David Miller : Principles of Social Justice

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zu dem eher nüchternen Schluss gelangt, De- mokratien seien zwar „kriegszögerlich, aber nicht grundsätzlich kriegsfeindlich“. Höffes Kant-Buch bietet also eine beachtli- che Materialfülle und thematische Breite, die weit über das Gebiet der Rechts- und Staats- philosophie hinausreicht. Dieser grundsätzliche Vorzug hat jedoch einen Preis. So sind die Ka- pitel im ersten Teil allesamt eigenständige mo- ralphilosophische Abhandlungen, deren Unab- dingbarkeit für die nachfolgenden Ausführun- gen zur Rechts- und Friedensthematik sich nicht von selbst versteht, zumal der Zusam- menhang von Recht und Moral bei Kant auch in den Kap. 5 und 6 sehr anschaulich wird. Darüber hinaus sind sechs der insgesamt 12 Kapitel in anderer Form schon einmal veröf- fentlicht worden. Die angekündigte gründliche Überarbeitung ist aber nicht immer erkennbar, wie z.B. das Kapitel drei über die Urteilskraft zeigt: Im Rahmen der größtenteils beibehalte- nen Argumentationsstruktur wird weder auf die auch für politische Philosophen interessan- te reflektierende Urteilskraft eingegangen (bzw. deren Ignorierung begründet) noch die in den vergangenen zehn Jahren reichlich erschienene neue Urteilskraft-Literatur berücksichtigt. Bei den anderen überarbeiteten Titeln (Kap. 2, 4, 8 und 11) entsteht die missliche Situation, dass deren alte Fassungen nun zu „Vorfassungen“ herabgestuft werden, obwohl sie alle als Beiträ- ge in verschiedenen Bänden der renommierten Reihe „Klassiker Auslegen“ erschienen sind. Ir- ritierend ist schließlich auch die relativ spärli- che und teilweise ganz ausbleibende Auseinan- dersetzung mit der mittlerweile umfangreichen Sekundärliteratur zu Kant. Die Arbeiten von Geismann, Gerhardt, Kersting, Ludwig, Maus, Vollrath, um nur einige zeitgenössische deutschsprachige Autoren zu nennen, hätten genügend Reibungsfläche für Höffes eigene Po- sition geboten. „Königliche Völker“, kann, so das Fazit, als eine anspruchsvolle Einführung in wichtige Aspekte nicht nur der politischen Philosophie Kants dienen – der Leserschaft, die sich an- dernorts bereitst kundig gemacht hat, wird das Buch aber nur bedingt neue Einblicke vermit- teln können. David Miller: Principles of Social Justice. Cam- bridge/Mass.: Harvard University Press 1999, 337 S., £ 29,95. Johannes Schmidt Ein knappes Vierteljahrhundert nach der 1976 in Oxford erschienenen Monographie ,Social Justice‘ hat David Miller ein zweites Buch zum Problem der sozialen Gerechtigkeit vorgelegt. Der Titel ,Principles of Social Justice‘ führt in- sofern ein wenig in die Irre, als es Miller in ers- ter Linie nicht darum geht, das Spektrum der von den verschiedensten Seiten vorgeschlage- nen Gerechtigkeitsprinzipien zu untersuchen, sondern darum, eine neue Theorie der sozialen Gerechtigkeit zu entwickeln. Wie den pro- grammatischen Äußerungen des kurzen Vor- worts zu entnehmen ist, soll sich diese neue Theorie von den gängigen philosophischen Ge- rechtigkeitstheorien vor allem dadurch unter- scheiden, dass sie an die Ergebnisse der empiri- schen Gerechtigkeitsforschung anknüpft. Es ist Millers erklärtes Ziel, aus den in der Bevölke- rung verbreiteten bzw. experimentell feststell- baren Gerechtigkeitsurteilen eine Reihe von allgemeinen Prinzipien zu destillieren und die theoretische Kohärenz dieser Prinzipien zu de- monstrieren. Da reale Personen in unterschied- lichen sozialen Kontexten höchst unterschiedli- che Maßstäbe der Gerechtigkeit bzw. Unge- rechtigkeit verwenden, muss – so Miller – eine nach seinen Vorstellungen gebaute Theorie weit weniger abstrakt ausfallen als die die aktu- elle Diskussion beherrschenden Theorien des liberalen Egalitarismus, die typischerweise von sehr allgemeinen Grundsätzen (wie etwa Dwor- kins Gleichheitsprinzip) oder von rein hypo- thetischen Konstruktionen (wie etwa Rawls’ ,original position‘) ausgehen. Der größte Vor- zug dieses methodischen Zwangs zur Formulie- rung einer relativ konkreten Theorie besteht in Millers Augen darin, dass er die politische Be- deutung der zu begründenden Gerechtigkeits- prinzipien erhöht. Man kann nicht sagen, dass das im Vorwort skizzierte theoretische Programm in den zwölf Kapiteln des Bandes konsequent verwirklicht würde. Dieses Manko ist im Wesentlichen auf die Tatsache zurückzuführen, dass ,Principles of Social Justice‘ etwa zur Hälfte aus zuvor be- reits in Sammelbänden und Zeitschriften ver- öffentlichtem Material besteht. David Miller 166 PVS-Literatur

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zu dem eher nüchternen Schluss gelangt, De-mokratien seien zwar „kriegszögerlich, aber nichtgrundsätzlich kriegsfeindlich“.

Höffes Kant-Buch bietet also eine beachtli-che Materialfülle und thematische Breite, dieweit über das Gebiet der Rechts- und Staats-philosophie hinausreicht. Dieser grundsätzlicheVorzug hat jedoch einen Preis. So sind die Ka-pitel im ersten Teil allesamt eigenständige mo-ralphilosophische Abhandlungen, deren Unab-dingbarkeit für die nachfolgenden Ausführun-gen zur Rechts- und Friedensthematik sichnicht von selbst versteht, zumal der Zusam-menhang von Recht und Moral bei Kant auchin den Kap. 5 und 6 sehr anschaulich wird.Darüber hinaus sind sechs der insgesamt 12Kapitel in anderer Form schon einmal veröf-fentlicht worden. Die angekündigte gründlicheÜberarbeitung ist aber nicht immer erkennbar,wie z.B. das Kapitel drei über die Urteilskraftzeigt: Im Rahmen der größtenteils beibehalte-nen Argumentationsstruktur wird weder aufdie auch für politische Philosophen interessan-te reflektierende Urteilskraft eingegangen (bzw.deren Ignorierung begründet) noch die in denvergangenen zehn Jahren reichlich erschieneneneue Urteilskraft-Literatur berücksichtigt. Beiden anderen überarbeiteten Titeln (Kap. 2, 4,8 und 11) entsteht die missliche Situation, dassderen alte Fassungen nun zu „Vorfassungen“herabgestuft werden, obwohl sie alle als Beiträ-ge in verschiedenen Bänden der renommiertenReihe „Klassiker Auslegen“ erschienen sind. Ir-ritierend ist schließlich auch die relativ spärli-che und teilweise ganz ausbleibende Auseinan-dersetzung mit der mittlerweile umfangreichenSekundärliteratur zu Kant. Die Arbeiten vonGeismann, Gerhardt, Kersting, Ludwig, Maus,Vollrath, um nur einige zeitgenössischedeutschsprachige Autoren zu nennen, hättengenügend Reibungsfläche für Höffes eigene Po-sition geboten.

„Königliche Völker“, kann, so das Fazit, alseine anspruchsvolle Einführung in wichtigeAspekte nicht nur der politischen PhilosophieKants dienen – der Leserschaft, die sich an-dernorts bereitst kundig gemacht hat, wird dasBuch aber nur bedingt neue Einblicke vermit-teln können.

David Miller: Principles of Social Justice. Cam-bridge/Mass.: Harvard University Press1999, 337 S., £ 29,95.

Johannes Schmidt

Ein knappes Vierteljahrhundert nach der 1976in Oxford erschienenen Monographie ,SocialJustice‘ hat David Miller ein zweites Buch zumProblem der sozialen Gerechtigkeit vorgelegt.Der Titel ,Principles of Social Justice‘ führt in-sofern ein wenig in die Irre, als es Miller in ers-ter Linie nicht darum geht, das Spektrum dervon den verschiedensten Seiten vorgeschlage-nen Gerechtigkeitsprinzipien zu untersuchen,sondern darum, eine neue Theorie der sozialenGerechtigkeit zu entwickeln. Wie den pro-grammatischen Äußerungen des kurzen Vor-worts zu entnehmen ist, soll sich diese neueTheorie von den gängigen philosophischen Ge-rechtigkeitstheorien vor allem dadurch unter-scheiden, dass sie an die Ergebnisse der empiri-schen Gerechtigkeitsforschung anknüpft. Es istMillers erklärtes Ziel, aus den in der Bevölke-rung verbreiteten bzw. experimentell feststell-baren Gerechtigkeitsurteilen eine Reihe vonallgemeinen Prinzipien zu destillieren und dietheoretische Kohärenz dieser Prinzipien zu de-monstrieren. Da reale Personen in unterschied-lichen sozialen Kontexten höchst unterschiedli-che Maßstäbe der Gerechtigkeit bzw. Unge-rechtigkeit verwenden, muss – so Miller – einenach seinen Vorstellungen gebaute Theorieweit weniger abstrakt ausfallen als die die aktu-elle Diskussion beherrschenden Theorien desliberalen Egalitarismus, die typischerweise vonsehr allgemeinen Grundsätzen (wie etwa Dwor-kins Gleichheitsprinzip) oder von rein hypo-thetischen Konstruktionen (wie etwa Rawls’,original position‘) ausgehen. Der größte Vor-zug dieses methodischen Zwangs zur Formulie-rung einer relativ konkreten Theorie besteht inMillers Augen darin, dass er die politische Be-deutung der zu begründenden Gerechtigkeits-prinzipien erhöht.

Man kann nicht sagen, dass das im Vorwortskizzierte theoretische Programm in den zwölfKapiteln des Bandes konsequent verwirklichtwürde. Dieses Manko ist im Wesentlichen aufdie Tatsache zurückzuführen, dass ,Principlesof Social Justice‘ etwa zur Hälfte aus zuvor be-reits in Sammelbänden und Zeitschriften ver-öffentlichtem Material besteht. David Miller

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beweist zwar ein außerordentliches Geschick,wenn es darum geht, die bereits publiziertenAufsätze mit Blick auf eine gemeinsame theore-tische Fragestellung neu einzuleiten bzw. um-zuschreiben sowie durch die Hinzufügung neu-er Beiträge untereinander zu verschränken. Esist aber nicht zu verkennen, dass er seinentheoretischen Entwurf auf diese Weise nur un-vollständig und unausgewogen entfalten kann.So wird die höchst bedeutsame Frage nach dertheoretischen Kohärenz der von Miller isolier-ten Gerechtigkeitsprinzipien nicht systematischuntersucht. Darüber hinaus werden nicht alleals relevant betrachteten Prinzipien mit dergleichen Aufmerksamkeit bedacht. Im Übrigenkönnte man – wenn der zur Verfügung stehen-de Platz dies zuließe – anhand von ausgewähl-ten Textpassagen und Fußnoten noch zeigen,dass selbst die Verklammerung der einzelnenKapitel nicht in jedem Fall geglückt ist. Aus al-ledem ergibt sich der Schluss, dass ,Principlesof Social Justice‘ zwar weit mehr ist als eine lo-ckere Sammlung von Aufsätzen, aber dochdeutlich weniger als eine geschlossene Studie.

Miller bestimmt den Gegenstandsbereicheiner Theorie der sozialen Gerechtigkeit imWesentlichen wie Rawls. Das Problem der Ge-rechtigkeit besteht demnach in der Frage, wiedie wichtigsten gesellschaftlichen Institutioneneine Reihe von allgemein anerkannten Güternund Lasten auf die Mitglieder einer Gesell-schaft verteilen (Kap. 1). Während Rawls’,Theory of Justice‘ den Nationalstaat noch oh-ne weiteres als adäquaten Akteur voraussetzenkonnte, sieht sich Miller genötigt, ausführlichzu zeigen, dass die Forderung nach sozialer Ge-rechtigkeit auch im Zeitalter von Globalisie-rung und Multikulturalismus primär an denNationalstaat zu richten ist (Kap. 12). Wieweit er sich trotz dieses gemeinsamen Aus-gangspunkts letztlich von Rawls entfernt, zeigtbereits ein Blick auf das zentrale Kapitel 2, indem Miller die Grundzüge seiner Theorie prä-sentiert. Diese Theorie geht von der Annahmeaus, dass es drei verschiedene Typen von ge-rechtigkeitsrelevanten menschlichen Beziehun-gen gibt, und behauptet, dass jedem Typus eingenuines Prinzip der Gerechtigkeit entspricht.Miller unterscheidet zwischen einer vom ge-meinsamen Ethos ihrer Mitglieder getragenenSolidaritätsgemeinschaft, einer vom gemeinsa-men Interesse der Partner gestifteten instru-mentellen Vereinigung und den zwischen

Staatsbürgern herrschenden Beziehungen. Dasfür eine Solidaritätsgemeinschaft charakteristi-sche Gerechtigkeitsprinzip sei die Verteilungnach Bedürfnis, einer instrumentellen Vereini-gung korrespondiere die Verteilung nach Ver-dienst, und das vorherrschende Verteilungs-prinzip einer Assoziation von Bürgern sei diestrikte Gleichheit.

Entsprechend seiner überzeugend dargeleg-ten Position, dass sozialwissenschaftliche Ge-rechtigkeitsforschung und philosophische Ge-rechtigkeitstheorie als interdependente Veran-staltungen zu betrachten sind (Kap. 3), ver-sucht Miller die behauptete Korrespondenzvon sozialen Kontexten und relevanten Gerech-tigkeitsprinzipien sowohl mit empirischen Be-funden als auch mit normativen Überlegungenzu untermauern. Die empirische Evidenz wirdin Kapitel 4 ausgebreitet. Sie zeigt, dass sichMillers theoretischer Ansatz zumindest inso-weit stützen lässt, als es um die kontextuellenBedingungen geht, unter denen eine Vertei-lung nach Verdienst bzw. nach Bedürfnis tat-sächlich gefordert wird. Die philosophische Be-gründung der Korrespondenzthese fällt demge-genüber ziemlich mager aus: Abgesehen vondem wichtigen Hinweis, dass die praktischeUmsetzbarkeit eines Gerechtigkeitsprinzipsvom Vorliegen eines spezifischen Assoziations-typs abhängen kann, hat Miller nicht mehr zubieten als die Behauptung, die Grammatik derGerechtigkeit sei ganz einfach so beschaffen,dass die Verwendung eines bestimmten Ge-rechtigkeitsprinzips als passende Antwort aufdie Diagnose eines bestimmten Assoziations-modus empfunden wird (34f.).

Es gehört zu den Vorzügen dieses Buches,dass es sich eingehend mit dem in der Bevölke-rung zwar weithin akzeptierten, in philosophi-schen Gerechtigkeitstheorien aber häufig abge-lehnten Verdienstprinzip beschäftigt. Da Mil-ler mit den Einschränkungen, die sich aus denAnforderungen des Bedürfnisprinzips und desGleichheitsprinzips ergeben, für eine merito-kratische Gesellschaftsordnung plädiert (Kap. 9und Seiten 247–250), muss ihm daran gelegensein, den höchst unscharfen Begriff des Ver-dienstes zu klären. Die dieser begrifflichen Klä-rung gewidmeten Beiträge zählen zu den inte-ressantesten des ganzen Bandes (Kap. 7 und 8).Im Vergleich mit dem Verdienstprinzipschenkt Miller dem Bedürfnisprinzip und vorallem dem Gleichheitsprinzip nur wenig

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Raum. Während er in Kapitel 10 mit einer dif-ferenzierten Argumentation zu zeigen versucht,dass sich die Formel ,Jedem nach seinen Be-dürfnissen!‘ zahlreichen skeptischen Einwän-den zum Trotz sehr wohl als Prinzip der sozia-len Gerechtigkeit interpretieren und anwendenlässt, bringt das Kapitel 11 nur einige allgemei-ne Überlegungen zum Verhältnis von sozialerGerechtigkeit und Gleichheit, die eine genaue-re Untersuchung des für den staatsbürgerlichenAssoziationsmodus charakteristischen Gleich-heitsprinzips (aus dem nach Miller die Idee derrechtlichen Gleichheit erst abzuleiten wäre[26]) schmerzlich vermissen lassen.

Zwei weitere Beiträge befassen sich mit derIdee der Verfahrensgerechtigkeit (Kap. 5) so-wie mit MacIntyres aristotelischer bzw. tho-mistischer Theorie der Gerechtigkeit (Kap. 6).So bedenkenswert Millers These, die Verfah-rensgerechtigkeit sei der Ergebnisgerechtigkeitgrundsätzlich unterzuordnen, und so treffendseine detaillierte Kritik an MacIntyre auch seinmag, so wenig ist doch zu übersehen, dass sichdiese beiden Kapitel nur mit Mühe in das theo-retische Programm des Bandes einordnen las-sen. Dieser Befund ist in gewisser Weise symp-tomatisch für das ganze Werk: David Millerhat ein Buch geschrieben, dessen einzelne Ka-pitel allesamt sehr lesenswert und zum Teilhöchst lehrreich sind, dessen gesamte Architek-tur jedoch – gemessen am selbst gesteckten Zielder Entwicklung einer neuen Gerechtigkeits-theorie – zu wünschen übrig lässt. Was vondieser Theorie zu erkennen ist, sind die Funda-mente und allenfalls die groben Umrisse desGebäudes. Nicht alle Bausteine sind vorhan-den, und es ist nicht klar zu sehen, wie die vor-handenen und die fehlenden Bausteine ver-knüpft werden sollen. Die Konkretheit derTheorie muss unter diesen Umständen überweite Strecken ein Versprechen bleiben. Viel-leicht schreibt David Miller eines Tages eindrittes Buch zur sozialen Gerechtigkeit, dasdieses Versprechen vollends einlöst.

Mark E. Warren: Democracy and Association.Princeton: Princeton University Press 2001,265 S., $ 17,95.

Gary S. Schaal

Ein bedeutender Teil der zeitgenössischen De-mokratietheorie geht davon aus, dass Assozia-tionen einen positiven Effekt auf die demokra-tische Performanz besitzen. Diese, ideenge-schichtlich mindestens bis Alexis de Tocquevil-le zurückzuverfolgende, These ist in der ameri-kanischen politischen Theorie im Gefolge derFederalist Papers und der pluralistischen De-mokratietheorie (Dahl u.a.) überaus wirkungs-mächtig geworden. Doch auch in der delibera-tiven Demokratietheorie von Jürgen Haber-mas, Bernhard Peters und John Dryzek und inder reflexiven Demokratietheorie von RainerSchmalz-Bruns ruhen auf Assoziationen zentra-le demokratische Hoffnungen. Vor diesemHintergrund ist es erstaunlich, wie wenig theo-retisch-konzeptionelle Entwürfe vorliegen, diedas demokratische Potenzial von Assoziationendetailliert ausloten. Ein Manko, das auchdurch die einflussreichen Arbeiten von RobertPutnam zum Social Capital nicht ausgeglichenwerden kann, vor allem angesichts der anhal-tenden methodologischen Kritik an den vorge-legten empirischen Studien.

Mark E. Warrens normatives Anliegen ist es,jene Faktoren zu identifizieren, die einen Bei-trag dazu leisten könnten, zeitgenössische west-liche Demokratien noch demokratischer zu ge-stalten. Vor dem Hintergrund des zeitgenössi-schen Problemdruckes, der durch die bekann-ten Prozesse der Globalisierung, Differenzie-rung, Pluralisierung, Komplexitätssteigerungund Zunahme von Reflexivität (5–7) auf De-mokratien lastet, argumentiert Warren – imEinklang mit den oben genannten Demokra-tietheorien –, dass v.a. Assoziationen dazu bei-tragen können, Demokratie im territorialenRahmen des Nationalstaates, der für Warrenweiterhin erster und wichtigster demokrati-scher Bezugspunkt ist, lebendig zu halten. ImGegensatz zum mainstream bezweifelt Warrenjedoch, dass Assoziationen per se positives de-mokratisches Potenzial besitzen – solche gene-ralisierten Aussagen sind weder empirisch ge-deckt, noch können sie konzeptionell argu-mentativ gestützt werden. Warrens zentralesAnliegen ist daher, Assoziationen (ausschließ-

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