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12 NEUMARKT-KURIER 2/2017 Das Palais Oppenheim in Dresden – seine Bedeu- tung und die Möglichkeit zum Wiederaufbau Lucas Müller Das Palais Oppenheim, im Süden von Dresdens Pirnaischer Vorstadt gelegen, war ein von Gottfried Semper entworfe- ner sehr repräsentativer Neorenaissance- bau. Beim Bombenangriff vom 13. Febru- ar 1945 war er ausgebrannt, nur die Um- fassungsmauern standen noch. Als das Gelände 1951 zum Großberäumungsge- biet erklärt wurde, drohte der Ruine die Sprengung. Weil die erhaltenen Fassaden zu den wichtigsten Werken Dresdner Profanarchitektur des 19. Jahrhunderts gehörten, bemühte sich Dr. Hans Nadler vom damaligen Landesamt für Volkskun- de und Denkmalpflege Sachsen um eine Erhaltung dieser wertvollen Bausubstanz. Allerdings vergeblich – im April 1951 kam es zur Sprengung. Eine vorgesehene Bebauung kam aber nicht zustande, und das weitere Umfeld war jahrzehntelang verödet. Aus der späten DDR-Zeit ist es sicherlich manchem Dresdner als „Robo- tron-Gelände“ in Erinnerung. Erst in jüngster Vergangenheit wurde dem Ge- biet, nunmehr „Lingnerstadt“ genannt, als letztem großen Entwicklungsgebiet im Stadtzentrum wieder öffentliche Auf- Abb. 1: Bürgerwiese im Jahr 1860, ganz rechts das Palais Oppenheim. (Lithographie von C. W. Arldt) Abb. 2: Plan Bürgerwiese, Bestandsplan von 1896–1945. (Sammlung Dr. Heidrun Laudel)

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12 NEUMARKT-KURIER 2/2017

Das Palais Oppenheim in Dresden – seine Bedeu-tung und die Möglichkeit zum Wiederaufbau

Lucas Müller

Das Palais Oppenheim, im Süden vonDresdens Pirnaischer Vorstadt gelegen,war ein von Gottfried Semper entworfe-ner sehr repräsentativer Neorenaissance-bau. Beim Bombenangriff vom 13. Febru-ar 1945 war er ausgebrannt, nur die Um-fassungsmauern standen noch. Als dasGelände 1951 zum Großberäumungsge-biet erklärt wurde, drohte der Ruine dieSprengung. Weil die erhaltenen Fassadenzu den wichtigsten Werken DresdnerProfanarchitektur des 19. Jahrhundertsgehörten, bemühte sich Dr. Hans Nadlervom damaligen Landesamt für Volkskun-de und Denkmalpflege Sachsen um eineErhaltung dieser wertvollen Bausubstanz.Allerdings vergeblich – im April 1951kam es zur Sprengung. Eine vorgeseheneBebauung kam aber nicht zustande, unddas weitere Umfeld war jahrzehntelangverödet. Aus der späten DDR-Zeit ist essicherlich manchem Dresdner als „Robo-tron-Gelände“ in Erinnerung. Erst injüngster Vergangenheit wurde dem Ge-biet, nunmehr „Lingnerstadt“ genannt,als letztem großen Entwicklungsgebietim Stadtzentrum wieder öffentliche Auf-

Abb. 1: Bürgerwiese im Jahr 1860, ganz rechts das Palais Oppenheim. (Lithographie von C. W. Arldt)

Abb. 2: Plan Bürgerwiese, Bestandsplan von 1896–1945. (Sammlung Dr. Heidrun Laudel)

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merksamkeit zuteil, denn hier soll durchNeubebauung bis 2025 wieder „ein StückStadt“ entstehen. Im April 2017 war durch die Stadtverwal-tung der Bebauungsplan für ein vorgese-henes Stadtquartier „Am Blüherpark-West“ öffentlich ausgelegt worden. ImRahmen der Gebietsgrenzen dieses B-Plans liegt auch das Grundstück Bürger-wiese 9–11 (ehem. Bürgerwiese 5–7), aufdem das Palais Oppenheim bis 1945 ge-standen hatte. Das veranlasste den Gott-fried Semper-Club, sich intensiv mit demPalais zu beschäftigen und zu untersu-chen, ob es möglich ist, das untergegange-ne Gebäude wieder zu errichten. Zur Be-gründung für solch ein Vorhaben ist zumeinen die hohe baukünstlerische Wertigkeitdes Neorenaissancebaus anzuführen, derdeutschlandweit als Vorbild für Bautendieser Stilrichtung und dieses Anspruchsgalt, und zum andern die geistig-kulturelleWirkung, die von diesem Ort als Kristalli-sationspunkt jüdisch-sächsischer Kulturausging.Auf Grund der Lage des in Betracht kom-menden Grundstücks besteht durchausdie Möglichkeit eines Wiederaufbaus desPalais Oppenheim bzw. die optionale Auf-nahme eines Baukörpers, der der äußerenhistorischen Kubatur und Baustruktur ent-spricht. In einem ersten Schritt wäre die Si-cherung des ehemaligen Flurstücks für dieBaukörperausweisung erforderlich. Da-nach könnten Untersuchungen zum äuße-ren Erscheinungsbild sowie zu den Fassa-den im Bereich an der Bürgerwiese unter-nommen werden. Im Folgenden wird nä-her auf die Entstehung und die Bedeutungdes Palais Oppenheim eingegangen. Die Pirnaische Vorstadt von Dresden hatteim 19. und 20. Jahrhundert viele tiefgrei-fende Veränderungen erfahren, wie denAbriss der alten Johanniskirche und dieKonzipierung der Johann-Georgen-Alleemit dem Durchbruch bzw. der Fortfüh-rung bis zur Moritzstraße. Damit war einedirekte Anbindung über den Neumarktbis zum Schloßplatz entstanden. DieseAchse bis zum Großen Garten wurdenach 1945 nicht wieder aufgenommen.Dafür entstand der groß ausgeprägteStadtring entlang der vormaligen mittelal-terlichen Festungsanlage. Zu dem intensi-ven Baugeschehen in der Pirnaischen Vor-stadt gehörten der Bau der Johann-Georgen-Allee (heute Lingnerallee), desHygiene-Museums, der Zinzendorfstraßemit dem Prinzenpalais (der Sekundogeni-tur) bis hin zum Landschaftspark Bürger-wiese und zur Kreuzschule. All das warprägend für das Gebiet, das mit dem sichnach Süden anschließenden EnglischenViertel seinerzeit zum nobelsten DresdnerWohnviertel wurde.An der Bürgerwiese kaufte der BankierMartin Wilhelm Oppenheim (aus Königs-

berg stammend) ein Grundstück, um sichvon Gottfried Semper sein Stadtpalais ent-werfen und bauen zu lassen. Dass einDresdner jüdischer Herkunft ein Grund-stück erwerben und Bauherr werdenkonnte, war damals ein Novum. Lange zu-vor schon hatten sich die sächsischen Ju-den bemüht um den Abbau einschränken-der Bestimmungen, diskriminierenderRechtserlässe, die ihren bürgerlichen Le-bensalltag erschwerten. Diesen Bestrebun-gen war anfangs nur wenig Erfolg beschie-den; selbst die Verfassung von 1831 hattenicht die angestrebte Lockerung zur Fol-ge. Erst ein neues Gesetz vom 18. Mai1837 brachte die bürgerliche Gleichstel-lung von Juden in Sachsen. So konnte Op-penheim von seinem geschätzten Freundund Architekten Gottfried Semper zu-nächst 1839 die „Villa Rosa“ als Sommer-sitz am Neustädter Ufer errichten lassen,einen Bau, der als wichtigster VillenbauDresdens gilt und auf Grund seiner künst-

lerischen Qualität für den nachfolgendenVillenbau im deutschen Raum beispielge-bend wurde.Das Stadtpalais an der Bürgerwiese, er-richtet von 1845–1848, sollte zu GottfriedSempers bedeutendsten Bauten seinerDresdner Zeit gehören. Das Gebäudestand auf einem dreieckigen Grundriss.Dies ergab sich aus den damaligen schwie-rigen und teuren Bedingungen des Grund-stückskaufs. Zur Einweihung des Palaisan der Bürgerwiese waren 1848 zahlreicheDresdner Persönlichkeiten gekommen.Carl Gustav Carus lobte das Palais, weilsich „dessen großer und schöner altfloren-tinischer Stil […] gegen andere jetzt inMenge kasernenähnlich aufsteigendeHäuser gewaltig auszeichnet“. Im Gegen-satz zur leichten Architektur der Villa Ro-sa wies das Palais die strenge, rustizierteund sparsam dekorierte Architektur deritalienischen Palazzi der Hochrenaissanceauf.

Abb. 3: Palais Oppenheim vor 1945 (Sammlung Dr. Volker Helas)

DAS PALAIS OPPENHEIM IN DRESDEN – SEINE BEDEUTUNG UND DIE MÖGLICHKEIT ZUM WIEDERAUFBAU

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14 NEUMARKT-KURIER 2/2017

Die herausragende Bedeutung des PalaisOppenheim ist nicht nur in seiner Archi-tektur begründet, sondern auch in seinerRolle für die Entwicklung sächsisch-jüdi-scher Kultur um die Mitte des 19. Jahr-hunderts. Zu jener Zeit war das geistigeLeben der Stadt stark geprägt von geselli-gen Zirkeln, literarischen Vereinen, Debat-tierklubs geistreicher Leute. So auch imPalais Oppenheim: Hier entstand mit denFamilien M. W. Oppenheim und AugustGrahl ein interessanter Treffpunkt undOrt gehobener, ja elitärer Geselligkeit mitintensivem geistigen Austausch zwischenbedeutenden sächsischen – darunter vie-len jüdischen – Wissenschaftlern undKünstlern. Zu nennen sind hier u.a. Lud-wig Tieck (Dramaturg am Hoftheater),Ernst Moritz Arndt (Schriftsteller und Pu-

Abb. 5: Grundriss EG und OG nach Plänen vonG. Semper. (Sammlung Dr. Heidrun Laudel)

Abb. 4: Ruine des Palais 1951, vor dem Abbruch. (Sammlung Dr. Volker Helas)

Abb. 6: Ausschnitt Planung B-Plan 389 A, mit Standort des Palais Oppenheim. (Archiv GSCD)

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DAS PALAIS OPPENHEIM IN DRESDEN – SEINE BEDEUTUNG UND DIE MÖGLICHKEIT ZUM WIEDERAUFBAU 15

blizist), Alexander von Humboldt (Natur-forscher), Karl Gutzkow (Dramatiker),Berthold Auerbach (Schriftsteller), OttoRoquette (Dichter, Literaturhistoriker),Ernst Rietschel (Bildhauer), JuliusSchnorr von Carolsfeld (Maler, Grafiker),Eduard Bendemann (Maler), Julius Hüb-ner (Maler), Felix Moscheles (Maler undSchriftsteller), Alfred Rethel (Maler, Gra-fiker), Hermann Hettner (Kunsthistori-ker), Fanny Lewald (Schriftstellerin),Eduard und Emil Devrient (Schauspieler),Bogumil Dawison (Schauspieler), JennyLind (Sängerin), Peter Cornelius (Kompo-nist). Allein diese Aufzählung einzelnerPersönlichkeiten macht deutlich, welchherausragende Bedeutung diesem Hausfür das geistige und kulturelle Leben inder Residenzstadt Dresden und im König-reich Sachsen zukam.Nach dem Tod von M. W. Oppenheim imJahre 1863 zog die Witwe Rosa Oppen-heim und die Familie des MiniaturmalersGrahl (August und Elisabeth, geb. Oppen-heim) nach Loschwitz auf die PillnitzerLandstraße 63. Auch hier entstand ein rei-ches kulturelles Leben mit Kontakten zubedeutenden Persönlichkeiten der Zeit.In der Folgezeit wurde das Palais 1869von der Familie Grahl an die Familie Kap-herr verkauft, 1870 ging es dann an dieBankiersfamilie Kaskel-Oppenheim. Vor-fahren des Freiherrn Carl von Kaskel hat-ten sich Ende des 18. Jahrhunderts alsHoffaktor – Vertrauensmann, Finanz- undWirtschaftspolitikberater des Regenten –verdient gemacht. Für diese frühe Formkommerzieller Dienstleister, auch Liefe-ranten für Heeresbedarf und Luxusgüter,waren jüdische Bankiers/Kaufleute beson-ders gefragt. Carl von Kaskel (später Mit-begründer der Dresdner Bank) ließ dasPalais von 1871 bis 1874 durch den Köl-ner Architekten Wilhelm Hoffmann be-sonders im Inneren und an der Garten-front umbauen, und zwar auf einem nun-mehr rechteckigen Grundriss. Der Miter-werb des Nachbargrundstücks war Vo-raussetzung für diese Arbeiten. Das Ge-bäude wurde nach der Umgestaltung Pa-lais Kaskel-Oppenheim genannt.Die aus der Ruine geborgene Brunnenfi-gur befindet sich jetzt in der Gartenanlagedes Standesamts Goetheallee 55 (VillaWeigang). In den Akten der Enttrümme-rung ist auch die Sicherung der vier Re-liefs aus der Attika vermerkt, der Verbleibist derzeit nicht bekannt.Das Anliegen und der Wunsch des Sem-per-Clubs Dresden, von Dr. Volker Helasund vielen weiteren Dresdner Bau- und

Kunsthistorikern ist es, zur Fortführungder kulturellen Ausstrahlung, zur Erinne-rung an diese schöpferische und erfolgrei-che Zeit mit dem wiederaufgebauten Pa-lais Oppenheim ein sächsisch-jüdischesKulturzentrum zu schaffen. Mit dieserwichtigen Ergänzung des Stadtbildes gehtes nicht nur um das Palais selbst, sondernes würde auch der geschichtlichen Bedeu-tung des Gebiets Bürgerwiese für die StadtDresden entsprochen. Viele der damaligenStifter und Förderer wie Johann Meyer(Stifter des Kreuzschul-Neubaus und wei-terer Sozialeinrichtungen), Eduard vonSeebach, Alexander Wollner und weiterewohnten an der Bürgerwiese. Diese Bürgerspielten eine wichtige Rolle und haben dieEntwicklung der Stadt vor und nach 1849maßgeblich vorangebracht. Die neue Be-bauung wäre nun eine Chance zur Erinne-rung.

Literatur:Helas, Volker: Architektur in Dresden 1800–1900, Braunschweig/Wiesbaden 1985 Ders.: Die Dresdner Bank in Dresden, Dresden1998Laudel, Heidrun: Palais Oppenheim, in: Ner-dinger u.a. (Hg.): Gottfried Semper 1803–1879. Architektur und Wissenschaft, Mün-chen/Zürich 2003Wiltrud Irion (Hg.): Von August Grahl zu denOppenheims. Wurzeln einer Dresdner Familie,Stuttgart 2015

Dipl.-Ing. Architekt Lucas Müller ist Vorsitzenderdes Gottfried Semper-Clubs Dresden e.V. Das Wir-ken dieses Clubs ist auf die Erhaltung, Bewahrungund Pflege der kunsthistorischen Leistungen des19. Jahrhunderts gerichtet.

Abb. 7: Brunnen des Palais Oppenheim, jetzt Standesamt Goetheallee 55. (Foto: Lucas Müller)