Das Zeitmoment in der Wertlehre

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Das Zeitmoment in der Wertlehre Von Oskar Morgenstern, Wien A. Einleitung § 1. Der Ausgangspunkt tier Untersuchung In den nachfolgenden Darlegungen 1) w~ird in t~ul~er~ster K~rze in das geltend.e Schema der modernen Theorie des subjektiven Wertes d~s Zeitelement in seinen wichtigsten Aspekten eingeffihrt, derart, daft dem Tatbestande ,der Ffihrung der Einzelwirtschaft fiber noch nigher zu bestimmende Zeitabschnitte oder Zeitperioden Rechnung g,etragen wird. Der modus procendi ist ,der, dal~ ohne Rficksicht auf mOgliche Weiterungen, die sich tiber den Rahmen tier Werttheorie hinaus durch diese Einfithrung des Zeitelementes erg.eben mSg.en, da~s vorliegende Schema .der Werttehre erweitert wird. Es wt~re durcha~,s denkbar, dal~ sogar die BrauchbarkMt der bisherigen Kon- struktion der Wertlehre in Frage gestellt wei~den kSnnte. Dann l~ge eine immanente Kritik vor, ganz anders .al.s .die bisherigen Be- denken gegen die Wertlehre, wie sie z. B. ven G. C ass el formuliert wurden und die st~mtlich unstiehhaltig sind. Zu diesen Fragen sell im vorliegenden Auf.satz jedoeh nur im Zusammenhang mit einer nStigen Verscht~rfung .des Grenznutzenprinzipes ein Beitrag ge- liefert werden. F,erner sei noch erwahnt, daft von allen dogmengesehiehtliehen ErSrterungen Abstand genommen wird, zumal sieh die naehfolgen,d entwickelten Gedankengange in wesentlieh anderer Richtung be- wegen, als die Di~skussionen des Zeitmomentes in den verschiedenen Sehriften bisher im Mlgemeinen haben h~rvortreten lassen. Der erste Auter, der klar erkannt hat, worin die Bedeutung des Zeit- elementes ffir die Werttheorie ~nd damit fiir die Grundlage der 1) Die Abhandlung gibt einen Teit eines am 23. Juni 1933 in der Wiener ,,NationalSkonomischen Gesellsch'aft" gehMtenen Vortrages wieder. Eine Reihe hier nur kurz beriihrter Gedankengt~nge, sowie weitere, die sieh aus ihnen vor Mlem fiir die PrMstheorie und die Geldtheorie ergvben, wurden ausffihrlich in meiner Vorlesung fiber ,,Zeit und wirtschaftliches GiMchgewicht" veto Sommersemester 1934 an der Universit~t Wien ent- wiekelt. Zeitschr. f. NationalSkonomie, ¥. Bd., 4. H. 28

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Das Zeitmoment in der Wertlehre Von

Oskar Morgenstern, Wien

A. E i n l e i t u n g

§ 1. Der Ausgangspunkt tier U n t e r s u c h u n g

In den nachfolgenden Dar l egungen 1) w~ird in t~ul~er~ster K~rze in das geltend.e Schema der modernen Theor ie des subjekt iven Wer t e s d~s Zei te lement in seinen wicht igs ten Aspekten eingeffihrt , derart , daft dem Tatbes tande ,der Ff ihrung der Einze lwir t schaf t fiber noch nigher zu best immende Zei tabschni t te oder Zei tper ioden Rechnung g,etragen wird. Der modus procendi ist ,der, dal~ ohne Rficksicht auf mOgliche Wei te rungen , die sich tiber den Rahmen tier Wer t theor i e h inaus durch diese Einf i th rung des Zei telementes erg.eben mSg.en, da~s vor l iegende Schema .der Wer t t eh re e rwei te r t wird. Es wt~re durcha~,s denkbar, dal~ sogar die BrauchbarkMt der b isher igen Kon- s t ruk t ion der Wer t l eh re in F r a g e gestel l t wei~den kSnnte. Dann l~ge eine immanente Kr i t i k vor, ganz anders .al.s .die b isher igen Be- denken gegen die Wer t lehre , wie sie z. B. ven G. C a s s e l fo rmul ie r t wurden und die st~mtlich uns t iehhal t ig sind. Zu diesen F r a g e n sell im vor l iegenden Auf.satz jedoeh nur im Zusammenhang mit e iner nStigen Verscht~rfung .des Grenznutzenpr inz ipes ein Bei t rag ge- l iefer t werden.

F,erner sei noch erwahnt , daft von allen dogmengesehieht l iehen E rS r t e rungen Abstand genommen wird, zumal sieh die naehfolgen,d entwickel ten Gedankengange in wesentl ieh anderer Richtung be- wegen, als die Di~skussionen des Zei tmomentes in den verschiedenen Sehr i f ten b isher im Mlgemeinen haben h~rvor t re ten lassen. Der ers te Auter , der k la r e rkann t hat, wor in die Bedeutung des Zeit- elementes ffir die Wer t theor i e ~nd damit fiir die Grundlage der

1) Die Abhandlung gibt einen Teit eines am 23. Juni 1933 in der Wiener ,,NationalSkonomischen Gesellsch'aft" gehMtenen Vortrages wieder. Eine Reihe hier nur kurz beriihrter Gedankengt~nge, sowie weitere, die sieh aus ihnen vor Mlem fiir die PrMstheorie und die Geldtheorie ergvben, wurden ausffihrlich in meiner Vorlesung fiber ,,Zeit und wirtschaftliches GiMchgewicht" veto Sommersemester 1934 an der Universit~t Wien ent- wiekelt.

Zeitschr. f. NationalSkonomie, ¥. Bd., 4. H. 28

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Wirtschaftst , heorie i iberhaupt besteht un<l der diese Erkenntn is auch in exakte Form gebracht hat (worauf eben alles ankommt, da eine bloite Allgemeinheit es nicht gestattet, hal tbare theoretische Aus- sagen zu formulieren) , war Hans M a y e r , <ler in seiner zweiten , ,Untersuchung zu dem Grundgesetz <ler wir tschaft l ichen Wert rech- nung ''1) das Disponieren des Wir t schaf te rs fiber Zeitr~ume in die Theor ie eingefi ihr t hat. Im folgenden gehe ich, wie noch erhel len wir<l, in ers ter Linie von den def t n iedergelegten Erkenntn issen aus und versuche ent lang <ler von Hans M a y e r gezeichneten Linien weitere s t reng formal is ier te Dedukt ionen abzuleiten.

Das Grun.dproblem wird im folgen<len nach den gleichen An- nahmen entwickelt , (lie der Theor ie bisher zugrunde lagen: Bediirf- nisstand, im Verh~iltnis <lazu knappe Gii termengen mit v ie l facher Verwendbarkei t der e inzelnen Giiter, e in <lisponierendes Wir t - schaftssubjekt , entweder isoliert mit Naturale inkommen oder als In.dividualwirtschaft mit Geldeinkommen und <larauf begriin<leten Gi i terzust rom durch Kaufhandlungen auf <lem Markte. Der Ein- fachh, eit halber werden wi r e inen gleichfi irmigen Gi i te rvorra t an- nehmen (also z. B. Geld). Zu ~den gesamten iiblichen Annahmen tr i t t lediglich der Tatbest, and hinzu, <lait sich <ler Prozel~ der Bediirfnis- siitt igung auf sehr eigentiimliche Weisen in der Zeit erstreckt . Es sin<l die dadureh sich ergebenden Var ia t ionen zu priifen, wobei auf Sei~e der Bediirfnisse <tie verschiedenen iiblichen Eigenschaften, die ihnen auf Grund yon Beobachtungen beizugeben sind (Kontinuitiit, Diskontinuit~t, En tspannungspunkte usw.) angenommen werden.

§ 2. Die vermeintliche Tautologie der Bediirfnislehre Da in den folgen<len Seiten des iifteren" yon ,,B e <lii r f n i s s e n"

gesprochen und sogar yon ihnen ausgegangen wird, ist auf die in j i ingster Zeit gelegentl ich erSr ter te F r a g e e inzugehen, ob es sich bei Wahl dieser Erk la rungswei se nicht um ein rein t a u t o l o g i - s e h e s V o r g e h e n h~andle. Der Einwand kommt <la,durch zustande, dab gesagt wi~d, d~s Ind~viduum befr iedige zuers t sein dringendstes Bedtirfnis und man erkenne dies daran, <lalt es eben gerade .dieses Bediirfnis zuers t befr iedige .un<l so wei ter fiir .die nac~st n iedr igeren Bediirfnisse. Diese Formut i e rung s ieht in der Ta t wie eine Tauto- logie aus, ist aber keine solche, wie von einer Reihe yon 8konomi- schen Theore t ike rn <lie~em Einwande (wenn auch vielleicht nicht immer mit ,der n5t igen Scharfe) seit jeher er~tgegengehalten wurde. Dalt es sich nicht um eine Tauto logie han<lelt, zeigt schon ,die viillige Analogie <les Fal les zum tsogenannten Motivationsgesetz in der Ethik, we kiirzlich ebenfalls nachgewiesen wurde2), dal~ dieses nicht

1) Zeitschrift fiir Volkswirtschaft und Sozialpolitik, Bd. I und II, 1921--1922.

~) M. S c h l i c k : Fr~gen der Ethik, Wien 1930, S. 38--39. Vgl. ferner K. M e n g e r : Das Unsicherheitsmoment in der Wertlehre, Zeitschrift fiir

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tautologischer Natur ist. Soll es sich um eine Aussage fiber die empirische Welt handeln, so mult sich zu dieser Aussage eine Aus- nahme denken lassen, ohne daR ,diese selbst sinnlos ware. Bei Siitzen der Lo~ik und Mathematik, die ~siimtlich analytischer Beschaffenheit sind, ist dieses nicht denkbar. Dagegen fallt ,die Behauptung der angeblich tautologischen Natur der Bedfirfnisaussagen bei naherer Prfifung sofort zusammen; denn es i.st durchaus denkbar, ja sogar an der Tagesordnung, daIt ein wirtschaftendes Individuum, das sich durch Entschluit auf eine bestimmte Rangordnung seiner V~Sahlhand- lungen festlegt, diese dann n~icht einhiilt, sondern sich momentaner Stimmung fiberlatit, ader dem Zufall ~usw. und ganz anders geartete und anders gereihte Wahl, handlungen vornimmt, als sein urspriing- lieher Plan war ~md a}s es sie im Falle .der Wiederkehr der gleichen Situation zu wiederholen geditchte. In tier Vorstellung soIcher Aus- nahmen - - die z. B. namentlich auch in ,tier Annahme bestehen kSn- hen, datt (wie K. M e n g e r und M. S c h t i c k in ihren eben zitierten Arbeiten fibereinst'immend bemerkt haben) das Individuum nicht nach dem ,am st~rksten lustbetonten Motiv, sondern nach dem am st~rksten unl ,us tbe tonten Motiv handelt - - liegt nichts Paradoxes. AuRer- dem kiinnen sie fortw~hrend mittels leicht anwendbarer Verfahren in der Wirklichkeit beobachtet werden. Es s i n d al 'so s o w o h l d i e A u s s a g e n d e r b i s h e r i g e n B e d f i r f n i s l e h r e a l s a u c h g e g e n - t e i l i g e A u s s a g e n a u f d i e s e m G e b i e t e m i t d e n P r i n u i p i e n d e r L o g i k v e r t r ~ g l i c h . Daher ist die Meinung, die Bedfirfnis- lehre sei tautologischer Natur und vermittle uns keine Erkenntnisse ti'ber die Welt, falsch und muff aus dem Bestande ,der sogenannten Kritik ,an der modernen 0konomie gestrichen werden.

Sollte die eben als irr ig nachgewiesene Behauptung in anderer Art formuliert werden, z.B. als Einwand gegen alas Operieren mit ,,Wahlhandlungen" oder ,,Ophelimit~itsindizes" gedacht sein, so gelten mutatis mutandis ,die soeben gemachten Feststellungen. Die wert- theoreti,schen A~ssagen sind, wenn 'sie in den verschiedenen Sprachen und Bezeichnungsweisen oder mittels mathematischer Methoden ge- macht werden - - was an sich itberwiegend bedeutungslos ist - - eben synonym, wie ich bei anderer Gelegeaheit bewiesen habe. W, ir be- dienen uns als der g.el~tufigsten tier Ausdrucksweise der Bediirfnis- lehre, nicht zuletzt um dem genius loci eine gebiihrende Ehrung zu erweisen. Aulie~dem liegt hier das am genauesten festgelegte Schema vor. Die Erhebung des Vorwurfes der T~autologie zeigt einwandfrei, da~ man sich fiber die Beziehung von ,Logik und Wirtschafts- wissensehaft" keineswegs im klaren ist und dalt die ,,Interpretation tier Theorie des ~subjektiven Wertes nach den Schriften ,der 5ster- reichischen Okonomen" dann viillig in die I r re geht, wenn sie sich

Nationaliikonomie, Bd. V, S. 485, wo (anlaitlich einer Anwendung werttheo- retischer T~atsachen auf das Motivationsgesetz) ebenfatls die Frage der Tautologie der Bediirfnislehre erledigt wird.

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nur an den fachfremden Methodologen start an der Logik, oder zumindest dem Sachgebiet selbst, orientiert. Man beachte auch, d.al~ die Widerlegung des Einwai~des ,der vermeintlichen Tautologie iiber- aus einfach i~st, obwohl (tie Li tera tur hierfiber bereits in peinlicher Weise anzuschwellen droht. Die Einfachheit tier Widerleg.ung ist zu- gleich ein Mat~ fiir ~tie GrSlle des Irr tums tier Widerlegten und - - w~s in 5konomischen Abhandlungen leider gesondert bemerkt we~den mul~ - - es gilt hier ganz besonders: simplex sigillum veri.

Der Ausgangspunkt f fir jede Art yon allgemeinen Aussagen fiber wirtschaftliche Dinge und Vorgiinge ist unter allen Umstanden letzten Endes ,der T atbestand, da~ die Indivi,duen eine 0 r d n u n g ihrer Wahlhandlungen vornehmen, wobei im allgemeinen ganz gleichgfiltig ist, was die Motive ,daffir sein mSgen und ob es bei der einmal festgelegten 0rdnung bleibt. Warden bisher lediglich 0rd- nung.stafeln betrachtet, etwa yon der Art, wie sie sich schon bei C. M e n g e r linden, so gehen wir nun zu der unerl~lilichen An- nahme, ~dali jeder Wahlhandlung f i i r den V o l l z u g im vorhinein auch ein Z e i t i n d e x e i n . d e u t i g z u g e o r d n e t wird. Aus dieser weiteren Zuordnung mu~ sich nun - - im Verein mit den fibrigen Gesetzen der Werttheorie und , u n t e r V e r s c h ~ r ~ u n g ,des G r e n z - n u t z e n p r i n z i p e s (die weiter unten in § 12 gegeben wird) - - eine grolte Reihe wichtiger Aussagen fiber d~s Zeitelement deduzieren lassen; dies ist ,die Hauptaufgabe der vorliegen, den Behandlung. Wir verbleiben also im Bereiche tier strengen Theorie, wenngleich tier Ausgangspunkt ein erweiterter empirischer Tatbestand ist.

§ 3. Die mSglichen Eintiihrungsweisen des Zeitmomentes Das Zeitelement kann auf mehrfache Weise in die theoretische

Okonomie eingeffihrt werden. Die beliebteste Art dieser Mode- strSmung besteht darin, den verschiedenen iikonomi,schen GrSften oder Prozessen ,,Zeitindizes" oder ,,Zeitparameter" anzuhi~ngen und solche auch in die verschiedenen Gleichungssysteme einzuffihren. Hierbei geschehen fortw~hrend die sehwersten Mi~griffe oder es handelt sieh fiberhaupt um vSllige Un~sinnigkeiten. Die Vorgangs- weise ist aber - - a ~ c h yon diesen Fehlern abgesehen - - an und ftir sich unfruchtbar und nicht empfehlenswert, denn das Problem der Zeit in der Wirtschaft ist so weitreichend, daii es zunachst einmal ganz allgemein gestellt werden mulk Es w~re durchaus zulassig - - was bisher ebenfalls noch niemand unternommen hat - - d a s Zeit- element sofort in die entwickelte gesellschaftliche Wirtschaft ein- zuffihren, .aber was bisher in .dieser Art versucht wurde, krankt an einer Anzahl grund, siitzlicher Fehler, auf die einzugehen bier zu welt ffihren miil~te. Diese Fehl.er sind wesentlich allgemeinerer Art, als etwa tier .duroh H. L. M o or e begangene, wenn er in d~ie W a l r a sschen Gleichungen ,,Trendkoeffizienten" einfiihrt, um ein sich bewege~des Gleichgewicht z.u erhalten. Ebensowenig wie

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diesem Vorg,ehen Er fo lg beschieden sein konnte - - wofiir die Grtinde wohl auf der Hand liegen - - kann das Beginnen mit , ,Zeitpara- metern", ,die i rgendwo hinten angehiingt werden, ein Ergebnis l iefern.

Wil l man - - was die e r s t e systematische Methode ware - - das Zeitelement unmit te lbar in die gesellschaftl iche Wir t schaf t ein- fiihren, so bestiin, de eine vSllig kor rek te Metho,de darin, daR zu- ni~chst untersucht wi~d, welche Annahmen fiber die Zeit stilIsehwei- gend in der vollendetsten Fassung der Theor ie des gesellschaft- lichen Wir tschaf tsprozesses m~tgesetzt sin& Es zeigt sich dann leicht, ,dati z .B. W a l r a s eine Reakt ionsgesehwindigkei t yon un- endlieh - - wohl fiir alle Prozesse gleichm~itig - - supponier t hat. Dies entspricht auch nicht annahernd der Wirkl ichkei t , weswegen yon diesem Zustande der ~bs t rak t ion abgegangen werden mult und eine ger ingere Reakt ionsgeschwindigkei t einzuffihren ist. Zweck- m~6igerweise wird man ~die Var ia t ion nicht f a r alle Klassen yon Wirtschaftsproz.essen gleiehm~l~ig, sondern in verschiedenar t igen Abwandlungen eintre ten la, ssen. Z~ei fe l los wird diese - - weil sehr miihsam - - bisher noch nicht befolgte Methode gute Ergebnisse l iefern miissen. Alle Resultate der Einf i ihrung ,des Zeitfakto~s mii~ten letzt.en Endes - - dar in bestiinde eine Probe - - identisch .sMn. Davon sin~l wir noch ~e i t entfernt , well bisher noch gar keine Methode zur vollen Anwendung gelangt ist.

Wie immer jedoch das Zeitmoment eingefi ihrt wird, letzten Endes wird man a~af .die Zeit-Probleme des Wir t schaf te rs und Unter- nehmers stolten. Man kann auch von Anfang an hi'er einsetzen. Dies ist tier z w e i t e systematische Angr i f fspunkt . Selbst wenn man auf dem Gebiete der Wer t lehre , des Disponierens ,dee Einzelnen, nu r langsam vorwiir tskommen sotlte, so hat mandoch zumindest die Ge- w~hr dafiir, sich auf e ther Bahn zu bewegen, .derenVerfo lgung schon einmal zu sehr t iefreichenden Erkenntn issen gefi ihrt hat. Aul~er- dem ist man wegen tier erheblichen Pr~zision der bisher igen wert- theoret ischen Aussagen besser als in dem ersten Fal le gegen die dunklen, oft ger~dezu mystischen Gedankengange g.efeit, die sich im Zu~sammenhang mit ,dem Zeitmoment in tier neuesten L i t e r a tu r zu empfin, dlichem Naehteil ziemlich h~ufig einstellen.

§ 4. Der Zeitbegriff in der Okonomie Ehe das Disponieren ~des Wir tschaf tssubjektes in der Zeit unter-

sucht wird, scheint es nS~ig, sich .mit dem Z e i t b e g r i f i selbst aus- einan.derzusetzen. Fi i r ,den vor l iegenden Zweek ist dies al lerdings nicht nStig, da, wenn nicht ausdri icldich an,tiers bemerkt, Zeit immer im re inen Uhrs inn verstand.en werden mul l Das Wirtschaft.~subjekt sieht .sich lediglich der Tatsache gegeni~ber, daft sein Einkommen bet einem gewissen zugelassenen Bediirfni,sstand, bzw. gewissen Gti terverwe~dungen, n u t eine x-malige W, iederholung der, z. B. t~iglich.en S~tt igung gestat tet und dait fern.er d~s Einkommen in

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irgendwelchen rhythmischen StSl~en zu seiner Verfiigung gelangt. DaR auch m i t der Zeit gerechnet wir~t, in dem Sinne, wie es z.B. ,die Arbeitsleidtheorie a.ufgezeigt hat, oder wie es in der Zinstheorie zur ~el tung kommt, ist heute eine Selbstverstandlichkeit, obwohl die F o r m e n d i e s e s R e c h n e n s m i t Z e i t a b s c h n i t t e n noch lange nicht erforscht sind, da die Fragestellung mancher dieser Theorien bald auf ein Nebengel~i~e ffihrte. Desgleichen brachten a~uch die Ansatze zu einer Betrachtung besonderer ,,Zeit-Werte" der verschiedenen 5konomischen Giiter nichL welter, obwohl immerhin eine Reihe treffen~der Beobachtungen gemacht wurde. Hier sind z. B. die Namen yon S. B a i l e y , F.A. F e t t e r , I. F i s h e r , F .H. K n i g h t zu nennen. Im allgemeinen ist wohl folgendes festzuhalten: Der Fortschrit t der Wi,ssenschaften pflegt iiberwiegend ,derart vor sich zu gehen, dal~ unniitze Begrif~e eliminiert werden und man mit einer immer geringeren Zahl von Elementen auszukommen trachtet. Dem seheint die Einfiihrung des Zeitelementes in ,d, er Okonomie zu widersprechen. Dies ware jedoeh nut dann der Fall, wenn die Aus- sagen fiber das Zeitel.ement in andere, bisher iibliche Aussagen nicht transformiert werden kSnnten. So geniigt es mittels des Apparates yon Angebot und Nachfrage festz~stellen, daft im Winter Erdbeeren teuerer zu sein pflegen als im Sommer. Eine besondere ,,Zeit- analyse" ist hierzu nieht nStig, wie von manehen geglaubt wird. Es wfirde lediglieh Ballast bedeuten, hier die Zeit irgendwie als scheinbar selbstandigen Faktor zwischenzuschalten. Dieser fiber- fliissigen Art ist aber ein grol~er Teil der bisherigen Zeiteinfiihrung gewesen. Im Gegenteil muff di~e Aufgabe darin bestehen, die Zeit- elemente dort aufzu.suchen, we sie zwar (und in aller Regel unaus- gesprochen) en~halten sind, aber n i c h t in andere Elemente bzw. Aussagen fiber deren Verhalten umgeformt werden kSnnen.

Um ein Beispiel ffir die Notwendigkeit in den bekannten Wert- theoremen die Implikationen, die meist wohl vSllig unbewu~t im ttinbliek auf ,das Zeitelement gemacht wurden, festzustellen, sei die Z u r e c h n u n g s 1 e h r e herangezogen. Der sogenannte I. Fall B ~ h m - B a w e r k s besagt, daR ein Prod,ukt durch Zusammenwirken dreier Faktoren, yon denen jeder einzelne fiir ,sich genommen i iber - h a u p t u n v e r w e n d b a r i s t , zustande kommt. In der Zurechnungs- l i teratur ist die LSsung ,des Bewertungsproblems .durch B Shm- Ba we r k dahin, dal~ dem jeweilig als letztes hinzutretenden ,,Schlufi- stiick" der ganzeWer t der Kombination zuzurechnen sei, im allge- meinen weitgehend,akzeptiert wor, den, ebenso wie die daraus folgende These der absoluten ~Vertlosigkeit eines Splitters dieser Komb~na- tion. Letzteres gilt nun offenbar nut dann, wenn ,der Wirtschafter die E r w a r t u n g hegt, da~ fehlende Schlu~stiick innerhalb eines vernfinftigen, mit seinen sonstigen Pl~nen in Einklang stehenden Zeitraumes niemals zu erhalten. Nur dann wird er ,die Splitter weg- werfen. Hegt er aber ,die Erwartung, da~ er doch alas Schlufistiick (oder falls ihm zwei Faktoren fehlen, da~ er diese zwei Faktoren)

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i rgendwie - - z .B. durch spiiteres Einkommen - - erhal ten wird, so wi~d er sich wesentlich anders, als es die Wer t l ehre blusher beschrie- ben hat, verhal ten, indem er d i e s e n S p l i t t e r n t r o t z i h r e r m o m e n t a n e n W e r t l o s i g k e i t A u f m e r k s a m k e i t durch Auf- bewahrung u,sw. angedeihen lassen wird.

Es ist klar, ,daf tier nur im Besitze yon Spl i t tern befi~dliche Wi r t u .a . auch Tausehakte vornehmen kann, indem er diese Spli t ter jenen fiberl~il~t, fi ir die sie als Schlufs t t icke f~ngieren. Die von ihm geforder ten Gegenle is tungen werden - - v o n der Erg iebigkei t der frem, den Kombination, die ihm z.B. unbekannt sein mag, abgesehen - - y o n ~dem M a f e s e i n e r E r w a r t u n g , selbst alas yon ibm be- durf te Schluttsttick zu erhal ten und seiner zu diesem vermuteten Zei tpunkt voraussicht l ich bestehenden, sowie seiner gegenwi~rtigen wir tschaft l ichen Lage abhangen, eben, so wie yon ,dem Um.stande, ob er zwei oder nu r e inen Spli t ter besitzt. Welche wi~derspruchsvotten, oder vielleicht besser gesagt: e insei t igen Annahmen B 5 h m - B a - we r k selbst gemacht hat, geht wohl .am besten daraus hervor , daf er sich zwar f ragt , was denn derjenige, tier fiber zwei Spli t ter ver- fiigt, fiir den dr i t ten geben wiirde, ohne zu bedenken, ,daft auch der and.ere Kontrahent bei diesem Tauschakte zu untersuchen ist, was nur mittels ,dessen Erwar tungsmomentes (das eine spezielle An- wandtung des Zeitmomentes ist) geschehen kann, wie eben ausge- f~hrt wurde. Bei dem betrachteten Fal l I h~ndelt es sieh keines- wegs um einen ftir die Theor ie belanglo,sen Spezialfall, denn wie H. M a y e r gezeigt hat1), ist die ganze Zurechnungslehre tier B (i h m- B a w e r k s e h e n Ins t ru ie rung auf di~sen Fal l zu reduzieren. Die Unterscheidung wei te re r Fiille empfiehlt ,sich zwar aus verschiede- nen Grtinden, aber alle set.zen die L0sung ,des Fal les I voraus; da- her sind Abweichungen in den Bedingungen ,desselben immerhin von wei ter re ichender Bedeutung als im ersten Augenblick erscheinen mug. Dieses Beispiel, das also selbst noeh weiter analys ierbar ist, soll hier a~ber geniigen. Es ,dtirfte k largemacht haben, d a f t i e r Z e i t f a k t o r f i b e r a l l d o r t , wo e r i n a n d e r e G r S f e n n i c h t t r a n , s f o r m i e r b . a r i s t , a u f g e s p f i r t w e r d e n m u f .

Die eigentl ichen sachlichen (und auch begriff l ichen) Schwierig- kei ten der Zei terscheinung tauchen dann auf, wenn in Erscheinung trit t , daft chrenologisch gleichzeit ige wirVschafttiche Dinge nicht 5konomisch , ,gleiehzeitig" sind, also verschiedene , ,Zeitqualit~ten" auf- weisen, wie ich zuerst - - sowohl fu r die einfache als aueh fiir die geselIsehaft l iehe Wir t schaf t - - nachgewiesen babe. Auf diese Be- ziehung, en kann aber im Rahmen dieses vor l~uf igen Aufsatzes selbst fiir den Bereich .der e infachen Wir t schaf t nu t nebenbei eingegan- gen werden. Ganz al lgemein gesprochen hat es wenig Zweck, den A n f a n g einer Untersuchung mit Begr i f f s f ragen zu belasten, da

1 ) Artikel ,,Zurechnung", HandwSrterbuch der Sta'atswissenschaften, IV. Aufl.

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diese leicht dazu verlei ten, an Stelle yon exakten Ablei tungen und genauen Beschreibungen plStzlich die verhi~ngnisvolle F r a g e nach dem ,,Wesen" tier .dureh die Begr i f fe nu t bezeichneten Dinge auf- zt~dri~ngen, was sich g e t , d e bei der Zeit folgenschwer bemerkbar machen miiitte. Es bleibt daher bei tier einfachen Festsetzung, dai~ Zeit im gewShnlichen Uhrs inn zu vers tehen ist.

B. D a s D i s p o n i e r e n in d e r Z e i t

§ 5. Einkommensperiode und Wirtschaftsperiode Zur ers ten Ann~herung bedarf es e iner Aussage ~ber den zu

betrachtenden Zeitraum. Wir setzen in dieser Abhandlung der Ein- fachheit halber feste, un te re inander gleichbleiben, de E i n k o m m e n s- p e r i o d e n voraus. Gleichbleiben, de, un te re inander g le ichar t ige Ein- kommen El, E 2 . . . sollen in regelmiiltigen Zeitabstanden tl, t ~ . . . dem Wirtschaft .ssubjekt zur Verf i igung stehen. Diese Einkommensperio- ,den sind nicht notwen,dig mit ,den W i r t s c h a f t s p e r i o d e n iden- tisch, die mindestens so grol~ sein mils,sen wie die unters ten itber- deckbaren Einhei ten ~er Einkommensperioden, aber ,auch wesentl ich grS•er sein kSnnen und mehrere Einkommensper ioden zu umfassen vermSgen. Erha l t das Wir tschaf tssubjekt in regelmal~igen Zeitab- standen immer gleiche Giitermengen oder ~Geldbetri~ge, so impl iz ier t dieser Vorgang eine Unmenge anderer Prozesse, etwa derart , ,dal~ es eine T/~tigkeit ganz best immter Ar t vol tbr in~en mul~, diese wiederum in andere A,bl~ufe genau eingepMtt sein muti usw., usw. ¥ o n al len diesen VCeiterungen - - z .B. auch ob die Ursachen der R e g e l m ~ i g - keit des Einkommens na tu rhaf te r o,der sozialer Beschaffenhei t sind - - ist zuers t abzusehen, da diese nur spiiter erfalit werden kSnnen, wenn die formMe Seite der Prozesse hinl~nglich klargeste l l t ist.

Die Einkommensperiode ist demnach laut ,den h ie r gemachten Annahmen eine objektive, vom Wir tschaf tssubjekt (praktisch) un- abhiingige GrSlte, w/ihrend dies bei tier Wirtschaftsperio,de nicht zu r G/~nze so der Fal l ist. Der Wir t schaf te r hat es in seiner Hand zu be- stimmen, wetche zeitliche Zer legung des Einkommens er zuliiltt. E r bestimmt seine Wir tschaf tsper iode n aeh Art und Eigenschaf t der zugel~ssenen Bedilrfnisse oder der Verwendungsweisen des ~eldes. Die sich bei ihm einstei lenden zahllosen, yon tausen.den Fak to ren - - betiebig - - abh~ngenden Begehrungen ordnet er naeh einer Skala und legt damit die ~Vertigkeit und zeitlich~e Reihenfolge der Be- ,diirfn,isbefriedigungen - - d i e im G e g e n s a t z z u r h e r r s c h e n d e n A u f f a s s u n g k e i n e s w e g s m i t e i n a n d e r z u s a m m e n f a l l e n m i l s s e n - - lest. Wie immer seine Entscheidung sein mag, es gibt gewisse al lgemeine Pr inzipien, ,die seinem Verhal ten zu entnehmen sind.

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§ 6. Kongruente Zerlegung einer Einkommensperiode Betrachten wir zun~tehst nur eine einzige Einkommensperiode,

so wird sich d~as II~divi,d~um in verschiedener V~eise verhal ten k5n- non. Es kann sein gauzes Geld (mit diesem setzen wir jetzt da.s Einkommen gleich) am ers ten Tage ausgeben, ,dann wird es wenige Zeit da rauf ve rhunger t und e r f ro ren sein. Den empir ischen Be- obachtungen entsprieht ein solches Verhal ten im a t l g e m e i n e n nicht, sondern da, s Individuum pftegt - - worauf namentl ich H. M a y e r , ausgehend yon der Untersuchung der Wertb i ldung yon @fitervorr~ten, in seinen zwei bald vorbiMlich gewordenen A,bhan,d- lungen, die berei ts oben z i t ier t wurden, eingehend hingewiesen hat

die Fes ts te l lung zu machen, ,daf sieh mancbe Bedfirfnisse nach mehr oder minder langer Pause, die auf einen S~t t igungsvorgang folgt, wieder zu melden beginnen.

Die Dars te l lung des Yerhal tens des Wir t schaf te rs ist am besten durch die Wiedergabe eines entschei,denden Passus yon M a y e r zu bieten: Der Wi r t disponier t ,derar t , daft er zunach,st zwar auch die Bedfirfnis:se hSchsten In tens i t~ t sg~des des g e g e n w ~ r t i g e n Ken- sumabschnittes (Bedfirfnisperiode) befriedigt , dann abet, b e v o r e r z u r B e f r i e d i g u n g m i n d e r i n t e n s i v e r B e d f i r f n i s s e in d e m s e l b e n ( g e g e n w a r t i g e n ) K o n s u m a b s c h n i t t e ~iber- g e h t , s i c h e r t e r s i c h d i e B e f r i e d i g u n g t i e r g l e i c h e n Be- d f i r f n i s s e a u c h f ~ r d i e k ~ i n f t i g e n B e d f i r f n i s a b s c h n i t t e i n n e r h a l b g e w i s s e r Z e i t , etwa bis zu ~dem Zeitpunkte, in wet- chem .er neue Gfi terzugange (in ,der Form neuer Er t r age odor neuen Einkommens) erwar~en kann; un,d erst nach Sicherung tier ebersten S c h i c h t e der Bedfirfnisse innerhalb gewisser Zeit durch Zu- weisung best immter Gfitermengen geht er fiber zur Deckung der Bedfirfnis s ch i ch t e des n~chsten Intensita~,sgrades, wiederum gleichmat~ig d i e f i l t e r a u f t e i l e n , d a u f d e n g e g e n w ~ r t i g e n K o n s u m a b s e h n i t t u n d e i n e A n z a h l k f i n f t i g e r K o n s u m - ab s ch n i t t e und gelangt so dureh gleiehm~ifige Auf te i lung der ge- samten verf i igbaren ,Giitermengen auf ,die Bediirfnis,se eines l~ngeren, mehr, ere oder viele kteinste Konsumabschnit te (Bedtirfnisperioden) umfassenden ZMtranmes zu Bedfirfnis s c h i c h t e n immer niedr igeren Intensitatsgrad.es und schliei~lich in jeder Bedtirfnisart zn e iner be- stimmten G r e n z s c h i c h t e d.er Befr iedigung." ,,Aus zwei Grttn- den mug sich das Disponieren mit den Gittern unter den Voraus- se tzungen <~er empir ischen Wirk l ichke i t auf einen Zei t raum er- strecken" Erstens, well das Z i e l s y s t e m ,der empirischen Wirt- schaftssubjekte ~ die subjektive Veransse tzung tier Giite~disposi- t ion - - d i e Z e i t d a u e r i n s i c h e n t h g l t . Und zweitens, well die t e c h n i s c h - k a ~ s a l e n Z u s a m m e n h a n g e d e r W i r t s c h a f t s - mi t t.e l, welche ~die objektive Vorausse tzung ,der Gfiterdisposit ion bilden, nur in tier Zeit wirksam werden"~).

1) a. a. O., Bd. II, S. 14--15. Sperrungen im Original.

442 0. Morgenstern:

H. M a y e r sprach von einem ,,Gesetz der perio<tischen Wieder- kehr der Bediirfnisse". Ohne zu prfifen, ob es sich hier um eine Aus- sage han, delt, die yon a l 1 e n Bedfirfnissen gilt und unter vorlaufiger Aul~erachtlassung tier Tatsache, dal~ die eben angefiihrte Analyse M a y e r s die i m § 7 behan,delte Situation kennzeichnet, ergibt sich theoretisch .die MSglichkeit, d,al~ alle, yore Wirtschaftssubjekt zu- gel~ssenen Bedfirfnis,se yon genau gleichem Rhythmus sind, ,der da- her eine Zerlegung tier Einkommensperioden in eine Anzahl genau gleicher Elemente (z. B. Tage) gestatt, et. Ist dies tier Fall, so zeigt sich sofort, ,dal~ es sich lediglich um eine Hintereinander-Schachtehng yon i d e n t i s c h e n A b s e h n i t t e n handelt. Keiner von diesen bietet gegenfiber der jetzigen Aufmachung der Wertlehre irgend etwas Neues. Das Individuum mul~ sein Anfangseinkommen lediglich in so viele Teile zerl.egen und diese Zerlegung beibehatten, als identische Abschnitte gezahlt werden kSnnen, um ffir jeden Abschnitt tier Ein- kommensperio,de den gleighen Mindestgesamtnutzen zu erzielen.

Die Summierung in strenger Weise bis zum n~chsten Einkom- mensanfall .durchzustehen, kann vielleicht an die Willenskraft des Wirtes Anfo~derungen stellen, aber Schwierigkeiten ffir die E r- k 1 ~ r u n g ,der Abl~ufe ergeben sich nicht. Ein eigenes Disponieren in der Zeit i,st nicht festzustellen, wesv~egen auch in diesem engsten Rahmen in gewissem Sinne mlr yon einer Pseudo-Zeiteinffihrung in ,die Wertlehre g,esprochen werden k0nnte. Die Nutzenrechnung wilrde ffir jeden Unterabschnitt genau nach den bisherigen Thesen der Wertlehre vor sich gehen. Es liegt auf der Hand, .dal~ es in diesem allgemeinsten Falle aul~erdem auch v S l l i g g l e i c h g i i l t i g ist, ob s i c h d ie E i n k o m m e n s p , e r i o d e ~ n d e r t o d e r n i e h t . Man kann sagen, ,da~ die ~lteren Grenznutzentheoretiker mit einem Grail an Verein~achung gearbeitet h.aben, ~ler dadurch gekenn- zeichnet ist, dab immer nur ,der unterste, nicht mehr zerlegbare Ab- schnitt einer beliebig :oft fortsetzbaren, und daher auch be- liebig weir z u fassenden in allen Abschnitten identi~schen Einkom- mensperiode betrachtet wurde. Sie hatten daher vSltig recht, yon den Summierungen dieser Abschnitte abzusehen und die Einkom- mensperiode selbst wieder mit diesen letzten Abschnitten der Be- dfirfnisperioden zeitlich zu i,dentifizieren. Wenn die verschiedenen Autor.en sich dennoch g.elegentlich fiber weitertragende Beziehun- gen zwischen Bediirfnis,struktur und Einkommen.sperioden au~.er- ten, so geschah ,dies ohne auf ~systematische Weise alle Implikatio- hen der geanderten Voraussetzungen untersucht zu haben, was namentlich in puncto tier Einschatzung kfinftiger Bed~irfnis'se galt. Jedenfalls erheltt a.u~s dem Gesagten, dal~ eine Aneinanderfiigung identischer Einkommens- und Bediirfnisperio,den eine fiir die wirt- schaftliche Praxis ebenso belanglose Angelegenheit ist, wie fiir die Wirtschaftstheorie, mit einer einzigen, allerdings fiir die ganze W, ertlehre grun.dlegenden bisnun nicht festgestellten Ausnahme, die in § 10 ihre Behandlung findet.

Das Zeitmoment in der Wertlehre 443

§ 7. Unzerlegbare, untereinander kongruente Perioden Die e r s t e V a r ia t i o n, die bereits zu einem echten Disponieren

in ,der Zeit ffihrt, besteht in der Einffihrung 4er Annahme, dal~ die Rhythmen ,der Bedfirfnisse unterein, ander ungleich geartet sind, tier- art, daft einige Bedfirfnisse A,B, C . . . etwa taglich wiederkehren, andere A', B ' ,C ' . . . nur in grSl~eren Abst~izlden und noch andere A", B" ,C" . . . in noch grSfteren Intervallen. Trotz der Unterschiede der Intervalle seten abet die Bedfirfnisse insgesamt .so strukturiert , dal~ sie zwar nicht l~nger die Zerlegung der Einkommensperioden in mehrere identi~sche Zeitabschnitte g~statten, sondern l~diglich be- wirken, dat~ die Einkommensperioden als Ganze untereinander, so wie frfiher die Unterabschnitte kongruent sind (zur Deckung ge- bracht werden kSnnen). ~alls ,das Individuum einen Au~sgleich seiner Bedfirfnisbefriedigung im Sinne der E r z i e h n g einer gleichmal~igen Befriedigung wahrend der einzelnen Perioden wfinscht, muft es am B eginn der Perle,de den Wirtschaftsplan f~ir diese Periode selbst derart anlegen, dal~ ffir ,die von ihm akzeptierten Bedfirfnis~se die entsprechen, den Gfitermengen (Geldeinheiten) vorgesorgt werden. Aueh hier kommt es dann w~hrend des Verlaufes jeder Einkommens- periode nur auf alas Bei~behalten ,des eingangs dieser Periode f~st- ~elegten Planes an und eine darfiber hina~sgehende Entschei,dung ist nicht zu fallen. Da~aus ergibt sieh, .daft der in § 6 behandelte Fall nur eine speziell'e Abart des hier allgemein formulierten Typus darstellt, auf ~len auch It. M a y e r seine Untersuchung ausgerichtet hat. Worauf es offenbar ankommt, ist, daft es mSglich sein muft, k o n g r u e n t e E i n k o m m e n s p e r i o d e n zu bilden. Dies hangt, da ex definitione die Einkommen als gteichgrol~ und gleiehartig ange- nommen sind, in diesem einfachsten Falle nur yon der Be<lfirfnis- seite ab. Es ist klar, daft ,sich ganz andersartige Konstellationen ergeben, falls die Bed~irfnisse zwar alle den Bedingungen yon § 6 oder den hier angegebenen genfigen, abet alle Einkommen von- einander abweichen, wodurch sich Ergebnisse hera~sstellen, die ,den e~st in den nachsten Abschnitten zu behandelnden Konstellationen einigermaften gleiehkommen.

Die Abweiehung des jetzt betrachteten Failes gegenfiber dem friiheren liegt darin, dal~ nicht l~nger ein Tatbestand zu beobachten ist, naeh dem jeder Unterabschnitt der Einkommensperiode mit jedem an.deren identisch ist, so dat~ eben immer genau der gleiche Satti- gungsstand aufrecht erhalten wird. Vielmehr i~st festz~stellen, daft wegen der ungleichmal~igen Wi~derkehr der Bedfirfnisse wahrend der einzelnen Absehnitte (z. B. Tage) ungleichartige Aufwendungen an Gfitern zur Be~diirfnisbefriedigung erfordert werden. Das In- dividuum vermag also nur .dann seinen ursprfinglichen Plan einzu- halten, wenn es das Gesamteinkommen n i eh t in gl.eiehm~l~ige Teile ffir jeden Tag zerlegt, sondern an einigen Tagen geringere Auf- wendungen macht als einer solchen Teilung entsprache, um spateren

444 O. Morgenstern:

h5heren (z. B. sonntiiglicher Ausf lug oder Theaterbesuch) Aufwen- dungen vorzusorgen, bzw. umgekehrt . Wesentl ich ist, dal~ das In- dividuum unte r der gel tenden Annahme immer die Einkommens- perioden zur Deckung br ingen kann und sein Disponieren in der Zeit sich bescheiden nur auf die Einkommensper ioden selbst er- streckt, ohne in i rgendeiner Weise £aktisch darfiber hinauszureichen. &uf ein,e graphische Dars te l lung ~dieser Zusamme~h~nge verziehtet man zweckm~ltigerweise am Anfang (u~d daher in dieser ganzen Abhandlung), ,da sich die Bet rachtung soast al lzu leicht an den Kurven f ixier t , anst att auf .die sachlichen Beziehungen und logi- sehen Zusammenhange hingelenkt zu werden. Es mag aber hier da rauf h ingewiesen werden, daft sowohl .die bisher vorgefi ihr ten, al~s auch namentl ich die noch folgenden Theoreme sich fiir eine ganz s t renge Dars te l lung mittels mathematischer ~e thoden eignen. Sie diirften fiir die Anwendung tier Mathematik au f die Wirtschafts- theorie sogar - - wie h ier nicht niiher begrfindet werden kann - - ein besseres Material abgeben, als bisher in e iner lei.der sehr grolten Zahl der Fiille bei der mathematischen 0konomie zu f inden war.

F e r n e r kann wohl davon abgesehen werden, die verschiedenen Un~erarten .der mSglichen Zer legbarkei t e iner Einkommensper iode zu untersuchen. Es wird kein interes~santes Ergebnis dadurch er- zielt, .dal~ z.B. angenommen wird, die Per iode sei in 2, 3, 4 . . . Ab- sehnitte zerlegbar, yon ,denen wiederum einige zur Deckung ge- bracht werden kSnnen, andere dagegen nicht. S o t a n g e es s i e h u m k u r z e D , a u e r ,der E i n k o m m e n s p e r i o d e n h a n d e l t , l i e g t h i e r f i i r d e n W i r t k e i n P r o b l e m v o r , da~ sich yon dem oben behandelten ~nterscheidet und das auch dutch eine etwaige Zer- legung in lau ter ungle ichar t ige Abschnitte gegeben ist. Fal ls jedoch die Einkommensper ioden sehr weir auseinanderri icken, t re ten fiir ,den Wi r t und daher auch fiir ,die Theor ie neue Si tuat ionen auf, die in der vor l iegenden Untei~uchung leider aul~er Betracht bleiben mGssen. Diese, 1.ediglich w e g e n d e r D a u e r d e s z u f i b e r b l i c k e n - d e n Z e i t r a u m e s ~) neuen Pr~bleme leiten zu F r a g e n fiber, die sich auch in ahnlicher Weise au~s den in ,den folgenden Pa rag raphen ge- gebenen Var ia t ionen ableiten lassen. Jedoch wfirde die Ver fo lgung dieser Dinge fiber den Rahmen der Abhandlung hinausgehen.

§ 8. Kongruenzgruppen, gebildet aus mehreren Einkommensperioden

Die z w e i t e V a 1- i a t i o n, ,die dem tats~chlich zu beobachtenden Verhal ten berei ts wesentl ich n~her kommt, in der Untersuchung M a y e r s nieht behandelt ist un.d hier in den Mittelpunkt geriickt

1) Hier ist vielleicht ein Hinweis auf die zwar in etwas anderen Rahmen gehSrenden, aber beachtlichen Ausfiihrungen yon J. T i n b e r g e n: Bestimmung und Deutu~g von Angebotskurven, Zeitschrift ffir National- 5konomie, Bd. I, S. 677/78 (§ 8) am Platze.

Das Zeitmoment in der Wertlehre 4~5

wird, besteht in der Annahme, ,dal~ der Verlauf der Bedfirfniswieder- kehr -- wenn auch vielleicht noch fiberhaupt strengem Rhythmus unterliegend -- der,art ungleichmal~ig ist, daft sich die einzel~en Ein- kommensperieden nicht mehr als untereinander kongruent erweisen. Wfi~de das Individuum das Einkommen einer jeden Einkommens- periode ffir diese zur Ganze verwenden, so mfilRen die einzelnen Einkommensperioden untereina~der einen sehr ungleichen Shtti- gungsstand o,der sehr wechselnde Gesamtwohlfahrt aufweisen. In ex- tremen Fallen ware es auch denkbar, dal~ in der n-ten Einkommen.s- periode ein dringen,des Bedfirfnis a~uftaucht und zugelassen wird, dessen Befrie~igung sogar ein grSfleres ats das Gesamteinkommen dieser Periode erfo~dere. Die WirtscRaft kame in ~olchen F~llen ohne ein zeitlich ausgleiche~des Disponieren nicht zu Rande. Daher mfissen offenbar in jeder Einkommensperiode ber eits Entschei,dungen ge- troffen werden, die fiber di,ese Periode selbst hinausreichen und sich yon den bisherigen, auch in ,den frfiheren Fallen gemachten Annahmen fiber die sp~teren Perio,den .dadurch unterscheiden, dal~ in d e r l a u f e n . d e n P e r i o , d e b e r e i t s A k t e f f i r d i e s p ~ t e r e n P e r i o d e n g e s e t z t w e r d e n . H i e r i n l i e g t das D i s p o n i e r e n in d e r Z e i t im e i g e n t l i c h e n S i n n e ; .den ~damit zum Ablauf ge- langenden Prozel~ gilt es nach allen Richtungen hin zu untersuchen.

Es i s t a l s o w o h l zu u n t e r s c h e i d e n z w i s c h e n dem blol~en E r w a r t e n i r g e n d w e l c h e r k f i n f t i g e r E r e i g n i s s e u n d dem t t a n d e l n in de r G e g e n w a r t im t I i n b l i c k a u f d i e s e Z u k u n f t . Dabei taucht sofort .die Schwierigkeit auf, was denn in der ()konomie als , , G e g e n w a r t " anzusehen sei, da ,doch auch hier ,die Zeit einen standigen, unaufhaltsamen Strom darstellt und es keine Gegenwart im Sinne einer Dauer geben kann. Dies ist weder eine fiberfltissige Spitzfindigkeit noch eine ungebfihrliehe physikalische Analogie, sondern ein ffir ,die Theorie sehr bedeutsamer Tatbestand, dem ,sie Reehnung zu tragen hatS). Die LSsung wird wiederum durch die Einkommens- perioden ermSglicht; es i,st nur fest ztrsetzen, dal~ im Sinne des Dispo- nierens die jeweils ablaufende Einkommensperiode als ,,Gegenwart" gilt, wobei ,die am Ende des vorigen Paragraphen erw~hnten Be- schr~.nkungen hin~sichtlich tier Zeitdauer aufrecht bleiben. Die Be- rechtigung f fir .diese Festsetzung ergibt sieh unmittelbar aus obigem, wo gezeigt wurde, .dal~ am Anfang der Periode, also zum Zeitpunkt des Anfall,es des Einkommens, d e r P l a n f i i r d i e g a n z e Z e i t bis zum n~ehsten Empfang yon Einkommen (bei <ler Vereinfachung regelma~iger A bst~nde) gemacht wird. Nunmehr i st vSIlig klar, daft auch, falls nur fiir eine einzige, namlich die jeweils gegen-

1) Die Ausffihrungen BShm-Bawerks fiber Gegenwart and Zukunft vermSgeu keineswegs zu befriedigen; gegen seine Un~erscheidung yon Gegenwarts- und Zuklmftsgiiter sind erhebliche Bedenken geltend zu machen.

446 O. Morgenstern:

wiirtige Einkommensperiode Dispo,sitionen getroffen we~den, den- noch Erwartungen fiber ,die Zuklrnft mitspielen kSnnen. D~s eigent- tiche Disponieren in der Zeit l~l~t aber, im Unterschied zu dem frtiheren F.all, aus diesen Erw, artungen .den Entschlul~ reifen, be- reits jetzt, in der Gegenwart, fiir spiitere Einkommensperieden Ver- haltensakte zu setzen. Aus dem Tatbestand heraus, dal~ manchmal nicht, manchmal aber doch , , v o r d i s p o n i e r t " wird - - wie wir dieses Verhalten in Hinblick auf zuktinftige Einkommensperioden bezeichnen wollen - - ,sowie uus der weiteren Tatsache, ,die yon ganz entscbeidender Bedeutung ist, d a It i m m e r n u r f i ir T e i 1 e d e r s p ~ t e r e n E i n k o m m e n ~ p e r i o d e n a n g e h i t r e n d e n B e d i i r f - n i s s e v o r d i s p o n i e r t w i r d , l~tltt sich die vSllige restlose Klar- stellung des Problems der sogenannten ,,Minderschatzung" kiinfti- get Bediirfni,sse gewinnen, ein Problem, d~s trotz aller scharfsin- nigen Untersuchungen hieriiber bis heute dunkel un, d voller ~Vider- spriiche geblieben ist.

Unter der Voraussetzung, dalt das Individuum einen miiglichst homogenen Wohlfahrtsstand wiinscht, mul~ es im Falle tier Nicht- Kongruenz der einzelnen Perioden untereinander, mehrere der- selben zusammenfassen, .die d,ann zusammengenommen eine K o n- g r u e n z - G r u p p e , aus einer M e h r h e i t von Einkommensperioden gebildet, liefern. Es werden ,also z.B. die 1.--6. Periode zusammen eine Gruppe bilden, .die mit der nach, sten Gruppe tier 7.--12. Periode kongruent ist. Dieser Fall unterscheidet sich yon dem in § 7 be- handelten dadurch, dalt ,das Einkommen fiir die 6 Perioden nicht auf einmal, sondern nacheinander in rhythmischen StSlien zur Verfiigung des Wirtes gelangt und jede Periode eine yon der anderen ab- weichende Bediir~nisstruktur hat. tI ierin liegt ein bedeutsamer Unterschied und diese Gestaltung, (~bwohl sie bei weitem nicht die letzte der mSglichen ist, enth~lt alle Elemente des Vordi, sponierens und tier sogenannten Minderschiitzung, deren Analyse Aufgabe der Theorie ist. Die Wirtschaftsperiode ers t reckt sich nunmehr fiber die jeweils ublaufen,de Einkommensperiode hinaus bis zum Ende jener, die die letzte ist, fiir die in der ersten der Gruppe bereits vordisponiert wurde. Im Unterschiede zu anderen, unstatthaften Verwendungen des Begriffes tier Wirtschaftsperiode (besonders in ihrer heute fiblichen Ausweitung als ,,Produktionsperiode", wo eine geradezu groteske Yerwirrung herrscht und oft die elementarsten Forderungen an klares Denken unerftillt bleiben) sind bier Anfang und Ende genau festgelegt. Dies schliegt allerdings nicht a, us, da~ es Situationen gibt, bei denen - - wegen tier Unmfglichkeit die bei.den Endpunkte anzugeben - - die Verwendung des Begriffes un- zutiissig und sinnlos wird. Augerdem i.st zu beachten, (lag die Periode fiir die noch disponiert wird, mit dem Ablauf der Zeit immer kiirzer wird, da der Grenzpunkt immer hither heranrtickt. Wird er erreicht, so beginnt sofort .die neue Periode mit der urspriinglichen LRnge der eben abgelaufenen Gesamtperiode. Es ist also durehaug

Das Zeitmoment in der Wertlehre 447

zulassig, zwischen der Gesamtperiode und dem noch zu durchlaufen- den Abschnitt zu unterscheiden, was fttr eine R eihe von Problemen erforderlich ist, wie hier in Parenthese bemerkt sei.

§ 9. Vordisponieren v e r s u s blofle Voraussicht , ,Vord isponimere~" besteht in der Verwendung von Einkom-

mensteilen aus Einkommensperi(~den, .die zeitlich friiher liegen al's die gedachte Verwendung setbst, falls die Verwen,dungsweise ba- reits bei der Zurfickbehaltu'ng dieser Teile eindeutig festgelegt war. D u r c h d i e s e V o r h e r b e s t i m m u n g d e r V e r w e n d u n g u n t e r - s c h e i d e t s i c h d,as V o r d i s p o n i e r e n yore , ; z w e c k a n o n y m e n S p a r e n " . Dieses impliziert ebenfalls eine mSgliche sp~tere Ver- wendung, wobei alterdings der Zeitpunkt und ,die Verwendungsart im Zeitpunkt der Setzung des Sparaktes often gelassen sin.d und eine solche Verwendung nicht einmal notwendigerwei~se tiberhaupt beabsichtigt sein mul~ (z. B. Reservenbildung schlechthin -- ,,eiserner Vorrat" -- usw.). Durch ,die Vordisposition wird klar, dal~ dem V o l l z u g eines jeden W i r t s c h a f t s a k t e s ein ganz bestimmter Zeitpunkt oder Zeitahschnitt verschieden lang v or .dem Vollzuge durch eine abgeschlos,sene vorzeitige Vv~ahlhandlung (oder mehrere aufeinanderfolgende, verschiedenen Einkommensperioden angehSrige Wahlhan.dlungen) selbst zugeordnet wird. E s bedeutet keineswegs eine Verschiebung der bisherigen Terminologie, sondern im Gegen- tell eine nStige Pr~zi~s~erung, wenn das Wort ,,Sparen" aus~schlielL lich ~uf die bier als ,,zweckanonym" bezeichnete Rticktage yon wirt- schaftlichen Gfitern (auch Geld) beschr~nkt wird. VVesentlich ist, dat~ for ~die sp~tere Verwendung dieser Mittel zugleich auch k e i n - - nicht einmal .annahernd genauer -- Z e i t p u n k t bestimmt ist, wogegen dies beim Vordisponieren unbedingt der Fall sein mu~, und zwar selbst dann, wenn ,die Einzelheiten der sp~teren Verwen- dung, etwa infolge weit hinatrsgertickter Zeit, zu verschwimmen be. ginnen und die dem VVahlakt anhaftende Freiheit.szone e~inbezogen wird.

Die allgemeine Aussage, 4al~ alles zeitlich sp~tere in aller Reget unklarer und im allgemeinen unsicherer wird, i st ftir sidh selbst genommen, eine btol~e T r i v i a 1 i t ~ t und als solche keineswegs ge- eignet, die Zusammenhange ,zwischen Zeit ,und Wert zu erkl~ren, wie es die Meinung jener Autoren zu sein schein, die von einer Tendenz des Disponierens sprechen, die dahin gehe, dal~ immer mehr un.d mehr Bedfirfnisse zu Gruppen zusammengefal~t werden, je sp~tere Zeitpunkte diesen Bedfirfnissen zuzuordnen sind. Hieran ist einiges richtig, aber ,die Auswertung der Tatsache ist unge- nfigend. Eine einfache ~berlegung zeigt n~mlich, daft auch i n n e r - h a l b einer einzelnen Einkommen, speriode ~selbst n, ach dem Fall des § 7) die Konkretisierun, g der Bediirfnisse am E nde mder Periode, eingangs derselben, wenn ffir sie also schon alle n~tigen Disposi-

448 0. Morgenstern:

t ionen ge t rof fen werden, keineswegs gel ingen mul~ u~d es sich um ein ,g lobales" Disponieren handelt, t~in Beispieh Ich l imitiere wohl fi ir den ganzen Monat ttiglich zum Mittagessen eine Summe yon x Schilling, allein wo und was ich in 14 Tagen essen werde, lasse ich ,derzeit vSllig often. Auch werde ich ffir heute nu r ~den Ort wissen, wohin reich meine Wege ftihren, aber die Spei~e selbst, auch die ganz genaue, tatstichlieh ,aufgewendete Summe wird sich erst beim Akte ,des Konsumierens selbst ermit teln lassen. Immer aber weil~ ich, ,dalt ich - - yon einer gewissen, yon der Theor ie zwar un- beachteten F r e ih e i t s z o n e abgesehen, die bei jedem an einem Plane or ient ier ten Verhal ten auf t r i t t - - d i e Summe yon x Schill ing durchschnit t l ich e inzuhal ten habe. Der globale C h a r a k t e r zukfinfti- ge t Bediirfnisse hat also mit dem Zdte lement wenig zu tun. Ebenso ist es ziemlich unbedeutsam, dal~ mit dem Ablauf ,der Zeit die Zonen der verschiedenen Grade der Spezi f iz ierung des Verhal tens (regel- mtil~ig oder sprunghaf t ) hinausriicken. Die Annahme einer solchen automatisehen Verl t tngerung ft ihrt nicht zur Gewinnung von Ein- sichten in die Zusammenhtinge der Elemente, ,die eine , ,Wir tschaf ts periode" bilden.

Die F ragen der Voraussicht und Voraussehbarkei t sind natiir- lieh fiir die (Skonomie wie fiir alle Sozialwissenschaften von grol~er Bedeutung und verdi.enen genaue Kla~stellungl). Allein alas Dispo- nieren in der ZeJt ltilit sich mit der Abstufung der Voraussicht a l l e i n nicht erklaren. Zu bemerken ist noch, .dal~ die Behauptung, dal~ es fiir a l l e Bedfiffnisse einen gleichmtiltigen Grad tier Ab- nahme der Spezi f iz ierung gtibe, hSchstens eine al lerers te Anntih'e- rung dars te l ten k5nnte. Die Beobachtung des empirischen Ver- hal tens tier Menschen lehr t vielmehr, datt es sogar Bediirfnisse gibt, .die fiber sehr lange Zeitrtiume g, anz genau detai l l ier t fes tgelegt werden, wt~hrend andere wieder ~schon fiir ~lie ntichsten Stu~den v5tl ig nebelhaft werden. Es sei gleich an dieser Stelte vor dem etwaigen F e h l e r gewarnt , a n z u n e h m e n , da i t d i e w e i t - h i n a u s , s p e z i f i z i e r t e n B e d f i r f n i s s e n o t w e n d i g i n d e r R a n g o r d n u n g h i i h e r s t~ehen m i i ~ t e n a t s d i e a n d e r e n nicht spezi f iz ier ten oder nicht spez i f iz ie rbaren Bedfirfnisse. W i r werden vie lmehr noch .schliissig zeigen kSnnen, ,dati diese Dinge - - viel- leicht wider E rwar t en - - k e i n e n Zusammenhang mite inander auf- weisen mfissen. D,as V e r s e h w i m m e n z u k i i n f t i g e r B e d t i r f - n i s s e i s t a l s o a n s i c h w e d e r e i n h i n r e i c h e n d e s , n o c h t i n n o t w e n . d i g e s K e n n z e i c h e n ,des D i s p o n ' i e r e n s in d e r Z e i t . Der Nachweis, dal~ viele morgen zu vollziehende Wirt.schafts- akte keineswegs bis ins letzte gegl ieder t un, d klargemacht sind, ich dagegen vSllig genau weift, daI~ ich in .drei Monaten auf eine Woche

1) Vgl. O. M o r g e n s t e r n " Wirtschaftsprognose, Wien 1928, wo eine Reihe hier nicht behandelter Aspekte des Zeitmomentes vorgetragen ist und ferner die Er~artun&s- und Voraussichtsmomente im weiteren Rahmen der Kenntnisfragen untersuoht wurden.

Das Zeitmoment in der Wertlehre 449

in einen ganz be stimmten K.urort fahren will, um in einem ganz genau angebbaren Sanatorium ein ganz genau umrissenes Leben zu fiihren usw., also jedenfalls genauer ,darlegen und mir bewul~t machen kann, als etwa, wo und was ieh heute in acht Tagen, also in einer wesentlich kfirzeren Frist, zu mittag zu speisen gedenke, l~iRt demnaeh die e twaige Vermutung , .die b isher igen Schrif ten, die sich mit ,der ' immer mehr globalen Natur kf inf t iger Bediirfnisse be- seh~iftigten und die darin eine LSsung des Zei tproblems in der Wer t t eh re erblickten, ba t ten den Kern tier Sache getroffen, als hin- f~llig erscheinen. Hinzu kommt noch, ,dal~ sich - - wie nicht anders zu erw, ar ten - - aus ,dies en zwar oft zutreffenden, aber unerhebl ichen A~ssagen keine wei te ren fiber .die Bewer tungsvorg~nge ablei ten lassen. Gerade .darauf kommt es jedoeh an.

§ 10. Kompensation von Bediirfniserwartung und Einkommenserwartung

Zur vSlt igen Kla r s t e l lung sowohl des Verh~iltnisses yon Vor- attssicht und Vor, disposit ion als aueh ~des Prob lemkre i ses tier so- genannten ,,Mindersch~ttzung" ist es notwendig, nunmehr aueh die E i n k o m m e n s e i t e zu betrachten. Es ist f iberaus merkwfir,dig, dal~ die E r w a r t u n g s m o m e n t e bezfiglieh der zukf inf t igen Ein- kommen eine so un~ergeordnete l%olle in ,der Theor ie im all- gemeinen und in tier Wer t theo r i e im besonderen soga r fiber- haup t keine Rolle gespie l t haben. Die These yon ,der .stets mit der L~inge ,des Ze i t r aumes e inhergehenden Zunahme .des wacl~senden g lobalen Charak te r s der Bediirfnisse hatte namlich beglei tet sein mt~ssen yon e iner ~hnlichen Aussage fiber die zukt~nftigen Einkom- men. Man brauch t ffir diese erste Da r l egung nicht lange bei der Beobachtung zu verwei len, dal~ zukfinf t ige E inkommen in al ler Regel immer uns ichere r und ve r schwommener nach Ar t und GrSl~e werden, sieh s t a rke Untersehiede bei den einzelnen Bev~lkerungs- typen und Beruf~sklessen (z. B. Kiinst ler gegenfiber Staatsbeamten) e rgeben uud dergleichen mehr. Aber selbst wenn man es mit e inem gleichbleiben, den, regelm~il~igen E inkommen zu tun hat, wird die E r w a r t u n g ffir grol~e Zei t r~ume allm~hlich unbest immt niedr ig werden.

Aus dem anseheinend merkwfi rd igen Tatbestand, daI~ in al ler l~egel n i e h t der gauze, ja - - un te r Absehung des typiseh Geiz igen - - nicht e inmal ein erhebl icher Teil ,des momentan vorhandenen Gfi~erzustromes v o r ~d i s p o n i e r t wird, obwohl au,s tier E r f a h r u n g hin]~nglich bekann t ist, dat~ ,die gegenw~irtige oder ,eine ahnliche oder sogar eine erheblich ve~schleehterte Be diirfnissitu, ation wieder au fzu t re t en pf legt - - wahrscheinHch soga r viele Male hintereinun- der - - , sondern ein grol~er Tei l ,des gegenw~r t igen E inkommens oder auch alas ganze E inkommen im gegenwar t igen Ze i t r aum E1 ve rwende t wird, folgt, daft alas wir tschaf tende In.dividuum eine ganz

Zei t sehr . f. N a t i o n a l S k o n o m i e , V. Bd. , 4. H . 29

450 O. Morgenstern:

b~stimmte E r w a r t u n g in bezug auf ,die zuki inf t igen E inkommen hegtl) .

B e i N i c h t - V o r s o r g e in E1 f i i r k i i n f t i g e , bekannte und akzept ie r te B e d i i r f n i s s e , die im Zei tpunkt Ei (also in der sp~teren Einkommensperio.de) auf tauchen werden, I i e g t e i n e K o m- p e n s a t i o n v o r y o n : a ) d e r durch 4~s zu e rwar tende Bedi i r fnis ausgelSs ten D r i n g l i c h k e i t nach Vorsorge , un.d b) tier W a h r - s c h e i n I i c h k e i t Wi, ,die alas Ind iv iduum dem E m p f a n g eines ent- sprechen,den Eink~ommens E i oder der MSglichk, eit, aus diesem Ein- kommen den ftir ,die Bef r ied igung dieser Bediirfnisse herauszu- 15senden Tei le zu erhal ten , zumiitt. J e.de's V e r h a l t e n im Hin- bl ick auf zuki inf t ige Einkommensperi(~den, ,das in einem H a n d e 1 n eder in tier b e w u l ~ t e n U n t e r l a s s u n g yon t t and lungen bestehen kann, setzt Mn ,solches Urte i l seiter~s des Wir t schaf t s sub jek tes be- ztiglich tier Kompensa t ion oder Nicht-Kompensat ion der beiden, in einem fibertragenen, aber sehr ent.schiedenen Sinne, k o m p l e m e n - t a r e n Griilten vora,us. Man kann ohne ~ b e r t r e i b u n g sagen, dal~ es sich h ier um die Fes t s te l lung eines in ,der 0konomie bi.sher unbe- kann ten Verhal tn isses .der Komplementar~t~t, o,der A, bh~ngigke i t schlechthin, handelt.

Die Wahr,scheinlichkeit Wi fiir das E inkommen Ei implizier t , da~ alle vorhergehenden E inkommen (falls - - wie im vorl~tufigen Rahmen dieser Abhandlung - - i rgendeine Re gelmal~igkeit tier Ein- kommensges tMtung, z. B. im Wege der Abh~ngigkei t der E inkommen yon kont inuier l icher Produkt ion vorausgese tz t wird) m i t m i n - d e s t e n s t i e r g l e i c h g r o t ~ e n W a h r s c h e i n l i c h k e i t w i e W ~ a u s - ges ta t te t sind.

Auf G r u n d der b i sher igen Fes~stel lungen erg ib t sich, dat~ die B 5 h m- B a w e r k sche These yon .der , ,Mindersch~tzung" kf in f t iger Bediirfnisse ebenso wi'e die Gegenthese von tier nicht erfol~enden Mind.e~schatzung bei,de a ls unvollst i indige Aussagensp l i t t e r abzu- lehnen si~d. Sie entbehren beide .eines pr~zisen 5konomischen Sin- nes; dieser stellt s ich erst ein, wenn alas oben aufgeze ig te Komple- mentari t~t .sverh~ltnis der bei,den E rwar tungsmomen te beriick:sichtigt wir.d. Zugleich verschwinden die vielen - - z .T . recht se l tsamen - - P art~doxa, ,die sich mit tier L i t e r a t u r ,dieses P rob lemkre i ses ver- kniipfen. Aul~erdem handelt es sich bei ,der Behaup tung der ,,Min- derschi~tzung" um ein unzul~ss iges Wer tu r t e i l (ira Sinne e i ae s , ,mangelhaften", , ,nicht-rat ionalen" ¥e rha l t ens ) , wahren, d jetzt ein sp~teres Ause inander fa l l en yon Bedi i r fn i ss t ruk tur and Einkommens- grSite, wodurch sich also z .B. im Gegensa tz zur E r w a r t u n g ke ine Kompe~sa t ion ergibt , lediglich ein I r r t u m s m o m e n t in E r -

~) Die Einkommenserwartungen stellt in den Mittelpunkt seiner Theori~ Irving F i s h e r: The Theory of Interest, 1930. Dieses gl~nzende Werk ent- halt auch ~iir die bier behandelten Fragen - - die sich in unserer Weise d0rt nicht behandelt finden ~ ~ertvolle Anregangen, besonders fiir die weiteren Themen der Variation der Einkommen z.B. durch Darlehen usw.

Das Zeitmoment in der Werttehre 451

scheinung treten lal~t. Die Aassag,e des Wirtschaftssubjektes, dal~ zu irgendeinem spateren Zeitpunkt eine vollst~ndige oder teilweise Kompensation eintreten werde, kann al~so wahr oder falsch sein, genau wie jede ,seiner anderen Aussa~en; ein besonderes ,,wert- maltiges" Element tritt bier nicht in Erscheinung.

Es zeigt sich nunmehr, dal~ es keineswegs l~nger widerspruchs- voll ist o,der auch nur sel~sam zu erscheinen vermag, wenn das Wirtschaftssubjekt trotz aller Kenntnis tier periodischen Wieder- kehr ibm wichtigster Bediirf~isse heute ,diese selben Bediirfnisse bis zu einem vielleicht sogar sehr tiefen Grade si~ttigt und dartiber hinaas noch ganz andere, minder wichtige Bedtirfnisse beiriedigt. Es unterschi~tzt eben keineswegs die Dringlichkeit dieser gleichen, wiehtigen Bediirfnisse zu einem sp~teren Zeitpunkt und einer nach- folgenden Periode, nur nimmt es eben gleichfatls an, dal~ ibm dann mindesten's das heute auf sie aufgewendete Einkommen zur Ver- ftigung stehen wi~d. I)al~ eine ,solche Einkommensschi~tzung s t e t s vorgenommen ~ird, l~lit sich leicht ,daraus beweisen, .dalt das Wirt- schaftssubjekt t t b e r h a u p t Teile seines vorhandenen Giitervor- rates (als Einkommensstrom gefalit) verwendet, obwohl es vielleich~ noch sehr lange zu leben hofft. ,G~be es jenes Ph~nomen, das die Kri t iker der These B 5 h m- B a w e r k s als Gegeneinwand vorfiihren, so mtil~e dieses ein Verhalten hervorrufen, dalt empirisch in gar keiner Weise .zu beobachten ist. Es mu~ natiirlich beachtet wet- den, ,daI~ mit der Zeit sowohl .die zukiinftigen Bediirfnisse als auch die zukiinftigen Einkommen z~ verschwimmen beginnen un, d da[t ferner das Malt tier Vorau, ssicht und Erwartung sehr u n g l e i c h werden kann; aber dies ist alles Ansflul~ des obenerw~hnten allg,e- meinen Prinzipes, das sich iiberall im menschlichen Verhalten durchsetzt. Man wird kanm auf der Basis des I r r t u m s die Zins- erkli~rung geben kSnnen. Interessant ware es, die Frage aufzu- werfen, ob nicht genau die gleichen, B 5 h m- B a w e r k vorschweben- den Schliisse, auch ,dann sich erg~ben, wenn man in seinem Sinne zwar keine M i n d e r s c h a t z u n g zukiinftiger Bediirfnisse, son,dern eine systematische H S h e r s e h i ~ t z u n g kiinftiger Einkommen an- n~hme. A priori i~st nicht einz~sehen, warum die eine Behauptung vor tier anderen den Vorzug verdiente.

Die am Ende des § 6 erw~hnte Beobachtung ist nun die der ,Kompensation". E s g e n i i g t a l s o n i c h t , .dal~ a u f e i n a n , d e r - f o l g e n d e E i n k o m m e n s p e r i o ~ d e n a u f d e r B e d f i r f n i s s e i t e k o n g r u e n t sin~l, sondern es muli ferner noch ,die Annahme seitens des Wirtschaftssubjektes hinzutreten, daii ,die Kompensation eintreten wird, damit es zu keinem Vordisponieren kommt. Wiirde man zwar die Kongruenz tier Beditrfnisstruktur ,der einzelnen Perioden fiir gegeben erachten, aber ferner ~mit einem z.B. all- mi~htich gleichm~liig oder sonst irgendwie sinken, den Einkommen rechnen, so w~re die Kompensation nicht gegeben u~d es wiirde zwecks A~sgleiches ,der Wohlfahrt ,durch die Zeit trotz der kom

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g ruenten Per ioden dennoch zu einem echten Vordisponieren kom- men. In dieser, nur einen vorli~ufigen, summarischen Bericht geben- den Abhandlung bleiben aber die Var ia t ionen der Grundannahmen zweckm~l~igerweise auger Betracht, obwohl gerade ers t diese ~Veite- rungen zu den interessantesten Ergebnissen fiihren. Ohne es n~her ausf i ihren zu miissen, wird aber dem aufmerksamen Lese r klar- geworden sein, wie hinf~llig, ja wie ger~de absurd ,die schon fr t iher zuri ickgewiesene Behauptung ist, man kSnne mittels der Bediirf- nisanalyse nichts anderes tun, als zu ,dam nichtssagenden Satze zu gelangen: ,,das Individuum verh~lt sich so, wie es sich verh~lt". Die Analyse des Yerhal tens in der Zeit ist besonders reich an Gegenargumenten - - wenn sie i iberhaupt noch nStig w~ren.

Handel t es sich um ein Wirtschaftssubjekt , das in eine Tausch- wir tschaf t e ingebet te t ist, so t re ten zu den Elementen, die den Kom- pensa t ionsvorgang ausmachen, noch einige hinzu, yon denen hier nur die vermute ten P r e i s i i n . d e r u n g e n erwiihnt seien. Unter be- stimmten Vorausse tzungen ergeben sich dann Verschiebungen im Verhalten, die scheinbar den Rahmen der eben abgesteckt wurde, sprengen; allein es zeigt sich bei genauerer Pr t i fung, dal~ im Kern atles nur auf .die F r age der Kompensation der beiden GrSl~en und das da.durch bestimmte Vordisponieren hinauslauf t und sich alle anderen Aussagen letzt~en Endes in solche der bisher gemachten Art zuri ickfi ihren lassen. D~es gi l t auch ffir die Risikotheorie.

§ 11. Die Bewertungsvorg~inge bei der Vordisposition Es i st nun nStig, noch eine Reihe yon wichtigen Einzelhei ten

im Zusammenhang mit dem Vordisponieren zu untersuchen, das bis- her nur in groben Ztigen gezeichnet wurde. Vor allem ist der Kon- takt mit den Bewer tungsvorg~ngen, wie sie bisher yon der Theor ie beschrieben worden sind, herzustel len. Dabei ergeben sich im all- gemeinen keine nennenswer ten Schwier igkei ten mit Ausnahme der bisher igen These, daf~ das Wir t scha f~sub jek t seinen Gesamtwohl- fahr tss tand m a x im a t~ s i e r e n wolle. Abgesehen davon, dat~ dieses Ziel trotz angelegent l icher Bemiihungen wohl niemals ganz prazise und e inwandfre i bezeichnet wurde, zeigt es sich, dal~ bei entwickel ter Zei t reehnung ganz erhebliche Verwickelungen auftauchen, derar t vielleicht, dab es sich hier um einen der Punkte handeln kann, in denen die Wer tauf f~ssung als solch, e einer Ab~nderung bedarf. Diese F rage zu entscheiden wtirde jedoch zu weit filhren, weft vor- her auch 'd~s dem hier behandelten in vieler Hinsicht analoge Pro- blem ,des Maximalisierens in der Zeit durch den Unternehmer ge- prfift sein mtit~te. Letz teres br ingt i ibrigens auf sine ganze An- zahl neuer Ansiehten im Gebiete der re inen Theor ie und enthalt gegeniiber der ftir den Wir t schaf te r geltenden Theor ie des Dispo- nierens in der Zeit eine Anzahl t iefreiehender Unterschiede, wes- halb es bei anderer Gelegenhei t gesondert behandelt werden mul l

Das Zeitmoment in der Wertlehre 453

Wie immer das sogenannte 2. G o s s e n s c h e Gesetz vom Grenz- nutzenniveau beurteilt werden mag, die vor.sichtige Formulier~ng, daI~ das Wirtschaftssabjekt zu einem mSglichst weitgehenden Nutzenausgleich drangt und ,daher immer auf einer Tendenz zu einem einheitlichen Niveat~ bestehen wird, diirfte haltbar sein. Daft dieses Niveau wegen verschiedener, von der Kritik festgestellter Umst~inde nicht erreichbar ist, unter~scheidet ,dieses Gesetz nicht yon an deren ~Gesetzen oder yon solchen in anderen Wissenschaften. Es ist daher statthaft, .den Grundgedanken des tunlich,sten Nu~zenaus- gteiches auch auf die Bewer~angsvorg~nge in ,der Zeit anzuwenden. Die Erkl~rung hat entlang folgender Linien zu gesehehen:

a) das heute (to) fiir da.s Bediirfni,s x, das im Zeitpunkt t~ a u f tritt, vordMponierte Einkommensteilchen hat bei dieser ~V~erwen - dung gr~i~eren Weft, als wenn es heute z~s~itzlich verwendet wer- den wiirde. Aber

b) damit ist n i c h t gesagt, dat~ - - und hierin liegt eine wichtige, jedoch nur auf Grun,d tier im vorigen Paragraphen entwickelten Lehre von dem Urteil fiber .die Kompensation verstandliehe Fest- stellung - - das vordisponierte Bediirfni,s x~ in der Periode Ei das wichtigste Bediirfnis dieser Periode ist, obwohl es vielleicht den grSl~ten ,Giiteraufwand fiir irgendein Bediirfnis in E~ selbst erfor- dern mag. Der Aufwand fiir x~ stammt eben nieht - - oder nut zu einem geringen Bruchteil - - a~s dem Einkommen in t i, sondern wird durch die Gesamtheit der vorhergegangenen, vielleicht sehr zahl- reichen Akte der Vordisposition aus verschiedenen Einkommens- perieden gebildet. D~s Bediirfnis xi kann vielmehr ein Luxusbe- diirfn~is yon E~ sein (z. B. Reise). Dal~ die im Vergleich zu ihm viel wichtigeren anderen Bediirfnisse - - d e r e n Bedeutung dann in dem ,sp~iteren Zeitpunkt ta~s~ichlich mit der friiher beurteilten und erwarteten Bedeutung ilbereinstimmen mul~ - - n i c h t vo~disponiert werden, ist, wie jetzt wohl vSllig klar, keineswegs ein Fehler oder gar ein Wide~spruch, da g e r a d e im G e g e n t e i l f i i r d i e s e Be- d i i r f n i s s e d a s g e s a m t e f i i r E~- e r w a r t e t e E i n k o m m e n be- s t i m m t w i r d . Es wird also gar nicht, wie eine oberflachliche Am sieht meinen kSnnte, notwendigerweise fiir die wichtig,sten Beditrf- nisse vordisponiert! Fiir den Vorgang ist vSllig g l e i c h g i i l t i g , wo ,sich a u f t i e r S k a l a .der R a n g o r d n u n g das fi[r .die Akte des ¥ordisponierens zugelas,sene B e d i i r f n i s b e f i n d e t . Die Ent- scheidtmg hieriiber h~ingt von z w e i Faktoren ab: yon der Rang- o~dn~ung und von dem Rhythmus, welch letzterer sich in dem Urteil i~ber die Kompensation auswirkt. Bei .dieser Gelegenheit mag dar- auf hingewiesen werden, dal~ die stets nur gemein;sam erfolgende Absch~itzung .des AusglMehes in tier Erwartung des zukiinftigen Einkommens un.d der zukiinftigen Bediirfnisse v o n d e r Struktur b e i d e r abh~ingig i~st und nur Sinn hat, wenn jeweils die gesamten GrSfien, nicht nut irgendwelche Grenzwerte, miteinander verglichen werden.

454 O. Morgenstern:

Unterscheiden sich also die Bewer tungsvorg~nge nicht in den grundlegenden Pr inz ip ien von den bisher aufgestel l ten, so e rgeben sich doch einige in teressante Modifikationen. Von dem Zurechnungs- problem, wo sich Schwier igkei ten wegen der F r a g e der Mengen- einheit ergeben, absehend, sei auf folgendes Beispiel verwiesen : Ha t der W i r t in dem Zei tpunkt t~_ 1 (dem Zei tpunkt vor t~, wo d~s Be- dfirfnis anf~ll ig wird) schon mehre re vord isponier te E inhe i ten eines Gutes zur Verff igung, so bleibt wider E r w a r t e n ,die obige Nutzen- rechnung aufrecht , da der W i r t ja nur seine Z u s a t z m e n g e zu diesem Vor ra t mit ih re r ni~chstbesten Verwendung zu verg le ichen hat. Die Ta t sache eines e twa fiber ~sein E inkommen h inausgehenden Vor- ra tes bert ihr t seinen Wi r t scha f t sp l an ftir die betrachtete Per iode keineswegs . Dieser Vor r a t spiel t ,die gleiche Rolte wie sonst iges nicht zur Verwendung ge langendes VermSgen. Nimmt er ihn den- noch - - e twa well er nicht s tandhaf t ist und i rgendwelehen momen- tanen La~nen nachgibt - - vorze i t ig in Verwendung, wodurch ein (anderer) B e w e r t u n g s v o r g a n g .ausgelSst wird, so kommt h ie r in ke in immanente r Zwang zum Ausdruck, sondern er d i sponier t ein- fach urn, wodurch ein neues Da tum gesetzt ist; die we i te ren Ab- l~ufe sind wieder auf entsprechende Ar t ztt e rk la ren . Es handelt sich aber zunachst gewilt da rum zu erklaren, wie es um die Wer t - e r s c h e i m m g e n steht, wenn der Wi r t se inem t t rsprf ingl ichen P lane t reu bleibt.

Fi i r eine Reihe yon F r a g e n ist a~ueh fe rne rh in yon Bedeutung, dait ,die Lehre vom Vordisponieren den ers ten An, satz ffir die d iversen E I a s t i z i t a t s p r o b 1 e m e - - zuniichst f fir ,die e infache Wir t scha f t - - bringt . Wenn ,die Vordisposi t ion die F o r m nimmt, dalt k o n k r e t e Gfiter (also nicht Geld) suk~ess ive zurf ickbehal ten oder e rworben we~den, oder zu ungte ichen Ze i tpunkten e rworben wer- den, o.der i iberhaupt - - z. B. durch ,die Zeit sich in se iner Zttsammen- se tzung ve~schiebendes - - Na tura le inkommen besteht, so ist klar , dali den Reakt ionsmSgl ichkei ten auf die verschiedenen Datenande- rungen engere Grenzen gesetzt sind. Diese , ,Starrhei t" der Wir t - scbaf t ist aber zugteich attch ein F o r m e l e m e n t . Es bedar f wohl keines besonderen t t inweises , da]~ auch .d~s a l lgemeine Problem der vo lkswir t schaf t l ichen Liquiditiit, das bi,sher fas t au,sschlielllich als ein Bankprob lem betrachte t warde, obwohl es sich a.uf allen Stufen der Tauschwi r t scha f t aufze igen l~fit, ebenso wie alas Zeit- problem am zweckmal~igsten vom Wir t schaf t s sub jek t her .anzu- packen ist.

In den obigen Au.sffihrungen wur.den die mSglichen ~nd tat- sachlich beobachtbaren Var ia t ionen i~ulie~st beschrankt . Es ist da- her zweckm~lHg, anzt~deuten, in welcher Richtung ,die wei teren zu suchen sind. Sehen wi t ab v o n d e r Einf f ihrung immer grSfierer Rhythmen - - n a t u r h a f t e r oder ins t i tu t ionel ter t t e r k u n f t (z. B. wiederum aus dem Produk t ionsau fbau zu erkl~ren, wodurch ~ler Kon tak t mit den t tbrigen dort auftreten, den Zei tproblemen unmit tel-

Das Zeitmoment in der Wertlehre 455

bar hergestellt ist) -- die zur Bildung yon Kongruenzgruppen die Erfassung immer zahlreicherer Einkommensperioden niitig machen, wodurch sich die ~ b e r b l i c k b a r k e i t mehr und mehr erschwert, derart sogar, dal~ .die Maximalisierung eine gesonderte A~fgabe wir,d, so muli sich .die Aufmerk,samkeit auf die Einkommensseite hinwenden. Es bedarf nur .des wiederholten Hinwei~ses darauf, daft auch bei vSlliger Homogeneiti~t der Bedfirfnisse durch die Zeit sich ftir den Wirt die Aufgabe des Vor, disponierens ergibt, falls sein Einkommen eigenen Rhythmen unterliegt. Dies beeinflul~t auch seine Urteile fiber die Kompensation. In der Empirie sind natfirlich b e ide Faktoren, Bedtirfnis und Einkommen, st~ndigen Schwankun- gen unterworfen und ,die Aufgabe, einen gteichmi~i~igen Versor- gungszustand .dutch di,e Zeit aufrecht zu erhalten, ist ffir die ein~ zelnen Schichten und Klassen ,der Wirtschafter offenkundig nach ihrem Schwierigkeitsgrade fiberaus verschieden. Hinzu tritt noch, daft sich .die Wirtschafts.dispo,sition gewShnlich in einem schwan- kenden Preissystem abspielt; die Erwartungskomponenten werden also immer komplizierter; es ist gewig ein dankbares Feld yon Auf- gaben, das sich hier vor dem Theoretiker auftut.

§ 12. Versch~riung des Grenznutzenprinzipes und der Komplement~irit~itsbedingungen dutch Einbeziehung

des Zeitmomentes Jede wie immer geartete Formulierung ~des Grenznutzen-

prinzipes un,d des Goss.enschen Gesetzes enth~ilt zugleich Aus- sagen tiber einen irgendwie n~ther zu kennzeichnenden Zeitraum. Eine Prtifung ~der Frage, ob die Fassung des Grenznutzenprinzipes von dem betrachteten Zeitraum unabhangig bleibt, o.der was sich mit der Veriinderung der L~nge dieses Zeitraumes sonst fiir Varia- tionen ergeben, fiihrt zu einer Reihe interessanter Ableitungen. Wir unterschei,den 1. die Planung der Wahlhandlungen, 2. den Voll- zug der ~V.ahlhandlungen, un,d 3..die zeitliche Folge der Konsum- akte. Es sind offenbar 'mehrere MSglichkeiten der Kombination ,dieser .drei Elemente gegeben; jede beschreibt vSltig verschiedene Abti~ufe. Als erster Typus mSchte ein Zusammenfallen tier drei Elemente in einen Zeitpunkt erschein.en. Ein solcher Zu.stand ist jedoch mit der Existenz eines Wirtschaftsplanes .unvertr~glich, d.h. es wiirde vSllige Ziellosigkeit herrschen ur~d jede beliebige Reihen- folge ,der mit den Wahlhandlungen zusammenfaltenden Konsumakte wi~re zugelassen. Das ergibt jedoch eine Ungereimtheit, weswegen diese Kombination ausscheidet.

Die zweite V.ariante besteht in der zeitlichen Trennung d.es Wirtschaftsplanes von dem ¥ollzug der Wirtschaftsakte, die wiederum mit ,den Konsumakten identisch w~ren. Die in ,diesem durchaus kon, struierbaren Fatle steckende Implikation ist diejenige, dMt ,die Konsumgiiter a~snahmslos nicht dauerhafter Natur sind;

456 0. Morgenstern:

dadurch ergibt sich die I d e n t i t a t d e r R e i h e n f o l g e d e r W a h l - a k t e m i t d e r B e d e u t u n g , , d i e i h n e n u n d d e n e n t s p r e c h e n - .den K o n s u m a k t e n b e i g e m e s s e n w i r d . Dies entspr icht weit- gehend den heut igen wer t theore t i sehen Annahmen. Wfirde man ein sich so tcherar t verha l tendes Ir~dividuum auf dem Markte kurz- f r i s t ig beobachten, so w~re der Schlul~ aus ~der Reihen£olge se iner Wah lak t e auf ,die ihnen im Wir t scha f t sp l an beigemessene Be- deutun~g zulass ig ~nd man erhie l te ~durch rein ~ul~ere Ermi t te - lung seines Verha l tens .ein v511iges Bil.d seiner Bedfirfnisordnung. Die Exis tenz nu r von sofor t verbrauchl ichen Konsumgfi tern w~irde jedoch eine wesent l ich andere Wel t voraus,setzen, als diejenigen Wel ten sin.d, die bisher bekannt wurden, wo zweifel los ein erheb- licher, wenn nicht ,der grS~te Tei l Mler Konsumg~iter d.auerhafter Natur ist. Befindet sich im Besitze des bet rachte ten Wi r t e s auch nur ein einziges dauerhaf tes Konsumgut , so ist die notwendige Id.entit~t der Reihenfolge der Wah lhand lungen mit der ihnen zu- komme~den Bedeutung gesp reng t und es bestehen ganz andere, f iberaus verwicke l te Beziehungen, ~die in tier Wer t theo r i e bisher noch nicht ~untersueht worden .sind. In dem zeit l iehen Vorgegeben- Sein .des Wi r t scha f t sp lanes ist n ichts anderes zu erblicken, als die Ex is tenz yon 0 r d n u n g im wir t schaf t l ichen Verha t t en schlechthin; diese ist nicht denkbar, wenn sie nieht zeitlich vor .den einzelnen Verha l t ensak ten selbst in gewisse r a l lgemeiner Weise f ix ie r t ist.

Die d r i t t e V a r i a n t e besteht darin, .dal~ sowohl die Aufstel- lung ,desWirtschaf tsplanes , als tier Vol lzug der Wahlhandlung.en (z. B. die Kaufe auf dem Markte) und die Konsumakte s elbst zeitlich aus- e inanderfa l len und sich zwischen ,den bei,den letzten neue Ordnun- gen mit verschiedenen Varmiationen eingliedern. Daue rha f t e Konsum- gfiter sind zugelassen, wobei ,,,dauerhaft" nichts anderes besagt , als dal~ ,das Gut min,destens fiber einen Kons~umakt h inaus in bel iebig grol~em oder k le inem Mal~e zu neuen Konsumakten , zwischen die andere ge t re ten sind, he rangezogen werden kann. E s w e r d e n a l s o i n j e d e r E i n k o m m e n s p e r i o d e K o n s u m a k t e v o l l - z o g e n , d,ie i n g ,a r k e i n e r W e i s e d u r c h W i d m u n g l a u f e n - d e n E i n k o m m e n s d i e s e r P e r i o d e a u f d a s b e t r e f f e n d e Be- , d ~ i r f n i s z u s t a n d e k o m m e n . Dies ist an der Tageso rdnung ; eine e twa ige Ausscha l tung dieser Akte Ms , ,nichtwir tschaft l iche" Akte ware wohl unsinnig. Die Exis tenz des Wir t scha f t sp lanes und das Vorhandense in daue rba re r Konsumg~iter macht es nun mSglich, diese z .B. in vSll ig auderer Reihenfolge zu e rwerben als dem Zeit- p~nkte ,des ers ten ihnen zugedachten Konsumaktes und ihrer Wich- t igkei t entspricht . A u s d e r b l o l ~ e n B e o b a c h t u n g .des I n d i - v i d u u m s z.B. a u f d e m M a r k t e l a s s e n s i c h a l s o k a u m n e n - n e n s w e r t e S c h l ~ i s s e a u f s e i n e W i r t s c h a f t s o r d n u n g z i e h,e n. Sollen solche ,doch vorgenommen werden, so mfissen a t t e W a h l h a n d l u n g e n e i n e r W i r t s c h a f t s p e r i o d e - - nicht nu r der E inkommensper iode ! - - z u s a m m e n g e z o g e n w e r d e n, um

Das Zeitmoment in der Wertlehre ~57

ein Bild iiber die ¥er te i lung der Wichtigkeiten zu gewinnen. Wo die Anfang- und Endpunkte dieser Wirtschaftsperiode liegen, kann jedoch auf keine andere %Veise als durch Befragung des beobaehte- ten Wirtschafters festgestellt werden (also aueh durch Introspektion). t t i e r i n e r h e l l t a l s o , d i e E i n b e z i e h u n g d e r Z e i t in das Ge- s e t z ~des G r e n z n u t , z e n s .

Es wfirde hier viel zu welt ffihren, im Detail die weitreichenden Konsequenzen aufzuzeigen, die sich a~s der eben gemachten Feststell- lung ergeben; es genttgt fiir .den Zweek d~ieser Abha~dlung, darauf hingewiesen zu haben, ,dab sich auch im Falle, wenn keinerlei Vor- disponieren gegeben ist, tier weiter oben bemerkte Auseinanderfali yon Wichtigkeit und zeitlicher Fotge in den elementarsten Wert- beziehungen einstellt. Immerhin mag noeh betont sein, dag .die Existenz yon dauerhaften Konsumgiitern einen entsprechenden Ein- flul~ auf .die Komplementaritatsverhaltnisse hat, derart, .da~ die Komplementarit~t nun nicht nur fiir .die jeweils in einer Periode erworbenen Gttter zu bestimmen ist, so~dern di.ese auch in ver- schiedenartiger Weise a,bhangt yon den durch .die schon besessenen Gttter (far ,die z.B. keinerlei Aufwendungen mehr gemacht werden massen) geschaffenen Komplementarit~itsbedingungen. Hierin sch.eint ein fa r die Wirtsehaft gettendes F o r m p r i n z i p auf, indem in dieser Weise d i e f r t t h e r e n u n d k / i n f t i g e n W o h l f a h r t s z u - s t~tnde in einer pr~tzisierbaren und noch naher zu untersuchenden Weise m i t e i n a n d e r v e r k n t i p f t wet, den. Es ist also nicht lgnger ang~tngig, die einze]nen Wohlfahrtszustande isoliert voneinander zu betr.achten; vielmehr ist eine Inter,dependenz nicht nut aller momentanen Beziehungen, sondern far eine grol~e Reihe auch eine solehe in zeitlicher Hinsieht gegeben. Die Bewertungsvorgange spielen sich zwar durchans nach dem ~Grenznutzenprinzip ab; je- doch kann dieses BUr dann zutreffend interpretiert werden, wend auf die Rtickverbindungen mit frttheren Wohlfahrtszustgnden im erwahn- ten Sinne Bezug genommen wird. Die bekannten Theoreme der Komplementaritat bedttrfen ,also noch des Ausbaues u n d e s ist zu hoffen, dag sich manche der bisherigen Widersprache dutch Ver- folg .der oben vorgezeichneten Linien beseitigen lassen. Zugleieh diirfte klar geworden sein, auf welche grol~e prinzipielle Sehwierig- keiten die Idee tier ,,Maximalisierung" und die These veto ,Gesamt- wirtschaftsnutzen" unter ,diesem Gesichtspunkt stol~en.

Die zeitl~iche Reihenfolge tier Wahlhandlungen ist natiirlich nur z.u .einem mehr oder minder beschr~tnkten Ausmaf~e frei. Alle Wahl- akte, die an jene periedisch wiederkehrenden Bedgrfnisse gebunden sind, die nur ,dnrch nichtdauerbare Gtiter befriedigt werden kSnnen, sind an diese Bedttrfnisse selbst gehaftet, wogegen d~ie Freiheits- grade and.erer Wahlakte betrachtlich zu steigen vermSgen. Auf diese Weise kSnnen bei den einzelnen Gtitern - - wenn es sich nm ihren Erwerb handelt - - immer neue, zusgtzliche Gesichtspunkte die genauen Umstande and den endgttltigen Zeitpunkt des Erwesbes

458 O. Morgenstern: Das Zeitmoment in der Wertlehre

mitbesfimmen. So wie es ,d~durch erhebtiche Unbestimmtheiten auf dieser Seite gibt, sind solche aueh bei den Konsumakten immer ,dort vorhanden, wo es ,sich um die mehr oder minder intensive Aus- nfitzung yon vorhandenen dauerbaren Gfitern haadelt, teil.s mit, teils ohne Einbezug yon Gfitern, die aus dem jeweils eben ablaufen- den D,ispositionsprozel~ stammen. 0ffenbar steht es weitgehend im Belieben des Wirtes, gewisse Gfiter stiirker, gewisse an,dere Gfiter sehwacher au~szunfitzen; von ,diesem arbitr~ren Faktor, der durch die bisherigen Analysen des Wirtschaftens gar nicht erfaiit wird und auch nicht erfaltt werden kann, hiingen aber die Erfolge tier m o m e n t a n getroffenen Wirtschaftsakte mit ab. Niemaud wird leugnen kSnnen, dal~ es sich auch beim Disponieren fiber die aus frfiheren Perioden stammenden Gfiter um ,,Wirtschaften" im stren- gen Sinne handelt und dennoch ist k e i n e r e s t l o . s e D e t e r - m i e r u n g de,s W i r t s c h a f t s a b l a u f e s g e g e b e n , falls nur die Dispositionsakte fiber das laufende Einkommen isotiert bet~achtet werden oder nicht mit einer ~indeutigen Wirtschaftsperiode operiert wir.d. Die Analyse dieser Zusammenh~nge wird also zum Tell etwas andere Wege zu beschreiten haben, al~s es den bisherigen Pfaden der Werttheorie ent,spricht.

C. Sc,hlul t

Aus den vor, stehend in ~utterster Kiirze entwickelten Gedanken dfirften sich - - soweit sich gegenwarMg fiberblicken last - - noch eine ganze Reihe yon Aussagen fiber .den Zusammenhang yon Zeit u~d Wert ableiten lassen, ebenso wie es eine dankbare Aufgabe ist, die von verschiedenen hervorragenden Autoren bisher angestellten Unte~suchungen fiber das Zeitmoment zu vereinheitlichen. Der volle ?~berblick fiber 4ie durch Einbeziehung der Zeit in ,die Wirtschafts- theorie entstehenden Probleme und die Wege zu ,deren LSsung er- fo~dert jedoch ferner noeh eine gesonderte Behandlung der Z e i t - d i s p o s i t i o n e n des U n t e r n e h m e r s . Diese weisen n~mlich eine ganze Reihe von Besonderheiten auf. Aus dem Disponieren in tier Zeit durch das Wirtschaftssubjekt und durch den Unternehmer er- gibt sich ,dann in die Theorie der Tau,schwirtschaft eine e c h t e Ein- ~iihrung ,des Zeitelementes, ~die tiefer dringt als damit geleistet wird, dal~ man in irgendwelche Gleichungen Zeitparameter einschiebt und an ,alle mSgtichen WirtschaftsgrSl~en Zeitindizes anh~ngt.

Die Analyse des Zeitelementes ist eine tier dringendsten Auf- gaben, denen sich die theoretische Okonomie gegeniibergestellt sieht. ~ber die grofien Schwierigkeiten ist sich niemand im unklaren, wes- wegen es der besonders intensiven Zusammenarbeit vieler Forscher bedtirfen wird.