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
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                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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7laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das laquoDurch eine Digitalisierung der Demokratie kann das

Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werdenraquowieder gesteigert werdenraquo

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E-Democracy = estnische Demokratie

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

2200005 w5 wurrddeen en errssttmmals is in En Essttlaland Pnd Paarrlammeennttsswahlen per Ir Intteerrnnett moumlgglliicchh s seecchhs Js Jaahhrre se sppaumlter maachte dort berreeiitts js jeeddeer vr viieerrtte We Waumlhhlleerr ddavoon Gn Geebrbraauucchh M Miitttleerrwweeiile follgeen Ln Laumlaumlndndeer wr wie Norwegenn F Frraannkkrreeiicchh und diie Se Scchhwweeiiz dz deem em essttnniisscchhen Beiisspiel ndash w oomoumloumlglich aucch eh eiinnees Ts Taaggeess DDeeuuttsscchhlalandnd

DVon Manuel Kripp

emokratien sind hohen Anforderungen ausgesetzt davon zeugen sinkende Wahlbeteiligungen steigende

Briefwaumlhleranteile sowie der Wunsch der Buumlrger nach haumlufigerer und direkterer Beteiligung bei gleichzeitiger Ortsunabhaumlngigkeit Eine Antwort auf diese Herausforderungen liegt im Einsatz moderner Technologien im Wahlprozess Durch eine Digitalisierung der Demokratie koumlnnen das Interesse und die Teilhabe an Wahlen und Abstimmungen wieder gesteigert werden

Vorreiter der Entwicklung zum I-Voting war und ist Estland Dort wurde es zum ersten Mal bei der Lokalwahl 2005 praktiziert Die seinerzeitige Internet-Wahlbeteiligung von rund 2 Prozent hat sich bei der Parlamentswahl vom Maumlrz 2011 bereits auf 243 Prozent gesteigert Laut Untersuchungen des European University Institute haumltten 16 Prozent dieser Internet-Waumlhlerinnen und -Waumlhler ihre Stimme nicht abgegeben wenn die Moumlglichkeit der Internetwahl nicht zur Verfuumlgung gestanden haumltte

Die hohe Internet-Wahlbeteiligung ist auch in der ausgepraumlgten E-Governmentstruktur Estlands begruumlndet Ca 95 Prozent der Esten besitzen im Rahmen ihrer nationalen ID-Karte eine digitale Buumlrgerkarte und sind somit in der Lage den uumlberwiegenden Teil ihrer Kommunikation mit den Behoumlrden uumlber das Internet zu fuumlhren

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92 Prozent erledigen ihre Steuererklaumlrung online Firmenanmeldungen koumlnnen ebenso uumlber das Internet abgewickelt werden wie Autoverkaumlufe oder die notarielle Beglaubigung von Dokumenten Daruumlber hinaus bekommt jeder Buumlrger mit der nationalen ID-Karte auch eine estnische E-Mail-Adresse Die elektronische Kommunikation und Interaktion ist zur alltaumlglichen Normalitaumlt der Esten geworden Und das estnische Beispiel findet Nachahmer 2011 fuumlhrten auch Norwegen und die Schweiz und 2012 Frankreich Internetwahlen ein Die Schweiz ist ein sehr interessantes Beispiel denn Internet-Abstimmungen werden schon seit einiger Zeit in gewissen Kantonen angeboten 2011 wurde aber bei einem Bundesreferendum jedem im Ausland lebenden Schweizer in zehn Kantonen die Moumlglichkeit des I-Votings gegeben Auch Frankreich hat bei den Parlamentswahlen 2012 fuumlr im Ausland lebende Waumlhler das Internet eingesetzt Bei beiden Wahlen hielt sich die Wahlbeteiligung noch in Grenzen doch zeigten sich die Nutzungsmoumlglichkeiten fuumlr spezifische Waumlhlergruppen

In Norwegen beteiligten sich 2011 bei einem Pilotprojekt zehn Gemeinden an der Internetwahl dabei wurden ca 25 Prozent der Stimmen digital abgegeben Dieser Erfolg laumlsst sich auf eine offene Diskussion des I-Votings und ein ausgepraumlgtes E-Governmentsystem mit einer mobilen ID zuruumlckfuumlhren Dadurch wurde ein Verifikationsmechanismus moumlglich der jedem Waumlhler eine teilweise Kontrolle des nicht einsehbaren technischen Wahlprozesses gestattete

Im Vergleich zu Laumlndern wie Estland und Norwegen steht Deutschland noch am Anfang Nicht zuletzt das Urteil des BVerfG zum I-Voting ist fuumlr dessen Einfuumlhrung eine hohe Huumlrde Um dem zu genuumlgen ist nicht zuletzt Voraussetzung dass jedem Buumlrger eine digitale Identitaumlt zur Verfuumlgung steht mit der eine sichere rechtsguumlltige digitale Unterschrift moumlglich ist Der neue Personalausweis ist ein erster Schritt in die richtige Richtung jedoch fehlen bisher entsprechende Applikationen und Pilotprojekte Eine moumlgliche Vision koumlnnte der Einsatz von Internetwahlen bei den Sozialwahlen 2017 sein bei denen beispielsweise uumlber die Krankenversichertenkarte die Identifikation sichergestellt werden kann und eine kostenguumlnstige schnelle Alternative zur Briefwahl angeboten wird

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Manuel Kripp ist Geschaumlftsfuumlhrer des Competence Center for Electronic Voting and Participation (wwwe-votingcc)

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Kein Koalitionspartner kann aller Piraten-stimmen sicher sein

Wo die Piraten auf der Rechts-links-Skala zu finden sind was die 90-9-1-Regel besagt wie die repraumlsentative durch die liquide Demokratie ergaumlnzt werden kann und warum die Abgeordneten der Piraten zwar nach ihrem Gewissen entscheiden aber so wie die Basis abstimmen

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Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband

Ralf Fuumlcks Die Piraten haben einen fast maumlrchenhaften Aufstieg erlebt seit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eilen sie von Erfolg zu Erfolg Trotzdem hat man das Gefuumlhl dass sie ihren Zenit schon uumlberschritten haben Sie sind vor allem mit sich selbst beschaumlftigt wirken bei den groszligen politischen Entscheidungen ndash wie weiter mit Europa Griechenland Fiskal-Pakt Energiewende ndash merkwuumlrdig abwesend Wie lange koumlnnen sie sich das leisten Marina Weisband Von den vier Themen die Sie gerade benannt haben beziehen sich drei auf die Euro-Krise Die Piraten haben zu zwei groumlszligeren Themenkomplexen noch kein Grundsatzprogramm das sind die Wirtschafts- und die Auszligenpolitik Das erschwert natuumlrlich das Mitreden in diesen Bereichen Bei beiden werden wir jedoch im November ein Grundsatzprogramm beschlieszligen Bis dahin koumlnnen wir uumlber diese Themen nicht sehr intensiv mitentscheiden Bei anderen hingegen die wir schon in unser Programm aufgenommen haben haben wir auch zur oumlffentlichen Debatte beigetragen Wir haben uns auch zur Energiewende positioniert unsere Anti-Atom-Piraten sind da zu ihrer Houmlchstform aufgelaufen und haben bei saumlmtlichen Demonstrationen mitgewirkt Es ist also gar nicht so dass wir uns voumlllig bedeckt halten

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Fuumlcks Auch wo die Piraten programmatische Aussagen beschlossen haben merkt man davon nicht viel in der oumlffentlichen Debatte Ich mutmaszlige das hat sehr viel mit ihren internen Strukturen zu tun Der Bundesvorstand wird sowohl in der Ausuumlbung seines politischen Mandates als auch finanziell extrem kurzgehalten Er ist im Grunde nicht autorisiert mit authentischen Positionen an der oumlffentlichen Debatte teilzunehmen und politische Initiativen zu ergreifen Kann diese basisdemokratische Weigerung eine professionelle Struktur aufzubauen nicht zum politischen Bumerang werden

Weisband Ich glaube nicht Ihre Auszligenwahrnehmung hat ganz viel damit zu tun dass wir einfach keine professionellen PR-Strukturen haben Wir haben keinerlei Erfahrung in Oumlffentlichkeitsarbeit wir machen das einfach wie es uns gerade einfaumlllt Das bedeutet dass die oumlffentliche Wahrnehmung der Piraten stark davon bestimmt ist was Journalisten uumlber uns erzaumlhlen wollen Immer das was gerade als Story gut ist wird dargestellt zum Positiven wie zum Negativen Auch wenn unser Bundesvorstand eine eigene Meinung sagen durfte wird die nicht abgedruckt

Fuumlcks Aber die Piraten sind doch sehr stark medial praumlsent

Ralf Fuumlcks ist Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Marina Weisband war Bun-desgeschaumlftsfuumlhrerin der Partei laquo Die Piraten raquo

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laquoDurch die Information und dielaquoDurch die Information und die KKommunikation miteinander brauchenommunikation miteinander brauchen

BuumlrBuumlrger weniger Rger weniger Repraumlsentanten sieepraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Vkoumlnnen und sollen mehr Verantwortungerantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundideefuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee

unserer Punserer Partei ist der informierteartei ist der informierte MenschMensch raquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

GespraumlchGespraumlch

Weisband Das ist richtig Aber das heiszligt nicht dass alles was man sagt so auch erscheint Wir haben es natuumlrlich auch uns selbst zuzurechnen dass wir einfach noch nicht so gut darin sind unsere eigenen Themen zu platzieren Aber das werden wir noch lernen

Was den Bundesvorstand betrifft ich wuumlrde mir wirklich nicht wuumlnschen dass er legitimiert ist eine eigene Agenda zu setzen Denn wozu haben wir unsere basisdemokratischen Strukturen wenn ein paar Leute die mehr Macht haben weil ihnen zugehoumlrt wird dadurch ihre eigenen Plaumlne durchpushen koumlnnen Wenn ich als Bundesvorstand sage Ich bin gegen einen Atomausstieg ndash was ich nicht bin aber als Beispiel ndash dann wuumlrde es heiszligen Die Piratenpartei ist gegen den Atomausstieg Und das wuumlrde einfach nicht stimmen

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Fuumlcks Dieses Hohelied auf die Basisdemokratie das imperative Mandat fuumlr Abgeordnete die Ablehnung einer Professionalisierung von Politik zeugt das nicht von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenuumlber Personen die man in verantwortliche Positionen gewaumlhlt hat Sie reduzieren Abgeordnete und Vorstaumlnde auf Funktionaumlre wenn Sie ihnen gar keine Freiheit zubilligen diese Rolle auszufuumlllen

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Weisband Es ist genau das Gegenteil der Fall Wir wollen dass moumlglichst viele moumlglichst viel Freiheit und moumlglichst viel Verantwortung haben und denen vertrauen wir und das ist unsere Parteibasis Wir wollen dass die die Verantwortung tragen dass die das Programm weiterentwickeln dass die fuumlr uns mitsprechen dass die unsere Partei entwickeln Wir wollen kein imperatives Mandat auf keinen Fall Wir sind gerade fuumlr die Gewissensfreiheit der Abgeordneten deshalb sind wir auch gegen Fraktionszwang Aber wir moumlchten dass moumlglichst viel von der Basis aus gemacht wird Das ist das Humane an unserem Modell Wir wollen gerade denen die Verantwortung und das Vertrauen schenken

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Fuumlcks Soweit ich weiszlig beteiligt sich nur ein Bruchteil dieser Basis tatsaumlchlich an der Parteidebatte Wenn eine kleine Minderheit von Aktivisten die im Netz zu Hause sind eine sehr starke Praumlgekraft hat dann ist das doch ein hoch selektiver nicht wirklich repraumlsentativer Prozess

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Weisband Dieser Prozess ist keineswegs selektivweil jeder mitarbeiten kann der will Und in Systemen in denen jeder mitarbeiten kann der willhaben wir eine so genannte 90-9-1-Regel In einem freien System sind 90 Prozent der Mitglieder meistens eher schweigende Zuschauer 9 Prozent sind mittelaktive User und von einem Prozent stammen 90 Prozent des Contents Das erleben wir so in Forendas erleben wir auf jeder Plattform wo man freiwillig mitarbeiten kann Sie werden auch von den Gruumlnen wissen dass die meisten Mitglieder doch inaktiv sind

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Weisband Nein das Verfahren ist einfach nur Teil unseres Inhalts Und unser Inhalt besagt dass unsere Welt sich so weit zu einer Informationsgesellschaft entwickelt hat dass der Mensch besser informiert ist Durch die Information und die Kommunikation miteinander brauchen Buumlrger weniger Repraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Verantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee unserer Partei ist der informierte Mensch

Ein Zehntel wirklich aktiv beteiligter Mitglieder ist so gesehen eine ganz gute Zahl Das Wichtigste ist dass wir keine Huumlrden fuumlr Beteiligung setzen Das heiszligt dass jeder der mitarbeiten will wirklich mitarbeiten kann und das ist eine demokratische Struktur Wir koumlnnen die Menschen ja nicht zur Mitarbeit zwingen

Fuumlcks Ist das der Kern Ihres Selbstverstaumlndnisses als neue politische Formation Parteien stehen in der Regel fuumlr eine groszlige politische Idee Liberalismus christliche Werte soziale Gerechtigkeit oder Oumlkologie Stehen die Piraten nicht fuumlr eine neue politische Richtung sondern fuumlr ein alternatives Verfahren

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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laquoIch kann mir vorstellen dass die PlaquoIch kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in einiratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Rpaar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgtegierungsverantwortung traumlgt

Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

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GespraumlchGespraumlch

einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

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Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

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Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

EEnnttwweeddeer dr daas Is Inntteerrnneet blt bleeiibbt et eiin fn frreeiieess o offffeennees us und gnd grreennzzeennlloossees Ns Neettzzwweerkrk o oddeer er es fis findndeet et eiinne Ke Keehhrrttwweendnde ie inn RRiicchhttuunng eg eiinnees zs zeennssiieerrtteen un und fnd frraaggmmeennttiieerrtteen In Inntteerrnneetts ss sttaatttt i in dn deem nm naattiioonnaalle Re Reeggiieerruunnggeen un und Und Unntteerrnneehhmmeenn iindndiivviidudueelllle Re Reecchhtte ue und Fnd Frreeiihheeiitteen vn voon Mn Miilllliiaarrddeen In Inntteerrnneettnnuuttzzeerrn en eiinnsscchhrraumlaumlnnkkeen on oddeer gaumlr gaumlnnzzlliicch sh sttrraanngguulliieerreenn

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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22 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

ansagenraquo mdash Konstantin von Notz

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

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Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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8 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Kein Koalitionspartner kann aller Piraten-stimmen sicher sein

Wo die Piraten auf der Rechts-links-Skala zu finden sind was die 90-9-1-Regel besagt wie die repraumlsentative durch die liquide Demokratie ergaumlnzt werden kann und warum die Abgeordneten der Piraten zwar nach ihrem Gewissen entscheiden aber so wie die Basis abstimmen

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Ein Gespraumlch zwischen Ralf Fuumlcks und Marina Weisband

Ralf Fuumlcks Die Piraten haben einen fast maumlrchenhaften Aufstieg erlebt seit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eilen sie von Erfolg zu Erfolg Trotzdem hat man das Gefuumlhl dass sie ihren Zenit schon uumlberschritten haben Sie sind vor allem mit sich selbst beschaumlftigt wirken bei den groszligen politischen Entscheidungen ndash wie weiter mit Europa Griechenland Fiskal-Pakt Energiewende ndash merkwuumlrdig abwesend Wie lange koumlnnen sie sich das leisten Marina Weisband Von den vier Themen die Sie gerade benannt haben beziehen sich drei auf die Euro-Krise Die Piraten haben zu zwei groumlszligeren Themenkomplexen noch kein Grundsatzprogramm das sind die Wirtschafts- und die Auszligenpolitik Das erschwert natuumlrlich das Mitreden in diesen Bereichen Bei beiden werden wir jedoch im November ein Grundsatzprogramm beschlieszligen Bis dahin koumlnnen wir uumlber diese Themen nicht sehr intensiv mitentscheiden Bei anderen hingegen die wir schon in unser Programm aufgenommen haben haben wir auch zur oumlffentlichen Debatte beigetragen Wir haben uns auch zur Energiewende positioniert unsere Anti-Atom-Piraten sind da zu ihrer Houmlchstform aufgelaufen und haben bei saumlmtlichen Demonstrationen mitgewirkt Es ist also gar nicht so dass wir uns voumlllig bedeckt halten

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Fuumlcks Auch wo die Piraten programmatische Aussagen beschlossen haben merkt man davon nicht viel in der oumlffentlichen Debatte Ich mutmaszlige das hat sehr viel mit ihren internen Strukturen zu tun Der Bundesvorstand wird sowohl in der Ausuumlbung seines politischen Mandates als auch finanziell extrem kurzgehalten Er ist im Grunde nicht autorisiert mit authentischen Positionen an der oumlffentlichen Debatte teilzunehmen und politische Initiativen zu ergreifen Kann diese basisdemokratische Weigerung eine professionelle Struktur aufzubauen nicht zum politischen Bumerang werden

Weisband Ich glaube nicht Ihre Auszligenwahrnehmung hat ganz viel damit zu tun dass wir einfach keine professionellen PR-Strukturen haben Wir haben keinerlei Erfahrung in Oumlffentlichkeitsarbeit wir machen das einfach wie es uns gerade einfaumlllt Das bedeutet dass die oumlffentliche Wahrnehmung der Piraten stark davon bestimmt ist was Journalisten uumlber uns erzaumlhlen wollen Immer das was gerade als Story gut ist wird dargestellt zum Positiven wie zum Negativen Auch wenn unser Bundesvorstand eine eigene Meinung sagen durfte wird die nicht abgedruckt

Fuumlcks Aber die Piraten sind doch sehr stark medial praumlsent

Ralf Fuumlcks ist Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Marina Weisband war Bun-desgeschaumlftsfuumlhrerin der Partei laquo Die Piraten raquo

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BoumlllThema 22012 9

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laquoDurch die Information und dielaquoDurch die Information und die KKommunikation miteinander brauchenommunikation miteinander brauchen

BuumlrBuumlrger weniger Rger weniger Repraumlsentanten sieepraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Vkoumlnnen und sollen mehr Verantwortungerantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundideefuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee

unserer Punserer Partei ist der informierteartei ist der informierte MenschMensch raquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

GespraumlchGespraumlch

Weisband Das ist richtig Aber das heiszligt nicht dass alles was man sagt so auch erscheint Wir haben es natuumlrlich auch uns selbst zuzurechnen dass wir einfach noch nicht so gut darin sind unsere eigenen Themen zu platzieren Aber das werden wir noch lernen

Was den Bundesvorstand betrifft ich wuumlrde mir wirklich nicht wuumlnschen dass er legitimiert ist eine eigene Agenda zu setzen Denn wozu haben wir unsere basisdemokratischen Strukturen wenn ein paar Leute die mehr Macht haben weil ihnen zugehoumlrt wird dadurch ihre eigenen Plaumlne durchpushen koumlnnen Wenn ich als Bundesvorstand sage Ich bin gegen einen Atomausstieg ndash was ich nicht bin aber als Beispiel ndash dann wuumlrde es heiszligen Die Piratenpartei ist gegen den Atomausstieg Und das wuumlrde einfach nicht stimmen

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Fuumlcks Dieses Hohelied auf die Basisdemokratie das imperative Mandat fuumlr Abgeordnete die Ablehnung einer Professionalisierung von Politik zeugt das nicht von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenuumlber Personen die man in verantwortliche Positionen gewaumlhlt hat Sie reduzieren Abgeordnete und Vorstaumlnde auf Funktionaumlre wenn Sie ihnen gar keine Freiheit zubilligen diese Rolle auszufuumlllen

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Weisband Es ist genau das Gegenteil der Fall Wir wollen dass moumlglichst viele moumlglichst viel Freiheit und moumlglichst viel Verantwortung haben und denen vertrauen wir und das ist unsere Parteibasis Wir wollen dass die die Verantwortung tragen dass die das Programm weiterentwickeln dass die fuumlr uns mitsprechen dass die unsere Partei entwickeln Wir wollen kein imperatives Mandat auf keinen Fall Wir sind gerade fuumlr die Gewissensfreiheit der Abgeordneten deshalb sind wir auch gegen Fraktionszwang Aber wir moumlchten dass moumlglichst viel von der Basis aus gemacht wird Das ist das Humane an unserem Modell Wir wollen gerade denen die Verantwortung und das Vertrauen schenken

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Fuumlcks Soweit ich weiszlig beteiligt sich nur ein Bruchteil dieser Basis tatsaumlchlich an der Parteidebatte Wenn eine kleine Minderheit von Aktivisten die im Netz zu Hause sind eine sehr starke Praumlgekraft hat dann ist das doch ein hoch selektiver nicht wirklich repraumlsentativer Prozess

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Weisband Dieser Prozess ist keineswegs selektivweil jeder mitarbeiten kann der will Und in Systemen in denen jeder mitarbeiten kann der willhaben wir eine so genannte 90-9-1-Regel In einem freien System sind 90 Prozent der Mitglieder meistens eher schweigende Zuschauer 9 Prozent sind mittelaktive User und von einem Prozent stammen 90 Prozent des Contents Das erleben wir so in Forendas erleben wir auf jeder Plattform wo man freiwillig mitarbeiten kann Sie werden auch von den Gruumlnen wissen dass die meisten Mitglieder doch inaktiv sind

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Weisband Nein das Verfahren ist einfach nur Teil unseres Inhalts Und unser Inhalt besagt dass unsere Welt sich so weit zu einer Informationsgesellschaft entwickelt hat dass der Mensch besser informiert ist Durch die Information und die Kommunikation miteinander brauchen Buumlrger weniger Repraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Verantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee unserer Partei ist der informierte Mensch

Ein Zehntel wirklich aktiv beteiligter Mitglieder ist so gesehen eine ganz gute Zahl Das Wichtigste ist dass wir keine Huumlrden fuumlr Beteiligung setzen Das heiszligt dass jeder der mitarbeiten will wirklich mitarbeiten kann und das ist eine demokratische Struktur Wir koumlnnen die Menschen ja nicht zur Mitarbeit zwingen

Fuumlcks Ist das der Kern Ihres Selbstverstaumlndnisses als neue politische Formation Parteien stehen in der Regel fuumlr eine groszlige politische Idee Liberalismus christliche Werte soziale Gerechtigkeit oder Oumlkologie Stehen die Piraten nicht fuumlr eine neue politische Richtung sondern fuumlr ein alternatives Verfahren

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10 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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laquoIch kann mir vorstellen dass die PlaquoIch kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in einiratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Rpaar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgtegierungsverantwortung traumlgt

Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

BoumlllThema 22012 11

GespraumlchGespraumlch

einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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12 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

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Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

id Pachali

Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

vonvon untenunten rsaquorsaquo raquoraquo

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

werdenwerden kannkannraquoraquo

16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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24 BoumlllThema 22012

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

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26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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BoumlllThema 22012 27

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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                                                      10. Startfokus
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laquoDurch die Information und dielaquoDurch die Information und die KKommunikation miteinander brauchenommunikation miteinander brauchen

BuumlrBuumlrger weniger Rger weniger Repraumlsentanten sieepraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Vkoumlnnen und sollen mehr Verantwortungerantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundideefuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee

unserer Punserer Partei ist der informierteartei ist der informierte MenschMensch raquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

GespraumlchGespraumlch

Weisband Das ist richtig Aber das heiszligt nicht dass alles was man sagt so auch erscheint Wir haben es natuumlrlich auch uns selbst zuzurechnen dass wir einfach noch nicht so gut darin sind unsere eigenen Themen zu platzieren Aber das werden wir noch lernen

Was den Bundesvorstand betrifft ich wuumlrde mir wirklich nicht wuumlnschen dass er legitimiert ist eine eigene Agenda zu setzen Denn wozu haben wir unsere basisdemokratischen Strukturen wenn ein paar Leute die mehr Macht haben weil ihnen zugehoumlrt wird dadurch ihre eigenen Plaumlne durchpushen koumlnnen Wenn ich als Bundesvorstand sage Ich bin gegen einen Atomausstieg ndash was ich nicht bin aber als Beispiel ndash dann wuumlrde es heiszligen Die Piratenpartei ist gegen den Atomausstieg Und das wuumlrde einfach nicht stimmen

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Fuumlcks Dieses Hohelied auf die Basisdemokratie das imperative Mandat fuumlr Abgeordnete die Ablehnung einer Professionalisierung von Politik zeugt das nicht von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenuumlber Personen die man in verantwortliche Positionen gewaumlhlt hat Sie reduzieren Abgeordnete und Vorstaumlnde auf Funktionaumlre wenn Sie ihnen gar keine Freiheit zubilligen diese Rolle auszufuumlllen

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Weisband Es ist genau das Gegenteil der Fall Wir wollen dass moumlglichst viele moumlglichst viel Freiheit und moumlglichst viel Verantwortung haben und denen vertrauen wir und das ist unsere Parteibasis Wir wollen dass die die Verantwortung tragen dass die das Programm weiterentwickeln dass die fuumlr uns mitsprechen dass die unsere Partei entwickeln Wir wollen kein imperatives Mandat auf keinen Fall Wir sind gerade fuumlr die Gewissensfreiheit der Abgeordneten deshalb sind wir auch gegen Fraktionszwang Aber wir moumlchten dass moumlglichst viel von der Basis aus gemacht wird Das ist das Humane an unserem Modell Wir wollen gerade denen die Verantwortung und das Vertrauen schenken

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Fuumlcks Soweit ich weiszlig beteiligt sich nur ein Bruchteil dieser Basis tatsaumlchlich an der Parteidebatte Wenn eine kleine Minderheit von Aktivisten die im Netz zu Hause sind eine sehr starke Praumlgekraft hat dann ist das doch ein hoch selektiver nicht wirklich repraumlsentativer Prozess

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Weisband Dieser Prozess ist keineswegs selektivweil jeder mitarbeiten kann der will Und in Systemen in denen jeder mitarbeiten kann der willhaben wir eine so genannte 90-9-1-Regel In einem freien System sind 90 Prozent der Mitglieder meistens eher schweigende Zuschauer 9 Prozent sind mittelaktive User und von einem Prozent stammen 90 Prozent des Contents Das erleben wir so in Forendas erleben wir auf jeder Plattform wo man freiwillig mitarbeiten kann Sie werden auch von den Gruumlnen wissen dass die meisten Mitglieder doch inaktiv sind

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Weisband Nein das Verfahren ist einfach nur Teil unseres Inhalts Und unser Inhalt besagt dass unsere Welt sich so weit zu einer Informationsgesellschaft entwickelt hat dass der Mensch besser informiert ist Durch die Information und die Kommunikation miteinander brauchen Buumlrger weniger Repraumlsentanten sie koumlnnen und sollen mehr Verantwortung fuumlr sich tragen Das heiszligt die Grundidee unserer Partei ist der informierte Mensch

Ein Zehntel wirklich aktiv beteiligter Mitglieder ist so gesehen eine ganz gute Zahl Das Wichtigste ist dass wir keine Huumlrden fuumlr Beteiligung setzen Das heiszligt dass jeder der mitarbeiten will wirklich mitarbeiten kann und das ist eine demokratische Struktur Wir koumlnnen die Menschen ja nicht zur Mitarbeit zwingen

Fuumlcks Ist das der Kern Ihres Selbstverstaumlndnisses als neue politische Formation Parteien stehen in der Regel fuumlr eine groszlige politische Idee Liberalismus christliche Werte soziale Gerechtigkeit oder Oumlkologie Stehen die Piraten nicht fuumlr eine neue politische Richtung sondern fuumlr ein alternatives Verfahren

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10 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

BoumlllThema 22012 11

GespraumlchGespraumlch

einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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12 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

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Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

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Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

werdenwerden kannkannraquoraquo

16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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BoumlllThema 22012 17

EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

BoumlllThema 22012 19

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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20 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

DDeerzzeeiit siind wnd weellttwweeit rt ruund 1nd 1220 B0 Bllooggggeerriinnnneenn B Blooggggeer ur und Ond Onnlliinnee--AAkkttiivviisstteen in in Hn Haafftt v vor ar allllem im in Cn Chhinnaa IIrraan un und Vnd Viieettnnaamm St Steellllvveerrttrreetteend fnd fuumluumlr dr diie ve viieelleen sn stteelllleen wn wiir drr dreei vi voon in ihhnneen vn voorr

Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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BoumlllThema 22012 35

EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

laquolaquo Laumluft das nicht auf Expertokratie stattLaumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nichtauf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten undam Ende die Gutausgebildeten und

Hochengagierten den THochengagierten den Ton an waumlhrend dieon an waumlhrend die MehrMehrheit gar nicht aktiv teilnimmtheit gar nicht aktiv teilnimmt raquoraquo

mdash Ralf Fuumlcksmdash Ralf Fuumlcks

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Fuumlcks Verstehen Sie die direkte Beteiligung der Buumlrger an politischen Entscheidungen als Gegenentwurf zur parlamentarisch-repraumlsentashytiven Demokratie oder als eine komplementaumlre Form

Weisband Im Moment sehe ich es als eine komplementaumlre Form Ich glaube dass wir unsere repraumlsentative Demokratie um Elemente der direkten oder liquiden Beteiligung wie wir es nennen ergaumlnzen koumlnnen und muumlssen

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Fuumlcks Das ist kein Privileg der Piraten Die Gruumlshynen zum Beispiel treten schon immer als Befuumlrshyworter von direktdemokratischen Verfahren auf Wo ist also das spezifisch Neue der Piraten gegenuumlber der Erweiterung der Demokratie die wir seit der Studentenbewegung und dem masshysenhaften Auftreten von Buumlrgerinitiativen schon erlebt haben

Weisband Was bei uns neu ist Wir versuchen diese basisdemokratischen Forderungen die ja auch die Gruumlnen am Anfang hatten mit neuen Mitteln durch shy

zusetzen Uns faumlllt es vielleicht einfacher nicht vom basisdemokratischen Weg abzukommen weil dieser Weg praktikabler ist in Zeiten des Internets in Zeiten wo jeder mit jedem kommunizieren kann Wir wollen eben nicht nur direkte Buumlrgerbeteiligung sondern wir wollen neue intelligente Systeme Da muss nicht jeder egal wie schlecht informiert oder unsicher er ist seine Stimme abgeben und alle Stimmen sind gleich sondern man kann seine Stimme einfach an jemand anderen delegieren kann sie aber auch jederzeit zuruumlckziehen Das ist eine Mischform aus repraumlsentativer und direkter Demokratie die Experten zu Knotenpunkten im Netzwerk macht Und wer Experten sind das entscheiden die Menschen selbst

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Fuumlcks Laumluft das nicht auf Expertokratie statt auf Demokratie hinaus Geben nicht am Ende die Gutausgebildeten und Hochengagierten den Ton an waumlhrend die Mehrheit gar nicht aktiv teilnimmt

Weisband Na ja das entscheiden die Buumlrger selbst In einer liquiden Demokratie hat ja jemand nur so lange Macht wie ich entscheide dass er meine Stimme hat Ich kann sie jederzeit zuruumlckziehen vor allem wenn er irgendwas tut was mir nicht gefaumlllt Das Schoumlne an diesem System ist dass es unglaublich schnell reagiert Im Gegensatz zur repraumlsentativen Demokratie Wenn da etwas nicht richtig laumluft muumlssen wir erst mal vier Jahre abwarten und dann koumlnnen wir das korrigieren In der liquiden Demokratie kann man das direkt korrigieren Bei uns experimentieren wir im Moment damit das als System unseren Abgeordneten vorzuschalten Das heiszligt wir versuchen uumlber liquide Demokratie Mehrheiten fuumlr eine Entscheidung im Abgeordnetenhaus zu finden oder dagegen und sagen dann unserem Abgeordneten laquo Bitte stimm so und so ab raquo Und unsere Abgeordneten entscheiden das nochmal nach ihrem Gewissen aber formal stimmen sie so wie die Basis Wenn nicht dann muumlssen sie das rechtfertigen

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Fuumlcks Wie sehen Sie das Verhaumlltnis von digitaler Demokratie der politischen Meinungsbildung im Netz bei der lauter vereinzelte Einzelne miteinander kommunizieren die nur uumlber das Netz miteinander in Verbindung stehen zu der klassischen Form der Versammlungsdemokratie bei der Menschen zusammenkommen und in offener Debatte ihre Meinung bilden In einer Live-Versammlung entsteht eine politische Gemeinschaft es entsteht eine Mischung von Argumenten und Emotionen die es so im Netz nicht gibt

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Weisband Sie haben Ihre Frage sehr tendenzioumls formuliert Ich koumlnnte sie genau umdrehen Wie ist das Verhaumlltnis zwischen einer Debatte im Internet wo es Emotionen gibt wo jeder jedem sofort antworten kann und wo Informationen sofort recherchiert bewiesen oder widerlegt werden koumlnnen zu einer Debatte die sich zwangslaumlufig immer nur in

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laquoIch kann mir vorstellen dass die PlaquoIch kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in einiratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Rpaar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgtegierungsverantwortung traumlgt

Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

BoumlllThema 22012 11

GespraumlchGespraumlch

einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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12 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

DDaas Is Inntteerrnneet it isst ft fuumluumlr sr soozziiaalle Be Beewweegguunnggeen en eiinne ie iddeeaalle Pe Plalattttffoorrm dm deerr MMoobbiilliissiieerruunngg W Wiirkrklliicchhe Se Scchhlalaggkkrraafft gt geewwiinnnnt dt deer Or Onnlliinnee--PPrrootteesstt jjeeddoocch eh errsstt w weennn en er sr siicch oh offflfliinne se stteeiiggeerrn laumln laumlsssstt

Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

id Pachali

Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

vonvon untenunten rsaquorsaquo raquoraquo

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

werdenwerden kannkannraquoraquo

16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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BoumlllThema 22012 17

EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

BoumlllThema 22012 19

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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20 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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EssayEssay

dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

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Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
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                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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laquoIch kann mir vorstellen dass die PlaquoIch kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in einiratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Rpaar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgtegierungsverantwortung traumlgt

Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenDas wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenraquoraquo mdash Marina Wmdash Marina Weisbandeisband

BoumlllThema 22012 11

GespraumlchGespraumlch

einer Teilgruppe von Menschen abspielt weil nun mal nicht alle deutschen Buumlrger in einen Raum passen Ich sehe das Internet als gute Ergaumlnzung Wir brauchen beides Menschen muumlssen sich zwar in die Augen sehen und etwas untereinander debattieren aber im Internet koumlnnen wir mit allen reden Und das ist genau der Vorteil Wenn ich uumlber die Entwicklung einer Fragestellung rede zum Beispiel wie wir zu Griechenland stehen dann koumlnnen wir das nur im Internet tun Bei Abstimmungen hingegen bin ich streng dafuumlr sie analog durchzufuumlhren weil ich derzeit nicht glaube dass eine Abstimmung unverfaumllscht uumlber Computer stattfinden kann

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Fuumlcks Aber das Erstaunliche ist doch dass an den Orten der analogen Abstimmung auf Ihren Parteitagen wiederum dem Zufall Tor und Tuumlr geoumlffnet wird Sie haben kein Delegiertenprinshyzip es treffen sich die die gerade Zeit und Lust haben die Wahl des Ortes spielt wahrscheinlich auch eine groszlige Rolle

Weisband Eigentlich sind die Landesverbaumlnde immer recht repraumlsentativ auf Parteitagen vertreten der Ort spielt also nicht die groszlige Rolle Ich moumlchte aber dass jeder kommen kann ob er nun zu einer privilegierten Schicht von Gewaumlhlten gehoumlrt oder nicht und dass es jedem auch finanziell moumlglich ist Deshalb arbeiten wir im Moment am Konzept eines dezentralen Parteitags der in jedem Bundesland zugleich stattfinden kann Die einzelnen Orte sind uumlber Video und Audio miteinander verbunden

Fuumlcks Ihr fruumlherer Bundesvorsitzender Sebasshytian Nerz bezweifelt dass die Piraten sich auf dem klassischen Links-Rechts-Schema politisch zuordnen lassen Inzwischen scheint die Vershyortung aber doch eindeutiger zu sein Piraten haben in Schleswig-Holstein und in NRW sozialshydemokratische Ministerpraumlsidenten mitgewaumlhlt und empirische Untersuchungen uumlber die politishyschen Praumlferenzen von Mitgliedern und Waumlhleshyrinnen der Piraten deuten doch sehr darauf hin dass sie Teil des linken Spektrums sind

Weisband Das ist eine schwierige Frage In vielen Punkten sind wir das ja In anderen Punkten zeigt sich aber dass das eben nicht mehr so einfach ist Zum Beispiel Wie erklaumlren Sie sich wenn wir links sind dass wir gegen eine Houmlchstgrenze von Mana shy

gergehaumlltern votieren Auch in anderen Punkten gelten die Piraten als liberale Partei weil sie eben eine Buumlrgerrechtspartei sind weil sie sagen dass der Staat sich nicht zu sehr in das Leben der Menschen einmischen soll Da steckt man uns schnell in die FDP-Ecke Auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht ohne Weiteres im Links-Rechts-Schema einzuordnen

Fuumlcks Wie werden sich die Piraten koalitionsshypolitisch entscheiden wenn sich die Frage einer Regierungsbildung tatsaumlchlich stellt

Weisband Ich kann Ihnen darauf zwei Antworten geben die moumlgliche Koalitionsverhandlungen fuumlr andere Parteien erst mal unattraktiv machen Erstens sind wir dafuumlr Koalitionsverhandlungen oumlffentlich zu fuumlhren Und zweitens sind wir gegen Fraktionszwang Das heiszligt weil wir sagen die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet wird keiner der mit uns eine Koalition eingeht sicher seindass er immer alle Piratenstimmen auch wirklich auf seiner Seite hat Und wir werden immer so abstimmen wie es in unserem Programm steht Wenn also unsere Koalitionspartner zum Beispiel individuelle Freiheiten einschraumlnken wollen dann werden wir auch gegen unsere Koalitionspartner stimmen

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Fuumlcks Laumluft das auf ein Konzept der Tolerierung hinaus

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Weisband Ich kann mir vorstellen dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsaumlchlich Regierungsverantwortung traumlgt Das wuumlrde ich mir sogar wuumlnschenAber wie dann die einzelnen Fraktionsmitglieder entscheiden kann ich jetzt natuumlrlich nicht vorwegnehmen Ich glaube dass es eher auf wechselnde Mehrheiten hinauslaumluft

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Fuumlcks Ich danke Ihnen fuumlr das Gespraumlch

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12 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

DDaas Is Inntteerrnneet it isst ft fuumluumlr sr soozziiaalle Be Beewweegguunnggeen en eiinne ie iddeeaalle Pe Plalattttffoorrm dm deerr MMoobbiilliissiieerruunngg W Wiirkrklliicchhe Se Scchhlalaggkkrraafft gt geewwiinnnnt dt deer Or Onnlliinnee--PPrrootteesstt jjeeddoocch eh errsstt w weennn en er sr siicch oh offflfliinne se stteeiiggeerrn laumln laumlsssstt

Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

id Pachali

Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

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16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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BoumlllThema 22012 17

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ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

BoumlllThema 22012 19

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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20 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

DDeerzzeeiit siind wnd weellttwweeit rt ruund 1nd 1220 B0 Bllooggggeerriinnnneenn B Blooggggeer ur und Ond Onnlliinnee--AAkkttiivviisstteen in in Hn Haafftt v vor ar allllem im in Cn Chhinnaa IIrraan un und Vnd Viieettnnaamm St Steellllvveerrttrreetteend fnd fuumluumlr dr diie ve viieelleen sn stteelllleen wn wiir drr dreei vi voon in ihhnneen vn voorr

Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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BoumlllThema 22012 35

EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen

DDaas Is Inntteerrnneet it isst ft fuumluumlr sr soozziiaalle Be Beewweegguunnggeen en eiinne ie iddeeaalle Pe Plalattttffoorrm dm deerr MMoobbiilliissiieerruunngg W Wiirkrklliicchhe Se Scchhlalaggkkrraafft gt geewwiinnnnt dt deer Or Onnlliinnee--PPrrootteesstt jjeeddoocch eh errsstt w weennn en er sr siicch oh offflfliinne se stteeiiggeerrn laumln laumlsssstt

Von Felix Kolb

Das Internet hat sich zu einer der wichtigsten Arenen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung entwickelt die auch von sozi

alen Bewegungen genutzt wird Bei der Bewertung dieser Entwicklung gehen die Meinungen aber stark auseinander Den laquoInternet-Optimistenraquo die darin einen Hebel zur Staumlrkung der Zivilgesellschaft sehen stehen die laquoInternet-Pessimistenraquo gegenuumlber die beklagen dass wirkungsvolle weil offline stattfindende Aktivitaumlten zunehmend durch rein virtuelles Engagement ersetzt werden Beide Perspektiven vergessen dass es die Buumlrgerinnen und Buumlrger selbst in der Hand haben ob das Internet ihren politischen Einfluss vergroumlszligert oder ihn schwaumlcht

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Buumlrgerschaftliches Engagement kostet Zeit und Energie und sein Erfolg haumlngt von der Zahl der Beteiligten ab Aber es ist nicht so einfach das einzuschaumltzen weshalb viele zu dem Gedanken neigen laquoWenn nur wenige Menschen protestieren waumlre mein Beitrag umsonst gewesen Wenn jedoch sehr

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viele Menschen aktiv werden kommt es auf meinem Beitrag auch nicht mehr anraquo Wer diese Perspektive einnimmt bleibt schnell passiv Ein Trugschluss

Das Internet kann aus zwei Gruumlnden dieses Dilemma durchbrechen Es bietet nicht nur neue Moumlglichkeiten sich mit minimalem Aufwand politisch zu engagieren sondern es macht es auch viel einfacher festzustellen ob wir mit unserer Empoumlrung auf Resonanz stoszligen Nur wenige Minuten dauert die Teilnahme an einem Online-Appell und jeder kann sehen wie viele mitmachen Der Aufwand fuumlr meine Aktivitaumlt ist minimal und die Chance dass mir viele folgen groszlig So ist es fuumlr Campact mittlerweile ein Leichtes binnen weniger Tage uumlber 100 000 Unterschriften unter einem Appell zu sammeln Der Aufwand im vordigitalen Zeitalter auf aumlhnliche Zahlen zu kommen war im Vergleich dazu immens

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Dieser massive Vorteil digitalen politischen Engagements ist in politischer Hinsicht gleichzeitig seine groszlige Schwaumlche Denn auch den Adressaten des Engagements ist dieser Mechanismus vertraut und damit droht die Gefahr der Abstumpfung und Abnutzung

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Proteste besonders zahlenmaumlszligig groszlige sind ein verlaumlsslicher Indikator dafuumlr dass ein Teil der Oumlffentlichkeit nicht nur eine Meinung zu einem Thema hat sondern ihm dieses Thema auch wichtig ist Doch jedem Abgeordneten den Ministern und auch den Journalisten ist klar dass es deutlich einfacher ist 10000 Menschen unter einem Online-Appell zu versammeln als zur Teilnahme an einer Demonstration zu mobilisieren Trotzdem reicht in manchen Faumlllen Online-Aktivismus aus um politische Erfolge zu erzielen ndash insbesondere dann wenn Online-Protest mit der glaubhaften Botschaft verknuumlpft ist laquoWenn noumltig dann gehen wir auch auf die Straszligeraquo

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Haumlufig aber ist es noumltig durch symbolische Aktionen Unterschriftenuumlbergaben oder groumlszligere Demonstrationen die politische Wirkung zu verstaumlrken um so uumlberhaupt erst in Politik und Medien wahrgenommen zu werden So wurde die Forderung den Anbau des Genmais MON810 zu verbieten erst von den Massenmedien wahrgenommen und im April 2009 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) umgesetzt nachdem uumlber Wochen alle ihrer oumlffentlichen Auftritte von Protesten begleitet worden waren

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Bewegungsorganisationen die ihr Aktionsrepertoire auf Online-Aktionen beschraumlnken werden nicht nur unnoumltig oft Schiffbruch erleiden sondern sie entwerten auch die politische Bedeutung von Online-Aktionen uumlberhaupt Denn deren Wirkung ist stark von der Wahrnehmung abhaumlngig dass der Protest in der virtuellen Welt nur die Vorstufe von Protest in der realen Welt ist Wichtig ist es deswegen ebenso den eigenen Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern deutlich zu machen wie wichtig es ist bei Bedarf mehr Zeit und Energie zu investieren als fuumlr Online-Petitionen noumltig ist

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Campactde funktioniert durch die Schlagkraft der Clicks und das Engage-ment in Echtzeit

Felix Kolb ist geschaumlftsfuumlh-render Vorstand bei Cam-pactde und Mitglied im Stif-tungsrat der Bewegungsstif-tung In seinem Buch Protestemspand Opportunities analysiert er die Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

id Pachali

Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

EEnnttwweeddeer dr daas Is Inntteerrnneet blt bleeiibbt et eiin fn frreeiieess o offffeennees us und gnd grreennzzeennlloossees Ns Neettzzwweerkrk o oddeer er es fis findndeet et eiinne Ke Keehhrrttwweendnde ie inn RRiicchhttuunng eg eiinnees zs zeennssiieerrtteen un und fnd frraaggmmeennttiieerrtteen In Inntteerrnneetts ss sttaatttt i in dn deem nm naattiioonnaalle Re Reeggiieerruunnggeen un und Und Unntteerrnneehhmmeenn iindndiivviidudueelllle Re Reecchhtte ue und Fnd Frreeiihheeiitteen vn voon Mn Miilllliiaarrddeen In Inntteerrnneettnnuuttzzeerrn en eiinnsscchhrraumlaumlnnkkeen on oddeer gaumlr gaumlnnzzlliicch sh sttrraanngguulliieerreenn

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

vonvon untenunten rsaquorsaquo raquoraquo

EssayEssay

Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

werdenwerden kannkannraquoraquo

16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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BoumlllThema 22012 17

EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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20 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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24 BoumlllThema 22012

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

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26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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BoumlllThema 22012 27

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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                                                      10. Startfokus
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Digitale DemokratieDigitale Demokratie BoumlllThema 22012 1

Weshalb wir einen Konsens der Vernetzten brauchen

Die Nutzer des Internets sollten sich organisieren um gegenuumlber den Daten-Unternehmen und der Politik mehr Mitsprache einzufordern und die eigenen Interessen durchzusetzen

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Rebecca MacKinnon interviewt von Dav

Was bedeutet Internetfreiheit Wenn man die Menschenrechte im Netz gewahrt sehen und die Freiheit aller Menschen schuumltzen will braucht das Internet eine verbindliche Ordnung Die Frage ist nur wie diese aussehen soll In der materiellen Welt funktioniert es ja so dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben muss wer die Regierung bildet Die Regierung ist nur dadurch legitim dass jeder der Teil der Gesellschaft ist ein Mitspracherecht in der Frage hat wie die gesellschaftliche Ordnung aussehen sollte

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Das Internet sollte auf aumlhnliche Weise gestaltet sein Wir sollten uns fragen wie wir eine verbindliche Ordnung schaffen koumlnnen

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welche die Menschenrechte wahrt und uumlberall durchsetzt Zugleich muss Machtmissbrauch muss das Verletzen von Rechten sanktioniert werden ndash egal ob dieses auf ein privates Unternehmen eine Regierung oder auf machtvolle Hacker zuruumlckgeht

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Wie muumlsste das Netz organisiert sein damit auch der Durchshyschnittsuser und -buumlrger mitregieren kann

Wichtig ist dass auch die weniger internetversierten Menschen die normalen Nutzer ihre Rechte staumlrker einfordern Ich wuumlrde mir wuumlnschen dass es Uservereinigungen gibt die beispielsweise von ihrem Internetanbieter einfordern dass dieser in seinen Konditionen ihre Rechte wahrt Oder dass sie von Google einen staumlrkeren Dialog bei der Entwicklung von Programmen fordern oder daruumlber wie die Rechte zur Privatsphaumlre sorgsamer gestaltet werden koumlnnen Die Menschen muumlssen sich hier einfach aktiver fuumlr ihre Rechte einsetzen ndash so wie sie auch gelernt haben sich gegenuumlber ihren Regierungen fuumlr etwas starkzumachen

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Viele Menschen scheinen hier inzwischen aufgewacht zu sein Sie haben begriffen dass sie als Buumlrger mehr Fragen stellen muumlssen und die Politiker fuumlr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit im Internet verantwortlich machen muumlssen Das ist wichtig denn bislang waren die lautesten Stimmen in der Gesellschaft haumlufig nur die die auf die Politiker im Hinblick auf die Eindaumlmmung von

Cyberkriminalitaumlt und den Einfluss radikaler Gruppen einwirken wollten

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Denken Sie denn dass wir bereits eine Institution haben wo dieser gemeinschaftliche Dialog stattfinden kann Natuumlrlich gibt es bereits Orte an denen derartige Diskussionen gefuumlhrt werden Die UN zum Beispiel hat das Internet Governance Forum (IGF) Aber meist nehmen an solchen Runden vorwiegend Menschen teil die sich auf Internetgesetzregelungen spezialisiert haben Es findet keine breite Debatte statt

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Ein Teil der Verantwortung liegt hier meiner Meinung nach bei den Medien die mehr Anstren shy

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gungen unternehmen sollten um uumlber diese Themen zu berichten Wir brauchen also nicht notwendigerweise einen festen Ort oder eine feste Institution fuumlr diese Debatte ndash wir sollten die Diskussioshynen vielmehr ausdehnen und an mehr Menschen herantragen So dass diese davon erfahren wenn es in einem Land beispielsweise Debatten uumlber ein bestimmtes Gesetzesvorhaben oder ein Abkomshymen wie ACTA und dessen negative Effekte gibt Dann wuumlrden die Regierungen solche Vorhaben vielleicht uumlberhaupt nicht erst mittragen

Waumlhrend die urspruumlngliche Internet-Idee ja die eines globashyles Netzwerkes war koumlnnen wir derzeit die Tendenz beobshyachten dass das Internet immer staumlrker innerhalb nationaler Grenzen stattfindet Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung

Ich halte es fuumlr ein ernstes Thema dass Regierungen versuchen Grenzen zu ziehen Das Internet verliert so fuumlr viele Menschen seishynen Wert Aber gerade in demokratischen Laumlndern wie Indien wo solche Grenzziehungen stattfinden und es immer mehr Zensur gibt muss es letztlich die Gesellschaft sein die dagegen aufbegehrt

David Pachali ist Dozent und Journalist Seit 2010 ist er Gastredakteur der Berliner Gazette

uarr Rebecca MacKinnon ist Bloggerin und Mitbegruumlnderin von laquoGlobal Voice Onlineraquo und Vorstandsmitglied der laquoGlobal Network Initiativeraquo und des laquoCommittee to Protect Journalistsraquo

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DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

EEnnttwweeddeer dr daas Is Inntteerrnneet blt bleeiibbt et eiin fn frreeiieess o offffeennees us und gnd grreennzzeennlloossees Ns Neettzzwweerkrk o oddeer er es fis findndeet et eiinne Ke Keehhrrttwweendnde ie inn RRiicchhttuunng eg eiinnees zs zeennssiieerrtteen un und fnd frraaggmmeennttiieerrtteen In Inntteerrnneetts ss sttaatttt i in dn deem nm naattiioonnaalle Re Reeggiieerruunnggeen un und Und Unntteerrnneehhmmeenn iindndiivviidudueelllle Re Reecchhtte ue und Fnd Frreeiihheeiitteen vn voon Mn Miilllliiaarrddeen In Inntteerrnneettnnuuttzzeerrn en eiinnsscchhrraumlaumlnnkkeen on oddeer gaumlr gaumlnnzzlliicch sh sttrraanngguulliieerreenn

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

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Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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22 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

ansagenraquo mdash Konstantin von Notz

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

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Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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14 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaallee DDeemokmokrratatiiee

Clash of Cultures im Cyberspace

EEnnttwweeddeer dr daas Is Inntteerrnneet blt bleeiibbt et eiin fn frreeiieess o offffeennees us und gnd grreennzzeennlloossees Ns Neettzzwweerkrk o oddeer er es fis findndeet et eiinne Ke Keehhrrttwweendnde ie inn RRiicchhttuunng eg eiinnees zs zeennssiieerrtteen un und fnd frraaggmmeennttiieerrtteen In Inntteerrnneetts ss sttaatttt i in dn deem nm naattiioonnaalle Re Reeggiieerruunnggeen un und Und Unntteerrnneehhmmeenn iindndiivviidudueelllle Re Reecchhtte ue und Fnd Frreeiihheeiitteen vn voon Mn Miilllliiaarrddeen In Inntteerrnneettnnuuttzzeerrn en eiinnsscchhrraumlaumlnnkkeen on oddeer gaumlr gaumlnnzzlliicch sh sttrraanngguulliieerreenn

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Von Wolfgang Kleinwaumlchter

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BoumlllThema 22012 15

laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

vonvon untenunten rsaquorsaquo raquoraquo

EssayEssay

Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

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16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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BoumlllThema 22012 17

EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

BoumlllThema 22012 19

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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20 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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BoumlllThema 22012 35

EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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laquolaquo DieDie lsaquolsaquo Veralltaumlglichungeralltaumlglichung rsaquorsaquo desdes InternetsInternets provoziert einen lsaquoprovoziert einen lsaquo Clash of CulturesClash of Cultures rsaquo beirsaquo bei

dem zwei unterschiedliche Pdem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies wenigeraufeinanderprallen Es ist dies weniger der Kder Konflikt zwischen Demokratie undonflikt zwischen Demokratie und

Diktatur als vielmehr der zwischen einerDiktatur als vielmehr der zwischen einer lsaquolsaquo PPolitik von obenolitik von oben rsaquo und einer lsaquorsaquo und einer lsaquo PPolitikolitik

vonvon untenunten rsaquorsaquo raquoraquo

EssayEssay

Das Internet und die Art und Weise wie es laquo regiert raquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern

im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource geworden die zunehmend in nationale und internationale Auseinandersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird

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Regierungen entdecken das Internet Mit den zu erwartenden fuumlnf Milliarden Internet-Nutzern bis zum Jahr 2020 ist das Internet endguumlltig aus dem Schatten staatlicher Regulierung herausgetreten und wird zunehmend zum Gegenstand einer Diskussion die partiell darauf abzielt den Geist der Internet-Freiheit zuruumlck in die Flasche zu lenken aus der er schon vor Jahrzehnten entwichen ist Da das Internet alle Lebensbereiche durchdringt ist es unvermeidlich dass nahezu alle oumlffentlichen gesellschaftspolitischen Fragen wie Menschenrechte nationale Sicherheit Schutz des geistigen Eigentums Wettbewerb Meinungsfreiheit Daten- und Konsumentenschutz etc vermischt werden mit technischen Aspekten wie die Zuordnung und Verwaltung von Domain-Namen IP-Adressen Root-Servern Internet-Protokollen Codes und Standards Das Problem fuumlr die traditionelle Politik ist dass viele der technischen Internet-Spezifikationen politische wirtschaftliche kulturelle und soziale Implikationen haben die ihrerseits zwangslaumlufig in den Bereich der oumlffentlichen Politik eingreifen

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Das hat erhebliche Konsequenzen Die laquo Veralltaumlglichung raquo des Internets provoziert einen laquo Clash of Cultures raquo bei dem zwei unterschiedliche Politikmodelle aufeinanderprallen Es ist dies weniger der aus der Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts bekannte Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur als vielmehr der zwischen einer laquo Politik von oben raquo und einer laquo Politik von unten raquo Dabei verschwindet die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Diktaturen nicht aber die Gemengelage wird erheblich komplizierter weil mehr Stakeholder als nur die Regierungen der 190 UN-Mitgliedstaaten in die Auseinandersetzung involviert sind und es alle moumlglichen Formen von laquo Regenbogenkoalitionen raquo gibt in denen sich zu den zahlreichen Einzelfragen unterschiedliche Partner aus Regierungen der Wirtschaft der technischen

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Community und der Zivilgesellschaft zu laquo Buumlndnissen auf Zeit raquo zusammenfinden Es ist also nicht nur eine Auseinandersetzung uumlber die bessere inhaltliche Loumlsung eines Problems sondern auch uumlber das Prozedere das laquo Wie raquo der Politikentwicklung und um das laquo Recht des letzten Wortes raquo

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Regierungspolitik findet in der Regel hinter ver shyschlossenen Tuumlren statt und wird mit Hilfe einfacher Mehrheiten im Parlament laquotop downraquo durchgesetzt Internet-Politik ndash z B bei der fuumlr die Verwaltung der Top-Level Domains zustaumlndigen ICANN oder im Internet Governance Forum (IGF) ndash wird in einem offenen und transparenten Prozess von unten unter Beteiligung aller betroffenen und beteiligten Stakeshyholder entwickelt mit dem Ziel eine grobe Einigung (rough consensus) zu erreichen laquoRough Consensusraquo ist nicht laquoFull Consensusraquo erfordert also nicht eine hundertprozentige Zustimmung aller Betroffenen und Beteiligten Regierungen sind in diesen laquomulti shystakeholder bottom up policy development processraquo (PDP) dort wo noumltig einbezogen sie haben aber eben nicht das letzte Wort

Auf ihrem 2 Weltgipfel zur Informationsgesell shyschaft (WSIS) hatten die Vereinten Nationen im November 2005 in Tunis daher fuumlr das globale Management des Internets ein so genanntes laquoMulti shystakeholder Internet Governance Modellraquo vereinbart bei dem die jeweiligen Stakeholder ndash Regierungen Privatwirtschaft Zivilgesellschaft und technische Community ndash in ihren laquojeweiligen Rollenraquo (respec shytive roles) eng zusammenarbeiten sollen Dieses Multistakeholder Modell hat sich seither bewaumlhrt nicht aber die Konflikte befriedet die mit dem oben beschriebenen laquoClash of Culturesraquo zusammenhaumlngen

Hauptstreitpunkt des WSIS-Prozesses war zunaumlchst die Frage wer die kritischen Internetres shysourcen ndash Root-Server Domain-Namen IP-Adressen Internet-Protokolle und Codes ndash kontrollieren sollte Waumlhrend die US-Regierung sich dafuumlr

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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

werdenwerden kannkannraquoraquo

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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22 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

ansagenraquo mdash Konstantin von Notz

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24 BoumlllThema 22012

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

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Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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laquolaquoDas MultistakeholderDas Multistakeholder-Modell-Modell ist auch deshalb alternativlos weil jedeist auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholderseinseitige Maszlignahme eines Stakeholders

von den anderen Stakeholdernvon den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremstkonterkariert oder ausgebremst

werdenwerden kannkannraquoraquo

16 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

aussprach das historisch gewachsene Internet Governance System zu belassen wie es ist wollte vor allem die chinesische Regierung eine Veraumlnderung des Systems und die Verwaltung dieser Ressourcen der ITU unterstellen

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An diesem amerikanisch-chinesischen Internetshykonflikt waumlre um Haaresbreite die erste Phase des Weltgipfels im Dezember 2003 in Genf gescheitert In letzter Minute konnte man sich darauf einigen die offenen Fragen an eine neu gegruumlndete UN Working Group on Internet Governance (WGIG) zu delegieren und diese mit dem Mandat auszustatten erst einmal zu definieren was denn Internet Governance uumlbershyhaupt ist und dann Vorschlaumlge fuumlr oumlffentliche Intershynetpolitiken zu machen

Das Innovative an der WGIG war dass sie nicht nur aus Staatenvertretern bestand sondern dass die Haumllfte der insgesamt 40 Mitglieder Vertreter nicht shystaatlicher Gruppen aus der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft und der technischen und akademishyschen Community waren

Die von der WGIG vorgeschlagene Definition fuumlr Internet Governance lautete raquoInternet governance is the development and application by Governments the private sector and civil society in their respective roles of shared principles norms rules decisionshymaking procedures and programmes that shape the evolution and use of the Internet raquo

Diese Definition hat mindestens zwei bemerkens shywerte Elemente

Erstens hat sie den Konflikt zwischen der amerikashynischen Forderung nach laquoprivate sector leadershipraquo und der chinesischen Forderung nach laquogovernmen shytal leadershipraquo dergestalt aufgeloumlst dass sie grund shysaumltzlich ein Konzept das auf laquoFuumlhrungraquo durch eine Stakeholder-Gruppe basiert zuruumlckweist und klar shystellt dass das Internet das kollaborative Zusammenshywirken aller Stakeholder und zwar in ihren jeweili shygen spezifischen Rollen (respective roles) erfordert

Zweitens sagt die Definition dass zukuumlnftige Inter shynetpolitiken und die dahinterliegenden Prinzipien und Normen nur noch gemeinsam entwickelt wer shyden koumlnnen und dass diese Teilhabe (shared) auch

fuumlr Entscheidungsprozesse (decision making procedures) gilt Das laumlsst sich nur in einem offenen und transparenten Verfahren laquo von unten raquo realisieren Gleichzeitig wies die WGIG den Vorschlag eine neue zwischenstaatliche UN-Organisation fuumlr das Internet zu gruumlnden zuruumlck und schlug stattdessen vor ein auf dem Prinzip des Multistakeholderismus basierendes Internet Governance Forum (IGF) zu etablieren

Nicht einigen konnte sich die WGIG jedoch uumlber das Management der kritischen Internet-Ressourcen d h der Aufsicht uumlber ICANN

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Multistakeholder-Modell oder zwischenstaatliche Regierungsorganisation Zehn Jahre nach dem Beginn des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft lassen sich nun zwei im Prinzip gegenlaumlufige Tendenzen erkennen

Auf der einen Seite hat sich das Multistakeholder Internet Governance Modell weiterentwickelt und trotz aller Schwaumlchen und Defizite die zwangslaumlufig einem neuen und innovativen Mechanismus eigen sind demonstriert dass es ein funktionstuumlchtiges Politikmodell darstellt

IGF und ICANN stehen fuumlr den Erfolg des Multi-stakeholder-Modells Das IGF wurde nicht zu der befuumlrchteten neuen UN-Schwatzbude sondern mauserte sich uumlber die Jahre zu einem hochrangigen Jahrestreffpunkt der aus dem Internet Governance Eco-System nicht mehr wegzudenken ist Das IGF ist zu einem laquo Fruumlhwarnsystem raquo geworden zur Erkennung neuer Internet-Probleme Es ist zu einem Laboratorium geworden wo neue Politikformen ausprobiert werden (z B in Form der so genannten dynamischen Koalitionen) Auch ICANN hat das Multistakeholder- Modell weiterentwickelt

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Auf der anderen Seite sind nach wie vor viele Regierungen nicht mit dem bestehenden Modell einverstanden nicht zuletzt weil sie darin eine Einschraumlnkung ihrer souveraumlnen Entscheidungsgewalt sehen Zunehmend gibt es daher Versuche entweder komplementaumlr oder alternativ zu ICANN und zum IGF Vorschlaumlge zu lancieren die letztendlich darauf hinauslaufen das freie offene und grenzenlose Internet zuruumlck in nationale Grenzen einzusperren und damit auch kontrollier- und zensierbar zu machen Die Gremien fuumlr solche Vorschlaumlge sind die UN-Vollversammlung und die ITU In der UNO streben Russland und China einen Internet Code of Conduct fuumlr Regierungen an Russland moumlchte eine internationale Konvention fuumlr Sicherheit im Cyberspace und die IBSA Laumlnder (Indien Brasilien und Suumldafrika) haben die Idee eines zwischenstaatlichen Internetrates wiederbelebt In der ITU sind es vor allem Russland China Iran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die die bevorstehenden Regierungsverhandlungen zur Novellierung der Internet Telecommunication Regulations (ITR) einem voumllkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1988 nutzen moumlch

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BoumlllThema 22012 17

EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

BoumlllThema 22012 19

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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20 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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24 BoumlllThema 22012

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

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26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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BoumlllThema 22012 27

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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                                                      10. Startfokus
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EssayEssay

ten um die Hoheitsrechte von nationalen Regierungen uumlber das Internet ndash oder zumindest Teile davon wie die Kontrolle uumlber die IP-Adressen ndash auszuweiten Die im Dezember 2012 in Dubai dazu stattfindende World Conference on International Telecommunication (WCIT) wird daher ein interessanter Indikator sein der signalisieren wird wohin die Reise in den naumlchsten Jahren gehen koumlnnte

Es waumlre aber zu einfach den gegenwaumlrtigen globalen Internet-Konflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Multistakeholder Internet Governance Modell und einer Regierungskontrolle uumlber das Internet zu reduzieren Selbst die USA die EU und andere westliche Staaten die prinzipiell das Multistakeholder-Modell begruumlszligen haben Schwierigkeiten es zu verinnerlichen wenn es um konkrete politische Sachverhalte geht wie nationale Sicherheit Urheberrecht oder Datenschutz

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Das gegenwaumlrtige Internet Governance Modell kann und muss weiter verbessert werden Es gibt aber eben sehr unterschiedliche Vorstellungen wie eine solche Verbesserung aussehen soll Gute Absichten sind nicht hinreichend Das Risiko ist hoch dass die vorgeschlagenen politischen oder wirtschaftlichen Verbesserungen zur Ausmerzung von Schwaumlchen im Internet zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen und massiven Kollateralschaumlden fuumlhren

Es ist nicht moumlglich das Internet in verschiedene Teile zu schneiden Es ist eine Welt und ein Internet und Aumlnderungen unter A B C oder D haben Auswirkungen auf das Internet als Ganzes Insofern ist das Multistakeholder-Modell auch deshalb alternativlos weil jede einseitige Maszlignahme eines Stakeholders von den anderen Stakeholdern konterkariert oder ausgebremst werden kann

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Nach vorn stolpern Die gute Sache am Internet ist dass niemand wirklich weiszlig was genau als Naumlchstes passieren wird Vor 20 Jahren gab es keine Suchmaschinen vor 15 Jahren gab es kein YouTube vor zehn Jahren gab es keine sozialen Netzwerke Und vor fuumlnf Jahren hatten wir nur wenig Erfahrung mit Cloud Computing und dem Internet der Dinge Wer weiszlig was das Internet 2017 oder 2022 anbietet Bei der 41 ICANN-Tagung im Maumlrz 2011 in San Francisco beschrieb der ehemalige US-Praumlsident Bill Clinton Internet Governance als Prozess des laquo Vorwaumlrtsstolperns raquo Stolpern ist nicht schlecht sagte er solange es vorwaumlrtsgeht Ein Schritt nach vorne waumlre sicher wenn die Internet-Community in den naumlchsten Jahren Antworten auf die folgenden drei Fragen finden wuumlrde

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Wie kann man den Respekt und die Staumlrkung von Sicherheit Eigentum Freiheit und Privatsphaumlre bei Internet-Anwendungen in eine ausgewogene Balance bringen die legitime Interessen der verschiedenen politischen Systeme verschiedenen Kulturen Traditionen und historischen Erfahrungen beruumlcksichtigt

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Wie entwickeln wir eine neue Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen die nicht auf hierarchischer Uumlber- oder Unterordnung basiert sondern auf einer gegenseitigen Zusammenarbeit unter netzwerkartig verbundenen gleichberechtigten Partnern

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Wie verbinden wir die traditionellen Politikmechanismen nationaler und zwischenstaatlicher Regierungssysteme mit dem offenen transparenten Diskussionsprozess von unten in einem Multistake- holder-Mechanismus

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Die Antworten auf diese drei Fragen werden stark variieren je nachdem ob sie von Regierungen der Privatwirtschaft der Zivilgesellschaft oder der technischen Community kommen oder aus den USA aus der EU der arabischen Welt aus China Russland Brasilien Indien oder Afrika Es gibt noch keinen Konsens in der Welt

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Dennoch verwenden wir alle Tag fuumlr Tag das gleiche Internet Es gibt also keine echte Alternative zum Bau von Bruumlcken und zu einem konstruktiven Dialog Aber es gibt auch keine schnelle Loumlsung

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Wolfgang Kleinwaumlchter ist Professor fuumlr Internet Policy and Regulation an der University of Aarhus in Daumlnemark Er war Mitglied der UN Working Group on Internet Governance (2000 ndash 2005) und der UNCSTD IGF Improv-ment Working Group (2010 ndash 2012) Von 2006 ndash 2010 war er persoumlnlicher Berater des Vorsitzenden des IGF und leitete von 2009 ndash 2012 die Cross Border Internet Expert Group des Europarates Gegenwaumlrtig ist er Mitglied des GNSO Councils bei ICANN

ICANN Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist eine privatrechtliche Non-Profit-Organisati-on die uumlber die Vergabe und Verwaltung der Top-Level-Domains entscheidet

IGF Das Internet Governance Forum ist 2006 als bera-tendes Gremium der Interessenvertreter von Laumlndern internationalen Organisationen Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu allen Fragen der Internet Governance gegruumlndet worden es hat keine bindenden Befugnisse

ITU Die International Telecommunication Union ist eine UN-Organisation die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschaumlftigt zB der Vergabe und Regelung von Frequenzen

WCIT Die von der ITU organisierte World Conference on International Telecommunications (WCIT-12) die im Dezember in Dubai stattfindet soll uumlber eine Neufassung der International Telecommunications Regulations (ITRs) beraten

WSIS Der World Summit on the Information Society ist ein von der UN gesponserter Weltgipfel zu den Themen Information und Kommunikation

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18 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

BoumlllThema 22012 19

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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20 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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BoumlllThema 22012 35

EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Welche Bedeutung Bloggen in autoritaumlren Regimen hat wie Online und Offline im Protest verschmelzen und warum Aktionen manchmal angekuumlndigt aber nicht durchgefuumlhrt werden

laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo

Ein Gespraumlch mit den Bloggern Viktor Malishevsky (Weiszligrussland) Sondos Shabayek (Aumlgypten) und Nuria Fatykhova (Russland) moderiert von Geraldine de Bastion

Geraldine de Bastion Wie wichtig sind fuumlr euch die digitalen sozialen Netzwerke Sondos Shabayek Ich blogge erst seit einem Jahr Ich habe erst nach der Revolution angefangen als ich das Gefuumlhl hatte dass ich vieles mitteilen moumlchte was ich sonst nicht zum Ausdruck bringen kann Manchmal blogge ich uumlber eine Demonstration bei der ich war manchmal uumlber etwas Politisches etwas Soziales manchmal uumlber sehr persoumlnliche Dinge Twitter nutze ich um schnell kurze Informationen zu veroumlffentlichen Man kann den Neuigkeiten auf Twitter leicht folgen weil man die neuesten Meldungen chronologisch und im Uumlberblick sehen kann Fuumlr Networking um Leute zu Veranstaltungen einzuladen ist Facebook das Richt ige

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Viktor Malishevsky Wenn es kein Internet gaumlbe dann koumlnnte ich meine Arbeit als Journalist nicht ausuumlben Mein Blog das ist eine Plattform wo ich

experimentieren kann mit den Texten der Art der Information und wie sie dargestellt wird Ich muss kein Mitglied einer Organisation sein und brauche nicht mal eine Community Ich mache meine Arbeit und nehme so Einfluss Nuria Fatykhova Bis vor Kurzem stand ich sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenuumlber Ich habe die laquo digitale Gesellschaft raquo eher als eine laquo digitale konsumierende Gesellschaft raquo wahrgenommen Dieses ganze private Selbstverwirklichen war mir einfach zu banal In meinem ersten Jahr in Moskau habe ich als Wirtschaftsjournalistin gearbeitet Mein Chefredakteur hat immer gelacht wenn ich einen Kontakt zu einem Unternehmen gesucht habe Er sagte Nuria es ist einfacher auf Facebook Und auf einmal hab ich gemerkt Ich kann nicht mehr ohne die klassischen journalistischen Mittel reichen nicht Zufaumlllig war dies genau zu dem Zeitpunkt als sich die sozialen

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rarr Sondos Shabayek (26) Schriftstellerin Regisseurin und Journalistin Begruumlnderin des Performance-Projekts laquo Tahrir Monologues raquo

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larr Viktor Malishevsky (37) ist einer der einflussreichsten weiszligrussischen Blogger und Journalisten und kommentiert die aktuellen politischen Entwicklungen Blog httpmalishevskylivejournalcom

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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

BoumlllThema 22012 19

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

DDeerzzeeiit siind wnd weellttwweeit rt ruund 1nd 1220 B0 Bllooggggeerriinnnneenn B Blooggggeer ur und Ond Onnlliinnee--AAkkttiivviisstteen in in Hn Haafftt v vor ar allllem im in Cn Chhinnaa IIrraan un und Vnd Viieettnnaamm St Steellllvveerrttrreetteend fnd fuumluumlr dr diie ve viieelleen sn stteelllleen wn wiir drr dreei vi voon in ihhnneen vn voorr

Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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EssayEssay

dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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laquoVlaquoVor allem versuchen wiror allem versuchen wir uns ganz uns ganz bewusst innerbewusst innerhalb des gesetzlichenhalb des gesetzlichen

Rahmens zu bewegen und provozierenRahmens zu bewegen und provozieren auf diese Wauf diese Weise die Reise die Regierung selbstegierung selbst

gegen das Gesetz zu verstoszligengegen das Gesetz zu verstoszligenraquoraquo mdash Nuria Fmdash Nuria Fatykhovaatykhova

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Netzwerke in Russland zunehmend politisierten Zwischen den Posts wer was zum Fruumlhstuumlck hatte stand dann auf einmal laquo wurde verhaftet raquo Viktor Malishevsky Meinst du das liegt an der Politisierung der Gesellschaft oder an der Veraumlnderung deiner laquo friend list raquo

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Nuria Fatykhova In Russland ist das politische Problem heute auch ein individuelles Problem besonders in Groszligstaumldten wie St Petersburg und Moskau Die Menschen fuumlhlen sich persoumlnlich betroffen und politisch sein ist zurzeit in Mode Aber ich finde wenn Denken modisch ist ein Trend ist ist das keine schlechte Sache Ich beobachte das russische Facebook Ich kenne Leute die nur sehr persoumlnliche Beitraumlge gepostet haben und jetzt auch Links von Zeitungen und politische Statements teilen Ich denke dass dies Zeichen einer Politisierung der Gesellschaft sind

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Geraldine de Bastion Der Begriff laquodigitale Gesellschaftraquo was bedeutet der fuumlr euch

Viktor Malishevsky Menschen die vor dem Compu shyter sitzen und politischen Aktivismus per Mausklick betreiben betrachten sich als aktiv und nicht als passhysiv Sie sitzen aktiv im Internet sie aumluszligern aktiv ihre Meinung also haben sie eine ganz andere Sicht auf sich selbst Das Internet ist sozusagen ein Tool der Bequemlichkeit So findet man sich auch damit ab in einer Diktatur zu leben Wenn sie sich wirklich als politisch aktive Buumlrger sehen dann muumlssen sie sich fuumlr so eine Haltung schaumlmen Sondos Shabayek Ich glaube nicht dass es die digishytale Gesellschaft als eine virtuelle Parallelwelt gibt Wenn die Revolution eines gezeigt hat dann dass es um die Gesellschaft als Ganzes geht Es gibt nicht den einen Teil der vor dem Computer sitzt twittert und bloggt und diejenigen die auf der Straszlige demonst shyrieren Es sind dieselben Menschen die ihren Protest online und offline kundtun Das Internet ist zuneh shymend mobil und somit ist die digitale Gesellschaft uumlberall Aktivismus und Internet bedeutet eben heutzutage mit seinem mobilen Endgeraumlt von der

Straszlige aus zu berichten sich zu vernetzen und zu dokumentieren Nuria Fatykhova Ich stimme Sondos zu Auch bei uns ist die Verknuumlpfung zwischen Online und Offline bei der Protestorganisation sehr wichtig Es gibt einen Club er ist etwa drei Minuten vom Kreml entfernt das ist wie ein Ort der Freiheit Hier treffen wir uns regelmaumlszligig bis zu 300 Leute versammeln sich hier In diesem Club haben wir so viel geplant Es ist eine gute Zusammenarbeit weil die Leute von Angesicht zu Angesicht zusammenkommen Gleichzeitig spielt auch hier das Internet eine wichtige Rolle da wir immer alles dokumentieren und Live-Protokolle bei Facebook einstellen mit Aufrufen zum Mitmachen Und es melden sich immer mehr

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Geraldine de Bastion Hat die Tatsache dass ihr mit dem Internet groszlig geworden seid euer Streben nach einem individuellen Ausdruck nach Freiheit befoumlrdert

Nuria Fatykhova Wahrscheinlich ja Man sucht einen Raum wo man diese individuelle Freiheit finshyden kann und man trifft in diesem Raum im Intershynet die Leute die auch so ein Beduumlrfnis haben

Geraldine de Bastion Ein Kollektiv von Indivi shy duen

Nuria Fatykhova Ja ich denke so ist die russische Gesellschaft

Geraldine de Bastion In Tunesien und Aumlgypten fuumlhrten vor allem die extrem

larr Geraldine de Bastion geboren 1978 in Groszligbritan-nien ist internationale Beraterin im Bereich digitale Medien Sie organisierte die republica 2012

rarr Nuria Fatykhova (29) freie Journalistin fuumlr russ - ische und deutsche Medien Bloggerin und politische Aktivistin

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

DDeerzzeeiit siind wnd weellttwweeit rt ruund 1nd 1220 B0 Bllooggggeerriinnnneenn B Blooggggeer ur und Ond Onnlliinnee--AAkkttiivviisstteen in in Hn Haafftt v vor ar allllem im in Cn Chhinnaa IIrraan un und Vnd Viieettnnaamm St Steellllvveerrttrreetteend fnd fuumluumlr dr diie ve viieelleen sn stteelllleen wn wiir drr dreei vi voon in ihhnneen vn voorr

Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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BoumlllThema 22012 35

EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

DDeerzzeeiit siind wnd weellttwweeit rt ruund 1nd 1220 B0 Bllooggggeerriinnnneenn B Blooggggeer ur und Ond Onnlliinnee--AAkkttiivviisstteen in in Hn Haafftt v vor ar allllem im in Cn Chhinnaa IIrraan un und Vnd Viieettnnaamm St Steellllvveerrttrreetteend fnd fuumluumlr dr diie ve viieelleen sn stteelllleen wn wiir drr dreei vi voon in ihhnneen vn voorr

Die Feinde des Interneund ihre Opfer

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12 Maumlrz veroumlffentlichte Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht uumlber die laquo Feinde des Internets raquo Es sind zwoumllf Staaten mit

massiver Online-Uumlberwachung Kontroll- und Zensurmaszlignahmen Bahrein Belarus Burma China Kuba Iran Nordkorea Saudi-Arabien Syrien Turkmenistan Usbekistan und Vietnam Online-Inhalte werden in diesen Laumlndern stark gefiltert kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt 14 weitere Staaten stellt ROG laquo unter Beobachtungraquo Dazu gehoumlren Australien Aumlgypten Eritrea Frankreich Indien Kasachstan Malaysia Russland Suumldkorea Sri Lanka Thailand Tunesien Tuumlrkei und die Vereinigten Arabischen Emirate Fast 200 Internet-Journalisten und Blogger wurden 2011 verhaftet das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr

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Quelle ROG wwwreporter-ohne-grenzendepressepressemitteilungen meldung-im-detailartikelrog-bericht-feinde-des-internets-2012

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Die Feinde des Internets in Zahlen

Welche Inhalte werden zensiertin welchem Ausmaszlig und wie vieleOnline-Aktivisten sind verhaftet

Im Fall von Nordkorea und Kuba ist die Zensur des Internets so ausgepraumlgt dass man beide Laumlnder als laquoschwarzes Lochraquo im Cyberspace bezeichnen kann

Angaben aus Internet Enemies Report 2012 (ROG) die uumlbrigen Angaben aus dem Internet Enemies Report 2011 (ROG) Quellen ROG wwwreporter-ohne-grenzende Open Net Initiatve

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Eskinder Nega (44)

arbeitet seit 1993 als freier Journalist in Aumlthiopien Der Kolumnist des Monatsmagazins Change und des Onlineforums EthioMedia (rarr http ethiomediacom) ist bekannt wegen seiner politischen Analysen und seiner Kritik an der aumlthiopischen Regierung 1993 gruumlndete er die Zeitung Ethiopis die von der aumlthiopischen Regierung sehr schnell verboten worden ist Auch der Verlag Serkalem den er mit seiner Frau Serkalem Fasil gruumlndete wurde 2005 geschlossen Insgesamt siebenmal wurde Eskinder Nega inhaftiert Die Veroumlffentlichung einer Online-Kolumne mit der Forderung nach groumlszligerer poli-tischer Freiheit in Aumlthiopien fuumlhrte im September 2011 zu seiner Verhaftung und einer Anklage wegen Unterstuumltzung der verbotenen oppositionellen Grup-pierung Ginbot 7 Auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes wurde Eskinder Nega im Juli 2012 zu 18 Jahren Haft verurteilt Dies ist einer der Versuche der Regierung das Uumlbergreifen der arabischen Revolutionen auf Aumlthiopien zu verhindern

Abdujalil al-Singace (47)

ist ein Blogger und Menschenrechtsaktivist aus Bahrein Weil er mit dem Mangel an Freiheit in seinem Land nicht einverstanden war begann er 2008 zu bloggen laquo Al-Faseelah raquo (rarr httpalsingaceblogspotde) Wegen laquo Teil-nahme an einer Terror-Verschwoumlrung raquo und laquo Aufstachelung zum Hass gegen die Regierung raquo wurde al-Singace 2009 verhaftet sein Blog laquo Al-Faseelah raquo voruumlbergehend blockiert Im Fruumlhjahr 2011 wurde al-Singace zusammen mit 13 weiteren Oppositionellen verhaftet gefoltert und im Juni 2011 verurteilt zu lebenslanger Haft wegen der laquo Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel die Herrschaft des Koumlnigs zu beenden und die Verfassung zu veraumlndern raquo Ein Beobachter von Amnesty International schrieb anlaumlsslich einer der Berufungsverhandlungen im September 2011 es wurden laquo keinerlei Beweise vorgebracht die sie einer Straftat und der Anwendung oder Befuumlrwortung von Gewalt uumlberfuumlhrt haumltten raquo

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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

ansagenraquo mdash Konstantin von Notz

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24 BoumlllThema 22012

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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BoumlllThema 22012 27

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Derzeit sind weltweit rund 120 Bloggerinnen Blogger und Online-Aktivisten in Haft vor allem in China Iran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vorIran und Vietnam Stellvertretend fuumlr die vielen stellen wir drei von ihnen vor

Die Feinde des Internets und ihre Opfer

BoumlllThema 22012 21

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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Ta Phong Tan (44) ist Bloggerin in Vietnam In ihrem Blog laquo Cong Ly va Su That raquo (Gerechtigkeit und Wahrheit rarr httpconglysuthatblogspotde) prangert sie Korruption und Ungerechtigkeit im vietnamesischen Polizei- und Rechtssystem an laquo Ich bin eine freie Journalistin hellip Ich verteidige Menschen ohne Macht die unter Ungerechtigkeit leiden Aber der vietnamesische Staat will mich mundtot machen (Ta Phong Tan laquoI am facing a plot [against me]raquo 4 April 2010) Ta Phong Tan ist eine ehemalige Polizistin und fruumlheres Mitglied der Kommu-nistischen Partei Vietnams Sie begann als freie Journalistin 2004 fuumlr Tages-zeitungen zu schreiben Seit 2006 erschienen Artikel von ihr auf der Webseite des vietnamesischen Dienstes von BBC Ta Phong Tan ist seit September 2011 inhaftiert sie ist angeklagt wegen Verbreitung von Propaganda gegen den Staat (sect 88 Strafgesetzbuch) Der Prozess gegen sie und zwei weitere Akti-visten soll im August beginnen Ihnen drohen 20 Jahre Haft

schlechte wirtschaftliche Lage Armut und manshygelnde Perspektiven fuumlr junge Leute zu den Massenprotesten Wie ist es in Russland gibt es Parallelen

Nuria Fatykhova Die ersten Proteste die 20052006 in Aumlgypten stattfanden waren die von Journalisten die sich fuumlr mehr politische Freiheit einsetzten und von der Masse belaumlchelt wurden Es brauchte noch sechs weitere Jahre um eine wirkliche Revolution der Arbeitsklasse zu formieren In Russland ist das aumlhnlich Seit drei oder vier Jahren gehen am 31 des Monats 200 ndash 300 Leute protestieren 31 ist der Artikel der Verfassung zur Versammlungsfreiheit der von Putin abgeschafft wurde Das entwickelte sich weiter und jetzt haben wir einen Aufstand der Mittelklasse Darum nennen manche es auch laquo Hipster-Revolution raquo Es sind junge Menschen die eine tolle Ausbildung haben Fremdsprachen sprechen und sich cool fuumlhlen Sie sind in der Welt zuhause aber nicht in Russland Hier braucht man sie nicht

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Viktor Malishevsky Das ist kein antikapitalistischer Protest Nuria Fatykhova Genau In Aumlgypten ging es letzt shyendlich um Brot Das Land ist arm und die intellekshytuelle Elite klein Es gibt zwar Parallelen zu der Situshyation in Russland aber bei uns geht es in erster Linie um einen abstrakten Begriff Freiheit Heute sind zum Beispiel Unternehmer auf der Straszlige die sich wegen dieser korrupten Situation in der Wirtschaft nicht mehr entwickeln koumlnnen Wenn es so weitershygeht dann wird es jedoch in ein paar Jahren auch bei uns um Brot gehen

Geraldine de Bastion Sondos du bloggst du twitterst Hast du jemals das Gefuumlhl Teil einer Gruppe von vielen zu sein die in der Oumlffentlichshykeit stehen

Sondos Shabayek Wir sind nicht einmal eine Gruppe sondern nur eine zufaumlllige Masse von Leu shyten Und alle die damals auf die Straszlige gegangen sind haben sich extrem oumlffentlich gemacht denn es gab viele Medienberichte Ich denke heutzutage egal wo auf der Welt gibt es so etwas wie laquozu oumlffentshylichraquo oder laquonicht oumlffentlich genugraquo nicht

Geraldine de Bastion Wie ist das mit euch Habt ihr Erfahrungen mit Internet-Uumlberwashychung gemacht

Nuria Fatykhova Ja es ist wie eine stille Vereinbashyrung Wir wissen dass wir beobachtet werden und es ist oft passiert dass man eine Aktion bespricht und am Treffpunkt die Polizei bereits wartet

Geraldine de Bastion Ihr nutzt aber trotzdem weiter diese Medien zur Protestorganisation

Nuria Fatykhova Ja Vor allem versuchen wir uns ganz bewusst innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bewegen und provozieren auf diese Weise die Regierung selbst gegen das Gesetz zu verstoszligen Zum Beispiel versammeln wir uns ohne Plakate wir sprechen nur und wenn sie da sind

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

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Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

ansagenraquo mdash Konstantin von Notz

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Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

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Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

BoumlllThema 22012 31

GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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32 BoumlllThema 22012

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

BoumlllThema 22012 33

EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

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Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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22 BoumlllThema 22012

Digitale DemokratieDigitale Demokratie

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und uns festnehmen dann sammeln wir Beweise dass wir uns rechtens verhalten haben und der Staat sich ungesetzmaumlszligig verhaumllt Viktor Malishevsky Aumlhnliches wurde auch in Weiszligrussland versucht Aktivisten haben Aktionen angekuumlndigt die dann gar nicht stattfanden stattdessen haben sie die Reaktionen der Sicherheitsdienste gefilmt Das ist auch eine Art der Subversion Eine der mutigsten Aktionen war eine Protestaktion gegen die Benzinpreiserhoumlhung Auf der zentralen Hauptstraszlige in der Hauptstadt hielten die Teilnehmer an der Praumlsidentenresidenz oder dem Hauptregierungsgebaumlude an Vor diesem Gebaumlude durfte man eigentlich nur halten wenn das Auto kaputt ist Sie haben dann alles so getan als waumlre das Auto kaputt gewesen und haben ihr Warndreieck aufgestellt

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Geraldine de Bastion Man muss in Weiszligrussland sehr kreativ sein um Protest zu machen

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Viktor Malishevsky Ja aber leider bleibt so etwas bei uns ohne Wirkung Die Konsequenz der Aktion war dass der Praumlsident die Straszligen gesperrt hat und mit weiteren Sanktionen gedroht hat Fuumlr mich sind das alles Spielchen Amuumlsement fuumlr einen Diktator und gutes Training fuumlr die Geheimdienste nicht mehr Ich glaube diese Art der Proteste lenkt vom Denken ab Wer stellt sich dabei die wirklich wichtishygen Fragen Was koumlnnen wir tatsaumlchlich veraumlndern und wie soll es umgesetzt werden Nuria Fatykhova Ich finde solche Protestaktionen sind ein Teil eines solchen politischen Prozesses Viktor Malishevsky Fuumlr mich ist es wichtig wenn die Menschen verstehen warum sie auf die Straszlige gehen Als Lukaschenko an die Macht kam haben die Menschen auch gegen die damalige Staatsmacht die Stimmen abgegeben um ihn zu waumlhlen Und so wird sich das einfach immer wiederholen wenn man sich der Alternativen und politischen Strukturen nicht bewusst ist Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein

Geraldine de Bastion Das heiszligt die politische Vision wie eine Alternative aussehen soll sollte vorhanden sein bevor man ein Regime versucht zu stuumlrzen

Viktor Malishevsky Die Situation in Aumlgypten ist ein gutes Beispiel Dort hat man den Praumlsidenten gestuumlrzt ohne einen Plan zu haben was danach kommen soll Bei uns in Weiszligrussland kommt Oppo shysition eigentlich nur im Internet zum Ausdruck aber sie nutzen diesen Raum nicht Sie bieten kein Pro shygramm sondern sind auch nur dagegen Ich habe aber die Hoffnung dass aus einer virtuellen Diskusshysion heraus irgendwann Experten und Debatten hershyvorgehen die auch offline Einfluss nehmen Blogger koumlnnen als kritische Analytiker hier eine wichtige Rolle spielen

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Blogger-Biografien

Viktor Malishevsky (37) gilt als Weiszligruss-lands bekanntester Blogger er sagt er sei der einzige Er versteht sich als investigati-ver Journalist der in seinem Land kein ande-res Ausdrucksmedium hat als das Inter-net Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterin-nen verlangt Viktor eine klare Trennung des Journalismus vom Aktivismus Beide Rollen einzunehmen das sei mit seiner Berufsethik nicht vereinbar

Hingegen stehen seine Kolleginnen Nuria Fathykova (29) und Sondos Shabayek (26) in erster Reihe nicht nur um die Proteste in ihren Laumlndern zu dokumentieren son-dern um sie voranzubringen Nuria sagt von sich selbst sie sei eine von Tausenden und ist stolz darauf Teil einer Protestbewegung zu sein die von europaumlischen Medien hart-naumlckig ignoriert und als Hipster-Revolution

belaumlchelt wird Auch die 26-jaumlhrige Son-dos sieht keinen Konflikt in den verschiede-nen Rollen als Aktivistin Journalistin und Kuumlnstlerin Sie hat die Erlebnisse des Tah-rir Platz in einem Theaterstuumlck den laquo Tahrir Monologuesraquo aufgearbeitet

In Russland und Weiszligrussland haben ca 50 Prozent der Bevoumllkerung Zugang zum Internet in Aumlgypten sind es ca 28 Prozent Die Preise fuumlr einen Internetanschluss sind mittlerweile fuumlr einen Durchschnittsbuumlr-ger erschwinglich einer breiten Nutzung des Internets zu Zwecken der politischen Kommunikation stehen dennoch verschie-dene soziale und technische Huumlrden im Weg Waumlhrend in Aumlgypten das politische Leben derzeit in Bewegung ist scheint der Status quo in Weiszligrussland einer der letzten Dik-taturen Europas festgefahrener denn je

Nuria Fatykhova dokumentiert Protestaktionen in ihrem Heimatland auf Flickr wwwflickrcomphotosnuriyafatykhovashow

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BoumlllThema 22012 23

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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

DDiie Be Buundndeessrreeggiieerruunng ug unntteerrssttuumluumlttzzt wt woorrttrreeiicch dh diie De Deemmookkrraattiieebebewweegguunng ig inn ddeen an arraabbiisscchheen Ln Laumlaumlndndeerrnn d doocch zh zuugglleeiicch fh foumloumlrrddeerrt st siie te taattkkrraumlaumlffttiig dg deen En Exxppoorrtt vvoon Tn Tecchhnniikkeen zn zuur deerreen Uumlben Uumlberrwwaacchhuunng ug und Und Unntteerrdrdruumluumlcckukunngg

Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

ansagenraquo mdash Konstantin von Notz

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24 BoumlllThema 22012

DDiggititaallee OumlOumlffffeennttllicichhkkeeiitt

Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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BoumlllThema 22012 25

EssayEssay

dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

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Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
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Digitale DemokratieDigitale Demokratie

Merkels Doppelmoral bei Dual-Use-Guumltern

DDiie Be Buundndeessrreeggiieerruunng ug unntteerrssttuumluumlttzzt wt woorrttrreeiicch dh diie De Deemmookkrraattiieebebewweegguunng ig inn ddeen an arraabbiisscchheen Ln Laumlaumlndndeerrnn d doocch zh zuugglleeiicch fh foumloumlrrddeerrt st siie te taattkkrraumlaumlffttiig dg deen En Exxppoorrtt vvoon Tn Tecchhnniikkeen zn zuur deerreen Uumlben Uumlberrwwaacchhuunng ug und Und Unntteerrdrdruumluumlcckukunngg

Von Konstantin von Notz

Die Entwicklungen des Arabischen Fruumlhlings haben nicht nur die Debatte um die demokratiefoumlrdernde Wir

kung des Internets neu entfacht sie schaumlrften auch den Blick auf die Geschaumlftspraktiken zahlreicher deutscher Unternehmen die Software entwickeln und exportieren mittels derer die Kommunikation via E-Mail in sozialen Netzwerken und in Blogs uumlberwacht und kontrolliert werden kann Mit manchen dieser Programme kann man die Kommunikation sogar ganz unterbinden Dissidenten identifizieren aufspuumlren und ihre Netzwerke durchdringen

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Seit Langem fordern wir die Bundesregierung auf nicht laumlnger die Augen vor diesen unethischen Geschaumlften zu verschlieszligen sondern endlich die uumlberholten Ruumlstungsexportbestimmungen zu reformieren und auch so genannte Dual-Use-Guumlter und Techniken zur Stoumlrung Uumlberwachung und Unterbrechung des Internet- und Mobilfunkverkehrs in die Bestimmungen aufzunehmen

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Denn deutsche Firmen exportieren Technikguumlter die der Unterdruumlckung der Verfolgung und Zensur des oppositionellen und demokratischen Protestes in zahlreichen autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dieser Welt dienen ndash auch nach Syrien wo die Lage dieser Tage voumlllig eskaliert und ein Diktator mit Geheimdiensten und Armee die eigene Bevoumllkerung unterdruumlckt

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und ermordet Bislang druumlckt die Bundesregierung beide Augen zu wenn es um den Export entsprechender Guumlter durch deutsche Firmen also die deutschen Wirtschaftsinteressen geht

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Zwar loben die Bundeskanzlerin und andere Vertreter der schwarz-gelben Bun shydesregierung in Sonntagsreden immer wieder die demokratisierende Wirkung der Neuen Medien setzen aber gleichzei shytig alles daran sinnvolle Verschaumlrfungen der entsprechenden Ausfuhrbestimmungen wie sie kuumlrzlich auf europaumlischer Ebene durchgesetzt werden sollten zu verhin shydern Schlimmer noch die Bundesregierung unterstuumltzt nach unseren Recherchen den

Export entsprechen-der Guumlter an autoritaumlre und totalitaumlre Staaten sogar aktiv durch die Gewaumlhrung von Hermesbuumlrgschaften

Es ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass trotz des Wissens um die Problematik denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf ansagen Dieses doppelte Spiel duumlrfen wir der Bundesregierung nicht laumlnger durchgehen lassen Die US-Auszligenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem angekuumlndigt einschlaumlgig bekannte Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und die Exportbestimmungen anpassen zu wollen Eine solche Aussage wuumlrden wir uns als einen ersten Schritt auch von der Bundesregierung wuumlnschen

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Denn in Zeiten in denen laquodas freiheit shylichste Informations- und Kommunikatishyonsforum der Weltraquo (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) per Knopfdruck abgeshyschaltet werden kann sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr fuumlr die Demokratiebewegungen sondern genauso Spezialtechniken die Unterdruuml shyckung Ausspitzelung und Uumlberwachung vielleicht noch effektiver ermoumlglichen als jeder Schlagstock

Die Ausfuhrbeschraumlnkungen fuumlr DualshyUse-Guumlter duumlrfen daher nicht auf dem Stand des Kalten Krieges belassen werden sie muumlssen regelmaumlszligig an die technologi shyschen Entwicklungen angepasst werden Nur so wird gewaumlhrleistet dass nicht mit deutscher Hilfe das demokratische Potenshyzial das durch die weltweite Kommuni shykation und den Informationsfluss uumlber das Internet auch fuumlr undemokratische Laumlnder gegeben ist in seiner Wirkung eingeschraumlnkt wird In Kuumlrze werden wir mit einem Antrag im Bundestag die Bunshydesregierung noch einmal auffordern die Exportbestimmungen fuumlr Guumlter die der Unterdruumlckung und Zensur in autoritaumlren und totalitaumlren Staaten dienen endlich zu verschaumlrfen und die Ausfuhr effektiv zu kontrollieren

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Auf dem netzpolitischen Blog wwwgruen-digitalde finden sich unter dem Suchwort laquoZensurraquo mehr als 50 Artikel zu dieser Thematik Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

laquoEs ist fuumlr uns schlicht nicht hinnehmbar dass denen technische Hilfestellung aus Deutschland geleistet wird

die dem Recht auf freie Meinungsaumluszligerung

und demokratischen Protest offen und brutal den Kampf

ansagenraquo mdash Konstantin von Notz

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DDiggititaallee OumlOumlffffeennttllicichhkkeeiitt

Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

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laquolaquoWWerer inin derder lsaquolsaquoGegenoumlffentlichkeitGegenoumlffentlichkeitrsaquorsaquo

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EssayEssay

dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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28 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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24 BoumlllThema 22012

DDiggititaallee OumlOumlffffeennttllicichhkkeeiitt

Die neue Unuumlbersicht- lichkeit des Internets

Von Christoph Kappes

Bislang erzielt die digitale Oumlffentlichkeit kaum Wirkung doch wer sie an der Latte der klassischen Medien misst wird ihr womoumlglich nicht gerecht Denn sie befindet sich noch im Embryonalzustand und verfuumlgt uumlber ungeahnte Entwicklungsmoumlglichkeiten

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Was ist das Internet fuumlr eine Oumlffentlichkeit wenn in ihm zwar ein jeder sich oumlffentlich artikulieren kann und so ein Millionenpu

blikum erreichen koumlnnte es also schon von seiner Dimension her uumlber die klassische Medienoumlffentlichkeit hinausweist zugleich aber die Idee die Oumlffentlichkeit spiegele die Politik konstituiere die Vierte Gewalt und die Gesellschaft beobachte sich und bilde ihre Meinung in ihr unveraumlndert gelten soll Was ist mit einem Spiegel gewonnen der Millionen Teile hat die sich alle gegenseitig spiegeln ohne dass irgendjemand sagen koumlnnte was Ursache oder Wirkung was Spiegelung oder Trugbild ist ndash ein Spiegel ohne Bild dessen Urheberschaft nicht verbuumlrgt ist

Die Internet-Oumlffentlichkeit so sagen Skeptiker sei demokratietheoretisch defizitaumlr partizipative Betei

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shyligungsformen seien nicht sehr erfolgreich E-goushy

vernementale Angebote weisen schwache Besucherzahlen aus die Politiker twittern kurze Statementsvor sich hin und selbst die Partizipationssoftwareder Piratenpartei findet wenig Anklang DeutscheBlogs sind anders als einige amerikanische Pendantsbisher nicht gerade Impulsgeber fuumlr politische Leitdebatten ausgenommen naturgemaumlszlig Themen mitOnline-Bezug In deutschen Blogcharts findet Politikauf den vorderen Plaumltzen mit houmlchster Reichweitekaum statt Das Internet ist in seiner Dimension zwargrenzenlos aber seine Blog-Oumlffentlichkeit gleichtin ihrer Wirkung eher der Gegenoumlffentlichkeit deStattzeitungen der Siebziger- oder freien Radios derAchtzigerjahre

shy shy

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Zudem sei die Oumlffentlichkeit online kommunikativ defizitaumlr denn sie werde von Trollen bewohnt und von Shitstorms und Flames geschuumlttelt also indivi-

Teile einer laquoKarteraquo des Internets basierend auf Daten von opteorg am 1512005 Jede Linie beschreibt zwei Knotenpunkte welche zwei IP-Adressen repraumlsentieren Die Laumlnge der Linien beschreibt die Verzoumlgerung zwischen den Knotenpunkten Diese Karte zeigt weniger als 30 der Klasse C-Netzwerke

Die Linien sind urspruumlnglich farblich nach Addressbereichen gekennzeichnet Die Karten von opteorg sind mittlerweile Bestandteil der Sammlung im Museum of Modern Art und dem Louvre

25G

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laquolaquoWWerer inin derder lsaquolsaquoGegenoumlffentlichkeitGegenoumlffentlichkeitrsaquorsaquo

BoumlllThema 22012 25

EssayEssay

dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

26 BoumlllThema 22012

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

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28 BoumlllThema 22012

DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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EssayEssay

dueller Aggression und massenhafter Empoumlrung mit grob unsachlichem Anteil statt zivilgesellschaftlicher Deliberation Auszligerdem brauche es Ressourcen das Internet zu nutzen Geld fuumlr einen Zugang Zeit fuumlr das Mitmachen und vor allem Medienkompetenz

politisch groszlig geworden ist neigt zurpolitisch groszlig geworden ist neigt zur VVerachtungerachtung desdes lsaquolsaquoClicktivismusClicktivismusrsaquorsaquo dochdoch in Win Wahrahrheit ist er als lsaquoheit ist er als lsaquoone voteone votersaquo nichtrsaquo nicht

weniger wert als ein Einsatz von einemweniger wert als ein Einsatz von einem WWochenende in Brockdorfochenende in Brockdorfraquoraquo

Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets Nun dies alles beobachten wir im Jetzt und das hat mit Zukunft nur als Ausgangspunkt zu tun Der Prozess der Digitalisierung wird weiter voranschreiten Nutzerzahlen werden ansteigen Dies folgt aus Vergleichswerten in anderen Laumlndern aber auch aus der Logik der Entwicklung die Kommunikation effizienter macht Man nutzt Leerzeiten (auf den Wegen) man nimmt verdichtet Informationen auf (eine Zehnerpotenz mehr Information als in Printmedien) man haumllt schwache Bindungen zu anderen Menschen mit minimalem Aufwand Das sollte man nicht gering schaumltzen und so ist es auch ein Fortschritt dass man Meinung nun mit einem Mausklick bekunden kann Wer in der laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo politisch groszlig geworden ist neigt zur Verachtung dieses laquo Click-tivismus raquo doch in Wahrheit ist er als laquo one vote raquo nicht weniger wert als ein Einsatz von einem Wochenende in Brockdorf Die Barrieren des Engagements sinken durch Online-Kommunikation Wahl wird leichter als ein Urnengang Infolgedessen muss Partizipation in Zukunft zunehmen wo Nichtwahl nicht ein Ausdruck von Zufriedenheit ist

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Die sozialkommunikative Dimension des Internets hat erst seit gut fuumlnf Jahren eine neue Qualitaumlt erreicht Software kennt Beziehungen von Personen zu ihrem sozialen Gefuumlge (laquo Freunde raquo) und ermoumlglicht so dass Information im Schneeball-System binnen Sekunden verbreitet wird und die Personen auf jedem Dienst wieder zueinanderfinden das Internet bekommt eine soziale Dimension Auch dass Politiker teilnehmen ist eine sehr junge Erscheinung Gemessen an der Zeit die fruumlhere Medientechnologien fuumlr ihre Entwicklung brauchten befinden wir uns also noch im Embryonenzustand

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Es faumlllt uns schwer zu sehen dass Chancen und Risiken gleichzeitig entstehen und noch weniger erkennen wir das Neue weil wir es am Alten messen Im laquoShitstormraquo meinen wir etwas Neues zu sehen In Wirklichkeit kommt hier eine alte Wirklichkeit des Trivialen Dunklen Dummen zum Tragen die selbst Boulevard-Medien nicht gespiegelt haben weil es keine Relevanz haumltte eine mediale Selektionsleistung eben

Das fuumlhrt zu unserem Bild von Oumlffentlichkeit Die digitale Oumlffentlichkeit ist weder laquo eine raquo noch ist sie ein realer Diskursraum dieses Bild ist lediglich ein normatives Ideal Oumlffentliche Raumlume sind im Digitalen so verschieden wie die Plaumltze Gassen Kreuzungen Viertel Mauern die Stadt-Raumlume ordnen indem sie sie einfrieden abschirmen oumlffnen verschachteln trennen und verbinden Doch in der digi

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talen Oumlffentlichkeit funktionieren unsere Filter noch nicht gut weil durch Links Klicks Kopien Schnittstellen und Verbindungen schnell zusammengefuumlhrt werden kann was sich sonst saumluberlich in Stadtteile Regionen und hinter Mauern trennt

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Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit Doch mit der Zersplitterung der Oumlffentlichkeit (im Vergleich zur bisherigen Medienoumlffentlichkeit) entwickeln sich zugleich neue Uumlbersichtssysteme aus der Unordnung von Milliarden verlinkter Seiten (die nur technisch hierarchisch geordnet sind) entsteht z B durch die Verdichtung von Suchabfragen oder von sozialen Beziehungen eine neue Ordnung von Information Man muss also die Perspektive umdrehen Die Welt wird komplexer und das Internet brauchen wir als Werkzeug um oumlffentlich Kommunikation in vielen Dimensionen herzustellen

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Es ist eine Graswurzel-Perspektive die das laquo Unten raquo organisiert von daher geht der an Blogs gerichtete alte Anspruch einer gegen das laquo Oben raquo gerichteten laquo Gegenoumlffentlichkeit raquo moumlglicherweise fehl Es sind naumlmlich vernetzte Raumlume in denen normative Fragen mit individuellem Lebensbezug ausgehandelt werden etwa die ob man einen Saumlugling mit auf eine Messe nehmen sollte welche Werbung als diskriminierend anzusehen ist und welchen Quellen man vertrauen kann Sie behandeln damit gerade nicht die laquo groszlige Politik raquo Die neue sozialkommunikative Dimension des Internets ist moumlglicherweise etwas Neues eine laquo kleine Oumlffentlichkeit raquo in der Buumlrger sich gegenseitig Orientierung verschaffen weil die Institutionen die das bisher gewaumlhrleistet haben (Kirche Schule Parteien etc) an Kraft verlieren

Es gibt einige Anzeichen dafuumlr dass wir aus Gewohnheit auf die falschen Stellen der Veraumlnderung sehen Wahrscheinlich werden sich naumlmlich auch die Organisationsformen von Politikakteuren aumlndern von fest zu lose von dauerhaft zu temporaumlr ndash ein Prozess den wir seit Dekaden in der Wirtschaft beobachten und der Stichwort laquo Entgrenzung raquo

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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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BoumlllThema 22012 35

EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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laquolaquoEs kann gut sein dass sich bald die FEs kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vsrage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkterepraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte

durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einerdurch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kzunehmenden Komplexitaumlt von Entscheidungsverfahren undomplexitaumlt von Entscheidungsverfahren und

VVetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenetopositionen dem daumlmpfend entgegenwirkenraquoraquo

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

noch lange nicht abgeschlossen ist Dies waumlre eine sinnvolle Reaktion auf eine Gesellschaft die komplexer wird und welche von der Politik anders kaum intern abgebildet werden kann Die Legislative scheitert ja ohne externe Hilfe mitunter schon an originaumlren Aufgaben wie der Gesetzesentwicklung Fuumlr Parteien die naturgemaumlszlig auf dem Weg zur Macht ihr Profil verwaumlssern und zum Teil verwechselbare Ergebnisse produzieren stellt es sogar eine bedenkenswerte Alternative dar als zweite Ebene ihrer Politik die Vernetztheit zu erhoumlhen

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Gleichzeitig ermoumlglichen Internet-Netzwerke die schnelle Aktivierung groszliger Personenmengen (uumlber eben jene Schneeballeffekte die den Shitstorm erzeugen) so dass ndash ins Positive gewendet ndash eine Meinungsbildung beschleunigt wird und so die Politik schneller ihrer Umwelt antworten kann

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In diesem Zusammenhang wird bedeutsam dass durch kommende Anwendungen (laquo Big Data raquo) die Bevoumllkerung immer mehr Daten erzeugt eine Art laquo Daten-Oumlffentlichkeit raquo entsteht So sehen wir ein schwer begreifbares Phaumlnomen Oumlffentlichkeit wird amorpher kann sich aber dynamisch schnell und neu konfigurieren und dann stark wirken wird darin aber zugleich permanent beobachtet In Kombination mit Instant-Aktivismus (wie bei campactde) und neuen absehbaren Formen der Echtzeit-Demoskopie werden sich ndash beschleunigt durch die Daten-Transparenz die die Digitalisierung unweigerlich bewirkt ndash Politikakteure schneller an den Souveraumln ruumlckkoppeln

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So begruumlszligenswert diese staumlrkere Koppelung der politischen Organisationen an ihre Waumlhler unter demokratischen Gesichtspunkten ist so wirft sie doch die Frage auf ob wir dann nicht auf der anderen Seite sogar daumlmpfende Strukturen brauchen Es kann gut sein dass sich bald die Frage von direkter vs repraumlsentativer Demokratie ganz anders stellt weil das Direkte durch das Internet zunimmt waumlhrend die Institutionen mit einer zunehmenden Kom

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plexitaumlt von Entscheidungsverfahren und Vetopositishyonen dem daumlmpfend entgegenwirken

Die Verfluumlssigung des Rechts Eine Verfluumlssigung gesetzgebender Prozesse koumlnnte diese auseinander laufende Entwicklung umkehren Normen werden nicht mehr alle Jahre von der Legislative kodifiziert wir erleben stattdessen einen kontinuierlichen Prozess der Gesetzgebung und -veraumlnderung bei dem alle Instanzen zeitgleich in verteilten Rollen sie bearbeiten fluumlssiges Recht Gesetze verschmelzen mit Urteilen zu Recht das der Buumlrger durch Software besser verstehen kann Politische Maszlignahmen aller Art koumlnnten in Testszenarien erprobt werden (ein Erfolgsrezept von Google messen statt vermuten) Politik wird effizienter weil sie auf neuen Plattformen mit neuen Methoden kommuniziert ein arbeitsteiliges parallelisiertes und offenes System das die klassische Gesetzgebung ergaumlnzen kann

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Wir werden vielleicht schon zum Ende dieses Jahrzehntes sehen wie falsch wir lagen beim Internet nur immer die Globalisierung und Ubiquitaumlt zu sehen Wahrscheinlicher ist dass wir zuerst in den kleinen oumlrtlichen Einheiten sehen wie Politik und Publikum sich verbinden wenn sie mit digitalen Mitteln gemeinsam Normen diskutieren die Nachbarschaft organisieren und die kulturelle Gemeinschaft pflegen ndash und das on- wie offline Niemand weiszlig es genau aber vielleicht entwickelt sich der ganze Veraumlnderungsprozess eben nicht uumlber Techniken wie Liquid Feedback der Piraten und nicht global und notgedrungen von laquo oben nach unten raquo sondern vielleicht entwickelt er sich ganz organisch und in kleinen Schritten von laquounten nach oben raquo erzeugt neue Kulturtechniken mit vitaleren und staumlrker vernetzten Einheiten bis wir wissen wie ein besseres politisches System aussehen soll Ich jedenfalls bin Optimist

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Christoph Kappes ist als Unternehmer und Autor seit 20 Jahren im Internet aktiv

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Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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BoumlllThema 22012 35

EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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BoumlllThema 22012 27

Digitale OumlffentlichkeitDigitale Oumlffentlichkeit

Die ruumlckschrittliche Seitedes digitalen Fortschritts

DDiie Re Reedde ve voon dn deer Ir Inntteerrnneett--CCoommmmuunniitty vy veerrddeecckktt d daasss es es ss siicch dh daabebei ei ehheerr uum em eiinneen pn paattrriiaarrcchhaalliisscch oh orrgaganniissiieerrtteen Stn Staamm hmm haandndeelltt

Von Katrin Roumlnicke

Bloggen und Twittern Access und Anoshynymitaumlt freier Zugang und freie Meishynung ndash im Internet scheint der alte

Gesellschaftstraum von der gleichberechshytigten Teilhabe aller Wirklichkeit zu werden Wer hinter einem Rechner sitzend das welt shyweite Netz betritt muss nicht mehr zeigen wo er herkommt und wie er aussieht Klasse oder Ethnie Geschlecht oder Alter ndash das alles spielt keine Rolle mehr Oder

Ja es gibt Menschen die es durch ihre Praumlsenz im Internet geschafft haben Ein shyfluss auf die Gesellschaft zu nehmen Sie stoszligen Diskurse an die uumlber den virtuellen Tellerrand (etwa ihrer Blogs) hinauswirken Sie werden in den traditionellen Medien rezipiert und kommen dort als Experten zu Wort Sascha Lobo wohl bekanntes shytes Beispiel hat eine Kolumne auf Spiegel Online Das Blog netzpolitikorg von Marshykus Beckedahl und anderen wird von Zeit Online vermarktet Sie sind die markan shytesten Koumlpfe eines Milieus das die Studie Digitale Gesellschaft 2011 als digitale Profis und als digitale Avantgarde definiert Dieses Milieu macht gerade einmal 17 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer aus und an ihm zeigt sich dass es mit der gleichbeshyrechtigten Teilhabe im Internet nicht weit her ist Denn die Studie belegt dass hier Frauen Menschen mit niedrigem Bildungs shyabschluss und aumlltere Menschen (50+) kaum vertreten sind Die laquoProfisraquo und die laquoAvantshygarderaquo sind mehrheitlich maumlnnlich mitt shy

leren Alters und gut gebildet Das Internet setzt also fort was auch offline schon gilt

In den Top 100 der deutschen Blogs sind nur eine Handvoll Frauen vertreten Frauen schreiben gerade einmal zu neun Prozent an Wikipedia mit Die laquoPrestigeraquo-Bereiche Politik Recht und Wirtschaft sind auch in der Blogosphaumlre von Maumlnnern dominiert Frauen beleben hingegen eher soziale Plattshyformen Kurzum Die digitale Gesellschaft hat eine geschlechterstereotype Macht shystruktur die teilweise noch massiver ausshygepraumlgt ist als im realen Leben Das Unreshygulierte des Internets mit dem das digitale Teilhabeversprechen unterlegt ist erweist sich als januskoumlpfig Denn wie alle unregushylierten Bereiche der Gesellschaft ordnet er sich entlang der Kategorie Geschlecht d h er ordnet sich hierarchisch Wo wir in der

Politik offline nahezu uumlberall Quoten eingefuumlhrt haben weil Selbstregulierung sich in Geschlechterfragen noch nie ausgezahlt hat befoumlrdert die laquo offene raquo Struktur des Internets vor allem den Einfluss der Maumlnner Wir koumlnnten zwar online ohne Ansehen unserer Person agieren ndash aber wir tun es nicht Denn dazu muumlssten Stereotype als solche erkannt und hinterfragt werden Die Wahrheit ist Nur ganz selten werden Menschen im Internet ganz anders handeln als im realen Leben

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Schlimmer noch Das Netz ist unter dem Deckmantel der Anonymitaumlt auf eine Art und Weise sexistisch wie man es sich im Offline-Leben schon lange nicht mehr zu sein getraut Debatten uumlber Geschlechterdemokratie und Feminismus werden bei vielen Aktiven als laumlstig und uumlberfluumlssig empfunden Das zeigen Browser-Add-Ons die dafuumlr programmiert wurden geschlechtergerechte Sprache wie das Binnen-I oder den Gender Gap zu neutralisieren und als generisches Maskulinum darzustellen

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Wie laumlsst sich ein so unregulierter Raum trotzdem veraumlndern Die Vernetzung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Geschlechterdemokratie denn wer sich gut vernetzt hat es leichter im Netz Zweitens ist es wichtig die Januskoumlpfigkeit des Internets breiter zu debattieren Es gehoumlrt auf die Agenda der einflussreichen Medien und auch die digitale Avantgarde ist in der Pflicht zu handeln Drittens braucht es Vorbilder sprich in erster Linie Frauen die dahin vordringen wo Maumlnner momentan alles unter sich aufteilen Wenn alle Menschen mit Verantwortung und Gestaltungsspielraumlumen sich fragen ob genug Frauen in ihren Bereichen teilhaben und wenn nein dann auch aktiv auf Frauen zugehen und zum Mitmachen animieren dann werden wir viel gewinnen Dazu bedarf es einer Quote in den Koumlpfen Denn es leuchtet ein dass das Internet-Ideal der unbegrenzten Teilhabe keine Grenze des Geschlechts duldet

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Katrin Roumlnicke studiert Sozialwissenschaften (MA) an der HU-Berlin sie ist Kolumnistin Bloggerin und eine der drei Frauen der femi-nistischen Initiative Frau Lila Seit 2011 ist sie Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Boumlll-Stiftung

laquolaquoDas Netz ist unterDas Netz ist unter dem Deckmanteldem Deckmantel

der Anonymitaumlt aufder Anonymitaumlt auf eine Art und Weine Art und Weiseeise

sexistisch wie man essexistisch wie man es sich im Offline-Lebensich im Offline-Leben

schon lange nichtschon lange nicht mehr zu sein getrautmehr zu sein getrautraquoraquo

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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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DDiiggiittaalele K Kuullttuurr

laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo

Weshalb die Kulturwertmark kein Gegenmodell zur Kulturflatrate und diese nur ein Baustein eines kuumlnftigen urheberrechtlichen Gesamtsystems ist

Ein Gespraumlch zwischen Constanze Kurz und Konstantin von Notz moderiert von Carsten Werner

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Carsten Werner Kulturwertmark gegen Kulturflatrate ist das uumlberhaupt einen Streit wert Constanze Kurz Das ist ein Streit um Details Natuumlrlich fuszligt die Kulturwertmark im Prinzip auf der Idee der Kulturflatrate Wir haben uumlberlegt welche modernen Mittel es gibt die man fuumlr neue sinnvolle Verguumltungsmethoden einsetzen kann Zudem hat uns eine Dekade Stillstand gestoumlrt Die Kulturflatrate ist ein sieben Jahre altes Konzept und in dieser Zeit ist politisch nichts passiert Fuumlr uns ist die Frage wie man das Geld aus einer pauschalierten Einnahme verteilt auch eine demokratische Wir wollen die Bande staumlrken zwischen denen die Kunst schaffen und denen die sie rezipieren Ein groszliger Unterschied zur Kulturflatrate ist dass wir die Kulturwertmark mit dem Konzept der digitalen Allmende verbunden haben Das bezieht sich auch auf die Schutzfristen die radikal sinken sollen

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Konstantin von Notz Ich sehe die Kulturwertmark nicht als Gegenmodell zur Flatrate sondern als Ergaumlnzung Die Gruumlnen haben um das Jahr 2004 zum ersten Mal die Kulturflatrate diskutiert Aber es ist bisher nicht bis in die letzte Falte ausgearbeitet

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worden wie sie ganz konkret ausgestaltet sein soll Sie ist auch nicht die Antwort auf alle Probleme Die Kulturflatrate ist vielmehr ein Ansatz den durch die Digitalisierung notwendig gewordenen neuen Anforderungen an das Urheberrecht naumlherzukommen Die Gruumlnen-Bundestagsfraktion hat gerade ein Gutachten in Auftrag gegeben Wir lassen bis Ende des Jahres ergebnisoffen pruumlfen wie so ein Pauschalverguumltungsmodell ganz genau aussehen koumlnnte Es gibt dabei eine Grunduumlberlegung die auch schon in anderen Bereichen funktioniert hat naumlmlich im Bereich des Radios der Tontraumlger und Kopiergeraumlte Dort hat man das Problem uumlber eine Pauschalgebuumlhr bzw eine Leertraumlgerabgabe geloumlst Kurz Das Ganze ist nicht nur eine Aufgabe der Parteien Es gibt eine Menge guter Ideen aus dem akademischen Bereich aus der Jurisprudenz auch aus dem Ausland Mir waumlre auch wichtig dass man das Thema auf die europaumlische Ebene traumlgt

Werner Glaubt ihr dass es die eine Kulturflatrate geben kann mit der Konsumenten dann alles machen und haben koumlnnen So klingt es ja oft im schnellen tagespolitischen Diskurs

Dr Konstantin von Notz ist innenpolitischer Sprecher und Sprecher fuumlr Netzpolitik der Bundestagsfraktion Buumlndnis 90Die Gruumlnen

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

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Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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BoumlllThema 22012 29

GespraumlchGespraumlch

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von Notz Die Leertraumlgerabgabe wird ja schon auf Handys gezahlt auf USB-Sticks Festplatten und CD-ROM und so weiter Die Frage ist jetzt ob man ein Modell erarbeiten kann das ergaumlnzend dazu noch einen groszligen Sprung nach vorne macht um einen gerechten Interessenausgleich herzustellen Bei der Beschreibung des Status quo als schlecht sind sich immer alle schnell einig Aber diejenigen die wie wir Gruumlnen oder auch der CCC versuchen konstruktive Loumlsungen zu finden werden dann in der Debatte gerne gebasht fuumlr unsere Vorschlaumlge Aber welche Alternativen zur Kulturflatrate fuumlr einen gerechten Interessenausgleich gibt es Ich kann keine anderen realistischen und buumlrgerrechtskonformen erkennen

Werner Aber du suchst schon die eine Flatrate fuumlr alles

von Notz Nein Auch eine Kulturflatrate kann letztlich nur ein Baustein eines zukuumlnftigen funktionierenden urheberrechtlichen Gesamtsystems sein Es wird nicht die eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme aus der Welt schafft Wir brauchen neue Geschaumlftsmodelle Wir brauchen auch ein neues kulturelles Verstaumlndnis in vielerlei Hinsicht Ein Pau

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schalverguumltungsansatz kann da eine Ergaumlnzung sein die hilft Ungerechtigkeiten auszugleichen Auch uumlber Schutzfristen haben wir Gruumlnen ja intensiv diskutiert In Zeiten in denen jeder mit dem Handy gemachte Schnappschuss bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin unter strengstem Urheberrechtsschutz steht und genauso behandelt wird wie eine komponierte Oper wuumlrde man sich mehr Differenzierung wuumlnschen Aber angesichts internationaler Abkommen haben wir einen realistischen Blick darauf wie schnell man hier etwas politisch erreichen kann Und die Frage der Pauschalverguumltung darf nicht so lange warten Angesichts der Probleme haben wir eigentlich einen sehr hohen Zeitdruck

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Werner Ist das Musik-Stream-Angebot Spotify das sich uumlber Abogebuumlhren und Werbung finanziert nicht das was wir vor Jahren mit der Kulturflatrate meinten

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Kurz Aus meiner Sicht nicht Spotify ist ein funktionierendes Geschaumlftsmodell in einigen Laumlndern Ist auch fuumlr viele Nutzer attraktiv loumlst aber die grundsaumltzlichen Probleme nicht Was mich

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30 BoumlllThema 22012

Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

BoumlllThema 22012 31

GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
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                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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Digitale KDigitale Kulturultur

interessiert ist ein Interessenausgleich In der Frage der geistigen Eigentumsrechte werden die Interessen immer zwischen Urheber Verwerter und Nutzer gesehen Ich finde das deutlich zu eng gefasst Ich moumlchte dass man selbstverstaumlndlich den ganzen Bildungsbereich mitdenkt die Hochschulen die Schulen die Archive die Bibliotheken Digitale Allmende meint ja dass diejenigen die Wissen und Kultur bewahren oder die sie weitergeben in Form von Bildung viel staumlrker mit bedacht werden Ich finde im oumlffentlichen Gezeter werden die Verwerterinteressen viel zu stark betont Dabei hat der zweite Korb der Urheberrechtsnovelle ganz klar Nachteile fuumlr Akademiker und fuumlr die Bildung gebracht Und Probleme mit Langzeitarchivierungen sind im Bundestag oft genug angesprochen worden Die Wahlbuumlrger werden sich fuumlr die Bundestagswahl auch daran orientieren weil die Urhebergesetzgebung heute viel mehr Menschen betrifft Wir sind alle Urheber und Nutzer und

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machen Remixes Deswegen glaube ich dass die Parteien honoriert werden die moderne Ansaumltze haben und nicht diese merkwuumlrdigen Abschreckungsmethoden propagieren wie Two-Strikes Three-Strikes vorgerichtliche Mitwirkungsmodelle und wie die lustigen Neusprechbegriffe alle lauten die von den Konservativen aufgetischt werden

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von Notzhellip Warnmodelle Warnhinweismodelle hellip Kurz hellip restriktive Ansaumltze die ich im Sinne der Urheber und auch der Bildungseinrichtungen oder der Bibliotheken uumlberhaupt nicht zielfuumlhrend finde hellip von Notz hellip und die letztlich das Onlineverhalten der Menschen uumlberwachen sollen was wenn man es nicht schon moralisch schlimm finden wuumlrde grundrechts- und verfassungspolitisch ganz ganz problematisch ist Pauschalverguumltungsmodelle haben in der Vergangenheit gute Dinge bewirkt aber es gibt damit ja auch Probleme Bestehende Verwertungsgesellschaften privilegieren strukturell die Madonnas und Michael Jacksons die prominenten kommerziell erfolgreichen Stars und laquo die Kleineren raquo fallen haumlufig durchs Raster Wir wollen auch mehr Verteilungsgerechtigkeit deswegen brauchen wir Reformen Auch eine Gesellschaft wie die GEMA muss transparenter muss demokratischer werden muss laquo die Kleinen raquo besser beruumlcksichtigen Deswegen muss man das Gesamtgefuumlge im Auge haben Wir muumlssen priorisieren Was sind die Maszlignahmen die wir sehr schnell machen koumlnnen was geht mittelfristig und wo muss man auf lange Sicht Veraumlnderungen herbeifuumlhren

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Kurz Ich glaube es oumlffnet sich gerade ein Fenster auf das wir alle die ein moderneres Urheberrecht wollen gewartet haben Es gibt jetzt eine intensive breite Debatte uumlber verschiedene Aspekte des Urheberrechts da spielen die GEMA das neue Leistungsschutzgeld aber auch dieses Abmahn-Unwesen eine Rolle Und wenn schon alle daruumlber reden und sich teilweise als Interessenverbaumlnde mit sehr durchschaubarer Argumentation auch demaskieren dann eroumlffnet das Moumlglichkeiten Die muss man politisch nutzen und dabei haben wir sehr groszlige Mehrheiten auf der Seite der Modernisierer Und das ist nicht auf

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Constanze Kurz ist Informa-tikerin Autorin und Spreche-rin des Chaos Computer Clubs

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Kulturflatrate und Kulturwertmark

Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kultur-produkten ermoumlglicht ndash anders als noch beim Mit-schnitt von Radiosendungen oder bei der Fotoko-pie von Buumlchern und Zeitschriften ndash diese ohne Qualitaumltsverlust zu vervielfaumlltigen und zu verbrei-ten Die wirtschaftliche Relevanz dieses Effekts und die Furcht von Musikindustrie Verlagen und Kreativen vor Umsatzverlusten haben das Nach-denken uumlber Pauschalverguumltungsmodelle ange-facht Nach Vorbildern wie GEMA GEZ oder der VG Wort ndash die fuumlr Leermedien und Kopiergeraumlte Umsatzbeteiligungen aber auch von allen Nut-zern Gebuumlhren erheben und an die Kreativen und

Kuumlnstler ausschuumltten ndash sollen Erhebungsverfah-ren fuumlr Daten und Zahlungen ins digitale Zeital-ter fortgeschrieben werden Fuumlr die von den Gruuml-nen schon 2004 vorgeschlagene laquo Kulturflatrate raquo waumlren vor allem Erhebungs- und Verteilungs-verfahren zu klaumlren ndash also eine Beobachtung der Nutzungshaumlufigkeit der einzelnen Inhalte und Produkte und eine Differenzierung nach (auch neu entstehenden) Genres und Formaten Eine besondere Herausforderung ist dabei dass fuumlr das Teilen digitaler Produkte uumlber Tauschboumlrsen oder soziale Netzwerke zwischen einzelnen Nut-zern kein persoumlnliches Verhaumlltnis mehr beste-hen muss ndash und entsprechend eine klare Grenze zwischen privatem Tauschen und kommerziellen Download-Angeboten juristisch definiert werden

muumlsste Der Chaos Computer Club schlaumlgt als Modell die laquo Kulturwertmark raquo vor eine Pflichtab-gabe oder Steuer deren Verteilung durch digi-tale Muumlnzen uumlber eine unabhaumlngige Stiftung von den Konsumenten direkt an Kuumlnstler ihrer Wahl moumlglich werden soll Damit muumlssten Kunstwerke und Kulturprodukte nicht einheitlich nach For-mat Dateigroumlszlige oder zeitlicher Nutzung bewer-tet werden sondern durch die individuelle Wert-schaumltzung ihrer Konsumenten Nach Erreichung eines bestimmten Umsatzes oder Ablauf einer bestimmten Frist soll ein Werk nach diesem Kon-zept unter Creative Commons Lizenz gestellt und als Teil der Digitalen Allmende gesellschaftliches Eigentum werden

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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

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GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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laquolaquoFuumlr uns ist die FFuumlr uns ist die Frage wie manrage wie man das Geld aus einer pauschaliertendas Geld aus einer pauschalierten

Einnahme verteilt auch eineEinnahme verteilt auch eine demokratische Wdemokratische Wir wollen dieir wollen die

Bande staumlrken zwischen denen dieBande staumlrken zwischen denen die KKunst schaffen und denen die sieunst schaffen und denen die sie

rezipierenrezipierenraquoraquo mdash Constanze Kmdash Constanze Kurzurz

BoumlllThema 22012 31

GespraumlchGespraumlch

Deutschland begrenzt Wenn wir nach Frankreich schauen wo mit dem Hadopi-Gesetz hellip Werner hellip mit dem dieses Three-Strikes-Warnsystem mit einem Gerichtsverfahren als letzte Stufe bereits eingefuumlhrt wurde und das bereits in seinen ersten acht Monaten zu 400 000 Warnhinweisen gefuumlhrt hat hellip

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Kurz hellip und wo sich dagegen auch Widerstand regt Auch die Proteste gegen Acta Supa und Pipa sind letztlich Ausfluumlsse der breiten oumlffentlichen Diskussion

Werner Diskutieren wir nicht zu wenig uumlber Technik und Macht Wenn sich die Rolle der Verwerter aumlndert dann doch weil Technik teilweise an deren Stelle treten kann weil sie Lizenzierung und Kontrolle Verkauf und Vershywertung ergaumlnzen oder ersetzen kann Welshyche Macht haben und erweitern Google Apple Facebook Microsoft oder auch die Verwertungsshygesellschaften durch Technik Muss man nicht uumlber oumlffentlich-rechtliche Technik sprechen

Kurz Ich glaube dass die Fragen des Immaterialguumlterrechts nicht wirklich einen groszligen technischen Bezug haben Aber ich sehe natuumlrlich die Moumlglichkeiten Zum einen Wie zieht man pauschalierte Betraumlge ein Da gibt es natuumlrlich heute viel mehr Moumlglichkeiten als vor 10 oder 15 Jahren Und man kann durch Technik mehr Gerechtigkeit und Transparenz in die Verteilung bringen hellip

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von Notz hellip bei gleichzeitigem Schutz des indivi shyduellen Verhaltens vor Kontrolle und Uumlberwachung Man muss ja nicht messen was der Einzelne tut sonshydern eigentlich nur sehen was insgesamt konsumiert genutzt wird Das sollte technisch machbar sein Kurz Teil des Denkmodells der Kulturwertmark ist dass wir natuumlrlich nicht wollen dass es auch nur potenziell zu einer Uumlberwachungsinfrastruktur kommt Doch letztlich sind mir Details in den Regelungen noch gar nicht so wichtig Wichtig ist dass diese Debatte jetzt gefuumlhrt wird Ich hab einfach keine Lust noch eine Dekade zu warten bis irgendwas passiert Ich sehe im gegenwaumlrtigen Zustand auch Gefahren Ich gucke mir die Generation der Studenten Schuumller und auch jungen Eltern an junge Leute die lernen dass die Gesetzgebung wie sie ist auf uumlberhaupt keinem Konsens mehr beruht die sehen dass es massenweise Rechtsverletzungen gibt einfach weil das Gesetz so nicht mehr akzeptiert wird weil es nicht in die digitale Zeit passt

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von Notz Es ist eine Erosion der Akzeptanz einesganzen Rechtsbereichs Die Verbraucherzentrale hatvor Kurzem Zahlen vorgestellt In den letzten Jahren sind uumlber 4 Millionen Haushalte abgemahnt worden teilweise voumlllig uumlberzogen Fuumlr im Bagatellbereichliegende Verletzungen werden oft Gebuumlhren weituumlber 1000 Euro faumlllig Kurz Sowohl die Kulturflatrate wie die Kulturwertshymark wuumlrden privates Filesharing entkriminalisieren

Werner Aber muumlssen wir nicht viel schneller den Abmahnwahn beenden und nicht warten bis eine Kulturflatrate etabliert ist

von Notz Ja absolut Das eine bedingt natuumlrlich das andere Wir muumlssen jetzt sehr schnell klaumlren was fuumlr Veraumlnderungen man im Urheberrecht machen muss um diesen Abmahnwahnsinn schnellstmoumlglich zu stoppen Da geht es um die Deckelung von Gebuumlhren und die Eingrenzung von Schadensersatzforderungen die voumlllig aus dem Ruder gelaufen sind

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Kurz Wenn wir mal auf die aktuelle Politik gucken sieht es momentan nicht danach aus Wenn die Bundesregierung das Leistungsschutzgeld ein shyfuumlhrt ist das Erste was kommen wird eine weitere Abmahnwelle von Notz Das stimmt Das macht ziemlich fassungs shylos und ist ein ernstes Problem

Werner Was haumltten Kreative von einem freishyeren Internet von einem neuen Umgang mit Urheberrechten

von Notz Viele Menschen finden jetzt als Kreative Arbeit die es fruumlher in der Form nicht gab programmieren Spiele designen Websites und Geraumlte und verdienen damit auch gutes Geld Das soll nicht die Anliegen der Fotografen Schriftstellerinnen und Musikproduzenten schmaumllern ndash aber man muss auch anerkennen dass das Internet und die Digitalisierung vielen Kreativen ganz neue Moumlglichkeiten gegeben haben

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32 BoumlllThema 22012

DigitaleDigitale oOumlkon mieomie

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

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Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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DigitaleDigitale oOumlkon mieomie

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Von Jeanette Hofmann

Die Inwertsetzung und Vermarktung von Daten erweist sich als Kehrseite der digitalen Gesellschaft Ein grund

legendes Merkmal der sich digitalisieren-den Gesellschaft besteht darin dass die vor wenigen Jahren noch selbstverstaumlndliche Unterscheidung zwischen Online- und Off-line-Dasein fuumlr immer mehr Menschen ihre Relevanz verliert Smartphones Flatrate-Vertraumlge und neue ortsbezogene Informationsdienste sorgen dafuumlr dass wir immer und uumlberall auf das Netz zugreifen und sich Internet und Gesellschaft zunehmend wechselseitig durchdringen Dadurch schwellen auch die Datenstroumlme die wir konsumieren und produzieren kontinuierlich an Unsere Datenspuren wiederum bilden den Rohstoff fuumlr einen neuen Wirtschaftsbereich die Datenoumlkonomie

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Wichtige Quellen fuumlr das Geschaumlft mitden Daten bilden neben dem mobilen Internet die so genannten sozialen Medien wie

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Facebook oder Twitter die darauf ausgelegt sind dass Nutzerinnen selbst Inhalte produzieren und mit anderen teilen Einem Bericht von McKinsey zufolge veroumlffentlicht jedes der 900 Millionen aktiven Mitglieder bei Facebook monatlich derzeit rund 90 Informationsobjekte wie Notizen Fotos Videos oder Links Das sind eindruumlckliche 30 Mrd Informationsobjekte uumlber die das Unternehmen Verfuumlgungsrechte beansprucht

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Eine groszlige Rolle fuumlr die anwachsen shyden Datenstroumlme spielt weiterhin das Cloud Computing die Entstehung virtu shyeller Infrastrukturen die Speicherkapazi shytaumlt Programme oder Arbeitsumgebungen bereitstellen Die Cloud wird zum Beispiel als externer Speicher oder fuumlr das Teilen von Informationen mit Dritten verwendet Eine weitere wichtige Quelle von Big Data schlieszliglich koumlnnte das Internet der Dinge werden das heiszligt die zunehmende digitale

Vernetzung der materiellen Welt Beispiele dafuumlr sind laquosmart metersraquo zur Messung des Stromverbrauchs die Kennzeichnung und Ortung von Warenstroumlmen Verkehrsmitteln oder Sehenswuumlrdigkeiten Die sich abzeich shynende Digitalisierung der Staumldte wird die Datenproduktion und -konsumtion weiter anheizen

Glaubt man den allgemeinen Schaumltzun shygen dann bewegt sich das jaumlhrlich hinshyzukommende Datenaufkommen inzwi shyschen im Exabyte-Bereich (Exabyte = 1018

Bytes) und waumlchst um rund 40 Prozent pro Jahr Entgegen dem ehernen Grundsatz der Zweckgebundenheit von Datenerheshybung und -speicherung besteht der Anreiz der neuen Informationswirtschaft gerade darin so viele Datenquellen wie moumlglich zu erschlieszligen um aus diesem Rohstoff verwertbare Informationen und Dienste zu gewinnen In den USA hat sich fuumlr dieses Phaumlnomen der Begriff Big Data durchgesetzt

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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

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EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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laquolaquoAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnlicheAuffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als lsaquoDaten als lsaquoWaumlhrungWaumlhrungrsaquo einzusetzen ndash undrsaquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgterdas selbst in Laumlndern mit ausgepraumlgter

Datenschutztradition Aus diesem Grunde greiftDatenschutztradition Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnenes womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen

und -nutzer bloszlig als Opfer von Big Dataund -nutzer bloszlig als Opfer von Big Data anzusehenanzusehenraquoraquo

BoumlllThema 22012 33

EssayEssay

Der Begriff Big Data ist allerdings etwas irrefuumlhrend Das Neue und Besondere dieses Phaumlnomens besteht eben nicht allein in der schieren Masse der Daten sondern in der Art und Weise wie diese Daten aggregiert korreliert bewertet und genutzt werden kurz wie aus diesem Informationsrohstoff handelbare Produkte werden Die Autorinnen Boyd amp Crawford schlagen deshalb vor Big Data als ein kulturelles technisches und wissenschaftliches Phaumlnomen zu verstehen das die Maximierung von Algorithmen und Rechenkapazitaumlt aber eben auch den Glauben an gesellschaftliche Erkenntnisfortschritte durch groszlige Datensaumltze die laquo Aura von Wahrheit Objektivitaumlt und Genauigkeit raquo umfasst Big Data so die Autorinnen evoziert utopische wie auch dystopische Rhetorik loumlst gleichermaszligen Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt als auch Aumlngste vor Uumlberwachung aus

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Die Definition von Big Data als Amalgam aus Rechenverfahren Rechnerleistung und der ndash positiven wie negativen ndash Beschwouml shyrung von Informationsmacht ist deshalb so treffend weil sie auf die gesellschaftliche Dimension verweist Der Erfolg von Big Data beruht darauf dass die digitale Gesellshyschaft nicht nur in wachsendem Umfang Daten produziert konsumiert und Dritten zur Verfuumlgung stellt sondern den daraus generierten Informationen auch traut und einen Wert zuschreibt Immerhin 75 Pro shyzent der Daten des laquodigital universeraquo wer shyden von Individuen erzeugt Big Data muss somit als ein koproduziertes Phaumlnomen vershystanden werden Das heiszligt die individuel shylen Nutzerinnen sind aktive Kollaborateure der Datenoumlkonomie

Ein gutes Beispiel fuumlr das Zusammenspiel zwischen Nutzern und Unternehmen in der Produktion von Big Data ist die Arbeitsweise von Siri einem so genannten persoumlnlichen Assistenten mit dem man in natuumlrlicher Sprache kommunizieren kann Siri beantwortet alltaumlgliche Fragen wie etwa die ob es heute noch regnet oder wo die naumlchste Bushaltestelle ist Siri soll aber auch komplexere Anforderungen bewaumlltigen wie etwa auf Zuruf zu Hause anzurufen wenn ich gelandet bin Wie bewerkstelligt Siri solche Aufgaben

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Es wird niemanden uumlberraschen dass Siris Kompetenz mit dem Detailwissen uumlber unsere Lebensumstaumlnde steigt Um uns kennenzulernen kopiert Siri zunaumlchst einmal unsere Onlinekonten und Kontaktlisten und erschlieszligt auf diese Weise unsere indi

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viduellen Beziehungsnetzwerke Zusaumltzlich ermittelt Siri Standortdaten und verfuumlgbare Informationen uumlber unseren Musik- Film- und Literaturgeschmack Diese Kontextinformationen wandern in die Cloud in der die eigentliche Spracherkennung stattfindet Auch die Aufzeichnungen unserer Verstaumlndigung mit Siri werden auf Apples Servern abgelegt und unter anderem zur Verbesserung seiner Algorithmen genutzt Aumlhnlich wie die Bild- bzw Gesichtserkennung von Facebook erzeugt auch Siri biometrische Daten die eine Identifizierung der Nutzer ermoumlglichen und somit zur Profilbildung beitragen Experten zufolge ist in der kommenden Zeit mit einer Ausbreitung von Spracherkennungsverfahren und folglich einer Zunahme von biometrischen Daten in privaten Haumlnden zu rechnen

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In den USA hat sich um das Phaumlnomen Big Data herum eine innovative Start-up-Szene gebildet die beguumlnstigt durch ein schwaches Datenschutzrecht mit der Kommerzialisierung der Datenflut experimentiert So sind neben Facebook inzwischen viele weitere Plattformen entstanden die ihre Mitglieder dazu animieren persoumlnliche Informationen mit Dritten zu teilen ndash wohlwissend dass diese kommerziell verwendet werden Augenfaumlllig ist dieser Trend ausgerechnet im Gesundheitsbereich wo besonders sensible Daten anfallen In Foren wie patientslikemecom oder curetogether com teilen Nutzer ihre Krankengeschichten tauschen ihre Erfahrungen mit Therapieformen aus und beteiligen sich an Wirkungsstudien uumlber neue Medikamente Sie tun dies in dem Wissen dass ihre Daten an die Pharmaindustrie weitergegeben werden Big Data verbindet sich offenbar mit einem Trend zur partizipatorischen Gesundheitsversorgung die eine staumlrkere Selbstbestimmung des wohlinformierten Individuums

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verheiszligt Auch die teils oumlffentlich betriebene Selbstoptimierung unter dem Begriff laquo quantified self raquo geht in diese Richtung

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Dieser Nutzung von Informationsdiensten und der damit verbundenen Preisgabe persoumlnlicher Daten haftet etwas Verfuumlhrerisches an weshalb Datenschutzbedenken haumlufig in den Wind geschlagen werden Auffaumlllig ist die groszlige Bereitschaft persoumlnliche Daten als laquo Waumlhrung raquo einzusetzen ndash und das selbst in Laumlndern wie Deutschland die uumlber eine vergleichsweise ausgepraumlgte Datenschutztradition verfuumlgen Aus diesem Grunde greift es womoumlglich zu kurz Internetnutzerinnen bloszlig als Opfer von Big Data anzusehen In vielen Situationen in denen Daten preisgegeben werden kann man sich auch dagegen entscheiden das heiszligt die Mitgliedschaft bei Facebook beenden oder auf mobile Anwendungen ganz verzichten Insofern erscheint es angemessener von einer Doppelrolle der Nutzerinnen auszugehen Wir sind Opfer aber zugleich auch Koproduzentinnen der neuen Datenoumlkonomie wir sind zwar im Prinzip fuumlr einen strengen Datenschutz aber in der Praxis finden wir ihn dann doch oft laumlstig Es steht zu wuumlnschen dass die kuumlnftigen Datenschutzregelungen dieser widerspruumlchlichen Situation Rechnung tragen indem sie die Rechte der Buumlrger an ihren Daten staumlrken und ein (allerdings schwer umzusetzendes) Recht auf Vergessen schaffen

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Jeanette Hofmann ist wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am WZB und Gruumlnderin des Alexander von Humboldt Instituts fuumlr Internet und Gesell-schaft (HIIG)

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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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34 BoumlllThema 22012

DDiiggititallee OumlkonOumlkonomiiee

Die Antwort auf Big Data lautet Open Data

MMiit Bt Biig Dg Daatta sa stteehht dt deer kr klalassssiisscchhe De Daatteennsscchhuuttz vz voor nr neeuueenn HHeerraauussffoorrddeerruunnggeenn d deennn sn seeiin rn reecchhttlliicchheer Ar Annkknnuumluumlppffuunnggsspupunnkktt d deerr PPeerrssoonneenbenbezzuugg v veerrlliieerrt st seeiinne Re Reelleevvaannzz D Deesshhaallb sb soolllltte ne niicchht mt meehhrr ddiie Re Reeduzduziieerruunng vg voon Dn Daatteen dn daas vs voorrrraannggiigge Ze Ziieel sl seeiinn s soondndeerrn dn deerreenn DDememookkrraatitissiieerruunngg

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Von Jan Schallaboumlck

Big Data ist ein Beispiel dafuumlr dass Quantitaumlt ab einem gewissen Punkt in Qualitaumlt umschlaumlgt Denn eigentlich ist es kein neues Phaumlnomen

Es geht um Datenbestaumlnde die statistischen Auswershytungen als Grundlage dienen Nicht zuletzt Google macht dies seit Jahren zur Optimierung seiner Suchshymaschine Big Data kann uns Auskunft geben uumlber Korrelationen (die nicht zu verwechseln sind mit Kausalitaumlten) zwischen Verhaltensweisen etwa der Anzahl sozialer Kontakte und der Nichtruumlckzahlung eines Kredits des Kommunikationsverhaltens und der Wechselwilligkeit eines Arbeitnehmers oder auch des Verhaumlltnisses bestimmter Aumluszligerungen zu poli shytischer Praumlferenz Die zu Grunde liegenden statisti shyschen Verfahren werden seit Jahren in der Meinungs-und Marktforschung aber auch zur Unterstuumltzung politischer Entscheider eingesetzt etwa bei der Inf shyrastrukturplanung Neu ist allerdings die Groumlszlige der Datenbestaumlnde die einzelnen Akteuren zur Verfuuml shygung stehen Hierdurch verschiebt sich gesellschaftlishyche Machtverteilung

Der Datenschutz wie wir ihn kennen ist spaumltestens seit dem Volkszaumlhlungsurteil des Bundesverfassungs shygerichts von 1983 eng mit dem Demokratieprinzip verknuumlpft In dem seinerzeit hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Gericht eine laquoelementare Funktionsbedingung eines auf () Mitwirkungsfaumlhigkeit seiner Buumlrger begruumlndeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesensraquo Denn laquower unsicher ist ob abweichende Verhaltenswei shy

sen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert () werden wird versuchen nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallenraquo

Die technische Entwicklung und Verbreitung des Internets hat in den letzten 20 Jahren dazu gefuumlhrt dass nunmehr nahezu saumlmtliche Verhaltensweisen jederzeit notiert werden unabhaumlngig davon ob sie nun abweichend sind oder nicht Der Datenschutz hat versucht das einzuhegen indem er ein umfas shysendes Regulationssystem fuumlr personenbezogene Daten geschaffen hat Doch angesichts der Datenshymengen stoszligen diese an ihre Grenzen

Dieser klassische Datenschutz sieht sich angesichts der Moumlglichkeiten die sich aus der statistischen Aus shywertung der immensen im Netz entstehenden und vorhandenen Datenbestaumlnde ergeben mit neuen Herausforderungen konfrontiert Denn sein zentra shyler Anknuumlpfungspunkt der Personenbezug verliert bei Big Data seine Relevanz In groszligen Datenbe shystaumlnden sind Daten zwar oft anonym aber sie sind zugleich nicht selten deanonymisierbar und lassen sich somit auf Personen beziehen Zudem entste shyhen Wissensasymmetrien auch schon bei anonymen Daten denn auch unabhaumlngig davon ob ein Datum auf eine Person bezogen ist oder ob es sich um aus der Beobachtung vieler Personen aggregierte Daten handelt entstehen Wissensmonopole bei Einzelnen Ein moderner Regelungsansatz muss die Anwendbarshykeit von (Datenschutz-)recht auch in solchen Faumlllen gewaumlhrleisten aber vor allen Dingen anschlieszligend adaumlquat regulieren Dies gestaltet sich als ausgesproshychen schwierig

Ein Beispiel Im Mai dieses Jahres drangen Plaumlne uumlber ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Schufa und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an die Oumlffentlichkeit Es sollte der Frage nachgehen inwieshyweit die Dienstleistung der Schufa ndash die Analyse von Kreditausfallrisiken einzelner Personen ndash durch spe shyzifische Auswertung von Datenbestaumlnden die bei der Nutzung von Facebook entstehen verbessert werden koumlnnte Auf das Bekanntwerden dieser Plaumlne folgte ein erheblicher Aufschrei der Oumlffentlichkeit Verbraushycherschutzministerin Aigner sprach von einer laquovoumll shyligen Schnapsideeraquo Wenig spaumlter distanzierte sich das HPI von dem Vorhaben und kuumlndigte den bereits bestehenden Vertrag mit der Schufa

An dem Vorgang ist zweierlei bemerkenswert Obwohl keinerlei Anhaltspunkte fuumlr die Rechtswid shyrigkeit der angestrebten Forschungsarbeiten bestan shyden scheint es doch einen nahezu uumlbermaumlchtigen gesellschaftlichen Konsens zu geben der besagt dass das was ndash obschon oumlffentlich einsehbar ndash in Face shybook geschieht eines geschuumltzten Raumes bedarf Dieser Schutz ist freilich bislang weder faktisch noch rechtlich ausgestaltet

Andererseits ist es augenscheinlich schwierig zu bestimmen welchen Schutz die im Internet schlum shymernden Datenberge genieszligen sollen egal ob sie

Jan Schallaboumlck ist seit 2006 Mitabeiter des Unab-haumlngigen Landeszentrums fuumlr Datenschutz Schleswig-Holstein und stellvertreten-der Vorsitzender der Arbeits-gruppe zu Datenschutz und Identitaumltsmanagement der Internationalen Standardi-sierungsorganisation (ISO)

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BoumlllThema 22012 35

EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

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PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

  • wwwboellde13
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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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BoumlllThema 22012 35

EssayEssay

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nun durch Facebook Google die Telekom oder den Staat erhoben worden sind Zwar wissen wir dass das Internet das umfassendste Erfassungs- undpotenzielle Uumlberwachungs- und Steuerungsinstrument ist das wir uns vorstellen koumlnnen Welche konkreten Erkenntnisse aus den entstehenden minutioumlsen Verhaltensbeobachtungen und -protokollen gezogen werden koumlnnen bleibt jedoch unklar Es existiert so gut wie keine oumlffentlich verfuumlgbare Forschung Entsprechend schwierig ist es angemessene Regelungsvorschlaumlge zu entwickeln

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Eine solche Regelung sollte vermutlich weniger auf die Reduzierung von Big Data abheben als vielmehr auf deren Demokratisierung Es ginge um die Nut shyzung der Datenbestaumlnde im Dienste der Buumlrgergeshysellschaft es ginge um Open Government und Open Data

Die Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene Erkenntnisse zu sammeln Das ausgezeichnete Projekt laquo offenerhaushaltde raquo beispielsweise visualisiert den Bundeshaushalt und macht dadurch die einzelnen Haushaltstitel anschaulich und erschlieszligbar In den staatlichen Datenbestaumlnden schlummert ein immenser Erkenntnisgewinn ndash ganz zu schweigen von den Bestaumlnden der Unternehmen

shyshy

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Allerdings ist fuumlr den Zugriff auf diese Daten der Datenschutz eine relevante Huumlrde Denn es laumlsst sich nur schwer von vornherein ausschlieszligen dass Ruumlckshyschluumlsse auf Einzelne moumlglich sind sich also ein Pershysonenbezug herstellen laumlsst In Fachkreisen werden bereits erste Stimmen laut die einen Konflikt zwi shyschen Open Data und Datenschutz kritisch themati shysieren Es bestehe die Gefahr dass das gegenwaumlrtige Datenschutzsystem die Datenkonzentration bei den groszligen Anbietern privilegiert und so bestehende Machtungleichgewichte verstaumlrkt denn die Anbieter verfuumlgen wie der Staat uumlber eigene Datensammlunshygen die der Oumlffentlichkeit nicht zugaumlnglich sind und damit nur von ihnen ausgewertet werden koumlnnen

Wie koumlnnen also Regulationsansaumltze die Span shynungsverhaumlltnisse von Big Data Open Data und Datenschutz aufloumlsen und wie kann gleichzeitig zunehmenden Machtungleichgewichten begegnet werden Fuumlr eine Antwort fehlt Politik und Gesell shyschaft bislang eine differenzierte Einschaumltzung der Potenziale und Risiken

Doch ist bereits klar dass es erheblicher Innovatishyonen und Interventionen im bestehenden Regulatishyonssystem bedarf um den neuen Anforderungen zu begegnen So ist zum Beispiel an eine Pflicht zur Vershyoumlffentlichung groszliger Datenbestaumlnde zu denken denn es wird deren gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht wenn sie wie bisher umfassend durch das Geschaumlftsgeheimnis des Datensammlers geschuumltzt werden

Gleichzeitig darf diese Veroumlffentlichung Einzelne nicht bloszligstellen ndash die berechtigten Erwartungen an den klassischen Datenschutz muumlssen gewahrt bleiben Es wird also wohl auch weiterhin im groszligen Umfang unveroumlffentlichte Datenbestaumlnde geben In diesen Bereichen ist aber eine Erhoumlhung von Transparenz-pflichten sowohl in Hinblick auf die Ergebnisse als auch Verfahren der Datenerhebung zu erwaumlgen Letz shyteres kennen wir bereits in Form des datenschutz shyrechtlichen Prinzips der Zweckbindung das jedoch in seiner jetzigen Form zu kurz greift weil es auf einer zu hohen Abstraktionsschicht naumlmlich einem oft nur grob umrissenen Zweck stecken bleibt Offenzulegen ist vielmehr die Logik des verarbeitenden Prozesses

also der zu Grunde liegende Auswertungsmechanismus Dies klingt schon in den Erwaumlgungsgruumlnden der europaumlischen Datenschutzrichtlinie von 1992 sanft an Moumlglicherweise ist es im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Novellierung des europaumlischen Datenschutzrechts an der Zeit diesen Gedanken zu revitalisieren und zu staumlrken Zu realisieren waumlre dies wohl am ehesten durch die Offenlegung von gut geschriebenem und dokumentiertem Quellcode wie dies bei freier und Open Source Software der Fall ist So haumltte letztlich auch die Oumlffentlichkeit die Gelegenheit zu verifizieren dass Korrelation nicht mit Kausalitaumlt verwechselt wird

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laquoDie Idee von Open Data ist einfach Zunaumlchst staatliche Datenbestaumlnde sollen in maschinell auswertbarer Form zur Verfuumlgung

gestellt werden Damit wird es jedermann moumlglich Nachforschungen anzustellen und eigene

Erkenntnisse zu sammelnraquo

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36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

--- Illu

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

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Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

shyshy

PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

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rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

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1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

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laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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        • Inhalt
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              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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36

36 BoumlllThema 22012

Mein digitaler AlltagMein digitaler Alltag

Bist du noch drin ndash oder lebst du schon

VVoom Pm Prriivviilleegg n niicchht it immmmeer or onnlliinne ee errrreeiicchhbbaar zr zu su seeiinn

Von Annette Maennel

Meine Tochter und meine Nichte beide um die 20 machen sich mit ihren Liebsten auf den Weg in die

Masuren 14 Tage paddeln und auf einsamen Biwak-Plaumltzen campieren Ich werfe einen Blick auf ihr Gepaumlck Neben Zelt Kocher Schlafsack und einem Kilo Schokolade reisen vier Smartphones mit laquo Strom auf dem See raquo Laumlchelnd zeigt meine Tochter auf ein laumlngliches Brett ein Solar-Pad das auf den Rucksack geschnallt wird und so auch dort fuumlr laquo Verbindung raquo sorgt wo meilenweit keine Steckdose zu finden ist Aha Wahrscheinlich haumltte sie eher ihre Pille vergessen als diesen staumlndigen Begleiter Nun koumlnnte sich das Mutterherz freuen uumlber die Muumlckenplage und daruumlber ob das Essen reicht auf dem Laufenden gehalten zu werden Doch weit gefehlt Telefoniert wird mit dem Telefon naumlmlich houmlchst ungern zumal wenn auf dem Display der Warnhinweis laquo Mama raquo auftaucht Dafuumlr wird laquo geappt raquo um Toumlne von Voumlgeln der passenden Spezies zuzuordnen Fahrraumlder zu mieten Nachrichten zu lesen den Weg aus jeder noch so abseitigen Ecke navigierend zu finden Wirklich praktisch und nuumltzlich

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Und natuumlrlich wird auch laquo gefacebookelt raquo schlieszliglich sind die Freunde ndash die echten

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und die virtuell adoptieren ndash alle irgendwo auf der Welt unterwegs und alle wollen sich gegenseitig auf dem Laufenden halten Was dort steht Keine Ahnung Ich habe kein Facebook-Profil was nicht wenige unglaumlubig bis mitleidig zur Kenntnis nehmen Nein ich will nicht wissen wie meine Tochter in die Kamera knutscht oder wie die Party der Abifahrt war Ich bin nicht ihre Freundin sondern ihre Mutter Und um es gleich zu sagen Ich bin auch in keinem Karriere-Netzwerk und ich folge niemandem auf Twitter so wie auch ich nicht verfolgt werden will

Fruumlher habe ich meiner Tochter immer schlaue Zeitungsartikel hingelegt um ihr die Zwiespaumlltigkeit ihres Tuns im Netz zu ver shydeutlichen ndash was gibst du preis und was koumlnnen andere mit den Informationen uumlber dich anfangen Mittlerweile uumlberlasse ich sie ihrem Online-Dasein Und weil ich von diesem Teil ihres Lebens

etwas abgeschnitten bin bekomme ich ab und zu eine E-Mail oder SMS ndash bisweilen mit Foto Dafuumlr bedanke ich mich dann immer sehr brav

Ich habe selber ein Smartphone Natuumlrlich bin ich schon beruflich einer Flut von E-Mails ausgesetzt aber wer legt eigentlichfest wie schnell eine E-Mail beantwortet sein muss Wieso muumlssen eine Vielzahl von Menschen die es eigentlich nicht betrifft im Namen von Partizipation und Transparenz ins CC damit sie gleichfalls alles mitbekommen Wieso verfolge ich Konferenzen nur noch nebenbei per Kopfhoumlrer im Livestream Wie reagiere ich wenn ein Kollege davon ausgeht dass ich einen Kommentar auf Spiegel Online um sechs Uhr morgens gelesen und reflektiert habe (Ich halte den Mund weil ich geschlafen habe) Wieso muss ich in der Oper neben mir einen Menschen ertragen der waumlhrend ich mir eine Traumlne uumlber die verlassene Madame Butterfly aus den Augen wische seine SMS checkt Und was mache ich mit einem Mann der bei einer Verabredung mitten im Gespraumlch sein Handy schnappt wenn es klingelt vibriert oder blinkt oder nur mal nachschaut ob es nicht vielleicht doch vibriert oder geblinkt hat oder warum es nicht vibriert und blinkt (Ich gehe)

shy

shy

shy

shy

shy

Kurz gefragt Wieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass sie (nicht nur) mich immer mehr belastet Wieso fehlt (nicht nur) mir am Tag immer mehr die Zeit um tatsaumlchlich zu arbeiten und am Abend um zu entspannen

Kurze Antwort Weil wohl nichts anderes nuumltzt als dass ich mich immer wieder neu entscheide was wichtig und was weniger wichtig ist Und es schaffe den vom lieben Gott ausgerufenen laquo arbeitsfreien raquo Sonntag als meinen manchmal schoumlnsten Arbeitstag zu gestalten Bilder studieren Buumlcher lesen oder wieder Pinsel und Farbe aus der Ecke holen Geht doch

shyshy

PS Meine Tochter will sich bei Facebook abmelden Sie schickt an die Leute die ihr laquo wirklich wichtig raquo sind ihre Karten per Post Und freut sich wie ein kleines Kind uumlber einen Brief im Briefkasten

laquoWieso fuumlhrt die Erleichterung der Kommunikation dazu dass

sie (nicht nur) mich immer mehr belastetraquo

BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

vergriffen Download unter wwwboelldethema

rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

  • wwwboellde13
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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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                                                      8. InfoStart19
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BoumlllThema 22012

Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen der Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Thema laquoDemokratie und digitale Medienraquo

Veranstaltungen

Konferenz netzregeln 2012 Transparenz und Vertrauen

Fr 14 September 2012 10 ndash 1800 Uhr

LiLivevessttrreeaamm

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung In Kooperation mit dem Branchenverband BIT-KOM ua mit Prof Dr Bernhard Poumlrksen (Uni Tuumlbingen) Dr Cara Schwarz-Schilling (Bundes-netzagentur) Dr Konstantin von Notz (MdB B90Gruumlne) Prof Dr Maren Hartmann (Uni der Kuumlnste Berlin) Juumlrgen Geuter (Uni Oldenburg)

Netzbasierter Aktivismus in E-stonia

MoDi 19 ndash 20 November 2012 jeweils 19 Uhr Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Praumlsentation und Debatte mit den Kollektiven von laquo Teeme Aumlra raquo (Letrsquos do it) und Linnalaboree (Stadtlabor) aus Tallinn Filmvorfuumlhrung von laquo Uus Maailm-Neue Welt raquo (Preistraumlger laquo Bester estni-scher Dokumentarfilm des Jahres 2011 raquo)

Menschenrechte Partizipation Internet Das Internet in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

FrndashSo 22ndash24 Maumlrz 2013 Internationale Workshopkonferenz Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Online-Kommentar

Urheberrechtsdebatte Verhaumlrtete Fronten

Ein Uumlberblick zur Debatte von Andrea Mesch April 2012 wwwboelldedemokratienetz-urheberrechts-debatte-verhaertete-fronten-14428html

Publikationen

Oumlffentlichkeit im Wandel ndash Medien Internet Journalismus

Mit Beitraumlgen ua von Gemma Poumlrzgen Stephan Weichert Robin Meyer-Lucht Peter Glaser Geert Lovink Markus Beckedahl Mercedes Bunz Chris-tiane Schulzki-Haddouti Christoph Kappes Anne Hoffmann Matthias Spielkamp Marcel Weiszlig Jessanne Collins Kai Biermann Julia Probst Pauline Tillmann Irina Vidanova Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zu Bildung und Kultur Band 11 Berlin 2012 152 Seiten Download unter wwwboelldepublikationen

Analysen und Kommentare ndash Buumlrgerrechte in China im digitalen Zeitalter

Mit groszligem Interesse verfolgen chinesische Refor-merinnen Journalisten und Netzbuumlrger die Ent-wicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

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rund ums Internet Gesetze sind oft vage und las-sen Spielraumlume fuumlr Willkuumlr in der Rechtsanwen-dung Das E-Paper traumlgt Kommentare und Hinter-grundberichte zusammen um die aktuelle chinesi-sche Diskussion auch in Deutschland zugaumlnglich zu machen Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Berlin 2012 20 Seiten Nur als E-Paper Download unter wwwboellde

Studie

Politische Kommunikationsstrategien gegenuumlber der Partei Die Piraten

Von Herbert Houmlnigsberger und Sven Osterberg im Auftrag der Heinrich-Boumlll-Stiftung Praumlsentation im Oktober 2012 Informationen unter wwwboellde

Videodokumentation

laquoWider die Muumldigkeitraquo

Waumlhrend unseres Kulturfestivals im Juni 2012 mit Lesungen Gespraumlchen Filmen und Musik gaben uns unsere Gaumlste aus dem arabischen Raum einen Einblick in die gegenwaumlrtige Situation und ihre Moumlglichkeiten des Protests wwwboelldewider-die-muedigkeit

Zuletzt erschienen

Die Ausgaben 311 und 411 sind als Printversionen

1 12 Gruumlne Oumlkonomie ndash

Was uns die Natur wert ist

4 11 Zur Zukunft Europas

3 11 Grenzenlos illegal ndash

transnationale organisierte Kriminalitaumlt

BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

wwwboellde

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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      • Boumlll THEMA 2-201213
        • Editorial - Auf dem Weg zur digitalen Demokratie
        • Inhalt
        • Digitale Demokratie13
          • Politik braucht eine neue Kultur der Verknuumlpfung
            • Vier Vektoren der Digitalisierung der Po
            • Digitale Partizipation benoumltigt Schnitts
              • Digitale Schocks13
              • E-Democracy = estnische Demokratie
              • Kein Koalitionspartner kann aller Piratenstimmen13sicher sein
              • Moumlglichkeiten und Grenzen von Internet-Kampagnen
              • Weshalb wir einen Konsens13der Vernetzten brauchen
              • Clash of Cultures im Cyberspace
                • Regierungen entdecken das Internet
                • Multistakeholder-13Modell oder13zwischenstaatliche Regierungsorganisation
                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
                    • Die Feinde des Internets in Zahlen13
                    • Eskinder Nega (44)
                    • Abdujalil al-Singace (47)
                    • Ta Phong Tan (44)13
                      • Blogger-Biografien
                      • Merkels Doppelmoral13bei Dual-Use-Guumltern
                        • Digitale Oumlffentlichkeit
                          • Die neue Unuumlbersichtlichkeit13des Internets
                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
                              • Die ruumlckschrittliche Seite des digitalen Fortschritts
                                • Digitale Kultur
                                  • Gespraumlch laquo Die Kulturflatrate ist nicht die eierlegende Wollmilchsau raquo
                                  • Kulturflatrate und Kulturwertmarkt
                                    • Digitale Oumlkonomie13
                                      • Essay Die Versuchung von Big Data13
                                      • Essay Die Antwort auf Big Data lautet Open Data13
                                        • Mein digitaler Alltag13
                                          • Bist du noch drin ndash13oder lebst du schon
                                            • Veranstaltungen und Veroumlffentlichungen13
                                              • Veranstaltungen
                                              • Zuletzt erschienen
                                              • Online-Kommentar
                                              • Publikationen
                                              • Studie
                                              • Videodokumentation
                                                • Der besondere Tipp13
                                                • Impressum
                                                • Ruumlcktitel Digitale Demokratie Die Heinrich-Boumlll-Stiftung13
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BoumlllThema 212 Digitale Demokratie

laquoDas Internet und die Art und Weise wie es lsaquo regiert rsaquo wird entwickelt sich zu einer der groszligen politischen Kontroversen der kommenden Jahre Mehr als drei Milliarden Menschen sind jetzt online und fordern im Cyberspace die gleichen universellen Rechte ein die sie offline haben Das Netzwerk unterstuumltzt jaumlhrliche Geschaumlfte von mehreren Billionen Dollar und ist aus der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken Das Internet spielt eine immer groumlszligere Rolle fuumlr die innere und aumluszligere Sicherheit von Staaten Damit ist das Netz zu einer kritischen Infrastruktur und strategischen Ressource gewor -den die zunehmend in nationale und internationale Auseinan -dersetzungen hineingezogen wird bei denen es um Macht und Geld und Menschenrechte geht Das Internet so wie wir es aus der Vergangenheit kennen geraumlt dabei immer staumlrker unter Druck und es ist offen wie es sich weiter entwickeln wird raquo Wolfgang Kleinwaumlchter Professor fuumlr Internet Policy and R egulation an der University of Aarhus Daumlnemark

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Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und Projekte eine reformpolitische Zukunftswerkstatt und ein internationales Netzwerk mit weit uumlber hundert Partnerprojek-ten in rund sechzig Laumlndern Demokratie und Menschenrechte durchsetzen gegen die Zerstouml-rung unseres globalen Oumlkosys-tems angehen patriarchale Herrschaftsstrukturen uumlberwin-den in Krisenzonen praumlventiv den Frieden sichern die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Uumlbermacht verteidigen ndash das sind die Ziele die Denken und Handeln der Heinrich-Boumlll-Stiftung bestim-men Sie ist damit Teil der laquo gruumlnen raquo politischen Grundstrouml-mung die sich weit uumlber die Bundesrepublik hinaus in Ausein-andersetzung mit den traditionel-

len politischen Richtungen des Sozialismus des Liberalismus und des Konservatismus heraus-gebildet hat Organisatorisch ist die Heinrich-Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und steht fuumlr geistige Offenheit Mit derzeit 29 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie uumlber eine weltweit vernetzte Struktur Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundes-laumlndern und foumlrdert begabte gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland Heinrich Boumllls Ermunterung zur zivilgesell-schaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und moumlchte andere anstiften mitzutun

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                • Nach vorn stolpern
                  • laquo Es reicht nicht aus einfach dagegen zu sein raquo
                  • Die Feinde des Internets und ihre Opfer
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                            • Die neue kommunikative Qualitaumlt des Internets13
                            • Die Ordnung der neuen Unuumlbersichtlichkeit13
                            • Die Verfluumlssigung des Rechts
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                                • Digitale Kultur
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