Debatte Bosbach vs. Trittin Kopie

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ZDF: Herr Bosbach, warum ist diese Online-Durchsuchung notwendig? Ist der Staat nicht schon tief genug in die Privatsphäre des Bürgers eingedrungen?

Wolfgang Bosbach: Wir wollen keinen Überwachungsstaat. Wir haben auf deutschem Boden vor siebzehn Jahren einen solchen Überwachungsstaat abgeschafft. Warum sollten wir einen neuen etablieren? Aber wir müssen als Staat Schritt halten mit den Tatbegehungsmodalitäten des internationalen Terrorismus. Wir dürfen keine Schutzlücken haben. Der internationale Terrorismus ist hoch kommunikativ. Er ist hoch konspirativ. Würden wir auf die Online-Durchsuchung verzichten, hieße das für die Terroristen: Der Staat garantiert ihnen einen Raum, in dem sie frei von der Einsichtnahme der Ermittlungsbehörden kommunizieren können.

ZDF: Herr Trittin, die Terroristen werden immer moderner in ihren Kommunikationsmitteln. Muss der Staat das nicht entsprechend abwehren?

Jürgen Trittin: Ich finde erst mal ist ein Grund zur Zufriedenheit und zur Freude gegeben. Wir haben hier erlebt, dass aus den Ereignissen des 11. Septembers in Deutschland gelernt worden ist. Eines der Hauptprobleme, die zu dem Anschlag am 11. September 2001 geführt haben, war ein fürchterliches Kommunikationswirrwarr zwischen Polizei und Geheimdienst. Wir, die damalige rot-grüne Regierung, haben die Antiterrorzentrale geschaffen und genau die hat sich hier bewährt. Ich finde das schon merkwürdig, wenn in einer Situation, bei der die ergriffenen Maßnahmen einen Anschlag verhindert haben und wo unsere Sicherheitsbehörden einen echten Erfolg vorzuweisen haben, dann das, was man sowieso schon immer gefordert hat, einfach nochmal gefordert wird.

Bosbach: Der Präsident des Bundeskriminalamtes, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der Chef des Bundesnachrichtendienstes, die Generalsbundesanwältin - sie alle haben uns noch vor wenigen Wochen eindringlich, auch am Fall von ganz konkreten Beispielen dargelegt, warum die Ermittlungsbehörden dringend auf die so genannten Online-Durchsuchungen angewiesen sind. Gerade weil der internationale Terrorismus weltweit vernetzt ist und sich sehr konspirativ bewegt. Fachleute haben überhaupt keine Zweifel daran, dass wir diese Maßnahme brauchen. ZDF: Wird das von Richtern überwacht?

Bosbach: Im Hinblick auf die Festnahme: Sie wissen doch gar nicht, ob wir nicht bei dieser Festnahme auf Erkenntnisse, die im Wege der Online-Durchsuchung gewonnen worden sind, angewiesen sind. Die ausländischen Dienste machen es doch heute schon.

Trittin: Das würden Sie dann vor Gericht beweisen müssen und dann müssten Sie es vor Gericht vorlegen. Ob Sie diese Beweise heute nutzen können, da hätte ich erhebliche Zweifel wegen der Gründe. Aber es gibt noch ein Weiteres. Wir wissen aus dem Verfahren, wie die Täter agiert haben. Die haben in dem Wissen um die Gefahren agiert und auch aus solcher Kommunikation, aus ihrer Sicht entdeckt zu werden. Sie haben keine eigenen Computer benutzt. Sie haben sehr stark auf Callcenter und ähnliches zurückgegriffen. Sie haben mobil zum Beispiel die Wlan-Stationen, die nicht durch ein Kennwort gesichert sind, von anderen Bürgen genutzt.

Das heißt, wenn Sie diese Lücke schließen wollen, dann müssen Sie alle WLan-Stationen, alle Internetcafes mit entsprechenden Trojanern aussetzen. Ich finde, dass eine Wahnsinnsvorstellung, die zudem, wie gesagt, das Problem hat, dass ihnen dann niemand

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nachweisen kann, ob sie nicht die Festplatte auch von anderer Richtung manipuliert haben. Das heißt, es nützen Ihnen die Erkenntnisse nicht.

Bosbach: Da unterscheidet uns etwas fundamental, denn Sie haben ein Misstrauen in unsere Ermittlungsbehörden und das habe ich nicht. Selbstverständlich kann eine bestimmte Ermittlungshandlung, eine Ermittlungsmöglichkeit, missbraucht werden. Mit diesem Argument könnten Sie in Deutschland jede Hausdurchsuchung verbieten. Denn selbstverständlich ist es auch theoretisch möglich, dass Sie im Wege einer Hausdurchsuchung bei einem Beschuldigten ein Beweismittel platzieren. Trittin: Sie sind heute in einer Situation, wo die Durchsuchung am Ende - im Sinne einer Durchführung - von niemandem mehr kontrolliert werden kann.

Bosbach: Das ist schlicht falsch. Bei jedem Einsatz der forensischen Software wird gleichzeitig ein Protokoll erstellt. Es kann genau nachvollzogen werden, auf welche Daten Zugriff genommen wurde. Der Datenbestand kann überhaupt nicht manipuliert werden, denn der Einsatz einer so genannten Schadsoftware ist ausdrücklich verboten. Sie haben völlig berichtigt darauf hingewiesen: Alle Beweise, die erhoben werden müssen gerichtsfest erhoben worden sein. Deswegen sind die von Ihnen unterstellten Manipulationen der Ermittlungsbehörden als Argument gegen die Online-Durchsuchung unbrauchbar.

ZDF: Herr Trittin, wenn das Verfassungsgericht in ein paar Monaten dazu Ja sagt, ändern Sie dann Ihre Meinung? Trittin: Ich glaube nicht. Ich glaube, dass hier an dieser Stelle eine Lücke konstruiert wird und das finde ich das Verwegene. Nach einem überaus hervorragenden Ermittlungsergebnis versucht man das zu weiten, was man vorher schon konnte - angeblich weil unsere Sicherheitsbehörden nicht fähig seien, Terroranschläge abzuwehren. Das ist eine Form, die wir schon kennen.

Bosbach: Es ist aber Aufgabe von Politik zwischen der Interessenlage, zum Beispiel der Strafverfolgungsbehörde und dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger auf eine Privatsphäre, entsprechend zu entscheiden.

ZDF: Herr Bosbach, Sie vertreten sozusagen die Regierungskoalition hier. Drei kurze Fragen: Warum geben Sie dem Verfassungsgericht nicht die Zeit, die es braucht? Bosbach: Weil die nicht identische Vorschriften haben. Sehen Sie sich die Vorschrift einmal an, um die es jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht geht. Im Landesverfassungsschutzgesetz NRW ist das eine andere Vorschrift als das, was der Bundesinnenminister vorgelegt hat. Warum beginnen wir nicht mit den Gesetzgebungsverfahren und wenn wir in der mündlichen Verhandlung Hinweise bekommen über die Ausgestaltung des Rechts, dann kann man das immer noch im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen. ZDF: Meine zweite Frage: Die Bundesjustizministerin sagt an diesem Sonntag: Diese Idee, Leute schon allein dafür zu bestrafen, dass sie Terrorcamps besucht haben in Afghanistan oder Pakistan, das geht eigentlich zu weit.

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Bosbach: Das hat auch niemand vor. Es geht ja nicht um Urlaub. Sondern es geht um bestimmte Handlungen, die in einem Terrorcamp begangen werden - die müssen mehr konkretisiert sein.

ZDF: Herr Bosbach, die Justizministerin sagt auch: Gefährliche Chemikalien müssen stärker kontrolliert weitergegeben und verkauft werden. Reicht das?

Bosbach: Dagegen spricht nichts. Sie können jetzt Wasserstoffperoxid in einer Konzentration bis 35 Prozent frei erwerben, darüber hinaus nicht. Dann müssen Sie Ihren Personalausweis offen legen und den Verwendungszweck auch. Das kann eine Maßnahme zur Erhöhung des Schutzes sein, ersetzt aber nicht notwendige Maßnahmen im Strafrecht. ZDF: Herr Trittin, am Schluss ein ganz anderes Thema. Die Grünen haben ihren Sonderparteitag am nächsten Samstag. Da geht es auch um Afghanistan. Die Kernfrage scheint zu sein: Ja oder Nein zum deutschen Tornadoeinsatz? Wie werden Sie abstimmen?Zitat„Ich glaube, wir werden eine sehr große Zustimmung haben für eine Fortsetzung von ISAF.“Jürgen Trittin

Trittin: Ich glaube, auf diesem Parteitag werden vier Fragen abgestimmt. Die erste: Scharfe Kritik an der Bundesregierung, die den Weg zur Verdoppelung der zivilen Hilfe bis heute nicht geht. Die zweite: Scharfe Kritik an der Bundesregierung, die sich weigert, die wahnsinnigen Kommandoaktionen der Amerikaner in Afghanistan, die den Erfolg von ISAF gefährden, zu beenden. Drittens, ich glaube, wir werden eine sehr große Zustimmung haben für eine Fortsetzung von ISAF und wir werden viertens vermutlich, wenn ich die Stimmung an der Parteibasis richtig einschätze, eher eine Ablehnung des Tornados haben, jedenfalls eine deutliche Kritik.

ZDF: Gilt das auch für Sie persönlich?Trittin: Ich würde mich in diesem Konsens sehr gut wiederfinden.