Das rechtssichere Arbeitszeugnis · 2018-12-17 · 1 Das rechtssichere Arbeitszeugnis Erlaubte und...

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1 Das rechtssichere Arbeitszeugnis Erlaubte und nicht erlaubte Formulierungen und anderes Wissenswertes Professor Dr. Klaus Olbertz 1 Das Thema „Arbeitszeugnis“ weist eine unverändert hohe Praxisrelevanz auf. Auch wenn bei der Auswahl von Bewerbern verschiedene Kriterien eine Rolle spielen, hat doch das Arbeitszeugnis hierbei weiterhin maßgebliche Bedeutung. Inhalt und Wortlaut des Zeugnisses entscheiden somit über das berufliche Fortkommen eines Arbeitnehmers mit. Dieser Umstand erklärt, warum Zeugnisrechtsstreitigkeiten ein absoluter „Dauerbrenner“ in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sind. Jährlich werden konstant ca. 30.000 arbeitsgerichtliche Prozesse um Zeugniserteilung und -berichtigung allein erstinstanzlich entschieden (Popp, DB 2016 S. 1075) . Dabei sind die im Rahmen von Vergleichen erledigten Zeugnisstreitigkeiten sowie die im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen miterledigten Zeugnisstreitigkeiten nicht mitgezählt. Ein weiterer Grund für das hohe Streitpotenzial bei Arbeitszeugnissen dürfte in der besonderen Zeugnissprache liegen – von manchen auch als eine Art „Geheimcode“ bezeichnet, mittels dessen (nur) dem sachkundigen Leser, etwa dem Personaler, kritische Hinweise über den Arbeitnehmer transportiert werden sollen, ohne diese sprachlich für jedermann transparent benennen zu müssen. Der nachfolgende Beitrag soll Unternehmen als Handlungshilfe für die Erstellung eines rechtssicheren Arbeitszeugnisses dienen. I. Das Recht auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses 2 Jeder Arbeitnehmer kann bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses von seinem Arbeitgeber die Erteilung eines Arbeitszeugnisses verlangen. Dieser einklagbare Anspruch folgt für alle Arbeitnehmer aus § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO . 3 Personen, die keine Arbeitnehmer sind, aber in einem sonstigen Dienstverhältnis zu einem Unternehmen stehen, können ebenfalls aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses ein Zeugnis beanspruchen (§ 630 BGB ). Dies gilt etwa für arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter, selbständige Handelsvertreter und GmbH-Geschäftsführer ohne oder mit nur unwesentlichen Geschäftsanteilen (Müller-Glöge in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Aufl. 2018, § 630 BGB Rz. 2). Hinweis: Für bestimmte Personengruppen gibt es weitere spezielle Rechtsgrundlagen. Der Zeugnisanspruch des Auszubildenden ist z. B. in § 16 BBiG gesondert geregelt. Zudem gibt es für Tarifbeschäftigte bestimmter Branchen spezielle tarifvertragliche Normen zum Zeugnisanspruch (z. B. § 35 TVöD, § 35 TV-L). II. Was ein Arbeitszeugnis leisten soll Das Arbeitszeugnis hat eine Werbe- und eine Informationsfunktion (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO Rz. 1): 4 Da das Zeugnis dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers dient oder zumindest dienen soll, ermöglicht die Vorlage des Zeugnisses dem Arbeitnehmer, bei einer Bewerbung auf eine neue Arbeitsstelle seinen beruflichen Werdegang sowie persönliche und fachliche Befähigungen und Eignungen zu dokumentieren. 1 Professor Dr. Klaus Olbertz, Professor für Wirtschaftsprivatrecht, insbesondere Arbeits- und Sozialrecht, an der Hochschule Osnabrück. 2 Einklagbarer Anspruch für Arbeitnehmer ... 3 ... und Personen in sonstigen Dienstverhältnissen 4 Bewerber wirbt mit einem (guten) Zeugnis für sich

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Das rechtssichere Arbeitszeugnis

Erlaubte und nicht erlaubte Formulierungen und anderes Wissenswertes

Professor Dr. Klaus Olbertz 1

Das Thema „Arbeitszeugnis“ weist eine unverändert hohe Praxisrelevanz auf. Auch wenn bei der Auswahl

von Bewerbern verschiedene Kriterien eine Rolle spielen, hat doch das Arbeitszeugnis hierbei weiterhin

maßgebliche Bedeutung. Inhalt und Wortlaut des Zeugnisses entscheiden somit über das berufliche

Fortkommen eines Arbeitnehmers mit. Dieser Umstand erklärt, warum Zeugnisrechtsstreitigkeiten ein

absoluter „Dauerbrenner“ in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sind. Jährlich werden konstant ca.

30.000 arbeitsgerichtliche Prozesse um Zeugniserteilung und -berichtigung allein erstinstanzlich entschieden

(Popp, DB 2016 S. 1075) . Dabei sind die im Rahmen von Vergleichen erledigten Zeugnisstreitigkeiten sowie

die im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen miterledigten Zeugnisstreitigkeiten nicht mitgezählt. Ein

weiterer Grund für das hohe Streitpotenzial bei Arbeitszeugnissen dürfte in der besonderen Zeugnissprache

liegen – von manchen auch als eine Art „Geheimcode“ bezeichnet, mittels dessen (nur) dem sachkundigen

Leser, etwa dem Personaler, kritische Hinweise über den Arbeitnehmer transportiert werden sollen, ohne

diese sprachlich für jedermann transparent benennen zu müssen. Der nachfolgende Beitrag soll

Unternehmen als Handlungshilfe für die Erstellung eines rechtssicheren Arbeitszeugnisses dienen.

I. Das Recht auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses

2Jeder Arbeitnehmer kann bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses von seinem Arbeitgeber die Erteilung

eines Arbeitszeugnisses verlangen. Dieser einklagbare Anspruch folgt für alle Arbeitnehmer aus § 109 Abs. 1

Satz 1 GewO .

3Personen, die keine Arbeitnehmer sind, aber in einem sonstigen Dienstverhältnis zu einem Unternehmen

stehen, können ebenfalls aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses ein Zeugnis beanspruchen (§ 630

BGB ). Dies gilt etwa für arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter, selbständige Handelsvertreter und

GmbH-Geschäftsführer ohne oder mit nur unwesentlichen Geschäftsanteilen (Müller-Glöge in Erfurter

Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Aufl. 2018, § 630 BGB Rz. 2).

Hinweis: Für bestimmte Personengruppen gibt es weitere spezielle Rechtsgrundlagen. Der Zeugnisanspruch des Auszubildenden ist z. B. in § 16 BBiG gesondert geregelt. Zudem gibt es für Tarifbeschäftigte bestimmter Branchen spezielle tarifvertragliche Normen zum Zeugnisanspruch (z. B. § 35 TVöD, § 35 TV-L).

II. Was ein Arbeitszeugnis leisten soll

Das Arbeitszeugnis hat eine Werbe- und eine Informationsfunktion (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO Rz. 1):

• 4Da das Zeugnis dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers dient oder zumindest dienen soll,

ermöglicht die Vorlage des Zeugnisses dem Arbeitnehmer, bei einer Bewerbung auf eine neue

Arbeitsstelle seinen beruflichen Werdegang sowie persönliche und fachliche Befähigungen und

Eignungen zu dokumentieren.

1Professor Dr. Klaus Olbertz, Professor für Wirtschaftsprivatrecht, insbesondere Arbeits- und Sozialrecht, an der

Hochschule Osnabrück. 2Einklagbarer Anspruch für Arbeitnehmer ...

3... und Personen in sonstigen Dienstverhältnissen

4Bewerber wirbt mit einem (guten) Zeugnis für sich

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• 5Auf der Seite des Arbeitskräfte suchenden Arbeitgebers stellen Arbeitszeugnisse Auswahlkriterien für

die Stellenbesetzung zur Verfügung.

III. Wahrheit und Wohlwollen bestimmen die Zeugnisabfassung

6Die dargestellten, dem Zeugnis zugedachten Funktionen kann es nur erfüllen, wenn der Rechtsverkehr ihm

eine Verbindlichkeit zuerkennt, die es aus der Übernahme einer gewissen Mindestgewähr des Ausstellenden

für den Inhalt des Zeugnisses bezieht (BGH, Urteil v. 15.5.1979 - VI ZR 230/76 ). Konkret bedeutet dies

zweierlei:

• 7Das Zeugnis muss inhaltlich der Wahrheit entsprechen, denn nur so ist einem etwaigen Arbeitgeber

eine konkrete Vorstellung über die Persönlichkeit des Arbeitnehmers und seine betrieblichen

Einsatzmöglichkeiten vermittelbar (LAG Sachsen, Beschluss v. 18.3.2015 - 4 Ta 237/14 ).

• 8Prinzip des Wohlwollens: Der Aussteller hat bei der Zeugnisformulierung den wohlwollenden Maßstab

eines verständigen Arbeitgebers zugrunde zu legen, um dem Arbeitnehmer das berufliche Fortkommen

nicht unnötig zu erschweren (LAG Hamm, Urteil v. 1.12.1994 - 4 Sa 1631/94 ).

9Das Gebot der Wahrheit geht allerdings dem Prinzip des Wohlwollens vor (BAG, Urteil v. 10.5.2005 - 9 AZR

261/04 [MAAAB-94953] ). Der Arbeitnehmer kann eine wohlwollende Formulierung somit immer nur innerhalb

der Grenzen der Wahrheit beanspruchen (BAG, Urteil v. 18.11.2014 - 9 AZR 584/13 [UAAAE-85865] ).

Hinweis: In der Praxis werden sich häufig Formulierungen finden lassen, die sowohl dem Gebot der Wahrheit als auch dem des Wohlwollens gerecht werden. Soweit ein Konflikt zwischen diesen beiden Prinzipien im Einzelfall einmal nicht auflösbar sein sollte, hat der Arbeitgeber dem Gebot der Wahrheit den Vorrang einzuräumen.

IV. Arten von Zeugnissen

1. Einfaches und qualifiziertes Zeugnis

Das Gesetz (§ 109 GewO ) unterscheidet zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Zeugnis, wobei der

Arbeitnehmer das Recht hat zu wählen (Ecklebe, DB 2015 S. 923) :

• 10

Das einfache Zeugnis enthält lediglich Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit (§ 109 Abs. 1 Satz 2

GewO ).

• 11

Das qualifizierte Zeugnis umfasst darüber hinaus auch Angaben zu Leistung und Verhalten des

Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis (§ 109 Abs. 1 Satz 3 GewO ).

NWB Nr. 12 vom 19.03.2018 - 804 -

Hinweis: In der Praxis hat der Arbeitnehmer regelmäßig ein Interesse an der Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses, weil nur dieses den üblichen Erwartungen des möglichen Folgearbeitgebers entsprechen dürfte. Das bedeutet,

5Arbeitgeber erhält Informationen

6Ordemann, NWB 44/2017 S. 3357, 3364

7Gebot der Zeugniswahrheit

8Gebot der wohlwollenden Abfassung

9Bei Konflikten: Wahrheit vor Wohlwollen

10Einfaches Zeugnis

11Qualifiziertes Zeugnis

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dass eine pauschale Forderung des Arbeitnehmers nach einem Zeugnis i. d. R. als Verlangen nach einem qualifizierten Zeugnis auszulegen sein dürfte (§§ 133 , 157 BGB).

12Gerichtlich noch nicht abschließend geklärt ist, ob ein Arbeitnehmer die eine Zeugnisart (z. B. das

qualifizierte) auch dann noch beanspruchen kann, wenn er die andere Zeugnisart bereits erfolgreich

durchgesetzt hat. In der Literatur wird dies wohl mehrheitlich befürwortet (zum Meinungsstand Müller-Glöge,

a. a. O., § 109 GewO, Rz. 6).

2. Das End- und das Zwischenzeugnis

Das Gesetz kennt nur das Endzeugnis („bei Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses). In der betrieblichen Praxis

wird aber außerdem noch zwischen End- und Zwischenzeugnis differenziert, also nach dem Zeitpunkt, zu dem

das Zeugnis erstellt wird.

13Das Zwischenzeugnis wird während des ungekündigten Arbeitsverhältnisses erteilt. Ein solches

Zwischenzeugnis kann der Arbeitnehmer nur beanspruchen, soweit ein triftiger Grund hierfür vorliegt (BAG,

Urteil v. 4.11.2015 - 7 AZR 933/13 [ZAAAF-69335] , Rz. 39). Nach Rechtsprechung und Literatur sollen hierfür

u. a. folgende Umstände in Betracht kommen können (vgl. den Überblick bei Müller-Glöge, a. a. O., § 109

GewO, Rz. 50):

• Ausspruch einer Kündigung mit längerer Kündigungsfrist;

• Ausscheiden des langjährigen Fachvorgesetzten;

• persönliche Veränderungen des Arbeitnehmers (z. B. Versetzung, Fort- und Weiterbildung);

• Bewerbung um eine neue Stelle;

• längere Arbeitsunterbrechungen ab einem Jahr (z. B. wegen Elternzeit);

• strukturelle Änderungen innerhalb des Betriebs (z. B. Betriebsübernahme durch einen neuen

Arbeitgeber).

14Für Inhalt, Form etc. des Zwischenzeugnisses gelten im Übrigen die gleichen Grundsätze wie für das bei

Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszustellende Zeugnis. Die nachfolgenden Ausführungen gelten daher

gleichermaßen für das End- und Zwischenzeugnis, soweit nichts anderes vermerkt ist.

V. Wer ein Zeugnis beanspruchen kann und wer es erteilen muss

1. Anspruchsberechtigte

15Anspruch auf ein Zeugnis haben zunächst alle Arbeitnehmer (§ 109 GewO ). Art, Umfang und Dauer der

geschuldeten Arbeit sind irrelevant. Daher ist es auch unerheblich, ob die Arbeit in Voll- oder Teilzeit, im Haupt-

oder Nebenberuf geschuldet ist oder ob es sich um ein unbefristetes bzw. befristetes Arbeitsverhältnis handelt.

Gleichermaßen irrelevant ist es, wenn das Arbeitsverhältnis bereits während der Probezeit beendet wird

(Küttner/Poeche, Personalbuch 2017, Zeugnis, Rz. 4).

12

Anspruch auf zwei Zeugnisse in unterschiedlicher Form? 13

Zwischenzeugnis nur bei triftigen Gründen 14

Für Inhalt, Form etc. des Zwischenzeugnisses gelten grds. keine Besonderheiten 15

Arbeitnehmer

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16Auch Nichtarbeitnehmer können einen entsprechenden Anspruch auf Zeugniserteilung haben. Dieser folgt

jedoch – wie oben unter I ausgeführt – nicht aus § 109 GewO , sondern aus § 630 BGB .

2. Zeugnisschuldner

17Zeugnisschuldner ist der Arbeitgeber. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass er das Zeugnis auch

persönlich unterzeichnen muss. Er kann sich für die Erstellung und Unterzeichnung grds. auch eines

angestellten Vertreters bedienen. Allerdings muss der

NWB Nr. 12 vom 19.03.2018 - 805 -

ausgewählte Vertreter auch befugt gewesen sein, dem zu beurteilenden Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen.

Im Arbeitszeugnis muss diese weisungsbefugte Position des Unterzeichners auch zum Ausdruck kommen (BAG,

Urteil v. 26.6.2001 - 9 AZR 392/00 [SAAAB-94990] ). Denn fachliche Zuständigkeit und Rang in der Hierarchie

geben Aufschluss über die Kompetenz des Ausstellers und ermöglichen dem Zeugnisleser eine Einschätzung der

Richtigkeit der im Zeugnis zur Beurteilung des Arbeitnehmers getroffenen Aussagen. In jedem Fall muss der

Unterzeichner des Zeugnisses somit erkennbar ranghöher sein als der Arbeitnehmer (BAG, Urteil v. 4.10.2005 -

9 AZR 507/04 [XAAAB-95032] ).

Hinweis: Das Zeugnis eines Angestellten, der unmittelbar der Geschäftsführung unterstellt war, ist daher zumindest (auch) von einem vertretungsberechtigten Geschäftsführer zu unterzeichnen (BAG, Urteil v. 16.11.1995 - 8 AZR 983/94 ).

VI. Zeitpunkt der Zeugniserteilung

1. Fälligkeit des Zeugnisanspruchs

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zeugniserteilung ist zwischen End- und Zwischenzeugnis zu differenzieren.

a) Endzeugnis

18Der Anspruch auf Ausstellung des Endzeugnisses entsteht „bei Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses (§ 109

Satz 1 GewO ) und ist sogleich fällig, setzt jedoch voraus, dass der Arbeitnehmer die Erteilung des

Endzeugnisses auch verlangt (Linck/Schaub, ArbRHdB, 17. Aufl. 2017, § 147 Rz. 7).

Hinweis: Solange der Arbeitnehmer den Arbeitgeber – aus welchen Gründen auch immer – nicht zur Erteilung eines Zeugnisses aufgefordert hat, braucht der Arbeitgeber insoweit auch nicht tätig zu werden (BAG, Urteil v. 12.2.2013 - 3 AZR 120/11 [FAAAE-34528] ). Er muss also nicht von sich aus auf den Arbeitnehmer zugehen und diesen fragen, ob er ein Zeugnis möchte, sondern kann abwarten.

19„Bei Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses meint bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen den Zeitpunkt des

Zugangs einer Kündigungserklärung oder den Abschluss eines Aufhebungsvertrags.

Bei befristeten Arbeitsverhältnissen handelt es sich um eine angemessene Zeit vor Beendigung des

Arbeitsverhältnisses (Linck/Schaub, a. a. O., § 147, Rz. 7). Ab diesem jeweiligen Zeitpunkt kann der

Arbeitnehmer das Endzeugnis beanspruchen. Er muss also nicht das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses,

also etwa bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, abwarten, um seinen Anspruch durchsetzen zu können.

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Nichtarbeitnehmer 17

Arbeitgeber oder gegenüber dem Arbeitnehmer ranghöherer oder weisungsbefugter Dritter 18

Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Verlangen des Arbeitnehmers 19

Kündigungszugang oder Abschluss des Aufhebungsvertrags

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Praxistipp: Verlangt der Arbeitnehmer bereits vor dem rechtlichen Ende seines Arbeitsverhältnisses die Erteilung eines Zeugnisses, ist der Arbeitgeber indes gut beraten, ein solches Zeugnis als „vorläufig“ zu kennzeichnen. Denn die für seinen Inhalt maßgeblichen Umstände können sich bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ändern.

b) Zwischenzeugnis

Das 20

Zwischenzeugnis ist zu erteilen, sobald der hierfür erforderliche triftige Grund vorliegt (s. IV, 2) und der

Arbeitnehmer die Erteilung des Zwischenzeugnisses verlangt hat.

2. Bearbeitungszeit des Arbeitgebers

21Hat der Arbeitnehmer die Zeugniserteilung geltend gemacht, soll der Arbeitgeber verpflichtet sein, das

Zeugnis „unverzüglich“ auszustellen (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO, Rz. 63). Welche Bearbeitungszeit dem

Arbeitgeber hierfür genau zur Verfügung steht, hängt vom konkreten Einzelfall ab, insbesondere davon, ob ein

qualifiziertes oder ein einfaches Zeugnis verlangt wird, aber auch von der Länge und Komplexität der Tätigkeit

des Arbeitnehmers und den betrieblichen Umständen.

Hinweis: Als Faustformel für eine (noch) zulässige Bearbeitungszeit gelten zwei bis drei Tage für ein einfaches Zeugnis bzw. zwei bis drei Wochen für ein qualifiziertes Zeugnis (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO, Rz. 63).

3. Erlöschen des Zeugnisanspruchs

Hat der Arbeitnehmer die Zeugniserteilung nicht geltend gemacht, kann der Zeugnisanspruch mit Zeitablauf

erlöschen.

a) Ausschlussklauseln

22Unterliegt das Arbeitsverhältnis des betreffenden Arbeitnehmers einer tarif- oder arbeitsvertraglich wirksam

vereinbarten Ausschlussfrist, bezieht sich diese regelmäßig auch auf den Anspruch des Arbeitnehmers auf

Zeugniserteilung (BAG 9 AZR 507/04 ; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 29.6.2017 - 2 Sa 5/17 [VAAAG-75472] ,

Rz. 58). In einem solchen Fall ist der Arbeitnehmer also gut beraten, die Erteilung des Zeugnisses innerhalb der

für ihn geltenden Ausschlussfrist geltend zu machen. Ist die Ausschlussfrist abgelaufen, muss der Arbeitgeber

den Zeugnisanspruch nicht mehr erfüllen.

Hinweis: Die Ausschlussfrist muss aber wirksam vereinbart sein. Arbeitsvertraglich vorformulierte Ausschlussklauseln unterliegen seit einiger Zeit einer verschärften Rechtmäßigkeitsprüfung durch die Arbeitsgerichte. Sie sind (nur) wirksam, wenn sie den üblichen tariflichen Ausschlussklauseln entsprechen und der Angemessenheitskontrolle (§ 307 Abs. 1 BGB ) genügen (BAG, Urteil v. 1.3.2006 - 5 AZR 511/05 [LAAAB-94346] ). Daher sind in einem Formulararbeitsvertrag enthaltene Ausschlussfristen, die die Geltendmachung von Ansprüchen in weniger als drei Monaten verlangen, unwirksam (BAG, Urteil v. 14.6.2016 - 9 AZR 181/15 [QAAAF-84018] ). Gleiches gilt für Klauseln, nach denen nur der Arbeitnehmer binnen einer bestimmten Frist seine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend machen muss (BAG, Urteil vom 31.8.2005 - 5 AZR 545/04 [EAAAB-94357] ).

b) Verjährung, Verwirkung

23Soweit keine Ausschlussklausel vereinbart ist, verjährt der Anspruch auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses

in drei Jahren (vgl. § 195 BGB ; LAG Köln, Urteil v. 31.8.2016 - 11 Sa 1025/15 [LAAAG-75471] ). Die

20

Triftiger Grund 21

„Unverzüglich“ 22

Ausschlussfristen gelten grds. auch für Zeugnisanspruch 23

Dreijährige Verjährungsfrist

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Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Zeugnisanspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1

BGB ).

24Weit vor Ablauf der Verjährungsfrist kann der Arbeitnehmer den Anspruch auf Zeugniserteilung verwirken,

wenn er das Zeugnis nicht innerhalb angemessener Zeit verlangt hat (Zeitmoment) und beim Arbeitgeber

aufgrund dessen der Eindruck erweckt worden ist, der Arbeitnehmer beanspruche kein Zeugnis mehr

(Umstandsmoment).

Hinweis: Eine Verwirkung kann regelmäßig bereits nach Ablauf von zehn Monaten und damit weit vor Ablauf der Verjährungsfrist in Betracht kommen (BAG, Urteil v. 17.2.1988 - 5 AZR 638/86 ).

c) Verzicht, Ausgleichsquittung

25Der Zeugnisanspruch ist unabdingbar, ein vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärter Verzicht des

Arbeitnehmers auf Zeugniserteilung ist daher unwirksam (LAG Köln, Beschluss v. 17.6.2010 - 7 Ta 352/09 ).

Ob dies gleichermaßen auch für einen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärten Verzicht gilt, ist

umstritten. Praktische Relevanz hat dies insbesondere für die Frage, ob die in einem arbeitsgerichtlichen

Vergleich häufig vereinbarte „große Ausgleichsklausel“ auch den Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers erfasst.

Unter der „großen Ausgleichsklausel“ versteht man die Formulierung „Mit Abschluss dieses Vergleichs sind alle

wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis erledigt.“

26Seit einer älteren Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1974 geht die Praxis davon aus, dass der

Arbeitnehmer auch nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht auf den Zeugnisanspruch wirksam

verzichten kann (Korinth, ArbRB 2013 S. 193 unter Hinweis auf BAG, Urteil v. 16.9.1974 - 5 AZR 255/74 ), so

dass der Zeugnisanspruch auch nicht von einer großen Ausgleichsklausel erfasst wird. Dies hat das LAG Berlin-

Brandenburg jedoch nunmehr infrage gestellt und entschieden, dass von einer solchen großen

Ausgleichsklausel auch der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses umfasst sein kann (LAG

Berlin-Brandenburg, Urteil v. 6.12.2011 - 3 Sa 1300/11 [GAAAG-75464] ).

Praxistipp: Aufgrund der unklaren Rechtslage dürfte es für beide Arbeitsvertragsparteien regelmäßig zu empfehlen sein, in einem Vergleich den Zeugnisanspruch explizit und abschließend zu regeln, um späteren Streitigkeiten rechtssicher vorbeugen zu können.

VII. Ort der Zeugniserteilung

27Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so hat die Leistung am

Wohnsitz des Schuldners zu erfolgen. Grds. hat der Arbeitnehmer daher das Zeugnis beim Arbeitgeber

abzuholen, da die Zeugnisschuld eine sog. Holschuld ist (§ 269 Abs. 2 BGB ; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss

v. 6.2.2013 - 10 Ta 31/13 ). Nur ausnahmsweise ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf seine Gefahr und Kosten

dem Arbeitnehmer das Zeugnis zu übermitteln, etwa wenn der Arbeitgeber das Zeugnis nicht rechtzeitig

erstellt hat oder die Abholung des Zeugnisses für den Arbeitnehmer mit unverhältnismäßigen Kosten

verbunden wäre (BAG, Urteil v. 8.3.1995 - 5 AZR 848/93 ).

24

Verwirkung vor Verjährung möglich 25

Verzicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam 26

Verzicht durch die „große Ausgleichsklausel“ vereinbart? 27

Grds. Holschuld des Arbeitnehmers

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VIII. Form des Arbeitszeugnisses

28Die Form des Arbeitszeugnisses bestimmt sich nach dessen Zweck, dem Arbeitnehmer in seinem beruflichen

Fortkommen zu dienen. Wegen seiner Außenwirkung muss es daher, was äußere Form, Ausstellungsdatum und

Person des Unterzeichners betrifft, den im Geschäftsverkehr üblichen und von Dritten auch erwarteten

Gepflogenheiten entsprechen (Küttner/Poeche, a. a. O., Rz. 16).

Praxistipp: Formelle Fehler bei der Zeugniserstellung sind häufig Gegenstand von arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen. Die betriebliche Praxis ist gut beraten, die formellen Vorgaben bei der Zeugniserstellung sorgsam zu beachten, um solche Streitigkeiten zu vermeiden.

Im Einzelnen bedeutet dies Folgendes:

1. Schriftform

29Das Zeugnis unterliegt der Schriftform (§ 109 Satz 1 GewO ). Es ist maschinenschriftlich auf dem für die

Geschäftskorrespondenz des Arbeitgebers üblichen Papier auszustellen (BAG, Urteil v. 3.3.1993 - 5 AZR 182/92

). Die Erteilung in elektronischer Form ist ausgeschlossen (§ 109 Abs. 3 GewO ). Am Ende ist es handschriftlich

zu unterzeichnen.

2. Ausstellungsdatum

30Das Zeugnis muss ein Ausstellungsdatum tragen. Dies ist regelmäßig der Tag der Beendigung des

Arbeitsverhältnisses. Da für Dritte nicht erkennbar sein soll, ob das Zeugnis Gegenstand von (gerichtlichen)

Auseinandersetzungen war, muss der Arbeitgeber ein ggf. erneut ausgestelltes korrigiertes Zeugnis auf den Tag

des Ausscheidens rückdatieren (BAG, Urteil v. 9.9.1992 - 5 AZR 509/91 ).

Hinweis: Verlangt der Arbeitnehmer sein Zeugnis allerdings erst erhebliche Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstmalig, hat er keinen Anspruch auf Angabe eines zurückliegenden Datums.

3. Sonstiges

31Der Arbeitnehmer ist im Zeugnis mit Vor- und Familiennamen sowie bei Vorhandensein eines akademischen

Titels auch mit diesem zu bezeichnen. Anschrift und Geburtsdatum sollten nur mit Einverständnis

aufgenommen werden, da sie zur Identifikation nicht zwingend erforderlich sind (Müller-Glöge, a. a. O., § 109

GewO, Rz. 13).

32Zeugnissprache ist deutsch. Auch für ausländische Arbeitnehmer ist das Zeugnis daher grds. in deutscher

Textsprache abzufassen.

Hinweis: Ausnahmsweise gilt etwas anderes, wenn eine Fremdsprache das Arbeitsverhältnis prägt, wie dies bei der englischen Sprache für bestimmte Funktionen immer häufiger der Fall ist (hierzu sowie zu den betrieblichen Herausforderungen bei Übersetzung der Zeugnissprache: Kursawe, ArbRB 2010 S. 641).

33Innerhalb des Textes sind Gänsefüßchen, Unterstreichungen, Hervorhebungen durch Fettdruck, Ausrufungs-

oder Fragezeichen, Textlücken, Durchstreichungen o. Ä. unzulässig (Küttner/Poeche, a. a. O., Rz. 17 m. w. N.).

28

Zeugnis muss erwarteten Gepflogenheiten entsprechen 29

Handschriftliche Unterzeichnung 30

Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 31

Persönliche Daten des Arbeitnehmers 32

Deutsch als Zeugnissprache 33

Weitere Anforderungen an die äußere Form

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Ferner muss das Zeugnis kopierfähig sein, d. h. eventuelle Knicke zum Zwecke des Versands dürfen sich auf

Ablichtungen nicht als Schwärzungen abzeichnen (BAG, Urteil v. 21.9.1999 - 9 AZR 893/98 ).

IX. Inhalt des Arbeitszeugnisses

Der Inhalt des Zeugnisses hängt maßgeblich davon ab, ob der Arbeitnehmer ein einfaches oder ein

qualifiziertes Zeugnis beansprucht. Ein einfaches Zeugnis trifft im Wesentlichen nur Aussagen über Art und

Dauer der Beschäftigung (sog. Tätigkeitsbeschreibung). Das qualifizierte Zeugnis beinhaltet darüber hinaus

auch Beurteilungen der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers.

1. Tätigkeitsbeschreibung

34Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so darzustellen, dass sich ein Leser ein genaues Bild über Art und

Umfang der Beschäftigung machen kann. Dabei sind der berufliche Weg sowie die übertragenen Aufgaben,

insbesondere spezielle Aufgaben, Tätigkeiten und Befugnisse nachzuzeichnen (Müller-Glöge, a. a. O., § 109

GewO, Rz. 29).

35Die anzugebende Beschäftigungsdauer richtet sich nach dem rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Unterbrechungen durch Krankheit, Urlaub, Bildungsurlaub etc. sind grds. nicht aufzunehmen (LAG Sachsen,

Urteil v. 30.1.1996 - 5 Sa 996/95 [AAAAG-75466] ).

Erhebliche Ausfallzeiten, etwa bedingt durch Elternzeit, können ausnahmsweise erwähnt werden, wenn sie im

Verhältnis zur Dauer der tatsächlichen Beschäftigung ins Gewicht fallen und es nach der Art der geschuldeten

Arbeit besonders auf Erfahrungswissen ankommt (Küttner/Poeche, a. a. O., Rz. 23). Maßgeblich sind hierbei

stets die Umstände des Einzelfalls (BAG, Urteil vom 10.5.2005 - 9 AZR 261/04 [MAAAB-94953] ).

36Die Gründe und Umstände der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind im Zeugnis regelmäßig nicht zu

nennen (LAG Sachsen 5 Sa 996/95 ). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer dies ausdrücklich

wünscht.

Hinweis: Insbesondere in den Fällen, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt bzw. nicht durch dessen Fehlverhalten veranlasst worden ist, besteht regelmäßig ein Interesse des Arbeitnehmers an der Benennung des Beendigungsgrunds.

Formulierungsbeispiel für ein einfaches Zeugnis eines Arbeitnehmers mit Tätigkeitsbeschreibung:

Herr/Frau ..., (geboren am ... in ...,) war im Zeitraum vom ... bis zum ... als ... in unserer Abteilung ... beschäftigt.

Ihm/ihr oblagen zunächst folgende Aufgaben ..., später hat er/sie zusätzlich ... übernommen.

Herr/Frau ... verlässt unser Unternehmen am ... (auf eigenen Wunsch/wegen Verlegung des Wohnsitzes etc.).

(Ort, Datum) (Unterschrift)

2. Leistungsbeurteilung

37Im Rahmen der Beurteilung der Leistung des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber darzustellen, wie der

Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben ausgeführt hat. Dies umfasst sämtliche Kriterien, die geeignet

sind, die berufliche Leistung des Arbeitnehmers darzulegen. Hierzu gehören etwa (vgl. Tschöpe/Wessel,

Arbeitsrecht Handbuch, 10. Aufl. 2017, Rz. 41):

34

Ausführliche Beschreibung der Beschäftigung 35

Beschäftigungsdauer, Unterbrechungen 36

Grund und Umstände des Ausscheidens 37

Leistungsfaktoren

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• Fachkenntnisse, Fertigkeiten

• Arbeitsbereitschaft

• Arbeitstempo, Ökonomie

• Qualität der Arbeit

• erzielte Erfolge

• berufliches Engagement

• Fortbildungsbereitschaft

• Vielseitigkeit

• Auffassungsgabe, Ausdrucksvermögen

• Verhandlungsgeschick

• Spezialkenntnisse und besondere Fertigkeiten.

Praxishinweis: 38

Der Arbeitgeber hat im Rahmen der ihm obliegenden Wahrheitspflicht bei der Leistungsbeschreibung einen Beurteilungsspielraum, welche positiven und/oder negativen Leistungen und Eigenschaften des Arbeitnehmers er betont oder vernachlässigt und wie er das Zeugnis formuliert. Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers, der seiner Bewertung Tatsachen, nicht Vermutungen oder Verdächtigungen zugrunde legt (BAG, Urteil v. 15.11.2011 - 9 AZR 386/10 [XAAAE-04529] ). Ungünstiges braucht aber nicht verschwiegen zu werden (z. B. Nichtbestehen einer Prüfung).

39Die Leistungsbeurteilung endet regelmäßig mit einer den bekannten Schulnoten entsprechenden

Schlussnote (BAG 9 AZR 584/13 ; BAG, Urteil vom 14.10.2003 - 9 AZR 12/03 [NAAAB-94905] ). Dabei hat sich in

der Praxis allein die sog. sechsstufige Zufriedenheitsskala durchgesetzt, die eine zusammenfassende Bewertung

vorsieht, auf die der Arbeitnehmer einen Anspruch hat. Diese kann wie folgt zusammengefasst werden:

Zufriedenheitswert Note

„stets/immer/durchgehend zu unserer vollsten

Zufriedenheit“

sehr gut

stets/immer/durchgehend zu unserer vollen

Zufriedenheit“

gut

„stets zu unserer Zufriedenheit“, „zu unserer

vollen Zufriedenheit“

befriedigend

„zu unserer Zufriedenheit“ ausreichend

„im Großen und Ganzen (insgesamt) zu unserer

Zufriedenheit“

mangelhaft

„führte die ihm/ihr übertragene Aufgabe mit

großem Fleiß und Interesse durch“; „hat sich

bemüht, die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zu

unserer Zufriedenheit auszuführen“

ungenügend

38

Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers 39

Schlussnote

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Praxistipp: Andere Beurteilungssysteme, sofern es sie überhaupt gibt, sind demgegenüber praktisch bedeutungslos (Gäntgen, RdA 2016 S. 147 m. w. N.). Daher kann Arbeitgebern zur Vermeidung unnötiger Auseinandersetzungen nur geraten werden, die oben dargestellte Zufriedenheitsskala auch entsprechend zu verwenden.

3. Verhaltensbeurteilung

40Im Hinblick auf die Beurteilung des Verhaltens sind die für die jeweils betreffende Tätigkeit des

Arbeitnehmers relevanten Persönlichkeitsmerkmale und Charaktereigenschaften darzustellen. Hierzu gehören

etwa (vgl. Tschöpe/Wessel, a. a. O., Rz. 43):

• das Sozialverhalten

• das Führungsverhalten

• das Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf

• die Kooperationsbereitschaft

• die Teamfähigkeit

• das gesamte Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, Kunden und Geschäftspartnern.

Hinweis: Angaben zu privaten Verhaltensweisen des Arbeitnehmers dürfen ausnahmsweise in das Zeugnis aufgenommen werden, wenn diese dienstlich relevant sind, d. h. sich auch tatsächlich dienstlich auswirken (z. B. gegen den Arbeitgeber verübte Straftaten oder Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch mit Bezug zum Arbeitsverhältnis (BAG, Urteil v. 29.1.1986 - 4 AZR 479/84 ). Im Übrigen sind Angaben über das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers nicht zulässig.

41Zur zusammenfassenden Verhaltensbeurteilung werden – wie schon bei der Leistungsbeurteilung –

abgestufte Standardformulierungen verwendet (BAG, Urteil v. 21.6.2005 - 9 AZR 352/04 [MAAAB-94979] ).

Diese lassen sich etwa wie folgt clustern:

Zufriedenheitswert Note

„Sein/ihr Verhalten gegenüber

Vorgesetzten/Mitarbeitern/Kunden etc. war stets

vorbildlich.“

sehr gut

„Sein/ihr Verhalten gegenüber

Vorgesetzten/Mitarbeitern/Kunden etc. war

vorbildlich“.

gut

„... war stets einwandfrei“; „... stets korrekt“ befriedigend

„... war ohne Grund zur Beanstandungen“ ausreichend

„... war insgesamt zufriedenstellend“ mangelhaft

40

Kriterien 41

Bewertungsskala

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4. Schluss- bzw. Dankesformel

42In der betrieblichen Praxis weit verbreitet ist es, das Zeugnis mit einer Schlussformel zu versehen, in der der

Arbeitgeber seinen Dank, sein Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Unternehmen und

seine guten Wünsche für dessen weitere berufliche Zukunft zum Ausdruck bringt.

Formulierungsbeispiel:

Wir bedauern das Ausscheiden von Herrn/Frau... aus unserem Unternehmen und wünschen ihm/ihr für die

Zukunft alles Gute.

Eine rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Aufnahme einer solchen Abschiedsformel besteht jedoch

nicht (BAG, Urteil v. 11.12.2012 - 9 AZR 227/11 [YAAAE-30453] ).

Hinweis: Entscheidet sich der Arbeitgeber jedoch für eine Schluss- und/oder Dankesformel, muss diese auch zum übrigen Inhalt des Zeugnisses passen (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 3.2.2011 - 21 Sa 74/10 [WAAAG-75463] ). Andernfalls muss der Arbeitgeber die Abschiedsformel entweder entsprechend anpassen oder auf Verlangen des Arbeitnehmers gänzlich streichen (Küttner/Poeche, a. a. O., Rz. 34).

X. Änderungen des Arbeitszeugnisses

Beide Arbeitsvertragsparteien – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – können u. U. ein Interesse an der Änderung

eines bereits erteilten Arbeitszeugnisses haben.

1. Widerruf durch den Arbeitgeber

43Der Arbeitgeber kann ein bereits erteiltes Zeugnis widerrufen, wenn er nach Erteilung Kenntnis von solchen

Umständen erlangt, die eine andere Beurteilung rechtfertigt, soweit das bereits erteilte Zeugnis bei

rückschauender Betrachtung wesentliche Unrichtigkeiten enthält, die für einen anderen Arbeitgeber bei der

Einstellungsentscheidung von ausschlaggebender Bedeutung sein können (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO

Rz. 56).

Hinweis: In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber das Zeugnis widerrufen. Die Herausgabe des widerrufenen Zeugnisses kann der Arbeitgeber jedoch nur Zug-um-Zug gegen Erteilung eines neuen, inhaltlich korrigierten Zeugnisses verlangen (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO, Rz. 56).

2. Berichtigung auf Veranlassung des Arbeitnehmers

44Korrigiert der Arbeitgeber das ursprüngliche Zeugnis des Arbeitnehmers auf dessen Veranlassung, ist der

Arbeitnehmer seinerseits verpflichtet, Zug um Zug gegen Erteilung des neuen Zeugnisses das zunächst erteilte

Zeugnis zurückzugeben (LAG München, Urteil v. 11.11.2008 - 8 Sa 298/08 ). Ist der Arbeitgeber hingegen nicht

mit der vom Arbeitnehmer begehrten Zeugnisberichtigung einverstanden, kommt es häufig zu einer

gerichtlichen Auseinandersetzung, dem sog. Zeugnisberichtigungsprozess.

45Im Hinblick auf die Erfolgsaussichten bei einem solchen Prozess kommt der Verteilung der Darlegungs- und

Beweislast maßgebliche Bedeutung zu. Diese hängt davon ab, ob der Arbeitnehmer in dem ihm erteilten

Zeugnis durchschnittlich oder unterdurchschnittlich beurteilt worden ist. Beansprucht der mit einer

durchschnittlichen Leistung („befriedigend“) beurteilte Arbeitnehmer eine verbesserte Beurteilung mit der

Note „sehr gut“ oder „gut“, muss er im Falle des Bestreitens durch den Arbeitgeber zur Überzeugung des

42

Kein Rechtsanspruch 43

Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen 44

Zeugnisberichtigungsprozess 45

Veteilung der Darlegungs- und Beweislast

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Gerichts darlegen und beweisen, dass seine Leistungen auch tatsächlich sehr gut bzw. gut waren (BAG 9 AZR

584/13 ). Ist der Arbeitnehmer hingegen im Zeugnis unterdurchschnittlich beurteilt worden („ausreichend“

oder schlechter) und begehrt er eine durchschnittliche Beurteilung („befriedigend“), liegt die Darlegungs- und

Beweislast beim Arbeitgeber.

Hinweis: Der Umstand, dass ein Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses nicht beanstandet hat, muss noch nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber ein (sehr) gutes Zeugnis auszustellen hat (LAG Düsseldorf, Urteil v. 26.2.1985 - 8 Sa 1873/84 ). In einem solchen Fall kann somit durchaus auch eine durchschnittliche Beurteilung in Betracht kommen, soweit der Arbeitgeber Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers tatsächlich entsprechend bewertet.

XI. Haftung bei verspäteter oder unrichtiger Zeugniserteilung

1. Haftung gegenüber dem Arbeitnehmer

46Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Pflichten dadurch, dass er das Zeugnis verspätet oder nicht

ordnungsgemäß (fehlerhaft oder unvollständig) ausstellt, ist er dem Arbeitnehmer wegen Schuldnerverzugs

(§ 280 Abs. 2, § 286 BGB ) bzw. wegen Schlechterfüllung (§ 280 Abs. 1 BGB ) zum Ersatz des hierdurch

entstehenden Schadens verpflichtet (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 1.4.2009 - 1 Sa 370/08 [FAAAG-75473] ;

LAG Düsseldorf, Urteil v. 23.7.2003 - 12 Sa 232/03 [UAAAG-75468] ).

47Der zu ersetzende Schaden besteht regelmäßig in dem Verdienstausfall, den der Arbeitnehmer dadurch

erleidet, dass er wegen des fehlenden oder unrichtig erteilten Zeugnisses keine neue Arbeitsstelle findet oder

nur zu schlechteren Arbeitsbedingungen eingestellt wird (Küttner/Poeche, a. a. O., Rz. 43).

Praxishinweis: Die Darlegungs- und Beweislast der Ursächlichkeit des fehlenden oder unrichtig erteilten Zeugnisses für den geltend gemachten Verdienstausfall trifft den Arbeitnehmer (LAG Hessen, Urteil v. 30.7.2003 - 2 Sa 159/03 ). Es reicht also nicht aus, dass der Arbeitnehmer pauschal behauptet, das fehlende oder unrichtige Zeugnis sei kausal für die erfolglosen Bewerbungen. Vielmehr muss er Tatsachen nachweisen können, die die Ursächlichkeit im konkreten Einzelfall nahelegen (BAG, Urteil v. 24.3.1977 - 3 AZR 232/76 ). Hierfür muss der Arbeitnehmer zumindest darlegen und beweisen können, dass der potenzielle neue Arbeitgeber Interesse an der Einstellung hatte und das fehlende bzw. unrichtige Zeugnis auch zum Gesprächsgegenstand gemacht hat.

2. Haftung gegenüber dem Folgearbeitgeber

48Des Weiteren kann sich der das Zeugnis ausstellende Arbeitgeber gegenüber dem Folgearbeitgeber des

Arbeitnehmers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB ) schadensersatzpflichtig machen,

falls er in dem Zeugnis wissentlich unwahre Angaben gemacht und hierbei zumindest billigend die Schädigung

anderer Arbeitgeber in Kauf genommen hat (Müller-Glöge, a. a. O., § 109 GewO, Rz. 68). Bescheinigt etwa der

Arbeitgeber dem in einer Vertrauensstellung beschäftigten Arbeitnehmer äußerste Zuverlässigkeit, obwohl

dieser einen größeren Geldbetrag entwendet hatte, ist das Zeugnis grob falsch und geeignet, einen neuen

Arbeitgeber zu täuschen. Stellt der neue Arbeitgeber den Arbeitnehmer sodann im Vertrauen auf die

Richtigkeit des Zeugnisses ein und stiehlt der Arbeitnehmer beim neuen Arbeitgeber ebenfalls, kommt eine

Schadensersatzhaftung des alten Arbeitgebers in Betracht (OLG München, Urteil v. 30.3.2000 - 1 U 6245/99 ).

46

Schadensersatz wegen Verzugs oder Schlechterfüllung 47

Verdienstausfall als zu ersetzender Schaden 48

Arbeitgeber macht wissentlich unwahre Angaben

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Checkliste: Übliche Bestandteile eines qualifizierten Zeugnisses

• Geschäftspapier des Arbeitgebers

• Überschrift: Zeugnis/Zwischenzeugnis/vorläufiges Zeugnis

• Eingangsformel (Angaben zur Person des Arbeitnehmers: Name, Vorname, ggf. Geburtsname und

akademische Titel, Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, ggf. Unterbrechungen der Beschäftigung,

Berufsbezeichnung

• Ausführliche Tätigkeitsbeschreibung

• Ausführliche Leistungsbeurteilung

• Ausführliche Verhaltensbeurteilung

• Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Modalitäten nur auf Wunsch des Arbeitnehmers)

• Eventuell: Schlussformel (Dank, Bedauern über Ausscheiden, Zukunftswünsche)

• Ort, Ausstellungsdatum, Unterschrift (ggf. mit Vertretungsbefugnis).

Fazit

Die Erstellung eines Arbeitszeugnisses ist für den Arbeitgeber mit nicht unerheblichem Aufwand

verbunden. Er muss dabei einerseits die zahlreichen Vorgaben an Form und Inhalt des Zeugnisses

beachten, andererseits den „Spagat“ zwischen dem Wahrheitsgebot und dem Prinzip des Wohlwollens

berücksichtigen. Beachtet der Arbeitgeber jedoch die in diesem Praxisleitfaden dargestellten

Grundsätze und Standardformulierungen, sollte er wesentliche Fehlerquellen für streitige

Zeugnisauseinandersetzungen erfolgreich vermeiden können.

Autor

Professor Dr. Klaus Olbertz ist Professor für Wirtschaftsprivatrecht, insbesondere Arbeits- und Sozialrecht, an

der Hochschule Osnabrück.

Fundstelle(n):

NWB 2018 Seite 802

[HAAAG-78021]