Das rechtssichere Arbeitszeugnis · 2018-12-17 · 1 Das rechtssichere Arbeitszeugnis Erlaubte und...
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Das rechtssichere Arbeitszeugnis
Erlaubte und nicht erlaubte Formulierungen und anderes Wissenswertes
Professor Dr. Klaus Olbertz 1
Das Thema „Arbeitszeugnis“ weist eine unverändert hohe Praxisrelevanz auf. Auch wenn bei der Auswahl
von Bewerbern verschiedene Kriterien eine Rolle spielen, hat doch das Arbeitszeugnis hierbei weiterhin
maßgebliche Bedeutung. Inhalt und Wortlaut des Zeugnisses entscheiden somit über das berufliche
Fortkommen eines Arbeitnehmers mit. Dieser Umstand erklärt, warum Zeugnisrechtsstreitigkeiten ein
absoluter „Dauerbrenner“ in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sind. Jährlich werden konstant ca.
30.000 arbeitsgerichtliche Prozesse um Zeugniserteilung und -berichtigung allein erstinstanzlich entschieden
(Popp, DB 2016 S. 1075) . Dabei sind die im Rahmen von Vergleichen erledigten Zeugnisstreitigkeiten sowie
die im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen miterledigten Zeugnisstreitigkeiten nicht mitgezählt. Ein
weiterer Grund für das hohe Streitpotenzial bei Arbeitszeugnissen dürfte in der besonderen Zeugnissprache
liegen – von manchen auch als eine Art „Geheimcode“ bezeichnet, mittels dessen (nur) dem sachkundigen
Leser, etwa dem Personaler, kritische Hinweise über den Arbeitnehmer transportiert werden sollen, ohne
diese sprachlich für jedermann transparent benennen zu müssen. Der nachfolgende Beitrag soll
Unternehmen als Handlungshilfe für die Erstellung eines rechtssicheren Arbeitszeugnisses dienen.
I. Das Recht auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses
2Jeder Arbeitnehmer kann bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses von seinem Arbeitgeber die Erteilung
eines Arbeitszeugnisses verlangen. Dieser einklagbare Anspruch folgt für alle Arbeitnehmer aus § 109 Abs. 1
Satz 1 GewO .
3Personen, die keine Arbeitnehmer sind, aber in einem sonstigen Dienstverhältnis zu einem Unternehmen
stehen, können ebenfalls aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses ein Zeugnis beanspruchen (§ 630
BGB ). Dies gilt etwa für arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter, selbständige Handelsvertreter und
GmbH-Geschäftsführer ohne oder mit nur unwesentlichen Geschäftsanteilen (Müller-Glöge in Erfurter
Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Aufl. 2018, § 630 BGB Rz. 2).
Hinweis: Für bestimmte Personengruppen gibt es weitere spezielle Rechtsgrundlagen. Der Zeugnisanspruch des Auszubildenden ist z. B. in § 16 BBiG gesondert geregelt. Zudem gibt es für Tarifbeschäftigte bestimmter Branchen spezielle tarifvertragliche Normen zum Zeugnisanspruch (z. B. § 35 TVöD, § 35 TV-L).
II. Was ein Arbeitszeugnis leisten soll
Das Arbeitszeugnis hat eine Werbe- und eine Informationsfunktion (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO Rz. 1):
• 4Da das Zeugnis dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers dient oder zumindest dienen soll,
ermöglicht die Vorlage des Zeugnisses dem Arbeitnehmer, bei einer Bewerbung auf eine neue
Arbeitsstelle seinen beruflichen Werdegang sowie persönliche und fachliche Befähigungen und
Eignungen zu dokumentieren.
1Professor Dr. Klaus Olbertz, Professor für Wirtschaftsprivatrecht, insbesondere Arbeits- und Sozialrecht, an der
Hochschule Osnabrück. 2Einklagbarer Anspruch für Arbeitnehmer ...
3... und Personen in sonstigen Dienstverhältnissen
4Bewerber wirbt mit einem (guten) Zeugnis für sich
2
• 5Auf der Seite des Arbeitskräfte suchenden Arbeitgebers stellen Arbeitszeugnisse Auswahlkriterien für
die Stellenbesetzung zur Verfügung.
III. Wahrheit und Wohlwollen bestimmen die Zeugnisabfassung
6Die dargestellten, dem Zeugnis zugedachten Funktionen kann es nur erfüllen, wenn der Rechtsverkehr ihm
eine Verbindlichkeit zuerkennt, die es aus der Übernahme einer gewissen Mindestgewähr des Ausstellenden
für den Inhalt des Zeugnisses bezieht (BGH, Urteil v. 15.5.1979 - VI ZR 230/76 ). Konkret bedeutet dies
zweierlei:
• 7Das Zeugnis muss inhaltlich der Wahrheit entsprechen, denn nur so ist einem etwaigen Arbeitgeber
eine konkrete Vorstellung über die Persönlichkeit des Arbeitnehmers und seine betrieblichen
Einsatzmöglichkeiten vermittelbar (LAG Sachsen, Beschluss v. 18.3.2015 - 4 Ta 237/14 ).
• 8Prinzip des Wohlwollens: Der Aussteller hat bei der Zeugnisformulierung den wohlwollenden Maßstab
eines verständigen Arbeitgebers zugrunde zu legen, um dem Arbeitnehmer das berufliche Fortkommen
nicht unnötig zu erschweren (LAG Hamm, Urteil v. 1.12.1994 - 4 Sa 1631/94 ).
9Das Gebot der Wahrheit geht allerdings dem Prinzip des Wohlwollens vor (BAG, Urteil v. 10.5.2005 - 9 AZR
261/04 [MAAAB-94953] ). Der Arbeitnehmer kann eine wohlwollende Formulierung somit immer nur innerhalb
der Grenzen der Wahrheit beanspruchen (BAG, Urteil v. 18.11.2014 - 9 AZR 584/13 [UAAAE-85865] ).
Hinweis: In der Praxis werden sich häufig Formulierungen finden lassen, die sowohl dem Gebot der Wahrheit als auch dem des Wohlwollens gerecht werden. Soweit ein Konflikt zwischen diesen beiden Prinzipien im Einzelfall einmal nicht auflösbar sein sollte, hat der Arbeitgeber dem Gebot der Wahrheit den Vorrang einzuräumen.
IV. Arten von Zeugnissen
1. Einfaches und qualifiziertes Zeugnis
Das Gesetz (§ 109 GewO ) unterscheidet zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Zeugnis, wobei der
Arbeitnehmer das Recht hat zu wählen (Ecklebe, DB 2015 S. 923) :
• 10
Das einfache Zeugnis enthält lediglich Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit (§ 109 Abs. 1 Satz 2
GewO ).
• 11
Das qualifizierte Zeugnis umfasst darüber hinaus auch Angaben zu Leistung und Verhalten des
Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis (§ 109 Abs. 1 Satz 3 GewO ).
NWB Nr. 12 vom 19.03.2018 - 804 -
Hinweis: In der Praxis hat der Arbeitnehmer regelmäßig ein Interesse an der Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses, weil nur dieses den üblichen Erwartungen des möglichen Folgearbeitgebers entsprechen dürfte. Das bedeutet,
5Arbeitgeber erhält Informationen
6Ordemann, NWB 44/2017 S. 3357, 3364
7Gebot der Zeugniswahrheit
8Gebot der wohlwollenden Abfassung
9Bei Konflikten: Wahrheit vor Wohlwollen
10Einfaches Zeugnis
11Qualifiziertes Zeugnis
3
dass eine pauschale Forderung des Arbeitnehmers nach einem Zeugnis i. d. R. als Verlangen nach einem qualifizierten Zeugnis auszulegen sein dürfte (§§ 133 , 157 BGB).
12Gerichtlich noch nicht abschließend geklärt ist, ob ein Arbeitnehmer die eine Zeugnisart (z. B. das
qualifizierte) auch dann noch beanspruchen kann, wenn er die andere Zeugnisart bereits erfolgreich
durchgesetzt hat. In der Literatur wird dies wohl mehrheitlich befürwortet (zum Meinungsstand Müller-Glöge,
a. a. O., § 109 GewO, Rz. 6).
2. Das End- und das Zwischenzeugnis
Das Gesetz kennt nur das Endzeugnis („bei Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses). In der betrieblichen Praxis
wird aber außerdem noch zwischen End- und Zwischenzeugnis differenziert, also nach dem Zeitpunkt, zu dem
das Zeugnis erstellt wird.
13Das Zwischenzeugnis wird während des ungekündigten Arbeitsverhältnisses erteilt. Ein solches
Zwischenzeugnis kann der Arbeitnehmer nur beanspruchen, soweit ein triftiger Grund hierfür vorliegt (BAG,
Urteil v. 4.11.2015 - 7 AZR 933/13 [ZAAAF-69335] , Rz. 39). Nach Rechtsprechung und Literatur sollen hierfür
u. a. folgende Umstände in Betracht kommen können (vgl. den Überblick bei Müller-Glöge, a. a. O., § 109
GewO, Rz. 50):
• Ausspruch einer Kündigung mit längerer Kündigungsfrist;
• Ausscheiden des langjährigen Fachvorgesetzten;
• persönliche Veränderungen des Arbeitnehmers (z. B. Versetzung, Fort- und Weiterbildung);
• Bewerbung um eine neue Stelle;
• längere Arbeitsunterbrechungen ab einem Jahr (z. B. wegen Elternzeit);
• strukturelle Änderungen innerhalb des Betriebs (z. B. Betriebsübernahme durch einen neuen
Arbeitgeber).
14Für Inhalt, Form etc. des Zwischenzeugnisses gelten im Übrigen die gleichen Grundsätze wie für das bei
Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszustellende Zeugnis. Die nachfolgenden Ausführungen gelten daher
gleichermaßen für das End- und Zwischenzeugnis, soweit nichts anderes vermerkt ist.
V. Wer ein Zeugnis beanspruchen kann und wer es erteilen muss
1. Anspruchsberechtigte
15Anspruch auf ein Zeugnis haben zunächst alle Arbeitnehmer (§ 109 GewO ). Art, Umfang und Dauer der
geschuldeten Arbeit sind irrelevant. Daher ist es auch unerheblich, ob die Arbeit in Voll- oder Teilzeit, im Haupt-
oder Nebenberuf geschuldet ist oder ob es sich um ein unbefristetes bzw. befristetes Arbeitsverhältnis handelt.
Gleichermaßen irrelevant ist es, wenn das Arbeitsverhältnis bereits während der Probezeit beendet wird
(Küttner/Poeche, Personalbuch 2017, Zeugnis, Rz. 4).
12
Anspruch auf zwei Zeugnisse in unterschiedlicher Form? 13
Zwischenzeugnis nur bei triftigen Gründen 14
Für Inhalt, Form etc. des Zwischenzeugnisses gelten grds. keine Besonderheiten 15
Arbeitnehmer
4
16Auch Nichtarbeitnehmer können einen entsprechenden Anspruch auf Zeugniserteilung haben. Dieser folgt
jedoch – wie oben unter I ausgeführt – nicht aus § 109 GewO , sondern aus § 630 BGB .
2. Zeugnisschuldner
17Zeugnisschuldner ist der Arbeitgeber. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass er das Zeugnis auch
persönlich unterzeichnen muss. Er kann sich für die Erstellung und Unterzeichnung grds. auch eines
angestellten Vertreters bedienen. Allerdings muss der
NWB Nr. 12 vom 19.03.2018 - 805 -
ausgewählte Vertreter auch befugt gewesen sein, dem zu beurteilenden Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen.
Im Arbeitszeugnis muss diese weisungsbefugte Position des Unterzeichners auch zum Ausdruck kommen (BAG,
Urteil v. 26.6.2001 - 9 AZR 392/00 [SAAAB-94990] ). Denn fachliche Zuständigkeit und Rang in der Hierarchie
geben Aufschluss über die Kompetenz des Ausstellers und ermöglichen dem Zeugnisleser eine Einschätzung der
Richtigkeit der im Zeugnis zur Beurteilung des Arbeitnehmers getroffenen Aussagen. In jedem Fall muss der
Unterzeichner des Zeugnisses somit erkennbar ranghöher sein als der Arbeitnehmer (BAG, Urteil v. 4.10.2005 -
9 AZR 507/04 [XAAAB-95032] ).
Hinweis: Das Zeugnis eines Angestellten, der unmittelbar der Geschäftsführung unterstellt war, ist daher zumindest (auch) von einem vertretungsberechtigten Geschäftsführer zu unterzeichnen (BAG, Urteil v. 16.11.1995 - 8 AZR 983/94 ).
VI. Zeitpunkt der Zeugniserteilung
1. Fälligkeit des Zeugnisanspruchs
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zeugniserteilung ist zwischen End- und Zwischenzeugnis zu differenzieren.
a) Endzeugnis
18Der Anspruch auf Ausstellung des Endzeugnisses entsteht „bei Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses (§ 109
Satz 1 GewO ) und ist sogleich fällig, setzt jedoch voraus, dass der Arbeitnehmer die Erteilung des
Endzeugnisses auch verlangt (Linck/Schaub, ArbRHdB, 17. Aufl. 2017, § 147 Rz. 7).
Hinweis: Solange der Arbeitnehmer den Arbeitgeber – aus welchen Gründen auch immer – nicht zur Erteilung eines Zeugnisses aufgefordert hat, braucht der Arbeitgeber insoweit auch nicht tätig zu werden (BAG, Urteil v. 12.2.2013 - 3 AZR 120/11 [FAAAE-34528] ). Er muss also nicht von sich aus auf den Arbeitnehmer zugehen und diesen fragen, ob er ein Zeugnis möchte, sondern kann abwarten.
19„Bei Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses meint bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen den Zeitpunkt des
Zugangs einer Kündigungserklärung oder den Abschluss eines Aufhebungsvertrags.
Bei befristeten Arbeitsverhältnissen handelt es sich um eine angemessene Zeit vor Beendigung des
Arbeitsverhältnisses (Linck/Schaub, a. a. O., § 147, Rz. 7). Ab diesem jeweiligen Zeitpunkt kann der
Arbeitnehmer das Endzeugnis beanspruchen. Er muss also nicht das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses,
also etwa bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, abwarten, um seinen Anspruch durchsetzen zu können.
16
Nichtarbeitnehmer 17
Arbeitgeber oder gegenüber dem Arbeitnehmer ranghöherer oder weisungsbefugter Dritter 18
Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Verlangen des Arbeitnehmers 19
Kündigungszugang oder Abschluss des Aufhebungsvertrags
5
Praxistipp: Verlangt der Arbeitnehmer bereits vor dem rechtlichen Ende seines Arbeitsverhältnisses die Erteilung eines Zeugnisses, ist der Arbeitgeber indes gut beraten, ein solches Zeugnis als „vorläufig“ zu kennzeichnen. Denn die für seinen Inhalt maßgeblichen Umstände können sich bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ändern.
b) Zwischenzeugnis
Das 20
Zwischenzeugnis ist zu erteilen, sobald der hierfür erforderliche triftige Grund vorliegt (s. IV, 2) und der
Arbeitnehmer die Erteilung des Zwischenzeugnisses verlangt hat.
2. Bearbeitungszeit des Arbeitgebers
21Hat der Arbeitnehmer die Zeugniserteilung geltend gemacht, soll der Arbeitgeber verpflichtet sein, das
Zeugnis „unverzüglich“ auszustellen (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO, Rz. 63). Welche Bearbeitungszeit dem
Arbeitgeber hierfür genau zur Verfügung steht, hängt vom konkreten Einzelfall ab, insbesondere davon, ob ein
qualifiziertes oder ein einfaches Zeugnis verlangt wird, aber auch von der Länge und Komplexität der Tätigkeit
des Arbeitnehmers und den betrieblichen Umständen.
Hinweis: Als Faustformel für eine (noch) zulässige Bearbeitungszeit gelten zwei bis drei Tage für ein einfaches Zeugnis bzw. zwei bis drei Wochen für ein qualifiziertes Zeugnis (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO, Rz. 63).
3. Erlöschen des Zeugnisanspruchs
Hat der Arbeitnehmer die Zeugniserteilung nicht geltend gemacht, kann der Zeugnisanspruch mit Zeitablauf
erlöschen.
a) Ausschlussklauseln
22Unterliegt das Arbeitsverhältnis des betreffenden Arbeitnehmers einer tarif- oder arbeitsvertraglich wirksam
vereinbarten Ausschlussfrist, bezieht sich diese regelmäßig auch auf den Anspruch des Arbeitnehmers auf
Zeugniserteilung (BAG 9 AZR 507/04 ; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 29.6.2017 - 2 Sa 5/17 [VAAAG-75472] ,
Rz. 58). In einem solchen Fall ist der Arbeitnehmer also gut beraten, die Erteilung des Zeugnisses innerhalb der
für ihn geltenden Ausschlussfrist geltend zu machen. Ist die Ausschlussfrist abgelaufen, muss der Arbeitgeber
den Zeugnisanspruch nicht mehr erfüllen.
Hinweis: Die Ausschlussfrist muss aber wirksam vereinbart sein. Arbeitsvertraglich vorformulierte Ausschlussklauseln unterliegen seit einiger Zeit einer verschärften Rechtmäßigkeitsprüfung durch die Arbeitsgerichte. Sie sind (nur) wirksam, wenn sie den üblichen tariflichen Ausschlussklauseln entsprechen und der Angemessenheitskontrolle (§ 307 Abs. 1 BGB ) genügen (BAG, Urteil v. 1.3.2006 - 5 AZR 511/05 [LAAAB-94346] ). Daher sind in einem Formulararbeitsvertrag enthaltene Ausschlussfristen, die die Geltendmachung von Ansprüchen in weniger als drei Monaten verlangen, unwirksam (BAG, Urteil v. 14.6.2016 - 9 AZR 181/15 [QAAAF-84018] ). Gleiches gilt für Klauseln, nach denen nur der Arbeitnehmer binnen einer bestimmten Frist seine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend machen muss (BAG, Urteil vom 31.8.2005 - 5 AZR 545/04 [EAAAB-94357] ).
b) Verjährung, Verwirkung
23Soweit keine Ausschlussklausel vereinbart ist, verjährt der Anspruch auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses
in drei Jahren (vgl. § 195 BGB ; LAG Köln, Urteil v. 31.8.2016 - 11 Sa 1025/15 [LAAAG-75471] ). Die
20
Triftiger Grund 21
„Unverzüglich“ 22
Ausschlussfristen gelten grds. auch für Zeugnisanspruch 23
Dreijährige Verjährungsfrist
6
Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Zeugnisanspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1
BGB ).
24Weit vor Ablauf der Verjährungsfrist kann der Arbeitnehmer den Anspruch auf Zeugniserteilung verwirken,
wenn er das Zeugnis nicht innerhalb angemessener Zeit verlangt hat (Zeitmoment) und beim Arbeitgeber
aufgrund dessen der Eindruck erweckt worden ist, der Arbeitnehmer beanspruche kein Zeugnis mehr
(Umstandsmoment).
Hinweis: Eine Verwirkung kann regelmäßig bereits nach Ablauf von zehn Monaten und damit weit vor Ablauf der Verjährungsfrist in Betracht kommen (BAG, Urteil v. 17.2.1988 - 5 AZR 638/86 ).
c) Verzicht, Ausgleichsquittung
25Der Zeugnisanspruch ist unabdingbar, ein vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärter Verzicht des
Arbeitnehmers auf Zeugniserteilung ist daher unwirksam (LAG Köln, Beschluss v. 17.6.2010 - 7 Ta 352/09 ).
Ob dies gleichermaßen auch für einen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärten Verzicht gilt, ist
umstritten. Praktische Relevanz hat dies insbesondere für die Frage, ob die in einem arbeitsgerichtlichen
Vergleich häufig vereinbarte „große Ausgleichsklausel“ auch den Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers erfasst.
Unter der „großen Ausgleichsklausel“ versteht man die Formulierung „Mit Abschluss dieses Vergleichs sind alle
wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis erledigt.“
26Seit einer älteren Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1974 geht die Praxis davon aus, dass der
Arbeitnehmer auch nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht auf den Zeugnisanspruch wirksam
verzichten kann (Korinth, ArbRB 2013 S. 193 unter Hinweis auf BAG, Urteil v. 16.9.1974 - 5 AZR 255/74 ), so
dass der Zeugnisanspruch auch nicht von einer großen Ausgleichsklausel erfasst wird. Dies hat das LAG Berlin-
Brandenburg jedoch nunmehr infrage gestellt und entschieden, dass von einer solchen großen
Ausgleichsklausel auch der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses umfasst sein kann (LAG
Berlin-Brandenburg, Urteil v. 6.12.2011 - 3 Sa 1300/11 [GAAAG-75464] ).
Praxistipp: Aufgrund der unklaren Rechtslage dürfte es für beide Arbeitsvertragsparteien regelmäßig zu empfehlen sein, in einem Vergleich den Zeugnisanspruch explizit und abschließend zu regeln, um späteren Streitigkeiten rechtssicher vorbeugen zu können.
VII. Ort der Zeugniserteilung
27Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so hat die Leistung am
Wohnsitz des Schuldners zu erfolgen. Grds. hat der Arbeitnehmer daher das Zeugnis beim Arbeitgeber
abzuholen, da die Zeugnisschuld eine sog. Holschuld ist (§ 269 Abs. 2 BGB ; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss
v. 6.2.2013 - 10 Ta 31/13 ). Nur ausnahmsweise ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf seine Gefahr und Kosten
dem Arbeitnehmer das Zeugnis zu übermitteln, etwa wenn der Arbeitgeber das Zeugnis nicht rechtzeitig
erstellt hat oder die Abholung des Zeugnisses für den Arbeitnehmer mit unverhältnismäßigen Kosten
verbunden wäre (BAG, Urteil v. 8.3.1995 - 5 AZR 848/93 ).
24
Verwirkung vor Verjährung möglich 25
Verzicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam 26
Verzicht durch die „große Ausgleichsklausel“ vereinbart? 27
Grds. Holschuld des Arbeitnehmers
7
VIII. Form des Arbeitszeugnisses
28Die Form des Arbeitszeugnisses bestimmt sich nach dessen Zweck, dem Arbeitnehmer in seinem beruflichen
Fortkommen zu dienen. Wegen seiner Außenwirkung muss es daher, was äußere Form, Ausstellungsdatum und
Person des Unterzeichners betrifft, den im Geschäftsverkehr üblichen und von Dritten auch erwarteten
Gepflogenheiten entsprechen (Küttner/Poeche, a. a. O., Rz. 16).
Praxistipp: Formelle Fehler bei der Zeugniserstellung sind häufig Gegenstand von arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen. Die betriebliche Praxis ist gut beraten, die formellen Vorgaben bei der Zeugniserstellung sorgsam zu beachten, um solche Streitigkeiten zu vermeiden.
Im Einzelnen bedeutet dies Folgendes:
1. Schriftform
29Das Zeugnis unterliegt der Schriftform (§ 109 Satz 1 GewO ). Es ist maschinenschriftlich auf dem für die
Geschäftskorrespondenz des Arbeitgebers üblichen Papier auszustellen (BAG, Urteil v. 3.3.1993 - 5 AZR 182/92
). Die Erteilung in elektronischer Form ist ausgeschlossen (§ 109 Abs. 3 GewO ). Am Ende ist es handschriftlich
zu unterzeichnen.
2. Ausstellungsdatum
30Das Zeugnis muss ein Ausstellungsdatum tragen. Dies ist regelmäßig der Tag der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses. Da für Dritte nicht erkennbar sein soll, ob das Zeugnis Gegenstand von (gerichtlichen)
Auseinandersetzungen war, muss der Arbeitgeber ein ggf. erneut ausgestelltes korrigiertes Zeugnis auf den Tag
des Ausscheidens rückdatieren (BAG, Urteil v. 9.9.1992 - 5 AZR 509/91 ).
Hinweis: Verlangt der Arbeitnehmer sein Zeugnis allerdings erst erhebliche Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstmalig, hat er keinen Anspruch auf Angabe eines zurückliegenden Datums.
3. Sonstiges
31Der Arbeitnehmer ist im Zeugnis mit Vor- und Familiennamen sowie bei Vorhandensein eines akademischen
Titels auch mit diesem zu bezeichnen. Anschrift und Geburtsdatum sollten nur mit Einverständnis
aufgenommen werden, da sie zur Identifikation nicht zwingend erforderlich sind (Müller-Glöge, a. a. O., § 109
GewO, Rz. 13).
32Zeugnissprache ist deutsch. Auch für ausländische Arbeitnehmer ist das Zeugnis daher grds. in deutscher
Textsprache abzufassen.
Hinweis: Ausnahmsweise gilt etwas anderes, wenn eine Fremdsprache das Arbeitsverhältnis prägt, wie dies bei der englischen Sprache für bestimmte Funktionen immer häufiger der Fall ist (hierzu sowie zu den betrieblichen Herausforderungen bei Übersetzung der Zeugnissprache: Kursawe, ArbRB 2010 S. 641).
33Innerhalb des Textes sind Gänsefüßchen, Unterstreichungen, Hervorhebungen durch Fettdruck, Ausrufungs-
oder Fragezeichen, Textlücken, Durchstreichungen o. Ä. unzulässig (Küttner/Poeche, a. a. O., Rz. 17 m. w. N.).
28
Zeugnis muss erwarteten Gepflogenheiten entsprechen 29
Handschriftliche Unterzeichnung 30
Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 31
Persönliche Daten des Arbeitnehmers 32
Deutsch als Zeugnissprache 33
Weitere Anforderungen an die äußere Form
8
Ferner muss das Zeugnis kopierfähig sein, d. h. eventuelle Knicke zum Zwecke des Versands dürfen sich auf
Ablichtungen nicht als Schwärzungen abzeichnen (BAG, Urteil v. 21.9.1999 - 9 AZR 893/98 ).
IX. Inhalt des Arbeitszeugnisses
Der Inhalt des Zeugnisses hängt maßgeblich davon ab, ob der Arbeitnehmer ein einfaches oder ein
qualifiziertes Zeugnis beansprucht. Ein einfaches Zeugnis trifft im Wesentlichen nur Aussagen über Art und
Dauer der Beschäftigung (sog. Tätigkeitsbeschreibung). Das qualifizierte Zeugnis beinhaltet darüber hinaus
auch Beurteilungen der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers.
1. Tätigkeitsbeschreibung
34Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so darzustellen, dass sich ein Leser ein genaues Bild über Art und
Umfang der Beschäftigung machen kann. Dabei sind der berufliche Weg sowie die übertragenen Aufgaben,
insbesondere spezielle Aufgaben, Tätigkeiten und Befugnisse nachzuzeichnen (Müller-Glöge, a. a. O., § 109
GewO, Rz. 29).
35Die anzugebende Beschäftigungsdauer richtet sich nach dem rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses.
Unterbrechungen durch Krankheit, Urlaub, Bildungsurlaub etc. sind grds. nicht aufzunehmen (LAG Sachsen,
Urteil v. 30.1.1996 - 5 Sa 996/95 [AAAAG-75466] ).
Erhebliche Ausfallzeiten, etwa bedingt durch Elternzeit, können ausnahmsweise erwähnt werden, wenn sie im
Verhältnis zur Dauer der tatsächlichen Beschäftigung ins Gewicht fallen und es nach der Art der geschuldeten
Arbeit besonders auf Erfahrungswissen ankommt (Küttner/Poeche, a. a. O., Rz. 23). Maßgeblich sind hierbei
stets die Umstände des Einzelfalls (BAG, Urteil vom 10.5.2005 - 9 AZR 261/04 [MAAAB-94953] ).
36Die Gründe und Umstände der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind im Zeugnis regelmäßig nicht zu
nennen (LAG Sachsen 5 Sa 996/95 ). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer dies ausdrücklich
wünscht.
Hinweis: Insbesondere in den Fällen, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt bzw. nicht durch dessen Fehlverhalten veranlasst worden ist, besteht regelmäßig ein Interesse des Arbeitnehmers an der Benennung des Beendigungsgrunds.
Formulierungsbeispiel für ein einfaches Zeugnis eines Arbeitnehmers mit Tätigkeitsbeschreibung:
Herr/Frau ..., (geboren am ... in ...,) war im Zeitraum vom ... bis zum ... als ... in unserer Abteilung ... beschäftigt.
Ihm/ihr oblagen zunächst folgende Aufgaben ..., später hat er/sie zusätzlich ... übernommen.
Herr/Frau ... verlässt unser Unternehmen am ... (auf eigenen Wunsch/wegen Verlegung des Wohnsitzes etc.).
(Ort, Datum) (Unterschrift)
2. Leistungsbeurteilung
37Im Rahmen der Beurteilung der Leistung des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber darzustellen, wie der
Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben ausgeführt hat. Dies umfasst sämtliche Kriterien, die geeignet
sind, die berufliche Leistung des Arbeitnehmers darzulegen. Hierzu gehören etwa (vgl. Tschöpe/Wessel,
Arbeitsrecht Handbuch, 10. Aufl. 2017, Rz. 41):
34
Ausführliche Beschreibung der Beschäftigung 35
Beschäftigungsdauer, Unterbrechungen 36
Grund und Umstände des Ausscheidens 37
Leistungsfaktoren
9
• Fachkenntnisse, Fertigkeiten
• Arbeitsbereitschaft
• Arbeitstempo, Ökonomie
• Qualität der Arbeit
• erzielte Erfolge
• berufliches Engagement
• Fortbildungsbereitschaft
• Vielseitigkeit
• Auffassungsgabe, Ausdrucksvermögen
• Verhandlungsgeschick
• Spezialkenntnisse und besondere Fertigkeiten.
Praxishinweis: 38
Der Arbeitgeber hat im Rahmen der ihm obliegenden Wahrheitspflicht bei der Leistungsbeschreibung einen Beurteilungsspielraum, welche positiven und/oder negativen Leistungen und Eigenschaften des Arbeitnehmers er betont oder vernachlässigt und wie er das Zeugnis formuliert. Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers, der seiner Bewertung Tatsachen, nicht Vermutungen oder Verdächtigungen zugrunde legt (BAG, Urteil v. 15.11.2011 - 9 AZR 386/10 [XAAAE-04529] ). Ungünstiges braucht aber nicht verschwiegen zu werden (z. B. Nichtbestehen einer Prüfung).
39Die Leistungsbeurteilung endet regelmäßig mit einer den bekannten Schulnoten entsprechenden
Schlussnote (BAG 9 AZR 584/13 ; BAG, Urteil vom 14.10.2003 - 9 AZR 12/03 [NAAAB-94905] ). Dabei hat sich in
der Praxis allein die sog. sechsstufige Zufriedenheitsskala durchgesetzt, die eine zusammenfassende Bewertung
vorsieht, auf die der Arbeitnehmer einen Anspruch hat. Diese kann wie folgt zusammengefasst werden:
Zufriedenheitswert Note
„stets/immer/durchgehend zu unserer vollsten
Zufriedenheit“
sehr gut
stets/immer/durchgehend zu unserer vollen
Zufriedenheit“
gut
„stets zu unserer Zufriedenheit“, „zu unserer
vollen Zufriedenheit“
befriedigend
„zu unserer Zufriedenheit“ ausreichend
„im Großen und Ganzen (insgesamt) zu unserer
Zufriedenheit“
mangelhaft
„führte die ihm/ihr übertragene Aufgabe mit
großem Fleiß und Interesse durch“; „hat sich
bemüht, die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zu
unserer Zufriedenheit auszuführen“
ungenügend
38
Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers 39
Schlussnote
10
Praxistipp: Andere Beurteilungssysteme, sofern es sie überhaupt gibt, sind demgegenüber praktisch bedeutungslos (Gäntgen, RdA 2016 S. 147 m. w. N.). Daher kann Arbeitgebern zur Vermeidung unnötiger Auseinandersetzungen nur geraten werden, die oben dargestellte Zufriedenheitsskala auch entsprechend zu verwenden.
3. Verhaltensbeurteilung
40Im Hinblick auf die Beurteilung des Verhaltens sind die für die jeweils betreffende Tätigkeit des
Arbeitnehmers relevanten Persönlichkeitsmerkmale und Charaktereigenschaften darzustellen. Hierzu gehören
etwa (vgl. Tschöpe/Wessel, a. a. O., Rz. 43):
• das Sozialverhalten
• das Führungsverhalten
• das Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf
• die Kooperationsbereitschaft
• die Teamfähigkeit
• das gesamte Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, Kunden und Geschäftspartnern.
Hinweis: Angaben zu privaten Verhaltensweisen des Arbeitnehmers dürfen ausnahmsweise in das Zeugnis aufgenommen werden, wenn diese dienstlich relevant sind, d. h. sich auch tatsächlich dienstlich auswirken (z. B. gegen den Arbeitgeber verübte Straftaten oder Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch mit Bezug zum Arbeitsverhältnis (BAG, Urteil v. 29.1.1986 - 4 AZR 479/84 ). Im Übrigen sind Angaben über das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers nicht zulässig.
41Zur zusammenfassenden Verhaltensbeurteilung werden – wie schon bei der Leistungsbeurteilung –
abgestufte Standardformulierungen verwendet (BAG, Urteil v. 21.6.2005 - 9 AZR 352/04 [MAAAB-94979] ).
Diese lassen sich etwa wie folgt clustern:
Zufriedenheitswert Note
„Sein/ihr Verhalten gegenüber
Vorgesetzten/Mitarbeitern/Kunden etc. war stets
vorbildlich.“
sehr gut
„Sein/ihr Verhalten gegenüber
Vorgesetzten/Mitarbeitern/Kunden etc. war
vorbildlich“.
gut
„... war stets einwandfrei“; „... stets korrekt“ befriedigend
„... war ohne Grund zur Beanstandungen“ ausreichend
„... war insgesamt zufriedenstellend“ mangelhaft
40
Kriterien 41
Bewertungsskala
11
4. Schluss- bzw. Dankesformel
42In der betrieblichen Praxis weit verbreitet ist es, das Zeugnis mit einer Schlussformel zu versehen, in der der
Arbeitgeber seinen Dank, sein Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Unternehmen und
seine guten Wünsche für dessen weitere berufliche Zukunft zum Ausdruck bringt.
Formulierungsbeispiel:
Wir bedauern das Ausscheiden von Herrn/Frau... aus unserem Unternehmen und wünschen ihm/ihr für die
Zukunft alles Gute.
Eine rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Aufnahme einer solchen Abschiedsformel besteht jedoch
nicht (BAG, Urteil v. 11.12.2012 - 9 AZR 227/11 [YAAAE-30453] ).
Hinweis: Entscheidet sich der Arbeitgeber jedoch für eine Schluss- und/oder Dankesformel, muss diese auch zum übrigen Inhalt des Zeugnisses passen (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 3.2.2011 - 21 Sa 74/10 [WAAAG-75463] ). Andernfalls muss der Arbeitgeber die Abschiedsformel entweder entsprechend anpassen oder auf Verlangen des Arbeitnehmers gänzlich streichen (Küttner/Poeche, a. a. O., Rz. 34).
X. Änderungen des Arbeitszeugnisses
Beide Arbeitsvertragsparteien – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – können u. U. ein Interesse an der Änderung
eines bereits erteilten Arbeitszeugnisses haben.
1. Widerruf durch den Arbeitgeber
43Der Arbeitgeber kann ein bereits erteiltes Zeugnis widerrufen, wenn er nach Erteilung Kenntnis von solchen
Umständen erlangt, die eine andere Beurteilung rechtfertigt, soweit das bereits erteilte Zeugnis bei
rückschauender Betrachtung wesentliche Unrichtigkeiten enthält, die für einen anderen Arbeitgeber bei der
Einstellungsentscheidung von ausschlaggebender Bedeutung sein können (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO
Rz. 56).
Hinweis: In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber das Zeugnis widerrufen. Die Herausgabe des widerrufenen Zeugnisses kann der Arbeitgeber jedoch nur Zug-um-Zug gegen Erteilung eines neuen, inhaltlich korrigierten Zeugnisses verlangen (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO, Rz. 56).
2. Berichtigung auf Veranlassung des Arbeitnehmers
44Korrigiert der Arbeitgeber das ursprüngliche Zeugnis des Arbeitnehmers auf dessen Veranlassung, ist der
Arbeitnehmer seinerseits verpflichtet, Zug um Zug gegen Erteilung des neuen Zeugnisses das zunächst erteilte
Zeugnis zurückzugeben (LAG München, Urteil v. 11.11.2008 - 8 Sa 298/08 ). Ist der Arbeitgeber hingegen nicht
mit der vom Arbeitnehmer begehrten Zeugnisberichtigung einverstanden, kommt es häufig zu einer
gerichtlichen Auseinandersetzung, dem sog. Zeugnisberichtigungsprozess.
45Im Hinblick auf die Erfolgsaussichten bei einem solchen Prozess kommt der Verteilung der Darlegungs- und
Beweislast maßgebliche Bedeutung zu. Diese hängt davon ab, ob der Arbeitnehmer in dem ihm erteilten
Zeugnis durchschnittlich oder unterdurchschnittlich beurteilt worden ist. Beansprucht der mit einer
durchschnittlichen Leistung („befriedigend“) beurteilte Arbeitnehmer eine verbesserte Beurteilung mit der
Note „sehr gut“ oder „gut“, muss er im Falle des Bestreitens durch den Arbeitgeber zur Überzeugung des
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Kein Rechtsanspruch 43
Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen 44
Zeugnisberichtigungsprozess 45
Veteilung der Darlegungs- und Beweislast
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Gerichts darlegen und beweisen, dass seine Leistungen auch tatsächlich sehr gut bzw. gut waren (BAG 9 AZR
584/13 ). Ist der Arbeitnehmer hingegen im Zeugnis unterdurchschnittlich beurteilt worden („ausreichend“
oder schlechter) und begehrt er eine durchschnittliche Beurteilung („befriedigend“), liegt die Darlegungs- und
Beweislast beim Arbeitgeber.
Hinweis: Der Umstand, dass ein Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses nicht beanstandet hat, muss noch nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber ein (sehr) gutes Zeugnis auszustellen hat (LAG Düsseldorf, Urteil v. 26.2.1985 - 8 Sa 1873/84 ). In einem solchen Fall kann somit durchaus auch eine durchschnittliche Beurteilung in Betracht kommen, soweit der Arbeitgeber Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers tatsächlich entsprechend bewertet.
XI. Haftung bei verspäteter oder unrichtiger Zeugniserteilung
1. Haftung gegenüber dem Arbeitnehmer
46Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Pflichten dadurch, dass er das Zeugnis verspätet oder nicht
ordnungsgemäß (fehlerhaft oder unvollständig) ausstellt, ist er dem Arbeitnehmer wegen Schuldnerverzugs
(§ 280 Abs. 2, § 286 BGB ) bzw. wegen Schlechterfüllung (§ 280 Abs. 1 BGB ) zum Ersatz des hierdurch
entstehenden Schadens verpflichtet (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 1.4.2009 - 1 Sa 370/08 [FAAAG-75473] ;
LAG Düsseldorf, Urteil v. 23.7.2003 - 12 Sa 232/03 [UAAAG-75468] ).
47Der zu ersetzende Schaden besteht regelmäßig in dem Verdienstausfall, den der Arbeitnehmer dadurch
erleidet, dass er wegen des fehlenden oder unrichtig erteilten Zeugnisses keine neue Arbeitsstelle findet oder
nur zu schlechteren Arbeitsbedingungen eingestellt wird (Küttner/Poeche, a. a. O., Rz. 43).
Praxishinweis: Die Darlegungs- und Beweislast der Ursächlichkeit des fehlenden oder unrichtig erteilten Zeugnisses für den geltend gemachten Verdienstausfall trifft den Arbeitnehmer (LAG Hessen, Urteil v. 30.7.2003 - 2 Sa 159/03 ). Es reicht also nicht aus, dass der Arbeitnehmer pauschal behauptet, das fehlende oder unrichtige Zeugnis sei kausal für die erfolglosen Bewerbungen. Vielmehr muss er Tatsachen nachweisen können, die die Ursächlichkeit im konkreten Einzelfall nahelegen (BAG, Urteil v. 24.3.1977 - 3 AZR 232/76 ). Hierfür muss der Arbeitnehmer zumindest darlegen und beweisen können, dass der potenzielle neue Arbeitgeber Interesse an der Einstellung hatte und das fehlende bzw. unrichtige Zeugnis auch zum Gesprächsgegenstand gemacht hat.
2. Haftung gegenüber dem Folgearbeitgeber
48Des Weiteren kann sich der das Zeugnis ausstellende Arbeitgeber gegenüber dem Folgearbeitgeber des
Arbeitnehmers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB ) schadensersatzpflichtig machen,
falls er in dem Zeugnis wissentlich unwahre Angaben gemacht und hierbei zumindest billigend die Schädigung
anderer Arbeitgeber in Kauf genommen hat (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO, Rz. 68). Bescheinigt etwa der
Arbeitgeber dem in einer Vertrauensstellung beschäftigten Arbeitnehmer äußerste Zuverlässigkeit, obwohl
dieser einen größeren Geldbetrag entwendet hatte, ist das Zeugnis grob falsch und geeignet, einen neuen
Arbeitgeber zu täuschen. Stellt der neue Arbeitgeber den Arbeitnehmer sodann im Vertrauen auf die
Richtigkeit des Zeugnisses ein und stiehlt der Arbeitnehmer beim neuen Arbeitgeber ebenfalls, kommt eine
Schadensersatzhaftung des alten Arbeitgebers in Betracht (OLG München, Urteil v. 30.3.2000 - 1 U 6245/99 ).
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Schadensersatz wegen Verzugs oder Schlechterfüllung 47
Verdienstausfall als zu ersetzender Schaden 48
Arbeitgeber macht wissentlich unwahre Angaben
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Checkliste: Übliche Bestandteile eines qualifizierten Zeugnisses
• Geschäftspapier des Arbeitgebers
• Überschrift: Zeugnis/Zwischenzeugnis/vorläufiges Zeugnis
• Eingangsformel (Angaben zur Person des Arbeitnehmers: Name, Vorname, ggf. Geburtsname und
akademische Titel, Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, ggf. Unterbrechungen der Beschäftigung,
Berufsbezeichnung
• Ausführliche Tätigkeitsbeschreibung
• Ausführliche Leistungsbeurteilung
• Ausführliche Verhaltensbeurteilung
• Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Modalitäten nur auf Wunsch des Arbeitnehmers)
• Eventuell: Schlussformel (Dank, Bedauern über Ausscheiden, Zukunftswünsche)
• Ort, Ausstellungsdatum, Unterschrift (ggf. mit Vertretungsbefugnis).
Fazit
Die Erstellung eines Arbeitszeugnisses ist für den Arbeitgeber mit nicht unerheblichem Aufwand
verbunden. Er muss dabei einerseits die zahlreichen Vorgaben an Form und Inhalt des Zeugnisses
beachten, andererseits den „Spagat“ zwischen dem Wahrheitsgebot und dem Prinzip des Wohlwollens
berücksichtigen. Beachtet der Arbeitgeber jedoch die in diesem Praxisleitfaden dargestellten
Grundsätze und Standardformulierungen, sollte er wesentliche Fehlerquellen für streitige
Zeugnisauseinandersetzungen erfolgreich vermeiden können.
Autor
Professor Dr. Klaus Olbertz ist Professor für Wirtschaftsprivatrecht, insbesondere Arbeits- und Sozialrecht, an
der Hochschule Osnabrück.
Fundstelle(n):
NWB 2018 Seite 802
[HAAAG-78021]