Das Magazin für aktuelle analoge Fotografie I.2017 www ... · dann noch einige Kurzentschlossene...

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1 I.2017 D 9,80 EUR A 10,90 EUR L 10,90 EUR CH 18,90 CHF Foto: Tempus Fugit von Urizen Freaza Im Sucher: Mittelformat Klassik, Canon New F-1, Rollei 35 Im Bild: Wesen der Dinge, Pilderweg, Behind the curtain Im Blick: Sieben Fototechniken in der Praxis, Peter Keetmann Im Trend: Junge Analoge, neuer Instax-Wettbewerb Im Dunkeln: SW-Vergrößerung, Filmomat, Heiland Labortimer Das Magazin für aktuelle analoge Fotografie www.photoklassik.de

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Das Magazin für aktuelle analoge Fotografie

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003 Editorial004 Inhalt006 Aktuelles aus der Szene010 PhotoKlassik-Gallery-Tour012 photokina-Leserrundgang014 PhotoKlassik-Leserbriefe015 PhotoKlassik-Leseranfrage096 Mitarbeiter dieser Ausgabe098 Vorschau, Impressum

PORTFOLIO032 Vom Wesen der Dinge – Sarah Eick042 Junge klassische Fotografie – Kersten Glaser076 »Ich spiele gerne mit dem Licht« – Elena Ternovaja

TECHNIK016 Analoge Mittelformatkameras024 Die schönen Schwestern – Canons New F-1 und EOS-1v028 Eine verborgene Kamera-Ikone – Rollei 35051 Stereofotografie – Scannen von Stereo-3D-Dias070 Der Filmomat074 Moderner Labortimer

PRAXIS048 Der radikale Lichtbrenner058 Behind the curtain – Ein analoges Fotografie-Projekt054 Fotografie ist Architektur – Marcel Gautherot064 Schwarzweiß-Vergrößerungen kinderleicht gemacht086 Zauberhafte Welt –Peter Keetman

KULTUR020 A breath of silver – ZEBRA, Zentrum für Analogfotografie022 Nichts ist unmöglich – Impossible Project Laboratory040 Pilderweg – SLAK-Künstlerkollektiv090 Fundstücke – Randnotizen zur Foto-Kunst094 Ikonen der Fotografie – Iain MacMillan: Abbey-Road-Cover

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photokina Leserrundgang

Auch im vierten Jahr des Bestehens von PhotoKlassik waren wir mit einem eigenen Stand auf der diesjährigen photokina ver-treten. In den persönlichen Gesprächen mit vielen unserer Leser, aber auch im näheren Bekanntenkreis, ist uns aufgefallen, dass die photokina oft nicht in erster Linie mit der klassischen film-basierten Fotografie in Verbindung gebracht wird. Zwar hat der Anteil derer, die Produkte und Dienstleistungen für den analogen Markt anbieten, in den letzten Jahren aufgrund des technologi-schen Fortschritts der Digitalfotografie abgenommen; dennoch ist diese Messe für viele Firmen, die heute noch in diesem Be-reich tätig sind, eine der wichtigsten überhaupt. Da wir im Vor-feld bereits wussten, dass aufgrund der stetig positiven Entwick-lung der letzten Jahre im Bereich der analogen Fotografie auch auf der diesjährigen photokina eine Vielzahl analoger Anbieter mit neuen Produkten ausstellen würden, beschlossen wir, unse-ren Lesern eine exklusive Chance zu geben, mit einem gezielten Rundgang die Hotspots der filmbasierten Fotografie anzulaufen. Dabei ging es uns nicht nur um den bloßen Standbesuch. Viel-mehr sollten unsere Leser die direkte Möglichkeit bekommen, sich vor Ort zu informieren, kritische Fragen zu stellen und sich selber aus erster Hand ein Bild über die aktuelle Lage der analo-gen Fotoindustrie zu machen. Dazu sollte noch erwähnt werden, dass es sich bei der photokina nicht um eine Verbraucher-Messe, sondern um eine sogenannte »B2B« Business-to-Business)-Veran-staltung handelt. Vornehmlich treffen sich hier Geschäftsleute untereinander und der Handel. Der Endkunde ist in der Regel nicht der Hauptansprechpartner. Dies war auch in der Vorberei-tung eine Herausforderung, denn die Terminkalender der Messe-teilnehmer waren komplett gefüllt. In dem knapp 3,5-stündigen Rundgang haben wir versucht, alle Bereiche abzudecken, die für

Filmfotografen Bedeutung haben. Angefangen bei den Film- und Chemieherstellern, wie Fuji, Tetenal und Adox, über die Anbie-ter von Laborgeräten, wie Heiland, Kunze, Kaiser und Jobo, bis hin zu Scannersoftware von Silverfast.

Zu unserer Freude wurde dieses Angebot von unseren Lesern sehr gut angenommen. Die Teilnehmerzahl war auf zehn Photo-Klassik-Leser pro Führung begrenzt, und daher waren auch alle Plätze sehr schnell vergeben. Treffpunkt war der PhotoKlassik-Stand auf der photokina. Zu den bereits angemeldeten kamen dann noch einige Kurzentschlossene ohne Anmeldung dazu. Es war für uns eine schöne Gelegenheit, auch mal die Menschen kennenzulernen, für die wir schreiben. Ein persönliches Feed-back ist etwas gänzlich anderes als eine E-Mail.

Interessant war auch, zu sehen, wie informiert, motiviert und engagiert unsere Leser sind. So war das Feedback seitens der Aussteller im Anschluss durchaus positiv. Denn diese hatten die Möglichkeit, neben ihrem aktuellen Angebot auch auf die zu-künftig geplanten Produkte einzugehen. Vor allem auch in dem Bereich Farbverarbeitung im Heimlabor. Aber auch auf Ersatzteil-versorgung und Service wurde intensiv hingewiesen.

Auch kritischen Fragen fanden Gehör. Immer wieder war das Thema der Abkündigungen von Filmmaterialien ein Thema und der Wunsch nach Verfügbarkeit der bestehenden Filme für weitere Formate. Im direkten Gespräch konnten hier gerade die Hersteller wie Adox und Fuji den Kunden die Komplexität der Filmfertigung genauer darlegen und so ein besseres Verständnis, was auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge betrifft, bei den Teilnehmern des Rundgangs erzeugen. Insbesondere Fuji nahm sich extrem viel Zeit für all die kritischen Fragen und bekräftigte ausdrücklich, dass das Unternehmen auch weiterhin in die Zu-kunft des Films investiert und alle Materialien von Schwarzweiß-Negativ- bis hin zum Farbdiafilm verfügbar sind.

Einige unserer Leser hatten sowohl mit Großformatkameras als auch mit dem Fuji-Instax-Film experimentiert. Die Ergebnisse führten auch bei den Fuji-Verantwortlichen zu einem Staunen darüber, was in ihrem Film noch für ungeahnte Möglichkeiten stecken. Möglicherweise wird sich daraus noch der ein oder an-dere Impuls bezüglich der Sofortbildfotografie ergeben.

Wir möchten uns herzlichst bei unseren Lesern für die rege Teil-nahme bedanken.

Text und Fotos: Marwan El-Mozayen

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Die besten Ergebnisse werden in Photo-Klassik umfangreich veröffentlicht. Aber auch wer nicht unter den Testern ist, kann mit etwas Glück in den instax-Sofortbildgenuss kommen: Unter allen Bewerbern verlosen wir drei Printer instax SHARE SP-2 plus Filmmaterial!

Also, mitmachen lohnt sich in jedem Fall. Am besten jetzt sofort bewerben!

Aktion

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Johannes Bockemuehl von JOBO erklärte die neue CPE3 und den CPP3-Prozessor

Fragen bezüglich SW-, Negativ-, Diafilmentwicklungschemie und zu Papier und Gebindegrößen konnten am Tetenal-Stand gestellt werden

Jürgen Heiland von Heiland Electronic gab ein Übersicht über die um-fangreiche Produktpalette an Labormesstechnik

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mm) häufig in den Bereichen (Innen-)Ar-chitektur- und Landschaftsfotografie zur Anwendung.

Auch bei Arca-Swiss International im französischen Besançon werden mit der R-Line heute noch Kameras produziert, die für den Einsatz mit Rollfilm-Rücktei-len geeignet sind. Bei den R-Modellen handelt es sich um sogenannte Shiftka-meras, die eine Verschiebung der ange-setzten Objektive sowie teilweise auch eine Verschwenkung des Objektivs er-möglichen.

Cambo im niederländischen Kampen hat mit der Wide-RS-Serie ebenfalls noch Rei-sekameras im Sortiment, die es ermögli-chen, das angesetzte Objektiv horizontal sowie vertikal zu verschieben. Über einen

Frisch aus der FabrikBei den heute noch hergestellten Mit-telformatkameras handelt es sich durch-gehend um Modelle, die nur noch in kleinen Stückzahlen in manufakturarti-gen Betrieben gebaut werden. Da heute nur noch wenige Händler, wie Christoph Greiner Photo, die Berliner Fotopioniere oder die Stuttgarter Snap Studios, ana-loge Mittelformatkameras im Sortiment führen, ist es in vielen Fällen hilfreich, die jeweiligen Hersteller direkt zu kon-taktieren. Bei den in der Folge aufgeführ-ten Kameramodellen für die Rollfilmfor-mate 120 und 220 handelt es sich bis auf eine Ausnahme um Produkte, die in Deutschland verfügbar sind. Optische-Bank-Kameras sind in dieser Übersicht nicht enthalten.

Von Alpa in Zürich gibt es mehrere Mo-delle der Alpa 12. Exemplarisch für die Kameras aus der Schweiz soll hier mit der Alpa 12 SWA (Shift Wide Angle) das erste Alpa-12-Mittelformatkamera-Modell er-wähnt werden, das noch auf die analoge Zeit zurückgeht und bis heute produziert wird. Die Alpa 12 SWA kann in der ana-logen Version sowohl mit den Alpa-/Lin-hof-Rollfilmrückteilen 6 x 7/120 als auch 6 x 9/120 genutzt werden. Mithilfe des Rückteiladapters MA lassen sich Mamiya-RB67-Rollfilmkassetten (4.5 x 6/6 x 7/6 x 8) anschließen und mit dem Alpa-Rück-teiladapter HO solche mit Anschluss für Horseman und Arca Swiss (6 x 7/6 x 9). Die Alpa 12 SWA ist heute ein Teil der modularen Alpa-12-Plattform und kommt aufgrund ihrer Verstellmöglichkeit (Pers-pektivenkorrektur / Shift vertikal +25

mehr produziert. Aus dem ehemaligen Hersteller der Mamiya-Kameras wurde inzwischen die Phase One Japan, die heute für die Produktion der digitalen Phase-One-Kameragehäuse und die un-ter dem Namen Schneider-Kreuznach produzierten System-Objektive verant-wortlich ist. Ob die analogen Mittelfor-matkameras, die auf die Kiev-Modelle von Arsenal in der Ukraine zurückgehen und unter den Namen Kiev 88, Zenit 60, Hartblei, Arax oder Pentax 645 am Markt auftauchten, heute noch gefertigt werden oder es sich dabei nur noch um verbliebene Lagerbestände handelt, kann derzeit nicht mit hinreichender Sicher-heit geklärt werden. Die vorliegenden Aussagen dazu widersprechen sich. Die Modellvarianten Revue 6 x 6 und Big Six werden definitiv nicht mehr produziert.

Kameras für Rollfilme der Formate 120 und 220 werden auch heute noch her-gestellt, auch wenn sich zahlreiche be-kannte Marken inzwischen aus der Pro-duktion analoger Mittelformatkameras verabschiedet haben. So werden heute keine zweiäugigen Spiegelreflexkameras der chinesischen Marke Seagull mehr produziert, und damit sind auch die ent-sprechenden Big-Modelle bei Brenner in Weiden aus dem Sortiment verschwun-den. Auch die Voigtländer Bessa III und ihre Schwester Bessa III W sowie die entsprechenden Kameras von Fujifilm (GF670 und GF760) wurden von Cosina aus der Produktion genommen. Die Mit-telformatmodelle von Mamiya, darunter die Messsucherkamera Mamiya 7 II oder die Spiegelreflexkameras Mamiya 645 AFD II AFD III werden ebenfalls nicht

Analoge Mittelformatkameras

Getriebeneiger lässt sich das Objektiv auch verschwenken. In welchem Umfang die Varianten, die sich für den Einsatz von Rollfilm-Rückteilen eignen, noch produziert werden oder zumindest noch ab Werk verfügbar sind, ist nicht bekannt und sollte bei Interesse beim Hersteller nachgefragt werden.

Für die Hasselblad-Kameras der in Zu-sammenarbeit mit der japanischen Firma Fujifilm produzierten H-Serie gibt es auch heute noch ein Rollfilmmagazin im For-mat 4,5 x 6, das sich an den aktuellen Modellen nutzen lässt. Seit der im Herbst 2014 vorgestellten H5X lässt sich das ana-loge Film-Magazin wieder an den Hassel-blad-H-Kameras nutzen. Die gilt auch für die H6D. Das Magazin HM 16-32 für die Formate 120 und 220 wird jedoch inner-

Das digitale Mittelformat liegt im Trend. Die klassischen Modelle dieses Formats sind jedoch keineswegs vom Markt verschwunden. Wir haben

gesucht – und gefunden.

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aber mit meinen damaligen Geräten und Filmmaterialen war das noch nicht so gut möglich. Während meiner Aus-bildung als Fotograf habe ich mich im-mer mehr von der digitalen Fotografie distanziert. Das »Geknipse« und das stundenlange Bearbeiten am Com-puter missfiel mir dermaßen, dass ich privat damit begann, ausschließlich analog zu fotografieren und meine Filme selbst zu entwickeln. Das deckt sich eher mit meiner Definition von Fotografie. Trotz der Tatsache, dass ich gegenwärtig viel hybrid arbeite, strebe ich in erster Linie den Handabzug an.

PhotoKlassik: Wieso bisher die haupt-sächlich hybride Arbeit?

KG: Um meine Fotos möglichst vie-len Leuten zu zeigen, ist das Internet zunächst gewiss eine gute Plattform. Heute hat man zunehmend das Gefühl, dass das echte Leben online stattfin-det und man ohne Internetverbindung kein Teilnehmer davon ist. Ich kann verstehen, dass es hinterfragt wird, seine Fotos analog aufzunehmen, um sie dann wieder in Pixel umzuwandeln. Nur so kann man halt ein großes Pub-likum erreichen. Aber ehrlich gesagt,

im Zweifelsfall eine recht gute Kamera besitze. Da ich für gewöhnlich erpicht darauf bin, möglichst viel selbst zu ma-chen, beziehungsweise die komplette Kontrolle über etwas zu haben, habe ich mich tatsächlich direkt intensiv mit der Fotografie beschäftigt und schnell verstanden, mit den gegebenen Para-metern (Blende, Zeit und ISO) umzuge-hen. Damals war ich 17, und jetzt bin ich 24. Ich denke das war der richtige Weg.

PhotoKlassik: Wie haben Sie anschlie-ßend die analoge Fotografie für sich ent-deckt?

KG: Angefangen habe ich, wie voran-gehend erwähnt, digital. Allerdings habe ich bereits in dieser Anfangs-phase mit analogen Kameras experi-mentiert. Zudem habe ich mich schon immer für Geschichte, Handwerk und klassische Verfahren interessiert. Aus diesem Grund war für mich klar, dass ich zusätzlich analog fotografieren möchte. Dieser spezielle Look hat mir auf Anhieb sehr gut gefallen. Aller-dings war die analoge Fotografie für mich erst mal der lockere »Trash-Look«. Ich wusste, dass es hochwertig geht,

Der in Nordrhein-Westfalen ansäs-sige Fotograf Kersten Glaser ist 24 Jahre alt, hat eine Lehre als Fotograf erfolgreich abgeschlossen und stu-diert jetzt an der FH Dortmund Foto-grafie. Außerdem engagiert er sich in der Förderung des fotografischen Nachwuchses beim Internet-Foto-grafen-Portal www.analog4you.de, welches junge Fotografen an das Aufnahmemedium Film heranführt.

PhotoKlassik: Kersten Glaser, wie sind Sie zur Fotografie gekommen?

Kersten Glaser: Es fing damit an, dass ich Erlebnisse und Erinnerungen op-timal festhalten wollte. Als ich anfing, mich damit zu beschäftigen, war ich mir noch nicht sicher, inwiefern ich das Interesse daran behalten würde. Alle bisherigen Hobbys wurden nach einer gewissen Zeit uninteressant. Da sich ein sehr guter Freund von mir eine DSLR kaufte und ich seine Ergebnis-se sehr spannend fand, entschied ich mich ebenfalls für eine Spiegelreflex-kamera für Einsteiger. Mein Gedanke dabei war, dass ich entweder das kom-plette Potenzial dieses Geräts ausnut-ze und das Fotografieren erlerne oder

Junge klassische FotografieInterview mit dem Jung-Profi und Film-Liebhaber Kersten Glaser

schaue ich mir Fotos am liebsten so-wohl auf schönem Fotopapier, als auch als Dia (Leuchtplatte und Projektion) und möglichst groß an. Ausstellungen, Galerien und Dia-Schauen sind einfach wunderbar. Man trifft sich, interpretiert, diskutiert, fachsimpelt und lernt neue Leute kennen. Im Internet ist das zwar auch möglich, geht jedoch stark verlo-ren. In der Regel gibt es ein flüchtiges Like, und ebenso schnell ist das Foto wieder vergessen. Das ist sehr bedauer-lich. Angesichts der aktuellen Bilderflut aber auch gar nicht anders zu erwarten. Deshalb ist es umso wichtiger, bewusst zu fotografieren und nicht Opfer eines Massenmediums zu werden. Ich denke, mit der analogen Fotografie kann man da ganz einfach und konsequent sei-nen Standpunkt formulieren.

PhotoKlassik: Wie definieren Sie für sich diese »aktuelle Bilderflut«?

KG: Es wird geschätzt, dass allein im letzten Jahr mehr digitale Aufnahmen gemacht wurden, als in allen Jahren der analogen Fotografie zusammen. Diese Aussage muss man erst mal ver-arbeiten. Die Anzahl der Fotos steigt ins Unermessliche, und die Qualität nimmt gleichzeitig oft ab. Auf Face-book bekommt ein wertloses Spiegel-selfie mehr Likes als eine anspruchs-volle Fotografie derselben Person. Das ist sehr erschreckend. Zudem ist mir aufgefallen, dass auf der photokina zunehmend Technik präsentiert wird, aber die Anzahl der dort ausgestellten Fotos abnimmt. Ich habe viel darüber nachgedacht, wie man diesem Defizit entgegenwirken könnte. Die Präsenta-tion ist zu sehr auf das Internet und als ein digitales Medium beschränkt. Ich denke, wenn man vermehrt die Mög-lichkeit der realen Kommunikation un-ter Fotografen ermöglicht, in Form von Events, Galerien und Clubs, wäre das ein gewaltiger Schritt der Besserung. Unabhängig, ob die Aufnahmen digital oder analog entstanden sind. Das sollte in der Fotografie keine Rolle spielen. Je-der würde davon profitieren.

PhotoKlassik: Warum haben Sie sich entschieden, für persönliche Projekte nur

noch auf Film zu fotografieren, bzw. was fasziniert Sie so an diesem Medium?

KG: Das hat mehrere Gründe: Zum ei-nen möchte ich möglichst wenig an meinen Fotos nachbearbeiten oder re-tuschieren. Film liefert bereits »direct-ly out of camera« eine hervorragende Qualität. Und auch wenn man analo-ge Aufnahmen ebenso manipulieren kann, wird dieses Medium im Allge-meinen als ehrlicher wahrgenommen.

Diesen Stellenwert möchte ich mir zu-nutze machen. In einer Zeit, in der die Bildmanipulation so präsent ist, möch-te ich dem Betrachter meiner Aufnah-men ein möglichst unverfälschtes Abbild der Realität präsentieren. Zwar nicht immer, aber meistens. Gewiss ist jedes Foto, sobald ich anfange, zu gestalten, den Ausschnitt zu wählen oder, besser gesagt, meine Motive nach eigenem Empfinden zu beschnei-den und damit gezielt zu reduzieren, ein rein subjektives Abbild. Jedenfalls

schon subjektiv genug. Außerdem gibt es noch das Filmkorn. Das organische Korn ist für mich eines der ästhetischs-ten Elemente in der Fotografie. Nicht umsonst wird heute auch mit Photo-shop ein analoger Look nachgeahmt, um einen harmonischeren Eindruck zu erzeugen. Hinzu kommt, dass sich die-se älteren und hauptsächlich mechani-schen Kameras einfach besser anfühlen und aussehen. Schließlich kann man auch diesen ganzen digitalen Hypes aus dem Weg gehen beziehungswei-se beweisen, dass man ohne moderne Technik ebenfalls hochwertige Foto-grafien erzeugen kann. Faszinierend ist für mich zudem immer wieder der gesamte Prozess von der Aufnahme bis zum fertigen Abzug. Diesen komplett eigenständig umzusetzen und am Ende ein tolles Ergebnis in den Händen zu halten, ist ein überwältigendes Ge-fühl. Die dafür zur Verfügung stehen-den Materialen und kreativen Möglich-keiten sind unerschöpflich. Ein echtes Handwerk eben.

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»Fotografie ist Architektur«Marcel Gautherot fotografierte Brasiliens Architektur-Moderne

Marcel Gautherot, Kongressgebäude, Brasília, um 1960© 2016 Instituto Moreira Salles, São Paulo

Brasiliens Architektur-Moderne ist ein Thema, das einige hervorragende Fo-tografen dokumentiert haben. Licht-bildner wie José Medeiros, Thomaz Farkas, Marcel Gautherot oder Hans Gunter Flieg sind die bekanntesten von ihnen – interessanterweise ka-men drei davon aus Europa: Brasiliens Attraktivität war groß seit Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Marcel Gautherots Werk wird vor allem mit seinen Bildern des Aufbaus von Brasília und mit der Architektur von Oscar Niemeyer verbunden. Doch war er nicht nur an dem neuen Brasilien in-teressiert. Volkstümliche Riten, Bilder aus dem Dschungel oder der Fischer von Belém sind ebenfalls Teil seines großen Werks, das im vergangenen Sommer in einer Ausstellung im Mai-son Européenne de la Photographie in Paris wiederentdeckt wurde.

Begleitend zu der Schau des franzö-sisch-brasilianischen Fotografen ist jetzt ein Buch bei Scheidegger & Spiess erschienen. Es ist die erste Monografie des 1910 geborenen und 1996 verstor-benen Fotografen. Im Zentrum stehen seine Bilder Brasílias, die den Bau, die Baustellen und die Arbeiten zeigen – aber auch die fertigen Gebäude.

Die fotografische Auseinandersetzung mit der modernistischen Formenspra-che ist das bevorzugte Feld des Fo-tografen. Sein Auftraggeber, Oscar Niemeyer, war von seiner Arbeit über-zeugt: »Marcel Gautherot war viele Jahre lang unser Lieblingsfotograf. Wir haben die Gebäude entworfen, er hat sie fotografiert … Und was er für Fotos machte … Wie gekonnt er die richti-gen Blickwinkel und die Kontraste in

Marcel Gautherot, Fächerpalme, Rio de Janeiro, um 1943© 2016 Instituto Moreira Salles, São Paulo

Marcel Gautherot, Capoeira, Salvador, um 1946© 2016 Instituto Moreira Salles, São Paulo

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Wir erinnern uns, wie alles mit dieser Serie begann: Mei-ne 8-jährige Nichte erfuhr in der Grundschule etwas da-rüber, wie Fotos entstehen können. Da sie wusste, dass ich »irgendwas mit Fotografieren« zu tun habe, kam sie voller Enthusiasmus zu mir und fragte nach, ob sie denn so etwas auch mal ausprobieren dürfe.

In den letzten beiden Ausgaben haben wir uns ja bereits ausführlich mit der Negativentwicklung, der Einrichtung so-wie den benötigten Gerätschaften für eine Dunkelkammer auseinandergesetzt. In dieser Ausgabe wollen wir aufzeigen, wie man sinnvoll und sicher die ersten Schritte beim Ver-größern durchführt. Wie die vorherigen Artikel richtet sich dieser an den absoluten Anfänger ohne jede Vorkenntnis. Wie auch bei der Negativentwicklung sind die Grundlagen nicht kompliziert und sind von jedem leicht durchzuführen. Die Voraussetzung ist aber, dass man ein paar grundlegende Abläufe systematisch einhält. Mit ein wenig Übung gelingen dem Anfänger dann sehr schnell Abzüge (oft auch Prints ge-nannt), die qualitativ ohne Weiteres mit denen von Großla-boren mithalten können, wenn nicht sogar diese übertreffen. Es sei noch vorab erwähnt, dass die Arbeit des klassischen Vergrößern sich fast unbegrenzt kreativ und auch technisch ausweiten lässt.

Was passiert denn nun beim Vergrößern im Detail?Ganz einfach ausgedrückt, wird ein Negativ mithilfe eines Projektionsgeräts, dem Vergrößerer, auf eine – je nach einge-stelltem Abstand – beliebige Endgröße auf ein lichtempfind-liches Fotopapier projiziert. Über die Intensität und Dauer der Belichtung werden die späteren Grauwerte auf dem Fotopa-pier erzeugt, die dann anschließend ausentwickelt werden.

Der ArbeitsplatzWie bereits erwähnt, haben wir in der vorherigen Ausgabe bereits alle Utensilien besprochen. Ich möchte aber vorab noch einmal kurz darauf eingehen, denn für ein erfolgrei-ches Arbeiten hat sich in der Dunkelkammer eine bestimmte Aufteilung der Arbeitsbereiche als sinnvoll erwiesen. Daher sollten alle Gerätschaften, Verbrauchsmaterialien wie auch Chemikalien sinnvoll angeordnet werden, um später einen reibungslosen Ablauf gewährleisten zu können.

Vorteilhaft ist die klare Trennung von Trocken- und Nassar-beitsplatz.

Im Bereich des Trockenarbeitsplatzes findet nur die Belich-tung statt. Hier wird alles griffbereit um das Vergrößerungs-gerät angeordnet, was der Anwender für diesen Vorgang benötigt. Dazu zählen die Negative, Reinigungsutensilien wie Blasebalg oder Antistatiktücher, Kornscharfsteller und gegebenenfalls Multigradefilter.

Der Nassarbeitsplatz beherbergt alleine die Schalen mit den Entwicklungschemikalien. Diese Trennung ist vor al-lem sinnvoll, um zu vermeiden, dass Spritzer der Entwick-lungschemie auf den Trockenarbeitsplatz gelangen und so das Papier und die Gerätschaften verschmutzen. Im Nass-bereich werden die Entwicklungsschalen in der notwendi-gen Abfolge nebeneinander aufgestellt. Noch ein wichti-ger Sicherheitshinweis: Wer ein temporäres Labor aufbaut, sollte genau darauf achten, dass elektrische Leitungen und Steckerleisten nicht direkt am Nassbereich entlanggeführt werden.

Wie bereits bei der Negativentwicklung empfohlen, sollten Anfänger immer mit frischen und leicht am Markt erhältli-chen Materialien beginnen. Nur so ist ist ein Lernerfolg ge-währleistet. Fehler lassen sich so schneller ermitteln, und Fortschritte können bessere reproduziert werden. Auch

Schwarzweiß-Vergrößerungen kinderleicht gemacht

sollte man zu Beginn mit leicht zu verarbeitenden Produk-ten arbeiten, um weitere Fehlerquellen auszuschließen.

Bezüglich der Wahl des Papiers empfiehlt sich ein PE-be-schichtetes Gradationswandelpapier. Dieses ist im Hinblick auf die gesamte Handhabung, inklusive Wässerung und Trocknung, problemlos. Die zweite, bei sehr hochwertigen Prints beliebte Papiersorte ist das sogenannte Barytpapier. Dieses ist auch als Gradationswandelpapier erhältlich, er-fordert aber über die gesamte Verarbeitung mehr Aufmerk-samkeit und Erfahrung. Daher sollte es nicht gerade für die ersten Gehversuche zum Einsatz kommen.

Die Chemie Wie bei jedem Entwicklungsverfahren beginnt auch die Pa-pierentwicklung mit einem Entwickler. In dieser Chemikalie werden die Grauwerte und die Schwärze des Motivs erzeugt. Hier hat sich seit Jahren Eukobrom von Tetenal für Anfänger als auch für Fortgeschrittene bewährt. Einfach in der Hand-habung, führt dieses Produkt mit allen am Markt erhältlichen Papieren sicher zu guten und ausgeglichenen Ergebnissen. Für experimentierfreudige Neulinge und Anwender, die sel-ten vergrößern, ist auch ein preisgünstiges Kleingebinde von 0,25 l erhältlich. Bei diesem Entwickler wurde die über Jahrzehnte bewährte Rezeptur im Hinblick auf die Umwelt-verträglichkeit so verbessert, dass man nun auf Hydrochinon verzichten kann. Diese Komponente wurde durch Vitamin C ersetzt.

Um die Entwicklung kontrolliert abzubrechen und das Papier für eine nachfolgende Fixierung vorzubereiten, folgt im An-schluss das sogenannte Stoppbad. Auch hier sollte man von den altbekannten Rezepten und Empfehlungen aus der älte-reren Literatur und dem Internet bezüglich Salatessigessenz Abstand nehmen und das gleiche Produkt wie bereits bei der Filmentwicklung verwenden. Dank der geringen Geruchs-entwicklung und dem Farbindikator, der den Verbrauchs-zustand anzeigt, sind Produkte wie z. B. Tetenal Stoppbad Indicet eindeutig zu bevorzugen. Stoppbad ist generell sehr preisgünstig, und der Einsatz verbessert darüber hinaus auch die Lebensdauer des daran anschließenden Fixierbads.

Der Entwicklungsvorgang wird auch hier mit der Fixierung abgeschlossen, und eine dauerhafte Lichtbeständigkeit des Fotopapiers wird erreicht. Eine gute Fixage ist für die späte-re Beständigkeit der Prints von großer Wichtigkeit. Bei die-sem Prozess wird eine geringe Menge Schwefel freigesetzt, welche für den typischen Geruch in Laboren verantwortlich ist . Im Gegensatz zur Filmentwicklung, in der die Lösung in den meisten Fällen nur wenige Minuten verwendet wird, ist das Fixierbad in der Schale oft sogar mehrere Stunden offen an der Umgebungsluft. Dabei kann zuweilen eine nicht un-

erhebliche Geruchsbelastung im Raum entstehen. Moder-ne Fixierbäder, wie Tetenal Superfix geruchslos, bieten hier Abhilfe.

Nicht unbedingt notwendig, aber durchaus sinnvoll, ist eine vierte Laborschale, die nur mit Wasser gefüllt ist, um die be-reits ausfixierten Fotopapiere vor der endgültigen Schluss-wässerung zwischenzulagern.

Chemikalien ansetzenZum Ansetzen der Chemikalien verwendet man am besten ausreichend dimensionierte Mensuren und Messbecher. Diese sollten eine gut ablesbare Skala besitzen. Beim Ansatz ist unbedingt darauf zu achten, dass es zu keiner Verunreini-gung der einzelnen Chemikalien kommt. So sollte Entwickler und Stoppbad bzw. Entwickler und Fixierer auf gar keinen Fall vermischt werden. Idealerweise empfiehlt es sich, jeweils ei-nen speziellen Behälter nur für eine Chemiesorte vorzusehen und diesen jeweils entsprechend für Entwickler, Stoppbad und Fixierbad zu beschriften. In gleicher Weise sollte man mit den Papierschalen verfahren. Anfänger, die beim ersten Ver-such nicht genügend Messbecher zur Hand haben, müssen die zuvor verwendeten dann selbstverständlich mehrfach gründlich mit Wasser zwischenspülen, bevor darin ein neuer Ansatz erfolgt.

Bei der Filmentwicklung wurde durch die Entwicklungsdo-se das Zielvolumen vorgegeben, beim Vergrößern ist dieses vom Fassungsvermögen unserer Entwicklungsschale abhän-gig. In der Praxis sollten die zur Verwendung kommenden Schalen etwas größer dimensioniert sein als das verwendete Papier. So ist immer eine gute Umstülpung des belichteten Papiers mit frischer Entwicklerlösung gewährleistet. Für un-erfahrene Laboranten empfiehlt es sich, zu beginn lieber et-was mehr von den entsprechenden Chemikalien anzusetzen. Für Schalen der häufig verwendeten Größe 18 x 24 cm sowie 25 x 30 cm bewegt man sich dann bei einem Zielvolumen von ca. 1–1,5 Litern.

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»ICH SPIELE GERNE MIT DEM LICHT«

Die Fotokünstlerin Elena Ternovaja und ihre sieben Fototechniken

von Axel Schwalm

Pflanzliche Analogien I Bild 11, Fotogramm, Albumindruck auf selbst beschichtetem Aquarellpapier

»Die Alchemie beschäftigt sich nicht nur mit der Umwand-lung unedler Metalle in Gold und Silber, sie hat auch eine tie-fer gehende psychologische Komponente, da es immer auch um die Umwandlung des Menschen geht, um die Suche des Alchemisten nach sich selbst. Sie dient als Metapher für geis-tige und stoffliche Verwandlungen.« So beschreibt Elena Ter-novaja das Konzept ihrer Ende Januar in Berlin eröffnenden Ausstellung sehr persönlicher fototechnischer »Chemigram-me«. Dabei widmet sich die seit 25 Jahren in Berlin lebende und ursprünglich aus der Ukraine stammende Künstlerin für ihre Arbeit noch weiteren historischen, fast schon in Verges-senheit geratenen Verfahren der Bildgebung, um unseren Blick auf das zu lenken, was ihr wichtig ist. PhotoKlassik hat mit Elena Ternovaja über ihre Kunst und ihre Experimentier-freude gesprochen.

PhotoKlassik: Frau Ternovaja, Sie sind sehr erfolgreich mit Ih-ren fotografischen Verfahren und hatten mehrere Einzelausstel-lungen. Seit wann beschäftigen Sie sich damit? Elena Ternovaja: Mit der analogen Fotografie beschäftige ich mich seit September 2012 und mit den Fotogrammen seit Dezember 2012. Ich bin aber mit dem Fotografieren aufge-wachsen. Als ich drei oder vier Jahre alt war, durfte ich mei-ner Mutter im Bad beim Vergrößern »assistieren«. Das ist eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen: Ein Stück Papier ins – wie ich damals dachte – Wasser zu legen und auf einmal erscheinen die Gesichter, ein Bild. Wenn ich brav war, durfte ich Mama »assistieren«, das war eine große Ehre für mich.

PhotoKlassik: Ihre Mutter war auch Fotografin als Amateur, oder wie kam das?

ET: Sie war Chemikerin/Physikerin. Aber im Bad stand fast im-mer ein Vergrößerer, und sie hat gern fotografiert. Ich weiß gar nicht, ob es damals Labore gab, wo man die Filme hätte abgeben können. Aber das hat sie nie gemacht, sie hat im-mer selbst vergrößert.

PhotoKlassik: Wenn Sie sagen, Ihre Mutter war Chemikerin und Physikerin, kommt daher auch Ihre Neugier auf alte chemi-sche Verfahren, um damit Bilder hervorzubringen? Statt einfach einen modernen Film in die Kamera zu legen? Woher kommt diese Begeisterung für die alten Verfahren?

ET: Das liegt vielleicht an meiner ungewöhnlichen Kindheit. Meine Mutter hat die Bücher aus der alternativen Medizin abfotografiert, die schwer zu bekommen waren. Wenn ich ihr beim Entwickeln half, habe ich manchmal das Fotopa-pier in die falschen Bäder getaucht. Dann entstanden diese

Poem about flowers II, Bild 1, Ternogramm, Juni 2016