Debus, Fritz - Die Todsünde des Liberalismus - Juda erhält das Bürgerrecht (1940)

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Die Todsünde des Liberalismus Juda erhält das Bürgerrecht Von Fritz Debus Heft 39 Feldpostausgabe Lühe - Verlag, Leipzig / Berlin [1940] Alle Rechte vorbehalten Druck von Richard Hölzel GmbH., Leipzig C 1 Inhalt Der Wiener Kongreß im Netz des Judentums Juda, Prellbock der deutschen Einheit Verschmelzung oder Eingliederung Hep - Hep Über die Kunst, aus einem Juden einen Deutschen zu machen Ein Urteil sucht seine Begründung die Taktik des Judentums Abenteurer, Ausbeuter und Anarchisten Der Wiener Kongreß im Netz des Judentums "Ich habe beiläufig bei diesen und anderen Gelegenheiten recht deutlich gesehen, wie kletten- artig die Individuen dieser Nation zusammen- hängen und welchen furchtbaren Staat im Staate sie bilden." Smidt an Gröning, 31.12.1814 Am 25. März erklärten der König von Preußen und der Kaiser von Rußland "ihren festen und unerschütterlichen Entschluß, den Fürsten und den deutschen Völkern zu helfen, Ihre Freiheit und ihre Unabhängigkeit wieder zu gewinnen". Dank des opferwilligen Einsatzes der Menschen deutschen Blutes, die in heiliger Begeisterung die engen politischen und ständischen Fesseln sprengten und in heldenhaftem Siegeslauf die in unzähligen Schlachten erprobten napoleonischen Heere schlugen, ist dieses Fürstenwort nach Jahresfrist eingelöst worden. Das Erleben des Aufbruches einer Nation, die aus dem politischen Denken längst als einheitliche Größe gestrichen war, deren Name nur noch als vager geographischer Begriff fortlebte, war so gewaltig, daß es der Diplomatie völlig neue Perspektiven eröffnete. Um das nochmalige Auftreten eines Eroberers von bonapartistischen Ausmaßen unmöglich zu machen, um die politischen Kräfte Europas in eine Gleichgewichtslage 1

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  • Die Todsnde des Liberalismus

    Juda erhlt das Brgerrecht

    Von

    Fritz Debus Heft 39 Feldpostausgabe Lhe - Verlag, Leipzig / Berlin [1940] Alle Rechte vorbehalten Druck von Richard Hlzel GmbH., Leipzig C 1 Inhalt Der Wiener Kongre im Netz des Judentums Juda, Prellbock der deutschen Einheit Verschmelzung oder Eingliederung Hep - Hep ber die Kunst, aus einem Juden einen Deutschen zu machen Ein Urteil sucht seine Begrndung die Taktik des Judentums Abenteurer, Ausbeuter und Anarchisten Der Wiener Kongre im Netz des Judentums "Ich habe beilufig bei diesen und anderen Gelegenheiten recht deutlich gesehen, wie kletten- artig die Individuen dieser Nation zusammen- hngen und welchen furchtbaren Staat im Staate sie bilden." Smidt an Grning, 31.12.1814 Am 25. Mrz erklrten der Knig von Preuen und der Kaiser von Ruland "ihren festen und unerschtterlichen Entschlu, den Frsten und den deutschen Vlkern zu helfen, Ihre Freiheit und ihre Unabhngigkeit wieder zu gewinnen". Dank des opferwilligen Einsatzes der Menschen deutschen Blutes, die in heiliger Begeisterung die engen politischen und stndischen Fesseln sprengten und in heldenhaftem Siegeslauf die in unzhligen Schlachten erprobten napoleonischen Heere schlugen, ist dieses Frstenwort nach Jahresfrist eingelst worden. Das Erleben des Aufbruches einer Nation, die aus dem politischen Denken lngst als einheitliche Gre gestrichen war, deren Name nur noch als vager geographischer Begriff fortlebte, war so gewaltig, da es der Diplomatie vllig neue Perspektiven erffnete. Um das nochmalige Auftreten eines Eroberers von bonapartistischen Ausmaen unmglich zu machen, um die politischen Krfte Europas in eine Gleichgewichtslage

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  • zu bringen, wurde im Pariser Frieden eine Neuordnung der deutschen Verhltnisse beschlossen, und zwar im Sinne eines festen Zusammenschlusses der deutschen Staaten. "Teutschland", so heit es in einem zeitgenssischen Zeitungsartikel, "wird durch die ihm zugedachte Verfassung wieder ein eigener politischer Krper, und so in sich selbst fest gegrndet, und fr innere und uere Zwecke vollstndig gebildet durch seine Lage in der Mitte der zivilisierten Welt, der Schlustein eines politischen Gebudes, welches den smtlichen europischen Staaten eine dauerhafte Garantie ihrer Sicherheit und Ruhe darbieten soll." Als einer der wichtigsten Punkte wurde die Beratung einer Fderativ-Verfassung der teutschen Staaten auf die Tagesordnung des Wiener Kongresses gesetzt, der gem Artikel XXXII des Pariser Traktates in der sterreichischen Hauptstadt zusammentreten sollte, um in gemeinsamer Beratung von Siegern und Besiegten "die zur Vervollstndigung des Friedensschlusses erforderlichen Maregeln festzusetzen". Der jungen deutschen Nation erschien dieser Beschlu der europischen Frstenhfe als die Erfllung der geheimen Sehnsucht, die Frucht der herrlichen Blte der nationalen Wiedergeburt und des durch Blut geheiligten Bekenntnisses zu Volkstum und Heimat. Sie ahnten wohl die Schwierigkeiten, die aus dem eingefleischten und in frstlichem Gottesgnadentum verankerten Partikularismus der Einheitsbestrebung erstehen muten, glaubten aber, da all diese Hindernisse wie dunkle Schatten vor dem reinen Lichte eines aufgehenden Tages verblassen mssen. "Wir sind bis zu diesem Tag noch ein zerrissenes Volk", schreibt Ernst Moritz Arndt in seinen "Beherzigungen vor dem Wiener Kongre": "Wir mangeln noch aller festen Gestalt und gesetzlichen Verfassung, aller gemeinsamen Bande der Strke und Sicherheit. Alles dies knnen wir auch durch die reifsten und weisesten Entwrfe und Einrichtungen auf dem Papiere allein nicht erlangen, sondern nur eine allgemein treu und wahr ausgesprochene Gesinnung, eine allen gemeine Liebe und ein allen gemeinsamer Ha, die sich laut erklren drfen, nur diese knnen Geist und Leben in uns bringen und die betubten Tugenden und vergessenen Erinnerungen unseres Volkes wieder beleben." Von diesen Tugenden, von Liebe zum gesamten Volke und treuer, wahrer Gesinnung, die ein Ernst Moritz Arndt an die Wiege der deutschen Einheit rufen wollte, war die glanzvolle Versammlung, die sich im Herbst 1814 in Wien zusammenfand, allerdings kaum beseelt1). Bevor der Kongre offiziell zusammentrat, begannen Verhandlungen hinter den Kulissen zwischen den Grostaaten. ber die deutschen Angelegenheiten berieten sterreich und Preuen auf Grund eines von Hardenberg vorgelegten Entwurfes einer teutschen Bundesverfassung, und zwar erstmals am 13. September 1814. Nach mehrmaligen Abnderungen und erweiterter Beratung unter Hinzuziehung Hannovers legte Metternich am 16. Oktober einen in 12 Artikeln gefaten Entwurf einer Kommission von 5 deutschen Mchten vor; neben sterreich, Preuen und Hannover gehrten ihr auch Bayern sowie Wrttemberg an. Von diesen 12 Artikeln, die als Deliberationspunkte unterbreitet wurden, also zum Gegenstand reiflicher berlegung und Beratung dienen sollten, beschftigte sich der letzte mit der Frage des teutschen Brgerrechtes. Darunter wurde die Zubilligung gewisser Rechte an jeden "teutschen Untertanen" verstanden, die er unbeschadet seiner Zugehrigkeit zu einem der Lande des zu grndenden deutschen Bundes allgemein genieen sollte, so etwa die Freiheit in jeden zum Bunde gehrenden Staat auszuwandern, sich auf jeder deutschen Lehranstalt zu bilden, in den Zivil- und Kriegsdienst eines

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  • anderen Bundesstaates zu treten und einige andere Erleichterungen mehr, die das Leben im Labyrinth der Kleinstaaterei ertrglicher machen sollten. Als dieser Punkt verlesen wurde, erhob der bayerische Bevollmchtigte, Feldmarschall Frst von Wrede, Einspruch gegen die Formulierung "jeder Teutsche", und zwar mit der Begrndung, "da der Ausdruck der Zusicherung der Rechte fr eine jede Klasse der Nation um deswillen zu weitgehend scheine, weil in Sonderheit in Hinsicht der Juden gedenkbar sei, da sie in einem Staate nicht gleiche Rechte wie in den brigen genssen". Der Vertreter Bayerns forderte damit eine genaue juristische Definition des Begriffes "teutscher Brger oder teutscher Untertan", um spteren Berufungen der Juden auf diesen Paragraphen vorzubeugen. Die Vorsicht war um so gebotener, als bereits seit Monaten die in Deutschland lebenden Juden grte Anstrengungen machten, um eine allgemeine Regelung ihrer "brgerlichen Verhltnisse" zu erreichen. Insbesondere waren es die Judengemeinden der freien Stdte Frankfurt, Lbeck, Hamburg und Bremen, die eine emsige Ttigkeit entfalteten. Sie entschlossen sich zum energischen Vorgehen und einer unmittelbaren Einwirkung auf den Wiener Kongre, "um bei allen hchsten und hohen Behrden, hchsten und hohen Herrschaften, und wo auch immer sonst ntig, sowohl schriftliche als mndliche untertnigste Dar- und Vorstellungen einzureichen". Bereits sechs Tage vor dem Einspruch des Frsten Wrede gegen die Einbeziehung der Juden in die Klasse der deutschen Brger waren die Delegierten der Frankfurter Judenschaft, Jacob Baruch (Brnes Vater) und Isaak Jacob Gumprecht, in Wien unter der Maske "kaufmnnischer Geschfte" eingetroffen und hatten sofort eine "untertnige Vorstellung und Bittschrift der israelischen Gemeine zu Frankfurt am Main an den hohen Kongre" gerichtet. Die Wiener Polizei meldete am 28. Oktober der Polizeidirektion: "Die Frankfurter Juden Gumprecht und Baruch befinden sich hier nicht, wie sie vorgeben, in Handlungsgeschften, sondern um als Deputierte der Frankfurter Judenschaft durch Rnke und Bestechungen bei dem Kongre gewisse Freiheiten, die ihnen der vormalige Groherzog von Frankfurt verkauft hat, durchzusetzen."2) Weitere Beobachtungen ergeben, da die beiden Frankfurter Handelsjuden versuchten, "durch 2 Juden vom Gefolge Sr. Majestt des russischen Kaisers Protektion zu erwirken"2). Polizeiprsident von Hagen ist entschlossen, die beiden auszuweisen, aber bevor es soweit kommt, verwendet sich der wrzburgische Geschftstrger Herr von Odelga, "welcher die Privatgeschfte des Herrn Frsten Metternich besorget" fr sie und versichert, da die Juden sich in der Tat rein geschftehalber in der Kongrestadt aufhalten. Die bereits ergangene Anweisung wird rckgngig gemacht, obwohl es der Polizei bekannt ist, da die Juden eine Bittschrift an das unter desselben Metternichs Leitung stehende Kongrebro gerichtet hatten, und zwar unter Beifgung einer Vollmacht, in der sie in aller Form als von den Mitgliedern des israelischen Verwaltungsrates zu Frankfurt/Main nach Wien delegiert bezeichnet wurden. Wohl um hnliche Schwierigkeiten mit der Polizei zu vermeiden, suchten die Juden der Hansestdte, beraten von David Friedlnder, - seit 1812 der erste jdische Stadtrat der aufgeklrten preuischen Hauptstadt -, fr ein gemeinsames Vorgehen

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  • nach einem christlichen "Anwalt des Judentums". Zu dieser Mission erklrte sich der Lbecker Dr. Carl August Buchholz bereit: "einer der abgefeimtesten Advokaten, voller Lgen, Bosheit und Tcke", wie ihn der Hamburger Senator Smidt schildert. Am 9. Dezember berreichte Buchholz dem Wiener Kongre eine "frmliche Vorstellung", in der nicht nur fr die Judenschaft von Hamburg, Lbeck und Bremen, sondern fr alle in Deutschland lebenden Juden der Anspruch auf Gleichberechtigung erhoben wurde. Um bei den Teilnehmern des Kongresses und darber hinaus fr seine Auftraggeber Stimmung zu machen, verbreitet er eifrig zwei von ihm verfate Schriften, betitelt: "ber die Aufnahme der jdischen Glaubensgenossen zum Brgerrecht" und "Actenstcke, die Verbesserung des brgerlichen Zustandes der Israeliten betreffend", in denen er dem Andenken des "unsterblichen Mendelssohn", dem "Sokrates der Deutschen" huldigt. Friedrich von Schlegel, u.a. auch Ritter des ppstlichen Christusordens, vornehmlich aber der Mann der Dorothea Vait, geborene Mendelssohn, beeilt sich, "lobpreisende Rezensionen" ber die Buchholzschen Streitschriften in der Wiener Presse zu verffentlichen, so da der schon erwhnte Smidt treffend feststellt: "beide (Schlegel und Frau) sind zwar jetzt eifrig katholisch, aber die Verwandtschaft mit dem Samen Abrahams behauptet doch ihren Einflu dabei". Inzwischen waren die Verhandlungen des Kongresses, kaum begonnen, schon ins Stocken geraten. Auch die Besprechungen der Fnferkommission wurden, auf Grund "ernsthafter Vorstellungen" von neunundzwanzig teutschen Frsten und Stdten "gegen die Verhandlungen im engsten Kreis" eingestellt, und zwar an demselben 16. Oktober, an dem Feldmarschall Wrede den bedeutsamen Einspruch erhob. Vom Standpunkt der deutschen Sache aus gesehen war dieser Protestschritt, geboren aus der Angst um das kleinstaatliche Prestige und der partikularischen Eigenbrtelei der Neunundzwanzig tief bedauerlich. Fr die Behandlung der Judenfrage aber wurde damit Zeit gewonnen und jede berrumpelung der kleinen durch die judenfreundlichen Grostaaten Preuen und sterreich ausgeschaltet. Hier trat erstmalig jene unselige Verknpfung der deutschen Einheitsbestrebung mit dem Judenproblem in Erscheinung, die in der Folgezeit zu tragischsten Verwirrungen im politischen Denken und Handeln fhrte. Da im Rahmen der weitgespannten Aufgaben des Kongresses, der ja eine Neuordnung Europas erstrebte, das Verhltnis der in Deutschland lebenden Juden berhaupt eine groe Rolle spielen sollte, erschien selbst vielen Hflingen unbegreiflich, von dem Volke gar nicht zu reden. "Ich konnte wahrnehmen", so schreibt der Gesandte Graf Rechberg, am 11. Juni 1915 an den Knig von Bayern, "da einige der ersten Minister besonders ber die Behandlung der Juden ein ganz spezielles Interesse haben muten, indem man noch vor der Konferenz mich angelegentlich ersuchen lie, doch in diesem Punkte den liberalen Gesinnungen nicht zu widersprechen"3). Das Wort "liberal" wird hier in seinem eigensten Sinne als "freigebig" und "gtig" angewandt. Es schlo damals auch schon die Bedeutung "freisinnig" fr die nach Freiheit Strebenden ein, und im volkstumsfremden Denken der Leute von der Art eines Metternich war es schlechthin zum Schlagwort fr alles geworden, was sich nicht mit der konservativen Auffassung deckte. Die Sehnsucht aller Deutschen nach berwindung der kleinstaatlichen Zersplitterung, berlebter, ungerechter Klassenvorurteile und einer Wiedergeburt des germanischen Volkes war fr sie

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  • ebenso "liberal", da es auf eine Abnderung des Bestehenden abzielte, wie der Kampf des fremdrassigen Judentums um seine Eingliederung mit allen Rechten in die deutsche Brgerschaft. Liberal standen sie aber nur den Juden, dem eigenen Volkstum in vlliger Verstndnislosigkeit dagegen reaktionr gegenber. In Wien fanden diese "Liberalen" ein reiches Bettigungsfeld, auf dem nach festlicher Abwechslung versessenem Kongre, der unter Aufbietung aller diplomatischen Knste mit Bllen, Paraden, Schlittenpartien, Theatervorstellungen, Banketts, Festgottesdiensten, Feuerwerken, Praterfahrten und Konzerten die aufgetauchten politischen Gegenstze berbrcken suchte. Dieser Vogel-Strau-Politik kam der Besuch bei der jdischen Geldaristokratie als neuartiger Reiz durchaus gelegen, und so trafen sich hier allabendlich "oft bis zu 100 Personen": "Kammerfrauen, Sekretre, Leibrzte, Diplomaten, Staatsrte, Generle, Hofdamen, Prinzen, Bevollmchtigte, Parlamentsmitglieder, Minister, Geheimrte und Adjutanten". Allen voran die "Preuen", denn sie begrten in den Salonkniginnen "ihre Landsmnninnen", die Tchter Fanny und Zippora des Berliner Juden Daniel Itzig. Beide hatten in Wien Juden geheiratet; Fanny den Sohn des Isaak Adam Arnstein, Zippora, die sich jetzt Ccilie nannte, einen Bernhard (Berusch) Eskeles. Dank der josephinischen Toleranzedikte und dem chronischen Geldbedrfnis der Monarchie firmierten sie jetzt als Nathan Adam Freiherr von Arnstein und Ritter Bernhard von Eskeles. Beide fhrten ein groes Haus und fanden dabei hingebende Untersttzung bei ihren Schwgerinnen Levi, Oppenheim und Ephraim, der Arnsteinschen Tochter, die ihren Adoptivbruder von Pereira4) geheiratet hatte und ihre Nichte Merle Saaling. Dazu kamen als alte Bekannte die salonerfahrenen Berliner Jdinnen Dorothea Veit-Mendelssohn, seit 1798 mit dem Hof- und Legationsrat von Schlegel verbunden, und Rahel Levin, die am 27. September 1814 den in Hardenbergs Begleitung nach Wien gekommenen Legationsrat Varnhagen von Ense geheiratet hatte, also auf dem Kongre ihre Flitterwochen verlebte. ber besonderen Einflu verfgte auerdem der jdische Leibarzt Hardenbergs, David Koreff, der Jugendgeliebte der Merle Saaling und Gnstling der Geliebten des Kaisers Alexander von Ruland. Die Bemhungen dieser Damen um die sorgengeplagten Kongreteilnehmer waren nicht zu berbieten. Im Arnsteinschen Hause fand z.B. ein Ball statt, bei dem, obwohl mitten im Winter, die Rume mit blhenden Pfirsichbumen ausgeschmckt waren, eine Idee, die allerhchsten Beifall der Gste fand, unter denen man die Prinzen von Preuen, Hessen-Homburg, Mecklenburg-Strelitz, Hohenzollern, neben den Frsten Metternich sen., Radziwill, Bentheim-Steinfurt und ungezhlten Diplomaten bemerkte. Bald wurde es zur Gewohnheit, sich allabendlich bei Arnsteins zu treffen und diesem Brauch schlossen sich selbst der Kardinal Consalvi und der Nuntius Severoli nicht aus, um "sich mit den Damen sehr artig einige Stunden lang" zu unterhalten. Zu den regelmigen Besuchern gehrten die Mitglieder der preuischen Delegation, Hardenberg, Humboldt, Jordan, Hoffmann, Stgemann usw., denn Arnsteins und Eskeles - beide Huser sagen es selbst - geben durch die Zeit des Kongresses alltglich mittags und abends Tafel fr alle Berliner und Preuen als Landsleute". Die Herzlichkeit dieser Beziehungen wurde noch dadurch gesteigert, da ein Neffe der Tchter Itzigs, und zwar Bartholdy, der sptere Generalkonsul und Legationsrat, in seiner Eigenschaft als preuischer Beamter in Wien weilte. Am 23. Dezember 1814 kann Prinz Anton Radziwill seiner Frau mitteilen: "Hier ist des Weihnachtsabends Feier nicht Sitte und das Haus Arnstein das einzige, wo Frauen die Berliner Gewohnheit festhalten und fr morgen Abend alle Preuen eingeladen

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  • haben, von denen jeder ein Geschenk erhlt." Der preuische Finanzrat Stgemann vermerkt ber das Weihnachts- und Christbaumfest im "ungetauften Hause": "einige tausend Taler kostete der Scherz wohl". Zur Abwechslung folgten dann Konzerte, bei denen der Sohn des Bankiers Beer, der junge Jakob Meyer Beer oder der dem Prager Getto entstammende Ignaz Moscheles musizierten. Dabei waren gewhnlich 70 bis 80 Personen anwesend, darunter die Grafen von Mnster, von Hardenberg (Hannover), von Bernstorff, Solms-Laubach, der russische Vertreter Frst der Moldau Ypsilanti, die Schwgerin Schwarzenbergs Grfin Engel, der Herzog von Aceranza-Pignatelli, um aus dem Gstebuch nur einige zu nennen. Am 11. Januar 1815 verfiel man auf die originelle Idee, ein "Wachsfigurenkabinett" in lebenden Bildern zu stellen, zu dem Kardinal Consalvi mit rotem Kppchen und Strmpfen erschien, um die von Frulein Saaling dargestellte Daphne und die Bajadere der Frau Offenheimer zu bewundern. Kurz, die Chronisten werden nicht mde, die glanzvollen Veranstaltungen der Huser Arnstein-Eskeles zu schildern. Die Frankfurter Delegierten Baruch und Gumprecht waren geradezu geblendet von dieser glanzvollen gesellschaftlichen Stellung ihrer Stammesgenossen, denn sie kamen ja aus einer Stadt, in der selbst viele Jahre spter noch kein Jude in einem Kaffeehaus geduldet wurde, geschweige denn in einer Gesellschaft Frankfurter Brger. Baruch war mit dem Hause Eskeles verwandt; seine Schwester Merle hatte einen Groneffen von Baruch Eskeles geheiratet. Vielleicht ist durch diese Verbindung der Wiener Jude Gtz Gabriel Uffenheimer von den Frankfurter Judenbevollmchtigten als enger Mitarbeiter - spter trat er sogar am Gumprechts Stelle - aufgenommen worden, denn durch seine Frau stand er auerdem mit dem Hause Arnstein in verwandtschaftlichen Beziehungen. Vielleicht ist die Ursache aber auch darin zu sehen, da Uffenheimer mit den Frankfurter Gettojuden Moses Goldschmidt, Beer und Speyer versippt war. Er verfgte berhaupt ber gute Beziehungen. Seine Frau war eine Schwester des Armeelieferanten Markus Leibesdorfer, der im Jahre 1817 geadelt und 1825 in den Ritterstand erhoben wurde. Direkte Verbindungen zum Hofe hatte er auerdem dadurch, da er die Geldgeschfte der Erzherzogin Beatrix und ihrer Shne sowie des Grafen von Trautmannsdorf, des kaiserlichen Oberstallmeisters, und wahrscheinlich auch die Sr. Excellenz des Ministers Grafen von Zichy besorgte. An Einflu konnte er allerdings nicht mit dem in Hamburg geborenen Sohn des Salomon Lefman Herz aufnehmen, der in Wien ausgedehnte Geldgeschfte betrieb. 1797 wurde er als Leopold Edler von Herz nobilitiert. Mit den Arnsteins war er verschwgert; seine Frau war die Tochter des Hoffaktors Adam Isaak Arnstein, whrend seine Schwester wiederum in die Leibesdorfersche Familie eingeheiratet hatte. Der lteste Sohn des Leopold Herz, der 1767 geborene Lippmann Herz, trat 1813 mit Friedrich von Gentz in Verbindung, dem "Gehilfen, Vertrauten und Berater" Metternichs. Gentz, der auf dem Wiener Kongre als Generalsekretr des Protokolls fungierte, war seiner Natur gem - er galt allgemein als bestechlich - von diesem Juden besonders entzckt. "Herz", so urteilte er, "ist unstreitig der liberalste aller Wiener Bankiers. Er ist der einzige, dem um Ehre noch mehr zu tun ist, als um Gewinn. Zur Probe dient, da er blo der Ehre wegen, um mit einem Frsten und Grafen alle Tage Whist zu spielen, und zwar gegen Wenzel Liechtenstein (spter Adjutant des Frsten Schwarzenberg) und Schulenburg vor zwei Jahren in Baden 60 000 Gulden verlor." Bei dieser Empfehlung konnte es nicht wundern, da sowohl Schwarzenberg als auch Metternich dafr eintraten, da Herz weitgehendst fr die finanziellen Transaktionen whrend der Befreiungskriege

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  • herangezogen wurde. Als es im Verlauf des Wiener Kongresses zu Spannungen zwischen sterreich und Preuen kam, mieden es Metternich und Gentz, das Arnsteinsche Palais zu betreten, in dem die Preuen zu Hause waren und beschrnkten die Bekundung ihrer "liberalen" Gesinnung lediglich auf Besuche bei Herz. Die Vertraulichkeiten gingen soweit, da der allgewaltige Konferenzminister bereits am ersten Tage nach Eintreffen des Feldmarschalls Lord Wellington diesen zusammen mit den englischen Bevollmchtigten Lord Castlereagh bei Lippmann Herz einfhrte, "weil", wie das Volk nach dem Bericht eines Polizeiagenten sich erzhlt, "Metternich dem Juden Geld schuldig ist". An Verbindungsmglichkeiten zu dem sterreichischen Hofe konnte sich Nathan Arnstein deshalb aber keineswegs beklagen, denn einmal war Herz, wie gesagt, mit ihm verwandt und zum anderen gehrte wiederum der Vater Metternichs zu seinen stndigen Gsten. Die Judenschaft Deutschlands konnte demnach mit der Lage in Wien zufrieden sein. Durch alle Delegationen, Kanzleien und Kommissionen hatte die jdische Spinne ihre Netze gezogen und an ihren Fden hingen bewut oder unbewut die mchtigen Herren, die ber das Schicksal des deutschen Volkes entscheiden sollten. Dieses Volk der Deutschen war durch unzhlige partikularistische und in frstlichem Eigennutz wurzelnde Schranken getrennt, die so hoch und starr waren, da sich an ihnen die Flut der Begeisterung des Frhlings von 1813 brach. Nur eine Einheit war vorhanden, die Einheit des fremdstmmigen Judentums. Fr sie war Wien die Front. Hinter ihr dehnte sich die groe Etappe aller deutschen Orte, in denen Juden lebten. Von Frankfurt wirkte vor allem der mrchenhafte Reichtum der Rothschilds, von Lbeck der emsige Briefschreiber Moses Bloch, von Hamburg der Notar Bresselau, von Brnn der Armeekommissar Simon Edler von Lmel5), der vertraute Ratgeber des kaiserlichen Bruders Rudolf und des Kardinal-Erzbischofs von lmtz sowie der Armeelieferant Lazar Auspitz. Lmel, Auspitz, Herz, Arnstein und Eskeles, also die kapitalkrftigsten der in den Befreiungskriegen reich gewordenen sterreichischen Juden, unterbreiteten dem Kaiser von sterreich eine Vorstellung, in der es eingangs heit: "Die israelitischen Glaubensgenossen haben Ew. Majestt Erwartungen Genge geleistet. Ihre Fhigkeit zu allen ntzlichen Gewerben sind durch Tatsachen erwiesen... Wir haben jede Probe bestanden... Dieser glcklichen Wendung der Umstnde schreiben wir es zu, wenn wegen endlicher Bewilligung einer vollstndigen Gleichheit der Rechte zwischen israelitischen und anderen Glaubensgenossen, bei dem gegenwrtig zu Wien versammelten hohen Kongre von mehreren Seiten Antrge und Gesuche eingereicht worden sind und dem Vernehmen nach, jene erlauchte Versammlung sich bei Gelegenheit der Verhandlungen ber die knftige deutsche Verfassung mit diesem Gegenstande wirklich beschftigen will. Wenn der hier versammelte hohe Kongre dieser Angelegenheit seine Aufmerksamkeit widmet, so rechnen wir mit Zuversicht darauf, die Verhandlungen und Beschlsse desselben durch Ew. Majestt mchtigen Einflu und jene edlen, menschenfreundlichen Gesinnungen, die Allerhchstdieselben jederzeit in Schutz genommen haben, geleitet, und zu einem glcklichen Ausgange befrdert zu sehen." Am 6. Januar 1815 berichtet Smidt: "Die Baronin Arnstein ist, wie weiland Esther zu Ahasverus, selbst zur hohen Personen gegangen, um namentlich fr die

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  • hanseatische Judenschaft die hchste Intercession (Frbitte) geltend zu machen." Whrend die jdische Front unermdlich wirkte, sammelte die Etappe die notwendigen Gelder. Baron6) zitiert aus deinem Briefe Oppenheimers an Bloch vom 18. Februar 1815, "da die unansehnliche Gemeinde Lbecks die schwersten Lasten nicht scheute, um den Zweck zu erreichen, und da sie bis dahin an das gemeinsame Hamburger Komitee 100 Taler abgeliefert hatte." ber die Verwendung dieser Sammlungen unterrichtet der in mehr als einer Hinsicht interessante Brief Humboldts an seine Frau vom 4. Juni 1815, in dem es heit: "Ein sehr groes Geschenk habe ich gestern ausgeschlagen. Seit dem Anfang des Kongresses suchten die Juden bestimmte brgerliche Rechte in Deutschland zu erhalten. Ich bin der Sache immer geneigt gewesen. Ich wei zwar, da Du anders denkst, ses Herz, aber ich habe viel in verschiedenen Zeiten darber nachgedacht und bleibe meiner alten Meinung treu. Es ist berdies eine Jugendidee von mir, denn Alexander und ich wurden noch wie wir Kinder waren, fr Schutzwehre des Judentums gehalten. Ich lie mich auch hier um so mehr ein, als da einmal im Preuischen die Juden fast alle Rechte haben, es nun fr uns besser ist, da diese Gesetzgebung allgemein sei, indem sonst alle Juden zu uns hinstrmen. Seit einigen Wochen bemerkte ich, da die Gnner des Judentums wuchsen, und da Gentz an der Spitze stand, so war die Ursache bald klar. Vom hannoverschen Hardenberg erfuhr ich mit Gewiheit, da dieser sogar einen schriftlichen Kontrakt gemacht hatte! Mir geschahen indes keine Antrge, aber der alte Mann aus Prag, dessen Wesen mir ganz gut gefiel, da er nicht zu den neumodischen Juden gehrt, kam ein paarmal zu mir und empfahl mir die Angelegenheit. Ich machte nun einen Artikel meiner berzeugung nach; in den jetzigen Conferenzen war dies eine Hauptdebatte; nicht, da es nicht wichtige gebe, aber weil man ber diese wichtigeren fast gar nicht diskutieren kann, weil man schon wei, da man sonst auseinandersprengt, statt zu verbinden. Metternich, Wessenberg, Hardenberg und ich hielten die Sache wie wir konnten. Rechberg, Darmstadt-Hessen, die Hansestdte waren vorzglich dagegen. Es kam in zwei Sitzungen vor. Metternich gab seiner Sitte nach der Sache fast auf, aber ich hielt sie, gab ihr neue Wendungen und machte sie doch unschdlich, so da ich sie nur auf die knftige Bundesversammlung verwies, aber die schon erworbenen Rechte der Juden erhielt. Es wurde sehr viel von der Sache gesprochen, jeder wei, da ich nur den Artikel gemacht und durchgesetzt habe. Gestern kam nun der alte Mann wieder7), dankte mir unendlich und bot mir zum Geschenk drei Ringe, Smaragden mit groen Brillanten besetzt an mit dem Zusatz, da ich, wenn ich sie nicht wollte, ber 4000 Dukaten auf seine Kasse disponieren sollte. Ich schlug sie natrlich ebenso wie das Geld aus, und Du kannst Dir die Verwunderung des Mannes gar nicht denken, wie ich ihm ohne alle Affectation und Ziererei sagte, da ich, was ich getan, blo den Juden zuliebe getan htte, da ich nichts dafr nehmen wrde, da aber, wenn ich je in einen Fall kommen sollte. wo er mir einen Gefallen erzeigen knnte, ich ihn gern annehmen wrde. Ich habe den Vorfall niemanden, als dem Kanzler und Hardenbergen erzhlt, allein ich wei durch Gentz, da es doch bekannt worden ist und groen Effect gemacht hat. Der alte Jude will sich nicht zufrieden geben und hat nun das Project, mir ein silbernes Service machen zu lassen, um es mir in einem Jahre zu schicken. Ich habe Gentz gesagt, da ich auch in zehn Jahren nichts nehmen wrde und tue es gewi nicht. Gentz hat aber so keinen Begriff davon, da es mglich sei, so etwas nicht zu nehmen, da er mir heute weitlufig auseinandergesetzt hat, da ihm das ein Rtsel und ein unauflsliches in mir sei, da die Sache weder unrecht noch undelikat sei, und

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  • ich es auch nicht aus Ostentation, um damit zu prahlen, und nicht aus Stolz, um nicht von einem Juden Geschenke zu nehmen, tue. Das sagte er wirklich ganz ernsthaft und im Grund sind diese Maximen unter den Menschen, die die Geschfte machen, allgemein. Ich habe ihm blo gesagt, da, wenn man sich der Dinge, die man einmal betreibe, so warm als ich annhme, die erste Bedingung ein reines Bewutsein sei. Ich in mir kenne nichts so Unedles, in Geschften nicht rein und lauter wie Gold zu sein." Die allgemeine Bestechlichkeit, von der Humboldt spricht, - er selbst handelte im Wahne seines Humanittsideals -, erklrt den Eifer, mit dem die Judenfrage auf dem Kongre betrieben wurde. "Die Diskussion ber die Juden", uert Graf Rechberg in einem Bericht an den Knig von Bayern vom 2. Juni 1915, "ist nicht so sehr durch den Wunsch geleitet, der unterdrckten Klasse wirklich zu helfen, als vielmehr von einer mchtigen Partei in Bewegung gesetzt worden." Diese mchtige Partei war sich ihres Erfolges sehr sicher und sah der Entscheidung mit Ruhe entgegen. Sie frchtete nur, da ein vorzeitiges Bekanntwerden des gnstigen Standes der jdischen Ansprche im deutschen Volke einen derartigen Sturm der Emprung hervorrufen wrde, da die vom Judentum gekaufte oder "liberal" gesinnten Staatsmnner und Diplomaten zwangsweise ihre Absichten als zur Zeit unpopulr aufgeben mten. "Seien Sie ganz ruhig!" schreibt Oppenheimer am 17. Januar 1815 an Moses Bloch, "die Hilfe kommt nicht zu spt, sie ist nher, als Sie glauben. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Verhalten Sie sich nur ganz ruhig und geben durch Ihr Betragen nicht zu erkennen, da Sie glauben auf Hilfe hheren Ortes rechnen zu drfen." Juda, Prellbock der deutschen Einheit "Ein deutscher Staat, in dessen Institutionen und Verwaltung der Jude sich einnistet, geht ebenso sicher dem Ruin entgegen, als ein Haus, welches der Schwamm befllt"8). H.H. Nordmann Das jdische Trommelfeuer auf Meinungen und Geldbeutel traf aber trotz alledem auf harten und zhen Widerstand. Noch gab es Mnner, die jeder Beeintrchtigung durch die einflureiche Judenpartei zum Trotze vor der Aufnahme des fremden Elementes energischst warnten. Zu ihnen gehrte vor allem der geniale Wegbereiter der preuischen Erhebung, der Freiherr vom Stein. Er mchte am liebsten, so schreibt Humboldt an seine Frau, die Juden in Nordafrika ansiedeln. Leider war aber dieser berufene Fhrer deutscher Art auf dem Kongre ohne entscheidenden Einflu. - Der nur als Zuschauer anwesende groherzoglich-badische Kabinettsrat und Staatsrechtslehrer Dr. Klber war Ansicht, da "die volle staatsbrgerliche Genossenschaft" mit den Juden "unvereinbar mit dem Gemeinwohl in einem Staate sei, dessen Oberherrschaft nicht in den Hnden der Juden ist". - Unmittelbar im Abwehrkampf gegen die Ansprche des Judentums aber standen die Vertreter der freien Stdte. In gewissem Sinne waren sie in erster Linie berufen, in diesem Gremium der Hflinge und Diplomaten als Vertreter des Volkes zu sprechen, denn durch das Vertrauen der Brgerschaften waren sie in ihre mter berufen worden; sie vertraten allein und ausschlielich die Interessen der brgerlichen Gemeinschaften. Hinsichtlich der Beurteilung des Judentums und seines verderblichen Einflusses blickten zudem gerade diese Stdte auf eine jahrhundertelange Erfahrung zurck9). In der jngstvergangenen Zeit, in der unter franzsischem Einflusse die alten

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  • Judenverordnungen erheblich gelockert worden waren, und zwar in Frankfurt durch den "Priestergroherzog", wie E.M. Arndt den Dalberg nannte, in den Hansestdten durch die Manahmen der 32. franzsischen Militrdivision, hatten sie die Besttigung fr die Richtigkeit der Manahmen ihrer Voreltern gefunden. Nachdem sie wieder Herr im eigenen Land waren, zgerten sie daher auch nicht, den alten Zustand wieder herzustellen. Die Folge davon war die erwhnte Entsendung von Bevollmchtigten der israelitischen Gemeinden der vier freien Stdte nach Wien. Ihrerseits hatten die Stdte ebenfalls Delegierte entsandt, und zwar Frankfurt seinen Syndikus Dr. Danz, Hamburg den Syndikus Gries, Bremen den bereits mehrfach angefhrten Senator Johann Friedrich Smidt und Lbeck seinen Senator Dr. Hack. Ihre Stellung auf dem Kongre, die in erster Linie die Wiederanerkennung der staatlichen Selbstndigkeit bezweckte, war durch die Gromchte beraus schwierig geworden, zumal die heimischen Judengemeinden sich in einer Eingabe nach der anderen bei Metternich und Hardenberg ber die Ungltigkeitserklrung ihrer Vergnstigungen beschwerten. Die ersten dieser Proteste waren brigens von den Frankfurter Juden an Stein in seiner Eigenschaft als Leiter der "Zentralverwaltung fr die zurckeroberten deutschen Lnder" gerichtet. Der Reichsfreiherr erklrte, da er keine nderung oder Bestimmung "an den Verhltnissen der israelitischen Glaubensgenossen in der Stadt" treffen knne, und alles weitere den konstitutionellen stdtischen Behrden vorbehalten bleibe; anders Hardenberg, der sogar den preuischen Gesandten zu unmittelbaren "Vorstellungen" bei dem Bremer Senat aufforderte. Die Juden haben es auch hier nicht an der Anwendung von Methoden fehlen lassen, mit denen sie sonst in Wien Erfolg hatten. Am 4. Mai 1814 schreibt Rahel Levin an Varnhagen: "ich bin sehr gut Freund mit dem ... Senator Smidt, einem Schler und Freund des seligen Fichte, der an der Spitze der bremischen Sache steht". Hier irrte die moderne Esther allerdings gewaltig. Ebenso tuschte sich im Charakter des Sprechers der Hansestdte der Wiener Bankier David Parish10), der, wie Smidt an Grningen mitteilte, ihn fr das Judentum "gewinnen" wollte. An den Frankfurter Vertreter wagten sich die Juden erst gar nicht heran, denn sie kannten die Einstellung von Senat und Brgerschaft nur zu gut. Frankfurt war denn auch die einzige Stadt, die in ihrem Dankschreiben "fr die Gnade der Wiederherstellung der Freiheit und Selbstndigkeit" gleichzeitig in Form eines Schluvotums die energischste "Verwahrung wegen der Judenherrschaft" abgab. Wurzelte die ablehnende Haltung der freien Stdte gegenber den Ansprchen der Juden in der durch reiche Erfahrungen gewonnenen berzeugung von dem unwandelbaren Schmarotzertum der Judenherrschaft, so waren es bei den brigen Mitgliedern des zu grndenden deutschen Bundes, die der Verleihung brgerlicher Rechte an die Juden nicht zustimmen wollten, berwiegend staatsrechtliche Bedenken oder Meinungsuerungen, die jedoch bei Gefahr ernster politischer Spannungen nicht aufrecht erhalten wurden. Allerdings hatten sich inzwischen auch Dinge ereignet, die energisch zur Einheit und zur vorlufigen berbrckung von Meinungsverschiedenheiten in Einzelfragen drngten. Napoleon hatte Elba verlassen, und sein Erscheinen auf dem Festland wirkte wie der Schatten des Marders im Taubenschlag. Metternich erklrte, da der Kongre nicht beendigt werden knne, ohne die "teutsche Fderation" in ihren Grundzgen festgelegt zu haben. Als der Judenparagraph zur ersten Abstimmung gelangte, protestierten Bayern, Hessen-

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  • Darmstadt und die "Deputierten der Frsten" gegen dessen Aufnahme in die deutsche Bundesakte. Nach kleinen redaktionellen nderungen stimmten Kurhessen, Luxemburg, Gotha, Schaumburg-Lippe, Waldeck sowie Nassau zu, whrend Hessen-Darmstadt die Erklrung abgab, der Majoritt beitreten zu wollen. Sachsen uerte sich dahingehend, "da eine Bestimmung der Rechte der Juden aus der Bundesakte wegzulassen sei", "denn in sie gehrten nur Gegenstnde, die eine nhere Beziehung auf den Zweck des deutschen Bundes und dessen Organisation htten". Bayern begngte sich mehr oder weniger bei allen Beratungen mit der Rolle des Zuschauers, wie es sich denn auch bei der Schluabstimmung um die "teutsche Einheit" seinen definitiven Beitritt zum Bunde noch vorbehalten zu mssen glaubte. Wie weit aber dieser Bund berhaupt in seinem Zustandekommen von der Wahrnehmung rein deutscher Belange entfernt war, geht daraus hervor, da er seine Grndung der mittelbaren und unmittelbaren Mitwirkung auslndischer Staaten verdankte. Als Unterzeichner des Friedens mute auch in allen Einzelheiten der russische Hof befragt werden, der "cette belle et noble cause" (diese schne und edle Sache) eifrig berwachte. Auerdem stimmten auslndische Mchte indirekt mit ab, und zwar England fr Hannover, das gem seiner Toleranzideen sofort betonte, da es dem "Judenparagraphen" "unbedenklich" zustimme; fr Luxemburg muten die Niederlande befragt werden, fr Holstein Dnemark. Der holsteinische Bevollmchtigte, Graf Bernstorff, dessen schne Frau von den Chronisten als "Knigin des Arnsteinschen Salons" gepriesen wird, erklrte, da ihr Mann in Ermangelung von Instruktionen zu der Judenfrage nicht Stellung nehmen knne, im brigen aber darin keine "Abgeneigtheit des dnischen Hofes" zu erblicken sei, "da die liberalen Grundstze der dnischen Regierung in der die Bekenner des jdischen Glaubens betreffenden Gesetzgebung bekannt seien". Derartige "diplomatische Einwendungen" konnten die Front der Judengegner nicht strken. Der sterreichische Staatsminister Metternich vertrat einseitig die Forderungen Judas, ebenso Hardenberg; ja, so berichtet Graf Rechberg am 2. Juni 1815, "keine Sache wurde mit mehr Lebhaftigkeit untersttzt als diese von Preuen". - "Auch war es den Juden gelungen", so bemerkt der badische Staatsrat Dr. Klber, "eine ttige Frsprache, sowohl auf dem Kongre, als auch insbesondere bei den letzten Sitzungen ber Errichtung und Einrichtung des teutschen Bundes sich zu schaffen, von Seite des kniglich preuischen Hofes." - Kein Wunder, da Frau Fanny Arnstein "gut preuisch" gesinnt war und da sie bei der Nachricht von der Flucht Napoleons, der vom Jahre 1808 ab die Gleichberechtigung der Juden in Frankreich energischst beschrnkte, ausrief: "Warum hat man ihn nicht gehangen!" Unter dem Druck der Verhltnisse, der mit dem Einspruch des Frsten Wrede begann und sich in der volkstmlichen Judenpolitik der freien deutschen Stdte verdichtete, hatte der "preuische Hof" allerdings seine Lieblingsidee, die in Deutschland lebenden Juden sofort und ohne Einschrnkung in den Besitz vlliger brgerliche Gleichberechtigung zu versetzen, aufgeben mssen. Der Vertreter dieses Gedankens, der preuische Staatsminister Wilhelm Humboldt, wurde selbst von seiner Frau gewarnt, die ihm am 4. Februar 1815 schreibt: "Mit den Juden gehe doch vorsichtig um. Ich finde es nicht angemessen, so alle Zustnde mit ihnen zu berspringen und sie in den Genu aller brgerlichen Rechte auf einmal zu setzen. Alles, was sich natrlich macht, geht schrittweise. Warum sollen denn die Juden Salti mortali machen?"

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  • Aber Humboldt, der eifrigste an der emsigen Arbeit der "Preuen" in der Herstellung von Entwrfen zur Bundesverfassung, hatte inzwischen das Judenproblem von ganz anderer Seite angepackt. Da die Einbeziehung der Juden in der Formel "jeder Teutsche" auf Widerstand gestoen war, verknpfte er jetzt die Judenfrage mit dem unseligen Gegensatz der christlichen Bekenntnisse. Gegen die Gleichstellung der protestantischen und katholischen Untertanen erhob er keinen Einspruch. Damit war der Artikel in seinem Kernsatz angenommen. Strittig aber blieb der sich auf die Juden beziehende Absatz, in dem es hie: "Den Bekennern des jdischen Glaubens werden, insofern sie sich der Leistung aller Brgerpflichten unterziehen, die denselben entsprechenden Brgerrechte eingerumt, und wo dieser Reform Landesverfassungen entgegenstehen, erklren die Mitglieder des Bundes, diese Hindernisse soviel als mglich hinwegrumen zu wollen." Damit war das Judenproblem zu einer reinen Glaubensfrage gestempelt und in einen allgemeinen Religionsparagraphen untergebracht. Fr seine Annahme fand sich aber trotz des Druckes der auenpolitischen Verhltnisse keine Einheit. Whrend unbefangene Politiker nach den Grnden suchten, weshalb man die Frage der deutschen Einheit so hartnckig mit der der Juden verband, die einen lcherlichen Bruchteil der deutschen Bevlkerung ausmachten, legten die Gromchte der nunmehr schon 6. Sitzung folgende Formulierung vor, die auch der inzwischen eingegangenen Verwahrung der Stadt Frankfurt gerecht werden sollte: "Die Bundesversammlung wird in Beratung ziehen, wie auf eine mglichst bereinstimmende Weise die brgerliche Verbesserung der Bekenner des jdischen Glaubens in Teutschland zu bewirken sei, und wie insonderheit denselben der Genu aller Brgerpflichten in den Bundesstaaten werde gesichert werden knnen. Jedoch werden den Bekennern dieses Glaubens bis dahin die denselben in den einzelnen Bundesstaaten eingerumten Rechte erhalten." Da sich auch gegen diese, so ziemlich alles offenlassende Formulierung Widerspruch erhebt, wird eine Redaktionskommission eingesetzt, der neben dem Bremer Senator Smidt der Bevollmchtigte der Frsten von Waldeck und Schaumburg-Lippe, Prsident von Berg, angehren. Im Vertrauen auf die ruhige berlegung spterer Tagungen der Bundesversammlung bemhen sich beide, die letzte Fassung der Judenparagraphen, bezeichnenderweise in Wien allgemein "der Dukatenartikel" genannt, noch unverbindlicher zu gestalten. Smidt beantragte in der 8. Sitzung, "da die von Frankreich, whrend seiner Okkupation durch die 32. Militrdivision in Hinsicht der Juden gemachten Abnderung, diese keine noch jetzt verbindliche Rechte schaffen knnen". Dieser Grundsatz wurde angenommen und demgem der oben im Wortlaut wiedergegebene Artikel dahingehend gendert, da an Stelle des Wortes "in" ("in den einzelnen Bundesstaaten den Juden eingerumten Rechte") ein "von" ("von den einzelnen Bundesstaaten eingerumte Rechte") trat; eine kleine redaktionelle Abweichung, ber deren Tragweite sich bei der Abstimmung, die, wie Graf Rechberg berichtet, unter erheblichem Gelchter vorgenommen wurde, weder die Juden, noch ihre mchtigen Frsprecher im Klaren waren. Als daher die freien Stdte ihre Juden aus den ihnen von der franzsischen Herrschaft verliehenen Rechten in die alten Verhltnisse zurckfhrten, erhob sich bei den Juden und ihren liberalen Helfershelfern ein emprtes Geschrei. Sie beriefen sich auf die "sinngeme Auslegung", whrend sich die Stdte auf den Wortlaut des Beschlossenen sttzten. Unzweifelhaft waren sie im Recht. Resigniert stellte Rothschild fest, da keiner diesen Ausgang htte voraussehen

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  • knnen, andernfalls wre es ihm eine Kleinigkeit gewesen, die freien Stdte als selbstndige Staatsgebilde auslschen zu lassen. Verschmelzung oder Eingliederung "Als wir fr die Emanzipation der Juden stritten, waren wir aber doch eigentlich mehr Kmpfer fr ein abstraktes Prinzip als fr den konkreten Fall... So entsprang auch unser Eifer fr die Gleichberechtigung der Juden vielmehr aus der Anregung eines allgemeinen Gedankens als einer realen Sympathie." Richard Wagner Vom Blickfeld des Heute gesehen, erscheint demjenigen, der auf diesem Gebiet keine besonderen Studien betrieben hat, die der Bundesversammlung durch den Beschlu des Wiener Kongresses gestellte Aufgabe, in bereinstimmender Weise die brgerliche Verbesserung der Juden zu bewirken, verhltnismig einfach, da er nur die Grundsatzfrage sieht. Er wei aber nichts oder nur sehr wenig von der Unzahl der damit aufgeworfenen Probleme, die sich aus den politischen Verhltnissen, dem Prinzip des christlichen Staates und dem "nationalen Sonderleben" der Juden ergaben. Die knappe Darstellung der um den "Dukatenparagraphen" gepflogenen Verhandlungen vermittelt allerdings schon einen Einblick in die vorhandenen und stets unter neuen Gesichtspunkten auftauchenden Schwierigkeiten. Sie waren um so grer, als ein einheitlicher, wissenschaftlich unwiderlegbarer Standpunkt, wie er erst unserer Zeit durch die Erkenntnisse der Rassenkunde gegeben wurde, vllig fehlte. Nur so ist es z.B. zu verstehen, da ausgesprochene Judengegner die beste Lsung der Frage in einer blutsmigen Verschmelzung der Juden mit dem deutschen Volke sahen. So schlgt im Jahre 1829 der Kommissionsrat Klber, Mnchen, in einer Denkschrift11) an die Regierung zu Kassel vor, da die Eheschlieung zwischen Jdinnen und Christen gefrdert werden msse, was tunlichst durch ein gesetzliches Verbot der Enterbung in diesen Fllen geschehe. "Wenn die Jdin", so schreibt er, "freien Willen und Wahl behlt, wird sie immer lieber den mnnlichen, entschlossen und krftigen Christen, als ihren ehelichen Beschtzer jedem feigen und weniger angenehmen und gewi dem oft in seiner lppischen und ungeschickten Manieren vor ihr stehenden jdischen Liebhaber, welcher noch berdies nicht selten unrein und belriechend erscheint, bei weitem vorziehen." - Auch ein so entschiedener Judengegner wie der preuische Staatsminister Schroetter glaubte durch eine Verschmelzung die leidige Judenfrage fr immer aus der Welt schaffen zu knnen. Er machte im Jahre 1808 dem Knig den Vorschlag, "den Juden eine neue Konstitution zu geben, ihre Nationalitt zu untergraben, aufzuheben und sie allmhlich dahin zu bringen, da sie keinen Staat im Staate zu formieren mehr beabsichtigen..." Eine radikale Ausmerzung des Judentums glaubten andere, schon mit dem Glaubenswechsel erreichen zu knnen. Vor dem getauften Juden verstummten alle Vorurteile. Er trat ohne weiteres als vollberechtigtes Glied in die Gemeinschaft der Staatsbrger ein. Jdische Tuflinge fanden Eingang in die Ministerial-Beamtenschaft und besetzten sogar fhrende Stellen im Bereich der christlichen Theologie. Anderen erschien es unmoralisch, den Besitz brgerlicher Rechte von dem Verrat

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  • am Glauben der Vter abhngig zu machen; die Juden sollten ohne Aufgabe ihrer Religion in den Genu der Brgerrechte gelangen, d.h. emanzipiert werden. Die Wortfhrer der Emanzipation schieden sich wiederum in zwei Gruppen. Die eine wollte sofort und ohne alle Vorbehalte die Juden in das volle Brgerrecht einsetzen. "Nur keine halben Schritte in Sachen, die zur Entscheidung, zum Durchbruch kommen sollen", beschwrt Dr. A. Lips die ffentliche Meinung in seiner 1819 erschienenen Schrift12) Der hervorragendste Vertreter dieser Richtung war Humboldt. Er glaubte, da die Juden mit dem Sprung in die Freiheit des deutschen Brgerrechts alles Jdische ablegen wrden, wie es das Judentum selbst versicherte: "Solange die Juden noch kein vollstndiges Brgerrecht erlangt haben, solange sie eine im Staate benachteiligte Partei sind, ausgeschlossen von dem Vollgenusse der brgerlichen Rechte, solange bleibt auch die nationale Individualitt13)." Die anderen waren wenigstens so einsichtig, da sie die Emanzipation bei dem augenblicklichen moralischen und kulturellen Stand der Hebrer fr unmglich hielten. Sie stellten gewisse Bedingungen, zu deren Erfllung die Juden erst erzogen werden mten: "denn", so erklrt Baron Grtz in einer Schrift, die er dem Baron Rothschild widmet, "die Welt eine groe Erziehungsanstalt. - Ob Heide, Trke, Jude oder Christ, wohl dir, wenn du der Beste bist!" - Die durch die Erziehung veredelten und den Christen hnlich gemachten, d.h. assimilierten Juden sollten dann als volle Brger aufgenommen werden, wobei manche diese Manahme von Fall zu Fall, die anderen erst dann eintreten lassen wollten, wenn alle im Staate ansssigen Juden den Grad der notwendigen Vervollkommnung erreicht haben wrden. Graf von Chotek mchte die Emanzipation nur als Belohnung fr besondere Verdienste "verleihen"; ein Vorschlag, den die jdische Presse spttisch als "ordre de mrite" fr die Juden bezeichnete. Bei aller Verschiedenartigkeit der Methoden hielten es die Judenfreunde grundstzlich fr unvereinbar mit der Idee der Humanitt, "den ewigen Gesetzen der Moral", der "Gerechtigkeit", der "Vernunft" und "Menschenrechte", da den Juden die staatsrechtliche Gleichstellung versagt bleiben sollte. Sie standen verstndnislos denen gegenber, die zwischen dem allgemeinen Menschenrecht und dem Recht eines Volksgenossen eine scharfe Trennung zogen. "Der Jude hat das Recht", schreibt August Krmer 1816, "vom Staate alles das zu fordern, wodurch die Entwicklung seiner verschiedenen geistigen Anlagen erleichtert und befrdert werden kann. Eine Gleichstellung vor dem Gesetz mu ihm so gut wie dem christlichen Brger zuteil werden." - Es liegt "im Interesse aller Menschen", so verkndet 1837 die "Allgemeine Zeitung des Judentums", "da der Jude emanzipiert werde, weil er erst hiermit die Wrde des Menschen an und fr sich erklrt ist". - Neben diesen sogenannten moralischen Grnden wurden auch solche wirtschaftlicher Art ins Feld gefhrt. "Der Jude ist zwar in der Regel kein Produzent, d.h. er erzielt durch seine Ttigkeit kein neues Produkt, keinen Gegenstand fr den brgerlichen Verkehr", stellt der erwhnte August Krmer beschnigend fest, "allein die vom Christen erzeugten und veredelten Produkte wei er mit Klugheit und Umsicht in den allgemeinen Bedarf zu bringen"14). Der Vielzahl der Meinungen entsprach die Mannigfaltigkeit der in den Staaten des deutschen Bundes noch bestehenden alten und verbesserten Judenordnungen. Noch waren sie in keinem deutschen Land den Christen in allen Rechten gleichgestellt; dort, wo der franzsische Einflu die vllige Gleichstellung erwirkt hatte, wurden ihnen, wie in dem Beispiel der freien Stdte bereits erwhnt, die eingerumten Rechte wieder genommen. Zudem sahen sich in den Jahren nach dem

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  • Kongre auch solche Staaten, wie etwa Preuen, die den Ideen der Aufklrung folgend freiwillig eine fast vllige Gleichstellung der Juden durchgefhrt hatten, zu gewissen Einschrnkungen gezwungen. Einig waren sich aber alle Regierungen darber, da eine Vermehrung der Juden vermieden werden mute. Sie verboten also die Zuwanderung und suchten durch Entzug der Freiheit der Eheschlieung, sie dort zu dezimieren, wo sie inzwischen allzu stark angewachsen waren. So lie Frankfurt nur 15 Heiraten im Jahre zu, whrend Sachsen-Weimar von mehreren Shnen eines Juden, die keinen anderen Beruf als den des Handelns ergreifen wollten, nur einer heiraten durfte. Eine wesentliche Handhabe in der Ablehnung zuziehender Juden besaen brigens die Gemeinden, denn sie konnten das Recht der Ansiedlung verweigern, ebenso die Konzession zur Erffnung eines Geschftes. Auerdem gab es Stdte, so Allendorf in Hessen, die seit altersher das Privileg besaen, "da sich keine Juden darin niederlassen durften"15). Die der Bundesversammlung vom Wiener Kongre zugewiesene Aufgabe war also an und fr sich schwer genug. Sie wurde insofern noch schwieriger, als die Versammlung ja keine wirksamen Machtmittel besa, um die Staaten in dieser Frage unter einen Gut zu zwingen. Der kleinere mute allerdings auf die Dauer dem Druck der groen nachgeben, aber die Folgezeit lehrt, da bei dieser Art der Verhandlung ein Jahrhundert vergehen konnte, bedurften Preuen und sterreich doch nicht weniger als rund 10 Jahre, bis eines der allerkleinsten Staatsgebilde, nmlich Frankfurt, ihrem Wunsche hinsichtlich der brgerlichen Verbesserung der Juden nachkam. Allein die Debatte ber den Rechtstitel, den die Juden nunmehr fhren sollten, hatte jahrelang gedauert, denn Senat und Brgerschaft lehnten eine Bezeichnung der in Frankfurt lebenden Juden als "Frankfurter Brger" entrstet ab. Man wollte ihnen das Recht einrumen, sich "Schutzgenossen", "Schutzverwandte", "Beisassen", "Einsassen", "Ausbrger", "israelitische Einwohner" oder "israelitische Gemeindemitglieder" zu nennen. Es bedurfte harter Kmpfe, bis die vom Bundestag eingesetzte Kommission den Frankfurtern das Zugestndnis abrang, von "jdischen Brgern" zu sprechen. Zu einer Streichung des Wortes "jdisch" lieen sie sich aber nicht bewegen, selbst dann nicht, als man im Bundespalais im Hinblick auf die Rothschilds die drohende Frage stellte: "Wie kann die Stadt Personen, welche der Kaiser in den Freiherrnstand erhoben hat, des Brgerrechts nicht fr wrdig erachten!" Wie in dieser Frage, so mute der Bundestag sich auch in anderen zu Kompromissen bereit erklren, und auerdem noch die harte Kritik der christlichen Brger, ja des gesamten Volkes einstecken. Hep - Hep "Das Trachten dieser geldgierigen Nomaden ist nur auf das Verderben der Christen gerichtet, so da es binnen wenig Jahren um alles Glck und allen Wohlstand eines groen Teils der christlichen Brger und Einwohner geschehen sein mchte." von Gerning und Dr. Jucho16) Der leidenschaftliche Widerhall, den der "Dukatenparagraph" des Wiener Kongresses in allen Bundeslndern fand, war fr die damaligen Verhltnisse um so erstaunlicher, als die breite Masse des deutschen Volkes gerade erst anfing, politisch zu denken und auf dem Gebiet der Innenpolitik im allgemeinen kaum weiter sah, als bis zu den engen Grenzen der jeweiligen staatlichen Zugehrigkeit. Mit der Sicherheit des Instinktes erkannte aber das in 38 selbstndige Staatsgebilde

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  • aufgespaltene deutsche Volk, da es sich in der Judenfrage um eine gemeinsame Sache handelte, die nicht allein den Bayern, den Hessen, den Schwarzburg-Rudolstdter oder den Hanseaten, sondern schlechthin das deutsche Volkstum anging. Die Einmtige Ablehnung der Ansprche der Juden zeigte, wie Varnhagen von Ense17) verwundert feststellte, "einen inneren Zusammenhang, eine gemeinsame Empfnglichkeit fr Anreizungen und Gefhle, die in solchem Grade bisher nicht vermutet worden war". Sie blieb auch keineswegs eine Angelegenheit der "Strae" - des Pbels, wie jdische Schriftsteller in Abschwchung und Verchtlichmachung feststellen wollten -, sondern erfate alle Klassen und Stnde. - Im Jahre 1818 teilt Friedrich Wilhelm III. an Hardenberg mit: "Auf jeden Fall will ich, da preuischerseits die Juden bei dem Bundestag nicht untersttzt werden." Als geistige Fhrer standen drei angesehene Gelehrte an der Spitze der Bewegung, der leider jede organisatorische Form fehlte, und zwar der Berliner Geschichtsprofessor Christian Friedrich Rhs, der Heidelberger Naturwissenschaftler Fries und der Professor der Theologie, Kirchenrat Paulus. Ihre Stellungnahme zu den Ansprchen der Juden auf das deutsche Brgerrecht verhinderte vor allem, da diese Frage allein vom staatsrechtlichen Standpunkt aus gesehen wurde, wie es die Juden gerne wollten. "In ihren Menschenrechten werden die Juden nicht im mindesten gekrnkt, wenn sie vom brgerlichen Rechte eines anderen Volkes ausgeschlossen sind", schreibt Rhs18), um dann abschlieend festzustellen: "natrliche Rechte gegen die Deutschen haben die Juden gar nicht". Diese Feststellung, die in der Verteidigung des eigenen Volkstums den rassischen Gegensatz ahnte, war fr die Stellungnahme der freien Stdte besonders wertvoll. Frankfurt ging in diesem Kampf voran. Der Frankfurter Senat konnte sich dabei nicht nur auf den Willen seiner Brgerschaft berufen, sondern auch auf das eingeholte Urteil der juristischen Fakultt Berlin, an deren Spitze Savigny stand. Der hervorragende Rechtslehrer, der 1779 in Frankfurt geboren, die Verhltnisse aus eigener Anschauung kannte, vertrat den Standpunkt, da das jdische Brgerrecht "nach Wiederherstellung des christlichen Freistaates" verschwinden msse. Gesttzt auf dieses Urteil erklrte Frankfurt den Vertrag, auf Grund dessen Dalberg den Juden das Brgerrecht verkauft hatte, fr null und nichtig. Der Senat beschlo weiterhin den Neubau des 1796 abgebrannten Gettos und wies bis zu dessen Fertigstellung den Juden gewisse Straen als Wohnviertel an. Um auch die letzten Spuren der judenfreundlichen Politik zu beseitigen, wurde Ludwig Baruch-Brne, seit 1811 Aktuar bei der Oberpolizeidirektion, seines Amtes enthoben. Wie bereits erwhnt, mute allerdings Frankfurt rund 10 Jahre spter unter dem Druck der Gromchte den Juden doch wieder weitgehende Rechte einrumen. Bezeichnend fr die judenfeindliche Einstellung des gesamten deutschen Volkes gerade in den Jahren nach dem Wiener Kongre ist die Aufnahme einer Posse "Unser Verkehr" von Karl Borromus Alexander Sessa. Sie erschien 1815 in Knigsberg und erlebte innerhalb zweier Jahre nicht weniger als acht Neuauflagen in Wien, Berlin und Leipzig. Der erfolgreiche Autor, ein Breslauer Arzt, fand viele Nachahmer, darunter auch solche, die in dieser Form fr das Judentum Partei ergriffen, so da sich eine ganze Flut derartiger dramatischer Possen ber Deutschland ergo. Mit zugkrftigen Titeln versehen, wie "Aron in der Klemme", Jakobs Kriegstaten und Hochzeit", "Mordje und Estherleben", "Judith und Holofernes", "Der reiche Moyses in der Klemme", und teilweise in Jiddisch geschrieben, konnte sich keine mit Sessas Satire messen, die sowohl in der Darstellung der jdischen Charaktereigenschaften wie der krampfhaften Angleichungsversuche des Judentums an die deutsche Kultur unerreicht blieb.

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  • Die Lebensregel, die der Trdeljude Abraham Hirsch, eine der schlagend gezeichneten Typen, seinem Sohne Jakob mitgab, wurde so volkstmlich wie ein geflgeltes Wort: "Lo dich treten von de Leit, lo dich werfen aus de Stuben, lo dich verklogen bei de Gerichte, lo dich setzen ins Hndeloch, lo dich binden mit Stricke und Ketten, lo dich paitschen, lo dich martern halb taudt! aber du mut doch werden raich." Das Gebaren dieser reichgewordenen Juden steigerte den Volkszorn zur Siedehitze. "Kein trkischer Pascha kann hochmtiger auf seine drei Roschweife sein, als ein Mauschelbaron auf seinen Adel", schreibt Hartwig von Hundt-Rasowsky in seinem 1815 erschienenen "Judenspiegel". "Meint Ihr - Juden - denn", fragt ein zeitgenssischer Schriftsteller, "es werde so bleiben, der christliche Brger nur fr Euch schreiben, ackern, streiten, hmmern usw. und Ihr allein der zehrende Teil sein...?"; und diese Frage wiederholte sich tglich in Stadt und Land. Am 3. August 1819 geben die Wrzburger Brger das Signal zur Selbsthilfe. "Schon lange herrschte hier eine dumpfe Unzufriedenheit ber die bedeutende Vermehrung der Juden, von Welt hier geduldet waren, die endlich, wie der Ausbruch eines Vulkans, in eine volle Emprung gegen dieselben ausbrach", heit es erklrend in einem Berichte der "Vossischen Zeitung"19): "Groe Volksmassen strmten am 3. die Huser der hiesigen Juden, rissen unter wildem Geschrei ihre Aushngeschilder und Handlungsfirmen herunter, zertrmmerten solche, warfen Tren, Fenster und Lden ein... Diese Schreckensszene erneuerte sich gestern aufs neue, und was von Wohnungen, Lden und Schildern brigblieb, wurde heute zertrmmert. Nun flchteten die Juden in Scharen zur Stadt hinaus... Heute sieht man keine Juden mehr in hiesiger Stadt." Dem Wrzburger Beispiel folgten Bamberg, Bayreuth, ja, fast alle frnkischen Stdte, dann Karlsruhe, wo an der Synagoge und den Husern der reichsten Juden Schilder mit der Aufschrift "Tod und Verderben den Juden!" angebracht wurden; Heidelberg, Mannheim, Darmstadt, ja das ganze badische und hessische Land. Am 8. August versuchten die Frankfurter ihre Juden auszutreiben. War es in Karlsruhe das Palais des Judenbankiers Salomon von Haber, gegen das sich die Wut des Volkes vor allem richtete, so in der Mainstadt das Geschftshaus der Rothschilds, die davon so erschreckt wurden, da sie auswandern wollten. - Vom Sden sprang die Bewegung nach Mitteldeutschland ber, ja, sie griff sogar weit ber die deutschen Grenzen hinaus, so da es auch in Straburg, Amsterdam, Riga und Kopenhagen zu Judentumulten kam. Sie blieb auch, wie schon gesagt, keineswegs auf die Stdte beschrnkt; von einem kleinen bayerischen Ort hat Rahel Varnhagen gehrt, da dort die Synagoge gestrmt und das Alte Testament zerrissen wurde. berall erscholl, wie "eine Fahne der Deutschheit", von der von Ense spricht, der Ruf "Hep - Hep"20), unter dessen Ausstoung die Juden verjagt wurden. Von Felix Mendelssohn wird berichtet, da ihm sogar ein kniglicher Prinz "Hep - Hep" zugerufen habe. Die Deutung dieses Wortes ist nicht geklrt worden. Whrend einige Gelehrte es von den Kreuzrittern gebruchlichen Formel "Hierisolyma est perdita" (Jerusalem ist verloren) ableiteten, wollten andere darin eine Abkrzung des Wortes "Hebrer" sehen. Auch von der Mglichkeit einer Auseinandersetzung der Anfangsbuchstaben der Todfeinde Judas wurde gesprochen; Hamann, der von Xerxes die Vertilgung aller Juden forderte, Esau, in dem die mittelalterliche neuhebrische Poesie im bertragenen Sinne das judenfeindliche rmische Reich verkrpert sah, und schlielich Pharao, der gyptische Zwingherr der Juden.

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  • Polizei und Militr schlugen die Hep-Hep-Bewegung nieder. Gleichzeitig wurde in den frstlichen Ministerien eifrig erwogen, wie "die brgerliche Achtung und Ruhe des Juden nicht allein mittels uerer Gewalt erzwungen, sondern durch seine Veredlung verdient und gesichert werden knnte". Diese Arbeit war vergebliche Liebesmh; erfolgreich dagegen leider die von Liberalen und Juden gemeinsam betriebene Erziehung des deutschen Volkes zur sogenannten "Scham vor der Intoleranz". Trotzdem vergingen viele Jahrzehnte, bis der Liberalismus der vlkischen Abwehr des Judentums das Rckgrat gebrochen hatte. Bis zum Jahre 1848 kam es in den verschiedensten Orten immer wieder zu "Judenkrawallen", so im September 1830 in Hamburg. Im selben Jahr bitten kurhessische Judenschaften die Regierung, sie vor Schmhungen und davor zu schtzen, da allgemein eine nderung der Verhltnisse hinsichtlich der Juden verlangt werde. 1839 beschlo der Vollziehungsrat von Basel-Land eine Verordnung, nach der niemand mehr einem Juden bleibenden Aufenthalt gewhren darf. Bereits zwei Jahre frher hatte der Kanton Aargau einem franzsischen Juden das Niederlassungsrecht verweigert. Ja, selbst im vielgepriesenen Land der Libert kommt es zu unfreundlichen Akten gegen die Juden. 1838 legen 10 Mitglieder des Munizipalrates von St. Esprit ihre mter nieder, weil ein Jude zum Maire ernannt worden war. - Noch 1836 bestand in Hamburg ein Kaffeehaus der Herren Perrini und Josti, das jedem Juden den Zutritt verbot. In einer ffentlichen Vorlesung ber "Privatrecht" erklrte ein Bonner Jurist, "da man den Juden bisher noch Freiheiten eingerumt habe, beruhe auf falscher Humanitt". Mitte der 40 er Jahre steht das Barometer ausgesprochen auf Hep-Hep-Stimmung. 1846 kommt es in Mannheim zu Judenkrawallen; in den Straen wurden rote Plakate aufgehngt, die die Aufschrift trugen: "10 Uhr Abends Hep-Hep!" Auch die ersten Blitze des "Sturmjahres" richteten sich gegen die Juden. Im Mrz 1848 finden in Heidelberg, Mhlheim, Bhl, Bruchsal, Heidelsheim, Neckargmnd, Krautheim, Adelsheim, Buchen, Walldrn, Eberstadt, Bdigheim und Nuloch heftige "Demonstrationen" gegen die Juden statt. Im April werden ebenfalls im Badischen Flugbltter verteilt, die fr Karsamstag zur allgemeinen Judenverfolgung aufrufen. Auch im Gebiet der ehemaligen Grafschaft Hanau nahm das Volk eine drohende Haltung gegen die Juden ein. In Schlchtern wurde eine Petition beschlossen, die neben anderen Revolutionsforderungen auch die Beschrnkung des Wuchers verlangte; die Hanauer Brger forderten ein Verbot des Hausierhandels; "auch da, wo es gesetzlich erlaubt sei"; also Manahmen, die sich gegen die Juden richteten. Am 7. April 1848 wurden am Rothschildschen Hause in Frankfurt die Fenster eingeworfen, und zwei Tage spter demolierte eine emprte Volksmasse im benachbarten Niederursel die Huser zweier jdischer Kornwucherer. Im hessischen Friedberg mute die Brgerwehr zum ersten Mal aufgeboten werden, um den Sturm der Bevlkerung auf das Haus eines jdischen Geldverleihers zu verhindern. Selbst in Wien versammelte sich ein Volkshaufe auf dem Graben unter den Fenstern eines jdischen Bankiers, der gerade einen Ball gab. "Wie so oft", schreibt Gustav Schlosser in seinen Erinnerungen, "war die erste Bettigung der ver- und erlangten Freiheit und Gleichheit, da man ber die Juden herfiel, wahrhaftig nicht aus religisem Fanatismus; davon waren die Leute ganz frei; es war der unertrgliche Wucher, der den Zorn erweckt hatte." Derselbe Chronist vermerkt eine Unterhaltung ber die Revolution mit einem Bauern aus dem Odenwald, der ihm gesagt habe, alles wre in Ordnung, wenn der Judenwucher beseitigt sei.

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  • Bei dieser Einstellung weitester Kreise des revolutionren Volkes ist es mehr als verwunderlich, da die neuentbrannte Hep-Hep-Bewegung so schnell niedergeschlagen wurde, da - ohne einen Sturm der Entrstung hervorzurufen - Juden in der Paulskirche vertreten sein konnten, ja selbst in der Deputation, die dem Preuenknig die Krone anbot. Mit einem Zauberwort hat der Liberalismus dieses Kunststck fertiggebracht, indem er proklamierte: "Nur Diener der Reaktion vermgen zu Judenverfolgungen die Hand zu bieten." Reaktionr wollte in dieser Zeit des blindwtigen Freiheitstaumels selbst das letzte Dorf nicht sein. Gegen bessere Erfahrung und die stumme Sprache des Blutes wurde der Gttin Libert die Abwehr gegen das Judentum geopfert. Man hielt zwar im berwiegenden Teil des Volkes noch immer Distanz von den Juden, man wollte nichts mit ihnen zu tun haben, aber man wies ihre Ansprche auch nicht mehr mit der bisherigen Schrfe zurck. Juda hatte damit freie Bahn; die letzte Schranke war gefallen. Bisher stand der Erfllung seiner Wnsche ja niemand ablehnend gegenber als das Volk, und auf dessen Stimmung muten auch die Regierungen Rcksicht nehmen. - "Ich wrde", schrieb der Geh. Oberregierungsrat Streckfu am 13. September 1840, "ohne alles Bedenken die Emanzipation der Juden so vollstndig durchfhren, als sie ohne tief eingewurzelte Vorurteile der Masse zu sehr zu verletzen, irgend mglich ist." - Diese sogenannten "tief eingewurzelten Vorurteile" des Volkes haben zu ihrem Teil die Judenpolitik der Regierungen also auch aktiv beeinflut. In den Jahren nach dem Wiener Kongre steuerte diese Politik selbst in den vorbehaltlos judenfreundlichen Staaten nicht in einer geraden Linie. Bald wurden die Rechte eingerumt, bald wieder teilweise genommen. Zwar kamen die Juden ihrem Ziel, der vlligen brgerlichen Gleichberechtigung immer nher, aber es ging langsam voran; etwa in der Art der Springprozession, die zwei Schritte vor und einen zurcksetzt. So hatte z.B. Preuen im Edikt von 1812 die Juden zu Lehrmtern an den Universitten zugelassen. Zehn Jahre spter wurde ihre Ausschlieung von den Lehrsthlen verkndet. War seit 1812 ein Jude im Stadtrat zu Berlin vertreten, so wurde sie 1827 fr ungeeignet erklrt, eine Stelle in den Auktionskommissarien und als Feldmesser zu versehen; 1835 erfolgte ihre Ausschlieung vom Amt des Schiedmannes. 1828 wurde ihnen untersagt, ihren Kindern "christliche" Vornamen zu geben. Dagegen ergeht 1836 ein Verbot, da es untersagt ist, einen Juden mit dem Namen "Jude" zu benennen, sie sollten von nun ab als "Bekenner der israelitischen Religion" angesprochen werden. - Von der Mannigfaltigkeit der hinsichtlich der Juden geltenden Rechtsbestimmungen macht man sich berhaupt nur schwer einen Begriff. Selbst innerhalb eines Bundesstaates bestanden Unterschiede. In Preuen z.B. waren in den "alten Provinzen"21) ansssigen Juden anders gestellt als die derjenigen Landesteile, die durch die Friedensschlsse von 1814 und 1815 hinzugekommen waren. Zwar galten sie in ganz Preuen als Staatsangehrige, das Staatsbrgerrecht aber besaen sie nur in den "alten Provinzen" und diejenigen Landesteile, wo ehemals die franzsische Gesetzgebung Geltung hatte. Demzufolge war es den Juden auch untersagt, nach ihrem Belieben ihren Wohnsitz innerhalb der Monarchie zu wechseln. Das Staatsangehrigkeitsrecht (Indigenat) sowie das Staatsbrgerrecht bestand nur fr das einzelne Gebiet. Von welch weittragender Bedeutung diese territorialen Unterschiede in Preuen waren, geht daraus hervor, da die in den westlichen Provinzen ansssigen Juden ein Recht auf den Staatsdienst hatten, whrend sie in allen brigen Landesteilen davon ausgeschlossen waren. Die Gesetzgebung hinsichtlich der Behandlung der Juden war aber nicht nur unterschiedlich, sondern auch widerspruchsvoll. In Bayern z.B. hatten die Juden kein

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  • Staatsbrgerrecht, aber sie konnten Offiziere werden! - In Hessen-Darmstadt waren sie nur Schutzbrger, aber bei besonderer Wrdigung konnten sie die Staatsbrgerrechte erhalten. - In Sachsen-Weimar waren sie nicht nur Schutzjuden, sondern sie muten auch noch das Schutzgeld bezahlen. Hier war also noch eine mittelalterliche Einrichtung in Kraft, die im brigen Deutschland grenteils der liberalen Gesinnung zum Opfer gefallen war. Man darf daraus aber keineswegs folgern, da Sachsen-Weimar grundstzlich judenfeindlich eingestellt gewesen wre. Im Gegenteil! Mit Mecklenburg-Schwerin war es der erste Bundesstaat, der die Ehe zwischen Christen und Juden gestattete! Diese verworrenen Verhltnisse kamen letzten Endes nur dem Juden zugute, der geschickt die Vorteile ausnutzte und trotz aller Aufmerksamkeit der Polizei in die Gebiete einzuschlpfen wute, die ihm am meisten Rechte einrumten. Mit dem schwerflligen Paragraphenwerk, in dem sich nur Spezialisten auskannten, war dem listigen und zhen Juden nicht beizukommen. Um so bedeutungsvoller war daher die Einstellung des Volkes, das bisher der liberalen Judenpolitik sein energisches Hep-Hep entgegengesetzt hatte. ber die Kunst, aus einem Juden einen Deutschen zu machen "diese sogenannte Emanzipation der Juden ist die erste verdorbene Frucht des Treibens nach Freiheit und Gleichheit"22) Die deutsche Geschichte kennt kaum eine zweite Frage, um die jahrzehntelang so erbittert gekmpft wurde, wie um die der Judenemanzipation. Erschienen schon vor dem Wiener Kongre eine ganze Reihe von Druckschriften, die sich mit dem Problem der Eingliederung der Juden in das deutsche Volk beschftigen, so stieg ihre Zahl nunmehr in die Tausende23); ja, man kann geradezu von einem Flugschriftenkrieg sprechen24). Soweit die Verfasser als Wortfhrer der Erziehungstheorie auftreten, unterbreiten sie mit echt deutscher Grndlichkeit und einen gegen alle Tatsachen blinden Idealismus ihre Rezepte, deren Befolgung aus den Juden "gute Deutsche" machen sollten. Ihrer "Eindeutschung", so verknden sie vom "grnen Tisch" ihres ebenso volkstumsfremden wie fanatischen Wahngebudes des liberalen Kosmopolitismus, stehe nichts weiter im Wege als der mangelhafte sittliche und kulturelle Stand der Juden. Um ihnen die moralische Reife zu geben, sei es vor allem ntig, die mosaische Religion von den "verschriebenen Albernheiten" des Talmud frei zu machen und sie sowohl in der Lehre wie im Ritual zu veredeln. Diese Forderung leitete die Epoche einer Synagogenreform ein, an der sich auch christliche Theologen beteiligten. Das Widersinnige ihres Verhaltens erklrt sich aus ihrer deistischen Einstellung; geschichtsentwicklungsmig gesehen stellt es die letzte Konsequenz einer Betrachtungsweise dar, die bereits im Zeitalter der Aufklrung von Missionaren der Brdergemeinde gebt worden war. Sie erlernten damals, angeregt durch Zinsendorfs Beispiel, das "Jiddische", beachteten die Speisegesetze und heiligten den Sabatt, traten also nicht mehr im heiligen Eifer des Bekehrers vor das Judentum, sondern suchten in ihm aufgehend weniger zu berzeugen, als den "barmherzigen Samariter" zu spielen. Whrend sich so Christen wie Juden gebrdeten, trugen in der Folgezeit die zum Christentum bergetretenen Juden ihren Taufschein demonstrativ zur Schau. Den Juden Brne und Heine verdanken wir eine Schilderung dieser Verhltnisse, die an Zynismus nicht berboten werden kann.

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  • "In Berlin habe ich", erklrt Brne, "auf der Strae alte Tchter Israels gesehen, die am Halse lange Kreuze trugen, die noch lnger als ihre Nasen und bis an den Nabel reichten; in den Hnden hielten sie ein evangelisches Gesangbuch, und sie sprachen von der prchtigen Predigt, die sie in der Dreifaltigkeitskirche gehrt. Die eine fragte die andere, bei wem sie das Abendmahl genommen, und beide rochen dabei aus dem Halse. Widerwrtiger war mir noch der Anblick von schmutzigen Bartjuden, die aus ihren polnischen Kloaken kamen, von der Bekehrungsgesellschaft in Berlin fr den Himmel angeworben wurden, und in ihrem mundfaulen Dialekt das Christentum predigten und so entsetzlich dabei stanken. Es wre jedenfalls wnschenswert, wenn man dergleichen polnisches Lusevolk nicht mit gewhnlichem Wasser, sondern mit Eau de Cologne taufen liee." In den frstlichen Ministerien war man anfnglich in der Frage der Synagogenreform nicht einer Meinung; whrend Sachsen-Weimar bereits 1823 die Abhaltung des Gottesdienstes in deutscher Sprache anordnete, verbot Preuen noch 1836 fr die Regierung zu Minden "jede nderung im jdischen Cultus", weil die Gefahr der Sektiererei bestehe. - Nachdem die anfngliche Gegnerschaft der orthodoxen Rabbiner immer mehr davon berzeugt wurde, da derartige Neuerungen ein wesentliches Moment im Kampf um die brgerlichen Rechte darstellten, verstummten die Proteste innerhalb des Judentums und mit pathetischer Begeisterung nahm es die christlich-deutschen Vorschlge an. In den Dreiiger Jahren wurde der Chorgesang eingefhrt, in der Mitte des Rituals die Predigt in deutscher Sprache gestellt, die Gebete deutsch gesprochen und als Hhepunkt des "verbesserten Cultus" auch eine Nachahmung der Konfirmation geschaffen. - Der Nachhall dieser "liberalen Errungenschaft" war um so wirkungsvoller, als die hochfrstlichen Vorbilder sich der jdischen religisen Reformbestrebung mit demselben Wohlwollen annehmen, das sie bisher der jdischen Hochfinanz entgegengebracht hatten. - 1838 schenkte Erzherzog Karl von sterreich den Teschener Juden das notwendige Material zum Bau eines Tempels. - Im selben Jahre, und zwar am ersten Tage des Pesachfestes besuchte der regierende Frst in Begleitung hoher Staatsbeamter die Synagoge von Sondershausen: "Die hchsten Geistlichen und der Magistrat diesiger Residenz hatten sich zu gleicher Zeit eingefunden." Der Landesvater verlie die Judenschule mit der Versicherung, "da er sich wahrhaft erbauet habe". brigens taucht der Gedanke einer Synagogenreform in Verbindung mit dem Anspruch der Juden auf das Brgerrecht schon im Jahre 1806 auf. "Im Oktober dieses Jahres", so bemerkt F.K. von Strombeck in seinen Erinnerungen, "wohnte die Prinzessin Auguste von Braunschweig in ihrer Eigenschaft als btissin des Stiftes von Gandersheim, der Einweihung der Synagoge von Seesen bei." Die Nachfahrin der berhmten Roswitha nahm neben dem Oberrabbiner Platz. Mit ihr waren der lutherische Superintendent, ein reformierter Geistlicher und mehrere katholische Priester gekommen; "alle ergtzt durch das neue Schauspiel, Herrn Jacobson25) in dem Kostm eines protestantischen Geistlichen, angetan mit einem seidenen Mntelchen und unter dem Kinn mit seinem sogenannten Bffchen, mit der Thora im Arm fungieren zu sehen." Bei dem anschlieenden Frhstck im Kaisersaal der ehemaligen reichsfrstlichen Abtei lie die Prinzessin dem Jacobson durch die Tchter des Oberhofpredigers eine aus Eichenlaub knstlich von ihr selbst hergestellten `Brgerkrone aufs Haupt setzen." Dem Einflu der reformierten Synagoge, der man die Grundlage zu einer veredelnden Erziehung geschaffen zu haben glaubte, sollten sich die Krfte

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  • beigesellen, die dem einzelnen Juden aus der Bettigung in einem anderen Berufe erwachsen wrden. Entgegen der geschichtlichen Wahrheit waren die Liberalisten der Meinung, da die Ausschlieung der Juden von den Berufen, die nicht auf den Handel ausgerichtet waren, erst ihren "spekulativen Geist" entwickelt htten. Sie glaubten, da es nur der Erffnung anderer Berufsmglichkeiten bedrfe, um die Juden von dem ihnen angeblich selbst verhaten Schacher abzuziehen. Insbesondere sei es das Verbot, lndliche Liegenschaften zu erwerben, was sie davon abhalte, Ackerbauern zu werden. Die kurhessische Regierung gestattete also in einer Verordnung vom 14. Mai 1816, da Juden "Feldgter" ankaufen knnen, verlangte aber, da diese Gter von den Juden selbst oder mit jdischem Gesinde bewirtschaftet werden, verbot indes jedem Juden den Verkauf eines Bauernhofes innerhalb der Frist von 10 Jahren. Die Folge davon war, da der Jude als Glubiger den Bauern von Haus und Hof klagte. Er bewirtschaftete dann den Hof nicht selbst, sondern berlie es dem christlichen Gesinde. Keine Ausrede war ihm zu faul, um das Verbot der Regierung zu umgehen. - "Jdische Knechte", schreibt 1819 Moyses Rubino an die Regierung, "sind grtenteils so unbillig in all ihren Forderungen, so ungengsam hinsichtlich der Kost, des Lohnes usw., da ich denselben ohne betrchtlichen Schaden kein genge zu leisten im Stande sein wrde." - Rubino erhlt darauf die Erlaubnis, eine christliche Dienstmagd zu halten. (1834 meldet Pfarrer Fischer zu Lohne, da der Salomon Rubino seine zwanzigjhrige christliche Dienstmagd Dorothea Charlotte Berkenkamp geschwngert habe26).) Wo aber der seltene Fall eintritt, da auf einem Judenhof jdische Knechte erscheinen, stellt die Polizei in Krze fest, da sie keine buerliche Arbeit verrichten, sondern bei den Handelsgeschften als Hausierer oder Viehmkler helfen. Als 1833 in Kurhessen die Verkaufssperrfrist von 10 Jahren aufgehoben wurde, gelingt es dem Juden, in wenigen Jahren eine Unmenge von Bauerngtern unter den Hammer zu bringen und im Wiederverkauf zu zerschlagen. Mit dieser Tatsache, da es innerhalb von 14 Jahren den Juden geglckt ist, einen schwunghaften Spekulationshandel mit Grundstcken in die Wege zu leiten, begrndet im Jahre 1847 der Abgeordnete Rudolph von Buttlar einen Antrag, in dem er vergeblich die Wiedereinfhrung der Sperrfrist fordert27). Der Jude vernichtet den Bauernstand, heit es 1851 im Urteil einer hessischen Gemeinde "und parzelliert den Grund und Boden auf eine Weise, da ein Landproletariat binnen kurzer Zeit die Folge sein mu". Doch soll den Ereignissen nicht vorgegriffen werden. - In Erwartung des vorausgesagten Ansturmes der Juden auf die ihnen erffneten Berufe, verlangte die kurhessische Regierung, da jeder Jude sich in eine Liste eintrage und damit erklre, welchen Beruf er in Zukunft betreiben wolle. Aus einer dieser Listen, und zwar aus der des Amtes Wolfhagen vom 24. Juni 1816, werden hier wahllos einige Rubriken herausgegriffen: Nr. 1: Joseph Rosenmeyer: will mit Vieh, Frchten, Ellenwaren, Fellen und Garn handeln, auch das Schlachthandwerk betreiben, Nr. 5: Moses Katz Liebig: will den Ellenwaren-, Spezerei-, Frucht-, Vieh-, Garn- und Fellhandel, auch das Schlachterhandwerk betreiben. Nr. 8: Cahnen Levi Reichardt: will Frucht-, Vieh-, und Spezereiwarenhandel sowie das Schlachterhandwerk, ingleichen Handel mit Fellen und Garn betreiben. Auf den Eisenhandel sei er besonders konzessioniert.

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  • Nr. 13: Herz Katzenbach: will als Mandatarius in Prozesachen sich seinen Unterhalt verschaffen und den Leinenhandel betreiben. Nr. 17: Wolf Katzensteiner: der Sohn Isaak will fr seine Mutter das Schlachterhandwerk betreiben. Nr. 25: Nathan Speyer: will Handel mit Ellenwaren, Vieh, Garn und Frucht, ingleichen das Schlachterhandwerk betreiben. Dieser knappe, willkrlich gewhlte berblick, der beliebig erweitert werden kann, gengt, um zu zeigen, da diese Landjuden eben mit allem handeln wollten, was sie den Bauern aufschwatzen konnten, vornehmlich mit Ellenwaren, Garn und Vieh, whrend sie von ihm wieder Getreide, Felle, Knochen, altes Eisen usw. abnahmen, um es in der Stadt abzusetzen. Auffllig ist dabei die Vorliebe fr das Handwerk des Schlchters. Von den insgesamt 28 im Amte Wolfhagen "erwerbsttigen" Juden schreiben sich nicht weniger als 17 dafr ein. Die Erklrung liegt darin, da die Juden damit einesteils dem Willen der Regierung, ein Handwerk zu betreiben, nachzukommen vorgaben, anderenteils aber das Abschlachten des Viehes als Hausschlachtung betrieben. was ihnen auf leichte Art die zu anderen Handelsgeschften, insbesondere des Viehhandels, notwendige Verbindung mit den Bauernhfen schuf. Die jdischen Viehhndler, erklrt 1853 der Brgermeister von Naumburg im Amt Wolfhagen, machen ihre Geschfte meist mit den geringen Bauern und den landstdtischen, mit einigem Grundbesitz versehenen Handwerkern. Sie schlieen den Kauf so ab, da ein wesentlich erhhter Preis in Naturalien, Korn, Weizen, Gerste, Hafer vereinbart wird, der erst nach einer, oft auch zwei oder drei Jahren gezahlt werden mu. "Dieser Handelskniff ist schon fr manchen Christen der Todesnagel seiner und seiner Familie materiellen Existenz geworden." Aber auch der Grobauer wurde am Strick des jdischen Viehhndlers erwrgt. Im Mrz 1852 schreibt das Bezirksratsmitglied Hermann Schenk zu Schweinsberg an die Regierung28): "Der Viehhandel ist zum grten Teil in den Hnden der Juden und der Jude dadurch in steter Verbindung mit dem Bauern. Das wei der auszubeuten und insbesondere versteht er die Schuld zu erhhen, da er den Schuldner bezglich der Rckzahlung sorglos fr die erste Zeit macht; nur dann mahnt, wenn der Schuldner nicht in der Lage zu zahlen und deshalb gentigt ist, fr Fristgewhrung weitere Hndel abzuschlieen usw. Dies wiederholt sich, bis die Schuld zu ansehnlicher Hhe gestiegen ist. Damit nun Niemand den klaren Blick in das ganze Treiben tun kann und der Bauer sich nicht ausrechnen kann, was fr Fristgestattungen uns an sonstigem nefas gegeben worden ist, pflegt der Jude mit dem Bauer Abrechnung, lt sich fr die schuldige Summe Zinsen stipulieren, gibt noch Frist und klagt nach deren Ablauf auf Grund der Abrechnung und treibt bis zur Immission. Solange noch von dem Bauern zu ziehen ist, zieht er. Frchtet er Verlust, dann geht es an die Immobilien, die der Bauer mit dem Rocke verlt, nachdem seine Fahrlssigkeit ihn vorher dahin gebracht, da er lngere Zeit fr Juden gearbeitet hat." Bereits in den ersten Jahren der Wirksamkeit ihrer Vorschlge muten die

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  • Liberalisten einsehen, da der "spekulative Geist" der Juden doch tiefer wurzelte, als sie angenommen hatten. Selbst die "armen" Juden, von deren bedauernswertem Schicksal die jdische Propaganda unausgesetzt fabulierte, dachten nicht daran, nun mit der Hnde Arbeit ihr Brot zu verdienen, sondern handelten sich von jedem Fall zum anderen als sogenannte Nothndler durchs Leben. Unter dem Begriff Nothandel verstand man den "geringen Viehhandel", d.h. den Ankauf eines Stckes an einem Ort, um es gleich wieder an einem anderen Ort zu verkaufen, den Leihhandel, d.h. Ausleihen des Geldes im Kleinen gegen Faustpfand sowie den Trdel- und Hausierhandel. Diese Art des Handels mit allem, was Kaufwert besitzt, ist in Verbindung mit dem Leihgeschft den Juden die liebste. - 1816 fhrte eine Umfrage nach dem, was sie betreiben wollten, unter den im Amte Holzheim ansssigen 17 Juden zu folgendem Ergebnis: 2 den Warenhandel, 14 den Nothandel, einer "will ein brgerliches Gewerbe betreiben, das er noch whlen will". Die Hoffnung, da einer dieser, angeblich wirtschaftlich so schlecht gestellten jdischen "Nothndler" zur Handarbeit greifen wrde, erfllte sich unter dem Druck der Verweigerung der Brgerrechte29) nicht. Ja, die Judenschaft stellte die emprte Frage: "Welches Anrecht hat der Staat von jemandem zu verlangen, da er Tagelhner werde?30) Die sich fortgesetzt zeigende Arbeitsscheu der Juden entmutigte die liberalen Vorkmpfer der brgerlichen Gleichstellung der Israeliten keineswegs, vielmehr setzten sie nun ihre Hoffnung auf die kommende Generationen. Jeder einzelne Jude wurde also aufgefordert, eine Erklrung ber die Berufswahl seiner Shne abzugeben. Auch dieser Versuch blieb erfolglos, da 99 von 100 Juden sich weigerten, fr die handwerkliche Ausbildung ihres Nachwuchses aufzukommen. Sie suchten glaubhaft zu machen, da ihnen dazu das notwendige Geld mangele. Zum Betreiben eines Handels bedurfte der Jude ja keiner Lehrjahre, da er, kaum den Kinderschuhen entwachsen, sich in der einfachen Weise das Profitmachens "kaufmnnisch" bettigte. 14- oder 15-Jhrige handelten mit allem, was nur denkbar ist. 1825 wird, um ein Beispiel zu nennen, der Regierung angezeigt, da der "Elias Brandenstein aus Grebensstein, ein israelitischer Knabe von 15 Jahren, vom Kreisamt Hofgeismar mit einem Handels-Reisepa versehen worden" ist, auf Grund dessen er auf den Messen und Mrkten Kurzwaren verkauft. Auf die Vorstellungen der Regierung antwortet der gutglubige Kreisrat: "Der Vater kann diesen aus Mangel an Mitteln fr jetzt kein Handwerk lernen lassen, es soll dieses aber geschehen, sobald nur die ausreichenden Mittel dazu erworben sind." Um dieser vermeintlichen Notlage zu steuern, wurden "Vereine zur Befrderung der Handwerke unter den israelitischen Glaubensgenossen" gegrndet, deren Zweck es sein sollte, "die israelitische Jugend den Elementen des Staates einzuverleiben". Obwohl diese Vereine weitgehendst untersttzt wurden, z.B. gehrten dem "Verbesserungsverein zu Dresden" der Knig und die Knigin sowie hohe Staatsbeamte als Mitglieder an, war auch ihr Wirken gleich null. - Im Banne der Gedankenwelt des Liberalismus sahen sich die Regierungen auch hier zu Zwangsmanahmen gezwungen. 1819 ordnete die kurhessische Regierung an, da nur je ein Sohn eines Juden sich dem Detailhandel widmen drfe und glaubte damit die Abziehung der Juden vom Handel beschleunigen zu knnen. Der einzige Erfolg, der dieser Anordnung beschieden war, drckte sich in einem ewigen rger der mit der betrauten berwachungsbehrde aus: "Ich kann nicht", schreibt Samuel Rosenkranz aus Eschwege, "denn ich habe von meiner frhesten Jugend an Gelegenheit gehabt, den Pferdehandel kennen zu lernen"; "Ich brauche meinen Sohn fr meine Geschfte", begrndet die Witwe Moses Katz aus Wolfhagen ihre Eingabe, "denn in meinem Hause wird auer einem bedeutend starken Fruchthandel im Groen auch eine Schnittwarenhandlung unterhalten". - Tausend Flle und tausend Ausflchte. - Erlernte ein Jude aber

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  • wirklich ein Handwerk, so in 99 von 100 Fllen nicht, um es auszuben, sondern um sich als Handelsmann mit besonderen Branchenkenntnissen zu bettigen. Oft genug gab er sich auch lediglich der Behrde gegenber als Handwerker aus, um heimlich Handel zu treiben. Erst lange nach dem Tode des Kammachers Jonas Kahn entdeckte z.B. die Polizei von Eschwege im Jahre 1863, da dieser sich nicht redlich von der Herstellung von Kmmen ernhrt, sondern den Trdelhandel betrieben hatte. Ebenso hufig war es, da Juden, die zur Erlernung eines Handwerks gezwungen worden waren, mit allen Mitteln versuchten, zum Handel zurckzukehren. So teilt z.B. Elias Mansbach aus Maden im April 1830 der Regierung mit, da er bisher das Leineweber-Handwerk erlernt habe. Seine Gesundheit verlange aber eine Lebensart mit vieler Bewegung. Er beabsichtige daher, zuknftig den Viehhandel im groen zu seinem Nahrungsgewerbe zu machen. Der Kampf gegen den "spekulativen Geist" war hoffnungsloser, als der des Herakles gegen die neunkpfige Hydra, so lange man ihn mit liberalen Phrasen fhrte und Stimmen berhrte, die aus dem Judentum in der ihm eigenen Schamlosigkeit selbst kamen; 1843 schrieb Karl Marx diesem Liberalismus ins Stammbuch: "Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedrfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld. Nun wohl! Die Emanzipation vom Schacher und vom Geld, also vom praktischen, realen Judentum wre die Selbstemanzipation unserer Zeit." Karl Marx war Sprling einer alten Rabbinerfamilie und war daher in diesem Falle ausnahmsweise zu einem authentischen Urteil berufen, denn der Schacher macht hier selbst beim Priester nicht halt. Als im Jahre 1845 die kurh. Regierung dem Kreisrabbiner Dr. Frenkel jede weiteren Handelsgeschfte untersagte, glaubte er sich mit folgenden im Bewutsein "gerechter" Emprung vorgetragenen Begrndungen beschweren zu knnen: "Wer wie ich nur ein kleines Diensteinkommen hat, der mu darauf bedacht sein, durch den Ertrag seines Vermgens seine Familie zu ernhren und deshalb solches verzinslich anlegen. Er ist zuweilen in die Lage gebracht, Geld zu borgen, um solches wieder auszuleihen; zum Beispiel: Ich habe ein Kapital an irgend Jemanden ausstehen. Er ist ein guter Schuldner und mein Kapital steht mit blicher guter Verzinsung sicher. Jetzt wnscht er noch mehr zu borgen. Ich habe das Geld aber fr den Augenblick nicht; hier wrde ich mich, um mich der Gefahr nicht auszusetzen, mein Kapital gekndigt sehen, indem ein guter Schuldner es vorzieht, der Schuldner nur eines Glubigers zu sein, veranlat fhlen, selbst eine Anleihe zu machen, um nur meinem Schuldner mit dem Nachlehn zu helfen. Ebenso hatte ich schon einigemal zur Ergnzung und Abrundung, zu der bei mir seit geraumer Zeit zinslahm liegenden Summe und der jetzt verlangt werdenden eine augenblickliche Anleihe ntig, um jene in Zinsen zu bringen. Whrend ich sonst htte warten knnen, bis jemand gerade die vorhandene gesucht htte"30).

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  • "Die Erwerbsarten, welche nur wenig Anstrengung erfordern, aber reichen Geldgewinn darbieten, sind den Juden die liebsten", schreibt Hartwig von Hundt-Radowsky im Jahre 1819 in seinem Judenspiegel. - Sinnfllig drckt diese Wahrheit ein altes Bauernwort folgendermaen aus: "Eine Viertelstunde gehandelt bringt mehr ein, als 10 Stunden gearbeitet." - "Der Utilitarismus, der Nutzen, ist das erste Prinzip des Judentums", erklrt 1841 der Philosoph Ludwig Feuerbach. Was der deutsche Edelmann, der deutsche Bauer und der deutsche Denker klar erkannten, das erfuhren nun auch die Judenverbesserer, die in ihren Bemhungen wahrhaft auf die Folter der Geduld gespannt wurden. - Als die kurhessische Regierung, die seit 1816 nun Jahr fr Jahr immer auf die Frchte der Veredlung wartend, 1852 die bliche Statistik aufstellte, ergab sich, da im Amte Fritzlar auf 93 christliche Handelsleute 160 jdische kamen; im Amte Rotenburg lauteten die Ziffern 157 zu 198, im Amt Wolfhagen 105 zu 120, im Amt Witzenhausen 197 zu 55 usw., wobei zu beachten ist, da in Fritzlar der Anteil der Juden an der Gesamtbevlkerung 1/26 betrug, in Rotenburg 1/34, in Wolfhagen 1/31 und im Amt Witzenhausen 1/78! "Es ist richtig", protokollierte die Regierung der Provinz Fulda, "da bei den Israeliten noch stets der Handelsgeist so gewaltig vorherrscht, da es zu den Ausnahmen gehrt, wenn einer derselben ein anderes Gewerbe ergreift und ebensowenig lt sich verkennen, da sie den Handel meistens in wenig reeller Weise betreiben." In dem Protokoll wird dann darauf hingewiesen, da es unmglich sei, mit Gesetzen den Betrugsmanvern beizukommen und abschlieend erklrt: "Die vorerwhnten Umstnde sind brigens so allgemein bekannt, da man es jedem Kufer fglich berlassen kann, auf seiner Hut zu sein, wenn er sich mit einem israelitischen Hndler einlt." "Ich kenne eine Gegend", rief Otto von Bismarck 1847 im Preuischen Landtag aus, "wo die jdische Bevlkerung auf dem Lande zahlreich ist, wo es Bauern gibt, die nichts ihr Eigentum nennen auf ihrem ganzen Grundstcke. Von dem Bett bis zur Ofengabel gehrt alles Mobilar dem Juden, das Vieh im Stall gehrt dem Juden, und der Bauer bezahlt fr jedes einzelne tglich Miete. Das Korn auf dem Felde und in der Scheune gehrt dem Juden und der Jude verkauft dem Bauer das Brot-, Saat- und Futterkorn metzenweise." - "Die meisten unserer adeligen Gutsbesitzer sind bis ber die Ohren verschuldet", schreibt Franz von Spaun schon 1822: "Alles Geld ist in den Hnden der Juden. Wird keine Hypothekenanstalt eingefhrt, so sind die Hebrer binnen weniger Jahre Grundeigentmer eines groen Teiles des Reiches." Seitdem die ersten Vorschlge verffentlicht werden, die eine Abkehr des Juden vom Handel bezwecken sollten, waren inzwischen gut zwei Menschenalter vergangen. Das hchste Ma an Bemhungen und Geduld war aufgewandt worden, um die