Das Splittern nach dem Schuss
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etwa 78 m/s. Beim Aufprall wurdedemnach etwa 1/7 der kinetischenEnergie auf die Kugel übertragen.Aufgrund der hohen Geschwindig-keit wurde das Projektil im Bildlänglich verzerrt auf ein Verhältnisvon Länge zu Durchmesser von 3 bis3,5. Genauere Angaben sind indiesem Beispiel wegen der begrenz-ten Auflösung von 512 × 512 Pixelnund dem gewählten Bildausschnittnicht möglich.
Die luftgefüllte Hohlkugel bietetkaum Widerstand für das Projektil,das durch den Aufprall im Wesent-lichen Löcher in die Schale bricht, sodass meistens kleine Fragmente mitFlächen von einigen Quadratmillime-
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© 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 5/2013 (44) Phys. Unserer Zeit 251
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R A SA N T E PH YS I K |Das Splittern nach dem Schuss Rohe Eier sind, zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten, sehr stabil.Das gilt auch für kugelförmige Christbaumkugeln. Mit solchen Feier -tagsutensilien lassen sich interessante physikalische Experimente zur Inkompressibilität von Flüssigkeiten anstellen – und mit Hochge-schwindigkeitskameras studieren.
Die Kompressibilität κ (der Kehrwertdes sogenannten Kompressionsmo-duls) ist eine Kenngröße von Flui-den, die die Volumenänderung ∆V imVergleich zum ursprünglichen Volu-men V bei Vorliegen einer Druckdif-ferenz ∆p beschreibt
∆V/V = – κ ∆p. (1)
Bei gleichem Druckunterschiedlassen sich Flüssigkeiten deutlichschlechter komprimieren als Gase.So wird beispielsweise ein idealesGas bei einem Druckunterschied von1000 Pa gegenüber Atmosphären-druck von 105 Pa immerhin eineVolumenänderung von 1 % erfahren.In diesem Fall beträgt die Kompressi-bilität (κ = 1/p) etwa 10–5 Pa–1. BeiWasser, in der die Moleküle deutlichdichter liegen, beträgt die Kompressi-bilität nur 0,5 · 10–9 Pa–1. Dies führtzu einer relativen Volumenänderungbei ∆p = 1000 Pa von nur etwa5 · 10–7. Man müsste schon einenäußeren Druck von über 107 Pa (100 Atmosphären) ausüben, umebenfalls eine Volumenänderung von1 % zu erreichen. Diese niedrige Kom -pressibilität führt bei Flüssigkeiten zuinteressanten Phänomenen, dieteilweise sehr schnell ablaufen [1].
Beginnen wir mit dem von Formund Sauberkeit des Experimentsnicht optimalen Alltagsgegenstandeines rohen Eis. Schießt man miteiner Luftpistole und Geschossge-schwindigkeiten in der Größenord-nung 100 m/s auf ein rohes Ei, so istdas Endergebnis wie erwartet: Eszerspritzt, der Inhalt verteilt sich bisin recht große Entfernungen. Beidiesem Experiment sollte mandeshalb Videoaufnahmen durch eineSchutzscheibe aufnehmen. Ab -
bildung 1 zeigt einige Moment -aufnahmen des Experiments (Videoaufnahmen finden Sie aufwww.phiuz.de, Special Features,Zusatzmaterial zu den Heften).
Es fällt auf, dass die vom Projektilaus gesehene, rückwärtige Eischaleschon vor Austritt der Kugel zer-platzt. Die einfachste Erklärungbesagt, dass wegen der Inkompressi-bilität der Flüssigkeit das vom Projek-til verdrängte Volumen im Ei zu einerDruckerhöhung führt, der die Schalenicht gewachsen ist. In einer genaue-ren Analyse müssen natürlich auchTrägheitseffekte der bewegtenFlüssigkeit und die durch das Projek-til verursachte Schockwelle im Eiberücksichtigt werden. Da Eier sichstark voneinander in Form undSchalendickenverteilung unterschei-den können, stellt jedes derartigeExperiment ein Unikat dar. Besser istes, die Physik mit etwas reproduzier-bareren ähnlichen Systemen zuuntersuchen.
Hierfür bieten sich Christbaum-kugeln aus Plastik an. Abbildung 2zeigt drei Momentaufnahmen beimSchuss auf eine luftgefüllte Kugel auseiner Sequenz mit 8000 Bildern proSekunde. Sie gestattet es, die Ge-schwindigkeit des Projektils genau zubestimmen.
Die Längenskala ergibt sich ausdem Außendurchmesser der Kugelvon 57 mm (Innendurchmesser55 mm) sowie der bekannten Längeder auf dem Lauf befindlichen Ziel-vorrichtung von 30 mm. Die Kugelhatte folgende Maße: Masse = 0,54 g,Länge = 6,7 mm, Länge/Durchmesser≈ 1,5, Volumen = 6 · 10–2 cm3.
Vor dem Auftreffen auf dieHohlkugel betrug die Geschwindig-keit v = 84 m/s, nach dem Austritt
Abb. 1 Das Projektil einer Luftpistole trifft ein rohes Ei: a) kurz vor dem Auftreffen; b) nach 0,333 ms, c) nach1,333 ms. Das ausgetretene Projektil befindet sich im rotmarkierten Feld (Aufnahme mit 6000 Bildern/s, Integrations-zeit 1/6000 s.
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tern bis maximal etwa ein Quadrat-zentimeter wegfliegen. Der Hauptteilder Kugel bleibt unbeschädigt aufder Halterung liegend zurück (Videoauf www.phiuz.de).
Abbildung 3 zeigt einen starkvergrößerten Bildausschnitt einernun mit Wasser gefüllten Kugel,deren Öffnung mit einem Gummi-stopfen verschlossen war. Vor demAuftreffen auf die Kugel hatte dasProjektil eine Geschwindigkeit von80 bis 84 m/s, nach dem Austrittsank sie auf etwa 47 m/s. Diesestärkere Abbremsung zeigte sichauch an der längeren Durchflugszeitdurch die Kugel von etwa 1 ms imVergleich zu 0,75 ms bei der luftge-füllten Kugel. Der wesentlicheUnterschied ist jedoch die „Explo-sion“ der Christbaumkugel nochwährend das Projektil im Innern ist(Video auf www.phiuz.de).
Da die luftgefüllte Kugel nichtzerplatzte, können mechanischeDeformationswellen in der Hüllenicht für die Explosion verantwort-lich sein. Insofern bleibt nur dasWasser als Ursache übrig. Üblicherklärt man das Verhalten nach (1)durch die sehr geringe Kompressibi-lität des Wassers bei Zimmertempera-tur von κWasser ≈ 0,5 · 10–9 Pa–1.
Bei einer äußeren Druckände-rung ∆p ergeben sich Volumenände-rungen ∆V. Ein Projektil hat einVolumen von VProjektil ≈ 6 · 10–2 cm3,was ungefähr 1/1450 des Wasservolu-mens in der Kugel entspricht. Daanfangs nur sehr wenig Wasserheraus spritzt, muss in erster Nähe-rung nach dem Kugeleintritt sowohldas Wasser als auch das Projektil indasselbe verfügbare Innenvolumender Kugel hineinpassen. Das gehtnur, wenn das Wasser gemäß (1)entsprechend um ∆V = VProjektil
komprimiert wird. Hierzu wäre aberein Druckunterschied vom 14-fachenAtmosphärendruck nötig, der auf-grund ihrer mechanischen Eigen-schaften von der dünnen Plastikhüllenicht aufgebracht werden kann.Folglich muss sie platzen.
Über die eingangs erwähntenTrägheitseffekte der bewegtenFlüssigkeit und die durch das Projek-til verursachte Schockwelle gehenwir in der nächsten Folge auf denGrund.
Literatur[1] M. Vollmer, K.-P. Möllmann, Phys. Ed.
2012, 47(6), 664.
Michael Vollmer, Klaus-Peter Möllmann, FH Brandenburg
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Abb. 2 Das Projektil (innerhalb der rotgekennzeichneten Ellipse) einer Luftpis-tole trifft eine hohle Christbaumkugel(Öffnung unten): a) vor dem Auftref-fen, b) 1,5 ms später nach dem Austrittaus der Kugel. Erste Plastikfragmenteder Kugel fliegen erst nach dem Austrittdes Projektils weg (8000 Bilder/s,Integrationszeit 1/8000 s).
Abb. 3 Das Projektil trifft eine wassergefüllte, verschlossene Christbaumkugel: a) vor dem Auftreffen, (b, c) nach dem Austrittaus der Kugel. Die Kugel explodiert bereits bevor das Projektil austritt (8000 Bilder/s, Integrationszeit 1/8000 s).
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Die Fakultät für Physik und Astrono-mie der Universität Würzburg bietetVorträge der Reihe Physik am Samstagan, die als Lehrerfortbildung aner-kannt werden. In den kommendenMonaten stehen die Themen an: AmZiel? – Die Elementarteilchenphysiknach der Entdeckung eines Higgs-Bosons (12.10.), Optische Mikroskopiemit atomarer Auflösung – Wunschoder Wirklichkeit? (7.12.), Star Trek imAlltag – Eine Einführung in Quanten -teleportation und -Information(8.2.2014). www.physik.uni-wuerz-burg.de/aktuelles/oeffentlichkeit/physik_am_samstag/