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Thüringer Landtag Plenarprotokoll 3/91 3. Wahlperiode 12. September 2003 91. Sitzung Freitag, den 12. September 2003 Erfurt, Plenarsaal Thüringer Gesetz zur Änderung 7898 haushaltsrechtlicher Vorschriften (Thüringer Haushaltsänderungs- gesetz 2003/2004 - ThürHhÄG 2003/2004) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/3545 - ERSTE BERATUNG Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf an den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen. Eine beantragte Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Struk- turpolitik, den Innenausschuss, den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt, den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Ausschuss für Wissen- schaft, Forschung und Kunst, den Ausschuss für Bildung und Medien, den Aus- schuss für Soziales, Familie und Gesundheit, den Justizausschuss, den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und den Gleichstellungsausschuss wird jeweils mit Mehrheit abgelehnt. Bestimmung von zwei weiteren 7934 gesellschaftlich bedeutsamen Organisationen und Gruppen für den Rundfunkrat des Mitteldeut- schen Rundfunks (MDR) dazu: Unterrichtung durch die Prä- sidentin des Landtags - Drucksache 3/3488 - dazu: Wahlvorschläge der Fraktionen der PDS und CDU - Drucksachen 3/3561/3576 - Bei der Wahl zur Bestimmung von zwei weiteren gesellschaftlich bedeutsamen Organisationen und Gruppen für den Rundfunkrat des Mitteldeutschen Rund- funks (MDR) wird über die Wahlvorschläge der Fraktionen der PDS und CDU - Drucksachen 3/3561 und 3/3576 - gemäß § 46 Abs. 2 GO durch Handzeichen abgestimmt, da kein Mitglied des Landtags diesem Verfahren widerspricht. Der Wahlvorschlag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/3576 - erhält 43 Ja- stimmen, der Wahlvorschlag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/3561 - er- hält 34 Jastimmen. Gemäß dem Höchstzahlverfahren nach d'Hondt sind damit der Arbeitskreis Thüringer Familienorganisationen und der BUND, Landesver- band Thüringen e.V. als weitere gesellschaftlich bedeutsame Organisationen und Gruppen für den Rundfunkrat des Mitteldeutschen Rundfunks bestimmt.

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Thüringer Landtag Plenarprotokoll 3/91 3. Wahlperiode 12. September 2003

91. Sitzung

Freitag, den 12. September 2003

Erfurt, Plenarsaal

Thüringer Gesetz zur Änderung 7898haushaltsrechtlicher Vorschriften(Thüringer Haushaltsänderungs-gesetz 2003/2004 - ThürHhÄG2003/2004)Gesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3545 -ERSTE BERATUNG

Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf an den Haushalts- undFinanzausschuss überwiesen.

Eine beantragte Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Struk-turpolitik, den Innenausschuss, den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt, denAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Ausschuss für Wissen-schaft, Forschung und Kunst, den Ausschuss für Bildung und Medien, den Aus-schuss für Soziales, Familie und Gesundheit, den Justizausschuss, den Ausschussfür Bundes- und Europaangelegenheiten und den Gleichstellungsausschuss wirdjeweils mit Mehrheit abgelehnt.

Bestimmung von zwei weiteren 7934gesellschaftlich bedeutsamenOrganisationen und Gruppen fürden Rundfunkrat des Mitteldeut-schen Rundfunks (MDR)dazu: Unterrichtung durch die Prä-

sidentin des Landtags- Drucksache 3/3488 -

dazu: Wahlvorschläge der Fraktionender PDS und CDU- Drucksachen 3/3561/3576 -

Bei der Wahl zur Bestimmung von zwei weiteren gesellschaftlich bedeutsamenOrganisationen und Gruppen für den Rundfunkrat des Mitteldeutschen Rund-funks (MDR) wird über die Wahlvorschläge der Fraktionen der PDS und CDU- Drucksachen 3/3561 und 3/3576 - gemäß § 46 Abs. 2 GO durch Handzeichenabgestimmt, da kein Mitglied des Landtags diesem Verfahren widerspricht.

Der Wahlvorschlag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/3576 - erhält 43 Ja-stimmen, der Wahlvorschlag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/3561 - er-hält 34 Jastimmen. Gemäß dem Höchstzahlverfahren nach d'Hondt sind damitder Arbeitskreis Thüringer Familienorganisationen und der BUND, Landesver-band Thüringen e.V. als weitere gesellschaftlich bedeutsame Organisationenund Gruppen für den Rundfunkrat des Mitteldeutschen Rundfunks bestimmt.

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7894 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003

Thüringer Gesetz zur Neuglie- 7935derung der kreisangehörigenGemeinden Breitenbach, Ferna,Gerstungen, Lauchröden, StadtLeinefelde, Marktgölitz, Oberellen,Probstzella, Seifartsdorf, Silbitz,Unterellen, Wintzingerode undStadt WorbisGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3562 -ERSTE BERATUNG

Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf an den Innen-ausschuss überwiesen.

Parlamentarisches Bündnis 7940für FamilienAntrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3574 -

Ohne Begründung durch den Antragsteller und nach Aussprache wird einebeantragte Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Ge-sundheit mit Mehrheit abgelehnt.

Der Antrag der Fraktion der SPD wird mit Mehrheit abgelehnt.

Fragestunde 7948

a) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Kaschuba (PDS) 7948 Zur Situation der Firma sico technology GmbH

- Drucksache 3/3560 -

wird von Minister Reinholz beantwortet. Zusatzfrage.

b) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Stangner (PDS) 7949Einschränkung der Betreuung im Rahmen der pädagogisch-praktischen Ausbildung im Vorbereitungsdienst- Drucksache 3/3563 -

wird von Minister Dr. Krapp beantwortet. Zusatzfragen.

c) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Buse (PDS) 7950Tourismuskonzept in Thüringen- Drucksache 3/3564 -

wird von Minister Reinholz beantwortet. Zusatzfrage.

d) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Fischer (PDS) 7951Sparwille der Thüringer Krankenkassen zu Lasten von Ärztenund Patienten- Drucksache 3/3567 -

wird von der Abgeordneten Thierbach vorgetragen und von Staatssekretär Maaßen beantwortet. Zusatzfrage.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7895

e) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Höhn (SPD) 7952Vorfinanzierung von Fördermitteln der Europäischen Uniondurch den Freistaat Thüringen- Drucksache 3/3570 -

wird von Staatssekretär Illert beantwortet.

f) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kummer (PDS) 7952Übernahme der Entsorgungskosten im Fall des Brandes derRecyclinganlage Gösen- Drucksache 3/3571 -

wird von Staatssekretär Baldus beantwortet. Zusatzfragen.

g) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten K. Wolf (PDS) 7953Wegweisungen und Ingewahrsamnahme in Thüringen- Drucksache 3/3504 -

wird von Innenminister Trautvetter beantwortet.

h) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Buse (PDS) 7954Streckenausschreibung der DB Netz AG- Drucksache 3/3565 -

wird von Minister Reinholz beantwortet.

i) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Buse (PDS) 7955Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose- Drucksache 3/3569 -

wird von Minister Reinholz beantwortet. Zusatzfrage.

Beratung des Berichts des Unter- 7955suchungsausschusses 3/3 "Ein-satz des Landesamts für Verfas-sungsschutz zur Informationsge-winnung über Kandidatinnen undKandidaten für Kommunalwahlendurch den Thüringer Innenminister"- Drucksache 3/3420 - auf Verlangender Fraktion der PDSdazu: Unterrichtung durch die Präsi-

dentin des Landtags- Drucksache 3/3470 -

Die Beratung wird durchgeführt.

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7896 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003

Anwesenheit der Abgeordneten:

Fraktion der CDU:

Althaus, Arenhövel, Bergemann, Böck, Bonitz, Braasch, Carius, Emde, Fiedler,Prof. Dr. Goebel, Grob, Groß, Grüner, Heym, Jaschke, Kallenbach, Köckert, Kölbel,Dr. Kraushaar, Krauße, Kretschmer, von der Krone, Lehmann, Lieberknecht, Mohring,Panse, Dr. Pietzsch, Pöhler, Primas, Schugens, Schuster, Schwäblein, Seela, Dr. Sklenar,Sonntag, Stauch, Tasch, Trautvetter, Dr. Vogel, Vopel, Wehner, Wetzel, B. Wolf, Wunder-lich, Dr. Zeh, Zitzmann

Fraktion der PDS:

Buse, Dittes, Dr. Fischer, Dr. Hahnemann, Huster, Dr. Kaschuba, Dr. Klaubert, Dr. Koch,Kummer, Nitzpon, Nothnagel, Ramelow, Scheringer, Sedlacik, Sojka, Dr. Stangner,Thierbach, Dr. Wildauer, K. Wolf

Fraktion der SPD:

Bechthum, Becker, Dr. Botz, Doht, Döring, Ellenberger, Gentzel, Höhn, Dr. Klaus, Künast,Lippmann, Dr. Müller, Pelke, Dr. Pidde, Pohl, Schemmel, Dr. Schuchardt, Seidel

Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung:

Ministerpräsident Althaus, die Minister Diezel, Dr. Gasser, Kaiser, Dr. Krapp, Reinholz,Prof. Dr. Schipanski, Dr. Sklenar, Trautvetter, Dr. Zeh

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7897

Rednerliste:

Präsidentin Lieberknecht 7898, 7903, 7909, 7914, 7961, 7964, 7965, 7966Vizepräsidentin Ellenberger 7938, 7939, 7940, 7941, 7942, 7943, 7945, 7947, 7948, 7949, 7950, 7951, 7952,

7953, 7954, 7955, 7958, 7959Vizepräsidentin Dr. Klaubert 7924, 7925, 7929, 7931, 7932, 7933, 7934, 7936, 7937Arenhövel (CDU) 7941Böck (CDU) 7959Buse (PDS) 7950, 7951, 7954, 7955Carius (CDU) 7965, 7966Dittes (PDS) 7961, 7964Döring (SPD) 7939Fiedler (CDU) 7938Gentzel (SPD) 7931Dr. Hahnemann (PDS) 7955, 7965, 7966Höhn (SPD) 7909, 7952Huster, (PDS) 7903Dr. Kaschuba (PDS) 7948Dr. Klaus (SPD) 7958, 7965Kummer (PDS) 7952, 7953Mohring (CDU) 7915Nitzpon (PDS) 7934, 7942, 7950Panse (CDU) 7943Pelke (SPD) 7940, 7947Dr. Pietzsch (CDU) 7932, 7952Ramelow (PDS) 7929, 7930Schemmel (SPD) 7937Sojka (PDS) 7950Dr. Stangner (PDS) 7949Thierbach (PDS) 7951, 7955Dr. Wildauer (PDS) 7937K. Wolf (PDS) 7953

Althaus, Ministerpräsident 7925, 7929Baldus, Staatssekretär 7953Diezel, Finanzministerin 7898, 7924Illert, Staatssekretär 7952Dr. Krapp, Kultusminister 7949, 7950Maaßen, Staatssekretär 7951, 7952Reinholz, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur 7948, 7950, 7951, 7954, 7955Trautvetter, Innenminister 7935, 7940, 7954Dr. Zeh, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit 7945

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7898 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003

Die Sitzung wird um 9.04 Uhr von der Präsidentin desLandtags eröffnet.

Präsidentin Lieberknecht:

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten,sehr verehrte Vertreter der Landesregierung, sehr verehrteGäste auf der Besuchertribüne, ich begrüße Sie alle sehrherzlich zu unserer heutigen 91. Plenarsitzung am 12. Sep-tember 2003, die ich hiermit eröffne. Als Schriftführerhaben neben mir Frau Abgeordnete Zitzmann und Frau Ab-geordnete Wolf Platz genommen. Frau Abgeordnete Wolfwird die Rednerliste führen. Für die heutige Sitzung habensich Abgeordneter Gerstenberger, Abgeordneter Illing,Abgeordneter Schröter, Abgeordnete Wackernagel und Ab-geordnete Zimmer entschuldigt.

Zur Tagesordnung haben wir gestern schon alles Not-wendige festgestellt, deswegen komme ich unmittelbarzum Aufruf des für heute als ersten Punkt vereinbartenTagesordnungspunkts 4 unserer Tagesordnung, nämlich

Thüringer Gesetz zur Änderunghaushaltsrechtlicher Vorschriften(Thüringer Haushaltsänderungs-gesetz 2003/2004 - ThürHhÄG2003/2004)Gesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3545 -ERSTE BERATUNG

Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung die Vorlagebegründet. Bitte, Frau Ministerin Diezel.

Diezel, Finanzministerin:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und HerrenAbgeordneten, die Landesregierung legt Ihnen heute denEntwurf eines Nachtragshaushalts für den laufenden Dop-pelhaushalt vor. Das Verfahren mit zwei Klausurtagungensowie den anschließenden Chefgesprächen macht die Dra-matik der neuerlichen Steuerausfälle deutlich. Es zeigtauch, wie ernsthaft und leidenschaftlich sich die Landes-regierung um einen richtigen Lösungsweg bemüht hat.Die Landesregierung hat schlussendlich einen realistischenMix aus möglichen Einsparungen und notwendiger Kre-ditaufnahme gefunden und sich dafür entschieden. DieserNachtragshaushalt ist die landespolitische Antwort auf dieweiterhin schlechten Rahmenbedingungen, die die Bun-desregierung allen Bundesländern beschert. Es ist zu-gleich das Signal an alle Thüringerinnen und Thüringer,dass der Freistaat als junges Bundesland den Aufholpro-zess trotz aller Probleme weiter verfolgen will und wird.

Meine Damen und Herren, es ist deshalb ein Nachtrag derverstärkten Prioritäten. Es ist ein Nachtrag, der die Zukunftdes Freistaats Thüringen im Blick hat, und es ist ein Nach-trag, der die Gegenwart sichert. Aber es ist kein Nachtrag,

den diese Landesregierung verursacht und zu verantwortenhat. Es ist absurd, die Haushaltsprobleme Thüringens derLandesregierung zuzuschreiben. Es ist und bleibt richtig,alle Länder haben mit den Steuerausfällen zu kämpfen.Nahezu alle Länder sind an die Grenzen ihrer Leistungs-fähigkeit gekommen. Deshalb ist es auch kein Nachtrag,über den man Freude empfinden könnte.

Ich möchte in diesem Zusammenhang aus dem Brief deshessischen Ministerpräsidenten an seine Bediensteten zi-tieren. "Ein Land, in dem es seit drei Jahren kein wirt-schaftliches Wachstum gibt, wird ärmer. Wenn Deutsch-land in einer dramatischen Wirtschaftskrise mit massivenSteuerausfällen, fehlendem Wirtschaftswachstum, einer imWinter zu erwartenden Arbeitslosigkeit von rund 5 Mio.Menschen und einer erneuten Verschuldung weit über der3-Prozent-Grenze der EU steckt, geht eine solche Entwick-lung auch an einem Zahlerland wie Hessen nicht vorbei."Das sagt der Ministerpräsident des größten Zahlerlandesin den Länderfinanzausgleich.

Aber, meine Damen und Herren von der SPD, ich will nichtparteiisch sein, ich möchte hier an dieser Stelle auch den

(Heiterkeit bei der SPD)

Finanzminister Dieckmann aus Nordrhein-Westfalenzitieren, ebenfalls einem Geberland, der sagt: "Die Lageist ernst, sehr ernst. Der Nachtragshaushalt ist Ausdruckdieser Lage. Wir erleben in Deutschland, welche drama-tischen Folgen die wirtschaftliche Entwicklung und dassehr schwache Wachstum für die öffentlichen Haushaltehat." Das kann man nur unterstreichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Verant-wortung für die gesamtstaatliche Entwicklung trägt derBundeskanzler, denn nur er hat die erforderliche Richt-linienkompetenz. Bei einem Teil seiner missglückten oderverschobenen Reformen hat er das ja selbst im Bundes-tag eingestanden. Die Bundesregierung hat jahrelang dasNotwendige unterlassen. Rund fünf Jahre benötigte sie, umden Reformbedarf überhaupt erst anzuerkennen - fünf Jahreverschenkte Steuereinnahmen auch für unser Land. ObRenten-, Gesundheits- oder Steuerreform, die alte Bundes-regierung - und das muss man immer wieder sagen - hattediese Gesetze schon eingebracht oder Konzepte veröffent-licht. Schauen Sie, wenn das Steuerreformpaket von1998 damals auf den Weg gebracht worden wäre undnicht von Lafontaine im Bundesrat blockiert, hätten wir einJahr gehabt, wo darauf 15 Mrd. ������������einnahmengekommen wären. Nein, man hat diese Chance verpasst.Ich will sagen, es ist keine vorgezogene Steuerreform, dieuns die Bundesregierung jetzt verkaufen will, es ist eineverschobene Steuerreform gewesen, um fünf Jahre min-destens.

(Beifall bei der CDU)

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7899

Meine sehr verehrten Damen und Herren, und das hat derFreistaat Thüringen mitzutragen. Wir sind auf die Steuer-einnahmen hinter das Jahr 1995 gefallen. Die Steuerre-form der Bundesregierung ist keine Steuerreform wie diePetersberger Beschlüsse, sie ist nicht aus einem Guss, sieist ein Stückwerk. Das ist wie in der Medizin, wenn manMedikamente nicht in entsprechenden Dosen verabreichtund nur tröpfchenweise wird es nicht zur Genesung desPatienten beitragen.

(Beifall bei der CDU)

Die schlechten Rahmenbedingungen sind also keine haus-gemachten Thüringer Probleme. Im Gegenteil, die Landes-regierung hat versucht, trotz dieser drei Jahre Stagnation,wie sie Eichel nennt, gegenzusteuern. Wir haben versucht,die Schulden trotz unserer Einnahmeprobleme abzubauen.Wir haben in Deutschland alle ein Einnahmeproblem, weilwir ein Wachstumsproblem haben. Ich fordere die Bun-desregierung und ihre Mitglieder auf, endlich wieder anWachstum zu glauben und auf Wachstum zu setzen, dennnur das bringt Einnahmen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Rahmenbe-dingungen für Thüringen sind schlecht, sie behindern un-sere Entwicklung. Trotzdem haben wir durch die Weichen-stellung in unseren Haushalten erfreuliche Zeichen. Tat-sache ist, dass sich das Wirtschaftswachstum in den erstenbeiden Quartalen in Thüringen vor allem im Bereich der In-dustrie verbessert hat, im ersten Halbjahr 2003 um 5,5 Pro-zent gegenüber dem Vorjahr und im Juni nahm der Umsatzgegenüber dem Vorjahr um 9 Prozent zu. Hiervon profitiertauch der Arbeitsmarkt und das ist entgegen dem Bundes-trend im Bereich der verarbeitenden Industrie.

(Beifall bei der CDU)

Eine deutliche Verbesserung gibt es bei den Thüringer In-dustriebetrieben auch bei der Auftragslage. Sie stieg imersten Halbjahr 2003 um 10,8 Prozent gegenüber demVorjahreszeitraum. Das liegt wieder deutlich über demBundestrend. In den neuen Ländern ist der Trend nämlichplus 3,0 Prozent. Natürlich ist das Bauhauptgewerbe nochin einem schweren Strukturwandel, auch in Thüringen. Dashat Auswirkungen auf die Steuereinnahmen im Bereichder Umsatzsteuer und das hat Auswirkungen auf den Ar-beitsmarkt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie michnoch einmal auf die Wachstumsprognosen - ich habe dashier von diesem Pult aus mehrfach getan, aber sie habenunmittelbare Auswirkungen auf die Planung und auf dieVeranschlagung des Haushalts - eingehen. Die Wachs-tumsannahmen werden weiterhin von der Bundesregie-rung geschönt. Es sind Fehleinschätzungen. Das HausEichel sagt das ja selbst, wie riskant, wie optimistisch diese2,0 Prozent sind. Zum Zeitpunkt unseres Haushaltsauf-

stellungsverfahrens erwartete die Bundesregierung einWachstum 2003 von real 2,5 Prozent. 2,25 Prozent solltedas BIP 2004 steigen. Für das darauf folgende Jahr brachtedann die Steuerschätzung einen drastischen Einbruch imNovember. Für 2003 wurden nur noch 1,5 Prozent voraus-gesagt und im Mai 2003 gar musste Eichel einräumen, dassim laufenden Jahr nur noch 0,75 Prozent zu veranschlagensind. Das Muster ist leider immer wieder das gleiche unddas haben auch wir mit auszutragen. Die Wirtschaftsfor-schungsinstitute erklären die Annahmen der Bundesregie-rung für zu optimistisch. Selbst die Bundesbank machtdas, Wochen oder manchmal Tage später müssen dann dieZahlen nach unten korrigiert werden. Meine Damen undHerren, diese fortwährenden zu optimistischen Annahmen,und wir sehen ja, wie es in der Kasse aussieht, sind auchGrund für die miserable Situation der öffentlichen Haus-halte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit derSteuerschätzung im Mai diesen Jahres wurden die Aus-fälle von 2003 bundesweit auf 8,7 Mrd. ��beziffert. FürThüringen ergaben sich Ausfälle in Höhe von 337 Mio. �für 2003 und 538 Mio. ������ �������glichen jeweils mitden Ansätzen im Doppelhaushalt 2003. Aufgrund der un-geheuren Dimensionen der Steuermindereinnahmen habenwir uns für einen Nachtrag entschieden, der die beidenHaushaltsjahre umfasst. Wir haben den vorliegenden Ent-wurf des Nachtragshaushalts, die Ansätze der Steuerein-nahmen, den Länderfinanzausgleich und die Bundeser-gänzungszuweisung um die Ergebnisse der Mai-Steuer-schätzung korrigiert. Darüber hinaus haben wir unsere Vor-anschläge der aktuellen Kassenlage angepasst. Ich habemich nicht von den Wachstumsprognosen des Bundesfi-nanzministeriums leiten lassen bei meiner Veranschlagung.Ich habe mich angelehnt an die Wachstumsprognosen derBundesbank. Eichels jüngste Aussage von 2 Prozent istalso nicht die Basis unseres Haushalts. Wir nehmen eineWachstumsrate um 0,75 Prozent für das Jahr 2004 an.Wenn immer mal der Vorwurf kommt, wir würden Wahl-haushalte machen, mit dieser Wachstumsrate machen wiralles andere als einen Wahlhaushalt. Wir machen einenHaushalt, der sich an der realen Entwicklungen der Wirt-schaft in Deutschland orientiert.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben heute gelesen, dass Professor Walter, der Chef-volkswirt der Deutschen Bank, gestern bei der IHK-Ta-gung in Gera von 1,5 Prozent ausgegangen ist. Er sagtaber auch dazu, dass das nicht das Wachstum ist und derAufschwung, sondern dass es die drei Tage mehr sind, diewir nicht durch Feiertage haben, und er sagte mir imGespräch, ich würde als Finanzminister genauso 0,75 Pro-zent ansetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, insgesamt wer-den mit dem vorliegenden Nachtragshaushalt Deckungs-lücken in Höhe von 561 Mio. ����������������������� �im nächsten Jahr ausgeglichen. Davon sind - und ich muss

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7900 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003

die Zahl noch einmal nennen - 337 Mio. ������������Jahr und 538 Mio. ������ ���������fälle, hauptsächlichaus der Umsatzsteuer. Hinzu kommen die unabweisbarenMehrausgaben im Gesamtumfang von 90 Mio. ���������2003 und noch einmal etwa die Hälfte im nächsten Jahr.Hinter diesen Mehrausgaben verbergen sich beispielsweisedie Erstattung an die Bundesversicherungsanstalt für Zu-satzversorgungssysteme. Herr Abgeordneter Höhn, Siehatten sich ja in Ihrem Interview dazu geäußert. Nur mussich Ihnen sagen, wir Ostfinanzminister sind sehr interessiertdaran, die Bundesregierung hier an einen Tisch zu bekom-men zur Mehrbeteiligung. Alle Versuche, in den letztenzwei, drei Jahren auch verlässliche Daten zu bekommen,sind fehlgeschlagen. Wir werden natürlich weiter diesesBemühen aufrechterhalten. Aber unterstützen Sie uns dochmit Ihrem parlamentarischen Staatssekretär in Berlin, diesesauch durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Hinzu kommen weitere Zuwächse in den beiden Jahrender Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfege-setz sowie im Maßregelvollzug und in der Investitions-finanzierung der Pflegeeinrichtungen. Nicht unerwähntmöchte ich die Mindereinnahmen von 10 Mio. � bei dennicht zu realisierenden Forderungen bei Gerichtskostenlassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie michan dieser Stelle sagen, das Handelsblatt veröffentlichtheute Finanzdaten der einzelnen Länder. Gestern warFinanzministerkonferenz in Berlin. Es ist der erneute Ver-such des Bundesfinanzministers, die Bundesländer aus-einander zu treiben und die Bundesländer, die Länder-finanziminister mit für diese Misere verantwortlich zumachen. Dieser Finanzstatus, er sagt das selbst in seinemAnschreiben, das er der Wirtschaftswoche zur Verfügunggestellt hat und auch dem Handelsblatt, ich lese vor ausdem Schreiben des Bundesfinanzministers: "Zum jetzigenZeitpunkt besitzen die vorliegenden Daten über die Haus-haltsentwicklung der Länder im Jahr 2003 noch wenigAussagekraft für den tatsächlichen Haushaltsverlauf biszum Jahresende. Vergleiche zum Vorjahreszeitraum sowiedie Haushaltsplanung 2003 erlauben daher noch keineweiter gehende Bewertung." Ich sage, das ist unseriösePolitik gegenüber den Ländern.

(Beifall bei der CDU)

Weil Thüringen darin mit 1,4 Mrd. ��������������������ich, da sind bestimmte Abschlagszahlungen im Bereichder Steuer nicht einberechnet. Das ist eine Tagesaufnahme.Da sind Tilgungen, die wir geleistet haben, die wiederzurückfließen, eine Tagesaufnahme. Aber ich sage auch,und das in Richtung PDS, die Personalausgaben sindweiterhin gestiegen und die Einnahmen liegen immer noch,obwohl wir vorsichtig veranschlagt haben, hinter den Er-wartungen zurück und die Ausgaben liegen um 3 Prozenthöher. Deswegen verstehe ich nicht, warum mich die PDS

immer fragt, warum denn dieser Haushaltstitel noch nichtveranschlagt und ausgegeben ist. Es geht darum, Ein-sparungen zu realisieren und nicht Ausgaben maximalin die Höhe zu treiben.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte darauf aufmerksam machen, was der Abge-ordnete Huster gestern gesagt hat. Ich glaube, vor demHintergrund dieser Zahlen war es genau richtig, eine Be-wirtschaftungsreseve am Anfang des Jahres zu erlassenund eine Haushaltssperre im Juni, nachdem die Daten be-kannt waren über die Zerlegung der Steuer, die Kassen-entwicklung, die Steuerschätzung, genau richtig dieseVorsorge zu treffen entsprechend der Landeshaushalts-ordnung und der Bundeshaushaltsordnung. Ich empfehleimmer noch den Dornbach nachzulesen in seiner Kom-mentierung. Der Finanzminister hat die Pflicht, im Rahmendes Kabinetts für den Vollzug des Haushalts Vorsorge zutreffen. Solche Sperrungen sind die Möglichkeit, Vorsorgezu treffen im Haushalt. Ich habe davon in Abstimmungmit den Kollegen im Kabinett Gebrauch gemacht.

Zur Informationspolitik: Herr Huster, gleichzeitig wie sichdas Kabinett damit beschäftigt hat, hat der Staatssekretär inFrankfurt den Haushaltsausschuss darüber informiert. Wirhaben darüber informiert, dass wir einen Nachtragshaushaltvorlegen werden, somit das hohe Haus dem Budgetrechtunterliegt oder übergeben werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen wirzur Systematik. Der vorliegende Nachtrag umfasst 5 bis6 Prozent unseres Haushaltsvolumens. Von den insgesamt9.000 Haushaltstiteln sind im Nachtrag 776 Titel betroffen.Die Haushaltssperren sind in den Nachtragshaushalt ein-geflossen. Dabei haben wir entsprechend der Deckungs-fähigkeit in § 4 unseres Haushaltsgesetzes hauptgruppen-orientiert Minderausgaben zusammengefasst. Wie Siewissen, haben wir mit der Ergänzungsvorlage zum Dop-pelhaushalt 2003 auch eine Globale Minderausgabe inHöhe von 93 Mio. ��������������� ���� ������ müssen,um die November-Steuerschätzung abzudecken. Diese Glo-bale Minderausgabe lösen wir ebenfalls mit dem Nach-tragshaushalt auf. Im Einzelplan des Wirtschaftsministe-riums ist eine Globale Minderausgabe erhöht worden, umdie Flexibilität der Gegenfinanzierung von Bundesmittelnzu erhalten. Dies ist eine fürsorgliche Maßnahme ganz imSinne der Investitionsförderung und der damit verbun-denen Arbeitsplätze und dass das richtig ist, zeigen ja dieZahlen, die ich am Anfang genannt habe in der ThüringerIndustrie. Das Signal auszugeben, wenn Investoren bereitsind in Thüringen zu investieren, werden wir finanzierenüber die GA und der Wirtschaftsminister ist sich seinerVerantwortung gegenüber der Globalen Minderausgabesicherlich bewusst.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7901

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für das Jahr 2003sehen wir nun eine Erhöhung der Kreditaufnahme um357 Mio. �������������!��������������"��� ��������� nichtaus, um die Steuermindereinnahmen und die Mehraus-gaben aus den gesetzlichen Leistungen auszugleichen. DieDeckung der restlichen Förderung von rund 204 Mio. �ist das Ergebnis von Einsparungen, sie wurden durchEinsparungen in den einzelnen Ressorts erbracht, Ein-sparungen in Höhe von 2,2 Prozent. Das war schwer,denn schon in den letzten beiden Jahren seit 2001 sindimmer wieder Einsparungen notwendig gewesen, das Ge-samtvolumen des Haushalts wurde reduziert, im vergange-nen Jahr: Ist zum Plan über 3,7 Prozent. Das ist für einjunges Land eine sehr schwer zu verkraftende Tatsache.Aber wir stellen uns diesen Einsparungen und ich bin dank-bar und möchte diesen Dank an dieser Stelle auch gegen-über meinen Ressortkollegen und dem Ministerpräsidentenzum Ausdruck bringen, in den schweren Klausurberatun-gen doch zielorientiert und ergebnisorientiert gemeinsamden Gesamthaushalt im Blick behalten zu haben und ander einen oder anderen Stelle auch auf Vorhaben in Einzel-plänen verzichtet zu haben. Ich bedanke mich bei allen.

(Beifall bei der CDU)

Es fällt natürlich schwer, sich von Gewohntem zu trennenund nur noch das unbedingt Notwendige zu veranschlagen.Hier zählen Einsparungen auch in meinem eigenen Be-reich im Staatlichen Hochbau dazu, in der Informations-technik, im ÖPNV, beim Wirtschaftsminister oder imsozialen Wohnungsbau beim Innenminister und an allenStellen. Alle Ressorts haben sich daran beteiligt nach denSchwerpunkten, die unsere Landesregierung für die Ent-wicklung unseres Landes herausgegeben hat und hinterdenen sie steht: Kinder, Familie, Forschung, Entwicklung,Zukunft und innere Sicherheit.

(Beifall bei der CDU)

Aber es zeigt auch, wenn man die Mindereinnahmen unddie Verschuldung und die Einsparungen des Jahres 2004im Haushaltsvoranschlag ansieht, wir sind an Grenzengekommen, an Grenzen der Einsparung. Die Spielräume,meine sehr verehrten Damen und Herren, werden immerenger. Ich denke, wir haben uns noch vor Jahren über800 Mio. ����������� ��������������������������#���gestritten, jetzt liegt der Spielraum bei frei verfügbarenMitteln höchstens noch bei 360 Mio. ���$�����������"���durch Verpflichtungsermächtigungen belegt. Das ist weni-ger als die Hälfte. Inzwischen streiten wir uns eher um dieSystematik: Doppelhaushalt ja oder nein, Personalquoten,Investitionsquoten, Ist-Listen; wir streiten uns immerweniger um Inhalte. Das zeigt auch die Dramatik des Haus-halts, die Gestaltungsspielräume sind aufgrund der Steuer-einnahmen gering geworden, Prioritätensetzung ist des-wegen das Gebot der Stunde, Prioritäten setzen für dieEntwicklung und die Zukunft dieses Freistaats.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Oppo-sition, vor allen Dingen von der PDS, hätten wir die An-träge, die Sie in den letzten Jahren, seitdem ich in diesemHause bin, zugelassen für Mehrausgaben, für Neuverschul-dung, hätten wir keinen verfassungsmäßigen Haushaltmehr, wir hätten Haushaltsnotlage. Es ist gut, dass wires nicht zugelassen haben und wir werden es auch inZukunft nicht zulassen,

(Beifall bei der CDU)

denn mit diesem Haushalt, den Ihnen die Landesregierungheute vorlegt, halten wir die Vorgaben des Finanzpla-nungsrats ein, wir sind unter der Nettoneuverschuldung imIst 2002 und wir haben eine Steigerung unter 1 Prozentdes Gesamthaushalts, beider Haushalte, so wie der Fi-nanzplanungsrat es vorgibt. Auch deswegen lassen wiruns als Bundesländer nicht auseinander dividieren, derFinanzplanungsrat hat eindeutig festgestellt in seinerletzten Sitzung, dass der Bund für das Reißen derMaastricht-Kriterien verantwortlich ist. Der Finanzpla-nungsrat hat dieses festgestellt, nicht die Länder nurallein, sondern der Finanzplanungsrat. Die Investitionsquoteliegt um 20 Prozent, natürlich, wenn das Gesamtvolumensinkt, hat das auch leider Auswirkungen auf Investi-tionen. Die Personalquote bleibt unter 27 Prozent, die Per-sonalbudgets werden nicht erhöht. Der Kabinettsbeschlussvom 17. Februar 2003 zum Wegfall von 80 Prozent derfreien Stellen wird umgesetzt. Personalpolitik hat einenzukunftsweisenden Charakter. Wir haben noch nicht dieProbleme mit den Pensionen der Landesbeamten wie inden alten Bundesländern, hier sind wir noch weit weg vonden magischen 40 Prozent. Allerdings müssen wir heutedie Belastung von morgen im Blick haben und deshalbhaben wir zum Stellenabbau des bereits beschlossenenPersonalentwicklungskonzepts der Landesregierung wei-tere 1.758 Planstellen und Stellen als unbefristete kw-Vermerke ausgebracht. Dies bewirkt eine Anpassung desStellenplans an die Demografie in den künftigen Jahren.Die aktuelle und bundesweit überdurchnittliche gutePolizeidichte in unserem Land bleibt erhalten, auch dieAbsolventen von Meiningen werden übernommen.

(Beifall bei der CDU)

Gleichfalls gilt das für die Fortsetzung des Personalkon-zepts, das Gleiche gilt im Lehrerbereich. Vor dem Hin-tergrund der weiter sinkenden Schülerzahlen in Thüringenhaben wir auch dieses angepasst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Beamte sindbesser als ihr Ruf, Herr Höhn, sie sind flexibel im Landeinsetzbar, sie leisten vieles für diese Landesverwaltungund für die Sicherheit unseres Landes und die Landesre-gierung betrachtet Bildungs- und Erziehungsauftrag derThüringer Lehrerinnen und Lehrer und der ProfessorenThüringens als hoheitliche Aufgabe. Diese Aufgabe istuns wichtig und deshalb wollen wir sie sichern. Auch sinddie Kostenanteile bei weitem nicht ganz so klar, denn

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auch die Altersversorgung der Angestellten bleibt nichtohne Auswirkungen auf die Haushalte. Der Unterschied ist,dass die Altersversorgung der Angestellten schon in deraktiven Zeit durch den Landeshaushalt bezahlt wird. DiePensionsleistungen der Beamten fallen hingegen erst nachdem Versorgungsfall an. Auch deshalb - und die Rech-nungshöfe haben das mehrfach festgestellt in unterschied-lichen Ländern - kostet der Beamte grundsätzlich der öf-fentlichen Hand weniger, zumal die Arbeitgeberanteile zurSozialversicherung einschließlich der VBL nicht zuletztdurch die demografische Entwicklung in den nächstenJahren weiter ansteigen werden. VBL - zur Erklärung - dasist die Zusatzversorgung der Angestellten und Arbeiter. DieVBL in den alten Ländern hat damit schon ihre Probleme.

Meine Damen und Herren, zum Kommunalen Finanzaus-gleich: Wir haben den Kommunalen Finanzausgleich trotzder Steuereinnahmen nicht verändert. Wir wollen den Ge-meinden Planungssicherheit geben in schwieriger finan-zieller Lage, wenn es schon der Bund mit der Gemein-definanzreform nicht tut.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb haben wir die Finanzausgleichsmasse auf demNiveau von 2002 belassen. Dies bedeutet, dass das Landsich höher verschulden muss, um durch zusätzliche Lan-desmittel den Kommunen ihren Anteil an den Steuer-ausfällen 2003 und 2004 auszugleichen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Heutenoch!)

37 Mio. ����������������������������%"�������������"��als allgemeine Schlüsselzuweisung, sondern als investiveSchlüsselzuweisung ausreichen. Hiermit wollen wir die In-vestitionstätigkeit der Kommunen noch stärker unter-stützen. Die Schlüsselzuweisungen werden steuerkraft-abhängig auf die Gemeinden und Landkreise verteilt. Wirkommen so im KFA zu einer stärkeren Strukturver-schiebung zu den investiven Ansätzen. Damit wird denKommunen das deutliche Signal vermittelt, wohin dieEntwicklung in Zukunft gehen wird, in Richtung In-vestitionen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch dasFesthalten an der Größe 1,86 Mio. ����������������� ��ist eine Priorität in diesem Nachtragshaushalt.

Kommen wir zum leidigen Problem Doppelhaushalt jaoder nein. Ganze Zeitungsspalten werden ja damit gefüllt.Wir stellen den Doppelhaushalt nicht in Frage wie dieMehrheit aller Bundesländer. Im Gegenteil,

(Beifall bei der CDU)

der Doppelhaushalt gab und gibt uns die Möglichkeit, dasNotwendige und Machbare neu zu bewerten, ohne einenfunktionierenden Haushalt nicht zu haben oder darauf zu

verzichten. Gleiches gilt vor allen Dingen für die mit unsverbundenen Haushalte. In schweren wirtschaftlichen Zei-ten haben sie verlässliche Rahmen. Ich denke an die Hoch-schulen, ich denke an die Kommunen, ich denke an dasErziehungsgeld, das ja auch der Bund auf die AGENDAgestellt hat. Doppelhaushalte - ich möchte nur Mecklen-burg-Vorpommern erwähnen, Herr Huster, Sie wissen das,oder Schleswig-Holstein, Frau Simonis hat jetzt einenDoppelhaushalt eingebracht 2004/2005 -, ich glaube, überdieses Thema sollten wir in dieser Breite hier nicht mehrdiskutieren, sie sind richtig und sinnvoll.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Rahmen desHaushalts ist eng gesteckt. Die Einnahmen bleiben an-gespannt. Herr Huster fordert auf zu mehr Einnahmen. Ichbin sehr gespannt auf Ihre Vorschläge, wenn sie denn wert-haltig sind. Die BIP-Finanzierungsspielräume sind ausge-reizt. Sparen verlangt Prioritätensetzung und Aufgaben-effizienz. Bei verschiedenen Ländervergleichen haben wirfestgestellt, dass es Bereiche gibt, in denen wir uns mehrleisten als andere Länder, ganz bewusst mehr leisten alsandere Länder. Und hier lassen wir uns auch nicht vonIhnen kritisieren.

Das Landesarbeitsmarktprogramm: Thüringen gibt mehrals dreimal so viel Geld pro Einwohner aus wie Bran-denburg und Mecklenburg-Vorpommern und mehr alsSachsen. Thüringen hat natürlich darunter zu leiden, dassder Bund 1,6 Mrd. ������������&����"�������"����������Ihr arbeitspolitischer Sprecher im Bund, Herr Brandner,sagt, dass das ineffizient ist, diese Arbeitsmarktmaßnah-men - nachzulesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Bereich derTheater - Thüringen ist ein Kulturland. Wir haben imBundesvergleich die höchst geförderten Theater. Jede ein-zelne Eintrittskarte wird mit 120 ��'��������teln gefördert.Aber wir freuen uns heute Abend alle, wenn wir die neueOper einweihen können hier in Erfurt, und wir tun das.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Nichtalle.)

Ich freue mich.

(Beifall bei der CDU)

Der Bundesdurchschnitt bei den Theatern liegt bei 96 ��

Zur Verbundforschung: Ja, Thüringen hat als einzigesLand ein eigenes Verbundforschungsprogramm. Leider- und das ist der Haushaltslage geschuldet - mussten wirauch hier Abstriche machen. Trotzdem, wir sind daseinzige Land, das ein solches Programm hat. Warum sageich das? Zum einen, weil wir bei allen kontroversen Dis-kussionen um die Ausgaben des Landeshaushalts immerdie Verhältnismäßigkeit mit in Anspruch nehmen müs-

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sen. Wir müssen Verhältnismäßigkeit wahren. Und Sie,Herr Höhn, haben ja gesagt Benchmarking. Ja, wir habenBenchmarking gemacht und wir liegen in vielen Bereichenüber dem, was sich andere Bundesländer, auch Geber-länder, leisten. Deswegen ist mein Appell: Keine Amok-fahrt durch Programme, sondern zielgerichtet. Programmeund Haushaltsanschläge sind keine Mindestanschläge, siesind Haushaltsermächtigungen dieses Hauses und keineVerpflichtung auszugeben. Effizienz ist angesagt, Bench-marking und Vergleich. Gerade bei der Wirtschaft, dashabe ich gesagt, zeigt das ja seine Früchte. Die Haushalts-lage zwingt uns zum Realismus. Wir können nicht mehralles fördern und jeden fördern. Wir können uns nicht mehralles leisten, wir müssen Prioritäten setzen für Zukunfts-felder. Ich wiederhole es wieder: Familie, Hochschulen,Kommunen, innere Sicherheit. Ich bin neulich gefragtworden, warum denn die Investitionsquote so wichtig ist.Es ist ja viel Haushaltssystematik dabei bei dieser In-vestitionsquote. Trotzdem, Investitionen - dahinter stehenArbeitsplätze. Bei den Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ist dieLandesregierung gefordert, Investitionen zu tätigen, aberauch moderne Formen der Finanzierung mit zu nutzen. Dieklassische Haushaltssystematik und mancher Rechnungs-hofhinweis gehen noch nicht in diese Richtung. Trotzdem,wir werden uns modernen Finanzierungsformen weiteroffen zeigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Nach-tragshaushalt ist auf der Basis bestehender Gesetze erar-beitet worden. Das ist die allgemein übliche Praxis in Bund,Ländern und Gemeinden. Auch machen die unterschied-lichen Diskussionsbeiträge der Bundesregierung und der sietragenden Fraktionen eine verlässliche Prognose für alleübrigen Gesetze, die derzeit beraten werden, unmöglich.Ich möchte nur die Problemfelder Steuerreform oderGemeindefinanzreform nennen. Hier hat sich ja postwen-dend nach der Kabinettssitzung die Fraktionsvorsitzendegeäußert und gesagt, das kommt nicht so durch den Bun-destag. Also, wir machen den Haushaltsanschlag auf denjetzigen Gesetzeslagen.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Der neuerliche fi-nanzielle Dammbruch in Deutschland zwingt den FreistaatThüringen zur Vorlage dieses Nachtragshaushalts. Die Lan-desregierung sieht sich veranlasst, das Ziel der Haushalts-konsolidierung zu strecken. Ansätze von Programmen wer-den gekürzt. In vielen Fällen aber wird das hohe Niveaugehalten. Zukunftsfelder wie Familie, Hochschulen sindausgenommen. Gegenüber den Kommunen kommt dieLandesregierung ihrer gesamtstaatlichen Verantwortungnach. Zugleich haben wir weitere personalwirtschaftlicheMaßnahmen und die Demografie unseres Landes im Blick.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie mirsagen, dort oder da, man sieht das ja jetzt in der Presse,darf nicht gekürzt werden, dann bitte sagen Sie, wo ge-kürzt wird und woher wir die Finanzierung dann nehmensollen, denn nur das ist seriös und verantwortlich gegen-über dem Land.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden Sie nicht aus dieser Verantwortung entlassen,Vorschläge zu unterbreiten. Wisse Decker, ein niederlän-discher Topmanager, sagte einmal: "Es kommt nicht daraufan, die Zukunft vorauszusagen, sondern sich auf die Zu-kunft vorzubereiten." Ich glaube, dass sich die Landesre-gierung verantwortlich mit diesem Nachtragshaushalt aufdie Zukunft einstellt, auch unter schweren wirtschaftspo-litischen, arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen.Lassen Sie uns fair und engagiert um die Sache streiten,denn nur so werden wir der Verantwortung der Menschenin Thüringen gerecht. Ich wünsche uns gute Beratungenund danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Damit kommen wir zur Aussprache. Als Erster hat dasWort der Abgeordnete Huster, PDS-Fraktion.

Abgeordneter Huster, PDS:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herrenvon der Opposition, liebe Staatssekretäre,

(Beifall bei der PDS)

nach der Bewirtschaftungsreserve und der Haushalts-sperre liegt uns nun der Entwurf für den Nachtragshaus-halt vor und ich will es vorwegnehmen, dieser Nach-tragshaushalt offenbart die Notwendigkeit eines gründ-lichen Kassensturzes in Thüringen.

(Beifall bei der PDS)

Herr Althaus, es wäre zumindest nach fast 100 Tagen einSignal von Ihnen gewesen, wenn mit diesem Nachtragdie wirklichen Verbindlichkeiten auf den Tisch gelegtwürden. Meine Behauptung ist, dass von Sparen und Ge-stalten spätestens mit diesem Nachtragshaushalt nichtsmehr übrig ist.

(Beifall bei der PDS)

Sie kürzen in Zukunftsbereichen, Lasten werden in die Zu-kunft verschoben und von Transparenz kann auch keineRede mehr sein. Frau Ministerin, das ist der entscheidendePunkt. Sie hätten die Pflicht gehabt, hier im Plenum überdie Konsequenzen aus der Bewirtschaftungsreserve undder Haushaltssperre zu berichten. Genau das haben wirverlangt und dazu waren Sie nicht bereit.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, die Ministerin ist auf die Ur-sachen eingegangen. Natürlich, die Ergebnisse der Steuer-reform sind für den Landeshaushalt verheerend. Aber

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natürlich schlägt sich nicht nur die Steuerreform nieder,sondern auch die hohen Kosten der Arbeitslosigkeit undes wird gelegentlich in der finanzpolitischen Debatte ver-gessen. Wer systematisch die Einnahmeseite schwächt,der muss sich nicht wundern, wenn das Geld vorn undhinten nicht reicht. Er muss sich auch nicht wundern, wenner am Jahresende neue Schulden aufnehmen muss, nichtum das Geld arbeiten zu lassen, sondern lediglich umLöcher zu stopfen. Diese permanente Ausgabenkürzung,die dann daraus ebenfalls folgt, beschleunigt den verhäng-nisvollen Kreislauf nach unten, in dem sich Deutschlandseit Jahren befindet. Die öffentlichen Haushalte inDeutschland wurden in den letzten Jahren systematischverarmt und geplündert. Große Kapitalgesellschaften undVermögende tragen immer weniger zur Finanzierungdes Gemeinwesens bei. Die Steuerlast liegt ganz klar aufSeiten der Lohnsteuerzahler. Dieser Prozess, meine Damenund Herren, ging einher mit einer gigantischen Umver-teilung von unten nach oben. Im Osten Deutschlands, alsoauch in Thüringen, wird die Situation durch eine zuneh-mende Abwanderung verstärkt. Lassen Sie mich an dieserStelle bemerken, dass finanzielle Not auch immer ein-hergeht mit dem Abbau von Demokratie, weil Menschensich nur engagieren oder besonders engagieren, wenn esauch etwas zu verteilen gibt,

(Beifall bei der PDS)

und das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, ichrede hier von einer Kontinuität, von einer Kontinuität inder Politik, die reicht von Helmut Kohl bis zur Politik vonGerhard Schröder. De facto bestand und besteht im Bun-destag eine große Koalition und diese große Koalitionsetzt die soziale Schieflage fort. Das Scheitern der Ge-meindefinanzreform zeigt, dass beide großen Parteien nichtin der Lage sind, substanzielle Verbesserungen für dieKommunen Deutschlands herauszuholen, obwohl wir ge-nau in dieser Situation endlich Hilfe für die Kommunenin Deutschland bräuchten.

(Beifall bei der PDS)

Die PDS hat von Anfang an die falsche Grundrichtungder Steuerreform kritisiert. Ja, wir behaupten, der Ansatzvon CDU und SPD ist insgesamt falsch gewesen und erist es noch heute. Es stimmt eben nicht, dass Steuerge-schenke an die großen Kapitalgesellschaften und diewirklich Reichen unmittelbar zu mehr Investitionen undzu mehr Steuereinnahmen und daraus folgend zu mehrArbeitsplätzen führen. Das Ergebnis der letzten Jahre,meine sehr verehrten Damen und Herren, müsste eigent-lich alle Philister der Betriebswirtschaft und deren Partei-ideologen erzittern lassen, denn genau die besonders Be-günstigten der Steuerreform haben sich mit der weiterenEntlassung Hunderttausender Menschen in Deutschlandbedankt. Auch alles Gerede von der Förderung des Mittel-stands kann daran nichts ändern. Gerade den Mittelstandhat man jahrelang vernachlässigt, auch wenn er im Wahl-kampf immer wieder als vorzügliches Mittel taugt.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, nun soll diejenige Stufe derSteuerreform vorgezogen werden, die den kleinen Leutenmehr Geld in die Tasche bringt. Die erfolgten und er-folgenden Ausfälle sorgen dafür, dass diese neuen Ent-lastungen teils mit neuen Schulden, teils mit Subventions-abbau gegenfinanziert werden müssen. Und wie die Dis-kussion um die Kilometerpauschale zeigt, geht es in dieeine Tasche hinein und aus der anderen Tasche heraus.Zusätzlich haben die Länder erhebliche Ausfälle, FrauMinisterin hat davon gesprochen, und für diese sind nochkeine ausreichenden Kompensationen in Sicht. Jawohl,wir wollen die Entlastung insbesondere der abhängig Be-schäftigten zum Anschieben der Binnennachfrage. LassenSie mich an dieser Stelle sagen, dass zur Binnennach-frage auch öffentliche Investitionen gehören. Das solltehin und wieder mal klargestellt werden.

Meine Damen und Herren, diejenigen, die die Misere inBund und Ländern verursacht haben, kämpfen jetzt wiederum die Meinungsführerschaft, um den kleinen Leuten zusagen, dass wir uns kaum noch etwas leisten können. Ichhalte das für eine ziemliche Verdummung und ich hoffe,dass sich das in den nächsten Monaten rächt, meineDamen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Unsere Position ist: Wir haben in Deutschland vor allemein Einnahmeproblem. Mit diesem Einnahmeproblemverbunden ist eine gewachsene enorme soziale Schief-lage zu beklagen. Ohne die deutliche Erhöhung der Ein-nahmen kommen wir dem Ziel der Konsolidierung desLandeshaushalts auch nicht näher

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident:Und wie machen wir das?)

- dazu werden wir kommen, Herr Ministerpräsident -,sondern wir werden uns immer weiter davon entfernen.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Undwie wollen Sie die Einnahmen erhöhen?)

Und die Verdoppelung bzw. Verdreifachung der Netto-neuverschuldung beweist dies.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Er-klären Sie mal, wie Sie die Einnahmen erhö-hen wollen.)

Ich habe es doch gesagt, ich komme dazu.

Der Staat, meine Damen und Herren, mit seinen Ebenenist ein wichtiger volkswirtschaftlicher Akteur, das dürfteauch in diesem Hause unstrittig sein und jede Kürzung, dasdürfte klar sein, wirkt negativ auf den Wirtschaftskreislauf.Wenn dann über die Richtung der Kürzung diskutiert wird,

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kann es nicht sein, dass alle Vorschläge zu mehr Gerech-tigkeit sofort vom Tisch gewischt werden und nur nochmehr Zwang, mehr Kontrolle und mehr Leistungsabbau fürdie kleinen Leute, gleich ob mit Arbeit oder arbeitslos, zumAllheilmittel der Politik erklärt werden. Das ist übrigensnicht nur unmoralisch, sondern auch volkswirtschaftlichfalsch. Es löst keine Probleme, sondern verschärft sie.

(Beifall bei der PDS)

Herr Althaus, da bin ich auch bei den Alternativen. Siemüssen sich ins Stammbuch schreiben lassen, diese Wege,mögliche Alternativen verdammt zu haben. Wir alle wis-sen, dass die Möglichkeiten des Landes, direkt und so-fort die eigenen Einnahmen signifikant zu steigern, geringsind, sondern dass wir in der bundesstaatlichen Finanz-ordnung sehr darauf angewiesen sind, was Bund undLänder gemeinsam verhandeln. Deswegen werde ich nichtan die Anträge erinnern, die wir hier im Plenum gestellthaben, die die Landesregierung jetzt unmittelbar betreffen,sondern ich erinnere an dieser Stelle an die Stärkung derEinnahmen auch für Thüringen, an unsere Anträge, dieAufträge einzeln vorgesehen haben, sich im Bundesrat ein-zusetzen. Ich will erinnern an unseren Antrag zur Wieder-einführung einer verfassungskonformen Vermögenssteuer.

(Beifall bei der PDS)

Ich will erinnern an unseren Antrag zu einer verändertenBesteuerung im Erbschaftsbereich.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte erinnern an unseren Vorschlag zur Einfüh-rung einer Börsenumsatzsteuer.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte erinnern an unseren Antrag für eine refor-mierte Gewerbesteuer, die den Kommunen wieder ver-lässliche Einnahmen sichert.

(Beifall bei der PDS)

Und ich möchte erinnern an die Auflage einer kommu-nalen Investitionspauschale für den Osten.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Dasist aber eine Ausgabe.)

Das ist natürlich eine Ausgabe, richtig, da haben Sie völligRecht. Diese Investitionspauschale des Bundes für dieKommunen würde sich unmittelbar auswirken in erhöhtenInvestitionen, in Steuereinnahmen und in Arbeitsplätzenund würde somit in kurzer Zeit auf die Einnahmesituationder kommunalen Haushalte und der Landeshaushalte po-sitiv wirken, Herr Althaus.

(Beifall bei der PDS)

All diese Initiativen hatten eines gemeinsam: Sie saheneinen Auftrag an die Landesregierung vor, sich im Bun-desrat für die Erarbeitung entsprechender Gesetzesini-tiativen stark zu machen. Die haben Sie alle abgelehnt. Ichmeine, es ist schon ein berechtigter Vorwurf von unsererSeite an Sie, dass es nicht sauber ist, sich immer gen Berlinzu wenden und zu sagen, ihr seid schuld; wenn es aberdarum geht, Lösungen zu finden, die uns allen wirklichnützen, da haben Sie sich nicht stark gemacht und das isteine Unterlassung und gefährdet Ihre Glaubwürdigkeit.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, die Landes-CDU hat bisherkein Konzept in diesem Sinne für die künftige Finanz-politik Thüringens entwickelt. Gerade weil die finanziellenMöglichkeiten des Landes begrenzt sind, ist ein solchesKonzept erforderlich.

Meine Damen und Herren, sieht man sich die nun vor-gelegten Zahlen zum Nachtrag an, so muss man zu fol-gendem Urteil kommen: Die Haushaltspolitik der Landes-regierung steht in zunehmendem Maße unsolide da und sieverschiebt Lasten in die Zukunft. Ein Kennzeichen dieserEntwicklung ist der deutliche Anstieg der Neuverschul-dung. Ohne die bereits benannte Ursache zu vergessen,zeigt es doch, dass wir Recht hatten, ein Tempolimit beimAbbau der Nettoneuverschuldung zu fordern. Nun willich Ihnen nicht Ihre ganzen Zwischenrufe und Angriffeaus der Vergangenheit um die Ohren hauen, nur sei daranerinnert, wie Sie uns in den letzten Jahren verteufelt habenfür unsere Auffassung. Offensichtlich will sich die Landes-regierung nicht ihrer Wahlchancen berauben und machtnun gewissermaßen eine Wendung um 180 Grad, was dieNettoneuverschuldung betrifft. Heraus kommt eine Ver-doppelung in diesem Jahr und eine Verdreifachung derbisher geplanten Ansätze für 2004.

Meine Damen und Herren, wir haben immer Ja zum Ab-bau der Nettoneuverschuldung gesagt,

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU:Stimmt doch gar nicht.)

nur wollten wir die gesamtwirtschaftliche Entwicklungstärker berücksichtigen. Ich kann sagen, dass sich an dieserAuffassung nichts geändert hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Der Landeshaushalt ist zunehmend unsolide, von der man-gelnden Tansparenz gar nicht zu reden. Ich bezweifle, dasswirklich alle voraussichtlich zu leistenden Ausgaben auchim Haushalt eingestellt sind. Ich will Ihnen nur ein Beispielnennen. Den Ansatz für die Zusatzversorgungssystemehaben Sie für 2003 erhöht, 2004 aber vergessen.

Meine Damen und Herren, für uns bleibt deshalb die Not-wendigkeit eines gründlichen Kassensturzes in Thüringen

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auf der Tagesordnung.

(Beifall bei der PDS)

Die Forderung nach verfassungsgemäßen Obergrenzen darfnicht dazu führen, dass Falsches im Haushalt eingestelltwird. Ich will Ihnen einige Beispiele für zumindest frag-würdige Methoden geben. Die Hilfen für die Flutopferwerden um 13 Mio. �� ��!��(�� ��� ���� )���� ������54 Mio. �� ���� *�"������� ��� +������������� �deklariert.Die Mehreinnahmen vom Bund für ÖPNV-Vorhabennutzen Sie natürlich zur Steigerung der Investitionsquote,aber gleichzeitig kürzen Sie diese 20 Mio. �� ������ Fahr-preisstützung. Dieses Bundesgeld war für zusätzliche Im-pulse gedacht und ich finde, was Sie hier tun, ist mehr alsverwerflich. Ich will auch ein kleines Beispiel nennen. Beiden Kosten, Frau Ministerin, für neue Fahrzeuge sind Sieeinfach nur genial. Die drei neuen Autos bei den Ge-richten sollen jetzt statt 41.000 �������"��,� �� kosten.

(Zwischenrufe aus der Fraktion der CDU:Das ist Leasing)

Das habe ich schon gehört. Und für die JVAs gibt es stattdrei Transporter für je 40.000 ����

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident)

noch zwei für zusammen 8.600 ��� ���� ���� ������� ���sehen, Herr Althaus, darauf bin ich sehr gespannt.

(Unruhe im Hause)

Also, dazu muss man ja einmal was sagen, wenn Sie mirjetzt hier zurufen "Leasing", dann ist das ja alles schön undgut, aber ich vergleiche das natürlich mit den Ansätzenim letzten Haushalt.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: DiePDS-Fraktion least auch.)

(Unruhe im Hause)

Ja, ja und Sie werden im Haushaltsausschuss nicht drumherumkommen, die Fragen zu beantworten. Es ist nur einBeispiel, Herr Ministerpräsident, dass hier Zahlen hintenund vorn nicht stimmen, erklärungsbedürftig sind undda werden wir Sie im Haushaltsausschuss festnageln.

Meine Damen und Herren, schaut man sich die Nachträgein den einzelnen Positionen an, so kann man Ihre Hand-lungen wie folgt charakterisieren. Zunächst: Die Beibe-haltung der Finanzausgleichsmasse beim KommunalenFinanzausgleich, Herr Böck, ist ausdrücklich zu begrüßen.Das Vorhaben, eine steuerkraftabhängige Investitions-zuweisung an die Kommunen zu zahlen, ist ebenfalls zubegrüßen. Damit wird übrigens eine PDS-Forderung auf-gegriffen. Zu berücksichtigen ist, dass der KFA seit 1995als Kürzungsbereich für die Konsolidierung der Landes-

finanzen herhalten musste. Insofern ist der Umstand, dassmit dem Nachtrag keine weiteren Kürzungen erfolgen,als kleine "Entschädigung" für die Kürzungen in der Ver-gangenheit zu bewerten. Zu kritisieren ist allerdings, dassdie innere Struktur des KFA nicht den neuen, verändertenBedingungen angepasst wird, wie z.B. bei der Neuver-teilung der Schlüsselzuweisungen, stärkeren Pauschalie-rungen oder der Lockerung von Zweckbindungen.

Meine Damen und Herren, die PDS steht zu ihrem Ziel,den Kommunen beim Abbau der Infrastrukturlücke be-hilflich zu sein. Wir verkennen nicht, dass es in anderenBereichen zu teilweise erheblichen Kürzungen kommt,die die Kommunen direkt betreffen.

Meine Damen und Herren, kritisch zu bewerten ist dieteilweise Innovations- und Investitionsfeindlichkeit imNachtrag an anderen Stellen. So wird wieder in die schonerwähnte Verbundforschung eingegriffen und die Mittelfür 2004 werden gegenüber 2001 nahezu halbiert. Geradein einem Bereich, meine Damen und Herren, in dem dieArbeitsplatzeffekte bekanntermaßen hoch sind, wird weitergekürzt. Das ist sowohl für die Wirtschaft als auch für dieForschung in Thüringen eine Katastrophe. Ich kann mirnicht vorstellen, dass die Landesregierung aufgrund sach-licher Erwägungen diesen Schritt vollzogen hat. Ebensosind die Kürzungen bei der Förderung von erneuerbarenEnergien und bei der Technologieförderung ein schweresVergehen an der Thüringer Zukunft. Und, meine Damenund Herren, warum kürzen Sie die Mittel bei der STIFT?Sind Forschung- und Technologieentwicklung in Thürin-gen für Sie momentan nicht entscheidungsfähig, nichtfinanzierbar oder abgeschlossen? Wir können die Landes-regierung nur auffordern, schnellstmöglich die Arbeits-fähigkeit der STIFT zu sichern und Ihr Konzept ...

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Ichglaube, das scheitert nicht am Geld.)

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das glaubeich auch.)

Ich will jetzt wirklich nicht spekulieren. Wir können Siewirklich nur auffordern, schnellstmöglich die Arbeitsfä-higkeit der STIFT zu sichern und dem Landtag Ihr Kon-zept der zukünftigen Arbeit mit den Landesgesellschaftenund der Stiftung vorzulegen. An anderer Stelle, Frau Mi-nisterin, Sie haben es erwähnt, wird der Nachtrag weiterhinzu weiterem Arbeitsplatzabbau führen. Ich denke hier andas Landesarbeitsmarktprogramm und die Arbeitsförde-rung Ost und ebenso trifft es natürlich auf die vorgeseheneStreichung von Zuschüssen wie beim Denkmalschutz, zu.Da gestatten Sie mir einmal bitte ein Anmerkung. Bekannt-lich hatte die EU vor einigen Jahren ein Modellprojektaufgelegt, um die Wirkung einer ermäßigten Mehrwert-steuer für arbeitsintensive Dienstleistungen zu testen. Eineermäßigte Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive Dienst-leistungen, wie z.B. in Handwerksberufen, also auch fürden Denkmalschutz relevant, sollte auf die Wirkung wie

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7907

die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Bekämpfung derSchwarzarbeit und daraus resultierende Steuereinnahmenhin untersucht werden. Gegenzurechnen waren natürlichdie direkten Steuerausfälle. Deutschland hatte sich als einesder wenigen Länder in Europa nicht beteiligt. Was ichIhnen hier vorwerfe, das ist wieder so ein Punkt, Sie warenuntätig. Wir haben Sie angefragt. Sie haben geantwortet, esist für Sie kein Thema und jetzt liegt die Studie bei der UniMannheim vor, die sagt, auch für Deutschland wäre diesunter gewissen Möglichkeiten eine Chance, mehr Arbeits-plätze zu schaffen, Leute aus der Schwarzarbeit zu holenund letztlich mehr Steuereinnahmen durch diese Effekte zuerzielen. Sie müssen sich Untätigkeit vorwerfen lassen.

(Beifall bei der PDS)

Im Bildungsbereich, meine Damen und Herren, entgegender Behauptung in der Regierungserklärung von Minister-präsident Althaus am 3. Juli, wird im ZukunftsbereichBildung zum Teil erheblich gekürzt, wenn ich beispiels-weise an die privaten und an die Förderschulen denke. In-teressant auch, dass in der Aufzählung bei Frau Mi-nisterin Diezel der Bildungsbereich nicht mehr explizitvorkam, sondern nur die Hochschulen genannt wurden.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Haben Sienicht richtig zugehört?)

Ich habe zugehört, wir schauen uns das Protokoll ge-meinsam an. Es wird sehr lustig. Zu kritisieren ist auchIhre Personalpolitik. Nach dem Hin und Her mit den515 Stellen von der Grundschule in die Regelschule wirdes nun im Nachtrag wieder rückgängig gemacht undneue kw-Vermerke eingebracht. Sie müssen uns schon die-ses Wirrwarr erklären. Für mich ist das keine verantwor-tungsvolle Personalpolitik und wenn man sich ansieht,dass der Stellenabbau im Schulbereich über 2005 hinausum weitere 1.099 Stellen fortgeschrieben wird, dann istdas ebenfalls verantwortungslos.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, das Chaos ist dann perfekt,wenn man wie Sie Neueinstellungen an den Stellenabbauknüpft. Sollen wirklich damit die bekannten Probleme, wieStundenausfall, gelöst werden. Ich bezweifle das, meineDamen und Herren. Weiter ist dieser Nachtrag sozial un-ausgewogen. Im Sozialbereich, das ist Ihnen bekannt, wirhaben gestern die Debatte dazu gehabt, läuft tatsächlichvieles auf das Zerstören von Trägerstrukturen und denAbbau des Leistungsniveaus hinaus. Bei den Jugend- undBehindertentiteln wird entgegen anders lautender Be-hauptungen gekürzt, Stichwort Jugendpauschale. Die Ligader Freien Wohlfahrtspflege stellte bereits im August fürdas Jahr 2003 das Sterben von über 100 Einrichtungen undAngeboten der sozialen Arbeit fest. Die gleiche Zahl istbedroht. Die Kürzungen der Zuschüsse für die Liga umweitere 260.000 �� ���%�������������������"���-�����(�

Meine Damen und Herren, mit dieser Haushaltspolitikgestalten Sie nun wirklich nichts mehr. Aber Sie schaffenneue Probleme im Sozialbereich.

(Beifall bei der PDS)

Mit dem Gesetz zur Kommunalisierung der Sozialhilfe ver-abschieden Sie sich aus der hundertprozentigen Finanzie-rung der Eingliederungshilfe. Kleckerweise sollen dieKommunen einen immer größeren Teil übernehmen. Ab2008 spart das Land dann mindestens 125 Mio. ��.%��lichbei gleichem Bedarf, und das voll zu Lasten der Kom-munen.

Meine Damen und Herren, für die Wirtschaftsförderungund die Gestaltung der Rahmenbedingungen muss derLandesregierung Konzept- und Mutlosigkeit vorgeworfenwerden. Zu viele Förderprogramme, das LEP auf Eisgelegt, Verschiebung der Tourismuskonzeption, Bäderkon-zeption, der Reinfaller mit der Denkfabrik und letztlich dieInkonsequenz bei der überfälligen Verwaltungs- und Funk-tionalreform. Doch halt! Es gab in den letzten TagenÄußerungen des neuen Wirtschaftsministers, die wir sehrwohl vernommen haben. Ich will die Hoffnung äußern,dass nun endlich stärker auf die Ergebnisse der Enquete-kommission zurückgekommen wird, und an unseren Vor-schlag erinnern, so genannte revolvierende Fonds derWirtschaftsförderung aufzulegen. Eine stärkere Bindungder Fördermittel an die Zahl neuer Arbeits- und Ausbil-dungsplätze haben wir immer gefordert und wir werdenSie in diesem Ziel auch unterstützen. Ebenso stehen wirbereit, wenn die ostdeutschen Arbeitsminister gegenüberdem Bund gemeinsame Position beziehen, um Nachteilefür den Osten Deutschlands zu vermeiden.

(Beifall bei der PDS)

Die haben nämlich verstanden, dass ohne gemeinsameWortmeldung und Interessenvertretung jenseits von Par-teigrenzen der Osten bald keine Chance mehr hat eigen-ständig zu handeln. Wir erwarten, dass sich das LandThüringen stärker um insolvenzgefährdete Betriebe küm-mert. Ebenso stützen wir die Absicht für ein ProgrammThüringen-Kapital und hoffen auf einen schnellen Be-ginn. Dass der Problemdruck in diesem Bereich äußerstgroß ist, zeigt die große Nachfrage nach dem angekün-digten Programm, und deshalb vermeiden Sie den Ein-druck, dass Ihre Ankündigung im September und der Startim I. Quartal 2004 mehr Wahlkampf ist, sondern ver-suchen Sie dieses Programm so schnell wie möglich zustarten. Wir können damit Thüringer Firmen helfen.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, Teil der Haushaltskonsoli-dierung soll, so will es die Landesregierung, unbezahlteMehrarbeit, die Streichung des Urlaubsgeldes und dieKürzung des Weihnachtsgeldes und zu guter Letzt dieStreichung unbesetzter Stellen sein. Wir als PDS haben

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immer die Reform des Beamtentums angemahnt und fürThüringen ein umfassendes, an der Aufgabenkritik orien-tiertes Personalentwicklungskonzept gefordert. Dieses Per-sonalentwicklungskonzept ist nach wie vor nicht vor-handen. Stattdessen wird Personalpolitik ausschließlichüber den Rotstift fixiert. Die Beschäftigten im öffent-lichen Dienst sollen Lückenbüßer für eine verfehlte Haus-haltspolitik sein, und, meine Damen und Herren, das istnun wirklich nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der PDS)

Wenn schon Kürzung, dann muss es auch im öffentlichenDienst darum gehen, die unterschiedlichen Gruppen ge-recht an den zu tragenden Lasten zu beteiligen. Es kannnicht sein, dass gerade die kleinen Polizisten die Zechebezahlen müssen, während in einigen Ministerien recht-zeitig vor der Wahl noch mal ein großer Schluck aus derPulle genommen wird.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, dieser Nachtrag wird allenBeteiligten einiges abverlangen. In den nächsten Wochenwird sich die PDS-Fraktion aktiv an den Beratungen be-teiligen. Wir werden Änderungen vorschlagen und unter-setzen. Wir gehen dabei davon aus, dass das Land Thü-ringen auch und gerade unter Beachtung der Haushalts-lage eine wichtige Verantwortung für ein nachhaltigesWachstum und für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeitund des Lehrstellenmangels hat. Noch haben wir einen9 Mrd. ��#������� ��� ������ � ������ ��"�� ����/� ����um den richtigen Einsatz der Gelder, Frau Ministerin. Wirsetzen unsere Schwerpunkte dort, wo die meisten Arbeits-und Ausbildungsplätze entstehen, nämlich bei der För-derung von Innovation und Investition und beim Aus-gleich regionaler Disparitäten. Wir setzen sie dort, woebenfalls über die Zukunftsfähigkeit des Landes ent-schieden wird, nämlich bei der Bildung und Ausbildung,und im Sozialbereich, wo wichtige, für die Gesellschaftnotwendige Betreuungs- und Beratungsleistungen erbrachtwerden und ebenfalls Arbeitsplätze gesichert werdenmüssten. All das kostet natürlich Geld und dies muss auchirgendwo herkommen. Die PDS-Fraktion lässt sich davonleiten, dass dort gekürzt wird, wo die größten Ressourcenliegen. Lassen Sie uns diskutieren, wo die größten Ressour-cen liegen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wo? Wo?)

Lassen Sie uns diskutieren, natürlich. Ihr seid immer soaufgeregt. Vom Grundsatz her wiederhole ich das, was ichschon zur letzten Haushaltsdebatte gesagt habe. Ein freierTräger geht möglicherweise ohne die Zuschüsse des Lan-des kaputt, während in der Landesverwaltung und beiBehörden trotz schon erfolgter Ausgabekürzung meinerAnsicht nach die größeren Ressourcen liegen. MeineDamen und Herren, auch das hat was mit einer gerech-ten Verteilung der Lasten zu tun.

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Zu denRessourcen gibt es große Ratlosigkeit!)

(Zwischenruf Abg. Dr. Pietzsch, CDU: Malgeben wir zu viel aus, mal zu wenig!)

(Zwischenruf Abg. Dr. Pietzsch, CDU: Wirreden von jetzt!)

Ich habe nicht von Personal gesprochen. Herr Pietzsch,wenn Sie unsere Anträge aus der letzten Haushaltsde-batte sich noch mal in Erinnerung rufen ...

(Zwischenrufe aus der Fraktion der CDU)

Ich meine nicht nur den Verfassungsschutz, sondern ichmeine alle Ausgaben, die im Verwaltungs- und im Be-hördenbereich geleistet werden, wo ich der Meinung bin,dass eine Neuanschaffung auch mal ein Jahr warten kann,wenn ich dafür einen freien Träger erhalten kann, weil wirwissen, was draußen einmal zerstört ist, kommt so schnellnicht wieder, meine Damen und Herren.

Für die Beratungen der nächsten Tage erwarten wir vonder Landesregierung und von der Mehrheitsfraktion hier imHause, dass den Beratungen hinreichend Zeit gegebenwird, das heißt Beschlussfassung des Haushalts im No-vember, dass der Haushalt in allen Fachausschüssen be-raten wird, übrigens ein Zeichen demokratischen Anstands,den sich auch die CDU-Regierung in Sachsen gegenüberder Opposition leistet, und sie ist damit nicht schlechtgefahren. Wir erwarten, dass wir durch die Herausgabe deraktuellen Zahlen wieder in die Lage versetzt werden, ver-nünftiger als bisher zu arbeiten, Frau Ministerin. Und wirerwarten, dass anders als in den letzten Jahren die Vor-schläge der Opposition tatsächlich diskutiert werden undnicht einfach die Regierungsvorlage abgenickt wird.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Wir ha-ben die Hoffnung, aber wir erwarten das ei-gentlich nicht.)

Ja, ich korrigiere meine Formulierung. Wir haben dieletzte Hoffnung.

Meine Damen und Herren, Haushaltspolitik ist kein Selbst-zweck. Ein Kassensturz muss endlich her. In erster Liniejedoch muss ein Landeshaushalt und eben auch ein Nach-tragshaushalt einen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeitleisten. Er muss dafür mit sorgen, dass Thüringer Bürgerauch in Thüringen arbeiten und leben können. Darüberhinaus müssen Wege erkennbar sein, wie der Abstandzwischen Ost und West wieder verringert werden kann,ohne den Weg der alten Bundesländer zu kopieren und diebesondere Situation des Ostens zu vernachlässigen. Fürall diese Ziele leistet dieser Nachtragshaushalt wenig, zuwenig. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zumSchluss auf mein Eingangsstatement kommen, ohne die ge-meinsame Arbeit für die Verbesserung der Einnahmen im

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Bundesmaßstab, also dann auch für uns relevant, werdenwir unsere Haushaltsprobleme nicht in den Griff bekom-men. Kämpfen Sie ehrlich für die Verbesserung der Ein-nahmen auch in Thüringen. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Präsidentin Lieberknecht:

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Höhn,SPD-Fraktion.

Abgeordneter Höhn, SPD:

Frau Präsidentin, Finanzleute sind langweilige Menschen.Sie sehen Pläne mit einem einzigen Gedanken an: Wieviel Geld kann man dabei herausschlagen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolle-ginnen und Kollegen, wie kann man treffender als deramerikanische Schriftsteller John Little beschreiben, inwelcher Situation wir uns derzeit bei der Diskussion um dieallgemeine Situation, aber im Speziellen hier um unserenNachtragshaushalt befinden. Die schwierige wirtschaft-liche Situation, nach wie vor weltweit, so natürlich auchin Deutschland und Thüringen, hat zur Folge, dass festeinkalkulierte Steuereinnahmen ausbleiben. Diese Tatsache,dazu noch deutliche Abweichungen von einzelnen Aus-gaben für gesetzliche Leistungen unseres Haushalts vomPlan, aber auch eine zum Teil unangemessene Ausgaben-politik im Verhältnis zu den geringer werdenden Einnah-men, das sind für mich die Ursachen für den nun vor-gelegten Nachtragshaushalt für die Jahre 2003 und 2004.

Meine Damen und Herren, über die Ursachen der wirt-schaftlichen Schwäche werden wir heute hier an dieserStelle, da bin ich mir ziemlich sicher, kein Einvernehmenherstellen. Da Sie, meine Damen und Herren von derUnion, nicht müde werden, die Bundesregierung dafürin Haftung zu nehmen, möchte ich Ihrer Schwarzmalereidoch ein paar Fakten entgegensetzen, die Sie - selbst wennSie sie hätten - mit Sicherheit nicht offerieren würden. Sogeht nach einem Artikel des Handelsblattes vom 05./06.09. dieses Jahres aus dem Weltinvestitionsbericht derUNO-Konferenz für Handel und Entwicklung hervor -ich war selbst überrascht, das gebe ich zu -, dass Deutsch-land im vergangenen Jahr Platz 4 unter den beliebtestenInvestitionsstandorten belegte, Zitat Handelsblatt: "Damitkonnte sich Deutschland gegen den internationalen Trendbehaupten."

Nun will ich an dieser Stelle nichts schönreden. Ich werbenur für eine differenzierte Betrachtungsweise und ichwerbe dafür, den Standort Deutschland trotz aller jetzigenProbleme nicht kaputtzureden. Übrigens, Herr Althaus,wenn Sie mal in sich selbst hineinhorchen, benutzen Sie,wenn es um Thüringen geht, durchaus ähnliche Worte.

Nun wollen wir das alles nicht überbewerten. Eins stehtunzweifelhaft fest: Deutschland hat seit dem Ende der80er-Jahre strukturelle Defizite. Das stammt nicht von mir.Das haben die verschiedensten Fachleute der verschie-denen Genres in den letzten Wochen uns nur zu deutlichin das Stammbuch geschrieben, vom Wendeboom teil-weise überdeckt, teilweise auch ausgesessen.

Ich erinnere nur an ein Beispiel, nur damit man sich daswirklich mal ganz plastisch vor Augen führt. Ich habe dasselbst gelesen in den letzten zwei Wochen. Der Pillen-knick ist uns allen gut bekannt, der begann Anfang der70er-Jahre. Schon damals wusste man, dass das Renten-system, das 1957 so beschlossen worden ist, genau deshalbnicht mehr funktionieren konnte. Das war vor rund 30Jahren. Nur als Beispiel über die strukturellen Defizite,die wir seit Jahrzehnten in Deutschland vor uns her-schieben. Nun war es auch durchaus so, so viel Selbst-kritik muss sein, dass in den letzten fünf Jahren dienotwendigen Reformen in ihrer Schnelligkeit nicht soauf den Weg gebracht wurden. Ich hätte mir das auchhin und wieder gewünscht. Aber das wissen wir heute.Fassen wir uns doch alle mal selbst an die Nase, liebeKolleginnen und Kollegen.

In Zeiten guten Wachstums denkt die Öffentlichkeit unddenken die meisten Politiker, unabhängig welcher Couleur,leider nicht an die Zeiten danach. Auch in den Kommunengibt es diese Entwicklung. Ich höre immer das antizyk-lische Verhalten.

(Beifall Abg. Mohring, CDU)

In schlechten Zeiten soll man auf Kredite finanzieren, dasist richtig. Nur in guten Zeiten habe ich nie erlebt, dassdiese Verbindlichkeiten dann auch abgebaut werden.Dieses Level setzt sich dann fort und führt zu der Si-tuation, in der wir uns heute befinden. Das ist kein Pro-blem einzelner Parteien, das ist ein Problem - das ist meineganz persönliche Beurteilung - der parlamentarischenDemokratie, aber auch des Wahlverhaltens der Bürger.

Meine Damen und Herren, inzwischen haben alle erkannt,dass jetzt energisches Handeln erforderlich ist, den Damp-fer Deutschland wieder auf Wachstumskurs zu bringen.Alle? Meine Damen und Herren, wirklich alle, verehrteKollegen von der Union? Wer nicht reformiert, wird re-formiert - heißt so ein Schlagwort dieser Tage. Ich denke,dass sich das nicht nur auf die Regierung bezieht. EinePartei, wie die Union, wie die CDU, die sich allen Re-formen verweigert, die keine eigenen Vorschläge prä-sentiert und ihre Bundesratsmehrheit dazu benutzt, dieBlockade als Versuch, die Situation aus parteitaktischenGründen zusätzlich zuzuspitzen, die läuft nach meinerAuffassung ebenso Gefahr reformiert zu werden, meineDamen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das sind ...)

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Nehmen wir einmal das Beispiel, Herr Althaus, Gemeinde-finanzreform - ganz aktuell, brennt uns allen auf denNägeln. Also Gewerbesteuerreformgesetz und Hartz IV-Gesetz. Man muss das - und ich tue das jedenfalls in Be-zug auf die Kommunen - als ein Paket, eine Einheit be-trachten. Ich habe da meine Bedenken in Bezug auf dieAuswirkungen in Ostdeutschland sehr früh artikuliert. Ichnehme an, Sie haben das mitbekommen. Ich halte vielesfür richtig, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat,fordere aber punktuelle Nachbesserung diesbezüglich, wasden Osten betrifft. Aber Ihr Herumgeeiere, Herr Althaus, indieser Frage, das ist wirklich nun kaum noch auszuhalten.

Beispiel: Antwortet die Landesregierung auf meine KleineAnfrage vom 16.07. zur Gewerbesteuerreform - Frau Prä-sidentin ich zitiere: "Die Landesregierung wird die Um-setzung einer noch zu beschließenden Gemeindefinanz-reform zum 1. Januar 2004 unterstützen." Das klingt nochgut.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Dashabe ich im Juli auch so beantwortet.)

Am 21. August schreibt die TLZ unter der Überschrift"Althaus drückt auf das Reformtempo", "der Thüringer Re-gierungschef will, dass die Reformgesetze am 1. Januar2004 in Kraft treten." Das klingt auch noch gut, vor allem,wenn es die TLZ schreibt. Nun schließen Sie, Herr Mi-nisterpräsident, laut einer DPA-Meldung vom Wochenendeplötzlich jeglichen Kompromiss in der Gemeindefinanz-reform aus.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident:Dann haben Sie es falsch gelesen.)

Ja, meine Damen und Herren, Herr Althaus, wenn Sieschon nach Bayern fahren, um sich dort - ich sage eswirklich etwas süffisant - beraten zu lassen, dann solltenSie nicht zu schnell zu hohe Berge besteigen. Da herrschtnämlich hin und wieder Sauerstoffmangel und die Leutekönnen dann ihre Äußerungen nicht mehr so richtigsteuern. Ich bin schon ziemlich verwundert über diese Aus-sagen. Lösen Sie sich doch endlich von dieser bajuwa-rischen Umklammerung. Vertreten Sie doch endlich dieInteressen unseres Landes und nicht die parteitaktischenInteressen der CDU/CSU an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD)

Erkennen Sie endlich, dass Thüringen in der Frage der Ge-meindefinanzreform andere Interessen hat als Bayern, Ba-den-Württemberg oder Hessen oder sonst wer. Nicht um-sonst hat Ihr früherer Mitstreiter, der verehrte Herr Gnauck,den CDU-Vorschlägen zur Kommunalisierung der zu-sammengelegten Arbeitslosen- und Sozialhilfe den Kampfangesagt, ja, den Kampf angesagt, weil dies für die Kom-munen in den neuen Ländern wirklich untragbar wäre.Selbst der Thüringer Landkreistag lehnt etwas leiser, etwassubtiler und etwas diplomatischer ebenfalls das CDU-

Modell ab. Aber Sie müssen sich entscheiden, Herr Alt-haus. Ich denke, viele halten hier einen Kompromiss fürdiese Gewerbesteuerreform nicht mehr für möglich. Aberhat das nicht auch seine Ursache? Ein Kompromiss ist vonzwei Seiten getragen, wenn die eine Seite nichts Brauch-bares vorschlagen kann, außer, das sage ich an dieser Stelleganz deutlich, den Vorschlag zur Senkung der Gewerbe-steuerumlage, den unterstütze ich sogar. Aber der wärekurzfristig und ist keine Grundsatzlösung an dieser Stelle.Das muss man auch ganz deutlich sagen.

Das nächste Beispiel, Frau Ministerin hat es in ihrer Redehier uns auch noch einmal vorgehalten, Steuerreform vor-ziehen. Was Sie da in den letzten Wochen für widersprüch-liche Meldungen abgelassen haben, ich weiß nicht, inwie-weit Sie sich selbst noch glauben können an dieser Stelle.Sie fordern, als es noch niemand getan hat und als Sienoch nicht damit rechnen konnten, dass die Bundesre-gierung dieses tut, ein Vorziehen der Steuerreform als denKonjunkturmotor für Deutschland. Nun soll die Steuer-reform vorgezogen werden und nun bauen Sie einen partei-politischen Popanz in Form der Gegenfinanzierung dieserSteuerreform auf. Haben Sie sich eigentlich mal gefragt,ob 1998 - Sie haben das Beispiel gebracht, Frau Diezel - dieSteuerreform, die Petersberger Beschlüsse, gegenfinanziertgewesen wären. Ob die Steuerreform, die Ihre Unions-länder im Bundesrat mit beschlossen haben, wenn sieohnehin regulär 2005 in Kraft getreten wäre, gegenfinan-ziert gewesen wäre. Nein, ich habe das an dieser Stelleschon einmal gesagt, ich tue es noch einmal und Sie wissendas. Eine Steuerreform macht konjunkturpolitisch nur Sinn,wenn man sie wirken lässt und dazu stehe ich auch nachwie vor und dazu sollten auch Sie stehen und sollten hierIhre wachsweiche Position nun endlich aufgeben.

Ich habe diese beiden Beispiele exemplarisch - ich könntenoch mehr aufführen - herausgegriffen, weil es wirklichbezeichnend ist für Ihre derzeitige Position im Bund undauch im Land, keine eigenen Vorschläge und Ideen. Das,was von der Regierungsseite kommt, wird zerredet, wirdaus parteipolitischen Gründen kaputtgemacht und Siemachen da mit, Herr Althaus. Das ist bedauerlich.

Wir, meine Damen und Herren, die Thüringer SPD,haben da einen anderen Anspruch. Wir nehmen auch imHinblick auf diese unzweifelhaft sehr schwierige Haus-haltssituation und gerade auf diesen Nachtragshaushalt dieHerausforderung an. Wir wollen uns konstruktiv undernsthaft an den Beratungen dazu beteiligen. Wenn ichallerdings zur Kenntnis nehmen muss, dass hier ein Ent-wurf präsentiert wird, in dem schon wieder 10 Mio. ��feh-len, bevor er überhaupt in diesen Landtag eingebracht wor-den ist, dann frage ich mich, wie ernsthaft Sie Ihr Ge-schäft betreiben, meine Damen und Herren. Ich meine dieZurückziehung des Pflegeversicherungsgesetzes. Nicht,dass ich das vom sozialen Standpunkt her gutheiße, nein,aber die Art und Weise, das ist eine Brüskierung dieseshohen Hauses. Die Sache hat ja noch ein ganz anderesG'schmäckle, Sie schicken einen Staatssekretär 4 Jahre

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7911

früher in Rente, bloß weil der sich nicht mit Ihrer Fraktioneinigen kann. Und selbst wenn Sie das Beamtenrecht nochauf Ihrer Seite haben sollten, Herr Althaus, was ist denndas für ein Umgang mit Steuergeldern angesichts derDebatte, die wir hier heute führen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Genauso der Innenminister, der bedauert den Rücktritteines ranghohen Polizisten, obwohl der 13 Jahre lang allean der Nase herumgeführt und sich sozusagen das Amterschlichen hat und ihm noch die Versorgungsansprüchedurch seinen selbständigen Rücktritt gesichert werden. Dergehört gefeuert, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der SPD)

eine andere Lösung gibt es nicht. Dazu ist es im Übrigennoch nicht zu spät. Ich möchte das an der Stelle nur nochmal betonen.

Meine Damen und Herren, Einnahmeausfälle und Mehr-ausgaben bei den gesetzlichen Leistungen haben einenUmfang erreicht, der nicht mehr im normalen Haushalts-vollzug zu bewerkstelligen war. Deshalb sind die Maß-nahmen, die im Frühjahr und im Frühsommer dieses Jahresseitens der Ministerin vollzogen worden sind, haushalts-technisch, finanzpolitisch richtig gewesen, die haben wirauch nicht kritisiert. Die Vorlage des Nachtrags ist deshalbauch folgerichtig, auch wenn viele hier vorgeschlageneEinschnitte wehtun und eine ganze Reihe von Einschnittenso nach unserer Auffassung nicht tragbar sind.

An dieser Stelle ein Wort zur Nettoneuverschuldung: Siewissen, ich habe hier an dieser Stelle schon sehr oft dafürplädiert oder den Weg der Konsolidierung in Bezug auf dieNettoneuverschuldung verteidigt und mitgetragen. Ich binleider zu der Erkenntnis gekommen, dass wir bei diesemNachtragshaushalt an dem jetzt vorgeschlagenen Wegleider nicht vorbeikommen. Ich bedaure dies. Ich möchteaber auch ein Wort in Richtung meines Kollegen HerrnHuster von der PDS sagen, weil er sich sozusagen alsProphet hier dargestellt hat, dass er das alles schon ge-wusst hätte. Wäre der Landtag - ich nehme nur dieseLegislatur - seit Beginn dieser Legislatur Ihrer Politik, wasdie Verschuldung betrifft, gefolgt, wäre die jetzt not-wendige Aufstockung der Neuverschuldung von einemwesentlich höheren Level ausgegangen. Und das ist derPunkt, den ich zu kritisieren habe.

(Beifall bei der SPD)

Man kann zwar der Landesregierung aus den Steuerein-brüchen keinen Vorwurf machen, man kann ihr aber vor-werfen, und ich tue das, dass Sie dazu beigetragen hat,die Situtation zu verschärfen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben es versäumt, Sie haben es wirklich versäumt,und zwar schon 4 Jahre lang, wichtige, notwendige Struk-turreformen in der Landesverwaltung in Thüringen durch-zuziehen, trotz - oder sollte ich vielleicht sagen, wegen -der absoluten Mehrheit, das müssen Sie beantworten. Da-durch, meine Damen und Herren, wird viel mehr Geld fürVerwaltungskosten gebunden als bei einem rechtzeitigenGegensteuern heute nötig gewesen wäre. Das schlechteAbschneiden Thüringens in den entsprechenden Ver-gleichsquoten, Personalausgabenquoten, spricht da bei-spielsweise eine deutliche Sprache. Herr Althaus, Siemüssen da etwas tun, Sie können dieses Problem nichtlänger aussitzen. Sie selbst haben dem MDR in IhremSommerinterview das Stichwort gegeben. Wir braucheneine umfassende Strukturreform in der Landesverwaltung.Das muss aber tiefer gehen als das Placebo, das Sie bisherverteilt haben. Wir müssen unsere Staatsaufgaben neudefinieren, meine Damen und Herren, wir müssen ange-sichts weniger Einnahmen, angesichts sinkender Bevöl-kerungszahlen - leider, sage ich dazu - wirklich neu de-finieren, was muss Staat leisten, was können eventuellPrivate besser. Aufgabenkritik und Effizienzbetrachtungensind die Grundlagen dafür. Sträuben Sie sich doch nichtlänger gegen externe Vergleiche. Ich weiß, es ist ein be-scheidener Anfang gemacht. Aber, Herr Althaus, wir müs-sen wissen, wo wir stehen, wenn wir verändern wollenund das ehrlich und ungeschminkt.

(Beifall bei der SPD)

Und wenn Sie es allein nicht schaffen, wir, die SPD, sindbereit, uns einzubringen. Auf diesem Gebiet biete ichIhnen sozusagen eine Allianz der Vernunft an.

Meine Damen und Herren, ich habe es eingangs schonerwähnt, ein Teil der Malaise dieses Nachtragshaushaltsist hausgemacht. Zum wiederholten Male - und dieHaushälter in diesem Plenum wissen, wovon ich rede -wurden gesetzliche Leistungen bei der Haushaltsaufstel-lung deutlich unterveranschlagt. In einigen Bereichen,und ich nenne hier nur das Beispiel Eingliederungshilfefür Behinderte, wären diese vermeidbar gewesen. Insge-samt betrifft das fast 90 Mio. ���������#������� bewussteUnterveranschlagungen gegenüber dem Plan - das ist ein-fach nur Handwerk, Frau Ministerin. Aber, wenn es Ab-sicht war, dann ist es Pfusch, das muss ich auch so deut-lich sagen. Auch wenn Sie es nicht mehr hören wollenoder hören können - Sie müssen das ertragen -, in diesemZusammenhang stellt sich natürlich die Frage nach derSinnhaftigkeit von Doppelhaushalten

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin:Schönen Gruß an ...)

Wissen Sie, das Beispiel anderer Länder macht unser Pro-blem hier nicht besser, Frau Ministerin. Hier wird immer sooft die berühmte Makulatur für den Haushalt als Synonym,als Sinnbild verwendet, Makulatur ist eigentlich ein Bin-demittel. Ich kann keine Bindung mehr in diesem Doppel-

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7912 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003

haushalt erkennen. Die Zahlen, die im Plan, vor allem was2004 betrifft, sind, sind in weiten Teilen hinfällig. Das zeigtsich allein daran, dass sie in der Ergänzungsvorlage zum re-gulären Haushalt des Jahres 2004 überhaupt nicht berück-sichtigt waren. Ich kann an dieser Stelle wirklich nur dieWorte meines Fraktionsvorsitzenden - ich glaube, es warvorgestern - wiederholen: Was Sie da betreiben, ist Kosme-tik an einem Leichnam. Das klingt hart, das ist aber so.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Ichsage Ihnen noch was dazu.)

Und es ist sogar noch schlechte Kosmetik, Frau Minis-terin, da die Einsparungen in weiten Teilen über GlobaleMinderausgaben am Parlament vorbei vorgenommenwerden. Es war doch genügend Zeit für einen Nachtrags-haushalt ohne Globaltitel. Seit der Mai-Steuerschätzung,auf deren Ergebnissen ist ja dieser Nachtrag aufgebaut,sind fast 4 Monate vergangen. Die Zeit hätte also gereichteinen komplett neuen Haushalt aufzustellen. Also kom-men Sie mir nicht mit dem Zeitargument und kommenSie mir nicht mit dem Argument der Verlässlichkeit. Ichweiß nicht, was an einem Haushalt oder an Eckdaten,die sich so diametral unterscheiden wie bei diesem, danoch an Verlässlichkeit übrig bleibt. Das müssen Sie mirmal erklären. Das versteht auch draußen keiner mehr. Ichglaube eher, es steckt politisches Kalkül im Vorwahljahrdahinter, aber da mag sich die Öffentlichkeit selbst einBild davon machen. In dieses Bild passt auch die Schö-nung der Investitionsquote, die Sie vorhin hier so ge-priesen haben. So dient - und ich nenne da nur ein Bei-spiel, die Veranschlagung einer Globalen Minderausgabeim Kapitel Wirtschaft, die letztlich zu großen Teilen beider Gemeinschaftsaufgabe "Förderung regionaler Infra-struktur" realisiert werden soll - nur diesem einen Zweck.Investitionen werden ausgewiesen, obwohl schon längstklar ist, dass diese gar nicht kommen. Das können Siezwar dementieren wie Sie wollen, Frau Diezel, am Jahres-ende kommt die Stunde der Wahrheit, da stehen die Ist-Listen. Damit werden wir Sie dann noch einmal konfron-tieren. Ebenfalls wegen des statistischen Effekts wurdenZahlungen, Herr Huster hat das vorhin auch noch malaufgeführt, an den Nationalen Aufbaufonds, die Aufbau-hilfen, umveranschlagt und statt bisher allein als Zu-weisung nun als Großteil Investitionsausgabe ausgewiesen.Auch das hat Einfluss auf die Quote. Letztendlich die Ein-führung einer investiven Schlüsselzuweisung für die Kom-munen dient dem gleichen Zweck, sicherzustellen, dassdie CDU mit dem Aushängeschild einer hohen Investi-tionsquote im nächsten Jahr in den Wahlkampf ziehenkann. Dass dies potemkinsche Dörfer sind, mag ja derWahlbürger nicht und es hilft auch nicht viel, dass dieKommunen sich letztendlich über ihre Gremien, überdie Spitzenverbände damit einverstanden erklärt haben;Herr Mohring, Sie haben das kleinere Übel gewählt. Bevoreine Kürzung kommt in diesem Bereich, haben Sie dieseKröte geschluckt. Das muss man ganz eindeutig sagen.

Meine Damen und Herren, die konkreten Einsparposi-tionen, die müssen noch detailliert hinterfragt werden. Wirwollen die kommenden Beratungen des Haushalts- undFinanzauschusses, ich müsste eigentlich besser sagen, wirwollten die kommenden Beratungen des Haushalts- undFinanzausschusses intensiv dafür nutzen. Aber gestatten Siemir an dieser Stelle noch einmal eine Kritik am Verfahren.Die Zeitschiene, die den Abgeordneten für die Beschluss-fassung zugemutet wird, ist - gelinde gesagt - eine Frech-heit. Ich plädiere hier nicht dafür, die Verabschiedung desHaushalts auf November zu verschieben, um das ganzdeutlich zu sagen. Aber zwischen dem Abschluss der An-hörungen im Ausschuss und der Abstimmung der An-träge der Fraktionen im Ausschuss liegen gerade einmaldrei Werktage. Das funktioniert nur, wenn man als Parla-mentarier der Mehrheitsfraktion nichts einzubringen hat.Aber das ist nicht unser Verständnis von dieser wichti-gen Problematik des Nachtragshaushalts.

Entschuldigen Sie, nehmen Sie bitte nie wieder das Wort"Königsausschuss" in den Mund, wenn es um den Haus-halts- und Finanzausschuss geht. Das wird ja dann lang-sam lächerlich an dieser Stelle. Ich werde in der heutenoch stattfindenden Ausschuss-Sitzung dafür plädieren,einen Vorschlag zu unterbreiten, dass die Zeitschiene sogestaltet werden kann, dass die Abgeordneten in ange-messener Weise sich ihres parlamentarischen Rechts beidem Nachtragshaushalt bedienen können.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle lassen Sie mich vorab nur einige wenigeWertungen zu einzelnen Titeln vornehmen. Generell kannman sagen, setzt sich in diesem Haushalt ein schon oftbenutzter, immer wieder beliebter Trend fort, dass sich dasLand zulasten von Bund und Europäischer Union aus Fi-nanzierungsverantwortlichkeiten stiehlt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pietzsch, CDU: Dasist ein Witz.)

Das ist kein Witz, Herr Dr. Pietzsch, dann lesen Sie denHaushalt und dann hören Sie einmal genau zu, was IhreKollegin und Ihre ehemalige Kollegin, Frau MinisterinSchipanski, in Bezug auf den Denkmalschutz gesagt hat.

An dieser Stelle würde ich einmal - genau, das ist meinStichwort - nicht so gegen den Bund ins Feld ziehen, wennich ihn dafür benutze, die eigenen Probleme zu kaschieren.

(Beifall bei der SPD)

Der Ausspruch unserer verehrten Frau Finanzministerin,es werde dort gespart, wo es 2004 gegenüber 2003 Aus-gabenzuwächse gäbe, das kann man ja eigentlich nur alszynisch bewerten. Bezieht man nämlich das Jahr 2002 indie Betrachtung ein, da gibt es in der Regel so gut wiekeine Ausgabenzuwächse 2004, das heißt, die Kürzungenaus 2003 werden nun 2004 fortgeschrieben. Das wird ver-

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harmlost, indem man sagt, man kappe ja nur die Aus-gabenzuwächse. Ich möchte an dieser Stelle gar keineBetroffenheitsdebatte führen, meine Damen und Herren,Betroffenheiten gibt es leider bei einer solchen Situation, inder wir uns befinden, haufenweise und in jedem Bereichtun Kürzungen weh. Ich möchte aber auf einige Dingehinweisen, in denen Reden und Handeln der Landesre-gierung besonders dramatisch auseinander driften.

Als erstes Beispiel in den letzten Tagen, auch mit derentsprechenden Öffentlichkeit versehen, die vom Innen-minister verkündeten Streichungen der freien Stellen beider Polizei. Das steht im krassen Widerspruch zu denNotwendigkeiten und den Tausenden Überstunden, die beider Polizei geleistet werden. Ebenfalls im Haushaltsplandes Innenministers wurden die Zinshilfen für Beiträgegekürzt. Nachdem das damals von der SPD initiierte Zins-hilfeprogramm bereits vor Jahren gekänzelt wurde, wurdeimmer wieder auf genau dieses Programm als Alternativehingewiesen und genau hier wird jetzt auch gekürzt.

Herr Althaus, Sie haben die Problematik Wasser/Abwasserals Chefsache verkündet. Sieht so Ihre Chefsache aus? Indiesem Zusammenhang, das hat jetzt nicht unmittelbar wasmit dem Haushalt zu tun, betrifft aber die Kommunensehr stark; auch durch die Beantwortung meiner KleinenAnfrage zu der Management GmbH - es ist nach wie vorungeklärt, in welchem Verhältnis diese ManagementGmbH beispielsweise zu den Kommunalaufsichten stehtund welche Wirkungen sie vor allen Dingen entfalten soll.Das ist eine dieser Placebo-Maßnahmen, die ich vorhinschon einmal erwähnte.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das stimmtja nun wirklich nicht.)

Aber natürlich stimmt das, das wissen Sie ganz genau.Dann müsste man mir auf meine Kleine Anfrage einefalsche Antwort gegeben haben, Herr Fiedler.

Machen wir weiter mit der Kluft zwischen Reden undHandeln der Landesregierung, meine Damen und Herren.

Einzelplan 04 als Beispiel, also Kultusministerium: Bei denSchulen freier Trägerschaften wird gekürzt, die Lehrmittel-freiheit wird weiter ausgehöhlt. Hier sind noch nicht alleFakten auf dem Tisch, das bleibt uns in der zwar kurzen,aber doch vorhandenen Ausschussanhörungszeit vorbe-halten. Eine ganz gravierende Veränderung - und das wirktsich nun wieder unmittelbar auf die Kommunen aus -,das ist im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs.Wie sich hier das Land aus seiner Verantwortung ziehtfür einen bezahlbaren ÖPNV durch Umschichtung vonBundesmitteln - alle wissen, wie gefährlich das ist imHinblick darauf, dass der Bund dann seine Investitions-mittel zwangsläufig kürzen muss, wenn sie bei uns zweck-entfremdet verwendet werden. Da werden die Kommunenzusätzlich letztendlich damit belastet. Für die Kommunenist das insofern dramatisch, dass der Zustand ihrer kom-

munalen Straßen in vielen Orten ja nun wirklich äußerstschlecht ist. Da muss ich ja nun keine weiteren Beispieleaufführen. Genau an dieser Stelle und auch letztendlich dasLandesstraßenbauprogramm - ich weiß, natürlich mussman irgendwo kürzen, das ist doch ganz klar, aber manmuss bei der Frage der Prioritäten schon etwas differen-zierter herangehen.

Sie haben das genannt, Frau Ministerin, Landesarbeits-marktprogramm. Selbst wenn Thüringen an dieser Stelleeine exponierte Position bezieht, aber das ist doch keineBegründung dafür, dass wir notwendige Maßnahmen indiesem Maße, und zwar um mehr als 50 Prozent kürzen.Das ist im Übrigen auch eine Ursache, warum sich dieLangzeitarbeitslosenzahl innerhalb eines Jahres in Thü-ringen so dramatisch erhöht hat. Dann, nur um noch ein-mal auf das Beispiel von vorhin zurückzukommen, wollenSie genau diesen Bereich noch kommunalisieren. Herr Alt-haus, überlegen Sie sich das gut.

Im Einzelplan 08 - Ministerium für Soziales, Familie undGesundheit - trifft es die Jugend und die Familien, und dasentgegen den Beteuerungen der CDU-Fraktion und derRegierung. Die Jugendpauschale wird gekürzt, mehr alsum den Betrag, der neu für die Schuljugendarbeit, was jaimmer so als Adäquat angeführt worden ist. Das sindalles Beispiele, wo ganz deutlich Reden und Handeln derRegierung drastisch auseinander driften.

(Beifall bei der SPD)

Im Bereich der Familienförderung müssen bestehendeAngebote und Förderungen dafür herhalten, damit der neueFamilienminister nun auch einmal etwas Neues zu ver-künden hat. Die Mittel für die Beratungsstellen werdenzurückgefahren und es sollen weniger Zuschüsse zum Bauund zur Verbesserung von Familieneinrichtungen undEinrichtungen der Familienhilfe zur Verfügung stehen. Unddann diese Initiative, ich weiß nicht, meine Damen undHerren, inwieweit Sie das in puncto Glaubwürdigkeit dannaufrechterhalten können.

Es ist sicherlich richtig, dass überall gespart werden muss -unzweifelhaft. Unredlich ist aber, meine Damen und Her-ren, wenn öffentlich der Eindruck erweckt wird, als würdein einzelnen Bereichen nicht gespart und sogar noch drauf-gelegt, und dann macht man hier das Gegenteil. Das istunredlich.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Bereich, wo es äußerst wehtut, das ist im Be-reich des Ministerium für Wissenschaft, Forschung undKunst die Förderung der wirtschaftsnahen- und der Grund-lagenforschung. Sie sind von massiven Kürzungen be-troffen. Während die Verbundforschung, das eigentlicheHerzstück dieses Kapitels, im laufenden Haushaltsjahr -also 2003 - glücklicherweise nicht von Streichungen be-troffen ist, trägt sie im kommenden Jahr die Last der Ein-

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sparungen fast komplett allein. Laut Haushaltsplan sollendie Mittel für die Verbundforschung im Jahr 2004 vonohnehin indiskutablen 14,1 Mio. ��������������������duziert werden. Unter Beachtung bereits vorhandener Ver-pflichtungsermächtigungen bedeutet dies praktisch dasEnde des Landesforschungsförderungsprogramms zur Ver-bundforschung, meine Damen und Herren. Wir sollten daszur Kenntnis nehmen.

An dieser Stelle könnte ich jetzt aus der Regierungser-klärung vom 3. Juli 2003 unseren MinisterpräsidentenAlthaus zitieren, wo er sich im besonderen Maße derForschungs- und Technologielandschaft gewidmet hat.Ich verzichte jetzt darauf an dieser Stelle, das kann jedernachlesen. Es ist aber ein weiteres Beispiel für die tiefeKluft zwischen Reden und Handeln.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe vorhin schon einen Abschnitt in einem anderenZusammenhang erwähnt, und zwar bei der Denkmalpflege.Frau Schipanski, Ihr Auftritt im Vorfeld zum Tag desoffenen Denkmals war deshalb sehr wenig glaubwürdig.Die bereits bei der Haushaltsaufstellung für den Doppel-haushalt um fast die Hälfte gekürzten Zuschüsse für In-vestitionen zur Erhaltung von Industrie-, Bau- und Kunst-denkmalen werden nochmals reduziert. Dann verweisenSie mal so locker eben, ja, dann holen wir uns das Geldbei der EU. Wir werden zu hinterfragen haben, wie Siedas bewerkstelligen wollen.

Kommen wir noch im Einzelplan 17 zu dem beliebtenThema "Kommunaler Finanzausgleich". Der KommunaleFinanzausgleich wurde in seinem Gesamtumfang nichtangetastet. Das ist gut so und das bewerte ich auch durch-aus positiv. Nicht gut ist, dass aus rein taktischen Über-legungen der Landesregierung (Schönung der Investitions-quote) ein neues Element im Kommunalen Finanzaus-gleich erfunden wurde, die investive Schlüsselzuweisung.Was das neben der Investitionspauschale soll, das verstehtkeiner so recht von den Bürgermeistern. Die Kommunenschlucken es, ja, das ist wahr, weil es besser ist als eineKürzung. Aber es greift weiter in die kommunale Selbst-verwaltung ein und es verkompliziert den KommunalenFinanzausgleich zusätzlich.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident:Also hätten wir kürzen sollen.)

Übrigens an dieser Stelle - das ist aber eine völlig falscheSchlussfolgerung, Herr Althaus.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident:Dann sagen Sie doch endlich, wo Sie kürzenwollen. Ich höre immer, was Sie nicht kürzenwollen.)

Herr Althaus, ich weiß nicht, Sie haben mir offensicht-lich nicht zugehört, ich habe gesagt, es ist gut, dass der

KFA nicht angetastet worden ist.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident:Dann sagen Sie doch mal, wo Sie die Einspa-rung vornehmen wollen, das wäre doch malganz schick.)

Es geht nur darum, dass Sie einen Teil des KFA umge-widmet haben und dass der sich jetzt dann bei der Be-rechnung der Investitionsquote wiederfindet, wo er eigent-lich gar nichts zu suchen hat. Das ist der Punkt.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, Frau Finanzmi-nisterin, wir müssen uns, ob wir wollen oder nicht, in dennächsten Jahren darüber ernsthaft unterhalten, welche Auf-gabendefinitionen wir von der kommunalen Selbstver-waltung eigentlich noch haben. Wenn wir die haben, dannmüssen wir die aber auch adäquat finanzieren. Zu diesemDiskussionsprozess sind wir ebenfalls bereit. Das ist eindickes Brett, das da zu bohren ist, das weiß ich sehr genau.Aber es ist notwendig, weil wir mit der bloßen Fortschrei-bung der Dinge, wie wir sie jetzt in den letzten Jahrenfestgeschrieben haben, wahrscheinlich in den nächstenJahren nicht mehr zurechtkommen werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein Resümeeziehen: Die Landesregierung will, ohne die Bürger vorherallzu sehr aufzuschrecken, mit dem vorgelegten Nach-tragshaushalt bis zum nächsten Wahltermin wursteln. Dasist ja gut, dass nun endlich der Tag bekannt ist, wo diesesWursteln ein Ende hat.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Dem Plan fehlt die Transparenz und es wird mit denfinanzwirtschaftlichen Kennzahlen gemogelt.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Denkan 1999.)

Eine Zukunftsvision vermittelte schon der Haushalts-plan 2003/2004 nicht und der Nachtragshaushalt schongar nicht. Trotzdem, meine Damen und Herren, wird sichdie SPD anders als Sie, Ihre Kollegen auf der Bundes-ebene, einer Beratung und konstruktiven Mitwirkung nichtverweigern, so kritikwürdig auch vieles ist. Wir werdenin den bevorstehenden Anhörungen die Details hinter-fragen. Sie können sicher sein, wir werden auch die ent-sprechenden Anträge und Vorschläge unterbreiten. VielenDank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Präsidentin Lieberknecht:

Es hat jetzt Abgeordneter Mohring, CDU-Fraktion, dasWort.

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Abgeordneter Mohring, CDU:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Mi-nisterpräsident, liebe Finanzministerin Birgit Diezel, alswir in der vergangenen Woche die Kollegen Finanzpo-litiker aus dem hessischen Landtag und aus Schleswig-Holstein da hatten, haben wir überlegt, wie lange dieMinisterin eigentlich schon im Amt ist. Dann habe ich michan das, was Theo Waigel mal gesagt hat, erinnert, dassFinanzministerjahre Hundejahre sind. Wenn man sieht, wasdie Ministerin seit ihrem Amtsantritt mit dem damals schonvorgelegten Doppelhaushalt, mit dem neuen Doppelhaus-halt und mit den notwendigen Nachtragshaushalten ge-leistet und mit Mut und Kraft durchgestanden hat, gilt derFraktionsdank jetzt an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, dieser Nachtragshaushalt heuteist unumgänglich. Bund, Länder und Gemeinden müssenin diesem Jahr insgesamt über 8,7 Mrd. ����������aus-fällen verkraften. Allein für Thüringen hat sich der Steuer-ausfall insgesamt seit 1998, seitdem in Berlin die Re-gierung gewechselt hat, auf 2,5 Mrd. �����������*����man noch am Ende die Ausfälle aus Bundesergänzungs-zuweisungen und den Verlusten aus dem Länderfinanz-ausgleich hinzu, summieren sich die Ausfälle für Thürin-gen seit dem Amtsantritt der rotgrünen Bundesregierungauf über 4 Mrd. ���/�������gantische Summe macht deut-lich, welch katastrophale Wirtschafts- und Finanzpolitikimmer noch in Berlin gehandhabt wird und zeigt aber auch- und das ist das Dramatische aus Thüringer Sicht -, dasseine zügige Angleichung der Lebensverhältnisse in denjungen Ländern an das Westniveau verhindert wird.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist das Dramatische. Essenkt nicht nur das Niveau in ganz Deutschland, es ver-langsamt den Aufholprozess und schließt die Schere nicht,die wir brauchen, damit wir gleiche Lebensverhältnisse ha-ben. Wir kämpfen dafür, dass wir endlich gleiche Lebens-verhältnisse haben, aber wir brauchen auch die Unter-stützung aus Berlin.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir brauchten heute über denNachtragshaushalt nicht zu reden, wenn nicht die not-wendigen Strukturreformen in Deutschland verzögertwürden. Ich will daran erinnern, weil es in Zwischenrufenauch schon gesagt wurde, der Ausgangspunkt für die ver-fehlten Strukturreformen in Deutschland ist im Jahr 1997zu suchen, als im Bundesrat eine SPD-Mehrheit damalssteuerpolitische Vorschläge der damaligen Unionsregie-rung abgelehnt hat.

(Beifall bei der CDU)

Aber auch, meine Damen und Herren, die Rücknahme derRenten- und Arbeitsmarktreform 1998 nach dem Regie-rungswechsel in Berlin und die erste Stufe der Steuer-reform in 2001 - wir haben ja lange über das Dilemma anSteuerausfällen geredet, was dann Länder und Kom-munen zu verzeichnen hatten - hat dazu geführt, dassSteuerausfälle so gravierend sind und wir uns von Nach-tragshaushalt zu Nachtragshaushalt nur über die Justierungunserer Prioritäten verständigen müssen.

Meine Damen und Herren, in diesem Jahr muss in Thü-ringen deswegen ein Fehlbetrag von 561 Mio. �������glichen werden. Allein 337 Mio. �����������������%"����che Steuerausfälle. Hinzu kommen knapp 90 Mio. ����zusätzlichen Ausgaben - und ich will, die Ministerin hates gesagt, noch mal eine Zahl ganz besonders nennen -,nämlich die zusätzlichen Ausgaben von 31 Mio. ���� dieZusatzversorgungssysteme. Für alle die, die es immer nurschreiben und hören, denen sei es noch mal gesagt, wirzahlen das dort, was wir eigentlich mit der Wende ver-hindern wollten, nämlich dass alte Funktionsträger undsystemnahe Staatsdiener aus der DDR-Zeit jetzt mit zu-sätzlichen Renten versorgt werden, die wir aus der all-gemeinen Kasse leisten müssen und deswegen sind diealten Funktionsträger der DDR besser gestellt als die Rent-ner, die normale Arbeitnehmer und nicht systemnah warenin der DDR.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, deshalb bleibt es eine nationale,eine bundespolitische Aufgabe, die Lasten der Zusatzver-sorgungssysteme nicht den ostdeutschen Ländern alleinzu überlassen, sondern es bedarf der Verantwortung desBundes, hier die Regelungslücke, die im Einigungsvertragoffensichtlich nicht bedacht wurde, nachzubessern unddie Verantwortung gemeinsam zu schultern. Die Länderallein im Osten Deutschlands können diese Last auf Dauernicht weiter tragen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, im nächsten Jahr wächst dieLücke auf 644,5 Mio. �0��������������������,�1�������Steuerausfälle und Mehrausgaben für die Eingliederungs-hilfe für Behinderte und Mehrkosten beim Maßregelvoll-zug und bei der Investitionsfinanzierung in Pflegeeinrich-tungen insgesamt für die drei Positionen von 45 Mio. ��die zusätzlich mit Mehrausgaben den Haushalt belasten.Dazu bestehen natürlich noch weitere Risiken, vor allenDingen im Vollzug des nächsten Jahres bei der Frageeiner eventuell vorgezogenen Steuerreform, aber auch beider Umsetzung der Gemeindefinanzreform.

Meine Damen und Herren, wir halten am Ziel von Sparenund Gestalten im Doppelhaushalt fest. Dennoch, unddas haben auch die Redner der Opposition zu erkennengegeben, ist in einem inhaltlich ausgewogenen Haus-halt, so wie ihn die Regierung vorgelegt und der Land-

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tag beschlossen hat, Sparen weiter sehr schwierig, zu-mal die freien Mittel jährlich nur noch ca. in der Spitze400 Mio. �� �tragen. Und wer weiß, wir haben es mehr-mals gesagt, wer über 667 Mio. �� .%����"�� ��� *���aus-gaben leistet und wir aber nur noch eine freie Finanzspitzevon 400 Mio. � jährlich haben, der weiß, in welcherschwierigen Haushaltssituation wir stehen und so schnellauch nicht herauskommen werden. Insbesondere ist esdeshalb schwierig weiter zu sparen, weil alle anderenMittel außerhalb der 400 Mio. �� ��� ������#��������volumen von 9 Mrd. ��������������"�������(��"�����quasi gesetzliche Verpflichtungen schon gebunden sind.Für den Nachtrag 2003 und 2004 bleibt festzuhalten, dieSteuerausfälle sind deshalb nicht nur mit neuen Schulden,sondern auch, und das war das erklärte Ziel dieser Fraktionaber auch der Regierung für die gesamte Legislaturperiode,mit weiteren echten Einsparungen gedeckt worden. Insge-samt werden mit dem vorgelegten Nachtragshaushalt nocheinmal 365 Mio. �� ����%"���"��� 2��� ��kürzungen vor-genommen. Ich will es sagen, weil es auch für die Bilanzdieser Legislaturperiode wichtig ist, alle Einsparungen, diewir im Jahr 2002 und die wir jetzt aktuell mit demDoppelhaushalt für 2003 im Nachtrag vorgenommenhaben, summiert sich die Einsparungshöhe auf insge-samt über 900 Mio. �����2��� ������������3 �������Ausgabenminderung.

Meine Damen und Herren, wir sind bei den Einsparungen,bei den nochmaligen Einsparungen für dieses und fürnächstes Jahr an die Grenze des Machbaren und vorallen Dingen auch an die Grenze des Erträglichen ge-gangen für uns selbst.

(Beifall bei der CDU)

Dennoch, meine Damen und Herren, Schwerpunkte, die dieMinisterin genannt hat, sollen von Kürzungen verschontbleiben. Wir wollen auf diese Weise, dort, wo wir Kür-zungen vermeiden können, Schwerpunkte und Prioritätensetzen und sagen, das ist unser Gestaltungswille, den wirausüben wollen. Deshalb ist ein Nachtragshaushalt ein rea-listischer Mix aus möglichen Einsparungen und der un-umgänglichen, für uns sehr schmerzhaften, und ich will esauch sagen, unerträglichen nochmaligen weiteren Netto-kreditneuaufnahme. Dennoch, die Bereiche Familie, Kom-munalfinanzen, innere Sicherheit, wo ich dazu nachhernoch einmal etwas sagen werde, und Wirtschaftsför-derung für den Mittelstand sowie die Zusagen an Hoch-schulen und Theater bleiben von den Kürzungen ver-schont. Sie haben auch gemerkt, meine Damen und Herren,dass die Opposition zu diesen Punkten keine Kritik mehrgeübt hat, weil wir uns an unsere Versprechen an dieserStelle gehalten haben.

Meine Damen und Herren, der Anteil der Investitionenliegt in 2003 bei 20,3 Prozent und steigt nochmals an in2004 auf 20,7 Prozent. Dennoch - das bleibt wichtigfestzuhalten -, das, was wir an Prioritäten im Haushaltgesetzt und wo wir gesagt haben, wir wollen im frei-

willigen Bereich zusätzliche Ausgaben leisten und oberstePrioritäten setzen, lässt sich alles nur finanzieren imKulturbereich, im Theaterbereich aber auch im Sozial-bereich, wenn wir Wirtschaftswachstum haben und Wirt-schaftswachstum uns begleitet und deshalb eine solideEinnahmebasis sichert.

Meine Damen und Herren, dieser Kritikpunkt bleibt fest-zuhalten: Das Wirtschaftswachstum wächst nicht so inDeutschland, wie wir es brauchen, um unsere Aufgaben zuerfüllen.

(Beifall bei der CDU)

Aber trotz der negativen Wachstumszahlen in Deutschlandsetzt sich die Thüringer Wirtschaft gegen den Trend durch.Die Umsätze der Thüringer Industrie sind gegenüber demVorjahr um 5,5 Prozent gestiegen. Damit liegt Thüringendeutlich besser im Vergleich zu den anderen jungen Bun-desländern, die ein Wirtschaftswachstum von ca. 4,6 Pro-zent im Durchschnitt zu verzeichnen haben und weit vordem bundesweiten Anstieg, der lediglich 0,2 Prozent be-trägt. Die Anzahl der Beschäftigten ist in Thüringen um3,1 Prozent gestiegen, während im Schnitt die jungenLänder nur einen Zuwachs an Beschäftigtenzahlen von0,4 Prozent und bundesweit von 2,5 Prozent zu ver-zeichnen haben. Die Kleinteiligkeit unserer Thüringer In-dustrie kann in konjunkturell schlechteren Zeiten besserauf den Markt reagieren. Unterstrichen wird dies durchUntersuchungen von Ernst und Jang, wo die Attraktivitätvon Teil- und Standortfaktoren der Bundesländer, woThüringen in dieser Untersuchung beim Attraktivitäts-index den besten Wert der jungen Bundesländer vorSachsen und vor den alten Ländern Saarland undSchleswig-Holstein erzielt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die neue Landesregierung undder neue Wirtschaftsminister wollen diesen Trend fort-setzen und deshalb legt die Landesregierung gemeinsammit der Thüringer Aufbaubank ein Programm "Thüringen-Kapital" vor und will diesen Wachstumsprozess weiterverstärken. Wichtig ist es deshalb, weil gerade kleineUnternehmen und Existenzgründer die Möglichkeit er-halten, gezielte Hilfe auch außerhalb des Hausbankver-fahrens unkompliziert zu erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Das ist wichtig, meine Damen und Herren, und trägt fürWachstum in Thüringen bei.

(Beifall bei der CDU)

Was noch viel wichtiger ist, meine Damen und Herren, undwas auch die Handschrift der Landesregierung trägt, näm-lich diese Form der Wirtschaftsförderung ist in Deutsch-land bisher einmalig. Ich will an dieser Stelle, weil es

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heute auch passt, für die CDU-Fraktion ganz ausdrück-lich dem neuen Ministerpräsidenten Dieter Althaus für100 Tage positive Bilanz in erster Amtszeit ausdrücklichdanken!

(Beifall bei der CDU)

Sie haben Thüringen in aller Munde gebracht, Sie habenThüringen in die Diskussion gebracht und populär. Undeines ist wichtig, Sie haben mit Ihrem frischen Windund auch mit Ihrer Jugend unter den Ministerpräsidentengezeigt, dass die jungen Länder vorangehen wollen unddie Unterstützung brauchen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, aber es soll nicht nur bleibenbei "Thüringen-Kapital", auch der Beteiligungsfonds desLandes soll um 30 Mio. �����������������4��päischenFonds für Regionalentwicklung aufgestockt und die regio-nale Wirtschaftsförderung institutionell gebündelt werden.Deshalb werden zunächst in Gera und in Suhl die Bürosder TAB und Landesentwicklungsgesellschaft unter einDach gebracht. Damit erreichen wir das, was auch immergefördert wird, im Bereich der Wirtschaftsförderung kon-zentriertes, unkompliziertes und unkonventionelles Mitein-ander der verschiedenen Einrichtungen.

Meine Damen und Herren, aber auch in diesem Bereich ge-hört ein Punkt erwähnt, nämlich die Ausgestaltung derFörderrichtlinien der Förderung durch das Land im Be-reich der Wirtschaftsförderung aber auch in allen Be-reichen dort, wo das Land zusätzlich mit Geld fördert.Angesichts immer knapper werdender Fördermittel, daswissen Sie, die Haushaltslage beschreibt es von allein,wollen wir künftig erreichen, dass die Förderung von Pro-jekten in allen Ressorts sich künftig nicht mehr aus-schließlich an Höchstfördersätzen orientiert, sondern wirwollen deshalb eine künftige Unterscheidung zwischenHöchst- und Regelfördersätzen definieren und in den För-derrichtlinien und Verwaltungsvorschriften die Nachprü-fung zugänglicher Kriterien aufnehmen und für eine aus-nahmsweise Anwendung von Höchstsätzen im EinzelfallBedingungen aufstellen. Damit kann eine größere Diffe-renzierung, aber was noch viel wichtiger ist, auch eingrößerer Handlungsspielraum im Laufe eines Haushalts-jahres in der Förderpolitik erreicht werden und die Hand-lungsmöglichkeiten werden deshalb nicht mehr frühzeitiggebunden am Beginn eines Jahres, sondern es bleibt auchmöglich, innerhalb eines laufenden Haushaltsjahres neueSchwerpunkte aufzunehmen und Projekte von besondershoher landespolitischer Bedeutung künftig auch noch Mittedes Haushaltsjahres zu finanzieren. Hier besteht Hand-lungsbedarf. Ich will ihn ankündigen und ich meine, dieCDU-Fraktion wird in den Haushaltsberatungen dazugeeignete Initiativen ergreifen und dem Landtag vorlegen.

Meine Damen und Herren, wichtig bleibt auch bei derBetrachtung zum Landeshaushalt hierzu zum Nachtrag

festzustellen, der Thüringer Haushalt ist verfassungskon-form und im Rahmen des Stabilitätspakts aufgestellt. Thü-ringen hält seine verfassungsmäßigen Grenzen ein, wasman vom Bundeshaushalt, in dieser Woche aktuell be-sprochen in Berlin, aber auch von den Haushalten vielerunserer Kollegen in anderen Landesparlamenten nichtsagen kann. Die Grenzen des nationalen Stabilitätspaktsschreiben vor, dass neue Schulden nur unter der Höhe derEigeninvestition liegen und die Personalausgaben unter40 Prozent des Gesamthaushalts definiert werden dürfen.Die Eigeninvestitionen in Thüringen betragen für 2003immerhin - und das ist wichtig zu sagen - 860 Mio. ��die Personalausgabenquote ist bei 27 Prozent festge-schrieben. Der nationale Stabilitätspakt schreibt vor, dassdie Neuverschuldung unter der Neuverschuldung des Vor-jahrs liegen muss und das Haushaltsvolumen nicht stärkerals 1 Prozent steigen darf.

Da will ich zu einem Thema kommen, was uns sehrwehtut: die Nettoneuverschuldung. Die Nettoneuver-schuldung beträgt nach dem Nachtragshaushalt für die-ses Jahr 710 Mio. ���������%"������������3,�������� Es istnicht leicht gefallen, der Regierung mit ihrer Vorlagezum Haushalt sowieso nicht, aber auch der Fraktion, vondem, was wir in der Mittelfristigen Finanzplanung fest-geschrieben haben, nämlich unsere Werte der Aufnahmevon neuen Krediten in diesem Jahr von 353 Mio. ����im nächsten Jahr nur noch von 202 Mio. ��� (���"����Ich will das deutlich sagen, das waren Spitzenwerte inDeutschland. Nach Bayern haben wir bei der Mittelfris-tigen Finanzplanung unter dem Kontext aller Länder in-klusive Stadtstaaten und Flächenländer den zweiten Platzbelegt. Und glauben Sie uns, das war der schwierigste Wegbei diesem Nachtragshaushalt, von diesem ehrgeizigen Zielund von diesem Spitzenplatz freiwillig leicht abweichenzu müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Aber eines will ich auch sagen, was zur Bilanz dieser Le-gislaturperiode gehört, nämlich wir haben die Nettoneu-verschuldung in Thüringen abgebaut. Wer sich erinnert, alswir gemeinsam gewählt wurden und angetreten sind hierund haben Haushaltspolitik angefangen zu gestalten, hat dieNettoneuverschuldung in Thüringen noch 913 Mio. �� ��tragen. Wir liegen nächstes Jahr nach dem neuen Nach-tragshaushalt bei 695 Mio. ���/������2 �5��� ������umkehrbar und das war wichtig in der Finanzpolitik diesesLandes.

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, und auch dasist wichtig, das Haushaltsvolumen wird abgesenkt. Wirhalten auch hier einen wichtigen Eckpfeiler der natio-nalen Stabilitätskriterien ein. Wir steigern nicht unsereAusgaben, sondern wir vermindern unser Haushaltsvo-lumen in diesem Jahr sage und schreibe um 1,84 Prozentund erhöhen es nur im nächsten Jahr leicht um noch mal

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0,4 Prozent, so dass in der Summe mit diesem Nach-tragshaushalt um 1,8 Prozent noch mal das Ausgabevo-lumen des Gesamthaushalts abgesenkt wird. Thüringen legteinen verfassungsmäßigen Haushalt vor, der alle Kriterienvon Europa und dem Bund einhält, meine Damen undHerren.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich ist das nur zu leisten, wenn auch Einsparungenvorgenommen werden. Einsparungen waren deshalb inallen Bereichen, außer dort, wo wir die Priorität gesetzthaben und ich sie vorhin noch mal genannt habe, unum-gänglich. Deshalb sind Kürzungen in den Einzeltitelnbei der Verbundforschung, bei der Förderung von Sport-und Spielstätten, im Hochbau, im Städtebau und beimLandesarbeitsmarktprogramm äußerst schmerzhaft, die tununs weh, die tun den Fachpolitikern in der Fraktion nochviel mehr weh, aber sie sind nur dort möglich, weil es sichdort noch um so genannte freiwillige Leistungen handeltund wir auch nur dort außerhalb von gesetzlichen Leis-tungen noch Spielräume im Haushalt zu verzeichnenhaben. Im Bereich des Ministeriums für Wirtschaft,Arbeit und Infrastruktur sind das zum Beispiel 10 Mio. �Kürzungen für das Landesarbeitsmarktprogramm undweitere 15,6 Mio. �� ��� ��� Straßenbau, die gestrichenwerden müssen. Auch im Städtebau können wir nur nochweniger Mittel für die Modernisierung von Mietwoh-nungen und für günstigere Modernisierungsdarlehen be-reitstellen. Im Bereich des Innenministeriums betrifft dasden Ansatz zur Unterbringung von Flüchtlingen aufgrundaber hier geringerer Zugangszahlen in diesem Jahr um2 Mio. ���������%"�������������"����������6��������

Aber auch im Kultusministerium gibt es weniger Geld fürdie Schulen in freier Trägerschaft, aber so, wie wir es zumDoppelhaushalt beschlossen haben. Und weil das Debatteim Vorfeld der Haushaltsberatung war, will ich noch maleines ganz deutlich sagen: Wir halten bei unserer Förde-rung in diesem Jahr für die Schulen in freier Trägerschaftmit einem Fördersatz von 133 Prozent gegenüber denSchulen in staatlicher Trägerschaft fest. Alle die, diemeinen, suggerieren zu können, wir senken das Niveauder Förderung für die Schulen in freier Trägerschaft indiesem Jahr auf das Niveau der Förderung von Schulenin staatlicher Trägerschaft ab, der lügt, meine Damen undHerren.

(Beifall bei der CDU)

Ich will es noch mal ganz deutlich sagen: Die Reduzierung,die wir insgesamt bei den Schulen in staatlicher Träger-schaft vornehmen müssen und die natürlich bei einem dortverminderten 100-Prozent-Ansatz auch die Nettosummevon einer 133-Prozent-Förderung anders darstellen lässt,hängt ausschließlich mit der Reduzierung von Schüler-zahlen und Neueinschulungen in den Thüringer Schulenzusammen. An den im Haushaltsbegleitgesetz 2001/2002festgelegten Sätzen für die Schulen in freier Träger-

schaft - ich sage es noch einmal - bei der Förderung indiesem Jahr von 133 Prozent wird nicht gewackelt. DieMittel für die Bewirtschaftung und Sachkosten der Justiz-vollzugsanstalten werden ebenfalls gekürzt und das Minis-terium für Soziales, Familie und Gesundheit hat leichtweniger Mittel für die Pauschalförderung von Kranken-häusern und von Spielstätten zur Verfügung. Auch imLandwirtschaftsressort müssen wir die Baukostenzuschüssefür Talsperren aufgrund des günstigen Zinsniveaus re-duzieren, aber dort hat es keine nachteiligen Auswirkungen,sondern wir arbeiten nur mit gutem Zinsmanagement undkönnen dort laufende Zuschusszahlungen sparen. Auchim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunststehen ab 2004 für bestimmte Forschungsbereiche we-niger Mittel zur Verfügung und das Finanzministeriummuss schlussendlich auch auf die Anschaffung neuerTechnik verzichten. Aber es wird deutlich, meine Damenund Herren, Sparen und Gestalten bedeutet nicht nur Geldausgeben, sondern es bedeutet, Verantwortung übernehmenund es bedeutet auch Verantwortung übernehmen für Be-reiche, für die es wehtut und für die es Proteste vor diesemHaus hagelt. Aber wir übernehmen diese Verantwortung

(Beifall bei der CDU)

und wir hätten gern erwartet, meine Damen und Herren,dass auch die Opposition nicht nur die Eckzahlen desHaushalts kritisiert, sondern sich der gemeinsamen Ver-antwortung für die Gestaltung innerhalb des Landes-haushalts einsetzt. Wir vermissen diese Vorschläge beiIhnen, sowohl bei der PDS als auch bei der SPD.

Meine Damen und Herren, ich will etwas zum ThemaVerbundforschung sagen. Sie werden vergeblich in einemanderen Landeshaushalt ein Landesprogramm für Ver-bundforschung suchen in einem vergleichbaren Umfang.Dennoch, das wissen wir, als das Programm eingeführtwurde in der vergangenen Legislaturperiode war es wichtigund es war ein Meilenstein in der Arbeit des Hauses undauch des Ressortministers, dennoch müssen wir beachten,dass wir zum Zeitpunkt der Einführung des Programmsmit der Höchstausstattung von über 50 Mio. �� ��� ���Spitzenzeiten und mit der leichten Reduzierung jetzt aucheine andere Einnahmesituation zu verzeichnen haben,und sie wird deshalb dort deutlich, wo ich eine große Ein-nahmegröße vergleiche. Zum Zeitpunkt der Einführungdes Programms 1997 hatten wir mehr Steuereinnahmenzu verzeichnen als jetzt aktuell im Haushaltsjahr 2003.Das ist verrückt, aber es ist die Realität. Natürlich könnenwir nicht bei immer weiter steigenden gesetzlichen Leis-tungen, die uns überholen, und alles Ausgaben erreichenwieder wegnehmen, natürlich nicht auch die Höchstan-sätze von lieb gewonnenen Projekten aufrechterhalten. Wirwollen aber - und das ist wichtig und das soll auch dasSignal in diesem Doppelhaushalt sein - an der Verbund-forschung festhalten. Und wer sich insgesamt die For-schungstitel in ihrer Gesamtheit ansieht, die im Haushaltaufgezeigt werden, wird sehen, dass jetzt zwar im Bereichder Verbundforschung etwas mehr, aber im Bereich der

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Forschungsförderung insgesamt nur marginal gekürztwurde. Der Vorwurf von Uwe Höhn vorhin - und ich willihn deshalb ausdrücklich widerlegen -, wir hätten For-schungsmittel um die Hälfte gekürzt, ist falsch, meineDamen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Glauben Sie mir, es trifft auch auf das Landesarbeits-marktprogramm so zu, wo wir noch mal 10 Mio. ������sparen müssen, aber immer noch 61 Mio. ��.%����"��(�Verfügung stellen. Das finden Sie in keinem anderenLandesarbeitsmarkttitel in anderen Bundesländern, nichtim Westen, sowieso nicht, aber auch nicht in unserenbenachbarten Jungbundesländern. Es gibt keine höhereFörderung als in Thüringen in diesem Bereich, aber glau-ben Sie mir, die Einsparungen, die ich genannt und punk-tuell auch noch mal aufgelistet habe, machen uns keinenSpaß und erst recht nicht den Ressortministern, aber siedienen auch dazu, notwendige Reaktionen auf die feh-lenden Einnahmen zu verantworten. Noch mal - und das istganz wichtig -, wir übernehmen diese Verantwortung,meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Nicht der Redner der SPD selbst, aber der Landesvorsit-zende der SPD, der Staatssekretär in einem Bundesmi-nisterium, Herr Matschie, hat im Vorfeld der Haushalts-beratung Thüringen vorgeworfen, es hätte die niedrigsteInvestitionsquote aller jungen Länder und wir würden nichtmehr vollständig GA- und EU-Programme kofinanzierenund er vergisst dabei - und erwähnt es aber auch noch - zusagen, wir hätten die höchste Personalkostenquote allerjungen Länder, vergisst dabei, dass er mit seinen Aussagenweit von der Wahrheit weg liegt, meine Damen und Herren.Er liegt deshalb weit von der Wahrheit weg, weil wir ebennicht im Vergleich zum Beispiel mit der Investitions-quote mit Sachsen vergessen dürfen, aber auch mit Bran-denburg, dass dort die Flutopferhilfe als neue Einnahme-quelle von über 2 Mrd. �� (�%�(��"�� ������������ ist indie Quote. Deshalb können wir nicht einfach Quoten ne-beneinander legen und vergleichen, das ist unredlich.Das, was wir an eigener Kraft aufbringen an Investitions-quote ist in den jungen Bundesländern ein Spitzenwert.

(Beifall bei der CDU)

Spitzenwert ist auch, meine Damen und Herren, die fest-geschriebene Personalquote von 26,3 Prozent in diesemHaushaltsjahr. Wir liegen auch da an der Spitze aller Län-der, weil nämlich das Bundesland, was Christoph Matschieherangezogen hat, nämlich Brandenburg, mit ausgewie-senen 23 Prozent Personalkostenquote, dort alle ver-gessen, dass die Kosten für die Hochschulen und für dieBediensteten nämlich in einer anderen Hauptgruppe ver-anschlagt sind und weitere 6 Prozent deshalb statistischverfälscht wurden. Wir liegen mit 26,3 Prozent an denPersonallausgaben im Gesamthaushaltsvolumen an der

Spitze aller Bundesländer. Diese Zahl ist wichtig. Wirwissen auch, dass sie wichtig ist und gehalten werdenmuss, weil uns die Frage der Belastung durch Pensions-zahlungen in den nächsten Jahrzehnten erst noch ereilt.Deshalb bedarf es dort eines konsequenten Personalma-nagements, was wir nicht aus den Augen verlieren wollen,meine Damen und Herren. Die Aufnahme von zusätzlichenKrediten ist schmerzhaft für uns. Nach den alten Pla-nungen müssen wir noch einmal für die Kreditaufnahme357 Mio. ���������%"������������3���������(sätzlich inKauf nehmen. Dass die Verschuldung des Landes dra-matisch ist, leugnet hier in diesem Haus so gut wieniemand mehr. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dieSteuerausfälle im vorgelegten Nachtragshaushalt für 2003und 2004 eben nicht auf fehlende Reformen in Thüringenzurückzuführen sind.

(Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen das auch benennen, meine Damen undHerren. Alle Steuerausfälle durch Einsparungen auszu-gleichen würde angesichts der vorhin genannten freienMittel zum Kollaps des Landeshaushalts führen und jeg-liche Entwicklung des Landes verhindern. Wir haben dieNettoneuverschuldung Jahr für Jahr abgesenkt, obwohl dasursprüngliche Ziel der Nettokreditaufnahme schon für2006 wie in vielen Bundesländern mit null avisiert war.Das kann angesichts von über 2,5 Mrd. �����2�%���� imLaufe der Legislaturperiode nicht gehalten werden. Aber,und das will ich sagen, wir haben in den Jahren 2002,2003 und im Jahr 2004 insgesamt 906,2 Mio. �����sächlicheAusgaben im Haushalt reduziert. Wer sich parallel dieMittelfristige Finanzplanung vornimmt und für die Jahre2002, 2003 und 2004 zusammenrechnet, was wir ursprüng-lich an neuen Schulden geplant haben für diese drei Jahre,wird feststellen, dass wir eine Summe von 908 Mio. � vor-gesehen haben. Jetzt will ich eines sagen, wir hätten esvielleicht nicht gemacht, wenn die wirtschaftliche Ein-nahmeentwicklung nicht so gekommen wäre, wie sie ist,aber wir haben tatsächlich in dieser Höhe Ausgaben ge-mindert von 906 Mio. ���/������7�� mit Vergleich der ur-sprünglichen Mittelfinanzplanung hätten wir, wären dieEinnahmen geflossen wie geplant, jetzt schon, das ist daserstaunliche an der Haushaltspolitik, im Ergebnis einenausgeglichenen Haushalt vorgelegt haben können. Wirkönnen es nicht, weil die Einnahmen nicht so gekommensind. Aber wir haben unseren Beitrag jetzt schon dafürgeleistet, dass wir ein Ausgabenniveau in Thüringen zuverzeichnen haben, was uns einen ausgeglichenen Haushaltin der Zukunft ermöglicht.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb will ich hier vor diesem Haus für die CDU-Fraktion ganz deutlich sagen, wenn die Einnahmesituationsich in diesem Land verbessert und wir alle diszipliniertdaran festhalten, was auch heute in der Debatte gefordertwird, an den Ausgaben weiter diszipliniert zu arbeiten undnicht neue Mehrhausgaben zu fabrizieren, dann ist es mög-

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lich, in der nächsten Legislatur das aufzugreifen, was wirwollen, nämlich ohne neue Schulden im Landeshaushaltauszukommen. An diesem Ziel wollen wir mittelfristigfesthalten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ich will auch etwas zur Verantwortung sagen, und zwardort, wo nicht wir in den Ländern Verantwortung haben,sondern die Opposition, die hier Opposition ist, aber in denanderen Ländern Verantwortung trägt. Ich will es deshalbmit Blick auf Brandenburg zum Teil, aber besonders aufMecklenburg-Vorpommern sagen, weil nämlich die beidenLänder dafür symptomatisch sind, wie man auch andersmit den Einnahmeausfällen umgehen kann, die nämlichnicht den Mut zur Verantwortung haben, sondern durch zigneue Schulden ihren Landeshaushalt ausgleichen. Was dortvor allen Dingen Mecklenburg-Vorpommern macht, dievon den ursprünglich geplanten neuen Schulden in diesemJahr von 230 Mio. ���� �������� �"���� �� 6���������Nettoneuverschuldung im laufenden Haushaltsjahr hoch-schnellen, zeigt, wie verantwortungslos man auch Finanz-und Haushaltspolitik gestalten kann. Wir wollen das nicht.Es gibt auch eine Antwort darauf, was Mike Huster vorhingesagt hat, als er angekündigt hat, die PDS will Vorschlägedafür machen, wie man die Einnahmesituation des Landesverbessern kann. Wenn der Vorschlag der PDS so wie inMecklenburg-Vorpommern ist, nämlich die Nettoneuver-schuldung von 200 Mio. auf 1,3 Mrd. ����"��"����len zulassen und das die Antwort auf die Einnahmesituationist, dann wehren wir uns, diesen Weg zu begleiten und zuunterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will auch etwas zur Personalentwicklung und zumPersonalentwicklungskonzept sagen. Um die EntwicklungThüringens weiter voranzubringen, das haben wir als Frak-tion gesagt und wir haben es auch hier beschlossen ineinem 15-Punkte-Programm, sind notwendige Schritte zurKonsolidierung unumgänglich und die machen auch beimLandespersonal nicht Halt. Aber ich will sagen, wir habenin dieser Legislaturperiode seit 1999 bis Ende 2002 vonLandesstellen bereits 4.279 Stellen eingespart. Nach demvorliegenden Nachtragshaushalt werden bis Ende 2004 nurnoch 56.205 Stellen im Landesdienst vorhanden sein. Dasbedeutet, dass im Verlaufe dieser Legislaturperiode, fürdie wir allein Verantwortung zeichnen, insgesamt 6.948Stellen abgebaut bzw. bis zum Ende dieser Legislatur nochabgebaut werden. Zusätzlich zum beschlossenen Personal-entwicklungskonzept vom Juni 2000, das bereits den Ab-bau von über 8.000 Stellen bis 2005 vorgesehen hat,werden langfristig weitere 1.758 Stellen im Landesdienstabgebaut. Ich meine, das ist das, was man auch leistenkann in der Legislatur. Aber ich will auch sagen, wirhaben auch Aufgaben zu erfüllen als Staat und darüberhinaus ist mehr nicht leistbar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist der Vorwurf der Opposition, der auch vor-hin gekommen ist, wir tun nichts in diesem Bereich, wirverweigern uns Strukturreformen, falsch und er geht anden Realitäten vorbei, weil wir in diesem Bereich Vor-reiter sind in den jungen Ländern. Ich will aber eines nochsagen, meine Damen und Herren, ich habe an der Quoteschon den Spitzenwert genannt, aber tatsächlich ist diePersonalquote nicht der wahre Vergleichsmaßstab, sonderndie Anzahl der Beschäftigten pro 100.000 Einwohner. Dortliegen wir mit 2.441 Beschäftigten pro 100.000 Einwohnerweit vor Sachsen-Anhalt mit über 2.700 Beschäftigtenund auch weit vor Mecklenburg-Vorpommern mit über2.500 Beschäftigten. Das sind die Maßstäbe, an denen wiruns messen wollen, die wir aber auch vor uns hertragen undwir wollen sagen, das sind unsere Eckwerte, an denen wirweiter festhalten werden, weil sie die Basis für einen so-liden Haushalt sind, an dem wir auch künftig dort, wo wirVerantwortung tragen, mitzeichnen werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, umso wichtiger ist dieser Ver-gleich auch deshalb, weil wir in Thüringen, ich will esnoch einmal wirklich sagen, weil auch das immer inVergessenheit gerät, 913 Hortnerinnen im Landesdienstbeschäftigen, 913 Hortnerinnen, die nicht auf die kom-munale Ebene abgeschoben wurden, sondern wir dieVerantwortung übernommen haben für das Personal, undwir wollen an der Verantwortung auch festhalten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn Sie schon immer Vor-würfe bringen, wir seien nicht diejenigen, die genug Struk-turreform machen, dann frage ich mich: Wo waren Siedenn dort, wo wir Strukturreformen eingeleitet haben? Ichwill Ihnen die Beispiele nennen, die wir in dieser Legis-laturperiode auf den Weg gebracht haben. Das betrifft dieKommunalisierung der Veterinärämter, das betrifft dieKommunalisierung der Sozialhilfe, die Reform der Katas-terverwaltung, die Anpassung der Lehrer-Schüler-Relation,überall waren Sie dagegen,

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Da gibt eseine Zweidrittelmehrheit.)

aber Sie haben nicht einmal gesagt, wo Sie es andersmachen würden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, am Bespiel der Lehrer-Schüler-Relation lässt sich das vortrefflich festmachen.Die beste Lehrer-Schüler-Relation in der Bundesrepu-blik Deutschland kostet uns an dem Mehr des besserenSein, nicht an dem, was wir tatsächlich ausgeben müssen,116 Mio. ��.%����"���2����������&�� �������������� besser-sein-Verhältnisses würde eigentlich einen Stellenabbaupfadvon 2.900 Stellen vorschreiben. Aber tatsächlich, das zeigt

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der Blick in den Nachtragshaushalt und hat ja auch UweHöhn bestätigt, wollen wir nur 1.099 Stellen in diesemBereich zusätzlich abbauen. Das heißt, wir übernehmen dieVerantwortung für weitere 1.800 Stellen, die im Landes-dienst verbleiben sollen, obwohl wir wissen, dass wir einenuneinholbaren Spitzenwert in den Lehrer-Schüler-Relatio-nen in Deutschland erreichen werden. Glauben Sie mir, wirmüssen die Zahlen nennen und auch daran arbeiten, weil esin den Bereichen, dort wo die Finanzminister zusammen-sitzen, dort wo es um Förderungen, um Aufbau Ost geht,wo es auch darum geht, dass wir zusätzliches Geld brau-chen, um unsere Aufholprozesse fortsetzen zu können, na-türlich die Länder, die uns Geld geben im Rahmen desLänderfinanzausgleichs, solche Eckwerte vornehmen, ver-gleichen und sagen, wenn ihr euch dort jedes Jahr mehrleisten könnt, warum wollt ihr dann von uns mehr Geld? Ihrleistet euch das auf unsere Kosten. Deshalb müssen wirsolide Zahlen vorlegen. Das tun wir, deshalb fordern wirauch, und das ist der zweite Punkt, jeweils mit eigenenguten Zahlen voranzugehen, aber dann fordern wir auch,unterstützt uns weiter. Unterstützt den Aufholprozess Ostund helft uns dabei, dass wir in Ost und West angegli-chene Lebensverhältnisse kriegen und dafür wollen wirkämpfen und dazu fordern wir Sie auch auf.

(Beifall bei der CDU)

Wie schwierig das wird - das ist nur ein Zufall -, zeigte auchheute früh das Frühstücksfernsehen, als der Bundesbau-minister Manfred Stolpe eingeladen wurde von demdortigen Bauminister Michael Vesper nächste Woche indas Ruhrgebiet zu fahren. Und er soll nach Gelsenkirchenkommen, weil die dortige Landesregierung, die rotgrüneVerantwortung trägt, sagt, du kannst nicht nur noch AufbauOst machen, auch unsere Städte verfallen und wir brauchenGelder für unsere Stadtsanierung. Das macht es schwierig,wenn ein großes Bundesland wie NRW sagt - der Mi-nisterpräsident hat es ja in der letzten Woche groß ange-kündigt -, wir stellen die Förderung Ost grundsätzlich inFrage und wollen sie neu justieren, weil auch wir Geldwollen. Dann bedarf es für diesen Kampf, dass wir zu-sätzliche Mittel bekommen und unseren AufholprozessOst fortsetzen können, solider Zahlen und einer ordent-lichen Struktur und daran wollen wir unseren Beitragleisten. Wir wollen auch zeigen, deshalb habe ich dasgenannt, wo wir schon unsere Aufgabe erfüllt haben, meineDamen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Dann will ich etwas zum Sicherheitspaket sagen und ichwill es ganz deutlich an die Adresse vom Innenausschuss-mitglied Pohl sagen: Wir lassen uns die innere Sicher-heit in Thüringen nicht kaputtreden, Herr Pohl.

(Beifall bei der CDU)

Wir lassen uns die innere Sicherheit nicht kaputtredenund sie ist auch nicht in Gefahr. Eine Umfrage in der

"Wirtschaftswoche" zum Index, wie die Länder insgesamtstehen, im Sommer hat gezeigt, dass gerade im Bereich derinneren Sicherheit Thüringen an zweiter Stelle steht, nichtnur im Gefühl der Leute, sondern auch tatsächlich in derAufklärungsquote. Ich weiß ja, worauf Sie hinauslaufen.Sie meinen ja, dass wir im Rahmen des Sicherheitspaketsnoch nicht alle Stellen besetzt haben - dazu sage ich gleichnoch etwas - und Sie meinen, dass wir Leerstellen, dieausgebracht sind im Haushalt, jetzt mit kw-Vermerk belegthaben und dort Leerstellen insgesamt im Haushalt, aberauch im Bereich der Polizei abbauen wollen, an die realeBesetzung anpassen wollen. Ich will eines sagen, diese293 Stellen sind nicht erst seit gestern unbesetzt, sie warenauch schon unbesetzt unter Innenminister Dewes. Dort hatniemand von der Gefahr der inneren Sicherheit geredet,weil Dewes die Stellen nicht besetzt hat.

(Beifall bei der CDU)

Also immer auch schauen, was hat man gemacht, als manselbst Verantwortung hatte. Wir wollen die innere Sicher-heit überhaupt nicht kleinreden und vernachlässigen inThüringen. Wir halten mit einer Polizeidichte, wenn diekw-Stellen umgesetzt sind, auch tatsächlich realisiert sind,von 301 zu 355 einen Spitzenwert in Deutschland. Wir sindbesser als Bayern, das schlechthin als das sicherste Bun-desland gilt, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das müssenaber alle Länder machen.)

Ich will eines sagen zum Sicherheitspaket: Wir haben144 zusätzliche Stellen ausgebracht mit dem ersten Nach-tragshaushalt damals, als es wichtig war, dass auch wirunser Zeichen setzen und Nachholbedarf ausgleichen. Wirwerden all diese 144 Stellen besetzen, 29 sind noch nichtbesetzt, weil im Bereich vor allen Dingen der Finanzer-mittler natürlich auch Fachleute fehlen, die sind nicht aufdem Jahrmarkt einfach so zu finden. Wir halten daran fest,all diese 144 ausgebrachten Stellen werden besetzt und dasPaket der inneren Sicherheit wird zu 100 Prozent umge-setzt, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der CDU)

jederzeit, sobald geeignetes Fachpersonal sich für dieseStellen beworben und den Zuschlag dafür bekommen hat.Die Finanzministerin hat zugesichert, ihrem KollegenInnenminister jede dieser Stellen freizugeben, soweit dafürBedarf besteht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, auch der ideologische Streitüber Beamtenversorgung führt nicht weiter. Jetzt schlagenja im Gleichklang sowohl der Fraktionsvorsitzende derPDS und auch Herr Höhn von der SPD vor, die großeReform des Berufsbeamtentums anzugehen und sagen,damit sei die Frage der Pensionslasten gelöst. Doch was an

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ersten Vorschlägen dazu zu vernehmen ist, vermittelt viel-mehr den Eindruck, dass sie offensichtlich nicht genauerkennen, welchen Qualitätsunterschied wir mit dem Be-amtentum in Thüringen vor uns haben. Sie behaupten, mankönne die Frage der Arbeitszeit mit Angestellten besserlösen als mit Beamten. Wir meinen aber, und das wissenSie ja aus eigener Erfahrung mit Sicherheit auch viel besserselbst, dass die Arbeitszeit der Beamten durch Gesetz ge-regelt werden kann, während die Arbeitszeit der Ange-stellten aber nur durch Tarifverhandlungen zu lösen ist.Und wir meinen, das, was wir gestalten können, und ichwill es auch ausdrücklich sagen, was die Frage der Be-amtenversorgung betrifft, wir wollen es nur im Gleich-klang mit den anderen jungen Ländern tun. Das, was wirim Gleichklang mit allen, die Verantwortung haben, tunkönnen, wollen wir tun. Aber wir müssen noch viel mehrtun, und das ist ein großer Qualitätsunterschied, wir er-reichen halt mit solchen Strukturmaßnahmen nicht alleLandesbediensteten. Wenn wir in der Zukunft uns von Be-lastungen, die uns durch den öffentlichen Dienst entstehen,Vorsorge treffen und auch Gestaltungsspielräume schaf-fen wollen, bedürfen wir der Flexibilisierung für alle Be-schäftigten des öffentlichen Dienstes. Das ist die Aufgabe,die wir auch mittragen wollen hier im Parlament, aber diedie Ministerpräsidenten auch der jungen Länder zunächstunter sich selber regeln sollen.

Meine Damen und Herren, zur Frage der Pensionslasten:Die Antwort auf eine Kleine Anfrage hat Erschreckendesverkünden lassen. Aber ich will auch eines sagen, solange wir Schulden aufnehmen müssen, um Ausgaben zubestreiten, und so lange wir Schulden aufnehmen müssen,um den Pensionsfonds zu füllen, der nur mit 2 Prozent ver-zinst wird, ist es finanzpolitischer Unsinn, diesen Pensions-fonds jetzt zu füllen und dafür Schulden aufzunehmenund langfristig Zinsen zu zahlen. Es bleibt auch eine Ver-antwortung für die Zukunft und für die jungen Menschenund auch für die, die später Politik gestalten wollen, dannden Pensionsfonds zu füllen, wenn wir frei sind von an-deren Aufgaben und frei sind von weiteren Nettoneuver-schuldungen, dann wollen wir dieser Aufgabe nachkom-men, aber so lange wir Kredite aufnehmen müssen für 6Prozent und so lange wir Pensionsfondszinsen erwirt-schaften von 2 Prozent, werden wir den Pensionsfondsnicht über das gesetzlich geregelte Maß auffüllen, meineDamen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Und ich will noch mit einer Mär aufräumen, weil die imVorfeld eine Rolle gespielt hat und immer den Eindrucksuggeriert, in Thüringen läuft eine Menge falsch. UweHöhn hat behauptet, 60 Prozent der Stellen in der Landes-verwaltung seien mit Beamten besetzt. Tatsächlich aber istdas nicht ganz richtig. Von allen Stellen - ich habe gesagt,wir wollen bis 2004 bei 56.000 Stellen sein - haben wirim Haushalt - hören Sie zu, Herr Gentzel, es ist wichtig fürdie nächste Fraktionsklausur - tatsächlich von 31.000 Be-amtenstellen, die im Haushalt ausgebracht sind, aber nur

24.000 Planstellen tatsächlich mit Beamten besetzt. Dasist eine Quote von rund 30 Prozent aller Personalstellen,die beamtet sind und das ist ein gravierender Unterschiedin der Bewertung des Landeshaushalts, meine Damen undHerren.

Ich will Ihnen etwas sagen

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das müssenaber die Länder machen.)

- ich weiß, dass Sie sich aufregen, es tut ja weh, wenn mandie Wahrheit hört - zur Behördenstrukturreform: DieCDU-Fraktion hat mit dem Doppelhaushalt 2003/2004im Dezember letzten Jahres ein 15-Punkte-Programm alsEntschließungsantrag auf den Weg gebracht. Wir habendort beschlossen, dass wir drei Säulen der Landesverwal-tung für weitere Strukturmaßnahmen angehen müssen. Dasbetrifft den Bereich der schon genannten Personalstellen,aber es betrifft auch die Struktur der Landesverwaltungselbst und es betrifft die Struktur der Landesgesellschaften.Nichtsdestotrotz hat darüber hinaus und auch schon davordie Landesregierung mit 27 Einzelmaßnahmen die Behör-denstrukturreform begonnen und zwischenzeitlich größten-teils umgesetzt. Zum 15-Punkte-Programm wird es dem-nächst auch hier im Landtag einen Zwischenbericht derLandesregierung geben, wo wir uns tatsächlich unterhaltenkönnen, was ist schon geleistet worden und welche Auf-gaben stehen noch vor uns im Bereich der Behördenstruk-turreform. Wir wollen uns der Aufgabe nicht verwehren,weil es wichtig ist, dass wir, auch um Zukunft gestalten zukönnen, in diesem Bereich weiterarbeiten.

Meine Damen und Herren, ich will etwas zum Kommu-nalen Finanzausgleich sagen: Die Ministerin hat die Zahlgenannt, wir bleiben bei 1,86 Mrd. ��!��������8����(�ausgleichsmasse. Ich will eines sagen, weil es auch beiuns diskutiert wurde, die Mittelbewirtschaftungssperrevon 15 Prozent innerhalb der Titel vom KFA gibt es nichtund es gibt innrhalb des KFA auch keine Globale Minder-ausgabe. Alle Titel, die im KFA ausgebracht sind, esbetrifft die Zuweisungen in einzelne Institutionen undEinrichtungen und in einzelne politische Handlungsfelder,sollen innerhalb der Ansätze, so wie sie ausgebracht sind,auch veranschlagt und ausgegeben werden. Der Ruf warwichtig, weil die Kollegen, die mich gestern angesprochenhaben in diesem Bereich, dass diese Botschaft noch malrüberkommen wird, es gibt keine 15-prozentige Haushalts-sperre innerhalb des Kommunalen Finanzausgleichs. Dieeinzige Verschiebung - und das ist der Unterschied zurBewertung mit der SPD, die wir gut finden - ist die, dasswir Schlüsselzuweisungen an die kommunale Ebene von37 Mio. ���������������"��aus dem Kommunalen Finanzaus-gleich herausfallen würden, weil das unser Ausgleichsge-setz so vorschreibt, bei den Kommunen belassen wollen,weil wir wissen, wie schwierig die kommunale Ebene ihreHaushalte noch gestalten und überhaupt austarieren kann.Deshalb ist es eben kein Humbug und Firlefanz, sondern esist wichtige strukturpolitische Entscheidung, dass wir sagen,

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wir wollen die 37 Mio. �� ���� (�%�(��"��� +�����������pau-schale/Schlüsselzuweisung den Kommunen zur Vefügungstellen, damit die auch noch handlungsfähig sind und auchder heimischen Bauwirtschaft Aufträge verschaffen kön-nen, damit Arbeitsplätze erhalten werden und damit Zu-kunft auch auf örtlicher Ebene in Thüringen gestaltetwerden kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist das, was wir tunkönnen, auf kommunaler Seite wichtig und wir habenunseren Beitrag auch in dieser Legislaturperiode insgesamtgeleistet. Wir haben für die Jahre 2002, 2003 und 2004insgesamt 123 Mio. ��9���������8����(ausgleich nichtabgesenkt. Sie werden sich erinnern, wir haben verschie-dene Haushaltsdebatten geführt und immer war die Frage:Beteiligen wir die kommunale Ebene an den Steueraus-fällen des Landes? Wir haben dreimal über drei Haushalts-jahre hinweg gesagt, nein, wir machen dafür zusätzlicheSchulden und halten den Kommunalen Finanzausgleichhoch und an seiner Gesamtheit fest. Das hat das Landaber 123 Mio. ����!������

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das istaber gut angelegtes Geld.)

Das sind 123 Mio. ��(�%�(��"����"�������� ���������� gutangelegtes Geld. Das ist gut angelegtes Geld, weil esZukunft auch auf unterer Ebene sichert, meine Damen undHerren.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb hilft uns die pauschale Förderung, die die PDSgebracht hat, nicht weiter. Ein kommunales Investitions-programm war jahrelang die Forderung an die Landes-regierung. Jetzt hat man erkannt, wir können es gar nichtschultern. Heute war der neue Vorschlag, die Bundes-regierung möge diese Aufgabe jetzt schultern und über-nehmen, aber auch die haben es ja nicht leichter. Natürlichnützt ein kommunales Investitionsprogramm nur dann et-was, wenn die kommunale Ebene auch in der Lage ist,mit Eigenmitteln die Kofinanzierung zu übernehmen. Wirwollen jedenfalls aus unserer Sicht und aus unseremAufgabenbereich mit den zusätzlichen 37 Mio. �� �����Aufgabe erfüllen, dass Kofinanzierung, dort wo nochSpielräume sind, auch möglich ist. Alles andere müssen dietun, die Verantwortung in Berlin tragen. Wir wollen denRuf nicht ungehört lassen, das ist Hilfebedarf und esbedarf Hilfe. Deshalb ist es wichtig, in der Gemeindefi-nanzreform endlich aus dem Pott und zu einem Ergebnis zukommen. Zeit ist verschenkt worden. Es war gesagt wor-den, zum 01.01.2004 gibt es eine Gemeindefinanzreform.Wer jetzt noch daran glaubt, dass das eine umfangreicheReform wird, die den Kommunen helfen wird, der ist wahr-scheinlich mit dem Klammersack gepudert. Aber, und dasist das Entscheidende, man kann ja hin- und herreden, werVerantwortung trägt, dafür dass nichts entschieden ist zur

Gemeindefinanzreform, steht eines fest: Den Kommunen inDeutschland ist nicht geholfen, ihre Lage hat sich nicht ver-bessert, sondern eher wegen fehlender Erwartungshaltungund auch Hoffnung verschlechtert, meine Damen und Her-ren. Das bleibt festzustellen.

Deshalb plädieren wir als Union für ein Sofortprogramm inder Gemeindefinanzreform. Deshalb sagen wir, dass dieReduzierung der Gewerbesteuerumlage auf das Niveau vorder von Rotgrün beschlossenen Steuerreform und eineeinmalige Erhöhung des Anteils der Kommunen am Um-satzsteueraufkommen im Jahr 2004 von zurzeit 2,2 Pro-zent auf 3 Prozent aufgestockt wird. Damit stehen nachunserer Ansicht den Kommunen auch mit der Entlastungaus der Flutopferhilfe von 2,8 Mrd. �� � �� ��� �%"�����Jahr 3,4 Mrd. ��(��$��fügung. Das muss gemacht werden.Wir meinen, das Sofortprogramm kann auch schnell ge-macht werden und es ist notwendig. Wir hoffen, dass die,die Verantwortung tragen in Berlin und das Programm be-schließen können, ihren Beitrag dazu leisten können. Ichwill sagen und ich kann das auch gut mitgeben, die Unionwill an dieser Seite gern mitarbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, aber es bleibt nicht unver-gessen und ich will nicht viel sagen, was die Verant-wortung der Bundesregierung betrifft, weil der Finanz-minister Eichel in dieser Woche einen Satz gesagt hat,der das beschreibt, was rotgrüne Finanzpolitik ausmacht.Er hat gesagt, der Etat für 2004 sei der Haushalt mit dengrößten Risiken seit seinem Amtsantritt im Frühjahr 1999.Jetzt höre man diese Worte. Jetzt sagt er für 2004, es seider schwierigste Haushalt mit den größten Risiken. Wersich aber die Haushalte von Eichel ansieht aus den ab-geschlossenen Haushaltsjahren, der wird sehen, wenn2004 ein Risiko jetzt schon ist aus seiner Sicht und wirerst den Abschluss des Haushaltsjahres abwarten werden,werden wir sehen, dass der Haushalt 2004 der Bundes-regierung ein Fiasko sein wird, ein Fiasko für Deutsch-land, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Das ist schlecht für das Land, das ist schlecht für die Zu-kunft, weil es nicht voranbringt. Wer in der letzten Wocheverfolgt hat, als eine Umfrage veröffentlicht wurde, dass43 Prozent aller Haushalte in Deutschland nur nochweniger als 100 ������%"���"��(���5��������(��$���sorge zur Verfügung haben, das zeigt, welche dramatischeAbgabenbelastung schon eingetreten ist. Wir haben eineAbgabenbelastungsquote von über 52 Prozent durchgehendseit Amtsantritt von Rotgrün. Es wird nicht besser. Wennjetzt schon die Hälfte aller Haushalte in Deutschland we-niger als 100 ����"��(��$������������������( machen,was der Staat von ihnen verlangt, nämlich Eigenvorsorgezu treffen für ihre eigene Zukunft, sie aber gar nicht mehrin der Lage sind, dann ist etwas falsch gelaufen. Die Ver-antwortung muss benannt werden. Die kann nicht hier in

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Erfurt allein gelöst werden, die bedarf der Gesamtver-antwortung in Deutschland. Wir haben den Eindruck alsUnion, das will ich deutlich sagen, dass die, die Ver-antwortung in Berlin haben, dieser Verantwortung nichtgerecht werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb reicht es nicht aus, Hartz I, II, III, IV, V zu ma-chen, man kann es ja gar nicht mehr aufzählen, derMann verweigert ja auch mittlerweile seinen Namen fürdie Programme. Ich will ein Beispiel nennen, dann will ichauch aufhören, aber es zeigt das, was Rotgrün macht. Wäh-rend wir in ganz Deutschland darüber reden, Staat abzu-bauen, Staat zu vereinfachen, zu verschlanken, Bürokratie-abbau zu machen, weniger Personal zu haben, machtRotgrün eines, aus der Bundesanstalt für Arbeit, die jetztschon 87.000 Mitarbeiter hat, eine Monstrumbehörde undsteigert noch einmal 11.800 zusätzliche Mitarbeiter, um daszu machen, was Hartz I bis V vorsieht. Wir meinen, dassStellen für Bürokraten der falsche Weg sind, den Wirt-schaftsaufschwung in Deutschland voranzubringen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb gehört es kritisiert. Ich will es im Haushalt sagen,hier im Land haben wir Vorsorge dafür getroffen, dass dasWirtschaftswachstum nicht so kommen wird, wie derBundesfinanzminister Eichel mit 2 Prozent Wachstumim nächsten Jahr vorsieht. Wir haben das Wachstum mit1 Prozent veranschlagt, sind dieses Jahr mit noch vielweniger hineingegangen und wir hoffen damit keineSchreckgespenster durch Steuerschätzung erleben zu müs-sen. Wir hoffen damit solide das berücksichtigt zuhaben, was an Gefahren im laufenden Haushaltsvollzugnächstes Jahr auf uns wartet. Die CDU-Fraktion will ihrenBeitrag dazu leisten. Wir wollen darüber hinaus, das habeich angekündigt, mit einem Entschließungsantrag bei derFrage von Förderhöchstsätzen gestalten. Wir wollen auch,da bin ich der Landesregierung dankbar und ich will es ander Stelle ankündigen, dort nachjustieren, wo wir ge-merkt haben, im laufenden Haushaltsjahr gibt es Problemefür die kommunale Ebene. Ich will den Bereich der Schul-finanzierung, das Schulfinanzierungsgesetz, nennen. Wirwerden dort noch einmal, ich will es ankündigen, eineErgänzungsvorlage vorlegen, weil wir gemerkt haben, dassdie betroffene örtliche Ebene überproportional Nachteileerleidet. Wir wollen die Nachteile wieder ausbessern, des-halb noch einmal nachsteuern. Das machen wir gemeinsammit dem Haushalt und wir wollen auch im Rahmen desHaushalts - deswegen sage ich das - das, was örtlicheEbene betrifft auch bei der Frage im Rahmen des Finanz-ausgleichs, der Deckelung der Kreisumlage, noch einmalHand anlegen.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen eines erreichen, dass natürlich die einzigeEbene des Staates, die immer wieder durch Kreisumlage in

der Lage ist, ihren ungedeckten Finanzbedarf ungehemmtzu deckeln und auszugleichen - die unterste Ebene, dieStädte und Gemeinden, die Dörfer in Thüringen nicht soderart belastet werden und deshalb mit einer Deckung derKreisumlage dafür sorgen, dass alle ihren Beitrag leisten anden Einnahmeverlusten in diesem Jahr, meine Damen undHerren.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb bleibt hier festzuhalten am Ende meines State-ments für die Fraktion, Thüringen ist keine Insel derGlückseligkeit, dennoch stimmen uns Rankings und Prog-nosen auch der "Wirtschaftswoche", wo Thüringen aufPlatz 9 gehandelt wird vor allen neuen Bundesländern undvor allen Stadtstaaten, optimistisch, dass wir den richtigenWeg eingeschlagen haben. Wir sind noch lange nicht amEnde, weil Aufholprozesse noch länger dauern werden alswir uns alle ursprünglich vorgestellt haben. Wir wollenunseren Beitrag leisten und, ich denke, die Eckwerte desHaushalts zeigen, dass positive Zeichen gesetzt werdenund dass der Nachtragshaushalt die Antworten gibt, die derBürger und auch der Wähler von uns verlangt. Ich denke,abgerechnet wird für uns im Juni nächsten Jahres. VielenDank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Von den Abgeordneten gibt es keine weiteren Rede-wünsche mehr. Die Finanzministerin noch einmal.

Diezel, Finanzministerin:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,nur wenige Bemerkungen zu dem, was hier gesagt wurde.Ich möchte vieles mit Ihnen intensiver im Haushalts-ausschuss diskutieren. Zur Transparenz: Herr Huster, wirhaben in den vergangenen Jahren in vielen BehördenModellversuche der höheren Flexibilität der Deckungs-fähigkeit in den Haushalten gefahren. Das hohe Haus hatder Verwaltung die Möglichkeit gegeben, eben bei solchenengen Haushaltsetatansätzen über die Deckungsfähigkeit inden Hauptgruppen, in den Titelgruppen flexibler zu ge-stalten. Das nutzen die Ressorts und müssen es nutzen. Wirnutzen es als Finanzministerium ebenfalls. Wir machenkeine 9.000 Einzeltitelabrechnungen vierteljährlich, son-dern wir machen es wie in einem modernen Unternehmen,quartalsmäßig Finanzstatus. Darüber wurden Sie imersten Halbjahr informiert. Dem hohen Haus steht dann dieJahresabschlussrechnung zur Verfügung und die Bemer-kungen des Landesrechnungshofs. Für den Vollzug istdie Administration verantwortlich. Bei dieser Deckungs-fähigkeit, man merkt bei diesem Problem, die Sie mit derVeranschlagung von einzelnen Titeln haben bei Investi-tionen oder Neuanschaffungen und Leasingraten, dass esfür Sie manchmal schwer nachvollziehbar ist, wie dieSystematik ist. Manchmal ist die Kameralistik kompliziert

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und in solchen Fällen ist es besser eine Kombination, auchbei der Kontrolle von Doppik und Kameralistik, und ichglaube, hier können wir uns einiges von den führendenWirtschaftsunternehmen und deren Gepflogenheiten ab-sehen und übernehmen, indem wir quartalsweise berichtenund über den gesamten Finanzstatus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Zusatzversor-gung: Herr Höhn meint, wir hätten im Jahr 2004 diesezusätzlichen 31 Mio. �������������:����������� �� sie nichtvergessen. Sie wissen, es gibt ein Gutachten des Prof.Seitz für alle neuen Länder. Er hat in diesem Gutachtenausgeführt, dass vor allen Dingen in diesem Jahr noch-mals diese 34 Mio. ���"������������������������������tus im Haushalt zu veranschlagen sind, weil wir un-heimliche Sonderzahlungen durch gewonnene Gerichts-prozesse etc haben. Ich hoffe, dass Prof. Seitz Recht hatmit dieser Annahme. Meine Kollegen Finanzministerinnenund Finanzminister der neuen Länder machen dieseVeranschlagung ähnlich und deswegen haben wir in2004 nicht noch mal diese 34 Mio. ��(sätzlich hinein-genommen.

Zu den Flutopfern - das ist ja am lustigsten: Sie werfenuns vor, was der Bundesfinanzminister uns vorgibt. Ichkann Ihnen das Schreiben zur Verfügung stellen, wo derBundesfinanzminister uns vorgibt, wie wir die Flutopferzu veranschlagen haben, ein Drittel in den Sächlichen,zwei Drittel in den Investitionen. Das haben wir getanim Haushalt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den Stellen,weil hier von Herrn Huster vor allen Dingen gesagt wurdeoder von Herrn Höhn, wir würden bei den kleinenPolizisten, bei denen im mittleren Dienst, sparen. Nein, wirhaben mit diesem Haushaltsansatz eine zusätzliche Stellen-hebung, um den Stellenkegel anzuheben, 105 Möglich-keiten dem Innenminister eingeräumt, gerade im Bereichdes mittleren Dienstes in Richtung gehobenen Dienst.

(Beifall bei der CDU)

Einnahmen: Ich bin gespannt, Herr Huster, was dann vonIhnen noch für Vorschläge kommen zur Einnahmener-höhung. Bisher habe ich nichts Konstruktives gehört.

Zur Denkmalpflege: Wissen Sie, Herr Huster und HerrHöhn, wichtig wäre gewesen vor allen Dingen, dass derBund sein Programm "Dach und Fach" fortgesetzt hätteund "Kultur in den neuen Ländern". Nein, das wurdeersatzlos gestrichen. Wir haben die Denkmalpflege imBereich der Städtebauförderung mit 32 Mio. �� ������schrieben und bei der Denkmalpflege muss man natürlichdrei Teile bedenken, die Denkmalpflege im Bereich desInnenministers in der Städtebauförderung, die Denkmal-pflege im Bereich der Wissenschaftsministerin und dieDenkmalpflege im Bereich des Landwirtschaftsministersim ländlichen Raum. Leider konnten wir im Bereich derWissenschaftsministerin diese nicht so fortschreiben, wie

wir uns das gewünscht hätten, eben weil wir reduzierenmussten. Und das Einbeziehen von EFRE- und GA-Mitteln, wissen Sie, meine Kollegen Finanzminister undFinanzstaatssekretäre machen in jeder Runde schon soeinen Wettbewerb, wer schafft es am meisten, diese Mittelzu nutzen, um die Landesmittel zu entlasten. Finanzmittelfür den Freistaat sind wichtig, egal wo sie herkommen, umLandesmittel zu entlasten. Mecklenburg-Vorpommern istda relativ weit. Ich empfehle Verleiche.

Im Kultusbereich zu den Stellen noch eine Bemerkung:Wir haben einen Haushaltsvermerk ausgebracht, indemwir den Einstellungskorridor unterstellen und untersetzenund indem wir hauptsächlich auch in den Mangelfächernund insbesondere in diesen Mangelfächern den Einstel-lungskorridor bereits zum Schuljahresbeginn aufmachenund sicherstellen, dass damit gerade in den Mangel-fächern Einstellungen möglich sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Gentzel,ich wollte eigentlich Ihre Wortwahl und Ihr Vokabularnicht aufnehmen: "Kosmetik an der Leiche". Wissen Sie,ich frage mich, wie bezeichnen Sie in der Steigerungs-form denn den Haushalt des Herrn Bundesfinanz-ministers Eichel? Nein, ich würde sagen, "Mumifizierung"wäre vielleicht die Steigerungsform oder "Ötzi 2".

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das stehtIhnen doch frei!)

Deswegen habe ich es gesagt, normalerweise ist es nichtmein Stil, in solchem Vokabular hier zu sprechen, und es istauch der Lage nicht angemessen, aber weil es von IhremKollegen noch mal wiederholt wurde, wenn Sie diesenHaushalt so bezeichnen. Ich wünsche mir konstruktiveBeratung der Verantwortlichen zum Nachtragsetat. VielenDank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt noch eine Wortmeldung des MinisterpräsidentenAlthaus.

Althaus, Ministerpräsident:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,nach einer aufschlussreichen Debatte habe ich aus zweiGründen noch einmal um das Wort gebeten, weil dieSprecher von SPD- und PDS-Fraktion hier ein Bild vonGesellschaft und auch von dem, was gestaltet wurde, ge-zeichnet haben, das ich so nicht gerne stehen lassenmöchte. Die PDS-Fraktion hat, so meine Rezeption derheutigen Rede, zwar kritisiert, dass und wie gekürzt wird,aber hat all das, was möglicherweise sie an Vorstellungenzur Realisierung eines Nachtragshaushalts einzubringen

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hat, auf die Zukunft vertagt und mit dem legendären Satz:"Lassen Sie uns schauen, wo die größten Ressourcenliegen" diese Rede beendet. Wenn Sie wirklich gestaltenwollen, dann müssen Sie auch Vorschläge unterbreiten undSie hätten lange genug Zeit gehabt diese Vorschläge zuerarbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Aber mein Punkt ist ein anderer. Sie haben an einerStelle sehr umfassend dargestellt, wie Sie sich unsereGesellschaft vorstellen im Blick auf die Einnahmesituation.Da sage ich Ihnen ganz klar, da trennen uns Welten.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie wirklich glauben, indem man Vermögenssteuer,Erbschaftssteuer, Börsenertragssteuer und Gewerbesteuererhöht, in einer freien Republik mitten in Europa Zukunftzu gewinnen, dann sage ich Ihnen, die erste Investition, dieSie vornehmen müssen, ist die Investition in eine Mauerund das will keiner mehr in Deutschland und in Europa.

(Beifall bei der CDU)

Eventuell bewerben Sie sich einmal als Finanzministerauf Kuba, da können solche Rezepte noch ein paar Jahremöglicherweise erfolgreich umgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich kenne keinen ernst zu nehmenden Volkswirt undinzwischen auch kein ernst zu nehmendes SPD-Mit-glied, das eine solch abstruse Vorstellung den Menschenvermitteln kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der PDS, indiesem Land brauchen wir Menschen, die etwas unter-nehmen, die ihr Wissen, ihr Können, auch ihr Geld ein-setzen, um in diesem freien Land Arbeit zu schaffen. WennSie diese aus dem Land treiben wollen, dann mögen Siedas tun. Wir werden die Menschen hier halten, weil wirdie Intelligenz, die Leistungskraft, den Reichtum im Landbrauchen.

(Beifall bei der CDU)

Wissen Sie, was die größte Ungerechtigkeit ist? Die Ar-beitslosigkeit. Und wissen Sie, wie Sie Arbeitslosigkeitbekämpfen? Indem Sie Arbeit schaffen. Und wissen Sie,wie Sie Arbeit schaffen? Indem Sie Wachstum haben. UndWachstum entsteht, indem Sie Unternehmer haben, diedafür sorgen, dass Wachstum auch umgesetzt wird durchneue Technologien in neue Produkte und Dienstleistungen.

(Beifall bei der CDU)

Wer die Theorie der Verteilung von Arbeit in einem Landmit Wohlstand und sozialer Sicherheit ernsthaft in die

Zukunft verlängern will, ruiniert Wohlstand und sozialeSicherheit, das wissen Sie ganz genau.

(Beifall bei der CDU)

Ich sollte letzte Woche schon einmal belehrt werden voneinem Politiker der Grünen, der nichts dazugelernt hat.Auch Sie werden mich nicht belehren, weil die Lehren dervergangenen Diktaturen, die wir hinter uns gebracht haben,immer waren: Wenn man Menschen ihre Kreativität, ihreFlexibilität nimmt und damit auch den Ertrag übermäßignimmt, dann scheitert Gesellschaft, weil das Ideologie ist.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich ein Zweites ansprechen, auf die SPD-Fraktion bezogen: Ich hätte mir gewünscht, dass die SPD-Fraktion den Nachtragshaushalt in den Mittelpunkt derDiskussion rückt. Auch da wurde kritisiert, was vor-gelegt wurde, aber Alternativen waren nicht zu hören. Ander Stelle fehlt Ihnen ein ganzes Stück Glaubwürdigkeit.Denn ich höre ständig, dass der Bundeskanzler sehr zuRecht die Opposition in Berlin, in dem Fall die Union,auffordert, doch rechtzeitig Konzepte auf den Tisch zulegen. Sie scheinen diese Aufforderung nicht ernst zunehmen, denn das, was Sie hier eingebracht haben, warin weiten Teilen Kritik am Vorgelegten und das Ab-lenken auf die bundespolitische Bühne. Und, sehr geehrterHerr Höhn, ich habe auch deshalb das Wort ergriffen,weil seit einigen Monaten mein Eindruck ist, Sie strickenalle miteinander an einer Legende, die nach meiner Auffas-sung jeglicher Wahrhaftigkeit entbehrt.

Sie haben hier mit viel Pathos davon gesprochen, dassDeutschland seit Jahrzehnten Strukturprobleme hat, dienicht gelöst sind. Ich will Ihnen nur eine Zahl sagen:Von 1975 bis 1989 hat, nachdem die Union mit der FDPdie Regierung in der Bundesrepublik Deutschland über-nommen hat, klare Politik dazu geführt, dass die Neu-verschuldung von 2,9 Prozent auf 0,9 Prozent des Brutto-inlandprodukts gesunken ist. Diese Leistungskraft Deutsch-lands, die sich im Jahr 1989 dargestellt hat, war die Voraus-setzung dafür, dass wir die Wiedervereinigung unseresVaterlandes finanzieren können.

(Beifall bei der CDU)

Es mag sein, dass auf dem Weg auch Fehler gemachtworden sind und sicher auch Reformen nicht in derDynamik angelegt wurden, wie sie hätten angelegt werdenmüssen. Aber wenn sie redlich sind, dann wissen Sie,dass wir inzwischen sechs Jahre eine gültige Steuerre-form hätten, die Lafontaine und Schröder samt weitererGenossen blockiert haben. Sie hätten sagen müssen, dasswir eine Rentenreform hatten, die genau den Einstieg indas Problem, das Sie dargestellt haben, vorgenommenhatte, nämlich einen demografischen Faktor definiert hat,und Sie hätten sagen müssen, dass wir eine Gesund-heitsreform auf dem Weg hatten, nach dem ersten und

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zweiten NOG, das die Eigenverantwortung des Einzelnenstärkte und die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb des Ge-sundheitssystems gesichert hätte und nicht die Lasten ein-seitig auf die Patienten verschoben hat.

(Beifall bei der CDU)

Sie hätten sagen müssen, dass Sie mit einer umfassendenWahllüge im Jahr 1998 in die Mehrheit in Deutschlandgetreten sind und all diese Dinge vom Tisch gewischthaben. Sie hätten dann nur sagen müssen, das hat derBundeskanzler vorgestern ebenfalls in Berlin gesagt, denner hat es als Fehler zum ersten Mal zugegeben.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben Jahre versäumt in diesem Land, kostbare Jahre,in denen sich Deutschland international hätte anders auf-stellen müssen und Sie wissen gut genug, dass Sie ent-scheidend negativ dazu beigetragen haben, dass wir diesekostbaren Jahre für Wachstum in Deutschland und für dasZusammenwachsen in Deutschland versäumt haben.

(Beifall bei der CDU)

Sie hätten vielleicht auch sagen können, dass Sie in diesenersten Jahren nach 1998 dann sogar die Spirale in eineandere Richtung gedreht haben, Betriebsverfassungsgesetz.Fahren Sie mal zu Sponeta und fragen Sie mal, warumdieses Unternehmen - Europamarktführer bei Tischtennis-platten - keine Beschäftigung mehr über 200 schafft. Fah-ren Sie einmal hin. Ihr ehemaliger Bundestagskollegekann Ihnen das sagen, Sie werden eine interessante Ar-beitsbeschäftigungsstatistik sehen. Bis zum Jahr 2000 auf210 oder 212 und plötzlich bricht es ab und endet bei 200.Neben uns stand die Betriebsführung und der Betriebs-ratsvorsitzende und die klare Aussage: "Wir haben tolleBetriebsergebnisse, wir haben Wachstum, aber wir denkengar nicht mehr daran, über 200 einzustellen, weil wir danneinen Betriebsrat freistellen müssen.", so Betriebsratsvor-sitzender, Betriebsleitung. Herr Höhn, die Fehler der SPDmüssen benannt werden, denn Sie haben Wachstum ge-kostet.

(Beifall bei der CDU)

Sie hätten vielleicht auch sagen können, dass seit einemhalben Jahr Herr Clement sich redlich bemüht, die Kün-digungsschutzregeln wieder zu flexibilisieren, dass aberdie SPD und die Grünen nach 1998 diesen Weg, den dieUnion eingeschlagen hatte, wieder abgeschafft hat. Auchdas hat uns kostbares Wachstum gekostet.

(Beifall bei der CDU)

Unser Problem ist jetzt kein Erkenntnisproblem mehr,soweit sind wir Gott sei Dank auch möglicherweise inder SPD, unser Problem ist ein Handlungsproblem. Dahätten Sie vielleicht sagen können, dass die Ankündigun-

gen vom 14. März bis heute nicht wirklich umgesetztsind, dass die Ankündigung, z.B. die Steuerreform vorzu-ziehen, verkündet wurde unter großen Buchenbäumen,aber bis heute nicht umgesetzt ist. Sie hätten vielleichtauch sagen können, dass das, was am 13. August in demgroßen Paket vorgelegt worden ist, bis zur Stunde nichtverhandelt ist. Wo liegt denn da das Problem? Doch wohlnicht bei der Opposition, sondern bei der Regierung, dienicht schneller handelt, handelt für Deutschland, meinesehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Da Sie drei Punkte sehr konkret angesprochen haben,will ich Ihnen die Auffassung der Landesregierung ganzklar sagen, die ich nun überall und ohne jegliche Diffe-renzierung gesagt habe. Gemeindefinanzreform - sie istlange überfällig. Schuld daran, dass wir sie noch nichthaben, ist Rotgrün. Sie war für das letzte Jahr angekündigt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn sie jetzt kommt, sind wir dafür, eine solche Gemein-definanzreform zu unterstützen, aber nicht diese Ge-meindefinanzreform, weil wir es für Unfug halten, wennman fast 800.000 Freiberufler zukünftig in die Gewerbe-steuer einbezieht, weil das nur eine Verwaltungsauf-blähung bedeutet. Weil Sie nämlich gut genug wissen,dass zukünftig dann die Freiberufler noch einmal ihreEinkommenssteuer und ihre Gewerbesteuer miteinanderverrechnen müssen und dass das nur Verwaltung kostetund wiederum einen Druck auf den Mittelstand und dieFreiberufler ausübt. Das ist Unfug in einer Zeit, wo wir aufWachstum setzen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben ein Problem mit den Spitzenverbänden, weildie Spitzenverbände Ihnen gesagt haben, sie wollen dieertragsunabhängigen Einkünfte in die Gewerbesteuer ein-beziehen. Das haben Sie nicht umgesetzt. Das ist nichtein Unionsproblem, das ist ein SPD-Problem, wobei ichIhnen sage, auch wir werden dagegen sein, die ertragsun-abhängigen Einkünfte mit in die Gewerbesteuer einzu-beziehen, weil auch das konjunkturschädlich ist.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb bleibt - nach dem, was vor uns liegt - nur der Weg,Gewerbesteuerumlage zurückführen auf das, was vor demJahr 2000 war - das ist unser Vorschlag seit Jahren, dergeht übrigens zu Lasten der Länder und des Bundes -und zweitens die einmalige Erhöhung der Umsatzsteuer-beteiligung der Kommunen, auch das geht zu Lasten derLänder - und zum Dritten, eine deutliche Reduzierung derAufgaben für die Kommunen. Diese drei Vorschläge liegenseit Wochen im Bundesrat. Das ist unser Angebot an dieBundesregierung. Wenn wir uns darauf für das Jahr 2004einigen können, sind die Gemeindefinanzen für das nächste

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Jahr erst einmal gesichert und dann können wir in Ruhein Deutschland mit Kommunen, Ländern und dem Bundüber eine dauerhafte Lösung diskutieren.

Zum zweiten Stichwort Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe:Das gehört überhaupt nicht zusammen mit der Gemeinde-finanzreform, das meinen nur Sie. Auch da ist die Po-sition der jungen Länder übrigens eindeutig. Unser Problemist nicht zuerst ein Vermittlungsproblem. 1,5 Mio. Arbeits-lose, 80.000 freie Stellen - wir haben nicht zuerst ein Ver-mittlungsproblem in den jungen Ländern, sondern wirhaben ein Wachstumsproblem. Wenn wir die Arbeits-losen- und Sozialhilfe dann schon zusammenlegen undmeinen, dass das das Wichtigste ist - ich halte es nicht fürdas Wichtigste, ich hielte es für viel wichtiger, erst ein-mal die Flexibilität am Arbeitsmarkt wieder zu erhöhen,den Kündigungsschutz zu flexibilisieren, die Tarifverträgezu flexibilisieren, das wäre viel wichtiger -, aber wenn esdenn sein soll, dann unterstützen wir das. Aber wir wollennicht, und das hat Mike Mohring hier deutlich gesagt, dassdie Arbeitsstellen bei der Bundesanstalt für Arbeit geschaf-fen werden, denn die schafft ihr jetziges Problem schonnicht zu lösen.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich muss man darüber diskutieren, wo dann dieArbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger zusammen für denArbeitsmarkt auch vermittelt werden können. Ich glaubenicht daran, dass das aus Nürnberg heraus erfolgreichergeschieht. Das hat bisher, jedenfalls in den letzten 13, 14Jahren, nie gestimmt, sondern ich glaube daran, dass manauch die kommunale Verantwortung mit nutzen muss, abernur - und auch das steht in unserem Konzept, im Bundesratkönnen Sie es nachlesen - wenn eine hundertprozentigeRefinanzierung der Kosten der Kommunen erfolgt. Selbst-verständlich, wer die Lasten abgibt, muss auch die Kostentragen.

(Beifall bei der CDU)

Ein Drittes, auch da sind wir uns übrigens parteiüber-greifend in den jungen Ländern einig, weil es so ist, dasswir zuallererst ein Beschäftigungsproblem, also ein Wachs-tumsproblem haben, wird es dazu kommen, wenn manArbeitslosen- und Sozialhilfe einfach zusammenlegt, dasswir innerhalb eines Tages Kaufkraftverlust in Millionen-höhe bekommen werden. Wir haben etwa fünfmal so vielArbeitslosenhilfeempfänger wie Sozialhilfeempfänger, eineganz andere Situation als in 11 alten Ländern. Deshalb istes legitim und auch richtig, dass man, wenn schon HerrStolpe nicht daran denkt, was seine Aufgabe wäre, die Ar-beitsminister der jungen Länder sagen, wenn ihr das wirk-lich macht, müsst ihr daran denken, dass ihr von heuteauf morgen dem Wirtschaftskreislauf 1 Mrd. �� entzieht.Das wird nicht Wachstum befördern, sondern wird erneutRezession befördern. Deshalb muss das kompensiert wer-den und es ist frech und von Unkenntnis getragen, wasHerr Clement darauf gesagt hat.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich noch ein letztes Wort zu dem ominösenThema "Steuerreformvorziehung" sagen: Zum Ersten sageich Ihnen, das habe ich vor der Sommerpause hier schongesagt, wie da der Bundeskanzler mit den Ministerprä-sidenten aller Länder umgegangen ist, ist stillos für diePolitik. Es war aber so, dass wir immer - und da habenSie Recht - gesagt haben, dass eine Steuerreform, die Ein-gangs- und Spitzensteuersatz senkt, die Konjunktur positivbeeinflusst und auch die psychologischen Effekte bei derWirtschaft stärkt. Das haben wir immer gesagt und es gibtvon mir keine andere Aussage, dass ich deshalb einer sol-chen Vorziehung der Steuerreform am Ende zustimme.Aber, und dieses "aber" muss man sagen und leider in denletzten Wochen noch deutlicher, wenn die Wirtschaft undjeder Einzelne den Eindruck hat, das Politik nicht redlichist, dass sie Steuerreform sagt und die Senkung festlegt,aber 1 Stunde später über die Pendlerpauschale, über dieEigenheimzulage, über die Belastung der Freiberufler ihnendas Geld wieder aus der Tasche zieht, dann werden Sienachdenklich und dann werden Sie in Zweifel kommen, obder Staat Ihnen wirklich eine Steuervergünstigung gebenwill, oder ob er nicht doch nach der Methode geht, in dieeine Tasche stecke ich den Euro rein und aus der anderenTasche ziehe ich 2 ������

Sehr geehrter Herr Höhn, wenn der Bundeskanzler es ernstmeint, dann beschließt er diese Steuerreform schnell, hättesie schon vor der Sommerpause einbringen können, under packt in dieses Paket nicht übermäßige neue Be-lastungen für die Bürgerinnen und Bürger, weil sonst derKonsumtionseffekt verfliegt. Das wissen Sie ganz genau.Wir werden zustimmen, aber wir werden auch deutlichmachen, dass wir natürlich einer weiteren Belastung derMenschen, zum Beispiel im Ländlichen, durch das deut-liche Absenken der Entfernungspauschale nicht zustimmenwerden, denn in diesem Land sind wir froh, dass die Leutenicht nur in Erfurt und Gera und Suhl und in Weimarwohnen, sondern auch im Ländlichen, in Artern oder woimmer und dass sie ihre Mobilität nutzen können. Das mussgefördert und darf nicht bestraft werden.

(Beifall bei der CDU)

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass es wirklich anLinie und an Konzept fehlt. Werfen Sie also nicht dieseKonzeptionslosigkeit der Opposition vor, sondern schauenSie mehr darauf, dass der Blick auf die jungen Länderauch in Berlin geschärft wird, Sie hätten gute Gelegenheit.Sie haben mich aufgefordert, gegen die vorhin dargestell-ten Gesetze im Deutschen Bundesrat zu stimmen odersich dafür einzusetzen, dass sie mit Blick auf die neuenLänder verändert werden. Ich habe mich gefreut über dieseUnterstützung, ich hätte mir gewünscht, dass Sie dieAdresse Ihres Landesvorsitzenden gefunden hätten, derwäre direkter dran gewesen, aber wenn Sie denn unsereHilfe brauchen, die bekommen Sie natürlich und selbstver-ständlich. Vielleicht können Sie im Nachgang noch dafür

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sorgen, dass zumindest Ihr Landesvorsitzender davon er-fährt, welche Gedanken Sie haben, damit nicht zwischender SPD in Thüringen und der Vertretung in Berlin Wider-sprüche entstehen, das wäre schade.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die heutigeDebatte, sowohl von der PDS-Fraktion, auch von derSPD-Fraktion, war symptomatisch. Sie leisten überhauptkeinen Beitrag, diese wahrlich schwierige Situation mit zumeistern. Sie wissen genau, dass die Steuerminderein-nahmen nicht Thüringer Verantwortung sind, sondern inallen Ländern in Deutschland und auch in den Kom-munen gibt es gleiche Probleme und die Ursachen sindinzwischen umfassend erkannt. Helfen Sie also mit, dasswir einen Nachtragshaushalt auf den Weg bringen, derzwei Dinge leistet: die Investitionsquote so hoch wie mög-lich hält, weil damit Arbeit gesichert und neue Arbeit ge-schaffen wird, und auf der anderen Seite die Schwer-punkte, die für das Land wichtig sind, so umfassend wiemöglich erhalten bleiben. Diese Schwerpunkte erhalten wirmit den Stichworten "Kinder", "Kernbereich der Hoch-schule", "Theater und Orchester", "Innere Sicherheit","Kommunaler Finanzausgleich" und auch die Sicherungvon langfristig wesentlichen Daten wie z.B. der Personal-quote. Wenn Sie dann Vorschläge machen, wie man indiesem Rahmen einen Nachtragshaushalt anders aufstelltals wir, andere Kürzungen vornimmt, dann sind wir sehrgespannt auf Ihre Vorschläge. Aber nur Rhetorik, die aufdie Zukunft verschiebt und den schwarzen Peter der Oppo-sition in Berlin in die Tasche schiebt, ist etwas zu flach füreine Oppositionspolitik, die sich anschickt, im nächstenJahr erfolgreich zur Wahl zu kämpfen.

Ich kann nur sagen, wir haben uns bemüht, in einerschwierigen Situation ein Konzept zu entwickeln, das dieStärken dieses Landes weiter stärkt, das aber auch die Zu-kunftsfähigkeit des Landes im Blick auf die Haushalts-ordnung sichert. Deshalb ist der Weg zwischen dieserdeutlich erhöhten Neuverschuldung, aber auch der Siche-rung von wichtigen Investitionen ein schwieriger Weg.Ich denke, die Vorlage ist ausgewogen und ich bin ge-spannt, welche Vorschläge Sie konkret in den nächstenWochen einbringen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Der Abgeordnete Ramelow, PDS-Fraktion, hat sich zuWort gemeldet.

Abgeordneter Ramelow, PDS:

Verehrte Damen und Herren, wir können also heute fest-stellen, der Wahlkampf hat begonnen, wir haben die ersteWahlkampfrede gehört. Sehr geehrter Herr Ministerprä-sident, wir danken für die Stilnoten, die Sie an alle verteilt

haben. Auch wenn ich sagen muss, die Erde ist keineScheibe, Herr Ministerpräsident, die Erde ist nach wie vorrund und wir werden auch in Zukunft als Opposition nichtbehaupten oder Ihnen zustimmen, wenn Sie vorgeben,dass die Erde eine Scheibe sei.

(Beifall bei der PDS)

Wenn Sie feststellen, dass es eine ideologische und inhalt-liche Trennung zwischen Ihrem Weltbild und unseremWeltbild gibt, dann kann ich Ihnen nur zustimmen. Siehaben es gerade in einer Form offenbart, bei der ich nurunterstreichen kann, ein derartig rückwärts gewandteskonservatives Weltbild habe ich schon lange nicht mehrin einer so geschlossenen Art und Weise gehört, dassman in einer Situation, bei der 5 Mio. Menschen vomArbeitsmarkt ausgeschlossen sind, den Betriebsräten dieSchuld gibt und dann aber verlangt, dass die Flexibilisie-rung in den Betrieben erhöht werden soll, gleichzeitigaber die Überstunden der Polizei hier verschwiegenwerden. Herr Ministerpräsident, die Verantwortung für600.000 Überstunden in der Thüringer Polizei tragen Sie

(Beifall bei der PDS)

und die Verantwortung über die Streichung der Stellentragen auch Sie. Und Herr Ministerpräsident ...

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Herr Abgeordneter Ramelow, gestatten Sie eine Anfragedes Abgeordneten Althaus?

Abgeordneter Ramelow, PDS:

Ja, gerne.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Bitte, Herr Althaus.

Althaus, Ministerpräsident:

Können Sie mir ein einziges Zitat aus meiner Redesagen, bei dem ich den Arbeitslosen die Schuld für dieSituation in Deutschland gegeben habe?

Abgeordneter Ramelow, PDS:

Sehr geehrter Herr Kollege Althaus, ich würde Sie auchbitten, zuzuhören.

Althaus, Ministerpräsident:

Sie haben das gerade getan. Vielleicht sind Sie nicht HerrIhrer Worte und Ihres Geistes, Sie haben das aber getan.

(Unruhe im Hause)

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Abgeordneter Ramelow, PDS:

Also, ich verbitte mir ...

(Unruhe im Hause)

(Beifall bei der CDU)

Ich verbitte mir einfach von Ihnen Ihre Unverfrorenheitund Unverschämtheit, mich zu bezichtigen, ich sei nichtHerr meines Geistes.

(Unruhe im Hause)

Wie man unschwer feststellen kann, ist mein Geist beimir im Kopf und ich sage, der Herr sei bei mir, wenn ichmir so einen Kram von Ihnen anhören muss, dass Sie mirjetzt vorwerfen, was ich gesagt habe oder nicht, wir könnendas gerne gemeinsam im Protokoll nachlesen.

(Beifall bei der PDS)

Ich will es noch mal deutlich sagen, Herr Ministerpräsident,und Sie sollten sich einfach mal daran gewöhnen, ineiner Situation von 5 Mio. Arbeitslosen den Betriebsrätendie Schuld zu geben, wie Sie es am Beispiel "Sponeta" ge-macht haben, ist eine Unverschämtheit, eine Unverfro-renheit.

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe im Hause)

Der gesamte Umbau der deutschen Industrie, die schwer-sten Krisen, die wir in Westdeutschland im Ruhrgebietoder im Automobilbau hatten, sind gelöst und gemeistertworden mit Betriebsräten, mit starken Tarifpartnern undmit einer freien Form von Verhandlungen, die Sie einfachso abtun und sagen: Betriebsräte seien das Investitions-hemmnis. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, hätten SieIdeen vorgeschlagen, wie tatsächlich Arbeitsplätze ent-stehen, bei denen Menschen in Lohn und Brot kommen,dann würden wir unsere Achtung vor Ihnen haben. Abereinfach nur die Schuld an die Betriebsräte oder an denKündigungsschutz zu geben, ist nicht akzeptabel.

Eine Bemerkung sei mir auch erlaubt, sehr geehrter HerrMinisterpräsident, dass Sie unsere Vorschläge abtun zudem Thema Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer unddas begründen mit der Forderung, wir würden damit denMauerbau wieder fordern, das muss ich einfach nur zu-rückweisen und sagen, einen solchen Unsinn kann ichüberhaupt nicht nachvollziehen. Es würde uns schon ge-nügen, in der Bundesrepublik endlich eine ehrliche Dis-kussion über das Thema Vermögens- und Erbschaftssteuerim euorpäischen Maßstab zu haben.

(Beifall bei der PDS)

Dass wir mittlerweile, was diese Themen angeht, einBilliglohn- und ein Billigsteuerland sind, das halten wireinfach für das Problem, bei dem das Thema Gerechtig-keit im Steueraufkommen völlig tabu ist. Und eines,Herr Ministerpräsident, in den letzten 15 Jahren ist dieBundesrepublik Deutschland, die gesamte Volkswirtschaftim Wachstum und im Reichtum gestiegen, aber die Ver-teilung des Reichtums zwischen Arm und Reich, die hatturbomäßig zugenommen. Wir erleben die letzten 14 Jahreeine Umverteilungsstrategie, bei der man tatsächlich denStaat finanzieren lässt, von denen, die noch Arbeit haben,und die anderen kriegen die Steuergeschenke hinten rein-gesteckt. Das ist nicht mehr zu akzeptieren.

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, wir sind eigentlich beim Doppel-haushalt und beim Nachtragshaushalt und nicht bei derWahlkampfstrategie 2004. Aber eines sei Ihnen ins Stamm-buch geschrieben, Herr Althaus, die Schulden, über dieSie so klagen, diese Schulden im Freistaat Thüringen hatIhre Partei gemacht. Für die tragen Sie ganz allein die Ver-antwortung,

(Beifall bei der PDS)

aus dieser Verantwortung entlassen wir Sie nicht. Eineletzte Bemerkung zur Haushaltspolitik. Sie erwarten vonuns - und erteilen dafür Stilnoten - Vorschläge zum Dop-pelhaushalt und ich wiederhole das, was Herr Huster hiersehr ausführlich dargestellt hat. Wir würden gern qualitativeVorschläge machen, wenn wir wüssten, wie die Haus-haltssituation derzeit in Realita ist, wie die Verpflichtungs-ermächtigungen sind, was alles im Umlauf ist, welcheBelastungen es in möglichen Schattenhaushalten neben-her gibt und was bei Pensionen, Herr Mohring hat es zwarso abgetan, an Last auf dieses Land perspektivisch ex-plosionsartig zukommt. Die Leasingmodelle des kreativenHerrn Trautvetter sind sozusagen in der Gesamtschulden-bilanz nicht in der Form aufgenommen. Bei dem kann ichnur dem Rechnungshof Recht geben, wenn er einfordert,dass Einnahmen und Ausgaben in Wahrheit und Klarheitauf den Tisch gehören. Diese Zahlenwerke haben wir nicht.

(Beifall bei der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Doppelhaus-halt, der Nachtragshaushalt zum Doppelhaushalt, die haus-haltswirtschaftliche Bewirtschaftungsreserve von 15 Pro-zent, die Haushaltssperre zur Nachtragshaushaltssituationund jetzt der Nachtragshaushalt zum Nachtragshaushalt,meine sehr verehrten Damen und Herren, das Königs-recht des Parlaments ist durch diese Haushaltsbewirt-schaftung, die Sie, Herr Ministerpräsident, zu vertretenhaben, ad absurdum geführt. Wir als Parlamentarier wissennicht mehr, wie die realen Verhältnisse in Ihren Kassensind, deswegen sagen wir, es ist dringend Zeit für einenKassensturz.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7931

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Gentzelzu Wort gemeldet.

Abgeordneter Gentzel, SPD:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, bis zur Rede des Minister-präsidenten, wenn mich jemand gefragt hätte, wie ich dieDebatte empfunden hätte, hätte ich gesagt, es war eineder besten Haushaltsdebatten, die wir bisher in diesemHaus hatten. Natürlich gibt es in den unterschiedlichenFraktionen unterschiedliche Ansätze, natürlich sind vonder Opposition Dinge gekommen, die die Landesregierungnicht gerne hört. Aber die Angebote an die Landesre-gierung, etwas gemeinsam in den anstehenden Debattenzu tun, auch den Respekt, der eindeutig auch von unsererSeite zu verspüren war, wie in dieser schwierigen Haus-haltslage umgegangen worden ist, der war für jeden zuspüren, der diese Debatte verfolgt hat. Deshalb frage ichmich, Herr Ministerpräsident: Warum auf einmal dieSchärfe in dieser Diskussion, die Sie hier reingebrachthaben?

(Unruhe bei der CDU)

Nun wissen wir, dass am 13. Juni 2004 gewählt wird,aber zum Thema "Klarheit" sage ich Ihnen auch einmalzwei Sätze. Zunächst, Sie haben insbesondere der SPDvorgeworfen, wir hätten einen viel zu langen und inten-siven Exkurs in die Bundespolitik gemacht. Was war dennIhre Rede? Sie sind nicht auf eine Frage, die hier undüberhaupt nicht aggressiv von Seiten der SPD gestelltworden ist, eingegangen. Deshalb wiederhole ich die eineoder andere Frage noch einmal, auch wenn Ihnen das ver-dammt unangenehm ist. Was wird denn nun mit derSTIFT? Wir haben doch hier gefragt. Ihr Einwurf waran dieser Stelle, der Fisch fängt am Kopf an zu stinken.Ja, dann schlagen Sie ihn doch ab und führen Sie hier nichtirgendwelche Scheindebatten. Wie ist es denn, ich habe essehr respektiert, was Herr Mohring gesagt hat zum ThemaVerbundforschung, wie der Ansatz in der CDU ist, und erhat gesagt, es ist ein Signal. Wir haben hier klar formu-liert - dieses Signal reicht uns nicht. Warum gehen Sie aufdiese Debatte, die für Thüringen viel interessanter wäreals Ihr Legendenausflug in die Bundespolitik, nicht ein?

Was die angebliche Legendenbildung betrifft, das habenSie ja hier klasse gemacht. Sie haben uns vorgeworfen,wir würden hier bundespolitisch eine Legende aufbauenund haben selbst eine Legende aufgebaut. Wenn man Sieso gehört hat, muss man sich doch deutlich fragen: Warumsind Sie denn damals abgewählt worden? Sie haben hierein Bild gezeichnet, dass in der Bundesrepublik Deutsch-land Reformen angeschoben worden sind, die Rente unddas Wachstum ist angepackt worden, warum sind Sie dannabgewählt worden? Weil Sie genau zu diesen Reformen

damals nicht fähig waren und Sie sind es heute auch nicht.

(Beifall bei der SPD)

Nun kommt zu Ihrer damaligen Unfähigkeit auch noch diepersonelle Unfähigkeit dazu, die CDU in der Spitze zuordnen - aber das ist Gott sei Dank Ihr Problem, damit willich mich nicht weiter beschäftigen.

(Unruhe im Hause)

An einer Stelle - und das haben auch Sie betont, HerrMinisterpräsident - waren wir uns einig, auch das hat mangehört, wenn man zuhören wollte. Was uns in der jetzigenSituation an erster Stelle fehlt ist wirklich Wachstum. Aberdann muss doch die Frage gestellt sein: Warum wird inden Politikfeldern, wo das Wachstum von morgen orga-nisiert wird, überdurchschnittlich gekürzt? Das ist dochkeine Polemik; Sie wissen doch, dass dieses passiert! Wa-rum bekommen wir zu Fragen, die das Wachstum vonmorgen entscheiden, widersprüchliche Aussagen aus demKabinett? Ich nenne einmal das Applikationszentrum.Warum bekommen wir auf andere Fragen überhaupt keineAntworten mehr? Ich nenne den Landesentwicklungsplan.Nein, Sie gefallen sich in bundespolitischen Aussagen. Siesind derjenige, weil Sie diese Fragen, die hier für Thü-ringen interessant sind, nicht beantworten wollen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Im Übrigen, was ich Ihnen wirklich übel nehme - wirwissen beide, ein bisschen Polemik gehört zu der ganzenGeschichte dazu, aber Sie sind genau wie ich 12 Jahre indem Parlament, Sie haben viele Haushaltsdebatten be-stritten und Sie wissen, wie diese Haushaltsdebattenlaufen -, es hat zu keinem Zeitpunkt, übrigens auch nichtvon der berühmten Opposition jetzt in Berlin, zur erstenLesung des Haushalts Gegenvorschläge von der Oppo-sition gegeben, das ist absoluter Schwachsinn, was Siehier in diesem Hause erzählt haben.

(Beifall bei der SPD)

Genauso ist das in jedem Bundesland und genauso gehtdie Opposition auch in Berlin vor. Wir werden die Zahlenim Ausschuss nachfragen. Sie wissen selbst, dass da sehr,sehr viel zu erklären ist. Die Finanzministerin nickt, da istsehr, sehr viel zu erklären. Nach den Erklärungen werdenwir unsere Vorschläge vorlegen.

Ich habe auch in der Pressekonferenz keinen Hehl darausgemacht. Es ist doch nicht so, dass uns das Spaß macht,in so einem Haushalt zu arbeiten. Da sind doch Sie alsRegierung nicht alleine. Es ist auch für die Opposition -auch das wissen Sie - wesentlich schwerer, mit so einemHaushalt umzugehen. Aber eines wissen Sie doch auch unddann erwecken Sie hier nicht den falschen Eindruck: DieSPD hier in diesem Hause wird sich dieser schwerenAufgabe stellen und es wird auch die entsprechenden Vor-

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7932 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003

schläge von unserer Seite geben. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Dr. Pietzschzu Wort gemeldet.

Abgeordneter Dr. Pietzsch, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,ich dachte, die Debatte wäre kürzer, aber ich gehe gernauch noch mal ans Rednerpult.

Herr Gentzel, bis zum Ministerpräsidenten Althaus wares eine der besten Haushaltsdebatten, haben Sie gesagt;ich sage, und danach wurde sie noch besser.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Herr Ramelow, Sie unterstellendem Ministerpräsidenten ein konservatives Weltbild. Dasadelt ihn, muss ich sagen.

(Beifall bei der CDU)

Jeder CDU-Politiker wäre dankbar, wenn ihm unterstelltwürde, er hätte ein konservatives Weltbild. Das haben wirund darauf legen wir Wert, davon wollen wir auch garnicht abgehen. Herzlichen Dank für diese Belobigung vonIhrer Seite!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bei der Haushaltsdebatte isteines klar geworden, muss ich sagen; als die haushalts-politischen Sprecher gesprochen haben, ist eines klargeworden, dass auch die Opposition vor der Größe derAufgabe ziemlich ratlos dasteht.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Auch.)

Wir haben zum Anfang - auch, natürlich - auch ratlos da-gestanden, aber wir haben Rat und einen Ausweg ge-funden. Der vorgelegte Haushalt ist der Ausweg.

(Beifall bei der CDU)

Sie können nichts Besseres vorlegen, vermute ich. Je-denfalls zum Anfang der Haushaltsreden der haushalts-politischen Sprecher hatte ich den Eindruck, dass Sie nichtsBesseres vorlegen können. Dann kam Herr Huster undhatte plötzlich neue Ideen, wo man lieber Geld ausgebensollte, wo man nicht einsparen sollte - eben kein Konzept.Dann kommt Herr Ramelow und fängt wieder mit derVerteilung an. Es geht nicht um Wachstum bei Ihnen, esgeht um Verteilung.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Richtig.)

(Beifall bei der CDU)

Jawohl, Herr Ramelow, das ist sozialistische, kommu-nistische Ideologie - man muss nur verteilen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Was die Steuern angeht, die Sie genannt haben, die HerrHuster genannt hat, da kann ich sagen, einmal abzockenund dann nicht mehr zucken. Das ist Ihre Devise, so wieSie es zu DDR-Zeiten gemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

Nach 1945 wurden erst die bösen Großbauern und Groß-kapitalisten enteignet, 1960 wurden die LPG'en gegründet,den Bauern wurde ihr Eigentum weggenommen. 1972wurden auch noch die Mittelständler kaputtgemacht unddann haben Sie immer ein Stück davon gelebt, bis allesaufgebraucht war, was jemals jemand erwirtschaftet hat.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt haben wir nach der Misere des real existierendenSozialismus wieder aufgebaut und Sie wollen in Gesamt-deutschland wieder einmal alles verteilen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen, das ist nicht nachhaltige Politik, das istnicht Politik, die in die Zukunft weist.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Mit Pietzschhätte es die DDR heute noch gegeben.)

Wir, meine Damen und Herren, haben ein anderes Kon-zept - ein Konzept, was die Thüringer Landesregierung seitJahren formuliert in der Form "Sparen und Gestalten". Ichhabe gesagt, wir sind in diesem Haushalt in Teilbereichenin der Tat über die Schmerzgrenze hinausgegangen. Das istnötig gewesen und die Einschnitte, die im Doppelhaus-halt, im Nachtragshaushalt gemacht worden sind, sindschmerzhaft, aber die Ausfälle der Steuern - ich will diesesnoch mal ausdrücklich sagen - sind zurückzuführen aufeine desolate Finanz-, Steuer- und Wirtschaftspolitik derBundesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich bin ja ganz froh, dass Sieanders als bei der Diskussion zum Doppelhaushalt mitIhren Forderungen, wo noch mehr gemacht werden soll,schon etwas zurückhaltender geworden sind, denn das ist inder Tat so, Forderungen können wir überhaupt nichtstellen. Aber ich sage auch, die Regierung hat Schwer-punkte gesetzt, die auch etwas mit Zukunft zu tun haben.Wir können uns natürlich darüber unterhalten, ob die

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7933

Verbundforschung, die wir nicht auf Null gesetzt haben,das Zukunftsthema ist oder ob Familienpolitik auch einZukunftsthema ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage, Familienpolitik ist Zukunftsthema. Wenn wir hiereinen Schwerpunkt darauf gesetzt haben, dann ist das einZeichen für die Zukunft.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dr. Schuchardt, SPD: ...,das sind doch keine Alternativen.)

Lieber Herr Schuchardt, wenn wir genügend Geld hätten,würden wir gern beides bedienen. Aber wenn das Geldnicht ausreicht, dann müssen wir auch Schwerpunktesetzen. Diese Schwerpunkte sind gesetzt worden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, und was wir brauchen in die-sem Haushalt, in diesem Land, sind Schwerpunkte, dieauf Wachstum weisen. Herr Schröder hat endlich, end-lich, muss ich sagen, Fehler eingeräumt. Wenn er dochendlich etwas tun würde. Statt seine Reformen umzu-setzen, die er vollmundig angekündigt hat, droht er unsmit Herrn Fischer, dass er eine weitere Legislaturperioderegieren will.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Uns bewahre Manches davor. Es war schon eine böse An-drohung für die neuen Bundesländer, als er den AufbauOst zur Chefsache gemacht hat. Jetzt droht er uns eineweitere Legislaturperiode an.

Meine Damen und Herren, wir brauchen Wachstums-impulse und ich sage es ganz deutlich: Der wichtigsteWachstumsimpuls in Deutschland wäre, wenn diese rot-grüne Regierung endlich zurücktreten würde.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Jawohl.)

Meine Damen und Herren und Herr Ramelow, wie dasnun so mit dem Geist ist oder mit dem Geist nicht ist, Siehaben hier munter das verdreht, was der Ministerpräsidentgesagt hat. Er hat keineswegs dem Betriebsrat den Vorwurfgemacht, er würde Schuld daran sein, dass Arbeitskräfteabgebaut worden sind. Der Betriebsrat selber hat dieFesseln beklagt, die durch Beteiligung angelegt ...

(Unruhe bei der PDS, SPD)

(Beifall bei der CDU)

Ja, lesen Sie doch richtig nach.

(Zwischenruf aus der PDS-Fraktion: Die Erdeist eine Scheibe.)

Meine Damen und Herren, das ist ein altes Wort vonIhnen, wir haben früher gewusst als Sie, dass die Erdekeine Scheibe ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Das einzige, was Sie dazu veranlasst zu meinen, die Erdesei eine Kugel, ist die Tatsache, dass Sie sich immer umsich selber drehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der Haushalt ist ein Haushalt,der nicht leicht fällt, keinem leicht fällt. Ich erinnere andie Verabschiedung des Doppelhaushalts, als damals derMinisterpräsident Vogel gesagt hat: Diesen Haushalt denAbgeordneten vorzulegen und noch zu erwarten, dass siediesen positiv bescheiden, ist eine Zumutung. Der Nach-tragshaushalt ist in der Hinsicht nicht besser geworden.

Aber, meine Damen und Herren, wir werden kein Wachs-tum haben, wenn der Wirtschaft weitere Fesseln angelegtwerden. Ich sage Ihnen ganz deutlich, die Menschen inunserem Land wollen die Wahrheit hören. Sie sind bereit,auch unangenehme Wahrheiten zu hören. Wer nicht bereitist, diese harte Wahrheit entgegenzunehmen, wird nichtfähig für die Zukunft sein. Es ist eben keine Zeit derVerteilung und der Wohltat, Herr Ramelow, es ist ebenkeine Zeit für Traumtänzer und es ist keine Zeit für neueVersprechungen. Es ist allenfalls die Zeit für härtere Ar-beit und auch für Tarifoffenheit. Es ist Zeit für Ehrlich-keit, meine Damen und Herren, und dieser Haushalt isthart, aber er ist ehrlich. Deswegen werden wir den mit-gehen. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor undich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstim-mung zunächst über die Ausschussüberweisung an denHaushalts- und Finanzausschuss. Wer dieser zustimmt, denbitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Dasdürfte einstimmig sein. Gibt es hier Gegenstimmen? Nein.Stimmenthaltungen? Nein.

Dann ist seitens der PDS-Fraktion beantragt worden, denHaushalt an die Fachausschüsse zu überweisen. Die Par-lamentarische Geschäftsführerin bestätigt mir das nocheinmal. So kommen wir zur Überweisung an die Fachaus-schüsse. Ich frage jetzt, an den Petitionsausschuss sichernicht?

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7934 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003

Abgeordnete Nitzpon, PDS:

Nein, aber an alle anderen Ausschüsse.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Und zwar stimmen wir ab in der Reihenfolge der Aus-schüsse. Wer der Überweisung an den Ausschuss fürWirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik zustimmt, den bitteich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstim-men? Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt eshier Stimmenthaltungen? Die gibt es nicht. Die Ausschuss-überweisung ist abgelehnt.

Wer der Überweisung an den Innenausschuss zustimmt,den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön.Gegenstimmen? Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen.Gibt es Stimmenthaltungen? Es gibt 1 Stimmenthaltung.Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen ist die Ausschuss-überweisung abgelehnt.

(Unruhe im Hause)

Sie können sich noch ein bisschen unruhig gebärden zudem Ganzen. Ich werde das der Reihe nach durch denAntrag durchstimmen lassen. Sie können das mitmachenoder eben nicht.

Wer der Überweisung an den Ausschuss für Naturschutzund Umwelt zustimmt, den bitte ich jetzt um das Hand-zeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Das ist eine Mehr-heit von Gegenstimmen. Gibt es hier Stimmenthaltungen?Es gibt 1 Stimmenthaltung. Mit einer Mehrheit von Gegen-stimmen ist die Ausschussüberweisung an den Ausschussfür Naturschutz und Umwelt abgelehnt.

Wer der Überweisung an den Ausschuss für Ernährung,Landwirtschaft und Forsten zustimmt, den bitte ich jetztum das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Dasist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimment-haltungen? Es gibt 1 Stimmenthaltung. Mit einer Mehrheitvon Gegenstimmen ist die Ausschussüberweisung ab-gelehnt.

Wer der Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft,Forschung und Kunst zustimmt, den bitte ich jetzt um dasHandzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Das ist eineMehrheit von Gegenstimmen. Gibt es hier Stimmenthal-tungen? Es gibt 1 Stimmenthaltung. Die Ausschussüber-weisung ist abgelehnt.

Wer der Überweisung an den Ausschuss für Bildung undMedien zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen.Danke schön. Gegenstimmen? Das ist eine Mehrheit vonGegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Es gibt 1Stimmenthaltung. Mit einer Mehrheit von Gegenstimmenist die Überweisung abgelehnt.

Wer der Überweisung an den Ausschuss für Soziales,Familie und Gesundheit zustimmt, den bitte ich jetzt umdas Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Das isteine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthal-tungen? Es gibt 1 Stimmenthaltung. Die Ausschussüber-weisung ist abgelehnt.

Wer der Überweisung an den Justizausschuss zustimmt,den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön.Gegenstimmen? Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen.Gibt es Stimmenthaltungen? Es gibt keine Stimment-haltung. Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen ist dieAusschussüberweisung abgelehnt.

Wer der Überweisung an den Ausschuss für Bundes- undEuropaangelegenheiten zustimmt, den bitte ich jetzt um dasHandzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Das ist eineMehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen?Es gibt 1 Stimmenthaltung. Die Ausschussüberweisung istabgelehnt.

Wer der Überweisung an den Gleichstellungsausschusszustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen.

(Heiterkeit im Hause)

Danke schön. Gegenstimmen? Das ist eine Mehrheit vonGegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Es gibt aucheinige Stimmenthaltungen. Mit einer Mehrheit von Gegen-stimmen ist die Überweisung abgelehnt.

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 4.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 17

Bestimmung von zwei weiterengesellschaftlich bedeutsamenOrganisationen und Gruppen fürden Rundfunkrat des Mitteldeut-schen Rundfunks (MDR)dazu: Unterrichtung durch die Prä-

sidentin des Landtags- Drucksache 3/3488 -

dazu: Wahlvorschläge der Fraktionender PDS und CDU- Drucksachen 3/3561/3576 -

Ich weise darauf hin, dass gemäß § 19 Abs. 3 Satz 2 desMDR-Staatsvertrags durch den Thüringer Landtag bei deranstehenden Neubesetzung des MDR-Rundfunkrats zweiweitere gesellschaftlich bedeutsame Organisationen oderGruppen zu bestimmen sind, denen ein Entsenderecht zu-steht. Entsprechend dem Staatsvertrag erfolgt die Be-stimmung dieser Organisationen und Gruppen, denen einSitz zusteht, als Verhältniswahl nach d'Hondt. Bei dieserVerhältniswahl sind die konkurrierenden Wahlvorschlägeder Fraktionen in einem Wahlakt zur Abstimmung zustellen, in dem jeder Abgeordnete eine Stimme hat. Ausdem Kreis der vorliegenden neuen Bewerbungen in der

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7935

Drucksache 3/3488 wurden von den Fraktionen folgendeVorschläge unterbreitet:

Fraktion der CDU1. Arbeitskreis Thüringer Familienorganisationen2. Thüringer Feuerwehrverband e.v.

Fraktion der PDS1. BUND Landesverband Thüringen e.V.2. Konferenz Thüringer Studentenschaften

Wird dazu die Aussprache gewünscht? Das ist nicht derFall. Dann kommen wir zur Wahl. Wir können durchHandzeichen abstimmen, wenn kein Mitglied des Land-tags widerspricht. Wird dem widersprochen? Das ist nichtder Fall. Dann stimmen wir durch Handzeichen ab. WennSie sich bitte mal so gruppieren würden, dass wir danndie Stimmen zählen können.

Ich stimme als Erstes über den Wahlvorschlag der CDUab. Wer diesem zustimmt, hält bitte seine Hände so langehoch, bis die Schriftführer gezählt haben, eine Hand. Ichbitte die Schriftführer zu zählen. Das ist zweimal bestätigtworden: 43 Jastimmen.

Ich lasse jetzt abstimmen über den Wahlvorschlag der PDS,und zwar die Jastimmen. Wer diesem zustimmt, den bitteich jetzt um das Handzeichen und dann auch die Schrift-führer zu zählen. Das sind 34 Jastimmen. Gibt es Stimm-enthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es nicht.

Jetzt wird nach d'Hondt berechnet, auf wen die Wahl-vorschläge entfallen. Ich gebe das Ergebnis bekannt. Ge-wählt wurden der Arbeitskreis Thüringer Familienorgani-sationen und der BUND Landesverband Thüringen e.V.

(Beifall bei der SPD)

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und komme zumAufruf des Tagesordnungspunkts 10.

(Unruhe im Hause)

Ich hätte eigentlich ganz gern die Beratung der Tages-ordnung fortgesetzt. Können Sie sich bitte entweder aufdie Plätze setzen, oder dann, wenn Sie Ihre Gesprächedoch führen müssen, den Saal verlassen, denn so ist einArbeiten in diesem Saal nicht möglich. Meine Kritikrichtet sich an alle Fraktionen gleichermaßen.

Thüringer Gesetz zur Neuglie-derung der kreisangehörigenGemeinden Breitenbach, Ferna,Gerstungen, Lauchröden, StadtLeinefelde, Marktgölitz, Oberellen,Probstzella, Seifartsdorf, Silbitz,Unterellen, Wintzingerode undStadt WorbisGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3562 -ERSTE BERATUNG

Der Innenminister übernimmt die Begründung.

Trautvetter, Innenminister:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damenund Herren, die Landesregierung legt Ihnen heute einenGesetzentwurf zur Neugliederung der jetzt bereits ge-nannten Städte und Gemeinden vor. Mit dem vorliegendenGesetzentwurf setzen wir die landesweite Gemeindege-bietsreform fort und berücksichtigen deshalb wie auchin der Vergangenheit die entsprechenden Leitbilder undLeitlinien.

Derartige Zusammenschlüsse zu größeren Einheitenführen mittel- und langfristig zu einer Verbesserung derLeistungs- und Investitionsfähigkeit der Gemeinden ins-gesamt. Nach der flächendeckenden Anpassung der kom-munalen Strukturen an die Mindestgrößen der ThüringerKommunalordnung rückt jetzt insbesondere die Frage nachder Wirtschaftlichkeit unserer Kommunalverwaltungenin den Mittelpunkt.

(Beifall Abg. Döring, SPD)

Bei einer ganzen Reihe bestehender Verwaltungsgemein-schaften, insbesondere in allen Mitgliedsgemeinden, müs-sen wir an einer Verbesserung der inneren Struktur ar-beiten. Das kann zum Beispiel durch freiwillige Zusam-menschlüsse unter dem Dach der Verwaltungsgemein-schaft geschehen. Vorgesehene Strukturverbesserungen -insofern ist der Gesetzentwurf richtungsweisend - dürfenjedoch nicht an der Blockadehaltung einzelner kleinerund kleinster Gemeinden scheitern.

(Beifall bei der SPD)

In den hier zu regelnden Fällen haben Gemeinden, diebisher in Verwaltungsgemeinschaften arbeiten, offensicht-lich die Zusammenarbeit genutzt, um Vertrauen zu schaf-fen, das nun erfreulicherweise in der Bildung von neuen,größeren Gemeinden mündet. Mit den Jahren der Verwal-tungsarbeit kam bei einigen der antragstellenden Gemein-den auch die Erkenntnis hinzu, dass die effektivste Formder Kommunalverwaltung eben eine Einheitsgemeinde abeiner bestimmten Größenordnung ist.

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7936 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003

Wir kommen mit diesem Gesetzentwurf weit gehend denWünschen und Beschlüssen aller an der Gemeindeneu-bildung beteiligten Gemeinden nach. Die Landesregierunghat immer gesagt: Wir setzen auf das Freiwilligkeitsprinzipaller Beteiligten. Aber, wie gesagt, es sind auch zwei Ge-meinden von einer Bestandsänderung betroffen, die diesenicht ausdrücklich beschlossen haben, wobei die eine Ge-meinde eigentlich überhaupt keinen Lösungsansatz be-schlossen hat.

Im Interesse der Mehrheit der antragstellenden Gemeindensollen auch sie in die Neugliederungsmaßnahmen einbe-zogen werden. Zu den Details komme ich später. In Ein-wohnerversammlungen in den beteiligten Gemeindenäußerte eine große Mehrheit der teilnehmenden Bürgerihre Zustimmung zu den von den Gemeinden beschlos-senen und hier per Gesetzentwurf zur Regelung vorge-schlagenen Strukturänderungen.

Im Folgenden werde ich auf die einzelnen Regelungstat-bestände näher eingehen. Im Gesetzentwurf wird in § 1 dieAuflösung der Verwaltungsgemeinschaft "Am Ohmge-birge" die Auflösung der kreisangehörigen Städte Leine-felde und Worbis und der Gemeinden Breitenbach, Fernaund Wintzingerode sowie die Bildung der neuen StadtLeinefelde-Worbis vorgeschlagen. Durch die Bildung derneuen Stadt Leinefelde-Worbis wird eine leistungsfähigeGemeinde geschaffen, die mit 22.317 Einwohnern nach derletzten Statistik die größte kreisangehörige Stadt im Land-kreis Eichsfeld sein wird.

(Beifall bei der SPD)

Alle Mitglieder der Verwaltungsgemeinschaft "Am Ohm-gebirge" stimmten der Auflösung der Verwaltungsgemein-schaft zu. Der Gemeinderat der Gemeinde Ferna lehnteam 6. Juni 2003 eine Auflösung der Gemeinde und Be-teiligung an der Bildung der neuen Stadt Leinefelde-Worbis mit 5 zu 4 Stimmen ab, stimmte jedoch mit Be-schluss vom 24. Juni 2003 der Auflösung der Verwaltungs-gemeinschaft "Am Ohmgebirge" zu. Dem Beitritt zur an-grenzenden Verwaltungsgemeinschaft Lindenberg/Eichs-feld, der als Alternative zur Einbeziehung in die neue StadtLeinefelde-Worbis in Betracht kommen würde, lehnte derGemeinderat ebenfalls mehrheitlich ab. Eine andere Zu-ordnung von Ferna ist nicht möglich. An dieser Stelle istdaher der Gesetzgeber gefragt, eine Entscheidung im In-teresse des öffentlichen Wohls zu treffen.

In § 2 des Gesetzentwurfs ist die Auflösung der GemeindenGerstungen, Lauchröden, Oberellen und Unterellen sowieder Verwaltungsgemeinschaft Gerstungen vorgesehen. Ausdem Gebiet der aufgelösten Gemeinden soll eine neueGemeinde mit dem Namen "Gerstungen" gebildet werden,und die neue Gemeinde Gerstungen wird eine leistungs-fähige Gemeinde mit 6.308 Einwohnern sein. Bis auf dieGemeinde Unterellen beschlossen alle Beteiligten ihre Auf-lösung und die Neubildung der Gemeinde Gerstungen. DieGemeinde Unterellen soll trotz ihres gegenteiligen Be-

schlusses in den Gemeindezusammenschluss einbezogenwerden. Die historischen, infrastrukturellen, geografischenund verwaltungstechnischen Verflechtungsbeziehungenverdeutlichen die Zugehörigkeit zu den übrigen Gemeindender Verwaltungsgemeinschaft Gerstungen. Desweiterenwird die Bildung einer Exklave verhindert. Eine Zuord-nung zu einer anderen benachbarten Verwaltungsstrukturwäre nicht sachgerecht.

In § 3 wird die Eingliederung der Gemeinde Marktgölitzin die Gemeinde Probstzella vorgeschlagen. Durch dieEingliederung erhöht sich die Einwohnerzahl der Ge-meinde Probstzella auf 3.868 Einwohner und mit gleichlautenden zustimmenden Beschlüssen haben beide Ge-meinden diese Gebiets- und Bestandsänderung beantragt.Ein Eingliederungsvertrag wurde ebenfalls beschlossen.

§ 4 sieht die Auflösung der Gemeinde Seifartsdorf und ihreEingliederung in die Gemeinde Silbitz vor. Beide Ge-meinden haben dies auf der Grundlage gleich lautenderBeschlüsse beantragt. Durch die Eingliederung erhöht sichdie Einwohnerzahl von Silbitz auf 713. Beide Gemeindenbleiben weiterhin Mitgliedsgemeinden der Verwaltungs-gemeinschaft Heideland-Elstertal, zu der auch die Ge-meinden Crossen an der Elster, Hartmannsdorf, Heide-land, Rauda und Walpernhain gehören.

Als Folge der vorgeschlagenen Bestandsänderungen wer-den weitere Strukturänderungen erforderlich, die ebenfallsin dem Gesetzentwurf geregelt werden. Die Bildung derneuen Gemeinden führt in jedem Fall zu einer Verbes-serung der Leistungskraft, weil eine Bündelung der vor-handenen Ressourcen der bisher selbstständigen Gemein-den stattfinden kann, teure und aufwändige Parallelent-wicklungen, für die die Gefahr bei vielen kleinen be-nachbarten Gemeinden oft bestehen, können vermiedenund gemeinsame Ressourcen wirtschaftlicher und damitauch wirksamer verwendet werden. Überdies ist eine ein-heitliche und abgestimmte Planung über ein wesentlichgrößeres Gebiet möglich, was letztlich allen zu Gutekommt. Ich freue mich auf angehende Beratungen imInnenausschuss. Ich hoffe, dass es uns gelingt die not-wendigen Anhörungen sehr zügig durchzuführen, vielleichtauch aus dem Grund, weil das Finanzausgleichsgesetz diefinanziellen Zuwendungen immer auf der Basis des Be-stands der Einwohnerzahl am 01.01. regelt. Wir solltendie freiwilligen Zusammenschlüsse damit begünstigen,dass es uns vielleicht gelingt, dieses Gesetz entsprechendfrühzeitig hier im Landtag zu verabschieden, ohne dass ichden Beratungen des Innenausschusses da zeitlich vor-greifen will, denn es bedarf sicherlich einer tiefgründigenBeratung mit allen Beteiligten. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat sich zuWort gemeldet der Abgeordnete Schemmel, SPD-Fraktion.

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Abgeordneter Schemmel, SPD:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,ich hatte eigentlich vor, an dieser Stelle einige grund-sätzliche Fragen zu erläutern über Gemeindegebietsreformin Thüringen, da ich wie auch der Innenminister der Mei-nung bin, dass wir uns diesem Problem, selbstverständlichunter Berücksichtigung der Freiwilligkeit als vorrangigesPrinzip, aber auch mit einem möglichen gesetzgeberischenAspekt nähern müssen in Thüringen. Wir sehen, dass wirauch bei diesem Vorschlag schon um einen gesetzgebe-rischen Aspekt nicht herum kommen. Ich erinnere an dieSituation Oberellen/Unterellen bei der Eingliederung. Ichwollte eigentlich etwas sagen, auch wie wir die Landes-planung und Freiwilligkeit mit etwas zielführenden Kor-settstangen in Einklang bringen müssen, denn ich erinneredie Kollegen im Innenausschuss, dass wir in dieser Legis-laturperiode auch einer freiwilligen Eingemeindung ge-folgt sind, die eigentlich nicht ursächlich mit den Zielender Landesplanung übereinstimmte, so dass man sich alsoüber die Prinzipien Freiwilligkeit, Landesplanung und An-reize, wie man diese Freiwilligkeit befördern kann, überdiese Prinzipien müssen wir uns einmal grundsätzlichunterhalten. Das wollte ich eigentlich heute tun, aber vordiesem geringen Publikum ist mir das jetzt nicht der rich-tige Moment. Ich denke aber, wir sollten uns anhanddieses Gesetzentwurfs auch einmal über grundsätzlicheSachen im Innenausschuss unterhalten. Ich freue mich, dassder Innenminister offensichlich der gleichen Meinung andieser Stelle ist, dass wir uns grundsätzlich mit diesemProblem, sicher nicht vor der Landtagswahl im nächstenJahr, dazu eignet sich die Zeit wahrscheinlich nicht so sehr,beschäftigen müssen. Ansonsten bin ich auch genau wieder Innenminister der Meinung, dass wir sehr gründlichdiese betroffenen Gemeinden anhören sollten, sehr gründ-lich beraten sollten und dass wir trotzdem uns das Zielstellen sollten, sehr zügig zu diesen Zusammenschlüssenzu kommen, eben auch weil der kleine positive Aspektnoch für diese Gemeinden in der Sache liegt, dass mandurch die Schlüsselzuweisung des kommunalen Finanz-ausgleichs durch Zusammenschlüsse in eine höhere Ge-wichtsklasse kommt, mithin an einer Schlüsselzuweisungund den dazugehörigen kofinanzierenden Hilfen aus Struk-turmitteln und ähnlichem noch weiter partizipieren kann.Deswegen also unterstütze ich die Bitte des Innenministers,zügig, genau und gewissenhaft anzuhören und dann schnellzu entscheiden. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte in diese Unterstützung noch den Kollegen Pohlaus dem Innenausschuss mit einbeziehen.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Sehr schön. Frau Abgeordnete Dr. Wildauer für diePDS-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet.

Abgeordnete Dr. Wildauer, PDS:

Ja, Herr Minister, bei so viel Unterstützung, wahrscheinlichkriegen Sie Unterstützung jetzt von allen. Aber dennochmöchte ich noch ein bisschen ausholen. Ein paar Fragensind noch offen, die können wir auch heute nicht klären.Ich denke, es ist sicher notwendig, dass wir in alther-gebrachter Weise doch auch wieder die Betroffenen an-hören und uns dann eine wirkliche Meinung bilden undzum Beschluss des Gesetzes kommen.

Doch noch einige Bemerkungen: Es ist so, dass sich offen-bar doch eine Reihe von Gemeinden zur Notwendigkeiteiner zweiten Gebietsreform in Thüringen bekennen. Dervorliegende Gesetzentwurf ist dafür ein Beleg. Und sie tunselbst, was in meinen Augen die Landesregierung und dieCDU versäumt haben, nämlich bis zu den Wahlen 2004eine weitere Gebietsreform, aber auch eine Funktional-und Verwaltungsreform auf den Weg zu bringen. ZumGlück, möchte ich sagen, sind hier die Gemeinden weiter.Wir begrüßen das Vorhaben der in dem Gesetz benanntenGemeinden, sich zu größeren und leistungsfähigeren Ver-waltungseinheiten freiwillig zusammenzuschließen. DieseBewertung ändert natürlich nicht die Tatsache, dass dieGemeinderäte von Ferna und Unterellen bisher, wie wirauch hörten durch den Minister, die Zustimmung nichterteilt haben. Nach unseren Informationen sind die Bürgervon Ferna sehr wohl für die Bildung der neuen StadtLeinefelde-Worbis. Aber wie die Bürger von Unterellenzur Bildung der Einheitsgemeinde Gerstungen stehen, wirdsich sicher im Gesetzgebungsverfahren zeigen müssen.

Meine Damen und Herren, wir haben mehrfach erklärt,dass es zu einer Funktional-, Verwaltungs- und Gebiets-reform in Thüringen eigentlich keine vernünftige Alter-native gibt. Es ist auch bekannt, dass die PDS-Fraktion beider Gebietsreform den Grundsatz der Freiwilligkeit fa-vorisiert. Ich sagte schon, dass wir auch deshalb den vor-liegenden Gesetzentwurf begrüßen. Wenn Sie allerdingsauch unsere Forderungen aufgegriffen und beispielsweisedurch eine Regelung im kommunalen Finanzausgleich denfreiwilligen Zusammenschluss von Gemeinden finanziellgefördert hätten, hätten sich vielleicht doch noch mehrGemeinden für eine Neugliederung im Zusammenhangmit den Kommunalwahlen 2004 entschieden.

Im Grundsatz begrüßt die PDS-Fraktion den vorliegendenGesetzentwurf. Ich möchte aber noch eine Reihe vonFragen und einige Vorschläge bringen. Wir halten es nichtfür sachdienlich, dass dieses Gesetz zum 1. Februar 2004 inKraft treten soll. Einen Grund hat der Minister genannt;einen zweiten möchte ich hier bringen, und zwar: Der-artige Übergangsbestimmungen wie die Erweiterung vonGemeinderäten im Falle der Eingemeindungen und dieBildung von Super-Gemeinderäten, bestehend aus den bis-herigen Gemeinderäten im Falle der Gemeindeneubildungmüssen, glaube ich, nicht sein. Gleiches trifft auf denEinsatz von Beauftragten zu, die für den Übergangszeit-raum Aufgaben des Bürgermeisters der neu gebildeten

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Gemeinde wahrnehmen. Bevor hier die Arbeitsfähigkeithergestellt ist, ist der Übergangszeitraum vorüber. Deshalbgeben wir zu überlegen, ob da nicht der 1. Juli besser wäre,weil es in der Vergangenheit in ähnlicher Weise so gere-gelt wurde. Da ich mir sicher bin, dass diesem Vorschlagnicht gefolgt wird, bin ich doch der Auffassung, dass aufjeden Fall darüber nachgedacht werden sollte, das Gesetzzum 1. Januar in Kraft treten zu lassen. Aber im Zusam-menhang mit den Übergangsregelungen stellt sich auch dieFrage, was mit den hauptamtlichen Bürgermeistern vonLeinefelde und Worbis geschieht. Deren Wahlperiode gehtnoch bis zum 30.06.2006 bzw. bis zum 30.06.2005. Hiermuss aus unserer Sicht eine einvernehmliche Lösung ge-funden werden, die auch die Kosten für den Ruhestand derbetroffenen Bürgermeister bis zum Ende der Amtszeit ein-schließt. Es ist zu hinterfragen, meine Damen und Herren,weshalb beim Fortbestehen des bisherigen Ortsrechts derbeteiligten Gemeinden unterschiedliche Zeiträume vorge-geben werden. Im Falle Leinefelde-Worbis soll das alteOrtsrecht bis spätestens 31.12.2005 aufgehoben werden.Das gilt auch für die Eingemeindung von Marktgölitz nachProbstzella und Seifartsdorf nach Silbitz. Im Fall Gers-tungen hingegen soll dieser Zeitraum bis Ende 2007 ge-fasst werden. Hier wären wir für eine Harmonisierung oderes müsste genau erläutert werden warum. Im Zusammen-hang mit der Schaffung des neuen Ortsrechts wäre eshilfreich, wenn in der Gesetzesbegründung eine Dar-stellung des jetzt in den einzelnen Gemeinden existie-renden Ortsrechts enthalten wäre. Die Gesetzesbegründungverweist auf viele Fakten, die für die jeweilige Gemeinde-neugliederung sprechen, doch gerade hinsichtlich des Orts-rechts - unserer Auffassung nach eine sehr bedeutsameSache - fehlen solche Darstellungen.

Meine Damen und Herren, die an den Gemeindeneu-gliederungsmaßnahmen beteiligten Gemeinden gehörenunterschiedlichen Aufgabenträgern der Wasserver- undAbwasserentsorgung an. Die neue Stadt Leinefelde-Worbiswird mit ihrer Entstehung zunächst Mitglied bei vier Auf-gabenträgern der Wasserver- und Abwasserentsorgungsein. Der Gesetzentwurf sieht zwar ein außerordentlichesrechtsaufsichtlich zu genehmigendes Kündigungsrecht fürdie Zweckverbandsmitgliedschaft vor, dies muss jedochnicht zwingend zur Anwendung kommen. Bisherige Er-fahrungen, z.B. bei der Einheitsgemeinde Werther, habengezeigt, dass Mehrfachmitgliedschaften in Zweckver-bänden sehr langwierig und für Gemeinden mitunter kaumbeherrschbar sind. Deshalb regen wir an, im Gesetz eineverbindliche Lösung aufzunehmen. Ziel muss es sein, dassdie neue Stadt Leinefelde-Worbis möglichst zeitnah nurnoch einem Aufgabenträger der Wasserver- und Ab-wasserentsorgung angehört. Geprüft werden sollte auch, obdie neue Gemeinde Gerstungen die Aufgaben der Wasser-ver- und Abwasserentsorgung dauerhaft in Form einesEigenbetriebs wahrnehmen kann. Auch hier bietet sich dieSchaffung einer nachhaltigen Struktur im Zusammenhangmit der Gemeindeneugliederung an. Eine spätere Struktur-veränderung ist unstrittig mit höheren Aufwendungenverbunden.

Zu einem letzten Komplex, meine Damen und Herren:Wie bei vielen Dingen, so geht es auch bei Gemeinde-neugliederungsmaßnahmen um das Geld. Doch auch hiersind im Gesetzentwurf nur sehr wenige Hinweise ent-halten. So wäre doch äußerst interessant, wie hoch z.B. dieeinzelnen beteiligten Gemeinden verschuldet sind und wiesich die Verschuldung nach der Neugliederung darstellt.Gleiches trifft auf die Frage der dauernden finanziellenLeistungskraft zu. Unsere Fraktion geht davon aus, dassunsere Fragen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens,besonders auch in einer Anhörung, beantwortet und un-sere Hinweise geprüft werden.

Ich möchte aber abschließend den beteiligten Gemeindenfür ihre Initiative zur freiwilligen Neugliederung dankenund ihnen auch unsere Anerkennung aussprechen. Siehaben einen Willen zur Veränderung und zum Handelnzum Ausdruck gebracht, den wir auf Landesebene oftmalsvermissen. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Abgeordneter Fiedler, Sie haben das Wort. Bitte.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,nachdem nun Frau Dr. Wildauer die Landesregierung undden Innenminister so gelobt hat und auch die SPD in wahreJubelstürme ausgebrochen ist, will ich versuchen, dochnoch zwei, drei Dinge mit beizutragen. Als Erstes möchteich festhalten, meine Damen und Herren, dass das ein kon-tinuierlicher Prozess ist, der im Lande stattfindet. Wirhaben in diesem Haus immer eindeutig

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD)

- ach, wissen Sie, kümmern Sie sich um die Bildungs-politik, lassen Sie Innenpolitik uns machen - gesagt, dasswir natürlich für freiwillige Zusammenschlüsse sind unddas wird auch so bleiben. Wir haben immer in diesemHaus auch gemeinsam mit der Landesregierung gesagt,dass es keine Gebietsreform geben wird, auch nicht durchdie Hintertür, Frau Dr. Wildauer. Ich glaube, ich habe nichtgehört, dass der Innenminister in dieser Richtung etwasgesagt hätte. Ich will auch in diesem Zusammenhangvielleicht auf das manchmal unterschiedliche Wahrneh-mungsvermögen der PDS-Fraktion insbesondere hin-weisen, dass sie sich immer gerade das aussucht, wie esihr passt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Wildauer, PDS)

Ja natürlich, Frau Dr. Wildauer, wie es Ihnen passt.

Wir haben immer gesagt, wir werden uns bemühen, soschnell wie möglich das durchzuziehen, wenn freiwillige

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Zusammenschlüsse aller Beteiligten auf dem Tisch liegen.Das werden wir machen. Herr Minister, wir werden auchdas machen, wo ich Ihnen zustimme, wenn es möglich istim Rahmen der Abläufe, dass die echten freiwilligenFälle, die in diesem Gesetz sind, natürlich auch entspre-chend von uns zuerst behandelt werden. Wenn ich anSeifartsdorf denke oder auch Marktgölitz und die ganzenDinge, die damit im Zusammenhang stehen. Das sindnämlich die echten freiwilligen Fälle. Wir wollen uns schonwenigstens auch die Wahrheit sagen. Dann gibt es noch diezwei Probleme im Eichsfeld, wo es einmal um Ferna geht -da hat die PDS vielleicht bessere Erkenntnisse, ich weiß esnicht - und wo es in dem anderen Fall um Unterellen geht.Meine Damen und Herren, wir haben gesagt, wer freiwilligkommt, das werden wir sofort und zügig abwickeln. Aberauch, und das bitte ich vor allen Dingen die Kolleginnenund Kollegen zu bedenken, wir müssen im Kontext des bis-herigen Verfahrens hier handeln und wir stehen zumin-dest immer mit einem Bein vorm Verfassungsgericht, wennnämlich dort eine Klage eingereicht wird, wo bestimmteDinge dann hinterfragt werden. Darauf haben wir bis jetztin den letzten Jahren immer sehr großen Wert gelegt undwir sind, Gott sei dank, nur in wenigen Fällen beklagt wor-den. Am Ende haben wir uns da auch meistens durchge-setzt. Ich denke, das sollten wir in guter Tradition weiter-führen, auch wenn dem einen oder anderen Lokalmatadordas eine oder andere vielleicht lieber ist. Ich verweise auchauf den - ich kann Ihnen ein, zwei Dinge sagen vom 18.Januar 2001, wo Herr Innenminister Köckert gesagt hat,entsprechend der derzeitigen Planung werde die Landes-regierung in dieser Legislaturperiode keine weitere Gebiets-reform durch Gesetzgebung durchführen, sie werde aberfreiwillige, sinnvolle Zusammenschlüsse fördern; vollkom-mene Übereinstimmung. Ich verweise auch auf die Ant-wort von Staatssekretär Scherer am 18. Mai 2001 aufdie Anfrage der Abgeordneten Sedlacik: Die freiwilligeBildung größerer Gemeinden durch Zusammenschlüsseoder Eingemeindungen war und ist möglich und wirdvom Innenministerium befürwortet. Ich will nur daraufhinweisen, dass wir das schon auch mit sehen müssen. Wirwerden selbstverständlich, Kollege Schemmel - er ist ge-rade nicht da und die anderen, aber Kollege Pohl ist ja da -in der nächsten Innenausschuss-Sitzung, wie wir das Pro-cedere kennen, den Fahrplan festlegen, wie die Anhörungendurchzuführen sind, auch in welchen Zeiträumen das mög-lich ist. Dort werden wir keinen übermäßigen Zeitdruckaufmachen. Wir werden zügig, aber sachgerecht, dass wirBestand haben, die Anhörungen durchführen. Und wirwerden auch da, wo notwendig, vor Ort gehen, um uns vorOrt kundig zu machen. Das war bisher Praxis des Innen-ausschusses und ich gehe davon aus, dass wir das weiter-führen. Ich verweise auch, in dem Satz c, Alternativendes Gesetzentwurfs zur Landesregierung, auf den letztenSatz auf der Seite - ich finde es jetzt nicht: "Die in denAnhörungen gewonnenen Erkenntnisse sind zwingend indie abschließende Entscheidung des Gesetzgebers einzu-beziehen." Ich kann nur die Gemeinden dringend bittenund auffordern, ob das Unterellen ist oder ob das Fernaist, dass man sich in der Zeit, die noch vorhanden ist,

ernste Gedanken macht, welche Alternativen, wie dasGanze weitergehen kann. Wir werden jedenfalls zügig dasGanze bearbeiten, aber auch mit der nötigen Aufmerksam-keit und dass wir gegebenenfalls beim Verfassungsgerichtlanden. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Abgeordneter Döring, bitte schön, Sie haben dasWort.

Abgeordneter Döring, SPD:

Also, ich höre nicht auf den Kollegen Fiedler, das habe ichnoch nie gemacht und das werde ich auch nicht tun.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

(Zwischenruf aus dem Hause)

es ist kein regionales Schaulaufen, sondern es geht darum,hier wirklich Dinge, die langzeitig auch vorbereitet wurden,auch mal zu würdigen und zu beschreiben. Das ist unsereAufgabe hier im Parlament und nichts anderes.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der heutigeTag ist für das Eichsfeld ein guter Tag, denn wollen wirwirklich im Dreieck Nordhausen-Kassel-Göttingen unsbehaupten, brauchen wir ein starkes Mittelzentrum Leine-felde-Worbis und die Einheitsgemeinde bringt uns diesemZiel ein gutes Stück näher. Ich denke, wir können so in derOrtsentwicklung der Region neue Impulse setzen und,meine Damen und Herren, die Bildung einer größeren Ein-heit war ja in den betroffenen Gemeinden schon in denJahren 1993/94 ein wichtiges öffentliches Thema, damalsaber von den Dörfern, von den Gemeinden nicht mitge-tragen worden. Es haben damals lediglich die StadträteLeinefelde und Worbis, aber einvernehmlich, die erfor-derlichen Beschlüsse gefasst. Dass aber ein Zusammen-schluss das Mittelzentrum wirklich leistungsfähiger ma-chen wird, das haben immer wieder viele Befürworter ausWirtschaft und aus den Stadträten angemahnt. Ich denke,es ist vor allem ein Verdienst der beiden BürgermeisterEckart Lintzel, der ja heute hier auch zugegen ist undGerd Reinhardt, dass die Diskussion wieder aufgenommenwurde und vor allem, dass die anliegenden Dörfer über-zeugt werden konnten. Die Bildung einer Einheitsgemeindehat bei den Bürgern der betroffenen Region breite Zustim-mung gefunden und ich bin überzeugt, das wird auch dieAnhörung deutlich machen. Auch die Gemeinde Ferna,Herr Fiedler hat darauf abgehoben, wird sich noch über-zeugen lassen, davon bin ich überzeugt. Es hat sich hiereine Initiativgruppe "Zukunft Ferna" gegründet, die sichvehement für den Beitritt zur Einheitsgemeinde einsetzt.

Meine Damen und Herren, drei Probleme möchte ichnoch zum konkreten Gesetzestext anmerken. Einmal der

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§ 5 Abs. 3 und 4, das betrifft die Vertretungsfrage bis zurWahl, also die Bestellung eines Beauftragten durch dieRechtsaufsichtsbehörde. Wie soll das umgesetzt werden.Ich denke, hier bedarf es noch der Aufklärung. Zum an-deren sollte der Gesetzestext so gestaltet werden, dass dieneue Stadt die erhöhten Finanzausgleichsleistungen bereitsin 2004 erhalten kann. Nach dem bisherigen Text ist dasnämlich nicht möglich. Und nicht zuletzt geht es auchdarum, dass der Wunsch beider Stadträte, den Schwerpunktder Verwaltung in Worbis anzusiedeln, sich auch im Ge-setzestext wiederfindet.

Meine Damen und Herren, ich habe die Diskussion zurEinheitsgemeinde Leinefelde-Worbis in den letzten Mo-naten intensiv begleitet. Als Worbiser und ehemals Leine-felder bin ich überzeugt, dass wir den richtigen Weggehen und auch als Nichtinnenpolitiker weiß ich sehr wohl,Kollege Fiedler, größere Verwaltungsstrukturen sind dasGebot der Stunde und als Bildungspolitiker sage ich, ichhoffe sehr, dass das Beispiel Leinefelde-Worbis in Thü-ringen Schule macht. Danke.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das hoffenwir auch sehr.)

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Ja, Herr Minister bitte, gern können Sie noch einmal dasWort nehmen.

Trautvetter, Innenminister:

Herr Döring, nur einen Satz zum Ende, weil den Innen-politikern brauche ich das im Ausschuss nicht zu erläutern.Aber Sie sollten sich einigermaßen auskennen, dass ineiner Einheitsgemeinde nicht durch Gesetz Verwaltungs-sitze in Teilen der Einheitsgemeinde festgelegt werdenkönnen.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das kannman ja nicht wissen.)

Das entscheidet der Stadt- bzw. Gemeinderat.

(Beifall bei der CDU)

Darum möchte ich das gleich hier bei der Einbringung sehrklarstellen, dass so etwas nicht geht und es sollte auchdraußen niemandem gesagt werden, dass man so etwasmachen könnte.

(Beifall bei der CDU)

Das nur noch zur Erläuterung. Es ist, glaube ich, richtig,wenn man das gleich in der ersten Lesung korrigiert.

Vizepräsidentin Ellenberger:

So, jetzt liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehrvor zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir stimmen über dieAusschussüberweisung ab. Beantragt wurde die Druck-sache 3/3562 an den Innenausschuss zu überweisen. Werdem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.Das sieht sehr einmütig aus. Gegenstimmen? Stimment-haltungen? Gibt es keine. Somit ist der Gesetzentwurf ein-stimmig an den Innenausschuss überwiesen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 10 ab und rufeauf den Tagesordnungspunkt 15 c

Parlamentarisches Bündnisfür FamilienAntrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3574 -

Begründung durch den Einreicher wird nicht gewünscht,deswegen fangen wir gleich mit der Aussprache an. Ichbitte Frau Abgeordnete Pelke ans Rednerpult. Bitte schön,Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Pelke, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir habeneinen Antrag in das Plenum eingebracht und ich hattegestern schon die Gelegenheit, kurz die Dringlichkeit zubegründen. Hier geht es um ein parlamentarisches Bündnisfür Familien. Ich knüpfe noch einmal an ein Zitat an. Ichhabe gestern schon den Ministerpräsidenten Althaus zitiert.Er sagt, ein Netzwerk ist notwendig. Thüringens wichtigsteRessource ist der Mensch und wir brauchen viele Miter-zieher, das heißt, wir brauchen viele Dinge, die Familien-politik in diesem Lande begleiten. Aber es geht natürlichauch um die Frage der Finanzpolitik. Deshalb, wenn indieser Situation auf Landesebene und auf kommunalerEbene Bündnisse für Familien gegründet werden sollen,meine Damen und Herren, dann bedarf es zumindest indieser Richtung auch finanzpolitischer Leitplanken. Wirgeraten sonst in die Gefahr, und genau dieses wollen wirparteienübergreifend mit Ihnen diskutieren, dass die inder Familienarbeit bereits tätigen Initiativen samt ihresehrenamtlichen Engagements ins Leere laufen. Deswegenwollen wir mit Ihnen parallel zu dem Bündnis, das derMinisterpräsident und auch der zuständige Minister Zehins Leben gerufen haben, ein Bündnis für Familie, was wiran diesem Punkt auch sehr gern unterstützen. Wir wol-len dieses aber verzahnen mit einem parlamentarischenBündnis hier im Landtag und wollen, bevor es zur Verab-schiedung des Nachtragshaushalts kommt, dieses Bündnisins Leben rufen. Das heißt, dass sich die Sozialpolitikerder Fraktionen verständigen, im Bereich der Familienpolitikeben nicht zu kürzen, Familienpolitik als Schwerpunkt zuerkennen und auch gegebenenfalls die eine oder andereKürzung, die bereits vorgenommen worden ist, und ichhatte gestern die Gelegenheit darauf einzugehen, zurück-nehmen zu können. Denn ohne Absicherung könnte man

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bereits vermuten, dass das Familienbündnis nur unterdem Motto laufen soll, wenn du nicht mehr weiterweißt, und dies insbesondere unter finanzpolitischen As-pekten, dann gründe einen Arbeitskreis. Was macht es füreinen Sinn, mit Vereinen und Verbänden zu diskutierenüber familienpolitische Schwerpunkte, wenn ich auf deranderen Seite nicht bereit bin, in diesem Haushalt dieentsprechende Finanzierung zur Verfügung zu stellen. Des-wegen haben wir noch einmal sehr deutlich gesagt, wirwollen auch in der jetzigen finanzpolitischen Situation mitIhnen übereinkommen unter dem Aspekt, dass wir sagen,das Wichtigste ist die Finanzierung der Arbeit vor Ort. Ichhatte es gestern angesprochen, Frau Arenhövel, Sie wissendas auch sicher, was die Beratungsstellen angeht, was dieSucht- und Drogenprävention angeht. Das Wichtigste ist,dass die Arbeit vor Ort mit kompetentem Personal laufenkann, weil die Situation nicht einfacher, sondern schwie-riger wird und demzufolge brauchen wir auch wenigereine Überbaukoordinationsfunktion, die zu finanzieren ist,sondern das Geld muss vor Ort investiert werden, mussdort zur Verfügung stehen, wo es brennt, wo die Leutemit den Menschen und an den Menschen arbeiten. Das istunsere Zielsetzung.

Lassen Sie mich noch einige Sätze zu dem Thema sagen,was wir auch mit einbezogen haben, das ist die FrageFamilientag. Sie haben im Doppelhaushalt eine Haushalts-stelle eingesetzt unter dem Aspekt familienpoltische Leis-tungen und Sie haben das auch sehr gut begründet. Eshätte die Möglichkeit gegeben, liebe Kolleginnen undKollegen von der CDU, einen Familientag, wie er schonangekündigt wurde von Herrn Minister Zeh, bereits indiesem Jahr durchzuführen. Die Möglichkeit hätten Siegehabt. Aus welchen Gründen auch immer ist dieses nichtzu Stande gekommen. Wir möchten ganz deutlich nicht,dass ein Familientag oder eine Veranstaltung, an der Ver-eine und Verbände teilnehmen, hoffentlich auch diese Ver-anstaltung inhaltlich mit vorbereiten können, wir wollendieses Herausnehmen aus dem Geruch, dass es möglicher-weise parteipolitisch bzw. wahlkampfmäßig ausgenutztwird. Insofern lassen Sie mich die Frage stellen, wann dennnun dieser Familientag geplant ist und ich würde vor-schlagen, möglicherweise im September nächsten Jahres.Dann können auch alle, die mitarbeiten ihre Fachkompe-tenz mit einbringen, insbesondere die, die vor Ort an diesemThema arbeiten.

Lassen Sie uns bitte den Antrag beraten, ich will das jetztwirklich, ohne dass ich irgendeinem auf den Fuß trete.Wir haben bewusst in unserer Antragsbegründung, liebeKollegen und Kolleginnen von der CDU, nicht nur Über-legungen mit eingebunden, was unsere familienpo-litischen Leitlinien angeht, sondern auch Überlegungenmit erwähnt, was Ihre familienpolitischen Leitlinien angeht.Ich würde mir wünschen, dass wir in der Lage sind, wiean anderen Stellen auch, uns zusammenzusetzen im Vor-feld der Verabschiedung des Nachtragshaushalts undgemeinsam familienpolitische Schwerpunkte festlegen, unseinig sind darin, dass wir in diesen Bereichen nicht

kürzen. Ich glaube, wir wären damit Vorbild und wirgäben auch eine Signalwirkung nach außen in all dieBereiche, die sich mit dem umfassenden und gerade in derjetzigen Zeit sehr schwierigen Feld der Familienpolitik be-schäftigen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Frau Abgeordnete Arenhövel, Sie haben das Wort.

Abgeordnete Arenhövel, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,die CDU-Fraktion hat dem Ersuchen der SPD zugestimmt,diesen Antrag heute noch auf die Tagesordnung zu setzen,nicht unbedingt weil wir es als dringlich im eigentlichenSinne erachten - wir hätten ihn auch in vier Wochendebattieren können -, sondern weil es uns einfach wichtigist, dass diese Themen hier im Landtag besprochen undabgearbeitet werden. Wozu braucht man ein Bündnis fürFamilie? Diese Frage habe ich bei Ihnen, Frau Pelke,eigentlich so ein bisschen herausgehört. Ist das eigentlichüberhaupt nötig, oder ich habe so den Verdacht, dass Siedahinter eine Wahlkampfveranstaltung machen wollen.Man braucht ein Bündnis für Familie, weil Familienpo-litik immer einen ganzheitlichen Ansatz braucht, der Quer-schnittsaufgaben betrifft. Das ist ein Punkt. Zum anderen istFamilie nicht nur eine Aufgabe der Politik, sondern sie istein gesellschaftliches, ein gesellschaftspolitisches Thema,in das nicht nur Parlamentarier, sondern in das auchwichtige Gruppen, die in der Gesellschaft Interessen zuvertreten haben, die in der Gesellschaft etwas zu sagenhaben, in ein solches Bündnis einbezogen werden müssen.Das ist eine Feststellung, die wir in allen Diskussionen,die wir in Vorbereitung zu unserem Leitantrag auf derParteiebene geführt haben, dort ist uns das ganz deutlichaufgegangen, denn wir können hier im Landtag Gesetzeverabschieden wie wir wollen, wir werden an der Lagenichts verändern und nichts verbessern, wenn wir nichtGewerkschaften, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Kirchen usw.in diese Dinge mit einbinden. Deswegen begrüße ich essehr und finde es auch sehr gut, dass der Minister-präsident gleich nach seinem Amtsantritt diese Aufgabein Angriff genommen hat und in der nächsten Wochedieses Bündnis für Familie auf Landesebene hier gründenwill, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich muss noch mal auf die Haushaltsbesprechungen zu-rückkommen. Wir haben ja im Sozialausschuss auchneulich über die ganzen Fragen der Familie reichlichdiskutiert in einer öffentlichen Sitzung, das ist das eine.Ich muss noch mal sagen, dass wir trotz der schwer ange-spannten Haushaltslage deutlich Prioritäten gesetzt haben.Wir haben die Eckdaten unserer Familienpolitik, nämlichdas Landeserziehungsgeld und den nahtlosen Übergangzur Kinderbetreuung mit diesem Haushalt sichergestellt.Das ist auch eine enorme Leistung. Ich muss hier mal

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sagen, das Land hat sich da nicht nur angestrengt, son-dern wir verschulden uns auch neu für diese Dinge.Deswegen, denke ich mal, sind die Prioritäten hier nichtnur ausreichend gesetzt, sondern dieses Thüringer Modellist bundesweit bekannt. Es ist einzigartig, es sucht seines-gleichen in den deutschen Ländern, und ich möchte, dasswir es erhalten. An diesem Punkt muss ich mal darauf hin-weisen, dass uns die Bundespolitik hier große Schwierig-keiten bereitet. Das Bundeserziehungsgeld soll mit denEinkommensgrenzen verändert werden und sie sollenherabgesetzt werden auf 30.000 �� 8����������!�����im Jahr. Das heißt, eine Familie, die auch nur etwas mehrverdient, bekommt kein Erziehungsgeld mehr. Ich finde,das ist nun schon ein gravierender Einschnitt, und da vonbesser Verdienenden zu sprechen, das halte ich nicht nurfür unseriös, sondern eigentlich auch für ignorant. Dennwer weiß, was heutzutage ein Kind kostet und was El-tern, die etwas über 2.000 ��4��!����������������� ���auch in ihre Kinder hineinstecken müssen, das ist nun wirk-lich nicht richtig, dass die Bundesministerin Ulla Schmidtda von besser Verdienenden redet. Ich glaube, das habenunsere Familien auch nicht verdient.

(Beifall bei der CDU)

Frau Pelke, hier beginnen meine Sorgen. Denn wenn das sokäme, dann würde unser Thüringer Modell ganz erheb-liche Risse bekommen. Wenn viele Familien aus dem Bun-deserziehungsgeld herausfallen, was wird dann mit demLandeserziehungsgeld, wie ist das dann mit dem letztenhalben Jahr, sparen wir das dann einfach ein und alles istweg, oder wollen Sie verlangen, dass das Land das viel-leicht ausgleicht? Diese Fragen kann man jetzt sicherlichauch nicht gleich beantworten, nur dann kommen wirmit diesem lückenlosen Konzept einfach nicht mehr hin.Das ist meine große Sorge, die ich dabei habe, und ichglaube, es ist gut, wenn Sie auch hier an Ihre Genossenin Berlin einmal einen Appell richten, dass diese Kür-zungspläne zurückgenommen werden im Sinne einerordentlichen Familienpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Denn schauen Sie, Sie haben es auf der Bundesebenenoch nicht ein einziges Mal geschafft, dass auch nur einEurocent in den Taschen der Familien mehr drin ist. Siegeben etwas mehr Kindergeld, dann holen Sie wiedermehr Steuern raus, und so setzt sich das fort. Ich könntejetzt eine lange Liste aufzählen, das will ich aber gar nichtmachen. Es ist auch so, die Einkommensgrenzen hier sozu verändern, halte ich auch deswegen für gefährlich, weilwir wissen, dass gerade in der mittleren Einkommens-schicht die Leute keine Kinder mehr bekommen. 40 Pro-zent der Akademikerinnen bekommen heute keine Kindermehr. Das muss uns doch zu denken geben, meine sehrverehrten Damen und Herren, und da müssen wir dieAkzente in der Familienpolitik schon auch richtig setzen.

Um zur Landespolitik zurückzukehren: Wir werden diesesBündnis für Familie auf Landesebene gründen und werdendas auch in den Kommunen fortsetzen, das ist geplant. Ichglaube, wir sind uns alle einig, Familienpolitik hat aller-ersten Stellenwert und hohe Priorität. So werden wir auchim Ausschuss mit den Themen umgehen. Ich glaube,diese ganzen Dinge mit den Beratungsstellen usw., dassollten wir auch mal etwas fachlich distinguierter undseriös diskutieren. Ich glaube schon, dass der Freistaat Thü-ringen hier seinen Pflichten nachkommt und auch dieBeratungskapazitäten im erforderlichen Umfang sicher-stellt. Deswegen, Frau Pelke, müssen wir Ihren Antragleider ablehnen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Frau Abgeordnete Nitzpon, bitte schön, Sie haben dasWort.

Abgeordnete Nitzpon, PDS:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zu den Be-ratungsstellen wollte ich eigentlich nichts sagen, aber ichmuss noch eine Bemerkung zu Ihnen, Frau Arenhövel,machen. Ich glaube, wir sitzen im November immer beider Arbeitsgemeinschaft der Familienberatungsstellen inverschiedenen Veranstaltungen, denn die Probleme sindriesengroß, das wissen Sie. Es wird kaum nachgekommenmit Beratungen, die Klienten sind so viele, dass sieSchlange stehen müssen, und Sie sagen, das ist kein Pro-blem hier in Thüringen, wenn da mal gekürzt wird. Alsoich kann das nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der PDS)

Politik für Familien ist Zukunftspolitik. Diesem einleiten-den Satz aus der Einladung zum Landesbündnis für Fa-milie der Landesregierung, das kann ich hier sagen, giltnatürlich unsere Zustimmung. Neben der strukturellenFörderung von Familie muss auch die individuelle För-derung gewährleistet sein. Wir unterstützen deshalb dieGründung solch eines außerparlamentarischen Bündnisses,zu dem natürlich auch alle im Parlament vertretenen Par-teien eingeladen sind. Dreh- und Angelpunkt weltweit ist,übrigens viel zu spät von der Politik aufgegriffen, dieBevölkerungsentwicklung. Wir wissen natürlich, dass Al-terungs- und Schrumpfungsprozess der Gesellschaft auchum Thüringens Tore keinen Bogen machen. Dieser Pro-zess mit seinem Geburtenrückgang wird allerdings ver-schärft durch die Abwanderungsrate von jungen Thürin-gern, insbesondere von jungen Thüringer Frauen. Die Aus-wirkungen auf die Wirtschaft, Infrastruktur und die so-zialen Sicherungssysteme sind im Übrigen heute im voll-kommenen Ausmaß deshalb noch nicht absehbar. Insofernunterstützt unsere Fraktion natürlich alle vernünftigenVorschläge und Maßnahmen, die Familien fördern. Unterdiesem Gesichtspunkt erwarten wir diesbezüglich Ände-

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rungen auch von diesem außerparlamentarischen Bündnisaus. Darüber hinaus hält meine Fraktion es durchaus na-türlich für einen wichtigen Schritt, Familienstrukturen zuvernetzen und strukturelle Rahmenbedingungen zu ver-bessern. Allerdings kann das nicht alles in der Familien-politik sein. Wir haben deshalb an die Konstituierung desLandesbündnisses für Familie die Hoffnung, dass jungeMenschen in Thüringen auch bleiben können. Doch ohneberufliche Perspektive, ohne ausreichende Ausbildungs-und Arbeitsplätze vorzuweisen, wird dieses Bündnis zurWahlbrücke für die amtierende Regierungspartei degra-diert. Die Rede des Ministerpräsidenten heute zum Nach-tragshaushalt hat mich an dem Punkt nicht gerade hoff-nungsvoll gestimmt, indem nämlich über Arbeitsplätzegesprochen wurde. Der Ministerpräsident sieht in einerWachstumssteigerung ausschließlich die Verknüpfung mitArbeitsplätzen, aber ich muss Ihnen sagen, Wachstums-steigerung bringt eben nicht automatisch Arbeitsplätzemit sich. Und deswegen muss ich sagen, die Aussagevon Herrn Ministerpräsident war durchaus von absoluterUnkenntnis geprägt.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU)

Das stimmt eben nicht, dazu komme ich dann noch,Frau Groß. Meine Damen und Herren, der Antrag derSPD für ein parlamentarisches Bündnis für Thüringen mitdem Ziel Familien trotz der schwierigen Haushaltslage zufördern, greift meiner Meinung nach zu kurz. Ich mussmich fragen, was das Ergebnis sein soll. Natürlich könntenin einem Bündnis die Fraktionen paritätisch vertreten seinund nicht in der Zusammensetzung, wie derzeit im Landtagoder in den Ausschüssen. Ich kann mir aber persönlichnicht vorstellen, dass dieses Bündnis etwas in dem Sinnebewegt, dass dieses den Nachtragshaushalt oder den Haus-halt festzurrt. Beschlossen werden diese beiden Papiereimmer noch im Landtag unter den leider bestehendenMehrheitsverhältnissen. Wenn Sie, Frau Pelke, heute nochmal gesagt haben, da können sich die Sozialpolitikerzusammensetzen, ich denke, das reicht eben nicht aus,Familienpolitik ist mehr als nur Sozialpolitik.

(Beifall bei der PDS)

Ich denke, wenn es stimmt, was heute hier auch zu diesemTagesordnungspunkt gesagt wurde, dass alle Fraktionenfür Familienpolitik sind, dann müssten natürlich auchalle Fraktionen von sich aus in sozialen Fragen, insbe-sondere auch in der Familienpolitik die im Nachtrags-haushalt jetzt ersichtlichen Kürzungen nicht mittragenund verändern.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, wenn das wirklich alle Frak-tionen wollen, wenn Ihnen so wie uns Familienpolitikam Herzen liegt, dann müsste der Nachtragshaushalt in

vielen Positionen noch einmal verändert werden. Da vonder SPD dieser Antrag vorliegt und wir haben Frau Aren-hövel gehört und auch den Fraktionsvorsitzenden der CDU,Herrn Pietzsch, die immer wieder die Familienfreund-lichkeit hervorkämmen, dann bin ich natürlich opti-mistisch, dass diese Änderungen im Nachtragshaushaltgelingen können. Allerdings, muss ich dazu sagen, warich schon erschrocken, als Herr Althaus vorhin im Nach-tragshaushalt gesprochen hat und das Wort "Familie" undüber Familie gar nicht mehr vorkam, sondern er hat vonKindern im Kernbereich gesprochen. Ich denke, das machteben Familie nicht allein aus.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Da habenSie sich geirrt.)

Ich habe mich nicht geirrt, Frau Arenhövel, wir könnenauch an dieser Stelle - heute wollen das so viele - dieProtokolle zusammen lesen. Das können wir gern machen,Frau Arenhövel. Ich bin da sehr gern bereit und wirkönnen uns noch mal dazu verständigen.

Ich denke, meine Damen und Herren, wir sollten amDienstag die erste Sitzung des Landesbündnisses fürFamilie abwarten und feststellen, ob die Regierung es wirk-lich ernst meint, Entwicklungen für Familie in Thüringenvoranzutreiben. Dazu zähle ich, dass Schlussfolgerungengezogen werden, die dann auch in praktische Politikumgesetzt werden, nämlich auch von der Mehrheitsfraktionhier in diesem Haus - darauf kommt es bei diesem Bündnisan - und dazu zähle ich auch Schlussfolgerungen für denLandeshaushalt und für den in den kommenden Wochenzu beratenden Nachtragshaushalt. Daran werde ich diesesBündnis auch messen. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Abgeordneter Panse, Sie haben das Wort.

Abgeordneter Panse, CDU:

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, als ichden Antrag gelesen habe, war ich erst etwas überrascht.Wenn ich jetzt hier in die Runde schaue, bin ich etwasenttäuscht, sowohl was die Beteiligung hier im Parlamentangeht insgesamt, aber insbesondere von der antrag-stellenden Fraktion. Wenn sie es ernst meinen würdenmit dem parlamentarischen Bündnis für Familie, da hätteich gehofft, dass zumindest von ihrer Fraktion hier zahl-reiche Kollegen da gewesen wären. Das zum Ersten.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD:Prozentual sind wir die Stärksten.)

Nein, nein, auch prozentual greift das nicht. Sie könnenes mal nachrechnen. Der Antrag, so wie er uns vorliegt,suggeriert, dass wir erhebliche Defizite in der Familien-

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förderung des Freistaats haben, und die bestehen so nicht.Ich glaube, da ist es richtig und notwendig, dass wirdarauf hier auch noch mal hinweisen. Die Familienför-derung, das wissen Sie alle, ist im Thüringer Landtag keinRandthema, sondern die regelmäßigen Tagesordnungs-punkte, die wir dazu haben, belegen, dass das durchausein Thema ist, was im Zentrum der Beratungen hier imThüringer Landtag steht.

(Beifall bei der CDU)

Thüringen ist familien- und kinderfreundlich. Dies findet -wie Sie vielleicht auch wissen - durchaus über die Landes-grenzen Thüringens hinaus Anerkennung. Im Übrigen,auch der 3. Sozialbericht, der vorliegt, bestätigt dies. Esist so. Wir haben eine ganze Menge an familienfreund-lichen Maßnahmen, Leistungen, die auf einem hohen Ni-veau bestehen, die wir auch zum größten Teil fortführenwollen, das ist gar kein Geheimnis, und das trotz derbestehenden Haushalts- und Finanzlage. Frau Pelke, damuss ich Ihnen sagen, wir werden sehr vieles in diesemBereich fortführen können, aber wir werden nicht insge-samt im Sozialetat jedes Thema zum Tabuthema erklärenkönnen. Wir haben diese Diskussionen hier regelmäßig.Sie wissen alle, wenn wir hier über Finanzen reden, mankann an einer Decke, die zu kurz ist, nur auf einer Seiteziehen. Man kann nicht an allen Seiten gleichzeitig ziehen.Das betrifft insbesondere auch den gesamten sozialen Be-reich.

Ich habe es gesagt, wir haben Maßnahmen, auf die wir inThüringen zu Recht stolz sein können, die es gab, die esgibt und die es weiter geben wird. Wir haben das Landes-erziehungsgeld, wir haben eine umfängliche Kinder- undHortbetreuung, wir haben den Rechtsanspruch, der schonab zweieinhalb Jahren besteht - wie Sie wissen -, wirhaben die Jugendpauschale, wir haben die Schuljugend-arbeit - alles Maßnahmen, die sich durchaus weit gehendim freiwilligen Bereich bewegen. Darauf können wirstolz sein, dass wir das haben. Im Übrigen - das gebeich gern zu, das ist auch richtig und vernünftig, dass Siedas in Ihrem Antrag durchaus goutieren und als positiveBeispiele mit herausstellen.

Frau Arenhövel hat gesagt, wir haben durchaus im Bunddie Situation, dass da inzwischen dunkle Wolken auf-ziehen. Man kann das an ein paar Beispielen auch etwasdeutlicher machen. Die Ankündigungen, die sich mo-mentan in den Haushaltsberatungen des Bundes so ab-zeichnen, lassen für die Familien mal wieder schlimmesbefürchten. Sie wissen, es sind vom Bundesfinanzmi-nister Eichel unter anderem Einsparungen in Höhe von50 Mio. �� ����;�������������"��������(�����!������worden. Dies wird zum wiederholten Mal allein Erziehendetreffen, denn zudem haben wir die Situation, dass der Weg-fall des Haushaltsfreibetrags, der ja kompensiert werdensollte, vermutlich auch nicht zeitgleich kompensiert werdenwird.

Frau Arenhövel hat hingewiesen auf die Einschränkungenbeim Bundeserziehungsgeld. Durch die nun angekündigteAnhebung der Einkommensgrenzen werden wir die Si-tuation haben, dass das ungekürzte Erziehungsgeld nurnoch den wenigsten Eltern zur Verfügung stehen wird.Auch da vermisse ich die Aufschreie der Empörung beiIhnen in der SPD-Fraktion. Ich denke also, im DeutschenBundestag könnten wir durchaus gut ein parlamentarischesBündnis für Familien gebrauchen. Dort verweigert sichaber die SPD selbst den sachgerechten Diskussionen inden Ausschüssen, wie wir zumindest von Bundestags-kollegen von uns so hören können.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Wann habenSie denn mal unsere Diskussionsaufforderun-gen aufgenommen?)

Da komme ich gleich dazu, Frau Kollegin Pelke.

Die im Thüringer Landtag vertretenen Parteien - und dasspreche ich Ihnen durchaus nicht ab - engagieren sichalle gemeinsam für eine bessere Familienpolitik. Aber, unddas sage ich auch deutlich dazu, dafür haben wir einePlattform, auch eine vernünftige und griffige Plattform,das ist nämlich der Sozialausschuss. Frau Arenhövel hat esangedeutet. Wir haben in der vergangenen Woche sehrumfänglich, sehr lang über die Situation von Familie undJugend im Sozialausschuss diskutiert. Da hätte ich mir eineganze Menge mehr an Anregungen und Impulsen auch vonder heute hier antragstellenden SPD-Fraktion gewünscht.

Konkret aber zum Antrag: Sie haben in dem Punkt 2 desAntrags etwas gebracht, was keinesfalls unsere Zustim-mung finden wird. Wenn nämlich die SPD in diesemPunkt 2 fordert, dass von der Förderung neuer Personal-strukturen und Öffentlichkeitsveranstaltungen abzusehenist, dann zeigt dies für mich nur die mangelnde Be-reitschaft, sich mit neuen Ansätzen auseinander zu setzen.Ich sage Ihnen ganz ehrlich, nach Auffassung der CDU-Fraktion ist es selbstverständlich, dass bestehende Struk-turen immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden, aufihre Effizienz überprüft werden und gegebenenfalls durchneue Konzepte und Ansätze ergänzt bzw. ausgebaut wer-den. Im Übrigen, wer Öffentlichkeitsveranstaltungen so inBausch und Bogen ablehnt, der muss sich schon die Fragegefallen lassen, ob es ihm denn vielleicht mit der Einbe-ziehung aller Interessengruppen gar nicht so ernst ist.

(Beifall bei der CDU)

Sie wissen, dass das von der Landesregierung initiierteLandesbündnis für Familie sich in der nächsten Wocheam 16. September in der Staatskanzlei konstituieren wird,und ich denke - das zeigt die Einladung zu diesem Lan-desbündnis genau -, die Ziele, die Einbindung aller breitenGruppen, das will das Landesbündnis erreichen. Genau ausdiesem Grund wurden nämlich insgesamt 60 verschiedenePartner zu dieser Veranstaltung eingeladen, alle, die sich inder Familienpolitik in Thüringen engagieren und verschrie-

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ben haben, von Familienverbänden aber auch eben hinbis zu den Parteien. Da sind alle dabei, da können alledabei sein, da können wir genau diese auch überpartei-liche Diskussion führen.

Nach Auffassung unserer Fraktion soll nämlich das Lan-desbündnis für Familie durchaus auch seine Fortführungauf kommunaler Ebene finden und mit konkreten Auf-gabenstellungen dann auf kommunaler Ebene die Fa-milienförderung vorantreiben und stärker in den Mittel-punkt rücken. Sie wissen, es gibt Kreise und kreisfreieStädte in Thüringen, die durchaus mit sehr vorbildlichenAnsätzen, z.B. den Familienpass, z.B. den Sozialpass, z.B.auch die erweiterten Ansprüche in der Kinderbetreuungda vorangehen. Sie wissen aber auch, es gibt Kreise undkreisfreie Städte in Thüringen, die da durchaus noch Defi-zite haben und bei der Familienförderplanung beispiels-weise noch eine ganze Menge nachholen können.

Sie haben in Ihrem SPD-Antrag bei der Antragsbegrün-dung geschrieben und da zitiere ich - das Bündnis istgemeint: "... parteiübergreifend im vorparlamentarischenRaum nach Lösungen zu suchen." Im Beschlusspunkt 1hingegen - das ist ja der Text, den wir beschließen sollen -begrenzt die SPD dies unverständlicherweise auf die Land-tagsparteien und auf ein parlamentarisches Bündnis fürFamilien. Dies ist, das hatte Frau Arenhövel schon gesagt,außerordentlich verkürzt. Frau Nitzpon hatte, glaube ich,auch schon darauf hingewiesen. Familienpolitik, das istvöllig richtig, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. DieSPD verkennt nach meinem Eindruck an dieser Stelle,dass die Aufgabenstellung familienfreundlicher Rahmen-bedingungen durchaus insgesamt in unserer Gesellschafteine Aufgabenstellung bedeutet. Das bedeutet eben auch,dass man alle Partner dazu einbezieht und mitmachen lässt.Die SPD, und das hat mich schon ein Stückchen geärgert,Frau Pelke, deswegen sage ich es auch so deutlich, unter-stellt in ihrem Antrag, dass ihre Vorschläge nur deshalbnicht aufgenommen wurden, weil sie von der Oppositionseien. Ich sage Ihnen, diese Unterstellung ist durchaus un-redlich. Denn wir haben hier im Thüringer Landtag zujedem Antrag, den ich zum Thema "Familienpolitik" erlebthabe, eine sachgerechte Diskussion geführt und bei derAblehnung von SPD-Anträgen durchaus auch jedes Malunsere Position ausführlich erläutert. Also, werte Kolle-ginnen und Kollegen von der SPD, ich kann Ihnen nursagen, etwas weniger Selbstmitleid, etwas weniger Mär-tyrertum, etwas mehr sachliche Anträge, die würden Siean dieser Stelle durchaus weiterbringen.

Ein letzter Punkt noch, weil das auch angesprochen warmit dem Familientag. Wir wollen mehr Informationen fürFamilien über bestehende familienpolitische Leistungenund Diskussionen über neue Ansätze. Neben dem Fami-lienratgeber, den es gibt, wollen wir natürlich auch Öffent-lichkeitsveranstaltungen. Nur so haben wir die Gelegen-heit, mit allen Interessierten ins Gespräch zu kommenund dieses Thema in einen breiteren öffentlich wahr-nehmbaren Rahmen zu stellen. Für mich bleibt, und das

sage ich Ihnen ganz zum Schluss, der vorliegende Antragder SPD populistisch, ein Schaufensterantrag, wir werdenals CDU-Fraktion diesem Antrag deswegen nicht folgenkönnen. Ich sage es ganz zum Ende, die Landesregie-rung hat sehr deutlich die Familienpolitik zum Schwer-punktthema erklärt. Für die CDU-Fraktion können wirdies begrüßen, werden dies unterstützen und wir werdenuns im Übrigen auch daran messen lassen, auch hier imThüringer Landtag, aber auch außerhalb des ThüringerLandtags. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Minister Zeh, bitte schön.

Dr. Zeh, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren!Frau Pelke, die Eilbedürftigkeit Ihres Antrags und dieDringlichkeit, die Sie gestern bei der Einbringung desAntrags gesehen haben, sehe ich so überhaupt nicht. Ichverstehe ja, dass Sie etwas außer Atem geraten, wenn Sieden familienpolitischen Themen der CDU hinterher-hetzen wollen.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: ... für sichselber.)

Nein, aber mir scheint eigentlich, Sie können die Themengar nicht so schnell abschreiben, wie sie der Minister-präsident Althaus vorgibt.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Wie er dar-über redet.)

Was aber Ihren Antrag angeht, ich gestehe offen, dassich etwas befremdet bin. Zum einen fordert die SPDfamilienpolitische Aktivitäten der Landesregierung ein,von denen sie eigentlich genau weiß, dass wir sie längstvorbereitet haben.

(Beifall bei der CDU)

Zum anderen fordert sie in diesem Antrag das Gegenteilvon dem, was sie noch vor wenigen Wochen hier imThüringer Landtag beantragt hat. Eine schlüssige Be-gründung für dieses Verhalten, Frau Pelke, sind Sie mirsowohl bei der Begründung im Antrag als auch heutehier im Plenum schuldig geblieben.

So fordert die SPD, ein Bündnis für Familien einzu-richten - sehr schön. Ich freue mich, dass Sie sich mitdieser Idee aus dem Beschluss unseres CDU-Landes-parteitags vom 24. Mai dieses Jahres mit "Familien stärken,Zukunft sichern", so sehr angefreundet haben, dass Sienunmehr selbst so ein Bündnis fordern.

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(Beifall bei der CDU)

Aber diese Forderung ist gar nicht so notwendig und daswissen Sie auch, weil auf Initiative des Ministerpräsi-denten bereits am kommenden Dienstag die erste Sitzungeines "Landesbündnisses für Familie" in der Staatskanzleistattfinden wird. Selbstverständlich haben wir neben zahl-reichen gesellschaftlichen Gruppen auch alle Fraktionenim Thüringer Landtag eingeladen. Aber der Fraktionsvor-sitzende der SPD hat leider abgesagt.

Selbstverständlich ist es unser Bestreben, wie es auch imSPD-Antrag heißt, einen möglichst breiten parteiüber-greifenden Konsens für Familienpolitik zu finden. Was sollalso diese Forderung? Herr Panse hat es eben noch einmalgesagt, eine Eingrenzung des Bündnisses für Familien nurauf parlamentarischer Ebene, das wollen wir gerade ebennicht. Sie haben es dann in Ihrer Rede wieder relativiert,ich gebe es zu, aber aus Ihrem Antrag scheint es so zu sein,dass Sie erst einmal eine Eingrenzung auf die parlamen-tarische Ebene vornehmen - und dies wollen wir ebengerade nicht.

Sie möchten mit dem von Ihnen geforderten Bündnis,ich zitiere: "bestehende und notwendige Leistungen fürFamilien trotz der schwierigen Haushaltslage sichern".Wenn Sie den Nachtragshaushalt betrachten, ist dieseslängst geschehen, Frau Pelke. Die Landesregierung selbsthat sich in Übereinstimmung mit der CDU-Fraktion dasZiel gesetzt, Familien von Einsparungen auszunehmen.Ich bin dankbar, dass uns dies mit dem vorgegebenenNachtragshaushalt gelungen ist.

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Das machenSie doch aber nicht.)

Schauen Sie doch noch einmal im Nachtragshaushalt nach,Frau Nitzpon. Am Ende ist natürlich alles irgendwo mitFamilie verbunden, da können Sie jedes Thema her-nehmen. Aber es geht um die unmittelbare Betroffenheitvon Familien und ich denke, hier haben wir Vorsorge ge-troffen, dass keine Kürzungen vorgenommen worden sind.

Die Parlamentarische Vorgabe, meine Damen und Herren,dafür ist Vorsorge für ein Bündnis für Familien getroffen.Dem Bündnis für Familien, dass wir am Dienstag gründen,kommen dagegen meines Erachtens viel weiter gehendeZiele zu. Wir wollen dort Lösungen suchen für eine bes-sere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für eine stär-kere Elternbildung und für eine familienfreundlichereGestaltung der Umwelt. Natürlich begrüßen wir es, dasssich die SPD im vorliegenden Antrag ausdrücklich zueinigen Initiativen der Landesregierung bekennt, z.B.die Einführung einer Thüringen Familiencard für sozialschwache Familien und die neuen pädagogischen Leit-linien für Kindertagesstätten.

(Beifall bei der CDU)

Merkwürdig ist es allerdings, wenn die SPD-Fraktionfordert, von jeder Förderung neuer, bisher nicht geför-derter Personalstrukturen sowie Öffentlichkeitsveranstal-tungen im Familienbereich abzusehen.

Meine Damen und Herren, das steht im ganzen Gegensatzzum Entschließungsantrag der SPD zu der Regierungs-erklärung des Herrn Ministerpräsidenten von Anfang Juli.Hier hat dieselbe SPD-Fraktion sogar ein landesweitesPersonalprogramm, nämlich die Einrichtung von kommu-nalen Familienbeauftragten durch Landesfinanzierung,gefordert.

Meine Damen und Herren, das passt schlicht nicht zu-sammen. Der Landesregierung ist es gar nicht möglich, insämtlichen Kreisen und kreisfreien Städten neue Stellenfür Familienbeauftragte zu fördern. Es ist sehr wohl abersinnvoll, eine Stelle bei den Familienverbänden anzu-siedeln, um den Kommunen zu helfen, in eigener Verant-wortung kommunale Bündnisse für Familien zu schmie-den. Denn mit solchen kommunalen Bündnissen für Fa-milien können viele Probleme vor Ort unbürokratischangegangen und gelöst werden.

Meine Damen und Herren, noch ein Wort zum geplantenFamilientag im Jahr 2004: Sie wissen, dass sehr vieleBundesländer solche oder ähnliche Veranstaltungen be-reits durchführen. Ich meine, es sind Gelegenheiten zurInformation, zum Austausch und zur Bekanntmachung vonHilfsangeboten für Familien. Ein solcher Familientag hat,gerade wenn er von den Thüringer Familienverbändendurchgeführt wird, einen guten Sinn, wenn mehr Trans-parenz bei den Hilfs- und Beratungsmöglichkeiten fürFamilien möglich wird. Das war übrigens auch eine For-derung der SPD-Fraktion aus früheren Zeiten, wenn ichmich erinnere. Wir wollen keine einmalige Öffentlich-keitsveranstaltung, wie es beispielsweise das Forum derSPD "Forum Familie" war. Die CDU hat eineinhalb Jahreein "Forum Familie" durchgeführt, und wenn ich Sie er-innere, bei Ihnen war es kaum ein halber Tag. Der Landes-familientag soll durchaus eine neue Tradition begründen,wir wollen künftig einen solchen Tag in regelmäßigenAbständen durchführen. Sie schlagen als Alternative sehrviel teurere Maßnahmen in jeder einzelnen Kommune Thü-ringens vor. Meine Damen und Herren, ich halte das nichtfür logisch.

Wenn Sie Familienpolitik wirklich ernst nehmen, und hierbin ich mir mit meinen Kollegen Panse und Arenhöveleinig, dann fordern Sie Ihre Kollegen des SPD-Bundes-tags auf, nicht die Axt an das Bundeserziehungsgeld unddie Unterhaltsvorschussleistungen zu legen.

(Beifall bei der CDU)

Den Wegfall des Haushaltsfreibetrags für allein Erzie-hende, den der SPD-Bundeskanzler Schröder durchgesetzthat, haben Sie ja wohl offenbar kritiklos hingenommen.Meine Damen und Herren, kurz gesagt, Ihr Antrag ist

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überflüssig wie ein Kropf. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Frau Abgeordnete Pelke, Sie haben noch einmal das Wort.Bitte schön.

Abgeordnete Pelke, SPD:

(Unruhe bei der CDU)

Ja, da können die Kollegen in der Mitte stöhnen, wie siewollen, wir müssen Sie so oft ertragen, da können Sieuns jetzt auch einmal ertragen.

(Unruhe bei der CDU)

Was ich einfach nicht ehrlich finde an Ihrer Diskussion,ist, dass Sie hier verschiedene Punkte ansprechen, z.B.Herr Panse, was die Arbeit in den Ausschüssen angeht.Herr Panse ist jetzt gerade nicht da - ach entschuldige lieberKollege Michael, das habe ich nicht gesehen, dann musstdu mir jetzt so zuhören: Bei sechs Abgeordneten, die dieCDU beispielsweise im Sozialausschuss hat, äußern sichhöchstens ein bis zwei zum Thema Sozialpolitik, die SPDhat zwei Abgeordnete und die äußern sich regelmäßig zudiesen Themen. Auch hier muss man einmal Masse mitKlasse vergleichen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Esscheint einen Großteil von Ihren Abgeordneten zu geben,die überhaupt kein Interesse an dieser Sache haben.

Zweiter Punkt: Herr Minister, was mich nervt, ist ja, dassSie bewusst missverstehen und Frau Arenhövel, Sie auch.Ich habe überhaupt nicht die Frage nach einem familien-politischen Bündnis gestellt, sondern ich habe gesagt, dasswir dieses Bündnis unterstützen, schon gestern in derBegründung. Wir werden auch mitarbeiten, ob das nun derFraktionsvorsitzende macht, der kein Sozialpolitiker ist,oder die stellvertretende Fraktionsvorsitzende - das magdahingestellt sein -, das ist im Übrigen unsere eigene Ent-scheidung. Aber dass wir zusätzlich ein parlamentarischesBündnis wollten, weil wir Finanzen sichern wollen, dieSie eben nicht in Ihrem Nachtragshaushalt gesichert haben,aber immer groß über Familienpolitik reden, das ist nichtnachvollziehbar, deswegen wäre es notwendig gewesendarüber zu reden.

Wenn Sie, Herr Panse, sagen, die Plattform ist der Sozial-ausschuss, dann werde ich Sie natürlich jetzt schon daranmessen, wenn wir dann bitten, diesen Antrag an denSozialausschuss zu überweisen, ob Sie wenigstens in derLage sind, die Hand dafür zu heben, oder ob Sie wiederunter Fraktionszwang stehen und dieses nicht mit unter-stützen können. Ich freue mich ja, Frau Kollegin Nitzpon,dass Sie eine solch große Hoffnung in diese Landesre-gierung setzen und in die Ehrlichkeit, die man mit diesemFamilienbündnis offenkundig zumindestens uns glauben

machen will. Natürlich ist es wichtig, sich mit den Ver-bänden zusammenzusetzen und über Schwerpunkte zureden, aber dass die Gefahr besteht, dass man sozusagendurch den Haushalt, der ja immer, wie Sie sagen, Gesetzes-ebene ist, natürlich schon vorgibt, was geht und was nicht,das ist doch offenkundig. Sie haben doch auch immer ge-sagt, dass die Frage von Beratungsstellen, die Frage der Ju-gendpauschale, die Frage der Jugendberufshilfe, die Frageder Drogenprävention, die Frage der Arbeitsmarktpolitikwichtig ist - überall, meine Damen und Herren von derCDU, haben Sie gekürzt -, alles dieses ist Familienpolitik.Darüber wollten wir in einem parlamentarischen Bündnismit Ihnen reden.

Wir haben gestern über die Drogensituation geredet undHerr Minister hat gesagt, es ist keine Gefahr im Verzug.Heute lese ich in der Zeitung "Drogenberatung nicht nuran Schulen unverzichtbar. Kündigungen gefährden Arbeitder Leinefelder Beratungsstelle". Ja, nun erklären Sie mireinmal, was Sachstand ist. Natürlich ist es ein Problem,dass mittlerweile die Kolleginnen und Kollegen an derFront sozusagen kaum noch arbeiten können. Gehen Sie zuden Kinderschutzdiensten, Sie werden es sicherlich wissen,liebe Kollegen, das kaum noch abzuarbeiten ist, was anProblemfällen vor der Tür steht. Ich formuliere es jetztwirklich einmal so, wie es uns von denen gesagt worden ist,die mit den Kindern arbeiten: Teilweise ist es schon so,dass nur derjenige, der offenkundig vor der Tür steht undsuizidgefährdet ist, in ein direktes Gespräch genommenwerden kann, weil alle anderen auf die Warteliste kommenmüssen.

Meine Damen und Herren, wenn das Ihre Kinder- undJugendpolitik ist, dann verstehe ich das nicht mehr. Ichhätte mir gewünscht, dass Sie mit uns zumindest dasGespräch führen. Herr Minister Zeh, das wundert michbei Ihnen, weil Sie eigentlich immer besser zuhören. DieFamilienbeauftragten haben wir nicht als zusätzliche Stel-len beschrieben, sondern wir haben gesagt, die Beauf-tragtenstellen, Gleichstellungsbeauftragte u.a., sollten unterdem Aspekt der Familienpolitik mit einbezogen werden.Genau das ist in unserem Antrag auch beschrieben. ImÜbrigen haben wir das auch mit Vereinen und Verbändendiskutiert.

Ein letzter Punkt: Die SPD war immer dafür, dass die Be-troffenen mit einzubeziehen sind. Insofern noch mal ganzdeutlich, auch für die, die nicht zuhören, wenn die Oppo-sition redet. Wir stehen zu dem familienpolitischen Bünd-nis, das der Ministerpräsident ins Leben gerufen hat. Wirwollen begleitend ein parlamentarisches Bündnis, um dieFinanzen zu sichern, um Sie beim Wort zu nehmen, weiles hier nicht um hohle Sprüche geht, sondern hier gilt estatsächlich etwas zu tun. Das ist hier deutlich beschriebenworden. Wir werden Sie daran messen, lieber Herr Emde,auch Bildungspolitik gehört zur Familie. Auch da wissenwir, dass Sie sich nicht auf dem richtigen Weg befinden.Herzlichen Dank.

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Vizepräsidentin Ellenberger:

Jetzt möchte ich doch noch mal fragen, Frau Abgeord-nete Pelke, war diese Bitte, im Ausschuss für Soziales,Familie und Gesundheit weiter zu beraten, ein Antrag aufÜberweisung?

(Zuruf Abg. Pelke, SPD: Es war ein Antragauf Überweisung an den Ausschuss für So-ziales, Familie und Gesundheit.)

Gut. Mir liegen aber sonst keine weiteren Wortmeldungenvor, so können wir zur Abstimmung kommen. Wie geradegehört, es wurde beantragt, den Antrag der SPD-Fraktionin Drucksache 3/3574 an den Ausschuss für Soziales, Fa-milie und Gesundheit zu überweisen. Wer dem Antrag zu-stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegen-stimmen? Stimmenthaltungen?

(Unruhe im Hause)

Ich möchte Sie bitten, nicht hier vom Präsidium aus IhreReden zu führen.

(Unruhe im Hause)

Dann müssen Sie runtergehen. Sie können das nicht alsSchriftführer machen.

Jetzt stimmen wir aber über den Antrag direkt ab. Wer demAntrag in Drucksache 3/3574 zustimmen will, den bitte ichum das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen?Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf

Fragestunde

Zunächst die Frage der Frau Abgeordneten Kaschuba inDrucksache 3/3560. Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Dr. Kaschuba, PDS:

Zur Situation der Firma sico technology GmbH

Die Firma sico technology GmbH ist in Jena geschäfts-ansässig. Das Firmengelände wurde von der Treuhanderworben. Nach Aussagen des Betriebsrates sind in dieFirma Fördermittel (öffentliche Gelder) geflossen.

Ich frage die Landesregierung:

1. War der Erwerb des Treuhandgeländes mit der Auflagezur Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden?

2. Sind öffentliche Gelder an die Firma geflossen, undwenn ja, zu welchem Zweck und in welcher Höhe?

3. Wenn öffentliche Gelder geflossen sind, welche Bin-defristen waren daran geknüpft?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Minister Reinholz, bitte schön.

Reinholz, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infra-struktur:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damenund Herren, ich beantworte die Mündliche Anfrage derAbgeordneten Dr. Kaschuba für die Thüringer Landes-regierung wie folgt:

Zu Frage 1: Der Landesregierung liegen Treuhandverträgegrundsätzlich nicht vor. Die Kontrolle und Überwachungder Treuhandverträge erfolgt durch die Treuhandanstaltbzw. ihre Nachfolgerorganisation. Sollte die Firma beimErwerb des Betriebsgeländes eine Auflage zur Schaffungvon Arbeitsplätzen akzeptiert haben, ist von dem seiner-zeit üblichen Verpflichtungszeitraum von drei bis fünfJahren auszugehen.

Zu Frage 2: Die Firma sico technology GmbH erhieltkeine Landesfördermittel.

Zu Frage 3 kann ich nur auf die Antwort zu Frage 2verweisen.

Vielen Dank.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Gibt es Nachfragen? Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Dr. Kaschuba, PDS:

Meine Frage an die Landesregierung ist: Ist der Landes-regierung bekannt, dass im Falle dieser Firma sozusagendeutsches Recht außer Kraft gesetzt wird durch denUnternehmer?

Reinholz, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infra-struktur:

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, das ist der Landesregie-rung nicht bekannt.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Danke schön.

Wir kommen zu Frage in Drucksache 3/3563. Bitte,Frau Abgeordnete Stangner.

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Abgeordnete Dr. Stangner, PDS:

Einschränkung der Betreuung im Rahmen der pädago-gisch-praktischen Ausbildung im Vorbereitungsdienst

Nach mir vorliegenden Informationen hat das Kultus-ministerium angewiesen, die Betreuung der Lehramts-anwärter für die ersten drei Ausbildungshalbjahre, ins-besondere durch die Fachleiter und die lehrbeauftragtenFachleiter, ab 1. September 2003 einzuschränken.

Ich frage die Landesregierung:

1. Veranlassen pädagogische, fachdidaktische und/oderfachmethodische Gründe in der Ausbildung der Lehramts-anwärter zu dieser Einschränkung oder sind es rein fis-kalische Zwänge?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Minister.

Abgeordnete Dr. Stangner, PDS:

Ich bin nicht fertig, aber es ist so laut, Frau Präsidentin, dassich gar nicht mehr vorlesen kann.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Na ja, es ist schon noch zu hören.

Abgeordnete Dr. Stangner, PDS:

2. Gibt es Analysen, die diese Einschränkungen recht-fertigen?

3. Kommt es durch die Einschränkungen zu einem Betreu-ungsausfall, und wenn ja, wie soll er kompensiert werden?

4. Kommt es bei der Umsetzung der vorgesehenen Maß-nahmen zu Einsparungen, und wenn ja, für welche Zweckewerden diese eingesparten Mittel eingesetzt?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Jetzt kommt die Landesregierung zum Zuge. Bitte, HerrMinister Krapp.

Dr. Krapp, Kultusminister:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die MündlicheAnfrage der Abgeordneten Frau Dr. Stangner beantworteich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Mit Schreiben des Thüringer Kultusministe-riums vom 5. August 2003 wurden die jeweiligen per-sonalführenden Stellen angewiesen, die den Seminarleitern,den stellvertretenden Seminarleitern, Fachleitern und lehr-beauftragten Fachleitern für Dienstreisen im Rahmen der

pädagogisch-praktischen Ausbildung der Lehramtsan-wärter im Vorbereitungsdienst erteilten Pauschalgenehmi-gungen einzuschränken. Danach sollen die Pauschalge-nehmigungen dieser Bediensteten für Unterrichtsbesucheeinschließlich der Ausbildungslehrproben in der Regel auffünf pro Lehramtsanwärter begrenzt werden. Weitere imEinzelfall gegebenenfalls erforderliche zusätzliche Unter-richtsbesuche bedürfen der Genehmigung durch die jewei-lige personalführende Stelle. Die Einschränkung der Pau-schalgenehmigungen ist sachgerecht. Sie wurde vorgenom-men, um die Vergleichbarkeit der Ausbildung in den ein-zelnen Seminarbezirken zu wahren und auch, um Ausgabe-überschreitungen des Reisekostentitels der staatlichen Stu-dienseminare zu vermeiden.

Zu Frage 2: Untersuchungen des Kultusministeriums habengezeigt, dass die Anzahl der durchschnittlichen Unter-richtsbesuche der Lehramtsanwärter im Zuständigkeits-bereich der einzelnen Studienseminare durch Seminar-und Fachleiter zum Teil erheblich voneinander abwichen.

Zu Frage 3: Nein.

Zu Frage 4: Die hier fragliche Regelung soll dazu bei-tragen, Ausgabenüberschreitungen im vorbezeichnetenReisekostentitel des Landeshaushaltsplans zu vermeiden.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Gibt es Nachfragen? Ja, bitte schön.

Abgeordnete Dr. Stangner, PDS:

Herr Minister, ich habe der ersten Antwort nicht entnehmenkönnen, ob es - bezogen auf den ersten Teil meiner Frage -pädagogische, fachdidaktische oder fachmethodische Grün-de gibt. Darauf hätte ich gern noch eine Antwort.

Eine zweite Frage hätte ich gern beantwortet: Mit denneuen Festlegungen - das war eben auch zu hören - wirdder Verwaltungsaufwand für die Betroffenen erhöht. Daswiderspricht nach meiner Wahrnehmung dem, was dieLandesregierung immer erklärt, Verwaltungsaufwand ab-bauen zu wollen. Dazu hätte ich gern noch eine Äuße-rung von Ihnen.

Dr. Krapp, Kultusminister:

Zum ersten Teil Ihrer Nachfrage ist zu sagen, dass es umVergleichbarkeit in den unterschiedlichen Bereichen derStudienseminare geht, auch letztendlich Vergleichbarkeitder pädagogischen, fachdidaktischen und fachmethodi-schen Ausbildung und des Aufwands dafür.

Was den zweiten Teil Ihrer Frage betrifft, der verwaltungs-technische Aufwand ist durch eine Pauschalisierung zu-nächst einmal begrenzt. Und nur dann, wenn die Pauschaleüberschritten werden muss, tritt ein gewisser Mehraufwandauf.

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Vizepräsidentin Ellenberger:

Es gibt eine weitere Nachfrage, sogar zwei, wie es aussieht.Bitte schön, Frau Abgeordnete Nitzpon.

Abgeordnete Nitzpon, PDS:

Herr Minister, Sie haben zur zweiten Frage gesagt, dassdie Analysen ergeben haben, dass die Betreuung sehrunterschiedlich war und voneinander abgewichen ist. Kön-nen Sie mir erklären, wie kommen Sie dann auf dieAnzahl der Hospitationen, auf die Anzahl fünf durch dieFachleiter und ob das das niedrigste Level war und wieSie das sinnvoll einschätzen?

Dr. Krapp, Kultusminister:

Diese Abweichungen sind festgestellt worden und es gehtauch darum Vergleichbarkeit, ich wiederhole mich andieser Stelle, herzustellen. Die fünf Besuche sind ein Wert,der von den Fachleuten vor Ort, insbesondere den Fach-leitern, für angemessen eingeschätzt wird.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Frau Abgeordnete Sojka. Bitte.

Abgeordnete Sojka, PDS:

Wenn die Mentorentätigkeit gestärkt werden soll, dannmüssten doch dafür auch Rahmenbedingungen geschaffenoder gestärkt werden. Gilt diese Reisekostenverordnungeigentlich auch für die so genannten Seiteneinsteiger anBerufsschulen bzw. ist für sie ein Mentoring oder eineUnterstützung beim Einstieg in die pädagogische Tätigkeitvorgesehen?

Dr. Krapp, Kultusminister:

Es wird kein Unterschied gemacht bei den zu betreuendenLehramtsanwärtern. Ich möchte an dieser Stelle noch da-rauf hinweisen, dass heutzutage nicht nur die Reise zu denReferendaren eine Möglichkeit ist, dort miteinander zukommunizieren, sondern dass zum Beispiel das Internet dieMöglichkeit bietet, auch täglich und stündlich miteinanderin Austausch zu treten.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Vielen Dank, Herr Minister. Wir kommen zur nächstenMündlichen Anfrage in Drucksache 3/3564. Bitte, Herr Ab-geordneter Buse.

Abgeordneter Buse, PDS:

Tourismuskonzept in Thüringen

Am 5. Juni 2003 wies der Staatssekretär im Ministeriumfür Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur in der 86. Sitzung

des Landtags darauf hin, dass der "Entwurf einer neuenTourismuskonzeption im Herbst dieses Jahres" vorgelegtund im Rahmen einer Tourismuskonferenz beraten werdensoll. Im Zusammenhang mit jüngsten Medienberichten ver-stärkt sich der Eindruck, dass die Tourismuskonzeptionnicht wie geplant vorgelegt wird und damit auch derTermin der Tourismuskonferenz berührt werden kann.

Deshalb frage ich die Landesregierung:

1. Trifft es zu, dass entgegen den Ankündigungen in der86. Sitzung des Landtags und der Wirtschaftsausschuss-sitzung vom 15. Mai dieses Jahres das Tourismuskonzeptnun erst Anfang des Jahres 2004 vorgelegt wird?

2. Wenn ja, was führte zu dieser Terminverschiebung?

3. Hat sich im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit undInfrastruktur die Erkenntnis vertieft, dass es notwendig ist,in diese Konzeption noch Ergebnisse und Erfahrungenweiterer Regionalkonferenzen einfließen zu lassen bzw.zu bündeln?

4. Wird mit dem Verschieben des Vorstellungstermins derKonzeption der Termin der Tourismuskonferenz, die an-gekündigt war für Oktober 2003, berührt?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Minister Reinholz. Bitte schön.

Reinholz, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infra-struktur:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damenund Herren, ich beantworte die Mündliche Anfrage für dieThüringer Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Es trifft zu, dass die Landesregierung erstAnfang 2004 ein Tourismuskonzept vorlegen wird. In denangeführten Sitzungen des Thüringer Landtags und desAusschusses für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik warein Entwurf der Konzeption bis Herbst 2003 angekündigtworden.

Zu Frage 2: Aus den bereits durchgeführten Regionalkon-ferenzen ergaben sich zusätzliche komplexe Problemlagen.Zur Bewältigung dieser komplexen Aufgabenstellung hatsich das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruk-tur entschieden, die Tourismuskonzeption für Thüringendurch einen Externen erstellen zu lassen und eine ent-sprechende Ausschreibung durchgeführt. Dem Ministe-rium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur war die Ter-minlage durchaus bekannt. Es schien jedoch sinnvoller, denursprünglich avisierten Termin nicht zu halten als Quali-tätsverluste bei der Erstellung des Konzepts in Kauf zunehmen.

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Zu Frage 3: Es war immer die Absicht des Ministeriums fürWirtschaft, Arbeit und Infrastruktur, die Ergebnisse allerRegionalkonferenzen in die Erarbeitung des Tourismus-konzepts einfließen zu lassen. Die bisher vorliegenden Er-gebnisse der durchgeführten Regionalkonferenzen ermög-lichen einen Start der Erarbeitung des Konzepts. Dieweiterhin noch durchzuführenden Regionalkonferenzenwerden selbstverständlich in die Bearbeitung des Touris-muskonzepts des Freistaats Thüringen einfließen.

Zu Frage 4: Nein, der Thüringer Tourismustag wird - wieangekündigt - am 29. Oktober 2003 stattfinden.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Es gibt eine Nachfrage. Bitte, Herr Abgeordneter Buse.

Abgeordneter Buse, PDS:

Herr, Minister, gestatten Sie eine Nachfrage? Würden Sieden Zeitungsmeldungen zustimmen, die da lauteten, ichzitiere einmal aus dem Gedächtnis: Tourismus ist Chef-sache geworden?

Reinholz, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infra-struktur:

Dem würde ich zustimmen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Sie machenes aber nicht selber.)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Danke schön. Wirkommen zur Mündlichen Anfrage in Drucksache 3/3567der Frau Abgeordneten Fischer. Frau Abgeordnete Thier-bach, Sie werden sie vortragen.

Abgeordnete Thierbach, PDS:

Sparwille der Thüringer Krankenkassen zu Lasten vonÄrzten und Patienten

Die Krankenkassen in Thüringen müssen sparen. Immermehr Anträge der Krankenkassen werden auf "sonstigenSchaden" gestellt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie wird der Begriff "sonstiger Schaden" im sozial-rechtlichen Sinne durch die Krankenkassen definiert?

2. Wie viele Anträge auf "sonstigen Schaden" wurdenbisher im laufenden Jahr 2003 von welchen Kassen undin welcher Höhe gestellt?

3. Auf welche nicht verschreibungspflichtigen Medika-mente beziehen sich insbesondere die Anträge der Kran-

kenkassen auf "sonstigen Schaden"?

4. Mit welchen Auswirkungen auf Arzt und Patient rechnetdie Landesregierung aufgrund der Zunahme der Anträgeder Krankenkassen auf "sonstigen Schaden"?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Staatssekretär Maaßen, bitte schön.

Maaßen, Staatssekretär:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Her-ren Abgeordneten, namens der Landesregierung beant-worte ich die Mündliche Anfrage der Frau Abgeordne-ten Dr. Fischer wie folgt:

Zu Frage 1: Der Begriff "sonstiger Schaden" spielt imRahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106Fünftes Buch Sozialgesetzbuch eine Rolle. Dabei handeltes sich um durch Vertragsärzte verursachte Schäden, dieeiner Krankenkasse durch die Verordnung von Leistungenentstehen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichenKrankenversicherung ausgeschlossen sind. Nach § 48 desBundesmantelvertrags-Ärzte ist Voraussetzung für die po-sitive Feststellung eines "sonstigen Schadens" somit dasVorliegen einer Verletzung vertragsärztlicher Pflichten, dieschuldhaft von einem Arzt begangen sein muss, und dassder Krankenkasse ein Schaden entstanden ist.

Zu Frage 2: Im Jahr 2003 wurden von den Krankenkassenbisher insgesamt 551 Anträge gestellt, die Forderungenhieraus belaufen sich auf insgesamt 254.525,78 ��� /��Höhe des Betrags teilt sich auf die einzelnen Kranken-kassen wie folgt auf: Barmer Ersatzkasse - 255 Anträge,39.345,67 �0�/29���6�6�2���%���������������������23.912,14 �0�2<9�-��������� �� 6�,�2���%������� �����Summe von 137.370,46 �0�&99�����������1�2���%�� miteiner Summe von 658,73 �0�9��55�"���� ��,�2���%�� miteiner Summe von 2.305,68 �0�-�"���!���9���!��!������2 Anträge mit einer Summe von 318,45 �0�+99 Sachsen-Anhalt - 2 Anträge mit einer Summe von 270,47 �0 BKKAllianz - 1 Antrag mit einer Summe von 163,89 �0�+99Westfalen-Lippe - 1 Antrag mit einer Summe von 121,73 �0BKK VBU - 1 Antrag mit einer Summe von 58,56 ��

Zu Frage 3: Durch die Kassenärztliche VereinigungThüringen wurden mir die folgenden Medikamente mit derZahl der Anträge genannt: Vitaminpräparate - 101 Anträge;Lacabiosol - 88 Anträge; Kollateral A + E - 78 Anträge;Terzolin - 68 Anträge; Faktor AF 2 - 19 Anträge; ThymoGlandurette - 16 Anträge, Reductil - 16 Anträge; WobeMugos E - 15 Anträge; Keltican - 13 Anträge; Viagra -13 Anträge; Yohimbin - 10 Anträge; Xenical - 10 Anträge.

Fragen Sie mich nicht, was sich hinter diesen Namenverbirgt.

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Zu Frage 4: Dass die Zahl der Anträge der Krankenkassenwegen sonstiger Schäden zunimmt, konnte mir die Kassen-ärztliche Vereinigung Thüringen nicht bestätigen.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Jetzt gibt es eine Nachfrage. Bitte schön, Herr Abgeord-neter Pietzsch.

Abgeordneter Dr. Pietzsch, CDU:

Herr Staatssekretär, sind auch wegen homöopathischerArzneimittel Anträge gestellt worden?

Maaßen, Staatssekretär:

Ich kann aus der Liste als nicht sachkundiger Mitarbeiterdes Sozialministeriums nicht erkennen, welche homöo-pathischen Mittel sich hinter den Namen hier verbergen.

(Heiterkeit bei der PDS)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Jetzt gibt es aber doch keine weiteren Nachfragen. Dankeschön. Wir kommen zur Frage 3/3570. Bitte, Herr Abge-ordneter Höhn.

Abgeordneter Höhn, SPD:

Vorfinanzierung von Fördermitteln der EuropäischenUnion durch den Freistaat Thüringen

Im Rahmen des Operationellen Programms für den Ein-satz der Europäischen Strukturfonds sowie weiterer EU-Programme erhielt und erhält der Freistaat Thüringen er-hebliche Fördermittel der Europäischen Union. Die Aus-zahlung der Mittel der EU erfolgt seit der neuen Förder-periode 2000 bis 2006 in der Regel als Kostenerstattung,das heißt, das Land muss die Fördermittel der EU vor-finanzieren und fordert diese dann bei der EU ab.

Ich frage die Landesregierung:

1. In welchem Umfang hatte der Freistaat Thüringen mitStichtag 31. August 2003 noch offene Fördermittelfor-derungen gegenüber der EU aus den Jahren 1990 bis1999, und wann rechnet die Landesregierung mit einerBegleichung dieser Forderungen?

2. In welchem Umfang wurden bei der Abwicklung derStrukturfonds sowie der weiteren EU-Förderprogramme inden einzelnen Jahren seit 2000 bis 2003 durch den FreistaatThüringen Fördermittel der EU vorfinanziert, und wann er-folgte bzw. soll die Erstattung der vorfinanzierten Mitteldurch die EU im Einzelnen erfolgen?

3. In welchem Umfang trägt die Einnahme vorfinanzierterEU-Mittel in den Jahren 2003 und 2004 nach dem Stand

des Nachtragshaushalts zum Ausgleich des Thüringer Lan-deshaushalts bei?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Staatssekretär Illert, bitte schön.

Illert, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damenund Herren Abgeordneten, die Landesregierung beant-wortet die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Höhnwie folgt.

Zu Frage 1: Die EU hat gegenüber dem Freistaat nochoffene Refinanzierungsverpflichtungen in Höhe von69.798.894 �� ��*���5�!�� �6��2���� � ���/�� ��� ��"�hierbei um die Abschlusszahlungen handelt, prüft dieKommission im Unterschied zu den Zwischenzahlungensehr detailliert. Die Kommission hat zugesichert, diesesachgerechte Prüfung zügig abzuschließen.

Zu Frage 2: Mit Beginn der neuen Förderperiode, also demJahr 2000, sind grundsätzlich keine Vorfinanzierungenerforderlich. Demnach gibt es auch keine entsprechendenErstattungen.

Zu Frage 3: Da Vorfinanzierungen durch das Land nichtmehr notwendig sind, tragen die Kostenerstattungen der EUnicht zum Ausgleich des Landeshaushalts bei. Vielmehrwerden mit den Einnahmen die Ausgaben finanziert.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Ich sehe keine Nachfragen. Vielen Dank. Herr Abgeord-neter Kummer, Sie haben die nächste Frage in Druck-sache 3/3571. Bitte schön.

Abgeordneter Kummer, PDS:

Übernahme der Entsorgungskosten im Fall des Brandesder Recyclinganlage Gösen

Nach dem Brand der Recyclinganlage Gösen stellt sich dieFrage nach der Übernahme der bisher entstandenen undnoch zu erwartenden Entsorgungskosten für das ange-fallene Löschwasser und die Brandreste. Für den Abtrans-port von Brandresten erhielt die Firma Berkvens UmweltGmbH & Co. KG vom Staatlichen Umweltamt GeraZeitungsangaben zufolge einen Bescheid in Höhe von über1 Mio. ���/�(���!�%��������;�������men, dass es dieseSumme nicht aufbringen könnte.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wem gehört nach Auffassung der Landesregierung dervom Brand der Recyclinganlage betroffene Abfall?

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7953

2. Auf welcher Rechtsgrundlage basiert der Bescheid andie Firma Berkvens, mit dem sie für die Kosten desAbfallabtransports aufkommen soll?

3. Wie soll mit dem noch auf dem Gelände der Recycling-anlage verbliebenen Abfall der Vorgänger der Firma Berk-vens verfahren werden?

4. Wer kann nach Klärung der Ursachen des Deponie-brandes für die Zahlung aller damit im Zusammenhangstehenden Kosten herangezogen werden?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Staatssekretär Baldus, bitte schön.

Baldus, Staatssekretär:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten,die Fragen des Abgeordneten Kummer beantworte ich imNamen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Eigentümer der Abfälle ist nach Auffassungder Landesregierung die Firma Berkvens Umwelt GmbH& Co. KG.

Zu Frage 2: Die Anordnung zur schnellstmöglichen Be-räumung der vom Brand betroffenen Abfälle erfolgte durchdas Staatliche Umweltamt Gera aufgrund des § 21 des Ge-setzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Siche-rung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen.Der Leistungsbescheid folgt nach Ersatzvornahme demBeräumungsbescheid.

Zu Frage 3: Die Firma Berkvens Umwelt GmbH & Co. KGbeabsichtigt, den Betrieb der Recyclinganlage wieder auf-zunehmen. Hierzu sind die erforderlichen Voraussetzungenzu schaffen, die einen bescheidkonformen Betrieb sichern.Dabei wird auch die Frage zu klären sein, wie mit dennoch verbliebenen Abfällen zu verfahren ist. Dies ist der-zeit Gegenstand behördlicher Untersuchungen und Ge-sprächen mit dem Betreiber. Die Behörde kann gege-benenfalls der Firma Berkvens Umwelt GmbH & Co. KGaufgeben, die verbliebenen Abfälle einer ordnungsge-mäßen Entsorgung zuzuführen.

Zu Frage 4: Nach Klärung der Ursachen des Deponie-brandes kann derjenige für die Zahlung aller damit im Zu-sammenhang stehenden Kosten herangezogen werden,der die Ursachen für den Brand gesetzt hat. Das ist im Falleder Brandstiftung der Täter, ansonsten der Anlagenbe-treiber.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Es gibt eine Nachfrage. Bitte, Herr Abgeordneter Kummer.

Abgeordneter Kummer, PDS:

Herr Staatssekretär, worauf stützt sich die Einschätzungder Landesregierung, dass die Firma Berkvens Besitzerund Eigentümer des Abfalls ist?

Baldus, Staatssekretär:

Auf Kenntnis des Sachverhalts und Kenntnis einschlägigerGesetzestexte.

(Heiterkeit bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Es gibt eine zweite Frage. Bitte schön.

Abgeordneter Kummer, PDS:

Ist es auszuschließen, dass der Insolvenzverwalter derVorgängerfirma noch für den Abfall Verantwortung trägt?

Baldus, Staatssekretär:

Der derzeitige Erkenntnisstand lässt keine andere Antwortzu als die Antwort, die ich auf Ihre fünfte Frage bereitsgegeben habe.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Ganz offensichtlich gibt es keine weiteren Nachfragen.Wir kommen zur Frage der Frau Abgeordneten Wolf inDrucksache 3/3504. Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete K. Wolf, PDS:

Wegweisungen und Ingewahrsamnahme in Thüringen

Das Gewaltschutzgesetz des Bundes ermöglicht die Ver-weisung eines/einer Gewalttätigen aus der ehelichen bzw.gemeinsam genutzten Wohnung.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie oft erfolgten Einsätze der Polizei wegen Gewaltim sozialen Nahraum 2002?

2. Wie oft wurden nach diesem Gesetz im Jahr 2002Wegweisungen und Platzverweise vorgenommen?

3. Wie oft erfolgte eine Ingewahrsamnahme nach Ge-walttätigkeiten im häuslichen Bereich?

4. Wie oft waren Frauen die Täter?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Innenminister, bitte schön.

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Trautvetter, Innenminister:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, namens der Landesregie-rung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt.

Zu Frage 1: Im Jahre 2002 wurden 2.450 polizeiliche Ein-sätze aus dem genannten Anlass registriert.

Zu Frage 2: Es wurden 380 Wegweisungen registriert.

Zu Frage 3: Eine Ingewahrsamnahme erfolgte in insge-samt 281 Fällen.

Zu Frage 4: Es liegen keine statistischen Angaben vor,jedoch stellen männliche Täter erfahrungsgemäß dieweitaus überwiegende Mehrzahl dar. Ein Fachgremium derKonferenz der Innenminister und Innensenatoren der Län-der befasst sich aktuell mit der Abbildung von häuslicherGewalt in der polizeilichen Kriminalstatistik. Mit Ergeb-nissen kann nicht vor Sommer 2004 gerechnet werden.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Vielen Dank. Nachfragen sehe ich nicht. Wir kommenzur Frage in Drucksache 3/3565. Bitte Herr Abgeord-neter Buse.

Abgeordneter Buse, PDS:

Streckenausschreibung der DB Netz AG

Auf der Internet-Seite der DB AG (www.bahn.de) werdendie Strecken Bretleben–Sondershausen und Straußfurt-Großheringen durch die DB Netz AG, NiederlassungSüdost, ausgeschrieben. Bis zum 14. November 2003können Interessenten, die als Eisenbahninfrastrukturbe-treiber die Strecke ohne zeitliche Unterbrechung über-nehmen und für den öffentlichen Verkehr in eigener Ver-antwortung weiter betreiben wollen, dies der DB Netz AG,Niederlassung Südost, anzeigen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist diese Ausschreibung und möglicherweise Übertra-gung der Betreibung dieser Strecken an private Eisenbahn-unternehmen mit dem Verkehrsvertrag des Landes mitder DB AG vereinbar?

2. Tritt die Landesregierung der Auffassung der DB NetzAG in der Ausschreibung bei, dass die beiden Streckennicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind?

3. Beabsichtigt der Freistaat, bei nächster Gelegenheit diebeiden Strecken abzubestellen?

4. Ist der Landesregierung bekannt, ob diese Streckenaus-schreibung der DB Netz AG von der DB Regio mitge-tragen wird?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Minister Reinholz, bitte schön.

Reinholz, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infra-struktur:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damenund Herren, ich beantworte die Mündliche Anfrage desAbgeordneten Buse für die Thüringer Landesregierungwie folgt:

Zu Frage 1: Ja, der Verkehrsvertrag des Landes mit derDB Regio AG regelt die Erbringung der vom Land be-stellten Verkehrsleistung. Für die reine Leistungserbrin-gung ist es unerheblich, wem die benutzte Infrastrukturgehört, da entsprechend den gesetzlichen Rahmenbedin-gungen ein diskriminierungsfreier Infrastrukturzugang ge-währleistet werden muss.

Zu Frage 2: Inwieweit Eisenbahnstrecken wirtschaftlichbetrieben werden können, unterliegt ausschließlich derunternehmerischen Eigenverantwortung des Eisenbahn-infrastrukturunternehmens. Allerdings schätzt die Landes-regierung ein, dass die Wirtschaftlichkeit der genanntenStrecken vergleichsweise gering ist. Die von der DB RegioAG eingesetzten modernen Triebwagen verkehren aufbeiden Strecken wegen des schlechten Streckenzustandsmit nur 30 km/h. In Kürze ist aus sicherheitstechnischenGründen mit einer Sperrung der Strecken zu rechnen. Dievon der DB Netz AG erwarteten Kosten für die dringendnotwendigen Maßnahmen, Sanierung der Gleisanlagen,Erneuerung der Sicherungstechnik und Anhebung der Ge-schwindigkeit auf 80 km/h betragen ca. 30 Mio. ���� dieStrecke Bretleben-Sondershausen bzw. ca. 18 Mio. ����die Strecke Straußfurt-Großheringen.

Zu Frage 3: Nein, seitens des Landes ist der Schienen-personennahverkehr auf den genannten Strecken gemäßVerkehrsvertrag mit der DB Regio AG bis 31. Dezem-ber 2011 bestellt. Für den Fall, dass die hierfür notwen-dige Infrastruktur nicht mehr zur Verfügung steht, wurdenin diesem Vertrag Regelungen vereinbart, die eine Ein-stellung des SPNV gewährleisten.

Zu Frage 4: Diese Information liegt der Landesregierungnicht vor. Das Binnenverhältnis zwischen der DB RegioAG als Kunde der DB Netz AG und der DB Netz AG alsLieferant unterliegt der unternehmerischen Eigenverant-wortung. Herzlichen Dank.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Ich sehe keine Nachfragen. Vielen Dank. Wir kommenzur letzten Frage für heute in Drucksache 3/3569. BitteHerr Abgeordneter Buse.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7955

Abgeordneter Buse, PDS:

Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose

Am 1. September 2003 startete das Sonderprogramm derBundesregierung für Langzeitarbeitslose über 25 Jahre(SPALAR). Es fördert zusätzliche Sachbearbeiter zur Be-ratung, Vermittlung und Betreuung von Langzeitarbeits-losen und öffentlich finanzierte Beschäftigungsangebotefür diese Zielgruppe bei Trägern.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele aus diesem Programm finanzierte zusätzlicheSachbearbeiter werden in Thüringen in welchen Institu-tionen eingesetzt?

2. Plant die Landesregierung eigene Aktivitäten zurUnterstützung von Antragstellern aus Thüringen (Beratung,Förderung der Kooperation, Projekte-Pools), und wenn ja,welche?

3. Plant die Landesregierung eigene Aktivitäten zur finan-ziellen Unterstützung des Programms (Zuschüsse), undwenn ja, welche und in welcher Höhe?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Wirtschaftsminister. Bitte schön.

Reinholz, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infra-struktur:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damenund Herren. Ich beantworte die Mündliche Anfrage desAbgeordneten Buse für die Thüringer Landesregierungwie folgt:

Zu Frage 1: Die Durchführung des Programms Arbeit fürLangzeitarbeitslose obliegt den Arbeitsämtern in Ko-operation mit den kommunalen Trägern der Sozialhilfe,also den Sozialämtern bei den Landkreisen und den kreis-freien Städten. Nach Auskunft des LandesarbeitsamtesSachsen-Anhalt-Thüringen wurden in Thüringen 19 durchdas vorgenannte Programm finanzierte Sachbearbeiter ein-gestellt. Davon vier bei den Sozialämtern und 15 bei denArbeitsämtern.

Zu Frage 2: Die Landesregierung plant keine eigenenAktivitäten im Rahmen dieses Sonderprogramms, da siedavon ausgeht, dass der Bund, der das Programm auf-gelegt hat, auch die Durchführung und Finanzierungsicherstellt.

Zu Frage 3: Die Landesregierung plant auch hierzukeine eigenen Aktivitäten. Hinsichtlich der Begründungverweise ich auf die Antwort zu Frage 2.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Ich sehe keine Nachfragen, doch eine Wortmeldung gibtes. Bitte, Frau Abgeordnete Thierbach.

Abgeordnete Thierbach, PDS:

Herr Minister, Sie sagten fünf und vier haben Sie genaubenannt von 19 Sachbearbeitern. Wo wurden die anderen10 eingesetzt?

Reinholz, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infra-struktur:

Ich hatte gesagt vier bei den Sozialämtern und 15 bei denArbeitsämtern.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Gut, vielen Dank. Wir beenden den Tagesordnungs-punkt 18.

Ich rufe auf als letzten Tagesordnungspunkt für heuteden Tagesordnungspunkt 16

Beratung des Berichts des Unter-suchungsausschusses 3/3 "Ein-satz des Landesamts für Verfas-sungsschutz zur Informationsge-winnung über Kandidatinnen undKandidaten für Kommunalwahlendurch den Thüringer Innenminister"- Drucksache 3/3420 - auf Verlangender Fraktion der PDSdazu: Unterrichtung durch die Präsi-

dentin des Landtags- Drucksache 3/3470 -

Es gibt Wortmeldungen. Ich bitte als Ersten Herrn Ab-geordneten Hahnemann an das Rednerpult. Bitte schön.

Abgeordneter Dr. Hahnemann, PDS:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Abschlussdes Untersuchungsausschusses 3/3 mit dem schon ge-nannten Titel "Einsatz des Landesamts für Verfassungs-schutz zur Informationsgewinnung über Kandidatinnen undKandidaten für Kommunalwahlen durch den ThüringerInnenminister" war außergewöhnlich und für uns sehrüberraschend. Auf der Tagesordnung der letzten Sitzungdes Ausschusses am 21. Mai stand die abschließendeBeratung des Entwurfs des Abschlussberichts des Aus-schussvorsitzenden gemäß Untersuchungsausschussgesetz.Der Ausschuss hatte sich in seiner vorletzten Sitzung daraufverständigt, dass Änderungen zum Entwurf des Vor-sitzenden bis zum 15. Mai, also eine Woche vor dernächsten Ausschuss-Sitzung, eingereicht werden sollten.Die SPD hatte mit ihrem Änderungsantrag die Frist ein-gehalten. Ich räume ein, dass meine Fraktion die Frist um

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zwei Tage überschritt. Die CDU-Fraktion jedoch reichteihren Änderungsantrag weniger als eine halbe Stunde vorBeginn der Ausschuss-Sitzung ein. Hierin besteht aller-dings nicht so sehr das Außergewöhnliche des Vorgangs.Außergewöhnlich ist daran, dass dieser Änderungsantragder CDU-Fraktion ein völlig anderes Ergebnis des Ab-schlussberichts vorsah, als der Entwurf des Ausschuss-vorsitzenden Böck. Dies ist ein einmaliger Vorgang, derseinesgleichen sucht. Ohne diese überraschende Wendunghätte meine Fraktion die Aussprache zum Abschluss-bericht nicht beantragt. Der Entwurf des Kollegen Böckkommt zu dem Ergebnis, dass wegen der widersprüch-lichen Zeugenaussagen, die im Untersuchungsauftrag auf-geworfene Frage, ob der Thüringer Innenminister das Lan-desamt für Verfassungsschutz veranlasste, Informationenüber die Blankenhainer Kommunalpolitiker Schneider undPeikow zu gewinnen, nicht habe klären können. Es be-stünde insoweit die Situation eines so genannten non liquet,das heißt, dass nach Überzeugung des Ausschusses wederdie Tatsache, dass der Innenminister die Informationsbe-schaffung veranlasste noch das Gegenteil, dass der Innen-minister dies nicht veranlasste, bewiesen werden konnte.Am Ende des Berichts befand sich allerdings ein Satz, dermit einem Halbsatz abschließt, der der zuvor gemachtenFeststellung jenes non liquet widersprach und auch sonstnicht im Einklang mit der vorhergehenden Beweiswür-digung steht. Dieser Satz lautete, Zitat: "Im Ergebnisschließt sich der Untersuchungsausschuss daher der Auf-fassung des Sachverständigen und Zeugen Dr. Frisch an,wonach ein Auftrag von Innenminister Köckert an dasLandesamt für Verfassungsschutz, Informationen über dieBlankenhainer Kommunalpolitiker Schneider und Peikowzu beschaffen, nicht nachgewiesen werden konnte unddaher davon auszugehen ist, dass ein solcher Auftrag wohlauch nicht erteilt wurde." Um diese Feststellung treffen zukönnen, dass ein solcher Auftrag wohl auch nicht erteiltwurde, muss man von der Wahrheit der Nichterteilung desAuftrags überzeugt sein. Wie in anderen Bereichen desRechts auch, wo es darauf ankommt, einen Sachverhalt zuermitteln, setzt diese Überzeugung keine absolute Ge-wissheit voraus. Jedoch muss ein sehr hoher Grad anWahrscheinlichkeit gegeben sein. In der Rechtsprechungzur Beweiswürdigung im Strafprozess finden sich z.B.Formulierungen wie: "Es müsse für den Tatrichter ein nachder Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheitbestehen, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehrlaut werden können." Bestehen Zweifel, so sind diese nurdann irrelevant, wenn sie realer Anknüpfungspunkte ent-behren und sich lediglich auf die Annahme einer bloßgedanklichen abstrakt theoretischen Möglichkeit gründen.Hier aber war ein solcher Grad der Gewissheit nicht er-reicht, um sagen zu können, vernünftige Zweifel daran,dass der Innenminister nicht die Informationsbeschaffungdurch das Landesamt für Verfassungsschutz veranlasste,bestünden nicht, die Möglichkeit einer Auftragserteilungsei rein abstrakt und theoretisch und entbehre jeglichertatsächlicher Anknüpfungspunkte.

Da war zum einen die widerspruchsfreie Aussage desZeugen Dr. Roewer, der als unmittelbarer Zeuge die Auf-tragserteilung durch den Innenminister bestätigte. Zumanderen gab es Indizien für die Auftragserteilung. So ist dieTatsache unbestritten geblieben, dass am Vormittag des18. Mai 2000, dem auf das Treffen Dr. Roewers mit demInnenminister folgenden Tag, im Landesamt für Ver-fassungsschutz eine Anfrage im nachrichtendienstlichenInformationssystem des Bundes und der Länder, eine sogenannte NADIS-Anfrage, hinsichtlich der BlankenhainerKommunalpolitiker Schneider und Peikow veranlasstwurde. Und dann gibt es die Aussagen von zwei Zeugen,den ehemaligen Mitarbeitern des Landesamts Schäfer undKoch, die die Aussage des Zeugen Dr. Roewer zum Teilbestätigen. Vernünftige Zweifel lassen sich also sowohlhinsichtlich der Darstellung der Vorgänge durch denZeugen Dr. Roewer als auch hinsichtlich der Aussage desdamaligen Innenministers Köckert vorbringen.

Im Ergebnis ging daher der Entwurf des VorsitzendenKollegen Böck zu Recht von einem so genannten nonliquet aus. Wir beantragten daher, den letzten Halbsatz desEntwurfs wegen seiner Widersprüchlichkeit zum Vorher-gehenden zu streichen. Wäre das im Ausschuss erfolgt,hätte der Abschlussbericht unsere Zustimmung gefunden.Die CDU-Fraktion allerdings, wie bereits erwähnt, brachtekurzfristig Änderungen am Entwurf ein, die eine völligneue Formulierung des letzten Abschnitts vorsahen. In die-sem neuen Abschnitt ist jetzt nicht mehr von jenem nonliquet die Rede, Ergebnis ist jetzt die Überzeugung desAusschusses, es stehe fest, dass Innenminister Köckert demPräsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz keinenAuftrag erteilte.

(Beifall bei der CDU)

Weil dieses Ergebnis sich jedoch nicht mit der bisherigenBeweiswürdigung des Entwurfs vertrug, sah der Ände-rungsantrag der CDU-Fraktion die Einfügung verschie-dener Wertungen vor, welche zum Ziel hatten, die Aus-sagen der Zeugen Dr. Roewer, Schäfer und Koch als un-glaubhaft erscheinen zu lassen. In unserer abweichendenStellungnahme haben wir uns mit diesen buchstäblich inletzter Sekunde durch den CDU-Antrag eingefügten Wer-tungen auseinander gesetzt. Bevor ich unsere Argumentehier noch einmal vortrage, stelle ich kurz zum besserenVerständnis den fraglichen Geschehensablauf dar, wie ersich aufgrund der Beweisaufnahme darstellt:

Kurz vor dem fraglichen 17. Mai kam es zu einem Treffenzwischen einem Herrn Hörcher, CDU-Fraktionsvorsitzen-der im Gemeinderat von Blankenhain, und einem Mit-arbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz, demZeugen B. Die Darstellungen zum Anlass und Ablaufdieses Treffens sind widersprüchlich. Der Zeuge Hörcherbehauptete, er habe den Zeugen B. für einen Polizeibe-amten gehalten. Zweck des Treffens sei die Bitte um per-sönliche Sicherheit gewesen, weil er sich aufgrund seinerNachforschungen hinsichtlich von Korruptionsfällen in der

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Gemeinde Blankenhain bedroht fühlte. Bei dem Ge-spräch sei es nicht um Personen gegangen. Der Zeuge B.allerdings behauptete, der Zeuge Hörcher habe ihn ge-troffen, um ihm Unterlagen über die Politiker Schneiderund Peikow zu überreichen, was der Zeuge Hörcher aller-dings bestritt. Weil das Landesamt für Verfassungsschutzfür Korruptionsbekämpfung nicht zuständig sei, habe er,der Zeuge B., die Annahme der angebotenen Unterlagenabgelehnt und Hörcher an die Polizei und die Staats-anwaltschaft verwiesen. Am 17. Mai kam es dann zumTreffen zwischen Innenminister Köckert und Dr. Roewer.Dr. Roewer sagte aus, der Innenminister habe ihm den frag-lichen Auftrag erteilt und ihm dabei den von ihm hand-geschriebenen Zettel, auf dem sich die Namen Schneiderund Peikow befanden, überreicht. Der Zeuge Köckert be-stritt dies und erklärte, sich hieran nicht erinnern zu kön-nen. Dr. Roewer sagte aus, beim Gespräch sei es für ihnnicht erkennbar gewesen, dass ein Zusammenhang mit derKommunalwahl in Blankenhain bestünde. Der ZeugeDr. Roewer führte ferner aus, dass er nach dem Gesprächeinen mit "Protokoll" überschriebenen Vermerk auf seinemNotebook geschrieben habe, der unter anderem auch diefragliche Auftragserteilung als Gegenstand des Gesprächsmit dem Innenminister festhielt. Am darauf folgenden Tag,dem 18. Mai, soll dann der fragliche Auftrag von Dr. Roe-wer an die Zeugen Schäfer und Koch weitergegebenworden sein. Dies haben die beiden Zeugen in ihren Aus-sagen bestätigt. Der Zeuge Schäfer will den VermerkDr. Roewers über das Gespräch gesehen haben, währendder Zeuge Koch aussagte, von Dr. Roewer sei ihm derhandgeschriebene Zettel des Ministers übergeben worden.Zum damaligen Zeitpunkt sei er sicher gewesen, die Hand-schrift auf dem Zettel sei die des Innenministers. MitSicherheit könne er jedoch ausschließen, dass es die Hand-schrift Dr. Roewers gewesen sei. Der Zeuge B. behaupteteebenfalls, einen Zettel mit den Namen Schneider undPeikow gesehen zu haben, die Handschrift sei allerdings dievon Dr. Roewer gewesen. Am gleichen Tag, am 18. Mai2000, soll es laut Aussage von Dr. Roewer ein Fernge-spräch zwischen ihm und dem Innenminister gegebenhaben, in dem habe Dr. Roewer dem Minister mitgeteilt,dass die NADIS-Auskunft bezüglich Schneider undPeikow negativ ausgegangen sei. Im Übrigen habe er demMinister gegenüber klar gemacht, dass das Landesamthier nicht zuständig sei, soweit es sich um einen Fall vonKorruption handeln würde. Das ist die Aussage mit der sogenannten Parteikiste. Schließlich will sich der Zeuge Kochaufgrund einer Kalendereintragung daran erinnern können,die Angelegenheit Schneider und Peikow sei auch nachdem 18. Mai beim Landesamt noch in Bearbeitung ge-wesen und der Zeuge B. sei beauftragt worden, sich dievom Zeugen Hörcher angebotenen Unterlagen zu be-schaffen. Der fragliche Zettel mit der Auftragserteilung desMinisters soll laut Aussage des Zeugen Koch von ihm ver-nichtet worden sein. Das fragliche Protokoll, von dem dannspäter eine Fotokopie bei der TA auftauchte, will der ZeugeDr. Roewer im Panzerschrank seines Amtszimmers abge-legt haben, woraus es dann nach seiner Suspendierung ausdem Amt in seiner Abwesenheit entnommen worden sei.

Aufgrund des Änderungsantrags der CDU nun wird dieAussage des Zeugen Dr. Roewer, der Innenminister habeihm am 17. Mai in der Landtagskantine einen Auftraghinsichtlich Schneider und Peikow erteilt, für nicht glaub-haft erklärt, weil zum einen dieser nur knapp 1,5 Wochenvor der Stichwahl bei der Bürgermeisterwahl keinen Sinnergeben hätte und es zum anderen fragwürdig erscheine,dass ein Minister einen solchen Auftrag von gewisser po-litischer Brisanz einem Mitarbeiter erteilte, über dessen Ab-lösung bereits ernsthafte Überlegungen angestellt wordenseien. Hiergegen ist allerdings einzuwenden, dass derUntersuchungsgegenstand nicht eine Beauftragung zurInformationsbeschaffung zwecks Wahlbeeinflussung war.Im Übrigen kam als Motiv für eine Auftragserteilung durchden Innenminister nicht nur eine Wahlbeeinflussung inBetracht. Der Zeuge Dr. Roewer sagte aus, in dem von ihmbehaupteten Telefongespräch mit dem Innenminister am18. Mai sei unter anderem zur Sprache gekommen, inwie-weit das Landesamt für Verfassungsschutz im Fall derbetroffenen Herren Schneider und Peikow wegen des Ver-dachts von Korruption oder organisierter Kriminalitäthandeln dürfe. Auch der Zeuge K. hatte bestätigt, die An-gelegenheit sei auch unter dem Aspekt der Korruptiongeprüft worden. Aber auch dann, wenn nur eine Wahl-beeinflussung als Motiv in Betracht gezogen werdenkönnte, wäre damit eine Auftragserteilung am Tag des Zu-sammentreffens in der Landtagskantine keinesfalls un-wahrscheinlich. Der Zeuge H. sagte aus, dass man sichtrotz 22 Prozent, die zur absoluten Mehrheit gefehlt hätten,wegen der drei Kandidaten im ersten Wahlgang durchausnoch Chancen ausgerechnet habe. Berücksichtigt man, dasseine mögliche Stasi-Verwicklung mit Hilfe der NADIS-Anfrage schnell hätte festgestellt werden können, so wäreeine auf entsprechende Information dieser Abfrage fußendeWahlbeeinflussung durchaus auch noch möglich gewesen.Im Übrigen hätte auch eine erst nach der Stichwahl fest-gestellte Stasi-Verwicklung noch die Möglichkeit eröffnet,die Wahl des Bürgermeisters im Wege des Wahlprüfungs-verfahrens nachträglich zu revidieren. Die Wertung,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wenn esnur passieren würde bei vielen.)

dass es fragwürdig sei, dass Minister Köckert einen der-artig politisch brisanten Auftrag dem Verfassungsschutz-präsidenten erteilte, ist gleichfalls wenig stichhaltig. Siefindet vor allem in der Aussage des Zeugen Herrn Köckertselbst keine Stütze. Den Aussagen des Zeugen Köckertwar zu entnehmen, dass es zum fraglichen Zeitpunkt am17. Mai 2000 noch keine ernsthaften Erwägungen gab, ihnvom Amt zu entbinden und der Zeuge Dr. Roewer be-zeichnete das Verhältnis zum Minister lediglich als nichtganz spannungsfrei. Aufgrund des CDU-Änderungsan-trags wird jetzt auch die Glaubhaftigkeit der Aussagen desZeugen Koch, die Handschrift des Ministers auf dem ihmvon Dr. Roewer ausgehändigten Zettel erkannt zu haben, inZweifel gezogen, weil es fragwürdig erscheine, inwieweitein Mitarbeiter einer nachgeordneten Landesbehörde dieHandschrift eines Ministers erkennen könne, mit dem er in

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keiner Weise in Kontakt trete. Auch dies vermag nicht zuüberzeugen. Als Referatsleiter und amtierender Abteilungs-leiter befand sich der Zeuge Koch in einer Position, die esals wahrscheinlich erscheinen lässt, dass er gelegentlich mithandschriftlichen Vermerken des Ministers in Berührungkam. Der Zeuge selbst sagte, er habe gelegentlich hand-schriftliche Notizen des Innenministers auf dem Schreib-tisch des Präsidenten gesehen. Der Zeuge Köckert schlossschließlich die Möglichkeit nicht aus, dass sich auch vonihm mit der Hand Geschriebenes im Landesamt befundenhaben könne. Der Zeuge sagte in diesem Zusammenhanglediglich aus, man werde kaum irgendetwas Handschrift-liches von ihm im Landesamt für Verfassungsschutz in Ak-ten finden. Der Zeuge Dr. Roewer schließlich sagte aus, aufseinem Schreibtisch hätten sich gelegentlich Fotokopienvon Unterlagen aus dem Ministerium befunden. DieMöglichkeit, dass dem Zeugen Koch handschriftliche No-tizen des Ministers gelegentlich zu Gesicht gekommensind, ist demzufolge eine nicht nur rein theoretische Mög-lichkeit. Aber auch dann, wenn man annimmt, die Gründe,welche die CDU-Fraktion in ihrem Änderungsantrag gegendie Glaubhaftigkeit der Zeugen Dr. Roewer, Koch undSchäfer vorbringen, seien stichhaltig, so bleibt die Frage,wie es möglich ist, dass am Vormittag des 18. Mai 2000im Landesamt für Verfassungsschutz eine NADIS-An-frage bezüglich der beiden Kommunalpolitiker veranlasstund ausgeführt wurde. Dass diese ohne Beteiligung desInnenministers auf den Zeugen Hörcher zurückzuführen ist,ist zwar denkbar, sowohl der Zeuge Hörcher als auch derZeuge B. widersprachen allerdings dieser Möglichkeitmit ihren Aussagen. Es verbliebe somit nur die Möglich-keit, dass das Landesamt für Verfassungsschutz von sichaus, ohne dass dies von außen veranlasst wurde, die Nach-forschungen bezüglich der Herren Schneider und Peikowveranlasste oder dass diese aufgrund von Anzeigen odereiner sonstigen Initiative von bislang unbekannten Drittenzurückzuführen sind. Hiergegen sprechen allerdings min-destens genauso gravierende Zweifel wie gegen die Mög-lichkeit, dass der Innenminister am 17. Mai in der Land-tagskantine durch Übergabe eines handgeschriebenen Zet-tels mit den Namen Schneider und Peikow dem Präsidentendes Landesamts einen Nachforschungsauftrag erteilte.

Alles in allem war die ursprüngliche Feststellung imEntwurf des Abschlussberichts des Ausschussvorsitzen-den Kollegen Böck, die Annahme eines non liquet dasallein nachvollziehbare Ergebnis der Ausschussarbeit.

Abschließend möchte ich noch hervorheben, dass für denZeugen Köckert nicht der strafprozessuale Grundsatz "imZweifel für den Angeklagten" gilt. Es handelte sich beimUntersuchungsausschuss 3/3 nicht um ein Gerichtsver-fahren, mit dem ein Urteil über Herrn Köckert gefälltwerden sollte, sondern um die parlamentarische Untersu-chung eines mit ihm verbundenen Sachverhalts. HerrKöckert war selbstverständlich nicht in der Rolle desAngeklagten, vor dem Untersuchungsausschuss war erallein ein Zeuge.

Meine Damen und Herren, das Ergebnis unserer Arbeitwar, dass nicht nachgewiesen werden konnte, dass derInnenminister Köckert einen Auftrag erteilt hat, zwei Blan-kenhainer Kommunalpolitiker auszuforschen. Die herr-schende Mehrheit fälscht dieses Arbeitsergebnis um zurFeststellung, dass davon auszugehen ist, dass ein solcherAuftrag wohl auch nicht erteilt wurde. Das halte ich tat-sächlich für eine Frechheit. Damit ist das vielgeprieseneeigentlich aber stumpfe Schwert des Parlaments zer-brochen. Im Übrigen, meine Damen und Herren, ist diebeabsichtigte Entlastung von Herrn Köckert durch Um-deutung der Untersuchungsergebnisse genau nicht dasrichtige Mittel, um eine Entlastung zu erreichen. Dankeschön.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Frau Abgeordnte Dr. Klaus, bitte schön.

Abgeordnete Dr. Klaus, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Druck-sache zum vorliegenden Untersuchungsausschuss ist Ihnenja schon vor der Sommerpause zugegangen, deswegen willich mir hier weitere Einzelheiten ersparen, zumal meinVorredner, Herr Dr. Hahnemann, hinlänglich auf Detailseingegangen ist. Der Auftrag, den Sie dort nachlesen kön-nen, lautete: Veranlasste der Thüringer InnenministerChristian Köckert das Landesamt für Verfassungsschutz,Informationen über den Bürgermeister Schneider der StadtBlankenhain und den Beigeordneten Peikow der StadtBlankenhain zu gewinnen? Mit dieser Frage haben wir unsalso beschäftigt in der Zeit vom 7. November 2001 bis21. Mai 2003, und zwar insgesamt in 13 Sitzungen. Wennman sich auf eine kurze Einschätzung der Arbeit und Be-wertung beschränkt, kommt man aus unserer Sicht zu fol-gendem Ergebnis: Es war Anliegen unserer Fraktion, indieser für alle Beteiligten, und dabei rede ich auch vonden beiden Herrn Schneider und Peikow, sehr sensiblenFrage mit größtmöglicher Objektivität vorzugehen. Eswurde eine Fülle von Daten und Fakten zusammenge-tragen, die aber letztendlich nicht zu einer abschließen-den Klärung in der Sache führen konnten. Dies spiegeltsich auch deutlich im ersten Berichtsentwurf des HerrnVorsitzenden Böck, der zusammen mit der Landtagsver-waltung erstellt wurde, wider, der in seinen wesentlichenTeilen unsere Zustimmung hatte. Wie gesagt, trotz vielerMühe, zahlreicher Stunden der Ausschussarbeit war es alsonicht möglich, hier eine endgültige Aufklärung zu schaf-fen. Allerdings wurde diese sehr unbefriedigende, abernichtsdestotrotz bestehende Situation des non liquet, zudeutsch, es besteht keine Klarheit, als Ergebnis des Un-tersuchungsausschusses von Seiten der CDU-Fraktionvöllig verkannt. Es sollte das Ziel eines Untersuchungs-ausschusses sein, möglichst vollständig den Sachverhalt zuerfassen und dann objektiv zu würdigen. Über diese Grund-prämisse hat sich die CDU-Fraktion mit ihrem Änderungs-

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antrag in eklatanter Weise hinweggesetzt und im Bemühen,einen Persilschein für den ehemaligen Innenminister aus-zustellen, letztendlich nichts weiter getan, als politischesPorzellan zu zerschlagen.

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Das habenSie doch viel früher schon getan, indem Sieankündigten, dass ein Schuldspruch heraus-kommen sollte.)

Das ist überhaupt nicht wahr, erzählen Sie nicht so einZeug, dann lesen Sie die Unterlagen doch einfach nach.Wer glaubt, wie Sie von der CDU, mit Mehrheiten Wahr-heiten schaffen zu können, tut weder sich selbst noch derDemokratie damit einen größeren Gefallen.

(Beifall bei der SPD)

Tatsache ist, dass es am 18. Mai, also halten wir unslieber einmal an Tatsachen, im Landesamt für Verfassungs-schutz fünf Anfragen zu den Namen Peikow und Schneidergegeben hat. Das hat niemand bestritten, das ist so gewesen.Das lässt sich ja verfolgen. Ebenfalls am 18. Mai 2000haben die Zeugen Koch und B. einen Zettel mit diesenbeiden Namen im Landesamt für Verfassungsschutz ge-sehen. Ich erspare mir jetzt die ominöse Schriftdebatte.Somit steht für die SPD-Fraktion fest, dass entweder Ex-Innenminister Köckert oder aber Dr. Roewer vor demUntersuchungsausschuss 3/3 nicht die Wahrheit gesagt undsich deswegen wegen falscher uneidlicher Aussagen nach§ 153 Abs. 2 StGB strafbar gemacht hat. Warum aus Sichtder CDU-Fraktion allerdings nur Herr Köckert glaubwür-dig und deshalb als unschuldig gelten soll, geht aus denUnterlagen des Ausschusses

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Es ist keineSchuld nachgewiesen.)

- Sie haben das "non liquet" auch nicht verstanden,machen Sie sich einfach einmal kundig, Sie haben jaauch Juristen in Ihrer Fraktion, da können Sie gern einmalnachfragen - in keiner Weise hervor. Wie gesagt, es ist be-dauerlich für die Betroffenen, weil man damit ja min-destens einem von beiden Unrecht tut - so will ich das malsagen. Es gibt aber in dem Bericht des Ausschusses ankeiner Stelle eine Würdigung der Zeugenaussagen, es istalso nirgendwo vorgenommen. Wie gesagt, das Ergebnis,das will ich noch mal unterstreichen, ist für alle Betei-ligten unerfreulich, auch für die Mitglieder des Aus-schusses, die sicherlich mehr Klarheit gehabt hätten. Obman aber einem der Betroffenen, wie im Falle vonHerrn Köckert, eine besonders große Freude macht, in-dem man ihn per Mehrheitsdekret für unschuldig erklärt,das wage ich lebhaft zu bezweifeln, zumal, wie gesagt, derAusschuss, der Bericht das in keiner Weise als Schluss-folgerung hergibt. Sie von der CDU-Fraktion haben mitdieser Aktion Herrn Köckert vom Betroffenen zum Ge-schädigten gemacht, denn wer braucht schon einen Persil-schein, der sich nicht aus den objektiven Untersuchungs-

ergebnissen ergibt, sondern per Mehrheitsdekret ausgestelltwurde. Sie sollten sich als CDU-Fraktion künftig hin undwieder klar machen, dass man per Mehrheitsbeschluss ebenauch einige Dinge nicht kann, es sind ein paar wenige,aber es sind einige, z.B. unangenehme Wahrheiten ausder Welt schaffen. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Ihre Wahr-heiten!)

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Ich sehe keine weiteren ... Warum warten Sie immer,bis ich sage, ich sehe keine Wortmeldung, bis Sie sichmelden? Zwei haben sich gleichzeitig gemeldet, HerrAbgeordneter Böck, Sie kommen zuerst dran. Bitte schön.

Abgeordneter Böck, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren,es gibt das alte Sprichwort, dass nirgendwo so viel ge-heuchelt und gelogen wird wie auf Beerdigungen, aber ichhabe mich heute eines Besseren belehren lassen, dass widerbesseres Wissen bei Vorlage gleicher Fakten solche Be-wertungen vorgenommen werden. Das erinnerte mich un-willkürlich an Lessing und seine hamburgische Drama-turgie, der dort sagte, wenn ich einen bestimmten Zweckerreichen will, muss ich mich nur insoweit an die Wahr-heit halten, als sie auch diesen Zweck wirklich erfüllt,ansonsten kann ich auch die Wahrheit erfinden, wennsie nur meinem vorgedachten Zwecke dient.

(Beifall bei der CDU)

Und das ist bei Ihnen so gewesen. Sie erwähnen mit kei-nem Wort, dass einer der Ihrigen, ein unbescholtenerehemaliger Präsident des Bundesamts für Verfassungs-schutz eine sehr intensive Untersuchung durchgeführt hat,auf deren Inhalt ich hier nicht eingehen kann, weil sie demGeheimnisschutz unterliegt, und wo jeder Abgeordnete,der dem Untersuchungsausschuss angehörte, auch in-tensiv nachforschen konnte, was denn da drin stand.Frau Dr. Klaus, ich muss Ihnen zugute halten, Sie warenauch bei der Befragung des Herrn Dr. Frisch, glaube ich,nicht mit anwesend, so dass vielleicht das, was Sie hiervorgetragen haben, der Unkenntnis der tatsächlichen Sach-verhalte geschuldet ist. Sie haben hier zitiert, wie der Unter-suchungsauftrag lautet. Er lautet: Veranlasste der ThüringerInnenminister Christian Köckert das Landesamt für Ver-fassungsschutz Informationen zu beschaffen usw. usw. Undnach dem, was wir dort ermittelt haben, lässt sich genauableiten, dass es nicht geschah. Wir hatten nichts andereszu beweisen, als eindeutig diese Formulierung als erwiesenzu betrachten oder nicht. Das war so nicht, wir hatten nichtzu beweisen, ob er es nicht gemacht hat. Im deutschenRecht ist es noch immer so, dass jemand, der eine Be-hauptung aufstellt über irgendjemand, zunächst mal diese

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Behauptung zu beweisen hat. Hier wurde permanent derVersuch unternommen, und wir haben das auch, das warentlarvend, wie das hier vorgetragen wurde, einmalwurde vom Zeugen Köckert gesprochen, einmal vomBetroffenen, es wurde dann auch tunlichst noch gesagt,er war ja nicht Beschuldigter. Das lässt tief blicken, wieman mit der Person Köckert hier umgegangen ist. Manhätte es gerne gehabt. Es war der Zeuge Köckert, der dortseine Aussagen gemacht hat, und die Bewertung der Aus-sagen haben genau dieses Ergebnis erbracht. Nun wurdeich hier mehrfach zitiert als jemand, der den Entwurf fürden Abschlussbericht erstellt habe. Meines Wissens, das istauch im Protokoll nachzulesen, haben wir den Wissen-schaftlichen Dienst der Landtagsverwaltung beauftragt,zusammenfassend die Ergebnisse in einem Entwurf fürden Untersuchungsbericht zu erstellen. Und genau das ister, nicht mehr und nicht weniger. Und genau daran habenwir uns gehalten, haben analysiert und sind eben zudiesem Ergebnis gekommen. Ich weiß nicht, ob Sie sichdie Mühe gemacht haben und es wäre vielleicht auch in-teressant für die Staatsanwaltschaft, dort noch einmal genaunachzuschauen. Ich wundere mich, dass das nicht gesagtworden ist, vielleicht wird der Abgeordnete Dittes, weil ersich als Betroffener fühlte in der entsprechenden Sitzung,darauf eingehen, dass der Zeuge Roewer sagte, er habemehrfach von Mitgliedern der Landesregierung den Auftragerhalten, bestimmte Personen auszuforschen. Wo lebenwird denn?

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Das frageich mich auch manchmal.)

Der Präsident eines wichtigen Amtes unseres Landes stelltsich dort hin und behauptet etwas, dessen Wahrheitsgehaltman nicht nachvollziehen kann und was eine strafbareHandlung ist. Und jemand, der einen Treueid auf die Ver-fassung des Freistaats geleistet hat, beschädigt eine wich-tige Einrichtung des Landes. Meine Herren Staatsanwälte,es wäre sicherlich interessant, hier die Teile des Proto-kolls noch einmal nachzulesen. Wer das tut, wenn er alsZeuge dort vernommen wird und in Bedrängnis kommtund dann gegen seine Amtspflichten und gegen seinenAmtseid verstößt, dessen Aussage werte ich natürlich alsbesonders glaubwürdig. Natürlich! Und ein unbescholtenerMinister, den ziehe ich in Zweifel, der ist dann nicht alsZeuge dort zu hören, sondern irgendetwas bleibt ja beiihm hängen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: So unschul-dig ist er nicht. Er musste zurücktreten.)

Ich hatte mir fest vorgenommen, mich nicht aufzuregen,besonders dann nicht, wenn der Kollege Dittes hier seineDinge ablässt, ich werde mich auch daran halten

(Beifall bei der CDU)

und werde mir die Freiheit nehmen, wenn ich dort dieseunflätigen Bemerkungen höre, eine kurze Auszeit zu

nehmen und zu schweigen, bis das alles nicht verdaut, son-dern irgendwo weggesackt ist. Oder ein Zweites, was auchhochinteressant ist und was nicht Untersuchungsauftragwar, sicherlich aber sehr bezeichnend ist. Wir habengenau gehört, wie viele Personen beispielsweise mit derNADIS-Anfrage beschäftigt waren. Das ist nicht einmaleine Hand voll gewesen, nicht einmal eine Hand voll. Undda erhebt sich für mich die Frage, und das ist auch in-teressant, wie kann ein Vertreter der Presse aufgrund derRecherche seines Presseorgans ganz gezielt diese Anfragean den Minister Köckert stellen und mit welcher Absicht.Zumal diejenigen, die die Anfrage selbst vollzogen haben,noch weniger als eine halbe Hand voll sind, die aber vondem Amtsleiter zu dieser Anfrage veranlasst wurden. Ichwill Ihnen auch noch etwas sagen. Ich fand gestern aufmeinem Platz einen Zettel mit den Namen Schneider undPeikow.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaus, SPD: Jetzt ister da, der Zettel.)

Ich fand ihn gestern, mit flüchtiger Schrift geschrieben, undich fragte mich dann, wann hast du das denn aufge-schrieben, weil ich es als meine Handschrift identifizierthatte. Die ist nämlich manchmal, wenn man sehr flüchtigschreibt, auch so. Es war allerdings nicht meine. Ich willbeten, dass Sie nicht einmal in die Verlegenheit kommen,als Minister im Freistaat Thüringen zu arbeiten, dann wür-den Sie wissen, wie oft Handschriften im eigenen Hauseeinem Referatsleiter überhaupt zu Gesicht kommen undwie fast unmöglich es ist, dass handschriftliche Notizeneines Ministers in einem nachgeordneten Bereich demAmtsleiter zur Kenntnis kommen, geschweige denn einemReferatsleiter oder einem Mitarbeiter dieses Hauses. Es istfast nicht vorstellbar. Und natürlich hat ein Innenministerauch nichts weiter zu tun, als 14 Tage vor den Stichwahleneiner Kommunalwahl in einer bedeutenden ThüringerKleinstadt den Verfassungsschutz einzuschalten, da liegenalle ständig auf der Lauer, das machen auch Justizministeraus vergangenen Legislaturperioden und Innenminister ausvergangenen Legislaturperioden, das ist ein Tatbestand,

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: RedenSie doch nicht so einen Müll!)

den sicherlich die Staatsanwaltschaft bearbeiten sollte.Dann erstaunt mich, wenn solche Aufträge gang und gäbewaren und nun auch nachgeforscht wurde, waren da auchAbgeordnete des hohen Hauses betroffen? Wieso remons-triert genau dieser Amtsleiter bei diesem Vorgang und erwolle den Auftrag nicht ausführen. Das dient besondersseiner Glaubwürdigkeit. Ausgerechnet hier remonstriert erund bei wesentlich gravierenderen Dingen hat er es einfachausgeführt nach eigenen Aussagen. Der Sache sollte manschon einmal nachgehen, aber nicht im Landtag und nichtim Untersuchungsausschuss. Ich denke, das wäre eineSache für die Justiz. Das würde auch Licht in das Dunkelbringen, wenn es darum geht, wer ist denn hier eigent-lich wie glaubwürdig aufgetreten.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 91. Sitzung, 12. September 2003 7961

Solche Bemerkungen, wie, die CDU-Fraktion fälscheErgebnisse um, da sind wir in guter Gesellschaft mitIhrem Genossen Frisch. Da fühle ich mich ausgesprochenwohl, das sage ich Ihnen. Denn der letzte Satz in dem Un-tersuchungsergebnis, wo wir noch einmal eindeutig auf denHerrn Frisch abheben, ist nämlich seinen Formulierungenaus seinem Bericht entnommen worden. Wenn Sie meinen,das wäre so, man fälsche um und das Ergebnis wäre eineFrechheit, dann nehme ich das so hin, aber gebe es weiterund ich denke, das wird den Kollegen Frisch besondersfreuen.

Es geht auch nicht darum, ob entweder Roewer oderKöckert die Wahrheit oder die Unwahrheit gesagt habe. Esgeht darum, ob der Auftrag erteilt wurde, was behauptetworden ist und ob das nachweisbar ist. Das war nichtnachzuweisen, in keinem Punkt nachzuweisen. Der Ver-such, der immer wieder unternommen wurde - das warauch tunlichst verschwiegen worden -, den Untersuchungs-ausschuss zu instrumentalisieren und auf einer ganz an-deren Ebene laufen zu lassen, dort Ergebnisse über dasLandesamt für Verfassungssschutz auszuspähen, sie öffent-lich zu machen, das Landesamt zu diskreditieren, auch dieAblehnung solcher Beweisanträge - darauf geht man hiernicht ein. Da wird stattdessen der eigene Bericht nocheinmal verlesen, was natürlich den Wahrheitsgehalt nichtbesonders vergrößert. Warum, frage ich mich, sagen Sienicht, welche Beweisanträge von Ihnen gestellt, nichtzugelassen wurden. Wir haben auch das Mittel, dass dieKommission dann entscheidet mit drei Oberrichtern, diesich sehr intensiv mit den Beweisanträgen befasst habenund die keinen von ihnen zugelassen haben, sondern immerbestätigt haben, die Ablehnung dieser Beweisanträge wargenau rechtens.

Zusammenfassend kann ich sagen, der Abschlussberichtdes Untersuchungsausschusses entspricht genau den Tat-sachen und ich bin felsenfest überzeugt, dass er die Wahr-heit ist. Der Versuch, das non liquet jetzt immer wiederzu strapazieren und hineinzubringen ist nichts weiter alsder Versuch, wenn mit Dreck geworfen ist, wird auchschon irgendwie etwas hängen bleiben. Wir können eszwar nicht beweisen, aber es hätte ja so sein können, wiewenn Sie Ihren Bericht, Kollegen von der PDS, noch ein-mal durchlesen, nur vom Konjunktiv getragen ist. DemModus der unerfüllten Bedingungen, die aber sehr oft dannin die Wirklichkeitsform übersetzt werden - so liest man esdann und so wird es dann auch in der Öffentlichkeit undin der Presse kolportiert. Irgendwas wird schon hängenbleiben. Ich zweifle einfach daran, dass Sie redlich darumbemüht waren, hier die Wahrheit aufzuhellen. Genau dashat der Ausschuss getan und genau das drückt sich im Ab-schlussbericht aus. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Es hat das Wort der Abgeordnete Dittes, PDS-Fraktion.

Abgeordneter Dittes, PDS:

Herr Böck, als Sie am Anfang Lessing bemühten, um fest-zustellen, dass das oftmals in der Absicht liegt, die Wahr-heit nur da zur Kenntnis zu nehmen, damit das mit dereigenen Wahrheit noch in Übereinstimmung zu bringenist, nahm ich an, Sie reden als Ausschussvorsitzender undmeinen Ihre eigene Fraktion. Sie haben dem aber wider-sprochen und sind der Meinung, dass die Vorlage imUntersuchungsausschuss nicht der Berichtsentwurf desUntersuchungsausschussvorsitzenden ist, dann will ichIhnen aus der Drucksache 3/3420 zitieren. Dort wird zur12. Sitzung des Untersuchungsausschusses geschrieben:"Die Abgeordneten erörterten den vorliegenden Entwurfdes Vorsitzenden." Zur 13. Sitzung wurden laut dieserDrucksache und laut dem Beschluss des Untersuchungs-ausschusses Änderungsanträge zum Entwurf des Vor-sitzenden diskutiert. Also, Herr Böck, da frage ich michnatürlich schon, wie Sie innerhalb einer Sitzung odereines Sitzungsverlaufs von der Auffassung des bestehendennon liquet zu der Auffassung gelangen können, wie jetztim Abschlussbericht steht, dass ein entsprechender Auftragdurch den damaligen Innenminister Köckert nicht erteiltworden ist. Denn das, was wir im Untersuchungsausschussherausgefunden haben, war eben nicht, wie Sie uns unter-stellen, dass der Innenminister Köckert hat, sondern wirhaben festgestellt, dass wir einen entsprechenden Nachweisnicht führen konnten. Es ist eben ein Unterschied, ob manihn nicht führen konnte, weil man in der Arbeit mit denArbeitsmitteln, aber auch mit den zur Verfügung stehen-den Zeugen in diesem Moment nicht in der Lage ist oderob man behauptet, dass ein solcher Nachweis auch nichtgeführt werden kann, weil die objektiven Tatsachen nichtvorhanden sind, wie Sie das jetzt in Ihrem Untersuchungs-ausschussbericht, den Sie mit den Änderungen vorgelegthaben, entnehmen können. Ich will Sie in diesem Zusam-menhang auch deutlich auf die vorgenommenen, zwarfeinsinnigen Änderungen hinweisen. Dort steht im Ent-wurf des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses aufSeite 26, ob während dieses Gesprächs zwischen Innen-minister Köckert und dem damaligen Präsidenten usw.wurde im Ergebnis nicht nachgewiesen. Im entsprechendenÄnderungsantrag Ihrer Fraktion wurde dort sehr feinsinnigherumformuliert, ob während dieses Gespräches zwischenInnenminister Köckert und dem ehemaligen PräsidentenDr. Roewer ein Auftrag an das Landesamt usw. kann nichtnachgewiesen werden. Mit solchen feinsinnigen Umfor-mulierungen versuchen Sie, Ihre Aussage zu stützen, dassein solcher Auftrag auch nie erteilt worden ist und deshalbnicht nachgewiesen werden kann. Das ist die von meinemKollegen Hahnemann angesprochene Uminterpretation deseigentlichen Ergebnisses des Untersuchungsausschusses.

(Beifall bei der PDS)

Aber, meine Damen und Herren, ich will noch auf mehrereandere Aspekte der Arbeit des Untersuchungsausschusseshinweisen. Denn, wie viele Journalisten sicherlich aus ihrerSicht, aus ihrer Erwartungshaltung zu Recht feststellten,

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dass der Untersuchungsausschuss zu keinem Ergebnisgekommen ist, kann man hier im Thüringer Landtagsicherlich nicht stehen lassen und kann das auch nichtweiter in dieser Form behaupten. In der Tat, Herr Böck, Siehaben das angesprochen, der Untersuchungsausschuss hateinen ganz erheblichen Einblick in die Arbeitsweise desLandesamts für Verfassungsschutz gewonnen, die hierdurchaus auch im Zusammenhang mit dem Fall Blanken-hain erörtert werden sollen. Erstens wurde deutlich, dassdie gesetzlich verankerten Eingriffsschwellen im ThüringerVerfassungsschutzgesetz offensichtlich bei der Arbeit desThüringer Landesamts überhaupt keine Rolle spielen.Zweitens wurde durch diesen Untersuchungsausschussdeutlich, dass eine Kontrolle dieses Amtes, eine nach-trägliche Kontrolle der Arbeitsweise nicht mal mit denInstrumenten des Strafprozessrechts möglich ist. All diesgründet sich auf der Tatsache, die Sie auch nicht be-streiten können, dass es innerhalb des Landesamts für Ver-fassungsschutz im Mai 2000 einen Vorgang Schnei-der/Peikow gegeben hat.

Es gab, meine Damen und Herren, nicht nur einen Vor-gang Schneider/Peikow, sondern es gab eine Datenver-arbeitung der personenbezogenen Daten von den HerrenSchneider und Peikow, nämlich ab dem Moment, als ihreNachnamen in das nachrichtendienstliche Informations-system NADIS eingegeben worden sind, diese Anfragengespeichert worden sind und nachher wieder eruierbargewesen sind. Für eine derartige Datenverarbeitung gibtes im Thüringer Verfassungsschutzgesetz eine ganz klareRechtsgrundlage und die heißt in § 2 Abs. 1 "Voraus-setzung für Verarbeitung personenbezogener Daten istdas Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte."

Meine Damen und Herren, diese Anhaltspunkte lagen imFalle Schneider/Peikow nicht vor. Die müssen begründen,dass es sich etwa bei den zu beobachtenden Objekten umBestrebungen, die sich gegen die freiheitlich-demokra-tische Grundordnung, den Bestandsschutz usw. richten,handelt. Die tatsächlichen Anhaltspunkte hätten beweisenmüssen, dass es sich etwa um eine sicherheitsgefähr-dende oder geheimdienstliche Tätigkeit im Namen einerfremden Macht bei der Kommune Blankenhain und dessenFührung der Herren Schneider und Peikow handelnmüsste. Es hätte begründen müssen, dass es Bestrebun-gen im Geltungsbereich des Grundgesetzes sind, die durchdie Anwendung von Gewalt und darauf gerichtete Vor-bereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundes-republik Deutschland gefährden oder es hätten auch Be-strebungen sein müssen, die sich gegen den Grundge-danken der Völkerverständigung richten. All diese Tat-sachen, all diese Anhaltspunkte konnten im Untersu-chungsausschuss nicht geklärt werden, die unter Um-ständen eine Auftragsvergabe, ganz gleich durch wen,hätten rechtfertigen können. Aber das war nicht der Fallund so bleibt lediglich noch Punkt 5 und Punkt 6 derMöglichkeiten einer Datenverarbeitung und Datenspei-cherung, das ist der Fall der organisierten Kriminalität. Nunwar die im Jahr 2000 nicht im Verfassungsschutzgesetz

enthalten, sondern kam erst zu einem späteren Zeitpunkt indieses Gesetz und der Punkt 6 "Fortwirkung der Struk-turen von MfS und AfNS der DDR". Aber auch dafürhatten Sie keinen Anhaltspunkt, gab es keinen Anhalts-punkt, zumal ja Herr Schneider auch schon zuvor Bürger-meister gewesen ist. Nach der Kommunalwahl ist sowiesoeine Überprüfung auf Zusammenarbeit erfolgt und auch beiHerrn Peikow eine Überprüfung notwendigerweise bereitsdurchgeführt worden, also auch kein Anhaltspunkt. Aberin der Tat, meine Damen und Herren, das Thüringer Lan-desamt für Verfassungsschutz darf auch einen Anhalts-punkt suchen, allerdings nur in öffentlich zugänglichenQuellen, meine Damen und Herren. Und das nachrichten-dienstliche Informationssystem NADIS ist eben keine öf-fentlich zugängliche Quelle, es ist eben nicht Google.de,obwohl man den Eindruck gewinnen könnte im Untersu-chungsausschuss, dass die Herren und Damen im Landes-amt für Verfassungsschutz das NADIS wie Google.denutzen, bloß der Unterschied ist der,

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist IhreInterpretation.)

dass ich bei Google.de durchaus erfahren kann, was übermich im Internet gespeichert ist und ich unter UmständenEinfluss ausüben kann, ob diese Informationen auch nochweiter dort veröffentlicht werden. Im nachrichtlichen In-formationssystem der Geheimdienste des Bundes und derLänder habe ich diesen Einfluss nicht. Nein, ich erfahrenoch nicht einmal, ob ich darin gespeichert bin. Aber dasLandesamt scheint probehalber jeden Namen, den es zwi-schen die Finger oder auf einem Zettel gereicht bekommt,erst mal in dieses Computersystem einzugeben, und dasohne die entsprechende Rechtsgrundlage.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Es istschon ein Vorkommnis.)

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU)

Frau Groß, Sie waren doch bei den Sitzungen dabei. Siehaben das doch durchaus nachvollziehen können, es gabkeinen Anhaltspunkt, der dies gerechtfertigt hätte, aberdiese Anfrage hat es gegeben und ich habe Ihnen darge-stellt, das stellt eine Datenverarbeitung personenbezogenerDaten dar. Wir konnten sogar mehr als 2 ½ Jahre späternoch feststellen, um welche Uhrzeit eine entsprechendeNachfrage in diesem nachrichtendienstlichen Informations-system gestellt worden ist und durch wen. Wenn daskeine Speicherung personenbezogener Daten ist, meineDamen und Herren, dann weiß ich es nicht.

(Beifall bei der PDS)

Daran wird auch eines deutlich, der politische Missbrauchdieses Amtes ist möglich und es gab ja darüber hinaus auchnoch andere Beispiele. Da spricht im vorliegenden Fall einCDU-Kandidat mit dem Amt, Herr Hahnemann ist daraufeingegangen, da existiert ein Zettel mit Namen, der offen-

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sichtlich Grundlage war. Wir gehen davon aus und auchHerr Frisch, auf den Sie sich ja auch beziehen mussten, Siekamen noch nicht mal in Ihrem Untersuchungsbericht zueiner eigenen Auffassung, Sie mussten noch extra in IhrerSchlussfolgerung, in Ihrer Würdigung den Verweis aufHerrn Frisch bringen, sozusagen als hoheitlicher Beweis,der Genosse der SPD kam zur selben Auffassung wie wir.Zu einer eigenen Auffassung sind Sie ganz offensichtlichnicht gekommen. Aber auch Herr Frisch stellt fest, dass esdiesen Brief bzw. diesen Zettel offenkundig gegeben hat.Und nun hat Herr Roewer, Herr Böck ist darauf einge-gangen, im Untersuchungsausschuss dargestellt, dass esdurchaus ja noch mehrere Fälle gab, wo Namen genanntworden sind und es durchaus üblich war, ganz gleich,welcher Minister es war, dass man mal so mir nichts dirnichts fragte, kann man denn Informationen über diesenund jenen beschaffen.

Herr Böck, Sie haben das eben als ungeheure Unter-stellung dargestellt. Aber, ich denke, Ihnen liegt das auchvor, aber mir liegt hier vorne auch ein Schreiben vor, - ichzitiere: "Wie am Rande der Sitzung vom 16. Februar vonIhnen erbeten, übersende ich Ihnen den beigefügten Ver-merk." Erbeten hat dort Innenminister Christian Köckert.Die Bitte ausgeführt hat Helmut Roewer. Das Ganze ist einSchreiben des Thüringer Landesamts für den Verfassungs-schutz an den Innenminister. Das Ganze fand also amRande statt. Es war eine Bitte, es war kein amtlicher Auf-trag, wie Sie immer im Untersuchungsausschuss ver-suchten nachzuweisen. Es war eine am Rande einerSitzung, nicht mal im offiziellen Teil, geäußerte Bitte, dieder damalige Präsident des Landesamts für Verfassungs-schutz keine sechs Tage später auch prompt ausgeführthat. In diesem Schreiben, und Herr Böck, Sie haben esschon angesprochen, ging es um meine Person. Nun willich darauf nicht eingehen, aber gestatten Sie mir an dieserStelle auch eine Bemerkung: Sie haben in Ihrem Rede-beitrag unterstellt, die PDS wäre in diesen Untersuchungs-ausschuss von vornherein parteiisch hineingegangen undwill ein besonderes Ergebnis durch diesen Untersuchungs-ausschuss erreichen. Glauben Sie denn allen Ernstes,Herr Böck, dass ich auch nur für eine der beteiligten Perso-nen eine besondere Sympathie hege, für den damaligenInnenminister Köckert oder für Herrn Helmut Roewer? Dereine hat ein Dossier über mich angefordert und der anderehat es auch noch prompt geliefert. Nun erklären Sie mirdoch mal bitte auf dieser Grundlage, warum ich für deneinen mehr oder weniger Sympathie entwickeln soll.

(Beifall bei der PDS)

Also, Herr Böck, mein Wunsch war es, bei diesem Unter-suchungsausschuss deutlich zu machen, dass die Grenzen,die das Verfassungsschutzgesetz bietet, hier weit gehenddurch das Amt selbst strapaziert werden, übergangenwerden und dass eben auch hier an der Tagesordnung steht,dass Minister auf dieses Amt einwirken, um dann auch inder nachfolgenden politischen Auseinandersetzung dieInformation des Landesamts für Verfassungsschutz mit zu

benutzen. Hier geht es nicht um Sympathie für den einenoder für den anderen. Glauben Sie mir das, Herr Böck, ichhabe keinen Grund, in irgendeiner Form Herrn RoewerSympathie entgegenzubringen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ihnen istjedes Mittel recht.)

Herr Fiedler, Sie haben ja damals behauptet, dass es inmeinem Fall auch einen Grund gebe, so einen Vermerkanzufertigen und den auch an alle Stellen zu schickenund den auch hier mit zur Grundlage Ihrer Wahlent-scheidung zu machen, darüber will ich jetzt auch garnicht diskutieren. Das akzeptiere ich, dass Sie dieser Auf-fassung sind. Aber da stellt sich doch in diesem Zusam-menhang die Frage, ob denn die Notwendigkeit oder auchdie Gründe bei Schneider/Peikow vorgelegen haben. Diehaben mitnichten vorgelegen, aber auch diesen Nachweiskonnten Sie nicht erbringen, dass es etwas anderes wäre.

Und, meine Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Sie auch nicht)

Herr Böck, genau das ist das Problem. Sie hätten die Un-schuld von Herrn Köckert doch ohne Weiteres glasklarbeweisen können, indem Sie vorgelegt hätten, indem Sieim Untersuchungsausschuss dazu beigetragen hätten, dasses eine rechtliche Grundlage für diesen Vorgang gegebenhätte oder gegeben hat. Sie hätten in einem zweiten Teildie Unschuld von Herrn Köckert unzweifelhaft belegenkönnen, hätten Sie den tatsächlichen Hergang ausforschenkönnen. Aber das konnte auch der Untersuchungsausschussmit seinen strafprozessualen Rechten nicht und das belegt,und da wiederhole ich mich gerne, die Unkontrollierbarkeitder Tätigkeit dieses Geheimdienstes in Thüringen, aberauch die Unkontrollierbarkeit sämtlicher Geheimdienste.

(Beifall bei der PDS)

Sie sind in ihrer Tätigkeit einfach unergründbar und nichtkontrollierbar und das hat dieses Beispiel auch gezeigt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ein Glück,dass wir Sie nicht mit in der G 10 haben.)

Und Herr Fiedler, die so genannte - gut, dass Sie es an-sprechen, Herr Fiedler, G 10 und PKK, die so genanntedemokratische Kontrolle ist wohl eher auch ein Kampf-begriff der Geheimdienstbeförderer in diesem Land.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das isteine Unverfrorenheit. ... Sie sind doch dasAllerletzte als Parlamentarier, pfui Teufel!)

(Glocke der Präsidentin)

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Präsidentin Lieberknecht:

Herr Fiedler, man kann sich zwar erregen, aber nicht mitsolchen Worten.

Abgeordneter Dittes, PDS:

Sie können sich ja gerne nach mir noch mal zu Wortmelden, dann sind Sie dann der Letzte und dann haben Siedas letzte Wort. Diese Möglichkeit, Herr Fiedler, haben Siedann.

Meine Damen und Herren, -

(Unruhe bei der CDU)

Wenn Ihnen außer der persönlichen Beleidigung in einerpolitischen Auseinandersetzung nicht mehr viel übrigbleibt, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen, dann istes ein Armutszeugnis Ihrerseits. Mich

(Beifall bei der PDS)

- und das sollten Sie inzwischen wissen - treffen per-sönliche Beleidigungen anderer Menschen wohl auch, aberdie Ihrigen wohl kaum.

(Beifall bei der PDS)

Was - und damit will ich auch enden - nämlich die da-malige Rolle des Innenministers Christian Köckert an-betrifft: Das Ergebnis ist nicht das, Herr Böck, was Siehier vorgetragen haben, das Ergebnis ist tatsächlich das,dass Helmut Roewer vor dem Untersuchungsausschussgelogen hat oder Christian Köckert. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Präsidentin Lieberknecht:

Es hat das Wort der Abgeordnete Carius, CDU-Fraktion.

Abgeordneter Carius, CDU:

Herr Böck, übrigens das ist der Zettel, ich habe ihngestern geschrieben, den Sie für Ihre eigene Schrift ge-halten haben.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,Herr Dittes, wir können schon noch eins und eins zu-sammenzählen und uns ist klar, dass Sie jenseits derSympathie für Herrn Roewer oder für Herrn Köckert einpolitisches Interesse an diesem Untersuchungsausschusshatten. Das bestand eben nicht darin, dem Untersuchungs-auftrag nachzukommen, sondern Sie wollten Amtsaus-forschung betreiben. Das war es, was Sie wollten.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben sich beschwert, dass der Untersuchungsaus-schuss ein stumpfes Schwert wäre. Sie hatten alle straf-prozessualen Möglichkeiten, wenn Sie die nicht genutzthaben, dann müssten Sie sich eigentlich selbst den Vor-wurf machen und nicht dem Untersuchungsausschuss. Wirhaben genügend Anträge gestellt, die natürlich nicht wieIhre vor der Kommission wegen Ihrer Schludrigkeit letzt-lich gefehlt haben.

Lassen Sie mich noch einige Dinge erwähnen und an-merken, die uns zur Überzeugung geführt haben, dass dieseeinzelnen Zeugen nicht ganz vertrauenswürdig waren.Denn so, wie Sie das jetzt dargestellt haben, hätte jaHerr Roewer sofort in der Landtagskantine remonstrierenmüssen. Das hat er aber nicht gemacht. Er hätte auch Jahrevorher schon remonstrieren müssen, wenn es keine Anhaltegegeben hat. Das hat er nicht gemacht.

Das Nächste, die NADIS-Abfrage: Da muss man sichschon fragen, warum die NADIS-Abfrage gerade voneinem seiner Getreuen durchgeführt wurde, der eben nichtder zuständige Referatsleiter war im Verfassungsschutz-amt, der zuständig war für diese Stasi-Seilschaften.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Jetzt sagenSie Stasi-Seilschaften!)

Man muss sich auch fragen, warum das Protokoll vonHerrn Roewer keinen Vorgang und kein Protokoll nachsich gezogen hat, aber eine Nummerierung hatte, die nir-gendwo sonst auffindbar war. Gleichfalls waren natürlichdie Zettel, auf dem die beiden Namen gestanden habensollen, erstens danach sowieso nicht auffindbar, aber auchein ähnlicher Zettel war im Ministerium, insbesondere imMinisterbereich, nicht auffindbar. Das spricht alles dafür,dass es einen solchen Auftrag nicht gegeben hat.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaus, SPD: Na, na, na.)

Nun noch zu den Motiven: Sie erzählen uns natürlich, wirwürden hier Indizien bringen. Aber das ist doch legitim.Natürlich muss man, wenn die Beweise nichts andereszulassen, auch die Umstände für die Beweiswürdigungsprechen lassen. Die Umstände waren eben so, dass allesdagegen spricht, dass es einen solchen Auftrag anderthalbWochen vor der Wahl gegeben hat. Herr Frisch hat unseindrücklich nachgewiesen, dass es überhaupt keine Mög-lichkeit gibt, einen solchen Vorgang dann überhaupt nochwahlbeeinflussend hineinzubringen. Ein gewisses politi-sches Interesse müssen Sie schon unterstellen, wenn maneinen solchen Auftrag gibt. Es wäre allein die Wahlbeein-flussung gewesen, die aber faktisch überhaupt nicht mög-lich gewesen ist.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Herr Carius,Sie unterstellen, dass es um Wahlbeeinflussunggehen sollte.)

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Sie haben als Zweites in Ihrer Änderungsvorlage, in IhremMinderheitenvotum dargelegt, die Amtsenthebung vonHerrn Roewer wäre sehr viel später und deswegen würdeunser Argument, dass über Herrn Roewers Amtsentlassungnachgedacht worden wäre, nicht zugkräftig. Ja, Sie habennur vergessen, dass Herr Roewer keine zwei Wochen nachdiesen angeblich passierten Vorgängen suspendiert wurde,dass also diese Überlegungen nicht nur ernsthaft waren,sondern tatsächlich auch schon angestellt wurden.

Präsidentin Lieberknecht:

Herr Abgeordneter Carius, gestatten Sie eine Zwischen-frage der Frau Abgeordneten Dr. Klaus?

Abgeordneter Carius, CDU:

Ja, gern.

Abgeordnete Dr. Klaus, SPD:

Herr Carius, Sie versuchen gerade einen Teil unserer Aus-schussarbeit hier in das Plenum zu verlegen, indem Sie jetzteine Beweiswürdigung vornehmen. Können Sie mir ein-mal verraten, warum die CDU-Fraktion die Beweiswür-digung denn nicht im Untersuchungsausschuss vorge-nommen hat?

Abgeordneter Carius, CDU:

Das ist ja wohl der Höhepunkt, wir haben mit unserem Ab-schlussänderungsantrag zum Untersuchungsausschussbe-richt genau Beweiswürdigung vorgenommen. Wir habenauch im Ausschuss darüber diskutiert. Ich wäre sehr frohgewesen, wenn Sie ein paar vernünftige Argumente da-gegen genannt hätten,

(Beifall bei der CDU)

haben Sie aber nicht. Ich will zum Schluss kommen. Esbleibt bei Frisch, einen Auftrag hat es nicht gegeben undwir lassen auch eins nicht mit uns machen, wir lassennicht die Unschuldsvermutung hier zu einer Schuldver-mutung zu Lasten Betroffener verkommen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das machtdoch keiner.)

Vielen Dank. Das haben Sie gemacht, doch.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Weitere Wortmeldungen? Frau Abgeordnete Dr. Klaus unddann Herr Dr. Hahnemann.

Abgeordnete Dr. Klaus, SPD:

(Unruhe bei der CDU)

Also, Herr Carius, natürlich hätte der Ausschuss dieMöglichkeit gehabt, Zeugenaussagen zu bewerten und sicheine Auffassung über die Glaubwürdigkeit verschiedenerZeugen zu bilden. Genau das haben wir im Ausschussnicht getan.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: ...)

Wir haben die objektiven Tatsachen zur Kenntnis ge-nommen, die nachweisbar waren und dazu gehört, dassz.B. zweifelsfrei so eine NADIS-Abfrage stattgefundenhat. Herr Böck, regen Sie sich doch nicht so auf, das istüberhaupt nicht gesund, und unterstellen Sie uns dochbitte nicht, dass wir von Objektivität abweichen.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: LügenSie doch nicht so!)

Was Sie hier tun, Sie unterstellen Dinge, die einfach nichtso sind. Herr Böck fängt damit an, dass er sich vonseinem eigenen Berichtsentwurf distanziert. Herr Cariusmacht völlig neue Bewertungsoptionen auf, die ihm natür-lich als Person freistehen, aber die genauso gut hätten imAusschuss stattfinden können. Wie gesagt, ich will Sienur noch einmal daran erinnern, überlegen Sie sich docheinfach einmal, es geht hier immerhin um einige Betrof-fene, die mehr oder weniger Sympathien in einzelnenReihen genießen. Ob sie mit Ihrer Art der Argumentationirgendwem damit einen Gefallen tun, ich habe daran er-hebliche Zweifel und das sollten Sie sich einmal überlegen,bevor Sie hier mit Mehrheiten agieren, die niemandemweiterhelfen. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Wieoft waren Sie denn dabei? Unverschämtheit.)

(Beifall bei der SPD)

Präsidentin Lieberknecht:

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Hahnemann,PDS-Fraktion.

Abgeordneter Dr. Hahnemann, PDS:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich will micheinfach gegen einige Anschuldigungen hier noch einmalwehren, weil ich denke, dass sie einfach nicht berechtigtsind. Ich muss ganz einfach sagen, Herr Böck, Lessing undsein Verhältnis zur Wahrheit und zur künstlerischen Wahr-heit in diesem Sinnzusammenhang zu benutzen, mag jageschickt erscheinen, ist aber keinesfalls lauter. Ich be-nutze jetzt genau den Terminus "lauter", weil Sie ihn auchbenutzt haben. Ich betrachte mir einfach Ihre Vorwürfe,Herr Böck: Ich habe Herrn Köckert immer nur als Zeugen,

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ich habe ihn nie als Betroffenen benannt. Ich habe am Endesogar noch einmal darauf hingewiesen, dass er nichts alsein Zeuge in dieser ganzen Angelegenheit gewesen ist. Ichverstehe auch überhaupt nicht, warum Sie als Ausschuss-vorsitzender sich hier vorn hinstellen, nachdem Sie denAusschussberichtsentwurf vorgelegt haben, und daraufverweisen, die Landtagsverwaltung habe ihn ja geschrieben.Nach dem Untersuchungsausschussgesetz ist es der Ent-wurf des Ausschussvorsitzenden und es ist völlig irr-relevant, ob er sich dabei von der Landtagsverwaltungunterstützen lässt oder ob die Landtagsverwaltung ihnschreibt und sich sein Plazet holt und so weiter und so fort.Das sind überhaupt keine Argumente gegen das, was wirhier inhaltlich vorgetragen haben.

Herr Carius, ernsthaft, wie können Sie denn nach denUntersuchungsausschüssen, ich weiß nicht, wie viele Sie inIhrer parlamentarischen Arbeit erlebt haben, ernsthaftglauben, dass einer von uns sich der Illusion hingegebenhabe, wir hätten eine Chance, über einen parlamentarischenUntersuchungsausschuss Amtsausforschung im Landesamtfür Verfassungsschutz

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sie haben esaber versucht.)

zu betreiben. Das schafft doch jeder clevere Journalistdraußen besser als ein Untersuchungsausschuss hier imParlament.

(Beifall Abg. Gentzel, SPD)

Herr Carius, die ganze Mär von der Absicht, mit dieserAusforschung von Schneider und Peikow das Wahler-gebnis in Blankenhain zu beeinflussen, die hat dochniemand von uns in die Welt gesetzt; die stammt doch ausIhren Reihen. Wir haben nie gesagt, dass es zum Zweckeder Wahl ...

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU ...)

Ja, im Verlauf der Untersuchungsausschussarbeit hat manbegonnen, uns das als Argument entgegenzuhalten. Vorherexistierte das nur als Argument von Journalisten, nieaber als ein Argument von uns.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Und das Ar-gument war der Grund, den Ausschuss einzu-setzen.)

(Unruhe bei der CDU)

Herr Böck, der Grund, weshalb zwei solche Kommunal-politiker durch das Landesamt für Verfassungsschutz beob-achtet worden wären, der ist insofern irrrelevant, als essich in jedem Fall um einen Grund handelt, der nicht durchdas Verfassungsschutzgesetz gedeckt war. Wir haben niegesagt, zum Zweck der Wahlbeeinflussung. Uns war dieBeobachtung überhaupt, jenseits der Möglichkeiten, die das

Verfassungsschutzgesetz bietet, anrüchig und deswegenhaben wir diesen Ausschuss beantragt.

(Beifall bei der PDS)

Herr Carius, darf ich noch ein Letztes sagen? Ihre Dar-stellung des Zusammenhangs des Suspendierungsargu-ments mit der tatsächlichen Suspendierung - da haben Siemir vielleicht vorhin nicht richtig zugehört -, dem habenbeide Zeugen widersprochen. Herr Köckert hat als Zeugeganz klar gesagt, dass es zu diesem Zeitpunkt diese Ab-sicht noch nicht gegeben hat. Herr Roewer hat gesagt, dasses lediglich ein etwas spannungsgeladenes Verhältniszwischen beiden gab. Also kann man nicht von dem Um-stand, dass die Suspendierung stattfand, vor dem Hinter-grund der Negation einer Suspendierungsabsicht daraufschließen, dass die Suspendierung einen Einfluss auf dieAngelegenheit gehabt hätte. Dem haben die Zeugen selbst,und zwar die unmittelbaren Zeugen, widersprochen.

Präsidentin Lieberknecht:

Gestatten Sie jetzt eine Frage des Abgeordneten Carius?

Abgeordneter Dr. Hahnemann, PDS:

Ja, bitte.

Abgeordneter Carius, CDU:

Herr Minister Köckert hat eindeutig von einem ange-spannten Verhältnis gesprochen. Der Titel des Untersu-chungsausschusses lautet laut Ihrer Drucksache "Einsatzdes Landesamts für Verfassungsschutz durch Informations-gewinnung über Kandidatinnen und Kandidaten für Kom-munalwahlen durch den Thüringer Innenminister". Stim-men Sie mir zu, dass es nahe liegend ist, dann zu vermuten,dass Sie eine Wahlbeeinflussung damit unterstellen?

Abgeordneter Dr. Hahnemann, PDS:

Ich kann Ihnen da nicht zustimmen. Ich kann feststellen,Herr Carius, dass Sie das daraus lesen. Aber wenn wirgemeint hätten, zum Zwecke der Wahlbeeinflussung, ja,dann hätten wir es auch hineingeschrieben. EntschuldigenSie bitte, so gut dürften Sie uns kennen. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Präsidentin Lieberknecht:

Jetzt ist der Redebedarf aber erschöpft. Ich kann die Be-ratung abschließen und damit auch den Tagesordnungs-punkt und die heutige Sitzung. Wir sehen uns am 16. und17. Oktober im Plenum wieder.

E n d e d e r S i t z u n g: 15.37 Uhr