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Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung W e l t w e i t e s E n g a g e m e n t P a r t n e r s c h a f t v o r O r t ded forum

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Vorwort................................................................................................................................................3Dr. Jürgen Wilhelm

EinführungIm Fokus: Beschäftigungswirksamkeit ..........................................................................................4Klaus-Dieter Seidel

Berufsbildung ....................................................................................................................................6Berufsbildung in Verbindung mit der Privatwirtschaft ..............................................................6Konrad de Bortoli

Traumata und Träume – Berufsausbildung und Versöhnung in Ruanda................................8Gerd Scheuerpflug

Ein Recht auf Bildung ......................................................................................................................12Heidrun Ziegler

Ausbildung von Mädchen und Frauen im Dienstleistungsbereich..........................................14Luzia Köberlein

Berufliche Qualifizierung im Tschad ............................................................................................16Stephan Kunz

Beschäftigungsorientierte Berufsbildung in Afghanistan ......................................................20Harald Hesse

Modulare Berufsbildung ................................................................................................................24Rüdiger Wolf

Lachen & Lernen – Weiterbildung für Lehrkräfte der beruflichen Ausbildung ....................26Cornelia Frettlöh

Avance Empresarial – Beratungskonzept für Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen......29Lars Otte

Informationstechnologie in Entwicklungsländern ....................................................................32Jens Funk

Wirtschaftsförderung......................................................................................................................34Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung in Botswana ..........................................................34Jürgen Pauck-Borchardt

Solidarökonomie – ein Weg zur Armutsminderung ....................................................................37Silke Tribukait

Das Deutsch-Vietnamesische Existenzgründungsprogramm ..................................................40Wolfgang Karpati

Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung ..................................................................................42Profitables Umweltmanagement ................................................................................................42Thomas Franz

Ökotourismus als alternative Einkommensmöglichkeit im integriertenKüstenzonenmanagement..............................................................................................................45Sybille Creutz

Inhaltsverzeichnis

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Der DED arbeitet seit nun-mehr 40 Jahren in der

Wirtschafts- und Beschäftigungs-förderung. Die Frage muss alsoerlaubt sein: Kann das bisherangewandte Instrumentariumweiterhin erfolgreich sein – an-gesichts sich ständig verändernderRahmenbedingungen in Zeitender Globalisierung?

Wir meinen ja! Die Bedeutungder Wirtschaft für das Lebensowohl in Deutschland als auchin unseren Partnerländern istoffensichtlich. Eine nachhaltigeEntwicklung ist nur unter Ein-bindung der produktiven Kräfteder Privatwirtschaft möglich.Dieser Ansatz findet sich auchim Aktionsprogramm der Bun-desregierung zur Halbierungder Armut bis zum Jahr 2015wieder.

Das für den DED zuständigeMinisterium für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwick-lung (BMZ) hat für die Aktivi-täten der deutschen Entwick-lungszusammenarbeit vor einigenJahren den SchwerpunktbereichWirtschaftsreform und Aufbauder Marktwirtschaft (WiRAM)geschaffen. In dessen Mittelpunktstehen die Privatsektorförderung,Berufliche Bildung und Arbeits-markt, Finanzsystementwicklungund schließlich Wirtschaftspo-litische Beratung. Der DED istmit seiner Arbeit in der Beruf-lichen Bildung und (Klein-)Gewerbeförderung sowie denAktivitäten im Mikrofinanz-bereich also gut aufgestellt.Durch sein Engagement in derKommunalen Wirtschaftsför-derung leistet er darüber hinauseinen Beitrag zur Veränderungvon Rahmenbedingungen aufdezentraler Ebene.

Noch mehr als bei uns ist dieArbeitslosigkeit in unseren Part-nerländern ein Massenphänomen.Zigtausende Jugendliche suchenjedes Jahr nach erfolgreichemSchulabschluss oder auch alsSchulabbrecher Möglichkeitenzur beruflichen Qualifizierung.Das formale, in der Regel durchden Staat organisierte System istdafür nicht ausgelegt. Versuche,die Durchlaufzahlen zu erhöhen,führen in der Regel zu einerqualitativen Verschlechterungder Ausbildung von Abgängern.Nach erfolgreichem Abschlussstellt sich oft die Frage nach einerBeschäftigung. Und auch hiergilt, weder der öffentliche, nochder industrielle oder Handwerks-sektor können diese Abgängeraufnehmen, selbst wenn sie ge-eignet sind. Dabei sind Mädchenund Frauen nach wie vor beson-ders im Nachteil. Zunehmendzeigt sich, dass all dem nur durchverstärkte Anstrengungen iminformellen Bereich bzw. derZusammenarbeit mit der Privat-wirtschaft begegnet werden kann.

Die rasche Veränderung der An-forderungen des Arbeitsmarkteserfordern eine laufende Erwei-terung oder sogar die kompletteNeuausrichtung des Fachwissens.Lebenslange Aus- und Weiter-bildung werden hier eine wichtigeRolle übernehmen müssen –bei Arbeitnehmern und Arbeit-gebern. Es gilt also, den Beitragdes DED der jeweiligen Situationim Partnerland entsprechendflexibel anzupassen. Daher rücktdie im Jahr 2000 erneuerte Fach-leitlinie des DED die Beschäfti-gungswirksamkeit all seinerMaßnahmen in den Vordergrund.

Wir wollen mit diesem Fachheftüber das Engagement des DEDim Sektor „Wirtschafts- undBeschäftigungsförderung“ infor-mieren, zur kritischen Reflexionanregen und für eine Arbeit mitdem DED werben. Dazu könnendie sehr konkreten Erfahrungs-berichte der DED-Fachkräfte, diewir in diesem Heft zusammen-gestellt haben, einen wertvollenBeitrag leisten.

Dr. Jürgen WilhelmGeschäftsführer

Vorwort

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Bereits mit der neuen Leitlinie„für die beschäftigungs-

orientierte Ausbildungs- undGewerbeförderung“ (veröffent-licht Anfang 2001) hat der DEDneue Wege beschritten und eineVerzahnung der früher eher ge-trennt betrachteten Leistungsbe-reiche „Technisch-HandwerklicheBerufsausbildung“ und „Klein-gewerbeförderung, Management,Verwaltung“ auch inhaltlichvollzogen. Im Fokus steht seitdemdie Beschäftigungswirksamkeitaller Aktivitäten im Rahmen desjeweiligen DED-Beitrags. Somüssen die Ausbildungsmaßnah-men noch stärker konsequentnachfrage- und praxisorientiertausgerichtet sein, und die Be-ratung des Unternehmers oderHandwerkers muss entwederdie Firma nachhaltig am Marktetablieren oder sogar zu Wachs-tum führen, d.h. Arbeitsplätzewerden gesichert oder im Ideal-fall zusätzlich geschaffen. Dadurchsind Beiträge zur Armutsminde-rung absehbar gewährleistet unddas Postulat, dass eine wirksameund nachhaltige Entwicklung nurunter Einbindung der produkti-ven Kräfte der Privatwirtschaftmöglich ist, kann sich bewahr-heiten.

In seiner Strategie, die der DEDentsprechend des neuen Leit-bildes entwickelt hat, kommt demArbeitsfeld „Wirtschafts- undBeschäftigungsförderung“ weiter-hin eine hohe Bedeutung zu.Über 200 Projektplätze sinddiesem Bereich zuzuordnen,knapp 25 Prozent aller DED-Entwicklungshelferplätze. Diesdrückt sich auf höherer Ebeneauch in der Anzahl der von der

Bundesregierung in den Partner-ländern festgelegten inhaltlichenSchwerpunkte aus. Hier istspiegelbildlich der Bereich „Wirt-schaftsreform und Aufbau derMarktwirtschaft (WiRAM)“ zusehen, der sich – wenn auch re-gional sehr unterschiedlich aus-geprägt – mit 20 Nennungenan dritter Stelle bei den DED-Partnerländern wiederfindet.Mehrheitlich engagieren sichEntwicklungshelferinnen undEntwicklungshelfer des DED ausdem WB-Bereich in den Re-gionen Ost- und Südliches Afrikasowie Asien. Während der Rück-gang in Westafrika (bis aufGhana) der veränderten Schwer-punktsetzung des Bundesminis-teriums für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit und Entwicklung(BMZ) geschuldet ist, haben inLateinamerika vor allem politischeVerwerfungen in den 70er und80er Jahren zu einer Umsteuerungder Landesprogramme geführt.

Will der DED seinen im Leitbildund in der Strategie formuliertenAnsprüchen gerecht werden,müssen sich auch die Fachkräfteim Arbeitsfeld Wirtschafts- undBeschäftigungsförderung den sogenannten Querschnittsthemenwidmen. Dies betrifft insbeson-dere den Bereich der Geschlech-tergleichstellung/Gender, z.B.durch Einführung modernerAusbildungskurse (Elektronik/Computer), die der Lebensweltvon Mädchen und Frauen an-gepasst sind.Armutsorientierung kann durchBerücksichtigung besonders be-nachteiligter Bevölkerungsgrup-pen (z.B. Aids-Waisen) erfolgen.Außerdem sind durch hohe

Beschäftigungswirksamkeit derMaßnahmen konkrete Beiträgezur Armutsreduzierung möglich.Andere Themen wie Partizipa-tion, ökologische Nachhaltigkeit,Konfliktsensibilität und HIV/Aids finden entsprechend derjeweiligen Situation ebenfallsEingang in die mit den lokalenPartnern abgestimmten Zieleund Aktivitäten.

Geändert hat sich in vielen Län-dern auch die Herangehensweisean Projekte und Programme.Die Einsicht ist gewachsen, dassim Sinne von breitenwirksamerund nachhaltiger Entwicklungin der Regel ein einzelner Pro-jektansatz nur sehr begrenztelokale Wirkung hat. Im Rahmender zunehmenden Globalisierungist es zwingend notwendig, auchan den nationalen Rahmen-bedingungen etwas zu ändern.Und in diesem erweitertenKontext kann der DED häufignicht mehr alleine tätig sein. Sosind die Projektplätze entwederin gemeinsame Programman-sätze der deutschen Entwicklungs-zusammenarbeit eingebunden(Kooperationspartner sind dabeidie GTZ, die KfW, CIM undInWEnt) – oder aber die Ent-wicklungshelfer leisten im grö-ßeren Rahmen der vom BMZfestgelegten inhaltlichen Aus-richtung des jeweiligen Sektor-schwerpunkts einen sinnvollenBeitrag. Aber nicht nur die Rah-menbedingungen haben sich imVerlauf der letzten Jahre verändert.Auch die Aufgabenstellungen derDED-Fachkräfte sehen häufiganders aus als früher. Der Ent-wicklungshelfer steht nicht mehrselbst an der Werkbank oder un-

Einführung

Im Fokus: BeschäftigungswirksamkeitKlaus-Dieter Seidel

Das vorliegende neue Fachheft zum Thema Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung (WB) ersetzteine vorherige Publikation aus den 90er Jahren mit dem Titel „Technik und Handwerk“. Diesewar inhaltlich noch sehr stark vom konkreten Tun der DED-Entwicklungshelferinnen undEntwicklungshelfer geprägt.

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terrichtet an der Tafel im Klassen-raum. Einheimische Fachkräftehaben diese Aufgabe längst über-nommen.

Der Beitrag des DED in der beruflichen Bildungszusammen-arbeit besteht nun eher darin,Schulleitungen im Sinne vonManagement- und Organisa-tionsberatung zu unterstützen,sich der Curriculum-Entwicklungund Lehrplangestaltung zu wid-men und die einheimischenLehrer oder Ausbilderkollegenin Fragen der Methodik undDidaktik sowie in Fragen desTechnologietransfers zu beratenbzw. weiter zu qualifizieren. Aberes geht auch um die Einbindungder Privatwirtschaft, um notwen-dige Kompetenzen im jeweiligenBerufsbild festzulegen. Bei derPraxisorientierung der Ausbil-dung wird Kontakt zur lokalenHandwerker- oder Unternehmer-schaft gesucht, um den StudentenPraxisaufenthalte in den Betrie-ben zu ermöglichen, damit siedie Realität des Arbeitslebenskennen lernen. Die Zusammen-arbeit im formalen Bereich findetsowohl mit staatlichen und priva-ten als auch häufig mit kirch-lichen Trägern statt.

Bei der non-formalen Berufsaus-bildung geht es um Bedarfser-mittlungen, um modulare Kurs-systeme, und vor allem um dieEinbindung von Unternehmenin die beruflichen Bildungmaß-nahmen. Im Rahmen von On-the-Job-Trainings stehen z.B.Fortbildungen in den Betrieben,Weiterbildung von Mitarbeiternaber auch von Unternehmern imFokus des DED-Engagements.Häufig ergeben sich dabeiKooperationsmöglichkeiten mitBerufsschulen, die ihre Werk-stätten und Klassenräume abends,an Wochenenden oder in den

Ferien für solche Kurse zur Ver-fügung stellen. Sie können sozusätzliche Einnahmen erwirt-schaften, und einen Teil davon zurbesseren Bezahlung der eigenenLehrkräfte und Ausbilder nutzen.Im Rahmen der Handwerker-und Gewerbeförderung geht esum Fragen der Qualität in derProduktion, um die Sicher-stellung oder Ausweitung derFinanzierung sowie um eine an-gepasste Form der Buchhaltungund die Einführung neuer Tech-nologien. Darüber hinaus müssendie Sicherheit am Arbeitsplatzund auch Aspekte des Marketingsberücksichtigt werden. Vor einerEinzelfallberatung sollte jedochimmer zunächst das Entwick-lungspotenzial des Unternehmersund seiner Firma sorgfältig geklärtwerden, da ansonsten der Bera-tungsinput der DED-Fachkraftnicht die erwünschte Wirkungentfalten kann.

Kammern und Verbände (Hand-werker, Unternehmer und Berufs-gruppen) sind nicht mehr nurTräger für Ansätze der Unter-nehmensberatung. Sie werdendurch Organisationsberatungselbst in Wert gesetzt und könnenund sollen so ihre Funktion alszivilgesellschaftlicher Akteuru.a. im Sinne von Lobbyismuskompetent wahrnehmen. Geradedieses Beispiel zeigt, dass eineausschließliche sektorale Be-trachtung der Projektplätzehäufig nicht mehr machbar undsinnvoll ist. Die oben genanntenKammern und Verbände spieleneine wichtige Rolle im Hand-lungsfeld der kommunalen/lo-kalen Wirtschaftsförderung.Bauern haben nach Jahren er-folgreicher Beratung im Bereichlandwirtschaftlicher Anbau- undProduktionsprozesse mittlerweileeher Bedarf an betriebswirtschaft-lichem Input, z.B. in Richtung

Vermarktung auch über die lo-kalen Grenzen hinaus. Aidspro-gramme sind an die Bedürfnisseund Notwendigkeiten lokalerUnternehmen angepasst undvor allem im östlichen und süd-lichen Afrika erfolgreich einge-führt worden. Schließlich wirddas Arbeitsfeld Wirtschafts- undBeschäftigungsförderung zu-künftig eine gute Grundlage fürgemeinsame Projekte mit derlokalen Wirtschaft im Rahmenso genannter Entwicklungs-partnerschaften (Public PrivatePartnership, kurz PPP) sein. Die in diesem Heft durchEntwicklungshelfer/-innen undKoordinatoren dargestelltenProjekte und Programme stellenangesichts der Vielfalt möglicherThemen nur einen Ausschnittdar. Wer sich mit ihnen ausei-nandersetzt, bekommt jedoch ei-nen guten Einblick in die sehranspruchsvolle und abwechs-lungsreiche, aber auch sehr be-friedigende Tätigkeit eines Ent-wicklungshelfers oder einer Ent-wicklungshelferin im Bereichder Wirtschafts- und Beschäfti-gungsförderung im DED.

Klaus-Dieter Seidel ist Leiterdes DED-Fachreferats Wirtschafts-und Beschäftigungsförderung,Entwicklungspartnerschaften mitder Wirtschaft

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Ausbildung besteht imWesentlichen aus zwei

Komponenten, die miteinanderverzahnt sind: Vermittlung vonWissen und Fertigkeiten sowiePersönlichkeitsbildung. Akteuresind die Auszubildenden, dieBildungsinstitute und die Arbeit-geber. Funktioniert das Zusam-menspiel dieser Akteure, erhaltenJugendliche eine Berufsausbil-dung, die ihrer Persönlichkeitentspricht. Zudem können Arbeitgeber ihren Bedarf anqualifizierten Mitarbeitern undMitarbeiterinnen decken und dieBildungseinrichtungen profitierenvon der höheren Nachfrage. DieSituation auf den Philippinen istjedoch anders: Hier führt dasStreben vieler Jugendlicher nacheinem College-Abschluss und dermeist unerfüllte Traum einerfesten Anstellung in den so ge-nannten White Collar Jobs zu

Taxi fahrenden Akademikern undCollege graduierten Prostituierten.Der Industrie fehlen auf der an-deren Seite gut ausgebildeteTechniker und Technikerinnen.

Maria hilf!

... haben die Schwestern der„Mary Help of Christians“ inMabalacat Ende der 90er Jahrenicht gerufen, als sie ihr Schul-angebot für Schulabbrecherinnenund Aussteigerinnen aus derProstituierten-Szene erweiternwollten. Vielmehr analysiertensie den Bedarf der umliegendenIndustrie und boten daraufhineinen zweijährigen Kurs inElektronik an.

In Partnerschaft mit DED undder Internationale Weiterbildungund Entwicklung gGmbH(InWEnt) wurden Lehrerweitergebildet und Unterrichts-materialien erstellt, um so denAnforderungen der Industrieentsprechen zu können. ZweiIndustriekoordinatoren stehenim kontinuierlichen Austauschmit der Industrie, erarbeiten Aus-bildungsinhalte, kümmern sichum den Einsatz der Schülerinnenim Betrieb und helfen bei derLösung von Problemen, die amArbeitsplatz entstehen. Fast alleAbgängerinnen bekommen eineAnstellung, weil die Betriebemittlerweile wissen, dass dieAbsolventinnen der Mary HelpSchule praktisches Wissen undFertigkeiten mitbringen, welchesCollege-Abgängerinnen fehlt.

Die Verbindung macht’s

Die Industriekoordinatorenspielen hierbei eine entscheidendeRolle. Sie sind das Bindegliedzwischen Schule und lokalerIndustrie. Gleich Handlungsrei-senden müssen sie ihr „Produkt“anbieten und dann auch dieRückmeldungen der Industriean die Schule weitergeben, umVeränderungen einzuleiten. DasZusammenspiel ist kein starresSystem sondern eines, das aufKommunikation aufbaut undsich ständig verändert.

Ein zweites Beispiel für hervor-ragende Industriekontakte bietetdas Centre for Industry Techno-logy and Enterprise (CITE) inCebu, der zweitgrößten Stadtder Philippinen. Hier werdenjugendliche Hauptschulabgängeraus armen Familien in zweijäh-rigen Kursen zu Technikern inden Bereichen Elektronik,Computertechnologie undMetallverarbeitung ausgebildet.Das Schulmanagement hat beider Einführung des dualen Aus-bildungssystems (Schule undBetrieb) mehrere Industriekoor-dinatoren eingesetzt, die in engs-tem Kontakt zur Industrie stehenund die Schüler während ihrerPraktikumszeit in den Firmenbegleiten. Durch den engen undprofessionellen Kontakt zur In-dustrie genießt die Schule nichtnur bei den Industriepartnern,sondern auch bei den Schülernhohes Ansehen. Die Zahl derBewerbungen liegt weit über derAufnahmekapazität der Schule.Das philippinische Gesetz zurEinführung dualer Ausbildungbesagt, dass die Firmen während

Berufsbildung in Verbindung mit der PrivatwirtschaftKonrad de Bortoli

Berufsbildung

Damit Berufsausbildung ihren Zweck erfüllt und sowohl die Interessen der Auszubildenden alsauch den Bedarf der Wirtschaft berücksichtigt, ist ein Zusammenspiel der verschiedenen Akteurenotwendig. Konrad de Bortoli stellt mehrere erfolgreiche Initiativen und Projekte auf denPhilippinen vor.

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Schülerinnen des Berufsbildungszentrumsder Mary Help of Christians-Schwestern

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der Praktikumszeit der Schülerin der Firma 75 Prozent des ge-setzlichen Mindestlohnes an dieAusbildungsstätte zu zahlen ha-ben. Sowohl CITE als auch dieSchwestern der „Mary Help ofChristians“ sahen dies als Chance,die Industrie an den Ausbildungs-kosten zu beteiligen. Die Firmenwaren zunächst nicht bereit,diese Summe aufzubringen, daes nicht üblich ist, für Praktikan-ten zu zahlen (ca. 2,50 Euro/Tag).Nur durch die Qualität der Aus-bildung und dank des intensivenKontakts der Industriekoordina-toren und des Managements zurlokalen Industrie war es möglich,die Firmen zu überzeugen – einhartes Stück Arbeit.

Es ist nicht nur gelungen, dasAnsehen der technischen Berufs-ausbildung anzuheben, sondernauch die Industrie finanziell miteinzubeziehen, um Jugendlichenaus unterprivilegierten Familieneine Chance zu geben. Der DEDkooperiert mit CITE, die mittler-weile auch Software-Entwicklerausbilden, im Bereich Lehrerwei-terbildung, Curriculum-Entwick-lung und bei der Erstellung vonDatenbanken für Schuladminis-trationen. Der Metallsektor wirdebenfalls durch einen Entwick-lungshelfer unterstützt. CITEspielt als Bildungseinrichtungeine Vorreiterrolle und ist bemüht,sein Wissen und seine Fähigkeitenan andere Bildungsträger zu ver-mitteln. Zurzeit arbeiten CITE,DED und GTZ an einem solar-betriebenen Internetcafé auf einerabgelegenen Insel in den Visayas.In Zusammenarbeit mit der lo-kalen Schule soll dieses Internet-café zur Weiterbildung genutztwerden.

Softies

Um die Entwicklung des Landeswirtschaftlich zu unterstützen,sind Fachkräfte notwendig, dieinnovativ, flexibel und mit tech-nischen Kenntnissen ausgestattetauf die Anforderungen desMarktes reagieren. Der DEDarbeitet auf den Philippinen dahermit Partnerorganisationen zu-sammen, die den Jugendlichenüber eine fundierte technischeAusbildung hinaus auch die sogenannten „Soft Skills“ vermitteln.Dies betrifft zunächst das Ver-halten am Arbeitsplatz bezüglichSauberkeit, Pünktlichkeit undLernfähigkeit; darüber hinausbedeutet dies aber auch dasErkennen von Problemen unddas selbständige Anstreben vonLösungen. Die Industriepartnerder mit uns kooperierendenSchulen schätzen neben demtechnischen Wissen der Abgängergenau diese Fähigkeiten. Damitschätzen sie Schulen, die nicht nurein Interesse an der technischenWeiterbildung haben, sondernauch an der Persönlichkeitsbil-dung der Schüler und Schüle-rinnen. Diese Qualitäten lassensich nicht durch Kurzzeitkursevermitteln, sondern brauchenin der Regel mindestens zweiJahre und lassen sich eigentlichnur durch ein schulisches Gesamt-konzept verwirklichen. DerBeitrag des DED fällt hier aufsehr fruchtbaren Boden, da dietechnische und pädagogischeWeiterbildung der Lehrer indiesem System eine direkteWirkung auf die Beschäftigungs-möglichkeit der Schulabgängerhat.

Noch enger mit derPrivatwirtschaft ...

... zusammen arbeitet der DEDin Cebu im Bereich Möbelbau,Werkzeugbau und Klima-technik. Drei Entwicklungshelferkooperieren direkt mit den jeweiligen Industrieverbänden.Neben der Weiterbildung gehtes hier auch um die Beratungvon Betrieben zur Erweiterungihrer Produktionsmöglichkeiten,zur Schaffung neuer Arbeitsplätzeund zur Einführung umwelt-freundlicher Technologien.Zögerlich sind die Unternehmenauch hier in der Finanzierung derKurse. Sind die Firmen jedochvon der Qualität der Aus- bzw.Weiterbildung überzeugt, sindsie auch bereit zu investieren.Einige Firmen betrachten aller-dings Trainings immer nochnicht als eine Investition, sondernals bloße Kosten. Es ist daherwichtig, das Management in dieTrainingskonzepte mit einzube-ziehen. Kleinere Firmen könnensich manchmal aber auchTrainings einfach nicht leisten.Dann versuchen wir mit anderenOrganisationen wie InWEntoder SwissContact Trainings-Angebote zu finanzieren, die

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Metallverarbeitung ist nur ein Bereich,der in Cite gelehrt wird

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die Lücke der staatlichenBerufsbildungspolitik schließen.

Die Ansprache von Multiplika-toren ist besonders wichtig. Wirarbeiten daher mit den Managernund Trainern der Verbände odermit Firmenbesitzern und Vorar-beitern zusammen. Kosten sen-kend wirkt sich auch das Ent-wickeln von Artikeln aus, diedie Industrie benötigt. In derWerkzeugmacher-Werkstatt der„Metall Industry Association ofthe Philippines“ (MIAP) in Cebuwerden während der TrainingsAufträge der lokalen Industrieausgeführt. Das heißt, es werdenWerkzeuge hergestellt, die vonFirmen benötigt, benutzt undbezahlt werden.

Veränderungen

Deutliche Veränderungen inder Bereitschaft der Industrie,sich an der Ausbildung zu be-teiligen, hat es in den fünf Jahrenmeines Aufenthaltes hier aufden Philippinen gegeben. Durchdas Streben der Partnerorganisa-tionen in enger Zusammenarbeitmit den Entwicklungshelfern nachneuen, kreativen und umsetzbarenLösungen, haben nicht nur etlicheAuszubildende einen Arbeitsplatzoder bereits Beschäftigte einehöhere Position erhalten, sondernist die Bereitschaft der beteiligtenIndustriebetriebe gestiegen, sichin der beruflichen Bildung zuengagieren.

Durch die enge Zusammenarbeitder Entwicklungshelfer mit denPartnerorganisationen sind aufdie lokale Situation zugeschnitteneSysteme entstanden. Es machtSpaß in diesem Netz aus Privat-wirtschaft, Bildungsanbieternund Entwicklungshelfern undEntwicklungshelferinnen derDED-Koordinator für Wirt-schafts- und Beschäftigungs-förderung zu sein.

Konrad de Bortoli ist Tischlerund seit 1998 Entwicklungshelferdes DED auf den Philippinen

Nicht nur im World WideWeb kursieren die mar-

kanten Titel der drei umfang-reichen Gedenkprojekte –„Rwanda 10“, „RememberingRwanda“ und “Rwanda-Neveragain!“. Im Jahr 2004 sollte dieWeltgemeinschaft ihre Aufmerk-samkeit dem ruandischen Volkschenken, so das Credo derVerantwortlichen.

Der Grund: 1994 wütete in demkleinen zentralafrikanischen Landein von staatlicher Seite organi-sierter Völkermord, dem in nurdrei Monaten über eine MillionMenschen zum Opfer fielen.Die meisten von ihnen stammtenaus der Bevölkerungsgruppe der

Tutsis, aber auch zahlreiche re-gimekritische Hutus waren unterden Toten. Die grauenvollenBilder des auf offener Straße voll-zogenen Mordens sind unver-gessen. Und dessen Tote sind bisheute noch nicht alle gezählt.

Allein im ersten Quartal 2004waren anlässlich des 10. Jahres-tages eine Reihe von Konferenzenund Veranstaltungen geplant.Beginnend mit dem Internatio-nalen Holocaust-Tag in Stock-holm am 27. Januar wurde dieAufmerksamkeit über Belfast,Minnesota, Jerusalem undLondon bis hin in die ruandischeHauptstadt Kigali gelenkt, woam 7. April an den Beginn des

Genozids erinnert wurde. Viele Ruander nehmen denTrubel um die gewaltvolle Ge-schichte ihres Landes mit durch-aus gemischten Gefühlen wahr.Einerseits begegnen sie deminternationalen Interesse mitWohlwollen und freuen sichüber das bekundete Mitgefühl,andererseits fürchten sie, dass ihreblutigen Erinnerungen an dieVergangenheit in den Bücher-regalen von Historikern undSoziologen abgelegt werden.

Dieses Misstrauen kommt nichtvon ungefähr. Noch sind dieEreignisse von 1994 nicht be-wältigt. Die Wunden der Ver-gangenheit, ob körperlicher oder

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Berufsbildung

Traumata und Träume – Berufsausbildung und Versöhnung in RuandaGerd Scheuerpflug

Entwicklungshelfer des DED, die in Ruanda als Ausbilder in verschiedenen Berufszweigen tätigsind, benötigen viel Sensibilität und menschliches Einfühlungsvermögen. Der blutige Bürgerkrieg1994 hat bei vielen Menschen tiefes Leid erzeugt. Das Misstrauen der Menschen sitzt tief und esist dementsprechend schwer, Vertrauen aufzubauen.

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seelischer Natur, sind zwar ver-narbt, bei vielen Betroffenen aberverursachen sie noch heute un-ermessliche Schmerzen. Hinzukommt, dass das am dichtestenbesiedelte Land Afrikas trotzseiner erstaunlichen Wiederauf-bauleistung wirtschaftlich in eineräußerst kritischen Lage ist.Über 60 Prozent der Bevölkerungmüssen mit weniger als einemDollar pro Tag auskommen undleben damit unterhalb der Ar-mutsgrenze. Wenn man zudemstatistische Werte wie die Alpha-betisierungsrate, das Bevölke-rungswachstum und die Kinder-sterblichkeit betrachtet, wirddeutlich, warum Ruanda zu denso genannten Least-Developed-Countries gehört, den am we-nigsten entwickelten Ländernder Welt.

Klassifizierung der Armut

Um dem Elend in ihrem LandKonturen zu geben, hat die ru-andische Regierung eine poetischanmutende Klassifizierung der

Armut entwickelt. Nach dieserEinteilung haben die Allerärmsten„nicht einmal einen Fingernagel,um sich am Kopf zu kratzen“.Weniger schlecht gestellt sindall die, die mehr besitzen als ihrHemd auf dem Leib, freilichnoch nicht genug, um offiziellals arm eingestuft zu werden.Denn erst die dritte Kategorieder Bürgerinnen und Bürgerqualifiziert sich dafür, sie könnennämlich immerhin etwas Habund Gut vorweisen. Zusammenmit der Gruppe der Armen mitGrund und Boden, bilden dieseallerdings schon den Mittelstanddes Landes. Sie können es sichin der Regel leisten, ihre Kinderin die Schule zu schicken. DieseKinder stellen zugleich das größteKapital des Landes dar. JungeMenschen unter 25 Jahren ma-chen rund 70 Prozent der Be-völkerung aus. Da „das Landder tausend Hügel“ bei all sei-ner natürlichen Schönheit keineBodenschätze zu bieten hat undsowohl von den Weltmeeren alsauch von kontinentalen Handels-

verbindungen abgeschnitten ist,liegt für die politischen Entschei-dungsträger in der Entwicklungdes so genannten „human capital“die größte Hoffnung – zugleichaber auch eine immense Heraus-forderung. Deshalb ist das ThemaBildung in diesem Land soenorm wichtig.

Aus gutem Grund also hat dieruandische Regierung bereits inder Frühphase der Konsolidierungnach dem Genozid bei ihrenKooperationspartnern nachUnterstützung im Bildungssektorgefragt. So wurde die deutscheBundesregierung 1996 um einedetaillierte Expertise im Bereichder berufsorientierten Ausbildunggebeten. Als besondere Zielgruppewurden dabei die über eineMillion Jugendlichen ohne be-zahlte Beschäftigung genannt,die nach Ansicht der Verantwort-lichen einen hohen Risikofaktorfür die soziale und wirtschaftlicheStabilität des Landes darstellen.

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Ruandische Straßenkinder in derAusbildung zu Automechanikern

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Beitrag des DED

Nach eingehenden Konsulta-tionen wurde Ende 1997 vonder Gesellschaft für TechnischeZusammenarbeit (GTZ) unddem DED mit der Durchführungdes Vorhabens „Beschäftigungs-förderung für Jugendliche“ be-gonnen. Projektziel ist, jungeRuander dabei zu unterstützen,Initiativen zu ihrer ökonomischenund sozialen Integration sowiezur nationalen Versöhnung undzum Frieden in der Region zuverwirklichen. Spezielles Augen-merk wird dabei auf den Wieder-aufbau und die Qualitätsverbes-serung der Jugendausbildungs-zentren (Centre de Formationdes Jeunes – CFJ) gelegt, die aufjunge Menschen mit und ohnePrimarschulabschluss zugeschnit-ten sind. Aber auch die formalenberufsbildenden Schulen aufSekundarebene, ETO (EcolesTechniques Officielles) genannt,gehören in den Durchführungs-bereich der deutsch-ruandischenKooperation.

Der DED ist an diesem Vorhabenmit vier Projektplätzen beteiligt,die sich allesamt in ländlichen Regionen befinden. Entsprechendihrer komplexen Aufgabenstellung(Berufsausbildung und Versöh-nungsarbeit) wird von den Ent-wicklungshelfern eine besondereSensibilität im Umgang mit ihrerZielgruppe verlangt.

Eine der Fachkräfte des DEDist Ruth Pester-Hettche, die seitzweieinhalb Jahren im Ausbil-dungszentrum Nyanza im Südendes Landes tätig ist. Auf die Frage,ob ihr bei der Arbeit ihre Doppel-qualifizierung als Grafikdesignerinund Kunsttherapeutin zu Gutekomme, antwortet sie dezidiert:„Auf dem Papier ja, aber imUmgang mit den Auszubildendenist weniger fachliches Know-howgefragt als vielmehr Persönlichkeit.Wir machen hier ja keineTherapie, sondern wir bilden aus.Gerade in der künstlerischenArbeit mit den Auszubildendenist es spannend mitzuerleben, wiezutiefst verunsicherte Menschenlernen, über ihre Grenzen hinaus-zugehen. Die meisten meinerSchülerinnen und Schüler wagenes zunächst nämlich nicht, ihreIdeen, ihre Kreativität und letzt-endlich sich selber ernst zu neh-men. Doch genau darauf kommtes an.“ Die auslandserfahreneLehrerin unterstreicht, dass siebei ihren Auszubildenden wederNachforschungen anstellt nochTherapiemethoden ausprobiert:„Ich versuche für sie da zu sein,wenn sie mich brauchen undmache ihnen Mut sich auszu-drücken.“

Auch für Torsten Gerbitz, derin der Nähe des DreiländerecksRuanda-Tansania-Burundi fürden DED als Automechaniker-meister in der TechnischenFachschule Kibungo tätig ist,hat diese Regel Gewicht: „DieRuander gelten als verschlossen,und da ist etwas dran. Was hilftes, wenn ich meine Leute mitFragen löchere. Dann machensie erst recht dicht.“ Und wennihm dann – wie im letzten Aus-bildungsjahr geschehen – einAuszubildender von sich aus er-zählt, dass er seine Eltern im April1994 verloren hat, dann ist das

ein Indiz dafür, dass die behut-same menschliche Art des Lehrersgut bei den Schülern ankommt.

Die in der internationalen Presseimmer wieder aufgestellte These,dass die Ruander ein Volk vonTraumatisierten seien, zielt ausSicht der beiden Berufsschullehreram ruandischen Lebensalltagvorbei. Dazu Ruth Pester-Hettche:„Die jungen Leute tragen ihrTrauma doch nicht wie ein Schildvor sich her. Natürlich müssenwir davon ausgehen, dass fastalle, die im Frühjahr 1994 imLand waren, Schreckliches gese-hen oder gar miterlebt haben.Aber jeder verarbeitet so etwasauf seine Weise. Wer will ent-scheiden, wo die Gesundheit auf-hört und die Krankheit beginnt?“

In der Klasse von Torsten Gerbitzfinden sich sogar ein paar jungeLeute, die sich zu diesem Themaäußern wollen. Das StichwortVergangenheitsbewältigungscheint sie aus der Reserve ge-lockt zu haben. Als erster sprichtOlivier, der an der burundischenGrenze aufgewachsen ist undseinerzeit nicht enden wollendeFüchtlingsströme an seinemElternhaus vorbeiziehen sah.Irgendwann seien die Flücht-linge dann in die andere Richtunggegangen, wieder zurück nachRuanda. Das Morden hatteendlich ein Ende. Der forsche20-Jährige, der in seiner Freizeitbei einer Jazzdance-Gruppemitmacht, gesteht lächelnd:„Ich denke nie an diese Zeitenund kann gut damit leben. Amliebsten würde ich alles vergessen.“Olivia, zwei Jahre älter als erund das einzige Mädchen in derKlasse, pflichtet ihrem Mitschülerbei: „Meine sieben Geschwisterund ich konnten monatelangnicht aus dem Haus, weil wiralle Angst hatten. Nachts sind

Berufsbildung

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Den Auszubildenden hilft es, wenn dieLehrer zuhören und ihnen Mut machen

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wir dann zum Kartoffeln holenauf die Felder. Eine schrecklicheZeit. Warum soll ich daran zu-rückdenken?“

Rahmenbedingungen derAusbildung

Neben den Automechanikerngibt es in Kibungo noch eineganze Reihe anderer Ausbildungs-zweige: Maurer, Schreiner, Dreher,Elektrotechniker und andere.Insgesamt sind es 300 Jugend-liche, die alle in einem an dieWerkstätten angrenzenden In-ternat untergebracht sind.Finanziert wird die dreijährigeAusbildung, die pro Jahr umge-rechnet ca. 80 Euro kostet, ent-weder von den Eltern oder vomStaat. Für eine Förderung durchdie öffentliche Hand müssen je-doch soziale Gründe geltend ge-macht werden, über die in denHeimatgemeinden der Schülerentschieden wird – ein nichtunumstrittener Modus, da dielokalen Autoritäten dabei nichtimmer nach objektivenKriterien vorgehen.

Seit dem letzten Schuljahr gibtes eine dritte Finanzierungsform,und zwar die Unterstützungdurch FARG, den Fonds zurFörderung der Überlebenden desGenozids. In Kibungo werden48 Schüler von dieser Organi-sation finanziert, die meisten vonihnen Waisen, die im Genozidzum Teil sämtliche Angehörigeverloren haben. Alphonsine, dieMaschinenschlosserin lernt, isteine von ihnen. Dank der Unter-stützung durch FARG hat diejunge Frau aus Kigali ein Stückihrer Jugend zurückbekommen.Denn das Internatsleben in derETO-Kibungo entlastet sie invielen praktischen Dingen undnimmt ihr viel Verantwortung ab.Dadurch kann sie sich ungestört

auf ihre Ausbildung konzentrierenund sich langsam ein Bild vonder Zukunft machen. „Hier habeich gelernt, dass es überhauptso etwas wie eine Zukunft gibt.Zuvor bestand mein ganzesLeben aus meiner Vergangenheit,auch das Heute und das Morgen.“

In Kibungo hat sie angefangenTräume zu haben. Als Vorstands-mitglied des Clubs der FARG-Auszubildenden, einer Art Selbst-hilfegruppe für Genozidwaisen,möchte sie ihren Schicksalsge-nossinnen helfen. Und wenn siespäter im Berufsleben steht, willsie ihre beiden Geschwister, vondenen sie sich aus wirtschaftlichenGründen trennen musste, wiederzu sich holen. „Ich weiß, dassdas unbeschwerte Internatslebenwieder zu Ende gehen wird, aberich genieße jeden Tag, den ichhier bin.“Die Traumata aus ihrer Vergan-genheit und die Träume für ihreZukunft haben im geschütztenRaum der Schule nebeneinanderBestand und können dort auf-einander einwirken. Anders alsdie Automechaniker-LehrlingeOlivier und Olivia ist Alphon-sine davon überzeugt, dass ihre Erinnerungen, so grausam undschmerzlich sie auch waren, zuihr gehören und Teil ihrer selbstsind. Sie hat sich darüber schonviele Gedanken gemacht und oftdarüber diskutiert. Insbesonderesamstags, wenn sie sich mit ihren

Freundinnen und Freunden vomFARG-Club trifft, nehmen siees manchmal mit den schwerenFragen des Lebens und Überle-bens auf. Aus dem Brustton derÜberzeugung stellt sie fest: „DieVergangenheit lässt sich vielleichtvergessen machen, auslöschenaber lässt sie sich nicht.“

Gerd Scheuerpflug ist Psychologeund seit 2002 für den ZivilenFriedensdienst (ZFD) in Ruandatätig

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10 Jahre nach dem Genozid: Die Wundensind vernarbt, doch nicht verheilt

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Kambodscha, das kleine Landin Südostasien, bekannt für

die Angkor Tempel, die RotenKhmer und das Lächeln. Kam-bodscha ist flächenmäßig halbso groß wie Deutschland. Hierleben ca. 13 Millionen Menschen,über die Hälfte von ihnen sindjünger als 25 Jahre. Nach kam-bodschanischer Definition ist manbis zum Alter von 35 Jahren einJugendlicher. Aber das Alter istnur eine Möglichkeit, sich derJugend zu nähern.

In der Nähe von Phnom Penhgibt es ein Zentrum für Nonnenund Laienfrauen. Laien sindMenschen, die Nonnen undMönche unterstützen, indemsie ihnen täglich zu Dienstensind. Dieses Zentrum ist Teil einergroßen Nonnenorganisation mitmehr als 10.000 Mitgliedern.Seit Beginn dieses Jahres gibt esdort ein Mädchenbildungsprojekt.Zehn jugendliche Mädchen ausarmen Familien erhalten dieMöglichkeit, weiterhin in eineöffentliche Schule zu gehen und

Basisunterricht in Weberei, vege-tarischer Küche, buddhistischerLehre sowie Haushaltsführung zuerhalten. Sie werden von Nonnenbetreut und bekommen genugzu essen, was an sich schon einenhohen Wert hat. Eine von mirverfolgte Diskussion in diesemZentrum verdeutlicht, welchenStellenwert Bildung hat, insbe-sondere für Mädchen: EineMutter von acht Kindern, diesie zum größten Teil freiwilligversorgt, da deren Eltern an HIV/Aids verstorben sind, hörte vondiesem Mädchenprojekt undbrachte eine ihrer Töchter in dasNonnenzentrum. Die Sechzehn-jährige ist in ihrer vorherigenSchule eine enge Freundschaftmit einem Jungen eingegangen.Um Gerüchten und einer frühenHeirat vorzubeugen, hatte dieMutter das Mädchen aus derSchule genommen. Die Diskus-sion unter den Nonnen gingnun darum, ob dieses Mädchentatsächlich das Kriterium der„völligen Armut“ erfüllt, da dieMutter als Bäuerin ihre Kinderernähren kann. Sie entschieden,dass das Mädchen vorerst imZentrum bleiben kann.

In Kambodscha gibt es ein Minis-terium für Jugend, Erziehungund Sport. Es gibt auch einGesetz, das Kinder zu neunJahren Schule verpflichtet undihnen für diese Zeit kostenfreienUnterricht zusichert. Fakt ist,dass viele Lehrer einen täglichenGeldbetrag von den Schülernund Schülerinnen erwarten unddass diese auch die Unterrichts-materialien bezahlen müssen.Erfolgt dieser Beitrag nicht,werden die Kinder nicht beachtet.

Aufklärung

Rithi, ein Menschenrechtsaktivisteiner lokalen Jugendorganisation,kämpft seit Gründung der Orga-nisation im Jahr 1992 für dasRecht auf Bildung. Das bedeutetfür ihn vor allem freien Zugangzu Informationen. Seine Organi-sation führt Aufklärungsarbeitin der Hauptstadt und in Dörferndurch. Die Zielgruppe sind jungeLeute im Alter von 16 bis 35Jahren. Nicht nur für Rithi,sondern auch für die anderenTrainer und Trainerinnen derOrganisation ist es schwer, dieunter 25-Jährigen in den Dörfernanzutreffen. Spätestens nach Ab-schluss der Schulpflicht gehenviele junge Menschen auf Wan-derschaft und versuchen Geldzu verdienen. Viele Mädchenarbeiten in Bekleidungsfabriken,einige Jungen kommen in denTempeln als Mönche auf Zeitunter, andere verdingen sich alsWanderarbeiter auf Reisfeldernoder Baustellen. Diejenigen, diewieder in die Dörfer zurück-kehren, tun dies, um Familienzu gründen bzw. ihre Herkunfts-familie vor Ort besser zu unter-stützen – oder weil sie gescheitertsind.

Rithi erzählt, dass sich besondersin den Städten viele privateAusbildungsstätten etablieren.Sie treffen auf neugierige, bil-dungshungrige Jugendliche, dieangesichts der wenigen Vergleichs-möglichkeiten begierig alles aus-probieren und ihre Familiendrängen, die zum Teil horrendenSummen zu bezahlen. Viele ver-schulden sich auf lange Zeit fürdie Bildungswünsche ihrer Kinder.

Berufsbildung

Um das Recht auf Bildung in Kambodscha durchzusetzen und den Menschen Angebote zu machen,damit sie sich ihren Interessen und Fähigkeiten gemäß ausbilden können, ist noch viel Aufklä-rungsarbeit notwendig. Heidrun Ziegler beschreibt die schwierige Situation, der Jugendliche –und insbesondere junge Frauen – in Kambodscha ausgesetzt sind.

Ein Recht auf BildungHeidrun Ziegler

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Überwiegend Mädchen aus armenFamilien erhalten Unterricht imNonnenzentrum

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SarNy, die Koordinatorin fürFrauentrainings in derselbenJugendorganisation, berichtet vonDörfern, in denen regelmäßigMädchen mit dem Versprechenauf eine Ausbildung angeworbenwerden, um dann aber an Bordelleund Fabriken im In- und Auslandverkauft zu werden. Um ihneneine Rückkehr zu erschweren,schneidet man ihnen beispiels-weise die Haare kurz. LangeHaare sind nicht nur ein Schön-heitssymbol, sondern sprechenauch für die Gesundheit undVollständigkeit des Mädchens.

Schwierige Rahmenbedingungen

Um ein Handwerk zu erlernen,gehen viele Jugendliche als un-bezahlte Helfer in Werkstättenund lernen durch diese Mitarbeit.Wenn der Chef zufrieden ist,entscheidet er über das Ende derLehrzeit und den Beginn einesbezahlten Arbeitsverhältnisses.Da Jugendliche in vielen Fällendie Familie verlassen, um eineAusbildung zu absolvieren oderdas Familieneinkommen zu ver-bessern, ist es für die meistenMädchen und jungen Frauenkaum möglich, eine weiterfüh-rende Ausbildung zu absolvieren.Hinzu kommt, dass die Mädchenstreng behütet werden. Einigeerlernen bei einer Tante oderSchwester den Beruf der Friseurinoder Schneiderin. Kurse wie dieder Jugendorganisation sind oftder einzige Weg, um sich weiter-bilden zu können.

Bei den Kursen haben die Trainerund Trainerinnen mit vielerleiVorstellungen zu tun. So besagtnach der gängigen Interpretationdas Gesetz der Wiedergeburt, dassim Falle von Armut und Krank-heit die Menschen im vorherigenLeben schlecht gewesen sind und

sie nun ihre Strafe ertragen müs-sen. Eine andere Idee bezieht sichauf die Wertlosigkeit von Frauen:Während Frauen mit einem StückStoff verglichen werden, setztman Männer mit Gold gleich.Zudem dürfen die gültigen so-zialen Ränge nur sehr vorsichtigin Frage gestellt werden. DasMenschenbild in Kambodschagesteht dem Einzelnen wenigKreativität zu und ist stattdessenvon einer großen Abhängigkeitgegenüber Experten, Eltern undHöherrangigen geprägt.

Wenig untersuchte Kriegsver-brechen, schwere Traumata undfortgesetzte Menschenrechtsver-letzungen wirken sich mehr oderweniger bewusst auf die intellek-tuelle Entwicklung und Persön-lichkeitsentfaltung der jungenGeneration aus. Entsprechend derneuesten Forschungsergebnissedes kambodschanischen Doku-mentationszentrums über denMassenmord unter den RotenKhmer sind 60 Prozent der An-alphabeten traumatisiert undleiden unter den Folgen derVerbrechen. Die Analphabeten-rate – bezogen auf die Bevölke-rung über 14 Jahre – beträgt inKambodscha 30 Prozent, das

bedeutet, dass über 60 Prozentder Gesamtbevölkerung wederlesen noch schreiben können.

Die andauernde Angst vor einemerneuten Kriegsausbruch oderanderen Aggressionen, das stän-dige Reaktivieren verdrängterErlebnisse durch das hohe Ge-waltpotenzial sowie extremeExistenznöte stellen sehr hoheAnforderungen an die Jugend-lichen, die nach Veränderungdrängen. Diese Jugendlichen sindVermittler zwischen der angst-erfüllten Elterngeneration undder Zukunft ihrer eigenen Kinder.Um dieser Funktion gerechtwerden zu können, brauchensie Anregungen, Wissen undFreiraum zur Entwicklung, kurz:Bildung. Und für das Recht aufdiese Bildung streitet Rithi nichtallein auf typisch freundliche,kambodschanische Art und Weise.

Heidrun Ziegler ist Sozialpäda-gogin und seit 2002 Entwicklungs-helferin des DED in Kambodscha

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Kambodschanische Jugendliche:aufmerksam und bildungshungrig

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Im Sahelstaat Niger, einem derärmsten Länder der Welt, leben

80 Prozent der Bevölkerung aufdem Land, wo Subsistenzwirt-schaft die Lebensgrundlage bildet.Hier tragen die Frauen die Haupt-last der täglichen Überlebenssi-cherung. Und die Lebensbedin-gungen sind hart: Eine gesundeund ausreichende Ernährung, derZugang zu Wasser und Holz, zumedizinischer Versorgung, Bil-dung und Ausbildung ist kaumoder gar nicht gesichert. Trotzihrer beträchtlichen Verantwor-tung für die Überlebenssicherungder Familie sind die Frauen ge-sellschaftlich benachteiligt undaufgrund soziokultureller undrechtlicher Restriktionen in ihremHandlungs- und Entscheidungs-spielraum stark eingeschränkt.Viele Mädchen werden bereitsmit 14 und 15 Jahren verheiratet.Eine Frau bekommt im Durch-schnitt 7,1 Kinder und jede siebteFrau läuft Gefahr, im Kindbettzu sterben. Ungefähr ein Drittelder Kinder wird nicht älter als 5Jahre. 92 Prozent der Frauen und79 Prozent der Männer sind

Analphabeten und der Anteilder Mädchen an der Grundschul-bildung beträgt 36 Prozent. DieZahl der Schulabgänger, die dieGrundschule verlassen ohne lesenund schreiben zu können, istmit ca. 40 Prozent sehr hoch.Die überwältigende Mehrheitder Nigerinnen geht keinerErwerbstätigkeit außerhalb desFamilienverbandes nach (ca. 84Prozent). Im Erwerbsbereichfindet man die meisten Frauenim Informellen Sektor. DieFrauen versuchen sich vor allemmit Kleinsthandel und demVerkauf eines Teils ihrer Subsis-tenzproduktion über Wasser zuhalten (z.B. Verkauf von Korb-,Töpfer- und Flechtwaren, Milch-produkten, Eiern, Gemüse, Näh-,Strick-, Batik- und Stickarbeiten).Das Einkommen dient dazu,Grundbedürfnisse ihrer Familie zubefriedigen. Diese frauenspezifi-schen Aktivitäten im InformellenSektor zeichnen sich vor allemdadurch aus, dass sie arbeitsin-tensiv sind und wenig Geld ein-bringen.

Grundausbildung

Im Rahmen des Frauenförder-programms der katholischenKirche Nigers werden über dasfür Entwicklungsarbeit zuständigeKoordinationsbüro BALD (Bu-reau d’Animation et de Liaisonpour le Développement) 10Frauenbildungszentren und ca.60 Frauengruppen bzw. -koope-rativen landesweit mit dem Zielbetreut, die Lebensbedingungender Menschen in Niger zu ver-bessern und die Teilhabe derFrauen am gesellschaftlichenEntwicklungsprozess zu fördern.Die Mehrzahl der Mädchen undFrauen in den Zentren verfügtüber keine oder nur über eineunzureichende Schulausbildung.Die zwei- bis dreijährige Aus-bildung in diesen Zentren gehtdementsprechend nicht über eineGrundausbildung hinaus. DasAngebot in den Zentren umfasstpraktische Ausbildung im haus-wirtschaftlichen Bereich (Nähen,Stricken, Sticken, Häkeln undKochen), Alphabetisierung inder Muttersprache und in Fran-zösisch sowie Allgemein- undBewusstseinsbildung. Hier werdenThemen der Gesundheitserzie-hung und Familienplanung sowieFragen über das Leben in derFamilie und der Gemeinschaft,über die Geschlechterrollen, dieKindererziehung und zu Demo-kratie und Menschenrechten erörtert.

Die während der Ausbildungerworbenen Kenntnisse undFähigkeiten befähigen die Frauen,ihr eigenes Leben bewusster zuleben und im eigenen Haushaltbesser zu wirtschaften. Den

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Berufsbildung

Ausbildung von Mädchen und Frauen im DienstleistungsbereichLuzia Köberlein

Kaum Zugang zu Bildung, fast keine Möglichkeiten einer Erwerbstätigkeit nachzugehen – Frauenin Niger sind gesellschaftlich massiv benachteiligt und haben so gut wie keine Möglichkeiten,sich persönlich zu entfalten. Luzia Köberlein beschreibt neben Initiativen zur Verbesserung derStellung der Frau in Niger auch die individuellen und gesellschaftlichen Vorbehalte dagegen.

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Die Arbeit im Informellen Sektor istarbeitsintensiv und bringt nur wenigGeld ein

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wenigsten gelingt es aber, sichnach Ausbildungsabschluss insBerufsleben zu integrieren bzw.ein Einkommen zu erwirtschaf-ten, das finanzielle Unabhängig-keit gewährleistet. Außer imSchneider- und Friseurhandwerkgibt es für Frauen mit geringemschulischem Bildungsniveaukaum Ausbildungsmöglichkeiten.Angesichts der nigrischen Markt-bedingungen ist es äußerstschwierig, neue einkommen-schaffende Aktivitäten zu ent-wickeln. Zu den Schwierigkeiten,einen lokalen Absatzmarkt fürneue Produkte und Dienstleis-tungen zu finden, kommt nochdie strenge geschlechtsspezifischeRollen- und Arbeitsteilung hin-zu, die Frauen den Zugang zumöffentlichen Leben und einträg-licheren Beschäftigungen er-schwert oder sogar versperrt.Eine von BALD durchgeführteUmfrage ergab, dass Frauen miteiner Ausbildung in Hauswirt-schaft, Gastronomie und in derLebensmittelverarbeitung Er-werbsmöglichkeiten findenkönnen. Dies trifft vor allemfür den städtischen Raum – insbesondere für die HauptstadtNiamey – zu, wo Geld- undWarenzirkulation eine größereRolle spielen als auf dem Lande.

Einrichtung eines Berufs-ausbildungszentrums

Mit dem Ziel, die Erwerbsmög-lichkeiten von Frauen und Mäd-chen zu erhöhen und „klassische“weibliche Berufe aufzuwerten,wird das Frauenförderungspro-gramm des katholischen Nigersum ein Berufsausbildungszentrumerweitert. Zum Jahresende wirddas neue Zentrum namens GidanGwaninta seine Pforten öffnen.Zielgruppe sind Mädchen undFrauen aus Niamey zwischen16 und 40 Jahren, die motiviert

sind, eine berufliche Existenz zugründen oder als Angestellte imDienstleistungsbereich zu arbeiten.Angeboten werden Ausbildungs-module im Bereich Hauswirt-schaft, Kinderpflege, Lebensmittel-konservierung und -veredelungsowie im Bereich Gastronomie.

Vermittlung vonSchlüsselqualifikationen

Dies sind Ausbildungsfelder, diezwar Verdienstmöglichkeiten er-öffnen, aber als Berufe in Nigerwenig Ansehen genießen. In ni-grischen Familien werden nichtselten weibliche Verwandte vomLande als Haushaltshilfen einge-bunden (sogenannte „bonnes“),die oft nur für Kost und Logisarbeiten. Auch Arbeitsmigrantenund -migrantinnen sind als An-gestellte in privaten Haushaltenoder im Gastronomiebereich tätig.Weibliche Beschäftigte, dieaußerhalb der Kontrolle der eige-nen Familie in diesen Berufs-feldern tätig sind, werden nichtselten als Sexualobjekte betrachtetund missachtet. Um das Ansehendieser Berufe aufzuwerten, bedarfes nicht nur entsprechender In-formations- und Sensibilisierungs-kampagnen, sondern auch einerberuflichen Qualifizierung undgeregelter Arbeitsverhältnisse,welche die Ausbeutung derArbeitskräfte einschränken undpersönlichen Entfaltungsspielraumermöglichen. Dementsprechendist es unabdingbar, neben tech-nisch-praktischen Kenntnissenauch beruflich relevante Schlüssel-qualifikationen und Strategien zurAlltagsbewältigung zu vermitteln:Arbeitsrecht, Kommunikations-und Selbstbehauptungstraining,Organisation von Selbsthilfe-und Interessensgruppen, Basis-gesundheitserziehung und Fa-milienplanung werden wichtigerBestandteil der Ausbildung sein.

Die Ausbildung soll in der Lokal-sprache durchgeführt werden,um auch Mädchen und Frauenohne bzw. mit geringer Schul-bildung die Teilnahme an derAusbildung zu ermöglichen. Siekönnen in entsprechenden Alpha-betisierungskursen Französisch-kenntnisse erwerben oder erweitern.

Sensibilisierung undAufklärung

Umfragen in den bestehendenBALD-Frauenbildungszentrenund in Frauenstadtteil- undNachbarschaftsgruppen habengezeigt, dass Mädchen undFrauen motiviert sind, sich inden genannten Bereichen aus-zubilden, um finanzielle Eigen-ständigkeit zu erreichen. Väteroder Ehemänner stehen derErwerbstätigkeit ihrer Töchterund Frauen im Dienstleistungs-bereich aber eher ablehnendgegenüber. Das Konzept desneuen Ausbildungszentrums siehtdeshalb die Einbeziehung derAuszubildenden und ihrer Umweltin die Programmgestaltung vor.Das heißt, die Animatricen (Fach-frauen im Bereich Erwachsenen-bildung) des Zentrums gehen indie Stadtteile, um den Kontaktund das Gespräch mit der Be-völkerung über die Bedeutung vonAusbildung und Beschäftigung

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Ein Bestandteil der Ausbildung derMädchen im Gidan Gwaninta-Zentrumist die Gesundheitserziehung

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für das Individuum zu suchen unddie Auswirkungen weiblicher Er-werbstätigkeit auf das Geschlech-terverhältnis, das Familienleben,das Gemeinwesen und die Gesell-schaft zu erörtern.

Das Zentrum öffnet sich nichtnur den Auszubildenden, sondernauch der interessierten Öffent-lichkeit. Es ist vorgesehen, dieAuszubildenden mehr und mehreinzubinden und ihnen im zen-trumseigenen Betrieb Verantwor-tung zu geben. Außerdem sollenKinderbetreuungs- und Kinder-freizeitangebote, Ausstellungensowie Film- und Kulturabendefür die Bewohner des Stadtteilsorganisiert werden. Diese An-gebote werden nicht nur dasLeben im Stadtteil bereichernund Vorurteile abbauen, sondernauch zur Eigenfinanzierung von

Gidan Gwaninta beitragen undeine praxisnahe Ausbildung ge-währleisten.

Das Projekt strebt an, Frauen nichtnur als Angestellte für privateHaushalte oder den Restaurant-und Hotelbereich zu qualifizieren,sondern ihnen auch die not-wendigen Kompetenzen zu ver-mitteln z.B. für die Gründungeigener, gewinnorientierterKleinstprojekte wie Wäscherei-und Bügelservice oder einerSnack-Bar. Dementsprechendsollen Kurse zu Existenzgründungund Unternehmensführung an-geboten werden.Ein besonderer Arbeitsschwer-punkt des AusbildungszentrumsGidan Gwaninta ist die Beglei-tung und Unterstützung derAuszubildenden im Prozess ihrerberuflichen Eingliederung. Der

Übergang in die Erwerbsarbeitund Beschäftigung soll durchVermittlung der Auszubildendenin Praktika sowie durch eineBeratung bei der Planung undUmsetzung von Existenzgrün-dungsprojekten erreicht werden.Die Zusammenarbeit mitOrganisationen, die Kleinkreditevergeben, soll dabei eine wesent-liche Rolle spielen. Außerdemist vorgesehen, Beratung beiKonflikten und Schwierigkeitenam Arbeitsplatz anzubieten.

Luzia Köberlein ist Pädagoginund war von 2001 bis 2004Entwicklungshelferin des DEDin Niger

Gelegen zwischen Libyen,Sudan, der Republik Zen-

tralafrika, Kamerun, Nigeriaund Niger, gehört der Tschadzu den Sahelländern, die weit-gehend in Vergessenheit geratensind. Ein 20 Jahre dauernderBürgerkrieg beherrschte das Landbis hinein in die 90er Jahre.Die durchschnittliche Lebens-erwartung der Tschader beträgtnur 47 Jahre. Ein desolatesVerkehrsnetz erschwert das Lebenin diesem Land genauso wie dieSprachenvielfalt von über 200Ethnien. Zudem gibt es einBevölkerungsgemisch von Mus-limen und Christen und einen

Kampf zwischen Ackerbauernund Viehzüchtern, die um dieNutzung des Landes kämpfen.Diese Voraussetzungen lassendie schwierigen Arbeitsbedin-gungen für einen Entwicklungs-helfer (EH) erahnen und bildenden Hintergrund für die Be-schreibung eines Programms fürWirtschafts- und Beschäftigungs-förderung (WBF) des Tschads,das zwischen 2000 und 2002begonnen wurde. Gemäß demDED-Leitbild der Basisnähewar der unmittelbare Kontaktmit der Zielbevölkerung (indiesem Fall mit Handwerkernund Kleinstunternehmern in

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Berufsbildung

Berufliche Qualifizierung im TschadStephan Kunz

Die Bedingungen für berufliche Qualifizierungen im Tschad sind äußerst schwierig. Stephan Kunzzeigt, wie die Folgen eines 20 Jahre dauernden Bürgerkriegs den wirtschaftlichen Wiederaufbau erschweren. Aber er berichtet auch von ersten Erfolgen und tragfähigen Konzepten, die den Weg indie Zukunft weisen.

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Ausbildungskurse für Kleinstunternehmersind im Tschad von besonderer Bedeutung

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der Hauptstadt N’Djaména)der Ausgangspunkt unsererAktivitäten.

Schwieriger Beginn

Das WBF-Programm – gegrün-det 1995 – basierte in seinenAnfangsjahren auf einzelnenArbeitsplätzen. Hier wurden imWesentlichen erste Erfahrungengesammelt, die mittelfristigkonzeptionelle Schritte ermög-lichen sollten. Der Tschad befindetsich nach dem Bürgerkrieg –das heißt seit den 90er Jahren –im langsamen Wiederaufbau.Viele der dort vertretenen inter-nationalen Hilfs- und Regierungs-organisationen sondieren nochheute das Terrain und untersuchendie Möglichkeiten für nachhal-tige Aktivitäten. So stellte sichim Laufe der ersten Jahre heraus,dass alle Aktivitäten im zentral-afrikanischen Land Geduld undZeit erfordern. Daher war esumso notwendiger, die Bevölke-rung von Anfang an aktiv undverbindlich in die Programmeeinzubinden. Programmansätze,die die konkrete Verantwortungder Tschader ignoriert haben,sind nach Auslaufen der Projekt-gelder (sprichwörtlich) im Sandeverlaufen.

Die mangelnde Einbeziehungder Tschader in die Verantwor-tung begründet sich insbesonderein der Tatsache, dass beruflicheErfahrung und fachliches Wissender Tschader in vielen Bereichennoch unzureichend sind. Diestrifft auch auf den politischenApparat zu. Vor diesem Hinter-grund entwickelte der DED einWBF-Programm, das sichschwerpunktmäßig auf Beratungkonzentrierte, eine Beratungauf politischer Ebene, um Ent-scheidungen inhaltlich undkonzeptionell zu untermauern,

aber auch Beratung auf der Ebeneder Handwerker und Kleinst-unternehmen, um dort die be-rufliche Qualifizierung undBeschäftigung konkret zu fördern.Der DED im WBF-Sektor desTschads wollte zwischen Politikund Zielbevölkerung vermitteln.

Den Dialog suchen

Doch zunächst musste einKonzept erstellt werden. Wollteman die Regierung – in diesemFalle die staatliche Kommissionfür Bildung, Ausbildung undBeschäftigung – für neue Hand-lungsschritte in Bezug auf denso genannten Informellen Sektor(hier Synonym für Kleinstunter-nehmen) überzeugen, benötigteman gute Argumente. Wollteman den Handwerkern denZweifel nehmen, damit sie dochmit der kritisch beäugten Re-gierung zusammenarbeiten,musste man auch hier denHebel ansetzen.

Für eine öffentliche Podiums-diskussion wurde ein Videoproduziert, um den über 140Beteiligten aus Politik, Ausbil-dungssektor, Wirtschaft, Mediensowie den Handwerkern dieprekäre Beschäftigungssituationvor Augen zu führen und eingemeinsames Gespräch zu er-möglichen. Der Aufwand lohntesich. Die staatliche Kommissionänderte ihr Bild über die angeb-lich notorisch nicht-steuerzahlen-den Handwerker und registrierte,dass über 70 Prozent der berufs-tätigen städtischen Bevölkerungim Informellen Sektor (IS) ar-beitet. Auf der anderen Seitezeigten sich Handwerker undKleinstunternehmer erstaunt,dass die Regierung doch ge-sprächsbereit war und es bereitsFörderansätze gab. Durch dieAusbildungssteuer der wenigen

Industrien im Land wurden ins-besondere kleinteilige, modulareAusbildungskurse für die jewei-ligen Berufsgruppen des IS imTschad finanziert.

Studie über Betriebe undBerufsbilder

Die Veranstaltung diente auchdazu, Hintergrund und Idee füreine Studie über den IS inN’Djaména vorzustellen. Dieöffentliche Zusage der Regierungs-vertreter vor laufenden Kameraswar zugleich eine konkrete Ver-pflichtung gegenüber den Hand-werkern. Ausgestattet mit einemgeringen Budget war es Ziel derStudie darzustellen, inwieweitsich die zahlreichen Betriebeund Berufsbilder unterschieden.Zum anderen sollte das Profildes IS nicht verallgemeinertwerden. In den 780 Stunden dermehrteiligen Befragungen wurdennicht nur messbare Daten zuUnternehmen und ihren Beschäf-tigten ermittelt, sondern auch in-haltliche Fragen zur Produktions-und Beschaffungskette gestellt,zu interner Betriebsorganisation,dem Spannungsdreieck zwischenKunden, Lieferanten und Wett-bewerbern, ihrer fachlichenQualifizierung sowie zu Problem-faktoren und Zukunftsperspek-tiven.

230 Betriebe wurden kartogra-fisch in acht verschiedenenStadtteilen erfasst und von vierInterviewgruppen befragt. Diesesetzten sich zusammen aus 12arbeitslosen Tschadern, dieebenfalls verschiedene Berufs-gruppen vertraten und für ihrenEinsatz durch die EH geschultwurden. Zudem konnten sie diedominierenden Ethnien undSprachen in den Interviewteamsabdecken. Die EH hatten wäh-rend der Befragung beratende

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Berufsbildung

und organisatorische Funktion.Gemeinsam mit ihren einheimi-schen Kollegen lag ihre Haupt-aufgabe darin, die Ergebnissesystematisch zu erfassen, zuuntersuchen und auszuwerten.

Die Rahmenbedingungen warenschwierig und umso erstaunlicherwar es, dass es im Rahmen derdreimonatigen Untersuchungund Befragung keine Ausfällegab. Im Gegenteil: Die Interview-gruppen erkannten, dass es nichtallein darum ging, Daten undAntworten zu sammeln. Siesollten den Handwerkern undKleinstunternehmern Zusam-menhänge ihrer Arbeit ersichtlichmachen und sie animieren, überihre eigene Situation systematischnachzudenken. Eine systematischeZielgruppen- und Bedürfnisun-tersuchung half, Probleme, diesich in der Praxis stellen, zu ver-stehen und diente dazu, Vertrauenzu den Menschen aufzubauen.Allen Beteiligten wurde bewusst,dass Modellvorstellungen wie sieteilweise immer noch durch dasdeutsche duale Berufsbildungs-system verkörpert werden, imTschad wenig Hoffnung auf Erfolg haben. Es fehlen die adäquaten Voraussetzungen imAusbildungssektor und auf demArbeitsmarkt. Unsere in Deutsch-land gefragten Kompetenzenmüssen für alle Berufsbilder imTschad stark reduziert werden.Die Nachfrage und Qualität derProdukte ist nicht zu vergleichen.Demnach muss die beruflicheQualifizierung im Tschad nacheigenen Wegen suchen, so daserste Zwischenergebnis der Studie.

Ergebnisse

Auffallend war, dass im Vergleichzu anderen Regionen im Tschadnur 6 Prozent der befragtenUnternehmen in N'Djaména

Familienbetriebe sind. Diese extrem niedrige Rate weist daraufhin, dass die traditionellen Fa-miliennetze in der Stadt kaumnoch intakt sind. Einfache Buch-haltung wurde selten gemacht.Zwar konnten fast 60 Prozentder Betriebe nachweisen, dass sieSteuern und gewerbliche Abgabenan die Staatskasse leisteten, docheine Übersicht über weitere Ein-nahmen und Ausgaben war nichtvorhanden. Dies liegt zum Teilan der Bildungsarmut – 42,2Prozent sind nicht alphabetisiert –zum anderen auch an der Not-wendigkeit, ökonomisch aktivwerden zu müssen. Die relativepolitische Ruhe im Land hatteeinen Gründungsboom im Hand-werk innerhalb der letzten zehnJahre ausgelöst. 80 Prozent derBetriebe wurden in dieser Zeitgegründet.

Die Rahmenbedingungen derHandwerker sind schwierig. Nur11,6 Prozent der Beschäftigtenim IS verfügen über schriftlicheArbeitsverträge. Ausbildung läuftnoch immer gemäß dem Mottolearning by doing. Man schautdem Patron über die Schulterund versucht dessen Fertigkeitenohne Anleitung zu kopieren.Lediglich im Bau- und Elektronik-handwerk können 65 bzw. 87,9Prozent der Handwerker eineformale Ausbildung vorweisen.Doch fehlen hier, wie bei denanderen Berufsbildern auch, geeignete Maschinen und Techno-logie, um Produkte und Service-leistungen in besserer Qualitätanzubieten. Auch der Zugangzu Kapital ist ein wesentlichesProblem, auf das man Antwortenfinden muss.

Ein weiteres Ergebnis der Studiewar, dass Frauenförderung imHandwerk sich allein auf dasSchneiderhandwerk beziehen

konnte. Der Frauenanteil in denanderen fünf Berufsgruppen istverschwindend gering und gesell-schaftlich nicht relevant. Die 32,5Prozent Frauen im Schneider-handwerk überzeugten durchbessere Qualität und Ausbildung.Doch ein Übermaß an Wettbe-werbern verursacht eine ruinösePreispolitik. Ohne Rücksicht aufdie Qualität der Produkte sinddie Preise oft vereinheitlicht –eine Beobachtung, die in allenfünf Berufsgruppen festgestelltwurde.

Strategie

Eine Strategie zur unmittelbarenFörderung der Handwerker imTschad lässt sich nach den Er-gebnissen der Untersuchungwie folgt zusammenfassen: Dieklassische Berufsausbildung istpassé. Die Konzentration liegt aufder Vermittlung von technischenSchlüsselqualifikationen, die dieKompetenzen der Handwerkerin Bezug auf Marktnachfrage,existierende Technologie undvorhandene Rohstoffe verbessert.Voraussetzung für den Zugang zuKapital ist ein Grundverständnisfür einfache Buchhaltung. Dieswird von den Banken eingefordert.Daher sollte ein weiteres Quali-fizierungsmodul sich mit Rech-nungswesen, Marketing undBetriebsorganisation befassen. Diesin angepasstem Maße, immerbezogen auf das niedrige Bil-dungsniveau und den konkretenBedarf der Kleinstunternehmer.Dies bedeutet jedoch auch, dassfunktionale Alphabetisierungskurseim Rahmen der Erwachsenen-bildung als wichtiges Elementfür die Qualifizierung der Hand-werker begriffen werden sollten.Beratung und Stärkung vonHandwerkergruppen als viertesModul bedingt die Kommuni-kationsfähigkeit der Handwerker.

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Neben ihrer unternehmerischenKompetenz sollte die Verständi-gung der Handwerker unterei-nander gefördert werden, da siegemeinsam leichter für ihre Rechteeintreten können. Dies sindBasiselemente zur Förderungvon Zivilgesellschaften unddem Aufbau von Demokratien.

Diese vier Module bilden denAnsatz zur angepassten beruf-lichen Qualifizierung im Tschad.Sie wurden auch offiziell im nationalen Ausbildungs- undBeschäftigungsprogramm ver-ankert. Seit Beendigung derStudie war es die Aufgabe derEH, Lehrgänge und Materialienfür die einzelnen Module zuentwickeln und zu erproben.Denn erst danach ist es möglich,entsprechende theoretische undpraktische Lehrinhalte zu erar-beiten und Rahmenbedingungenfür den Wissenstransfer zu or-ganisieren. Dazu müssen unteranderem berufspädagogischeKompetenzen an lokale Expertenvermittelt und entsprechendePartnerorganisationen gefunden

werden. Mit Hilfe der Weltbankbeispielsweise konnte das ModulRechnungswesen, Marketingund Betriebsorganisation bereits2002 begonnen werden. ErsteBetriebe erhielten Kredite vonlokalen Banken. StaatlicheProgramme ermöglichten tech-nische Kurse zur Vermittlungvon Schlüsselqualifikationen.Funktionale Alphabetisierungwurde für Schlosser und derenAuszubildende initiiert.

Fazit

Ein Weg, der hoffentlich rich-tungsweisend ist, aber auch langund beschwerlich sein wird. DerFaktor Zeit spielt in der Arbeitdes Tschads eine wesentlicheRolle. Ein bis zwei Generationenwerden nötig sein, um Qualifi-zierung für eine breite Gruppevon Handwerkern im Tschad zubewerkstelligen. Dabei wird eshilfreich sein, alle Teilschritte derjeweiligen EH-Generationendetailliert zu dokumentieren, umWissen festzuhalten. Die Feld-arbeit im Tschad hat uns gelehrt,

dass auch in einem Land, das aufRanglistenplatz 166 des Indexzur menschlichen Entwicklungsteht, viel zerstört werden kanndurch unüberlegte und nichtangepasste Maßnahmen. Aufdem Spiel stehen Hoffnung undVertrauen der Menschen, diesich ein besseres Leben wünschen.

Stephan Kunz ist Pädagoge undwar von 2000 bis 2004 Entwick-lungshelfer des DED im Tschad

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Qualifizierungsmodule ersetzen die klassische Handwerkerausbildung

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Berufsbildung

Seit Mai 2002 arbeite ich imBereich Wirtschafts- und Be-

schäftigungsförderung/BeruflicheBildung in Afghanistan. In diesen11/2 Jahren erlebte ich einen un-glaublichen Wiederaufbau in dengroßen Städten wie Kabul undHerat, wissbegierige und fleißigeMenschen, stundenlang wartendeBewerber für ausgeschriebeneTrainingskurse und Arbeitsange-bote. Die berufliche Anpassungs-qualifizierung steht heute nocham Anfang, denn nach 23 JahrenBürgerkrieg muss Bildung fürGenerationen nachgeholt werden.

Afghanistan zählt heute zu denärmsten Länder der Welt. DieLage der Bevölkerung hat sichwährend der zahlreichen kriege-rischen Auseinandersetzungenstetig verschlechtert. Die Ent-

wicklungszusammenarbeit derinternationalen Geberländer mitAfghanistan kam nach 1979 fastvöllig zum Erliegen. Die VereintenNationen gehen von 7,5 Mio.Flüchtlingen und Vertriebenenaus. Im Jahr 2002 zählte das Amtdes Hohen Flüchtlingskomissars(UNHCR) 1,8 Mio. Flüchtlings-rückkehrer und geht für das lau-fende Jahr 2003 von 1,2 Mio.aus [Quelle: Annual ReportGTZ LOARR 2002 & 2003].

Die 2002 einsetzende Wiederbe-lebung der Wirtschaft beschränktsich größtenteils auf den infor-mellen Handel und betrifft fastausschließlich die Einzugsgebieteder größeren Städte des Landes.Die Rahmenbedingungen sowohlfür inländische als auch für aus-ländische Investoren sind nicht

zuletzt wegen der instabilen Sicher-heitslage noch nicht besonders gut.Eine Ausnahme ist die boomendeBauwirtschaft. In allen Provinzendes Landes werden mit interna-tionaler Unterstützung Schulenund Krankenhäuser gebaut. In derHauptstadt Kabul und anderengroßen Städten entstehen zahl-reiche Geschäfts-, Wohn- undBürogebäude.

Obwohl gerade die Baubranchedringend Arbeitskräfte sucht,finden die vielen einheimischenArbeitssuchenden oft keinen Job.Große ausländische Baufirmen,die häufig mit lokaler Beteiligungarbeiten, stellen ortsansässige Ar-beiter oft nur als Tagelöhner fürHilfsarbeiten ein, während fürqualifizierte Arbeiten ausländischeFachkräfte angeheuert werden.

Beschäftigungsorientierte Berufsbildung in AfghanistanHarald Hesse

Über die politische Lage in Afghanistan erfahren wir heute fast täglich etwas über die Medien.Was sind aber die konkreten wirtschaftlichen Probleme in einem Land, das nach 23 JahrenBürgerkrieg „Bildung für Generationen“ nachholen muss? Harald Hesse zeigt, was Entwicklungs-zusammenarbeit in Afghanistan tun kann, um Menschen so zu qualifizieren, dass sie ihr eigenesEinkommen erwirtschaften können.

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Qualifizierte Fachkräfte sind in Afghanistanrar. Arbeiter werden oft nur als Tage-löhner eingestellt

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Was führte zu dieserSituation?

Gespräche mit Unternehmernund eigene Erfahrungen zeigen,dass durch den langen Krieg inAfghanistan das Fachwissen infast allen Berufszweigen nahezuverloren gegangen ist. Angehörigeder gebildeten Mittel- und Ober-schicht verließen das Land spä-testens mit der Machtübernahmeder Taliban. Bis heute besteht fürsie kein wirtschaftlicher oderpolitischer Anreiz, nach Afghanis-tan zurückzukehren. Der weitausgrößte Teil der Kriegsflüchtlingewar nach Pakistan oder Iran ge-flohen und lebte dort in Lagern.Sie konnten sich zwar frei bewegenund wirtschaftlich betätigen,gingen jedoch meist unqualifi-zierter Arbeit im Straßentransportund im Baugewerbe nach. Fürdiejenigen, die das Land nichtverlassen haben, also heute alsBinnenflüchtlinge gelten oderin ihren Heimatstädten und -dörfern blieben, gab es fast zweiJahrzehnte lang kaum Zugang zuSchule und beruflicher Bildung.Landesweit geht man zurzeit voneiner Analphabetenquote von80 Prozent aus. Im ländlichenBereich liegt diese mit Sicher-heit noch wesentlich höher. Vorallem für junge Menschen hatdie Abwanderung von Lehrernund die Schließung von Schulenverheerende Folgen für die Chanceauf Beschäftigung. Einzig in Kabularbeiten wieder Berufsschullehreram Technikum, einer 1937 gegründeten Berufsschule fürtechnische Berufe. Auf den Hand-werkerbasaren in Kabul, Mazar-iSharif, Herat und Kunduz arbeitenKinder und Jugendliche in priva-ten Kleinbetrieben und lernendabei einfachste Grundlagen derAutoschlosserei, der Tischlerei,des Metallbaus und der Schuh-macherei. Oft können diese

„Arbeiter“ nicht lesen und schrei-ben, müssen aber das Einkommenfür die Familie verdienen.

Besondere Beachtung verdientdie Ausbildung von Frauen: „DieTaliban haben in ihrem Herr-schaftsgebiet den Mädchenunter-richt fast völlig verhindert, weilsie zunächst den Schulbesuch fürMädchen über acht Jahre ver-boten und alle Einrichtungen derhöheren Bildung für Mädchenschlossen bzw. getrennten Unter-richt für Mädchen und Jungenvorschrieben, ohne Möglichkeitenfür Mädchenschulen zu schaffen“[Zitat: Munziger LänderheftAfghanistan, Soziales und Kultur,S.5]. Ab 1998 wurden immermehr Schulen geschlossen undkleine, zu Hause abgehalteneberufsbildende Kurse ausländischerHilfsorganisationen verboten.Verschärft wird die Situation derFrauen dadurch, dass sie gezwun-gen sind, an Stelle der im Krieggetöteten oder verwundetenmännlichen Verwandten für denUnterhalt der Familie zu sorgen.Berufliche Qualifizierung fürFrauen beschränkt sich heutenoch oft auf Näh- und Stickerei-Kurse. Es gibt jedoch Ausnahmen:in Kabul sind in einem kanadi-schen Projekt Gärtnerinnen

ausgebildet worden. Ein Jung-unternehmer, der Wohn- undBüromöbel herstellt, trug durchfinanzielle Unterstützung zurQualifizierung von Frauen inder Holzschnitzerei und Polstereibei und übernahm sie nachAbschluss der Maßnahme insein Unternehmen.

Wie kann Entwicklungs-zusammenarbeit helfen?

Ziel der beschäftigungsorientier-ten beruflichen Ausbildung inAfghanistan ist es, junge Men-schen, die oft keine Schul- oderweiterführende Ausbildung haben,soweit zu qualifizieren, dass sieauf dem lokalen Arbeitsmarkteine Beschäftigung finden undihre Familie ein gesichertes Ein-kommen hat. Dafür werdenmöglichst praxisorientierte Mo-delle der Anpassungsqualifizierunggesucht. Lokale Unternehmenwerden in die Auswahl der Aus-bildungssektoren einbezogen.Durch Befragungen in denBetrieben wird festgestellt, welcheFachkräfte am dringendsten ge-sucht werden. Die Teilnehmererhalten in Kurzzeitmaßnahmenvon drei bis sechs Monaten einefachliche Grundausbildung.

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Workshop in Kabul: Das Fachwissen invielen Berufszweigen ist nahezu verlorengegangen

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Berufsbildung

Vier Modelle der Anpassungsqualifizierung und Beschäftigungs-förderung im handwerklichen Bereich sind:

1. Teilnehmer werden von einerDurchführungsorganisationpraktisch und theoretisch ausge-bildet. Nachteil des Modells ist,dass der Trainee während derAusbildung keinen Kontakt zueinem potenziellen Arbeitgeberhat. Auch wenn die Ausbildungdurch die professionelle Anleitungoft sehr intensiv ist, fehlt diePraxisnähe.

2. Die Trainingsmaßnahme istin ein laufendes Projekt integriert.Teilnehmer werden „on the job“ausgebildet. Bestes Beispiel fürdieses Modell ist eine Baumaß-nahme, die über den gesamtenAusbildungszeitraum läuft. DieTrainees sind in den Arbeitsprozessder ausführenden Baufirma ein-gebunden. Sie arbeiten in Teamsunter Anleitung ihrer Ausbilder,die die vorgegebenen Lernzielekontrollieren. Ergänzt wird dieAusbildung auf der Baustelledurch einen Unterrichtstag ineiner Trainingsstätte. Dabeiwird sowohl die theoretische alsauch die praktische Ausbildungvertieft.Bei diesem Modell hat der Teil-nehmer die Chance, von derausführenden Baufirma in einefeste Beschäftigung übernommenzu werden.Dieses Modell wird in den Berufs-feldern Maurer, Zimmermann,Sanitärinstallateur und Elektrikeram häufigsten angewendet. DieTeilnehmer lernen nicht nurfachliche Grundlagen ihres eigenenGewerkes, sondern erleben da-rüber hinaus das Ineinander-greifen der Arbeiten und dennotwendigen Ablauf einer Bau-maßnahme.

3. Auszubildende sind einemKleinbetrieb fest zugeordnet undwerden in dem Unternehmenwährend der Arbeit angelerntund geschult. Ein- bis zweimalpro Woche findet ein Unterrichts-tag außerhalb des Betriebes statt,an dem das Gelernte überprüftwird und Theorie und Praxisergänzt und vertieft werden. Diegesamte Ausbildung findet unterAufsicht von speziell geschultenTrainern statt, die auch die Ein-haltung des vorgegebenen Lehr-planes und die Führung einesPflichtenheftes überwachen.Ausbildungen in Metallbetrieben(z.B. Herstellung von Türen,Toren und Fenstern) werdennach diesem Modell organisiert.

4. Eine weitere Variante ist diefinanzielle Unterstützung einesHandwerksbetriebes für die Aus-bildung eines Lehrlings. Bedin-gung für den Zuschuss ist dieWeiterbeschäftigung des Auszu-bildenden nach Ende der Maß-nahme für einen definiertenZeitraum. Eine betriebsunab-hängige Qualifizierung findetnicht statt, so dass keine quali-tative Kontrolle der Ausbildungerfolgt.

Allen Modellen ist eine Laufzeitvon drei bis höchstens sechsMonaten gemeinsam. In dieserkurzen Zeitspanne ist natürlichan eine Berufsausbildung nachdeutschen Maßstäben nicht zudenken. Heutiges Anliegen derbeschäftigungsorientierten Aus-bildung ist die möglichst schnelleVerbesserung der Einkommens-möglichkeiten und Lebensverhält-nisse der Menschen. Langfristigmüssen natürlich zeitintensivereund gründlichere Ausbildungs-modelle eingeführt werden.

Die Erfahrung zeigt, dass die ge-meinsame Arbeit von afghanischenund ausländischen Ausbildernzu guten Ergebnissen führt. Ineinigen Fällen gelang es, Lehrerdes eingangs erwähnten Techni-kum Kabul zu gewinnen, die inden 60er Jahren in Deutschlandausgebildet wurden. Diese altge-dienten Ausbilder haben nichtnur Unterrichtsmaterialien über die Kriegswirren gerettet,sie kennen auch methodischeUnterrichtsplanung, erstellenPrüfungsaufgaben und bewertenden Lernfortschritt. In anderenBereichen entscheiden sichdeutsche Ausbilder für fünf biszehn Kandidaten mit guten fach-lichen Vorkenntnissen und bildensie zu Trainern aus. Neben derberuflichen Aus- und Weiterbil-dung werden weitere Instrumenteeingesetzt, um mit der Privat-wirtschaft zusammen zu arbeitenund die Beschäftigung zu fördern.Kleine und mittelständische Un-ternehmen haben oft weder diefinanziellen Mittel, ihre Unterneh-men auszubauen, noch könnensie die vorhandenen Ressourcenoptimal nutzen. Durch Klein-kredite oder Zuschüsse für denKauf von Maschinen könnenzusätzliche Arbeitsplätze undQualifizierung geboten werden.Ergänzend zu den genanntenMaßnahmen muss eine langfris-tige Unternehmensberatung und-begleitung helfen, die Existenzdes Betriebes und der Arbeits-plätze zu sichern.

Ein neuer, in der Stadt Kunduzbereits existierender Ansatz istdie Bildung von Handwerker-vereinigungen. Der Vorsitzendedieser Vereinigung hat nach eige-ner Aussage ca. 5.000 Betriebeverschiedener Gewerke registriert.Sein Anliegen ist es, Alphabeti-sierungskurse für die Handwerkerzu organisieren, Aufträge von

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Organisationen an Handwerkerunabhängig von bestechlichenDolmetschern zu vergeben undEinkaufs- und Absatzmärkte zukoordinieren.

Wie kann beschäftigungs-orientierte Bildung helfen?

In Afghanistan suchen dieMenschen heute den Weg inein normales Leben. Seit meinerAnkunft im Mai 2002 erlebe ichden Wiederaufbau der lokalenWirtschaft. Die Menschen wollenarbeiten und mit ihren Familienauf einem annehmbaren Standardleben. Sie brauchen die Hilfeder internationalen Geberge-meinschaft, unternehmen jedochviel in Eigeninitiative – bauenmit einfachsten Mitteln Häuserwieder auf, eröffnen Geschäfte,suchen Arbeit. Vor allem aberwollen sie die verlorene Zeit derAusbildung nachholen. VieleBerufstätige und die meistenSchüler lernen frühmorgens vorder Arbeit oder abends in privatenSchulen. Vor privaten Computer-und Englisch-Schulen versammeln

sich hunderte Jugendliche, diedie überfüllten Kurse besuchen.Die Menschen saugen förmlichalles Neue auf. Dieser Wissens-durst betrifft auch die Gruppeder ehemaligen Kämpfer undSoldaten. Mit der Aussicht aufein neues, ziviles Leben sind siemehr als bereit, die Uniform gegeneinen Arbeitsanzug zu tauschen.

Für den Selbstheilungsprozessdes Landes ist die Wirtschafts-und Beschäftigungsförderungeines der wichtigsten Instrumente.Unter der Bedingung, dass sichFrieden und Stabilität im Landfestigen, ist die Verbindung vonGrundbildung und beschäfti-gungsorientierter Ausbildungein wesentlicher Faktor für Einkommen, wirtschaftlichenAufschwung und damit politischeEinflussnahme der Bevölkerung.

Harald Hesse war von 2002 bis2004 Entwicklungshelfer des DEDin Afghanistan und arbeitet seit2004 in Tadschikistan

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Alphabetisierungskurse werden unteranderem von Handwerksvereinigungenangeboten

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Berufsbildung

Ende der 90er Jahre beschlossdas Ministerium für Hoch-

schul- und Berufsbildung inNamibia, die dualen Ausbildungs-strukturen zu überarbeiten bzw.zu ersetzen. Verschiedene Studienwurden in Auftrag gegeben, umu.a. die Ursachen der hohenDurchfallquoten zu ermittelnsowie zu prüfen, warum die Ab-gänger nach der Ausbildung sowenige Chancen auf dem Arbeits-markt hatten. Dabei stellte sichheraus, dass das bestehende Systemden schnell wachsenden An-sprüchen der Privatwirtschaftkaum gerecht wurde. Das dualeSystem sieht eine Ausbildungvor, die drei Jahre dauert undsowohl von der Industrie als auchder Berufsschule getragen wird.Dieses ist in Namibia jedochnur bedingt möglich, da es beiweitem nicht genügend praxis-orientierte Ausbildungsplätze inder Privatwirtschaft gibt. Somitwerden die staatlichen Berufs-schulen überwiegend von Schülernbesucht, die keinen Ausbildungs-vertrag mit einem Betrieb haben.Um berufsbezogene praktischeTätigkeiten zu erlernen, die anden Schulen nur bedingt vermit-

telt werden können, werden dieSchüler während ihrer Ausbil-dungszeit für mehrere Monateim Jahr zu einem Betriebsprakti-kum entsandt. Es ist offensicht-lich, dass die Wahrscheinlichkeit,nach der Ausbildungszeit vomBetrieb übernommen zu werden,bei angestellten Lehrlingen größerist als bei Praktikanten auf Zeit.

Die duale Berufsausbildung berücksichtigt in erster LinieErgebnisse, die in einer Zwischen-prüfung bzw. Abschlussprüfungerzielt werden und vernachlässigtKenntnisse und Fähigkeiten, diewährend der gesamten Ausbil-dungszeit von den Auszubildendenerworben wurden. Außerdemtrifft die Ausbildung auch keineVorsorge für Schüler, die ihreAusbildung ab- bzw. unterbrechenmüssen und dadurch keinenformalen Abschluss erreichen. Diehäufigsten Ursachen für die Nicht-Fortführung der Ausbildung sind:

➔ Ausbildungsgebühren, dienicht länger bezahlt werdenkönnen

➔ Die Aussicht auf einen bezahl-ten Arbeitsplatz (Hilfsarbeiter)

➔ Die notwendige Unterstützungder Familie in den Dörfern(rural homesteads)

Zu den erwähnten Problematikenkommt hinzu, dass ein Fort- undAusbildungssystem für den hohenAnteil der im Informellen Sektortätigen Bevölkerung fehlt. Eshandelt sich hierbei um Arbeiter,die über keine qualifizierte Aus-bildung verfügen, ihren Lebens-unterhalt aber mit Fähigkeitenverdienen, die sie sich selbstbeigebracht haben. Für dieseMenschen ist das Ausbildungs-

system nicht flexibel genug, daes über Zugangsvoraussetzungenverfügt, die in der Regel vondiesem Personenkreis nicht zuerfüllen sind. Hinzu kommenrelativ hohe Ausbildungsgebührenan den Berufsbildungsschulensowie die Tatsache, dass mehrereJahre Ausbildung ohne Ein-kommen für eine Großfamilienicht finanzierbar sind.

Neuanfang in derBerufsbildung

Aus all den oben genanntenGründen hat man sich in Namibiaentschieden, ein neues Berufsbil-dungssystem zu implementieren.Dies soll sich qualitativ an denAnforderungen der Privatwirt-schaft orientieren und flexibelgenug sein, damit Teilnehmerzeitlich ungebunden bedarfs-orientierte Teilqualifizierungenerwerben können, die sowohl vonstaatlicher Seite als auch von in-dustrieller Seite anerkannt wer-den. Dieses neue System heißt:Competence-Based Educationand Training, kurz: CBET.

Was ist CBET?

Das Competence-Based Educationand Training-Modell ist einmodulares Berufsbildungssystemund wurde weltweit bereits Anfangder 80er Jahre als Alternativezur herkömmlichen Ausbildungvorgestellt. CBET basiert aufdem Nachweis von Fähigkeitenbzw. Kompetenzen (Standards),die von der Industrie und demHandwerk festgelegt werden.Folglich ist die Entwicklung vonPrüfungskriterien (performancecriteria), die in verschiedenenModulen Anwendung finden, nur

Modulare BerufsbildungRüdiger Wolf

In Namibia ist die Regierung bereit, in der beruflichen Ausbildung der Menschen neue Wege zugehen. Rüdiger Wolf erläutert die Säulen des neuen Ausbildungssystems, das flexibler auf dieAnforderung des Marktes und die Lebensumstände der Menschen reagieren soll.

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In Namibia wird CBET als neuesBerufsbildungssystem implementiert

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unter Einbeziehung der Privat-wirtschaft möglich. Dieser Ansatzbestimmt somit die Anpassungder Berufsbildung an die An-forderungen und den Bedarfdes Arbeitsmarktes.

Der wesentliche Unterschied zurformalen und auch zur dualenAusbildung besteht beim CBETdarin, dass die Ausbildungsdauerund die Ausbildungsstätte keineRelevanz hat, sondern das ‚out-come’ zählt. Das Resultat ent-scheidet ausschließlich darüber,ob ein Prüfling kompetent ist odernicht. Wie, wo und wie langeein Teilnehmer entsprechendeFähigkeiten erlernt hat, ist somitzweitrangig. In diesem Sinnebietet CBET die Möglichkeit des„Recognition of prior learning“,das heißt, es spielt keine Rolle,ob der Prüfling eine formelleAusbildung genossen oder sichim Selbststudium die notwendi-gen Fähigkeiten angeeignet hat.Das System ist ausschließlicham Ergebnis orientiert und daherauch kein Ausbildungssystemim eigentlichen Sinne, sondernein Prüfungssystem. Allerdingsmuss noch genauer erarbeitetund festgelegt werden, aufgrundwelcher Kriterien ein Bewerberdie Anerkennung für RPL erhält,z.B. ob durch bereits vorhandeneZeugnisse oder durch Beurteilun-gen von Arbeitgebern.

Eine weitere Komponente imCBET stellen die continuousassessments, die kontinuierlicheDurchführung von Kompetenz-Nachweisen und Prüfungen dar.Nach der CBET-Theorie müsstendie Kompetenzen nach jedemLernabschnitt geprüft werden.Da sich die Auszubildenden je-doch in unterschiedlichen Lern-abschnitten befinden, ist leichtvorstellbar, dass dafür ein gewal-tiger Planungsaufwand betrieben

werden muss, der die Berufs-schulen überfordert

Pilotprojekt

Die Entscheidung zur Einfüh-rung von CBET am WindhoekVocational Training Centre(WVTC) geht auf das Jahr2001 zurück. Das Managementwar mit den spärlichen Fort-schritten, die vom Ministeriumfür Hochschul- und Berufsbil-dung im Laufe der Jahre erzieltwurden, nicht zufrieden, undwollte diesen Prozess durch jeein Pilotprojekt aus zwei Berufs-bereichen (Automechaniker u.Tischler) beschleunigen. DieProjektfinanzierung wurde imRahmen des Kooperationsver-trages mit der Deutschen Gesell-schaft für Technische Zusammen-arbeit (GTZ) zugesagt. Diese finanzielle Unterstützung läuftim September 2004 aus.

Im Frühjahr 2002 wurde mitHilfe externer Berater der Grund-stein für das Pilotprojekt gelegt.Durch die DACUM-Methode(develop a curriculum) wurdenauf verschiedenen Workshops,zu denen Vertreter des Ministe-riums, Ausbilder der Berufs-schulen, Vertreter des Privatsektorsund des DED eingeladen waren,berufsbezogene Aufgabenbereicheidentifiziert und in kleinere Ar-beitsabschnitte unterteilt, z.B.:Aufgabenbereich:

➔ Überholung einesZylinderkopfes

Arbeitsabschnitte:➔ Zylinderkopfdichtung ersetzen➔ Nockenwelle überprüfen➔ Hydrostößel prüfen➔ Stößelstangen prüfen

Ein weiterer wichtiger Schrittwar die Transformation der Auf-gabenbereiche in eine spezifische

Namibische Berufsqualifikationfür Automechaniker. Dazu wurdeein Experten-Team (Trade ExpertCommittee – TEC) einberufen,um verschiedene Aufgabenbe-reiche zu Hauptgruppen (Modu-len) zusammenzufassen. Dieseentwickelten Module enthaltenu.a. Angaben über:

➔ Komplexität und Umfangder Arbeit

➔ Werkzeuge und Geräte➔ Informationsquellen zur

Durchführung (z.B. Her-stellerangaben)

➔ Prüfungskriterien und An-forderungen (performancecriteria)

➔ Querschnittsaufgaben➔ Vorkenntnisse➔ Wertigkeit des Moduls

(credit allocation)

Im Oktober 2003 wurde schließ-lich die entwickelte Qualifikationfür Automechaniker dem zustän-digen Ministerium übergeben.

Umsetzung

Die Umsetzung dieses Projektesbasiert auf der Annahme, dassein entsprechendes Grundwissenüber den komplexen CBET-Ansatz bei allen Beteiligten vor-handen ist. Das ist leider nichtimmer der Fall gewesen und somit musste viel Überzeugungs-arbeit in Industrie und Hand-werk geleistet werden, um fürentsprechende Mitarbeit in denverschiedenen Workshops zuwerben. Die Grundvorausset-zungen sind nun geschaffen,allerdings wird durch die Ver-zögerung eine längere Pilotphasebenötigt werden. Die konsequenteEinbindung des privaten Sektorsin alle Prozessabläufe ist die Basisfür die Qualifizierung imCBET-Format.

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Als Leinwand dient ein weißesTischtuch, das mit Reiß-

zwecken an die Tafel geheftet ist.Der Overheadprojektor stehtbereit, die Zuhörer schauen er-wartungsvoll. Doch dann kommtUnruhe auf: Statt in Augenhöheerscheint das projizierte Folien-bild knapp über dem Fußboden.Trainer Boyet, der gerade seineModell-Unterrichts-Einheit prä-sentiert und währenddessen wiealle der zehn Teilnehmer des„Effective Teaching“-Seminarsvor allem mit der Aufregungkämpft, braucht eine Weile, bis

er die Lage erkennt. Dann abereilt er zur Tafel, hebt das Tisch-tuch und wundert sich, wiesodas projizierte Bild auf Fußhöhebleibt. Die anderen können sichnicht mehr halten vor Lachen.Humor gehört auf den Philippi-nen zu einem erfolgreichenSeminar dazu. Den nötigen Ernstschließt dies keineswegs aus. Alseinem anderen Lehrer währendseiner Präsentation versehentlichein Messinstrument zu Boden fällt,kommt es zu einer intensivenDebatte: Darf ich als Lehrereinen Fehler zugeben oder sogar

bekennen, dass ich etwas nichtweiß? Peinliche Situationen inproduktive Lernanlässe verwan-deln – die Empfehlung, mit eigenen Fehlern offensiv umzu-gehen – löst in einem Land, indem das Prinzip des Gesicht-Wahrens oberste Devise ist, eher Stirnrunzeln aus.

Effective Teaching

Der Kurs „Effective Teaching“wendet sich vor allem an Trainerund Lehrer beruflicher Ausbil-dungsinstitute, denen damit

Berufsbildung

CBET im Rahmen vonWirtschaftsreform undAufbau der Marktwirt-schaft (WIRAM)

Neben dem Ministerium fürHochschul- und Berufsbildunghat nun auch die Handwerks-kammer ihr Interesse bekundet,die CBET Methode auf weitereBerufe zu übertragen und ihreImplementierung in Zusammen-arbeit mit dem DED weiter zuverfolgen. Der DED sieht imRahmen der Schwerpunktset-zung im Bereich der Wirtschafts-und Beschäftigungsförderungdie Möglichkeit, CBET indirektals Instrument zur Einkommens-verbesserung zu nutzen. Durchdie Einführung der geschildertenmodularen Ausbildung sollenBerufsschulen in die Lage ver-setzt werden, praxisnahe und

anforderungsgerechte Kurzkursefür den Bereich small and mediumenterprises (SME), im formellenund informellen Sektor anzu-bieten. Das CBET-Modell fördert dieMenschen, indem es sie in dieLage versetzt, ihr Einkommennicht nur zu sichern, sondernauch zu verbessern. Es ist daherdie Absicht des zuständigenMinisteriums, dieses Modelllangfristig in die Reformprozesseder Berufsbildung in Namibiaeinzugliedern und den Menschenein Angebot zu machen, das ihrStreben nach finanzieller Unab-hängigkeit stärkt.

Rüdiger Wolf ist KFZ-Mechanikerund seit 1999 Entwicklungs-helfer des DED in Namibia

Lachen & Lernen – Weiterbildung für Lehrkräfte der beruflichen AusbildungCornelia Frettlöh

Um Wissen erfolgreich zu vermitteln, sind sowohl neugierige und offene Schüler als auch selbstbe-wusste und tolerante Lehrer notwendig. Sehr konkret und anschaulich macht Cornelia Frettlöhdeutlich, dass Bildung nicht nur eine Frage des Stoffes, sondern auch eine intellektuelle Leistungist. Und da gehört Humor einfach dazu.

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Curriculum-Entwicklung fürHandwerker

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grundlegende lernpsychologischeErkenntnisse und deren praktischeAnwendung im Unterricht ver-mittelt werden. Die Themenreichen von Lernzielen überMethoden und Stundenplanungbis hin zu Visualisierungs- undFragetechniken. Gearbeitet wirdnach dem Prinzip, die Inhaltemittels Diskussionen, Übungen,Rollenspielen, Kleingruppen- undEinzelarbeiten sinnlich erfahrbarzu machen. Zudem wird zu Be-ginn und am Ende eine Lehr-probe auf Video aufgezeichnetund danach intensiv besprochen.

Für die acht bis maximal zehnTeilnehmer und Teilnehmerinneneines Seminars gehört das mit zuden eindrücklichsten Erfahrungen:sich selbst beim Unterricht zusehen und zugleich ausführliche,individuelle Rückmeldungenvon Kollegen und der Seminar-leitung zu erhalten. Mit demnötigen Fingerspitzengefühl gelingt es so gut wie immer, dieTeilnehmer zum Feedback zuermutigen. So werden Defizitesichtbar, aber am Ende vor allemauch erste Lernerfolge. DieserSeminarstil hebt sich deutlichvom philippinischen Schul- undAusbildungsalltag ab. Dort sindmonotone Vorträge und seiten-lange Tafelabschriften keine Aus-nahmeerscheinung. Fragen vonSchülern sind eher nicht vorge-sehen, das Lehrpersonal könntemit der Beantwortung schlichtüberfordert sein. Ritualhaftwerden Klassen zwar gefragt,„Any questions?“, doch dieStandardantwort im Chor lautetzumeist, „No, Sir!“, „No, Ma’am!“.So reduziert sich Lernen oft aufbloßes Auswendiglernen. Dassdie korrekte Wiedergabe vonWissen aber noch kein Indizdafür ist, ob ein Sachverhalt auchwirklich durchdrungen und ver-standen wurde, wird gerne ver-

drängt. So wird in der Tendenzein Abgänger-Typ hervorgebracht,der zwar enzyklopädisches Wissenabspulen kann, jedoch häufignicht in der Lage ist, selbständigLösungen für Probleme zu ent-wickeln. Umgekehrt haben Trainerin der beruflichen Ausbildungnur selten eine pädagogischeSchulung durchlaufen. Meistkopieren sie deshalb im Unterrichtden Lehrstil, dem sie selbst aus-gesetzt waren. Damit schreibtsich ein Lehrer-zentriertes Systemfort, das wenig aktive Teilnahmeder Schüler vorsieht. Darüberhinaus ist, wie in vielen anderenLändern auch, auf den Philippinenall jene Arbeit schlecht angesehen,bei der man sich die Händeschmutzig macht. Dieses Negativ-Image der Blue-Collar-Jobs hatauch Auswirkungen auf die Aus-bilder, die in diesem Bereich tätigsind: Im Gegensatz zu Primary-,High School- und College-Lehrern genießen sie kein sohohes Ansehen. Weil es für ein-zelne Institute oft schon schwieriggenug ist, unter den gegebenenBedingungen eine bezahlbareund zugleich fachlich gute Aus-bildung zu gewährleisten, könnenTrainer oft nur auf Honorarbasisangestellt werden. Deshalb wan-dern viele bei erstbester Gelegen-heit in die meist besser zahlendeIndustrie ab oder nehmen fach-fremde Arbeit an, sofern dies eineFestanstellung und damit eingarantiertes Mindesteinkommenbedeutet. Vor diesem Hintergrundhört sich pädagogische Weiter-bildung wie Luxus an. Der Bedarfnach einer solchen Art von Fort-bildung bleibt aber trotzdembestehen.

Beitrag des DED

Auf den Philippinen reagierte derDED auf diese Situation mit derEinrichtung einer Querschnitts-stelle zur Trainer-Weiterbildung.Eine pädagogische Fachkraftunterstützt die Arbeit von zehnweiteren DED-Entwicklungs-helfern, die u.a. als Schlosser,Elektroniker, Kälte- und Klima-techniker oder Werkzeugmacherin der Berufsausbildung tätig sind.Nach gut zweieinhalb JahrenProjektlaufzeit kann der DEDbereits eine ansehnliche Bilanzvorweisen: Philippinenweitwurden bislang rund 30 Seminaredurchgeführt und knapp 300Ausbilder und Lehrkräfte staat-licher, privater und kirchlicherEinrichtungen und ihrer Industrie-partner fortgebildet. Profitierthaben davon auch Projekte derBerufsbildung, in denen Expertenanderer deutscher Organisationender Entwicklungszusammenarbeitarbeiten, z.B. das Centrum fürInternationale Migration (CIM)oder die Gesellschaft für Tech-nische Zusammenarbeit (GTZ).Neben dem „Effective Teaching“Seminar, das die wesentlichenAspekte des Klassenzimmer-Unterrichts behandelt, gehörenzum Angebot noch weitere Kurse.Während sich „Effective Skills

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Cornelia Frettlöh und die Absolventender Trainer-Fortbildung

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Berufsbildung

Training“ mit der Vermittlungvon Fertigkeiten im Rahmen derWerkstattausbildung befasst,versucht „Effective ClassroomLearning“ den LehrkräftenHintergrundwissen zu vermittelnund ihnen eine Vielzahl prakti-scher Übungen an die Hand zugeben, damit sie ihre Schüler beimLernen unterstützen können.Dies beinhaltet neben Lerntypen-tests auch Arbeits-, Zeit- undLernplanung sowie Methodender Informationsbeschaffung und-verarbeitung. Auf die philippi-nischen Besonderheiten wirdbei der Vermittlung dieser quasiuniversellen Themen in allenKursen geachtet. So werdenbeispielsweise in einer ÜbungFragen formuliert, die zumDenken anregen – und alsErsatz für die Standardfrage„Any questions?“ dienen.

Dass Humor und Spaß zumErfolg beitragen, wurde bereitserwähnt. Ice-Breaker, Energizer,Spiele, selbst Gesangseinlagen

können, wenn richtig eingesetzt,wahre Wunder wirken, wenn esdarum geht, eine gute Atmosphäreherzustellen und Aufmerksamkeitzu erregen.

Zukunftsaussichten

Was wird von dieser Arbeit übrigbleiben, wenn das Projekt zuEnde ist? Da sind zum einen dieKursteilnehmenden, die zahlreicheAnregungen erhalten haben, z.B.wie die Unterrichts- und Aus-bildungsqualität verbessert werdenkann. Ob sie bei ihrer Einrichtungbleiben oder wechseln, das Ge-lernte kann überall umgesetztwerden – vorausgesetzt, sie sindmotiviert und das jeweiligeManagement unterstützt sie.Doch nach wie vor wandernLehrkräfte ab. So stellt sich fürdie Partnerorganisationen desDED die Frage, wie sie auf langeSicht die Fortbildung ihres Per-sonals gewährleisten können.Und der DED muss sich fragen,wie nachhaltig die Maßnahmeist. Das „Facilitators’ TrainingProgram“ versucht darauf eineAntwort zu geben: Die Partnerdes DED können damit Ange-stellte ihrer Einrichtung zuhauseigenen Trainern für Lehrer-Weiterbildung schulen lassen.Die zukünftigen Trainer-Weiter-bilder werden mit den einzelnenSeminaren vertraut gemacht.Ziel des Ganzen ist dabei nichtdie detailgetreue Nachahmungvon Inhalten und Abläufen.Vielmehr soll der Kurs auf dieBedürfnisse der Einrichtung und

den eigenen Trainerstil zugeschnit-ten werden. Darüber hinaussetzen sich die Absolventen mitGruppenprozessen, der Rolleder Trainer und der Bedeutungvon Rahmenbedingungen aus-einander. Am Schluss muss jederdas Training mindestens einmalselbst durchführen, bevor er dasbegehrte Zertifikat erhält.

Damit zahlen sich die investiertenMittel in die Entwicklung undErprobung der verschiedenenFortbildungskurse nicht nurvorübergehend, sondern auchauf lange Sicht aus. Denn wennder DED seine pädagogischeFachkraft eines Tages wieder abzieht, bleibt nicht einfach einVakuum zurück. Stattdessen wirdein Pool lokaler Trainer dafürsorgen, das Begonnene fortzu-führen und kreativ weiter zuentwickeln. In diesem Sinne bleibtzu hoffen, dass in jedem Kursimmer wieder ein Teilnehmerist, der das Tischtuch anhebt:Denn Lachen und Lernen habennicht nur denselben Anfangsbuch-staben, sie teilen auch ein nichtzu unterschätzendes Potenzialan Befreiung.

Cornelia Frettlöh ist seit 2001Entwicklungshelferin des DEDauf den Philippinen

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In den Seminaren lernen die Teilnehmer,den Unterricht abwechslungsreich zugestalten

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Auf der Basis eines bewährtenTrainingskonzepts werden in

einem Partnerschaftsprogrammzwischen DED und der Inter-nationalen Weiterbildung undEntwicklung gGmbH (InWEnt)Berater für Kleinst-, Klein- undMittelunternehmen (KKMU)aus Honduras und anderen zen-tralamerikanischen Ländern inwichtigen Themen der Unter-nehmensberatung fortgebildet.Das Programm soll dazu beitra-gen, die Finanzierung und Be-ratung von KKMU effizienterund wirkungsvoller zu gestalten.Eine lokale Partnerorganisationwird im Rahmen dieses Pro-gramms unterstützt, um die ein-zelnen Ausbildungsmodule zu-künftig unabhängig voneinanderin den verschiedenen Ländernanbieten und durchführen zukönnen. Dadurch soll das Aus-bildungsangebot nachhaltig inder Region etabliert werden.

Nach Angaben des NationalenVerbandes der Klein- und Mittel-

unternehmen (ANMPI) musstenim Jahr 2003 8.000 Betriebe inHonduras ihre Tätigkeit einstellen.Zahlreiche andere Unternehmensenkten ihr Produktionsvolumenund entließen Personal. Dadurchgingen schätzungsweise 54.000Arbeitsstellen verloren. Von denBetriebsschließungen waren unteranderem Unternehmen der Holz-verarbeitung, Textilherstellung,Lederverarbeitung und Lebens-mittelindustrie betroffen. Eineder Hauptursachen dafür ist dieunzureichende technologischeAusstattung und das mangelhafteManagement vieler Betriebe. Invielen Fällen können die Unter-nehmen daher nicht mit impor-tierten Gütern konkurrieren.

Wenig unternehmensre-levante Dienstleistungen

Um wettbewerbsfähig zu werdenbzw. zu bleiben, benötigen Unter-nehmen Dienstleistungen. Siebrauchen Fortbildungs- undBeratungsdienstleistungen um

neue Märkt zu erschließen, in-novative Produkte zu entwickeln,ihre Produktivität zu verbessernund Kosten zu verringern. InHonduras, aber auch in anderenzentralamerikanischen Ländern,ist es vor allem für die KKMUschwierig, Zugang zu solchenDienstleistungen zu bekommen.Dafür gibt es unterschiedlicheGründe.Bestehende Angebote sind vielfachzu einseitig auf bestimmte wirt-schaftlich besser gestellte Unter-nehmenssegmente ausgerichtetund liegen für viele KKMUaußerhalb ihrer finanziellen Mög-lichkeiten. Oftmals kennen dieUnternehmer nicht das Angebotder Dienstleistungen, welche fürdie weitere Entwicklung ihresUnternehmens wichtig sein könn-ten. Generell gibt es zu wenigeAnbieter von Fortbildungs- undBeratungsdienstleistungen fürdiese Unternehmen. Die geringeAnzahl von Anbietern kann nureinen Bruchteil des Bedarfs ab-decken.

Avance Empresarial – Beratungskonzept für Kleinst-, Klein- und MittelunternehmenLars Otte

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Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen (KKMU) sind häufig gegenüber größeren und wirtschaftlichbesser gestellten Unternehmen benachteiligt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Lars Otte berichtet,wie der DED gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen dieser Benachteiligung entgegenwirkt.

Fortbildungsmöglichkeiten für KKMUkönnen den Arbeitsstellenverlust ein-dämmen

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Berufsbildung

Das Erbringen nicht-finanziellerDienstleistungen für kleine undmittlere Unternehmen lag bisherfast ausschließlich in den Händeneiniger weniger staatlicher, halb-staatlicher oder gemeinnützigerOrganisationen, die sich aufWirtschaftsförderung spezialisierthatten. Dabei wurden und werdensie auch weiterhin häufig vonGebern der InternationalenZusammenarbeit unterstützt.Überwiegend bieten sie standar-disierte Maßnahmen, die oftnicht dem tatsächlichen Bedarfder KKMU entsprechen.

Ohne die Subventionierung ihresAngebotes sind eine Vielzahl derBeratungs- und Ausbildungsein-richtungen nicht überlebensfähig.Die über einen längeren Zeitraumerhaltenen Subventionen dämpfen

die Motivation dieser Anbieter,nachfragegerechte Serviceleistun-gen zu entwickeln und anzubieten.Die meisten verfügen nicht überMechanismen, um den Bedarfnach Leistungen zu ermitteln,wobei unter Nachfrageorientie-rung ein gezieltes Erarbeitenpriorisierter nutzbringenderServiceleistungen für die KKMUverstanden wird.

Avance Empresarial (AVE)

Ein Trainingsprogramm zurFortbildung von Trainern undBeratern für KKMU soll dazubeitragen, die Qualität der an-gebotenen Dienstleistungen zuverbessern und diese entsprechendder Nachfrage zu gestalten.Dieses Programm wird inZusammenarbeit mit InWEnt,

DED und CELAC, einer lokalenPartnerorganisation, durchgeführt.Es richtet sich an Mitarbeitervon Beratungs-, Finanzierungs-und Trainingsinstitutionen, dieauf dem Gebiet der KKMU-Förderung tätig sind. Im Wesent-lichen zielt es darauf ab, durchden Aufbau eines praxisorien-tierten Systems zum Training vonBeratern einen Beitrag zur Wett-bewerbsfähigkeit des KKMU-Sektors und somit zur Verbes-serung der wirtschaftlichen undsozialen Situation zu leisten.

Der Ursprung des Projekts geht zurück auf eine Reihe vonTrainingsmaßnahmen, die vonInWEnt seit Anfang der 90erJahre zum Thema „Finanzierungund Beratung von KKMU“ inverschiedenen Ländern des südlichen Afrika durchgeführtwurden. Auf der Basis der dabeierstellten Trainingsmaterialienwurden in den letzten Jahrenpraxisorientierte Seminarmoduleentwickelt, die in Zusammen-arbeit mit verschiedenen lokalenPartnern mehrmals durchgeführtwurden. Da das Programm imafrikanischen Kontext auf großeResonanz stieß, soll es nun auchentsprechenden Zielgruppen inZentralamerika zugänglich ge-macht werden. Zunächst werdendie Ausbildungsveranstaltungenin Honduras durchgeführt. Inden kommenden Jahren sollendie Trainingskurse dann auch inanderen zentralamerikanischenLändern angeboten werden.

Das angebotene Fortbildungs-programm, welches den Namen„Avance Empresarial“ erhielt,setzt sich in seiner gegenwärtigenForm aus vier Trainingsmodulenmit den Themen: „Projekteva-luierung“, „KKMU Consulting“,„Unternehmensrehabilitierung“und „Monitoring“ zusammen.

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Auch holzverarbeitende Unternehmensetzen auf Fortbildung und Beratung

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Die Kurse haben eine Dauer von80 bzw. 40 Trainingsstunden.

Das Modul „Projektevaluierung“beschäftigt sich vor allem mit derAnalyse und Bewertung von(klein-)industriellen Investitions-vorhaben und eignet sich beson-ders zur Fortbildung von Kredit-sachbearbeitern. Das zweiteModul „KKMU Consulting“reflektiert u.a. die Frage von Pro-duktion und Technologie als Ge-genstand von KKMU-Beratung.Der Kurs „Unternehmensreha-bilitierung“ widmet sich derUmstrukturierung von konkurs-gefährdeten Unternehmen. Das„Monitoring“-Modul schließlichbeschäftigt sich mit dem Aufbauvon Monitoringsystemen beiKKMU-Förderinstitutionenund eignet sich besonders fürVertreter der Managementebeneentsprechender Organisationen.

Charakteristisch für alle Ausbil-dungskurse sind ein holistisch-systematisches Konzept von Unter-nehmensanalyse und -führungsowie eine praxisorientierteDurchführung der Fortbildungen.Die Teilnehmer werden im Verlaufder Ausbildungsveranstaltungendurch Fallstudien, Simulations-spiele, Unternehmensbesucheund Praktika mit konkretenBeratungssituationen konfrontiert.Dadurch vollziehen die auszu-bildenden Berater und TrainerLernschleifen, welche sich an denlokalen Problemen des KKMU-Sektors orientieren. Das bedeutetvor allem, dass ein beträchtlicherTeil der Fortbildung in engerZusammenarbeit mit Unter-nehmen durchgeführt wird.

Flexibilität und Qualität

Das Ausbildungsprogramm sollauf privatwirtschaftlichen Grund-sätzen beruhen und sich an derNachfrage orientieren. Anstellevon Leistungsempfängern setztes sich mit Kunden und Klientenauseinander. Damit das Trainings-programm angenommen wird,muss es in seinen Inhalten und inseiner Struktur an die spezifischenBedürfnisse der Partner und Ziel-gruppen angepasst werden. WelcheTrainingsmodule letztendlich inwelcher Häufigkeit durchgeführtwerden, richtet sich dementspre-chend an der Nachfrage seitensder KKMU-Berater und Förder-organisationen aus.

Neben der Durchführung derbereits entwickelten Module istdie Neuentwicklung zusätzlicherTrainingskurse beispielsweise fürBerater aus dem landwirtschaft-lichen Bereich möglich. Durcheine spürbare Nachfrage könnendiese Neuentwicklungen be-schleunigt werden.

Regionale Ausbildungs-angebote

Im Zuge der Durchführung desProgramms in Zentralamerikasollen dabei nicht nur KKMU-Berater fortgebildet, sondern auchTrainer und Co-Trainer ausge-bildet werden. Durch die Ent-wicklung und Implementierunggeeigneter Marketing- und Ver-kaufsstrategien sollen die Voraus-setzungen dafür geschaffen wer-den, dass ein derartiges Trainingin Zukunft in lokaler Verant-wortung und weitgehend unab-hängig von Institutionen derEntwicklungszusammenarbeitdurchgeführt werden kann. Aufgrund der Marktorientierungdes Programms entschied mansich bei der Auswahl der lokalen

Partnerorganisation mit demConsulting- und Fortbildungs-unternehmen CELAC zusammen-zuarbeiten. CELAC verfügt übereine langjährige Erfahrung inder Durchführung von Weiter-bildungen, die auf kommerziellerBasis vorwiegend Großunter-nehmen angeboten werden.Gemeinsam wird gegenwärtigan der Markteinführung derAVE-Kurse gearbeitet. EineMarktuntersuchung wurde durch-geführt, Werbematerialien werdenentworfen, die Trainingshand-bücher an den regionalen Kontextangepasst und die CELAC-Trainer für die Durchführungder Module ausgebildet. In denkommenden Monaten sind ver-schiedene Marketingveranstal-tungen vorgesehen. Dabei sollden jeweiligen Zielgruppen bzw.Marktsegmenten das Ausbildungs-angebot vorgestellt werden.Neben Inhalt und Methodikwerden auch die erhofftenWirkungen sowie die Preisstrukturder angebotenen Kurse erläutert.An der Reaktion der potenziellen„Klienten“ und dem „Verkauf“der Weiterbildungen wird sichdann zeigen, ob das Ausbildungs-angebot „Avance Empresarial“Akzeptanz findet und einenBeitrag zur Steigerung der Wett-bewerbsfähigkeit der KKMU inder Region leisten kann.

Lars Otte ist Ökonom und seit2003 Entwicklungshelfer desDED in Honduras

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Für westliche Besucher bietetsich auf den Philippinen ein

Bild fast wie zu Hause: beinahean jeder Ecke Fastfoodketten oderein Starbucks Café. Aber das istnicht der einzige Grund, weshalbeinige amerikanische Software-firmen ihre Niederlassung odergar ihr Asien-Hauptquartier inoder in der Nähe der HauptstadtManila aufgeschlagen haben. Essind in erster Linie die fast 60Prozent preiswerteren Arbeits-kräfte, die zudem noch problem-los Englisch sprechen. Kulturellgibt es also zahlreiche Gemein-samkeiten und damit eine guteBasis der Zusammenarbeit mitden Kollegen auf dem amerika-nischen Kontinent. Egal ob Call-Center, Support-Team oderEntwicklungsabteilung – IT-Dienstleistungen haben Kon-junktur.

Das Europäische IT Service Zen-trum präsentiert die Philippinenals den kommenden Standort fürdie Lieferung von IT-Dienstleis-tungen. Es verfolgt das Ziel, eineBrücke zwischen dem IT-Bedarfeuropäischer Firmen mit denDienstleistungen der philippini-schen IT-Firmen zu bauen undverfügt über ein Netz von lokalenIT-Firmen. Diese Partnerfirmen

verfügen über Expertise in allenIT-Bereichen, von Software-Ent-wicklung über Internet-Techno-logien bis hin zum Call-Centerund Business Process Outsourcing.Das Marketing hat in Europagerade begonnen.

Verlieren Entwicklungs-länder den Anschluss?

Diese oben geschilderte Entwick-lung bezieht sich leider nur aufdie Metropolen Manila und Cebu.Den restlichen Einwohnern –ca. 75 Prozent der Bevölkerung– fehlt es an den notwendigentechnischen Zugangsmöglich-keiten und Wissen im Umgangmit Neuen Medien und damitan den wichtigsten Voraussetzun-gen für den Übergang in die In-formationsgesellschaft. 80 Prozentder Weltbevölkerung mangelt esan den grundlegendsten Telekom-munikationseinrichtungen. Nacheiner Statistik der Internationalen-Telekommunikations-Union inGenf kommt pro Jahr auf jedenBürger Afrikas nur ein Telefon-gespräch von weniger als einerMinute Dauer. Mehr als dreiMilliarden Menschen haben inihrem Leben noch nie telefoniertund sind von jeglicher Formmoderner Kommunikation ab-geschnitten. In den USA gibt esmehr Computer als in der ge-samten restlichen Welt. Allein inTokio gibt es so viele Telefone wiein ganz Afrika. In vielen länd-lichen Regionen des Südens wirdeine flächendeckende Versorgungmit modernen Kommunikations-mitteln daher auf absehbareZeit Utopie bleiben.

Neue Medien als Chance

Trotz dieser ernüchternden Zah-len bietet die Informations- undKommunikationstechnologieChancen für die Entwicklungs-länder. Sie eröffnen neue, schnelleund kostengünstige Möglichkei-ten des Wissenstransfers. Insbe-sondere im akademischen Bereichkönnen sie entscheidend dazubeitragen, das Informationsgefällezwischen Industrie- und Ent-wicklungsländern zu verringern. Im wirtschaftlichen Bereich er-lauben die neuen Kommunika-tionstechnologien auch kleinerenund mittleren Unternehmen,Produkte weltweit zu vermarktenund neue Absatzmärkte fürWaren und Dienstleistungen zuerschließen. Sie können z.B. ihreAngebotsinformationen weltweitrelativ günstig jedermann zu-gänglich machen. Mehr noch:Das Internet selbst wird zumTransportmittel von Dienst-leistungen und Waren. So lassensich elektronische Anlagen überdas Netz warten und reparieren.EDV-Programme lassen sich direkt via Internet verkaufen,weil die Kunden sich die Pro-gramme herunterladen können.In Indien sind tausende neuerArbeitsplätze für junge Com-puterfachleute entstanden, dienicht nur auf dem Weltmarktsehr erfolgreich neue Software-Programme entwickeln, sondernauch via Internet z.B. die Daten-pflege für deutsche Bankhäuserübernommen haben.

Berufsbildung

Neue Medien als Chance. Dieses Credo gilt im Prinzip weltweit. Aber gerade Menschen in wenigerentwickelten Ländern fehlt oft die notwendige Bildung, um Zugang zu den Medien zu erhalten.Medienpolitik ist folglich auch immer Bildungspolitik, damit die Menschen am weltweitenWissenstransfer teilhaben können und nicht noch weiter ins Abseits geraten.

Informationstechnologie in EntwicklungsländernJens Funk

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Erfolgreiche Kommunikation ist dieVorraussetzung für einen gelungenenWissenstransfer

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Schulen ans Netz

Immer noch können eineMilliarde Menschen in Afrika,Asien und Lateinamerika wederlesen noch schreiben. Rund 130Millionen Kinder im Schulalterhaben keine Möglichkeit, eineSchule zu besuchen; zwei Dritteldieser Kinder sind Mädchen.Derzeit besuchen in vielen Län-dern Afrikas und Asiens nur jedeszweite Kind, in Lateinamerika imSchnitt drei von vier Kinderndie Schule. Auch von denen, dieeingeschult werden, verlassenviele die Schule, ohne die grund-legenden Kulturtechniken Lesen,Schreiben und Rechnen erlerntzu haben. Gründe dafür sind über-füllte Klassen, zu wenige undschlecht ausgebildete Lehrer, nichtangepasste Curricula, mangelhaftesLehrmaterial, unregelmäßigerSchulbesuch bzw. Abbruch auswirtschaftlichen Gründen. Auchwenn diese Fakten nicht geradeermutigend sind, könnten – sofern die Voraussetzungen dazugeschaffen sind – die neuenKommunikationstechnolgienauch in Entwicklungsländern denÜbergang zur Wissensgesellschaftbeschleunigen. Positive Beispielezeigen, wie trotz mangelnderschulischer Startchancen mit Hilfeder Neuen Medien der Anschlussan die führenden Wissensgesell-schaften versucht wird.

Die Neuen Medien stehen nocham Anfang ihrer Entwicklung –sowohl in technischer Hinsichtals auch in Hinblick auf ihreNutzungs- und Einsatzmöglich-keiten. Es ist jedoch sicher, dassdie neuen Informations- undKommunikationstechnologienvergleichbare Wirkungen habenwerden (und zum Teil schonhaben) wie zu ihrer Zeit Dampf-maschinen, Elektrizität oderTelefon. Ziel der Industrieländer

sollte es daher sein, die digitaleLücke in Entwicklungsländernzu schließen oder zumindest zuverringern. Beratung, Lehrer-aus- und -weiterbildung sowieCurriculaerstellung in Entwick-lungsländern im Bereich ITwird in Zukunft verstärkt inden Focus der Entwicklungs-organisationen rücken. BeimDED hat man die Zeichen derZeit erkannt und bietet verstärktUnterstützung und Beratung indiesem Bereich an.

Praxisbeispiel aus derArbeit des DED

Seit Juli 2002 arbeitet ein Ent-wicklungshelfer des DED indiesem Bereich auf den Philip-pinen. Der lokale Partner ist eineprivate, kirchlich organisierteSchule, die Schüler (aus Familien,die am Rande oder unter demExistenzminimum leben) in denBerufen Elektromechanik, Indus-trieautomation, Industrieme-chanik und Elektronik ausbildet.Die Schule setzt das Duale System(ähnlich unserer Berufsschule) seit5 Jahren erfolgreich in der Praxisum. Die ersten drei Semesterihrer Ausbildung verbringen dieSchüler an der Schule, weiteredrei müssen sie in einem Betrieblernen und arbeiten. Im Jahre2001 hat sich die Schule dazuentschlossen, ihr Unterrichts-angebot um das Fach Informatikzu erweitern. Aufgabenschwer-punkte des Entwicklungshelferssind neben der Aus- und Weiter-bildung der Lehrer die Unter-stützung der Schule bei der Er-stellung von Lehrplänen. Speziellim letztgenannten Punkt arbeitetder Entwicklungshelfer sehr engmit der Schulverwaltung sowieden Industriefirmen zusammen,die an dieser dualen Ausbildungteilnehmen. Ziel hierbei ist es,Lehrpläne zu erstellen, die auf

der einen Seite die theoretischenGrundkenntnisse vermitteln,gleichzeitig aber auch die Anfor-derungen der Industrie berück-sichtigen, um eine so genanntebedarfsgerechte Ausbildung zugewährleisten. Es nutzt nämlichwenig, Schüler auszubilden, dienach ihrer Ausbildung keine An-stellung finden. Ziel sollte esdaher sein, dass alle Schüler amEnde ihrer Ausbildung von denjeweiligen Betrieben übernommenwerden und ein geregeltes Ein-kommen erhalten. Die Schulewill auch im AusbildungsgangInformatik an die Erfolgsstatis-tiken der anderen Ausbildungs-gänge anknüpfen, in denen 94Prozent aller Schüler übernom-men werden. Wenn das gelingt,ist das wieder ein Erfolg imKampf gegen die Armut.

Jens Funk ist Informatiker undseit 2002 Entwicklungshelfer desDED auf den Philippinen

➔ Philippinen – E-Marktplatz für Bauern

b2bpricenow.com ist einMarktplatz, der philippinischenBauern den Verkauf ihrerProdukte ermöglicht. Darüberhinaus versorgt er die Bauernüber eine Messaging Funktionaufs Handy mit aktuellenPreisinformationen. b2bprice-now ist einer der Gewinner desWeltbankwettbewerbes „Marketplace Development2001“.

Quelle: http://www.gtz.de/e-business/

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Botswana – Wüste, Diaman-ten, Okavango, Elefanten

und … Brigaden. Brigaden?Was hat denn Botswana, diesesafrikanische Wirtschaftswunder-land mit dem Sprachgebrauchder ehemaligen DDR zu tun?Handelt es sich dabei vielleichtum ein Missverständnis? Oderunterstützt der DED jetzt garmilitärische Projekte? Natürlichnicht. Die Idee zur Gründungder ersten Brigade kam demsüdafrikanischen DiplomatenPatrick van Rensburg bei einemBesuch in Ghana. Dort fand erdas erste Beispiel für ein Bildungs-system, das die theoretisch-hand-werkliche Berufsbildung mitder Produktion von Gütern ver-bindet, die am Markt benötigtwerden. In Botswana war dieseArt der Ausbildung völlig neu:Auf einmal wurde die Wand, diedie Maurerlehrlinge tagsüberaufgebaut hatten, abends nichtwieder abgerissen, sondern esentstand ein Klassenraum füreine Schule in einem der Dörferam Rande der Kalahari. Plötzlichbekamen junge Frauen imWüstenort Tsabong die Chanceauf eine Anstellung, nachdemsie erfolgreich den Computer-kurs an der Business School derBrigade absolviert hatten. Und

auch die Metallgestelle für dieGrabüberdachungen in Gumareoder die Särge aus der Tischlereiin Kasane sind Beispiele für dieNachfrageorientierung derProduktion.

Beendigung derZusammenarbeit

Nach exakt dreißig Jahren hatder DED am 31. Dezember2003 die Zusammenarbeit mitden Brigaden beendet, einEntschluss, der u.a. auf derEntscheidung der Bundesre-gierung basiert, die bilateraleZusammenarbeit mit Botswanaeinzustellen. Der Werkstattleiterfür Metallbearbeitung in Tonotawar der letzte von ca. 150 vollvom DED finanzierten Entwick-lungshelfern, die durchschnittlichdrei Jahre lang für das botswa-nische Berufsbildungssystem imtechnischen, kaufmännischen undpädagogischen Bereich gearbeitethaben. Die Hochzeiten derZusammenarbeit lagen dabeivor allem in den frühen 80erJahren und 1995, als bis zu 35Fachkräfte gleichzeitig in derBerufsbildung tätig waren (siehe Grafik 1).

Was hat das DED-Engagement bewirkt?

Drei Fragen drängen sich auf:

➔ Inwieweit wurde durch denDED-Beitrag die Qualitätder technischen Berufsaus-bildung gesteigert?

➔ Sind die Brigaden in der Lage,auch ohne den Einsatz vonDED-Fachkräften denStandard der Berufsaus-bildung zu halten?

➔ Sind die Probleme derBrigaden nicht in Wirklichkeitdie gleichen wie vor zwanzigJahren und hätte der DEDnicht eigentlich viel früheraussteigen müssen?

Diese und andere Fragen habendie botswanische Regierung undden DED bewogen, den Outputdes DED-Engagements in derbotswanischen Berufsbildungdurch eine Evaluierung zu er-fassen. Unter der Prämisse, dasAusstiegsszenario auch als Chancezu sehen, sollten die Ergebnissedes Gutachtens zudem die Grund-lage für eine mögliche neue Formder Kooperation bilden, bei derdie botswanische Regierung dieKosten für bestimmte Stellenübernimmt. Es wurde ein un-abhängiges Gutachterteam mitVertretern aus Deutschland undBotswana gebildet. Dieses Teambesuchte die Brigaden, interviewteVorgesetzte und Kollegen derDED-Fachkräfte, wertete Ent-wicklungshelferberichte aus undanalysierte Statistiken.

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Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung in BotswanaJürgen Pauck-Borchardt

Wirtschaftsförderung

Was hat das Engagement des DED in Botswana bewirkt? Wie beurteilen es die Menschen vorOrt? Eine ausgiebige Untersuchung der botswanischen Regierung und des DED überprüfte dieErgebnisse der Entwicklungszusammenarbeit. Die Resultate sind sehr erfreulich.

Anzahl von Entwicklungshelfern in der Berufsbildung und Anzahl geförderter Brigaden

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Grafik 1

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Handwerksmeister/TechnikerIngenieureWirtschaftswissenschaftlerForst-/AgrarwissenschaftlerPädagogen

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Ergebnisse derUntersuchung

Der Abschlussbericht der Gut-achter gibt einen Überblick überdie Erfahrungen mit Entwick-lungshelfern und Entwicklungs-helferinnen. Es gibt durchausnegative Erfahrungen. So erwähntein Brigadeleiter auf die Fragenach Auswirkungen des DED-Einsatzes lediglich das Auto, dasder Entwicklungshelfer mitge-bracht hatte und welches dannbei der Partnerorganisation ver-blieben ist. In einem anderenFall hat eine Fachkraft einfachihre eigenen Pläne durchgesetzt,ohne sich um die Meinung derlokalen Kollegen und Kolleginnenzu kümmern. Weitere Negativ-argumente sind strukturell bedingtoder liegen eher auf Seiten derbotswanischen Regierung. So wirdals generelles Problem erwähnt,dass vor allem die ausgebildetenCounterparts häufig aus länd-lichen Gebieten in attraktiverePositionen in die Stadt wechseln.Dazu wird von den Gutachternkonstatiert, dass auf Programm-ebene des Finanz- und Erziehungs-ministeriums keine wirklicheIdentifikation mit dem DED-Programm existiert.

Aber besonders das letzte Argu-ment wendet sich ins Gegenteil,wenn man auf Partner- oderProjektplatzebene nachfragt.Wiederholt wird von Brigade-leitern und Vorgesetzten bestätigt,dass von Beginn an der Einsatzder Entwicklungshelfer gemein-sam geplant, Ziele durch ein„Memorandum of Understan-ding“ schriftlich vereinbart undderen Erfüllung dank regelmä-ßiger Besuche des Koordinatorsüberprüft wurden. Technischeund kaufmännische Verfahrensind dadurch häufig nach Weg-gang der Fachkräfte weiterge-

führt worden. Dazu kommeneine erhebliche Verbesserungder Abschlussquoten in den Ab-teilungen, die von DED-Fach-kräften geleitet wurden sowiedie Einführung eines qualitativhöherwertigen technischen Berufs-bildungsabschlusses. Positiv be-merkt wird zudem der außeror-dentlich hohe Frauenanteil unterden Auszubildenden – selbst in technischen Berufszweigen.

Zusammengefasst stellen die Gut-achter fest, dass das Brigaden-system in Botswana trotz allerbürokratischen Schwächen deminternationalen Vergleich durchausstandhalten kann. So wurde dieAnzahl der Brigaden kontinuier-lich erhöht und seit Mitte der80er Jahre auf mittlerweile 41verdoppelt. Im gleichen Zeit-raum hat sich die Anzahl derAuszubildenden von 1.800 aufannähernd 6.000 erhöht. Alleinim raschen wirtschaftlichenWachstum der 90er Jahre liegtder fortwährende Einsatz desDED begründet. Darüber hi-naus war es aber notwendig, denWandel von der Selbstversorger-mentalität kleiner Ortschaftenzum marktorientierten Ansatzder Produktionsabteilungen zubegleiten. Positiv wird in diesemZusammenhang auch der Pro-grammansatz zur Kleingewerbe-förderung erwähnt, der u.a. dieBetreuung von Absolventen derBrigadenausbildung und vonanderen Kleinstunternehmernim Umfeld der Berufsbildungs-institutionen beinhaltet (sieheGrafik 2).

Entscheidende Auswirkung aufdie bis auf wenige Ausnahmenpositiven Beurteilungen habenaber vor allem Arbeitsethik undMotivation der DED-Fachkräfte,die sich zudem durch viel Ein-fühlungsvermögen und interkul-

turelle Kompetenz als vorbildlichfür die botswanische Seite er-wiesen haben. Als wichtig werdenauch Managementerfahrungund pädagogisches Geschick imUmgang mit den lokalen Kräftenerachtet. Da auch die in Grafik2 aufgeführten Qualifikationenmit dem Bedarf übereinstimmen,empfehlen die Gutachter derbotswanischen Regierung dasProgramm des DED in verän-derter Form fortzuführen undin Zukunft selbst zu finanzieren.

Auftragsgeschäft

Grundsätzlich hat das Bundes-ministerium für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwick-lung (BMZ) dem DED unterdem Stichwort „Auftragsgeschäft“die Möglichkeit gegeben, gegenEntgelt tätig zu werden. Bots-wana könnte für diesen neuenGeschäftsbereich eine Vorreiter-rolle übernehmen, auch wennnoch nicht die Vollkosten einesEntwicklungshelfers erwirtschaftetwerden können. Auf Grundlageder Empfehlungen der Gutachterhat der DED im März 2003 dembotswanischen Finanzministeriumein offizielles Angebot vorgelegt,wonach bei Übernahme derKosten für Unterhaltsgelder,Wohnung und Arbeitsmittel 15bis 20 Fachkräfte zur Verfügunggestellt werden können. Außer-dem soll ein Teil der Bürokostenübernommen werden. NachVergleich mit anderen Anbieternund eigenen Rekrutierungs-kosten hat sich die botswanischeRegierung entschlossen, zunächsteinmal acht Fachkräfte fürPositionen in den BereichenBerufsbildung und Ressourcen-schutz anzufordern, die aufgrundmangelnder Expertise lokal undselbst regional nicht verfügbarsind. Nach mehreren Verhand-lungsrunden wurde am 4. März

Qualifikationen vonEntwicklungshelfern inBrigaden (1990-2002)

44%

19%

17%

9%

4%

Grafik 2

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2004 eine Vereinbarung vomStaatsekretär des botswanischenFinanzministeriums und demDED-Regionaldirektor unter-zeichnet. Die Vereinbarung läuftüber fünf Jahre und sieht dieErhöhung der Entwicklungs-helferzahl auf bis zu 20 vor.

Was wird sich ändern?

In der neuen nachfrageorientier-ten Form der Zusammenarbeitist zunächst einmal zu erwarten,dass die botswanische Seite denDED-Beitrag wesentlich inten-siver begleiten wird. Durch dieZahlung erheblicher Beiträgewerden insbesondere das Finanz-ministerium, aber auch dieinvolvierten Fachministerien einerhebliches Interesse an einerprofessionellen Durchführungder Programme haben. Dieseneue Form der „Ownership“auf Programmebene soll durchregelmäßiges gemeinsamesMonitoring und eine gründlicheEvaluierung des Programms zurHalbzeit der Vertragsdauer gesi-chert werden.

Wie von den Gutachtern vorge-schlagen, wird sich die Interven-tionsebene des DED in Botswanaverändern. Um die Auslastungder Fachkraft zu erhöhen unddie Abhängigkeit der kleinenlokalen Organisation von gutausgebildeten Entwicklungs-helfern zu vermeiden, wird derDED zukünftig nur noch aufnationaler oder Distriktebenearbeiten. Im Berufsbildungs-

bereich werden somit zukünftigStellen als Abteilungsleiter fürMaschinenbau oder Autoelek-tronik in den höher eingestuften„Technical Colleges“ oder alsFachberater z.B. für Informations-technologie oder Sonderpädagogikim Erziehungsministerium be-setzt. Es wird demnach keinenvom DED bezahlten Leiter derElektrowerkstatt in Kanye mehrgeben, aber es ist durchaus denk-bar, dass in Zukunft Entwick-lungshelfer als Managementbe-rater für mehrere Brigaden imRegionalbüro des Erziehungs-ministeriums in Francistowneingesetzt werden.

Abgesehen von einigen zusätz-lichen administrativen Aufgabenwird sich für die Entwicklungs-helfer innerhalb des neuen Pro-gramms in Botswana aber wenigändern. Die Fachkräfte aus demAuftragsgeschäft werden genausobehandelt und an Entscheidungenbeteiligt wie die aus den nochbis 2006 weiterlaufenden Pro-grammbereichen Ressourcenschutzund HIV/Aids. Die neue Fach-beraterin für Gesundheits- undSozialfragen im Auftragsgeschäftmuss unter den gleichen Bedin-gungen arbeiten wie die HIV/Aids-Koordinatorin bei der„Botswana Training Authority“,die noch aus dem DED-Stamm-programm finanziert wird. Vonbeiden wird im Rahmen desBeurteilungssystems des öffent-lichen Dienstes von Botswanaein gleich hohes Maß an Profes-sionalität erwartet. Auch inner-halb des DED in Botswanawerden die Auswirkungen desEinsatzes der Entwicklungshelferbereits durch ein Monitoring-verfahren gemessen, das von denFachgruppen auf Basis der Vor-gaben der Zentrale entwickeltwurde.

Fazit

Man kann das botswanischeModell, insbesondere aufgrundder besonderen wirtschaftlichenSituation, sicherlich nicht ein-fach auf andere Länder des Sü-dens übertragen. Hohe Kaufkraftund anhaltende Stärke der bots-wanischen Währung machendie Nachfrage nach Fachkräftenmit einem solch substantiellenBeitrag erst möglich. Aber auchdas Maß an Zuverlässigkeit inder Einhaltung von Terminenund Absprachen, die den ge-samten Verhandlungsprozessmit der botswanischen Regierungauszeichnen, ist nur in wenigenDED-Partnerländern zu finden.

Grundsätzlich gibt es aber auchin einigen anderen Staaten dessüdlichen Afrika potente staatlicheund halbstaatliche Institutionen,die durchaus in der Lage sind,zumindest Anteile der Unterhalts-gelder zu zahlen. Dies würdenicht nur zur Erhöhung derEinnahmen des DED, sondernauch zu einer höheren Identifi-kation des Partners mit demDED-Programm führen. Darüberhinaus bedeutet die Veränderungvon der bisherigen Angebots-hin zur Nachfrageorientierungfür den DED die Chance, sichmit seinen spezifischen Stärkenals Auftragnehmer bei Aus-schreibungen internationalerGeldgeber zu beteiligen undauch in der Zusammenarbeitmit der Privatwirtschaft stärkerzu positionieren.

Jürgen Pauck-Borchardt warvon 2000 bis 2004 Landeskoor-dinator in Botswana und arbeitetjetzt als Fachreferent für Wirt-schafts-/Beschäftigungsförderungbeim DED in Bonn

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Wirtschaftsförderung

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Grabüberdachungen in Botswana

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Acht Uhr morgens. Auf denaufgeweichten Erdstraßen

herrscht geschäftiges Treiben.Man könnte vermuten, dass dieMenschen auf dem Weg zurArbeit sind. Doch nutzen vielenur die kühlen Morgenstundenfür ihre täglichen Erledigungen.Über 20 Prozent der arbeitsfähi-gen Bevölkerung sind arbeitslos,90 Prozent leben von wenigerals 100 Euro im Monat. Benguí –von den Bewohnern liebevollBengola genannt – ist ein typi-sches Stadtrandwohnviertel der1,5 Millionenstadt Belém amAmazonas-Delta. Neben derhohen Arbeitslosigkeit ist dieLebenssituation der ca. 70.000Einwohner durch die fehlendeGrundversorgung vor allem inden Bereichen Gesundheit, Bil-dung und öffentliche Sicherheitäußerst prekär.

Das Kernstück der Politik desamtierenden brasilianischenPräsidenten Luiz Ignàzio Lula daSilva stellt das Programm „FomeZero“ – Null Hunger – dar. Eshat zum Ziel, den Ursachen vonArmut und Hunger entgegen-zutreten. Mit der Umsetzung vonentsprechenden strukturpoliti-schen lokalen und regionalenMaßnahmen ist das NationaleSekretariat für Solidarökonomie(SENAES) betraut. Es wurdeim Juli 2003 eingerichtet undist innerhalb des Arbeitsministe-riums angesiedelt. Ein zentralerAspekt des Programms FomeZero ist die Solidarökonomie,mit ihren sozial- und wirtschafts-politisch motivierten Ansätzen.

Selbstverwaltung

In einem unscheinbaren Häuscheneiner Seitenstraße von Benguíunterhalten sich acht Frauengut gelaunt an ratternden Näh-maschinen. Sie sind Teil einer16-köpfigen selbstverwaltetenGruppe, der „Grupo de ProduçãoAmazônia“ (GPA), die diversehandwerkliche Produkte herstellt.Auf der unlängst erschienenenbunten Broschüre der Gruppeprangt ein Werbeslogan:„Sustento, que vem da natureza“,was soviel heißt wie (Lebens-)Unterhalt aus der Natur. DemInhalt der Broschüre kann manentnehmen, dass bei der Her-stellung der Produkte darauf geachtet wird, überwiegend regionale Naturmaterialien wieSamen, Früchte, Kräuter undFasern zu verwenden. Diesewerden zu Ketten, Duftkissen,Taschen und T-Shirts verarbeitet.In der Broschüre wird außerdemgenauer dargestellt, welches Zielhinter der Produktion steht. Esgeht um Solidarökonomie – alsoum nachhaltige Entwicklung,Respekt vor der Natur, Gleich-berechtigung zwischen Männernund Frauen, einen gesichertenLebensunterhalt, Wertschätzungund Bezahlung der menschlichenArbeit und Zusammenarbeit.

Hervorgegangen ist die Produk-tionsgruppe aus einer Initiativeder Frauengruppe Benguí (Grupode Mulheres do Benguí – GMB),die bereits vor 16 Jahren ge-gründete wurde. In der GMBwerden Themen wie Gewalt gegenFrauen, Gesundheit und Bildungartikuliert. Darüber hinaus wird

als zentrales Entwicklungshemm-nis des Stadtteils die Beschäfti-gungslage der Bevölkerung dis-kutiert. Zur Überwindung dieseslimitierenden Faktors leistet dieFrauengruppe schon seit Jahreneinen signifikanten Beitrag, indemsie Ausbildungskurse für Arbeits-lose organisiert und dabei be-sonders auf allein stehende Frauenund Jugendliche Rücksichtnimmt. Zur Durchführung vonHandwerkskursen wurden mitfinanzieller Unterstützung ausdem Selbsthilfefonds des DED(SHI) Nähmaschinen und Tischeerworben. In einem Kurs zurHerstellung von aromathera-peutischen Produkten wie Kissen,Duftsäckchen und Naturwasch-schwämmen, wurden die Teil-nehmerinnen in die Lage versetzt,durch eigene Produktion eineVerdienstmöglichkeit zu schaffenund schlossen sich im Jahr 2000zu einer Produktionsgruppe zu-sammen. Die vorhandenenKenntnisse in der Herstellungsowie die Möglichkeit, dieProduktionsmittel kostenlos zunutzen, reichten jedoch noch

Solidarökonomie – ein Weg zur ArmutsminderungSilke Tribukait

Die Verbesserung der menschlichen Lebensverhältnisse, Schonung der Umwelt, Unternehmen, dienicht die Maximierung des Profits an erster Stelle nennen – diese und andere Merkmale verbindetder Begriff Solidarökonomie. Silke Tribukait beschreibt konkrete Maßnahmen, wie die Armut inBrasilien gemindert werden kann, wenn die Menschen in die Lage versetzt werden, sich selbst zuhelfen.

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In der „Grupo de Produção Amazônia“werden Produkte überwiegend ausregionalen Naturmaterialien gefertigt

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nicht aus, um eine beständigeEinkommensquelle zu schaffen.Nach einer ersten Analyse mitUnterstützung des DED undder Partnerorganisation (FASE)wurde deutlich, dass die herge-stellten aromatherapeutischenProdukte aufgrund des hohenPreises auf dem lokalen Stadt-teilmarkt keinen Absatz findenkonnten. Darüber hinaus hattendie Produzentinnen Schwierig-keiten, andere Absatzmärkte zuerschließen. Durch eine vomDED und FASE vermittelteAuftragsarbeit (zur Produktionvon Jutetaschen mit Kampagne-slogan) und durch Einbindungin eine Kampagne zur Müllre-duzierung entstand die Idee,Eventtaschen und T-Shirts herzustellen.

Die erste größere Produktion(1.300 Taschen aus Jute für denersten Nationalen Agroökologie-kongress in Rio de Janeiro 2002)wurde mit Unterstützung desDED minutiös von der Auftrags-annahme bis hin zum Versandanalysiert. Durch fortlaufendeBeratung konnte in den folgendenJahren ein schrittweiser Abbauder Schwierigkeiten im Hinblickauf Kostenkalkulation, Organi-sation der Produktionsabläufe,

Marketing und Verkauf erreichtwerden. Heute stehen die Näh-maschinen nicht mehr still unddie Produzentinnen haben inzwischen ein monatlichesEinkommen von 200 Real vorzuweisen.

Neben dem wirtschaftlichenErfolg zeigen die folgenden Aus-sagen der Frauen, das sich nochmehr in ihrem Leben veränderthat:„Ich habe gelernt, solidarischer

gegenüber anderen zu sein.“„Ich merke heute, dass in mirwichtige Veränderungen stattge-funden haben; ich habe gelerntbesser mit anderen Menschenumzugehen und sehe, dass vieledie gleichen Probleme haben.“„Zu Hause war ich depressiv,aber seit ich mich dieserGruppe angeschlossen habe, hat sich vieles in meinem Lebenverändert.“„Ich habe viel Energie von derGruppe erhalten.“„Hier kann ich das Gelernte indie Praxis umsetzen und finanzielltrage ich viel zum Unterhaltmeines Haushaltes bei.“Der Erfolg dieser kleinen Pro-duktionsgruppe ist aber nichtnur auf die Beratung und Analyseihrer Produktion sowie auf ihre

Organisationsform zurückzufüh-ren. Die Frauen haben in derPraxis erkannt, dass sie gegen-seitig aufeinander angewiesensind und als Gruppe gut funk-tionieren müssen, da sie dieWichtigkeit von Netzwerkenverstanden haben. Hier findensie eine Plattform, wo sie sichmit anderen Produktionsgruppenin ganz Brasilien und sogar da-rüber hinaus austauschen können.

Netzwerke im Rahmender Solidarökonomie

Wie das Programm gegen Hungerist auch die Einrichtung derSENAES auf einen langen par-tizipativen Entstehungsprozesszurückzuführen. Schon 1998fand in Porto Alegre ein ersteslateinamerikanisches Treffen fürKultur und solidarische Sozio-ökonomie statt, auf dem dieGrundsteine für ein brasiliani-sches Netzwerk für Solidaröko-nomie gelegt wurden. DiesesNetzwerk setzt sich zusammenaus ländlichen und städtischenArbeitern und Arbeiterinnen,populären Kleinunternehmern,sozialen Bewegungen sowieNichtregierungsorganisationen.Seine unterstützende Funktionrichtet sich an Konsum- undProduktionsgruppen, Koopera-tiven und Vereine, die das Zielvereint, die Produktionskettenauf lokaler bis hin zur nationalenEbene zu stärken.

Eine Arbeitsgruppe des Netz-werkes, die so genannte „GT Brasileiro de EconomiaSolidária“ (Brasilianische Arbeits-gruppe zur Solidarökonomie)rief gemeinsam mit dem inter-nationalen Komitee 2002 daserste Weltsozialforum ins Leben.Außerdem forderte sie vomPräsidentschaftskandidaten Lulaschon während des zweiten Wahl-

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Wirtschaftsförderung

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ganges ein spezielles staatlichesProgramm für die Thematik undschlug den Ökonom ProfessorPaul Singer als Sekretär vor.

Engagement des DED

Seit 2001 arbeitet der DED zu-sammen mit den Partnerorgani-sationen des Amazonasprogrammsan der Entstehung einer regio-nalen Netzwerklandschaft. DieAktivitäten liegen u.a. im BereichBeratung und Unterstützungbei der Planung, Organisationund Durchführung von Treffenund Veranstaltungen bzw. derTeilnahme an nationalen Ver-anstaltungen zum Thema Soli-darökonomie. Im Rahmen einerintensiven Zusammenarbeit mitstaatlichen und nichtstaatlichenStellen und Organisationen sowiepersoneller und finanziellerUnterstützung seitens des DED –und nicht zuletzt dank günstigerpolitischer Rahmenbedingungen –konnte die GT-EconomiaSolidária von FAOR konsolidiertund die Konstituierung neuerForen unterstützt werden.

Regelmäßige Treffen ermöglicheneinen intensiven Austausch zwi-schen städtischen und ländlichenProduzenten sowie beratendenstaatlichen und nichtstaatlichenOrganisationen und Verbänden.Die regionalen Vertreter nehmenaktiv an den Foren und Netz-werken auf nationaler Ebene teil.National wird nun registriert,dass ein großes Potenzial anpraktizierter Solidarökonomiemit einer amazonischen Spezifität(Produkte, Herstellung, Ver-arbeitung, Vermarktung undKonsum) existiert. Heute ist dieGT Economia Solidária vonFAOR in Hinblick auf die Arti-kulation Ostamazoniens nationaleReferenz für die SENAES. Diesermöglicht Gruppen wie der

GPA, sich Zugang zur Entwick-lung und Einflussnahme aufpolitische Entscheidungen sowieZugang zu öffentlichen Mittelnzu verschaffen, was wiederumzur Verbesserung der Lebensbe-dingungen und des Einkommensbeiträgt.

Solidarökonomie,was ist das?

Viele gesellschaftliche Kräfteunterschiedlicher Orientierungensehen heute in der Solidaröko-nomie eine der wichtigstenAntworten auf die sozialen Fragen,die die neoliberale Globalisierungaufwirft.

Solidarökonomie ist als einGegenmodell zur dominierendenreinen Marktwirtschaft zu ver-stehen und setzt auf Solidarität,lehnt persönliche Profitmaxi-mierung ab und zielt auf dieVerbesserung menschlicherLebensverhältnisse durch demo-kratische Unternehmensführung,die Ausbildung von Menschenim Sinne der Förderung vonSolidarität und Kooperation undauf die Priorität soziopolitischergegenüber wirtschaftlicher Ziele.

Solidarökonomie findet Ausdruckin sozialkulturellen Alternativenzur Geldwirtschaft und Erwerbs-arbeit wie etwa Tauschsystemen,Talentbörsen, Stadtteilwerkstättenfür Eigenarbeit, alternativen lokalen Währungen und Konsum-und Produktivgenossenschaften.

Aussichten

Vor dem Hintergrund zuneh-mender sozialer Ausgrenzungdurch die Folgen der neolibera-len Marktwirtschaft wird dasThema „Solidarökonomie“ der-zeit weltweit diskutiert. ZurArmutsminderung entwickelteProgramme wie „Fome Zero“ inBrasilien sind nicht umsonst inaller Munde, dennoch sind sienicht das Allheilmittel. Solidaritätmuss wieder gelernt werden unddas ist nicht einfach, denn woGeld und politische Macht insSpiel kommen, hört die Solidaritätschnell auf. In Brasilien ist wiederWahljahr und so ist in den letztenMonaten auch die Arbeit inner-halb der solidarischen Netzwerkezunehmend vom Machtgezerregekennzeichnet, gerade an denSchnittstellen von Staat (hierdie SENAES) und organisierterZivilbevölkerung. Gemeinsamgeplante Aktivitäten fallen demStreit zum Opfer und schwächendie Artikulation. Umso wichtigerwird es sein, sich auf die lokalenPotenziale zu besinnen und daranzu arbeiten, ein Bewusstsein zuschaffen, dass Solidarität einegroße Ressource ist – in Brasilienund weltweit.

Silke Tribukait ist Landschafts-planerin und seit 1999 Entwick-lungshelferin des DED in Brasilien

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Die Regierungen der DDRund der Sozialistischen Re-

publik Vietnam unterzeichnetenim April 1980 ein „Abkommenüber die zeitweilige Beschäftigungund Qualifizierung vietnamesi-scher Werktätiger in Betriebender DDR“. Was als internationaleSolidarität verkauft wurde, hattewirtschaftliche Gründe: DieDDR-Regierung nutzte die aus-ländischen Arbeitskräfte, um ei-nen Arbeitskräftemangel auszu-gleichen und so die Produktionzu sichern oder zu erhöhen. Vorallem in Chemiefabriken, in derAutoindustrie und in Nähereienund Wäschereien kamen die Ver-tragsarbeiter zum Einsatz. 1989stammten 60.000 der rund91.000 Vertragsarbeiter/innenin der DDR aus Vietnam. Im wiedervereinten Deutschlandhatte man wenig Interesse, diesePersonengruppe sowie weitere3.000 - 3.500 Vietnamesen, diean Berufsschulen ausgebildetwurden oder an Fachhochschulenund Universitäten studierten/promovierten, zu übernehmen.Daher kehrten bis 1993 rund49.000 ehemalige Gastarbeiterfreiwillig nach Vietnam zurück.

Basis für die Rückkehr war dasam 9.6.1992 geschlossene Ab-kommen zwischen der BRD undder Sozialistischen RepublikVietnam über „Finanzierungs-hilfen zur Existenzgründung undberuflichen Wiedereingliederungvon Fachkräften in Vietnam“.Damit waren die formellen, völ-kerrechtlichen Grundlagen fürdas so genannte „Fachkräfte“-Reintegrationsprogramm ge-schaffen. Beauftragt durch das

Bundesministerium für wirt-schaftliche Zusammenarbeitund Entwicklung (BMZ) lagdie Progammverantwortung aufdeutscher Seite bei der Zentral-stelle für Arbeitsvermittlung sowieder Deutschen Ausgleichsbankund auf vietnamesischer Seitebeim Ministry of Labour, Invalidsand Social Affairs (MoLISA) so-wie der ICB.

Angebote fürExistenzgründer

Ein Kreditsonderfonds, verwaltetdurch die Industrial and Com-mercial Bank of Vietnam, ermög-lichte es, Kredite an die Existenz-gründer unter den Rückkehrernzu vergeben. Der maximaleKreditrahmen betrug anfänglich100.000 DM, ab dem Jahre 2000wurde er auf bis zu 150.000 DMerhöht, um der gestiegenenNachfrage zu entsprechen. DurchLaufzeiten von bis zu 10 Jahrenund im Zinssatz etwas unter demvon der vietnamesischen Staats-bank vorgegebenen Satz liegend,füllte das Programm eine erheb-liche Angebotslücke. Ab Mai1999 wurde dieser Kreditsonder-fonds auch für alle anderenvietnamesischen Existenzgrün-der zu gleichen Konditionen zu-gänglich gemacht. Zur Begleitungund Unterstützung des Kredit-sonderfonds wurde durch dieICB u.a. Kreditgarantiefondseingerichtet, über den, bei nichtausreichendem Eigenkapital, biszu 80 Prozent der Kreditsummebesichert werden können. Nebendiesen Kreditangeboten konntenExistenzgründer einen Eigen-kapitalzuschuss erhalten und an

beruflichen Aus- und Fortbil-dungsmaßnahmen sowie Exis-tenzgründerkursen teilnehmen,die über die landesweiten Struk-turen des vietnamesischen Minis-teriums für Arbeit und Soziales,MoLISA abgewickelt wurden.

Das Existenzgründungs-programm in der Koopera-tion von DEG und DED

Nach Abschluss einer entsprech-enden Vereinbarung mit demMinisterium für Arbeit undSoziales wurde ein Kooperations-vertrag zwischen der programm-verantwortlichen DeutschenEntwicklungsgesellschaft (DEG)und dem Deutschen Entwick-lungsdienst (DED) geschlossen.Beginnend mit dem 1.7.1999übernahm eine unselbstständigeArbeitseinheit (bestehend auseinem Entwicklungshelfer undzwei einheimischen Fachkräften)des DED in Vietnam die pro-grammbezogenen Aktivitäten vorOrt. Diese Arbeitseinheit unterdem Dach des DED unterstandder Fachaufsicht von DEG undMoLISA und hatte die Aufgabe,das Zuschussprogramm zu be-treuen, sowie Trainings- undBeratungsangebote für Existenz-gründer bereit zu stellen.

Zur Fortsetzung der Beratungs-und Trainingsleistungen weit überdas Jahr 2000 wurden die durchden DED im Rahmen diesesProgramms wahrgenommenenAufgaben bis Mitte 2003 schritt-weise auf vietnamesische Organi-sationen in Hanoi, Da Nangund Ho Chi Minh übertragen.Dazu wurde die ursprünglich für

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Wirtschaftsförderung

Das Deutsch-Vietnamesische ExistenzgründungsprogrammWolfgang Karpati

Mit dem Fall der Mauer 1989 wurden zehntausende vietnamesische Gastarbeiter über Nacht arbeits-los. Ohne Aussicht auf eine Beschäftigung im wiedervereinten Deutschland kehrte bis 1993 einGroßteil freiwillig in das Heimatland zurück. Ein „Fachkräfte“- Reintegrationsprogramm zwischenDeutschland und Vietnam erleichterte ihnen die Rückkehr. Nach 10 Jahren zieht WolfgangKarpati Bilanz.

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den Zeitraum von zwei Jahrengeplante Kooperation DEG-DED im Jahre 2001 um weiterezwei Jahre verlängert.

Der Grundgedanke dabei war,das bei der ICB eingerichteteDarlehensprogramm durch einedauerhaft angelegte Beratungs-komponente zu ergänzen undsomit einen nachhaltigen Beitragzum Aufbau privatwirtschaftlicherStrukturen in Vietnam zu leisten.

Die Hauptaufgaben der Pro-grammpartner bestanden vorallem darin, Training (Existenz-gründungsseminare und spezielleweiterführende Seminare wieBuchhaltung, Kostenrechnung,Marketing, Arbeits- u. Umwelt-schutz) und Beratung (individuellzu Existenzgründung und Be-triebserweiterung, insbesonderehinsichtlich Finanzierungslösun-gen) anzubieten.

WesentlicheProgrammergebnisse

Im Gesamtumfang des Reinte-grationsprozesses konnten imZeitraum 1993 bis 2003 ca.12.000 RückkehrerInnen in Aus-und Fortbildungsmaßnahmenberuflich qualifiziert bzw. umge-schult werden und sich für eineExistenzgründung qualifizieren.

Seit Beginn des Programms sindim Rahmen des Kreditsonder-fonds, in den 12,3 Mio. Euro vondeutscher und 6,9 Mio. Euro vonvietnamesischer Seite eingezahltwurden, Kredite im Gesamtum-fang von mehr als 50 Mio. Eurobewilligt worden. Damit konntenbisher mehr als 5.800 Unterneh-mensgründungen finanziert undüber 49.000 Arbeitsplätze ge-schaffen werden.

In Existenzgründungs- und spe-ziellen weiterführenden Seminarenkonnten sich seit 2001 mehr als4.300 Personen qualifizieren –davon ca. 40 Prozent weiblich.

An individuellen Beratungen zuExistenzgründung und Betriebs-erweiterung, insbesondere hin-sichtlich Finanzierungslösungen(Kreditzugang) nahmen mehr als2.400 Personen teil. Auch hierwaren 40 Prozent der Teilneh-menden Frauen.

Strukturelle Nachhaltigkeit

Auf folgenden Gebieten leistetedas ExistenzgründungsprogrammPionierarbeit innerhalb derdeutschen Entwicklungs-zusammenarbeit in Vietnam:

➔ Exemplarisch wurden Trai-nings- und Beratungsstruk-turen für Klein- und mittlereUnternehmen (KMU) inner-halb des MoLISA-Systemsgeschaffen, die in dieser Formvorher nicht existierten.

➔ Die starke Orientierung derBeratungsbüros auf den struk-turarmen ländlichen Raumund der dort vollzogene Auf-bau von Partnern und Trainer-kapazitäten war eindeutigPionierarbeit im Rahmen derdeutschen und auch interna-tionalen Entwicklungszusam-menarbeit. Hier wurde nochvor Verabschiedung der Ar-mutsminderungsstrategie(CPRGS ) der vietnamesi-schen Regierung die richtigeWeichenstellung zur Umset-zung des Aktionsprogramms2015 der Bundesregierungvollzogen.

➔ Ein weiterer innovativerAspekt der Programmarbeitwar die konkrete Verbindungvon Training und Beratungfür KMU mit dem Darlehens-

programm aus dem Kredit-sonderfonds der DEG, abge-wickelt über die PartnerbankICB. Die Zusammenarbeiterwies sich dort am leichtestenund effektivsten, wo es mög-lich war, diese Annäherungauf lokaler Ebene zu vollzie-hen. Hier – vornehmlich inDa Nang, aber auch inHanoi – ist es gelungen,erfolgreiche Beratungsleistun-gen bis hin zur Kreditvergabezu erbringen.

Unter Nutzung des DED-Netz-werkes wurden die Trainings- undBeratungsstrukturen in vielfältigeMaßnahmen des DED einbezo-gen, so z.B. in eine Seminarreihezum Umweltschutz in Kleinbe-trieben sowie in die Exportför-derung. Alle drei Beratungsbüroswollen ihre Kooperation mit demDED nach Beendigung der För-derung durch die DEG fortset-zen, und haben den Einsatz vonDED-Fachkräften beantragt.

Wolfgang Karpati ist Berufs-schullehrer und seit 1996 Entwick-lungshelfer des DED in Vietnam

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Teilnehmerinnen des Buchhaltungs-kurses im Non-State EconomicDevelopment Center in Da Nang

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Profitables Umweltmanagement(PRUMA) ist ein Programm,

das vom „Pilotvorhaben zurFörderung umweltorientierterUnternehmensführung in Ent-wicklungsländern (P3U)“ derDeutschen Gesellschaft für Tech-nische Zusammenarbeit (GTZ)entwickelt wurde. Der DEDwendet das PRUMA-Programmvon GTZ-P3U seit 2002 beiseiner Umweltberatung fürUnternehmer in der ProvinzBac Giang in Vietnam an.Partner des DED vor Ort istdas Umweltamt der Provinz BacGiang. Das Programm richtetsich an Inhaber und Führungs-kräfte von kleinsten, kleinenund mittleren Unternehmen(KKMU) und zielt darauf ab, inder Betriebspraxis Maßnahmendurchzuführen, die wesentlichdazu beitragen:➔ die Produktionskosten zu

senken,➔ die produktionsbedingte

Umweltbelastung zu verringern,

➔ die Organisationsstrukturenzu optimieren, um die Umsetzung der erarbeitetenMaßnahmen und des Manage-mentsystems zu gewährleisten.

Bei Berücksichtigung dieser dreiKomponenten – Kostenmanage-ment, Umweltmanagement undOrganisationsentwicklung – kannein dreifacher Gewinn erzieltwerden.

Programmansätze

Wie ein roter Faden zieht sich derso genannte Abprodukt-Ansatzdurch das gesamte Programm.Das heißt, es werden alle Material-flüsse im Betrieb analysiert, umfestzustellen, welche Materialien,Energie und Wasser, die imProduktionsprozess eingesetztwerden, nicht Bestandteil desEndproduktes werden. Durchdiesen Ansatz werden Verbesse-rungspotenziale systematischaufgedeckt, so dass schließlichein dreifacher Gewinn realisiert

werden kann. Das gesamteProgramm umfasst verschiedeneInstrumente zur Einführung desprofitablen Umweltmanagementsim Unternehmen: RessourcenManagement Modul (RMM),Methoden guter Betriebsführung(GHK = Good Housekeeping),Umweltorientiertes Kostenma-nagement (UoKM). Das Pro-gramm ist modular aufgebautund so flexibel, dass die einzelnenWerkzeuge und Techniken jenach Bedarf kombiniert bzw. andie spezifischen Bedürfnisse einesUnternehmens angepasst werdenkönnen. Der erforderliche Zeit-aufwand liegt zwischen zwei biszwanzig Tagen und ist über einenZeitraum von sechs bis achtMonaten verteilt.Zielgruppen dieses Programmssind nicht nur Eigentümer bzw.Fach- und Führungskräfte vonKKMU in Entwicklungsländern,sondern auch lokale und inter-nationale Multiplikatoren undMittler (Consultants, Verbände,

Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung

Intelligenter Umweltschutz ist nicht unrentabel, sondern rechnet sich. Thomas Franz erläutertMethoden des profitablen Umweltmanagements (PRUMA), das der DED in Vietnam zurFörderung der lokalen Wirtschaft einsetzt.

Profitables UmweltmanagementThomas Franz

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Ein erfolgreicher Abschluss: Das PRUMA-Programm hilft Unternehmen Geld zusparen

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Wirtschaftsförderungsinstitu-tionen), die zur Anwendung, Ver-breitung, Qualitätssicherung undnachhaltigen Verankerung desPRUMA-Programms beitragenkönnen. Gleichzeitig kann für dieMultiplikatoren die Erweiterungder Angebotspalette marktorien-tierter Dienstleistungen um„Profitables Umweltmanagement“eine zusätzliche Einnahmequellesein, die deren finanzielleAbsicherung stärkt. Zu dencharakteristischen Elementenvon PRUMA gehören:

➔ einfache Instrumente, mitdenen einerseits Widerstandgegen Veränderungen leichtüberwunden werden kann, unddie andererseits eine kosten-günstige Anwendung mit ge-ringer externer Unterstützungermöglichen und dadurchbreitenwirksam in vielenKKMU einsetzbar sind,

➔ der Einstieg in einen konti-nuierlichen Verbesserungs-prozess durch die modulareVerknüpfung dieser Instru-mente,

➔ die Identifizierung von einfa-chen, in den Betrieben schnellumsetzbaren Maßnahmen bishin zur Einführung komplexerManagementsysteme, die durchihren integralen Ansatz sub-stantielle Verbesserungen imQualitäts- und Umweltma-nagement sowie bei derArbeitssicherheit zum Zielhaben und gleichzeitig dieOrganisationsentwicklungdes Unternehmens fördern,

➔ die Mobilisierung des unter-nehmerischen Eigeninteresses,des Strebens nach Gewinn(Einsparpotenzial),

➔ die Einbeziehung der beruf-lichen und persönlichenErfahrungen der Teilnehmer,

➔ die Stärkung der Problem-lösungsfähigkeit des einzelnen

Unternehmers durch die Viel-falt interaktiver und kreativerMethoden,

➔ die Nutzung des unterneh-merischen Lösungspotenzialsdurch die Arbeit mit Unter-nehmergruppen anstelle dereinzelbetrieblichen Beratungsowie Orientierung auf dieAnwendung im Unternehmendurch Vernetzung,

➔ ein flexibler Ansatz, der erlaubt,technische Aspekte zu vertiefen(z.B. durch die Durchführungeines Energie Audits, fallsEnergie ein größerer Kosten-faktor sein sollte und man dieEinführung neuer Techno-logien untersuchen will) undder dabei hilft, Investitions-pläne zu erstellen, die beiFinanzierungsinstitutioneneingereicht werden können;ein Ansatz, der zudem kom-patibel ist mit produktorien-tierten Instrumenten (z.B.Öko-Labels, Öko-Design)oder anderen – auch zertifi-zierbaren – Management-systemen.

Zur Förderung der Organisations-entwicklung vermittelt PRUMAferner Techniken der Präsentation,Visualisierung, Moderation undder Teamentwicklung, die für dieUmsetzung von Maßnahmen,die Mobilisierung der im Unter-nehmen vorhandenen Kennt-nisse und Problemlösungsfähig-keiten und für eine wirksameVernetzung der Firmen erfor-derlich sind.

Durchführung desProgramms

PRUMA ist bis heute durchGTZ-P3U sowie durch P3Ugeschulte Multiplikatoren inrund dreißig Ländern angewendetworden. Durch die Umsetzungdes PRUMA-Programms senkendie Betriebe ihre Kosten, verrin-gern ihren negativen Einfluss aufdie Umwelt, fördern ihre Orga-nisationsentwicklung und ver-bessern schließlich ihre Produktesowie die Sicherheit und Gesund-heit am Arbeitsplatz. Im Folgen-den werden ausgewählte Ergeb-nisse aus Evaluierungen desPRUMA-Programms vorgestellt,wobei sowohl die Umsetzung desvollständigen Programms alsauch seiner einzelnen Moduleberücksichtigt werden.

Ökonomisch betrachtet zeigtsich, dass 41 Prozent der währenddes Programms umgesetztenMaßnahmen zu Einsparungenzwischen 1.000 und 10.000 US$geführt haben, wobei 32 Prozentunter 1.000 US$ lagen und dieübrigen bei über 10.000 US$pro Jahr. Für die Zielgruppe derKKMU sind dies signifikanteEinsparungen. Die Betriebe in-vestierten in 50 Prozent der Fällenicht mehr als 100 US$ zurUmsetzung dieser Maßnahmen.Dies belegt, dass eines der we-sentlichen Ziele des Programmserreicht wurde, nämlich einfacheMaßnahmen zu entwickeln, diekeine großen Investitionen vo-raussetzen und die gleichzeitigzu substantiellen Einsparungenführen. Folglich amortisiertensich 50 Prozent der Maßnahmeninnerhalb kürzester Zeit. Häufighandelte es sich um Maßnahmenzur Optimierung betrieblicherAbläufe, die keine Investitionenin Technologie voraussetzten. BeiAnwendung des Moduls Umwelt-

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Unternehmer aus Bac Giang beschäftigensich mit Organisationsentwicklung,Kosten- und Umweltmanagement

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orientiertes Kostenmanagement(UoKM) konnten bis zu 7 Pro-zent der gesamten Produktions-kosten gespart werden, wie amBeispiel mittlerer Unternehmenin Zimbabwe zu sehen ist. Diesist ein überraschendes Ergebnis,denn bei Anwendung des glei-chen Prinzips in deutschen Un-ternehmen in den 90er Jahrenkonnten die Produktionskostenlediglich um 1 bis 5 Prozent ge-senkt werden.

Wirkung und Bewertung

Natürlich ist es immer schwierig,die durchschnittlichen Umwelt-wirkungen dieser Maßnahmenzu quantifizieren. Dennoch lassendie folgenden Daten gewisseRückschlüsse auf die Wirkungenzu: 25 Prozent der Maßnahmenreduzierten den Verbrauch vonRoh- und Hilfsstoffen, die indie Produktion einfließen. 16Prozent der Maßnahmen ver-ringerten den Energieverbrauchund weitere 11 Prozent führtenzu geringerem Verbrauch vonVerpackungsmaterialien. Damitist offensichtlich, dass der negativeEinfluss der Unternehmen auf

die Umwelt abnimmt.Der PRUMA-Ansatz zielt in ersterLinie auf das unternehmerischeEigeninteresse, das heißt aufKostensenkung. Jedoch findenim Verlauf der Einführung vonPRUMA weitere Bereiche Eingangin die Analyse. Zu Beginn ent-decken die Unternehmen dieAbprodukte, z.B. den unnötigenWasserverbrauch im Laufe desHerstellungsprozesses oder dieMenge an Ausschuss. Dann fragensie nach Ursache und Wirkungdieser Abprodukte. Bei derAnalyse der Ursachen spielenoft Organisationsabläufe unddie Produktqualität eine Rolle.Bei der Entwicklung von Maß-nahmen und der Planung ihrerUmsetzung werden sowohl dieseBereiche als auch Maßnahmenzur unmittelbaren Senkung derKosten berücksichtigt. Neben demNutzen aus den umgesetztenMaßnahmen verfügen die Betriebeam Ende einer erfolgreichenPRUMA-Einführung über motiviertes Personal, das dieKommunikationsinstrumenteund die Methodenkenntnis zurHandhabung eines Management-systems und zur Kontrolle derAbprodukte in einem ständigenVerbesserungsprozess anwendet.

Ein Entwicklungshelfer des DEDist seit April 2000 im Projekt„Umweltmanagement in derVerwaltung der Provinz BacGiang/Vietnam“ tätig und wendetdas PRUMA-Programm vonGTZ-P3U seit 2002 zur Um-weltberatung für klein- undmittelständische Unternehmenbranchenübergreifend an. Nebendieser Tätigkeit umfassen seineAufgaben:

➔ die exemplarische Analysevon Umweltproblemen,Erarbeitung von Lösungs-ansätzen, Umsetzung inPilotprojekten,

➔ die Qualifikation der Fach-leute für Umweltschutz-belange (Provinz, Distrikt,verantwortliche Manager),

➔ das Training von Multiplika-toren,

➔ die Öffentlichkeitsarbeit,➔ die Policy-Beratung der

Verwaltung im BereichUmweltschutz,

➔ die Vernetzung im BereichUmweltschutz zu Organisa-tionen im In- und Ausland.

Thomas Franz ist Geograph undseit 1999 Entwicklungshelfer desDED in Vietnam

Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung

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PRUMA-Maßnahmen reduzieren denVerbrauch von Roh- und Hilfsstoffenund vermindern den Ausschuss

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Die Küstenzone auf denPhilippinnen bietet ein

vielfältiges Bild: eine Vielzahl anÖkosystemen, eine extrem hoheArtenvielfalt und wirtschaftlicheProduktivität, typische Strukturenwie Sandstrände, Korallenriffe,Felsküsten, Mangrovengebieteund Lagunen. Hohe Bevölke-rungszahlen und unzureichendeEntwicklungsplanung führenjedoch zu einer alarmierendenAbnahme der Küstenressourcen.Mit integriertem Küstenzonen-management hofft die philippi-nische Regierung, den wachsendenDruck zu vermindern und lang-fristig Schutz und nachhaltigeNutzung der Küstenressourcenzu erzielen.

Strategien

Die Küstengemeinden beziehenden größten Teil ihres Lebens-unterhalts aus der Bewirtschaftungder Küstenressourcen. Ressourcen-management auf lokaler Ebenefindet einerseits unter Einbe-ziehung der Bewohner statt, andererseits obliegt den lokalenGemeinden ein Großteil derVerantwortung. Zunächst lagder Schwerpunkt ausschließlichauf Ressourcenschutz. DochErfahrungen zeigten, dass diesernur funktionieren kann, wenndie wirtschaftliche Entwicklungberücksichtigt wird und insbe-sondere die Einkommen vonFischern und Farmern verbes-sert werden. Auf lokaler Ebenewurde deshalb – ergänzend zumRessourcenmanagement – dieEntwicklung von umweltfreund-lichen, vermarktungsfähigenKüstenunternehmen unterstützt.

Die Unternehmen werden vonder Gemeinschaft geführt. Darüber hinaus unterstützenKüstenressourcenplanung,Managementrichtlinien undMarktverknüpfungen die Akti-vitäten. Ökotourismus und dieEinführung von Nutzergebührenwerden als ein wichtiges Instru-ment gesehen, um umweltfreund-liche Einkommensquellen fürFischer und Farmer zu schaffen.Nachhaltige Tourismusentwick-lung gilt als eine Strategie, umKüstenzonenmanagement mitHilfe der lokalen Bevölkerungzu verbessern und lokaleKooperationen im Rahmen vonSchutz, Pflege und Entwicklungvon Schutzgebieten zu fördernund zu vermarkten.

Ökotourismus als Entwick-lungsmotor auf Bohol

Die Provinzregierung in Boholetablierte öko-kulturellenTourismus als eine wesentlicheKomponente des Küstenres-sourcenmanagements. Darüberhinaus verankerte sie Tourismusneben der Landwirtschaft alsbevorzugte Wachstumsbranchein ihrem auf zehn Jahre ange-legten Programm zur Armuts-reduzierung. Zwei Drittel derGemeinden sind Küstengemein-den. Fischerei und Landwirtschaftsind die Haupteinkommens-quellen der Inselbewohner. Ein großes Problem stellt dashohe Bevölkerungswachstumdar: Es liegt mit rund 3 Prozentdeutlich über dem Landesdurch-schnitt und verstärkt den Druck

Ökotourismus als alternative Einkommensmöglichkeit im integrier-ten KüstenzonenmanagementSybille Creutz

Die natürlichen Ressourcen der Küstenzone auf den Philippinen sind bedroht und gehen bedrohlichzurück. Um diese Ressourcen zu schützen, ist es notwendig, die wirtschaftlichen Interessen derKüstenbewohner zu berücksichtigen. Ökotourismus ist eine viel versprechende Möglichkeit,wirtschaftliche Bedürfnisse und den Schutz der Umwelt miteinander zu verbinden.

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Ökotourismus-Touren – wie der Besuchvon Krabbenfarmen – verbessern dieEinkommen lokaler Fischer

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auf die Küstenressourcen.Auch die Nationale ÖkotourismusStrategie (2002), ein integrierterManagementplan zur Entwick-lung des Ökotourismus, verstehtÖkotourismus als direkte Ant-wort auf die drängenden Be-dürfnisse im Land. Bohol ist alsein Haupttourismusziel für Öko-touristen ausgewählt worden.Die Provinzregierung hofft, mitder Stärkung von öko-kulturellemTourismus und Landwirtschaftbenachteiligten Familien einenbesseren Zugang zu Dienstleis-tungen zu ermöglichen. Gleich-zeitig soll wirtschaftlichesWachstum entstehen und Ein-kommensmöglichkeiten geschaf-fen werden. Im Gegenzug sollenErnährung, Nahrungsmittel-sicherheit, Wohnen, Gesundheitund Bildung verbessert und da-mit der Lebensstandard in länd-lichen Gebieten angehobenwerden.

Planung und Produktentwicklunggehören zum Aufgabenbereichdes Tourismusamtes der Provinz.

Es ist derzeit jedoch kaum inder Lage, Projekte in der Planungund Umsetzungsphase kontinuier-lich zu beraten. Dieses Feld wirdin der Regel Nichtregierungs-organisationen überlassen. DasTourismusamt unterstützt dagegenvorrangig die Vermarktung derProjekte. Auf Anregung einerEntwicklungshelferin des DEDsoll in diesem Jahr ein Forumentstehen, in dem sich dieTourunternehmer regelmäßigtreffen, Erfahrungen und Ideenaustauschen, Aktivitäten koordi-nieren, Vermarktungsstrategienentwickeln und ein gemeinsamesMonitoringsystem einführen.

Ökotourismusaktivitäten

Bohols Ökotourismustourensind mit den Einwohnern als alternative Einkommensquellein Küstenschutzgebieten ent-wickelt worden und werden vondiesen geführt. Die Aktivitätenumfassen Delphine beobachten,Schnorcheln, Besuch von Austern-farmen und Krabbenkulturen,Kunstgewerbe, Spaziergängeund Paddeltouren durchMangrovenwälder. Seit diesemJahr ist eine Tour im Angebot,die Einblick in erfolgreicheKüstenschutzprojekte gibt.Informationen sind im Touris-musamt der Stadt, der Provinz,in Reisebüros oder über Direkt-buchung erhältlich. Broschürengeben weitere Informationenüber Tour- und Buchungsmög-lichkeiten. Mit dem boomendenTourismus auf der Insel interes-sieren sich zunehmend mehrTouristen für Ökotouren; den-noch ist das Besucheraufkommenmit durchschnittlich zwei bisfünf Touren im Monat vergleichs-weise gering. Am populärstenist die Delphinbeobachtungstour,die jedoch ein Saisongeschäft ist.Eine weitere Einkommensquelle

sehen die Bewohner in der Ein-führung von Nutzergebühren inMeeresschutzgebieten, die häufigattraktive Tauchgebiete sind. UmAkzeptanz bei den Tauchern zuerzielen, müssen Aktivitäten zurPflege und Verbesserung desSchutzgebietes erkennbar optimiert werden.

Entwicklung einerMangroventour

Ein positives Beispiel, wie Dorfbewohner ein umweltfreund-liches Ökotourismusprojekt imKüstenschutzgebiet verwirklichen,ist die „Candijay MangroveAdventure Tour“ in der GemeindeCandijay im Osten von Bohol.Einwohner des Dorfes Panadtaranhaben das Unternehmen gemein-sam geplant, durchgeführt undleiten es heute. Geführt wird das Unternehmen von der„Pandataran MangroveAssociation“ (PAMAS), die imJahr 1999 mit Unterstützungder staatlichen Umweltbehördeim Rahmen des Projektes zumintegrierten Küstenressourcen-management gegründet wurde.Sie sollte zunächst den 600Hektar großen Mangrovenbe-stand rehabilitieren und schützen.Gleichzeitig lernten die Bewohner,umweltfreundliche Krabben-kulturen anzulegen, die daraufabzielten, den Lebensstandarddes Dorfes zu verbessern. Weiter-hin entwickelten die Bewohnereinen Plan für Ökotourismus.Durch die gute Zusammen-arbeit zwischen dem Dorfratund PAMAS und unter großerBeteiligung der Mitglieder wurdenweitere Projektentwicklungenvorangetrieben. So wurdePanadtaran ein Partner desIntegrierten Bevölkerungspro-gramms im Küstenressourcen-management (finanziell unterstütztvon Path Foundation Philippines)

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Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung

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Die „Candijay Mangrove Adventure Tour“wirbt für den lokalen Schutz eines derartenreichsten Mangrovenwälder aufden Philippinen

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das insbesondere Familienplanungeinbezieht, um so den Druckauf die Ressourcen zu mindern.

Mit Unterstützung einer lokalenNichtregierungsorganisation undmit finanzieller und beratenderHilfe des DED verbesserten dieBewohner den Ökotourismusplanund setzten ihn Schritt für Schrittum. Dies beinhaltete zunächsteine gemeinsame Bewertungder verfügbaren Ressourcen, derProduktoptionen, der möglichenVermarktung und der Gewinnefür die PAMAS-Mitglieder.Gemeinsame Besprechungen,Workshops und Orientierungs-seminare zu Ökotourismusunterstützten die Weiterentwick-lung des Produkts. Problemewurden diskutiert und gelöst.In Eigeninitiative repariertenMitglieder von PAMAS einenSteg und bauten ein Besucher-haus und eine Küche.

Die Tour

Die Mangroventour führt durchein Mangrovenschutzgebiet, dasdurch seine Größe, seinen natür-lichen Bestand und seine hoheArtenvielfalt zu den bestenMangrovenwäldern auf denPhilippinen zählt. Die Tourwirbt für den lokalen Schutzund die Entwicklung dieses be-einträchtigten Küstenhabitatsinklusive Vogelwelt und weitererBewohner des Mangrovenwaldes.Ca. 600 Hektar werden vonPAMAS verwaltet. Grundlagebildet ein auf 25 Jahre angelegterEntwicklungsplan, der gemein-sam mit der lokalen Umwelt-behörde, dem Amt für Fischereiund dem Umweltamt der Provinzentwickelt wurde. Kontrolliertwird das Gebiet von einer zehn-köpfigen Mangrovenwacht, dietäglich im Einsatz ist, um illegaleAktivitäten zu unterbinden. Für

das Betreten des Gebietes erhebtdas Umweltamt eine Schutz-gebühr von einem US-Dollar,die in das Dorf zurückfließt undfür Unterhaltungsmaßnahmenverwendet wird.

Vermarktung

In den nächsten Monaten stehtdie Vermarktung an. Dies bedeu-tet, Kontakte mit Reiseveranstal-tern, Universitäten, Interessen-verbänden und Gemeindenherzustellen, ein Buchungssystemzu etablieren und Umweltämterfür Absatzpolitik und Programmezur weiteren Unterstützung zugewinnen. Die von der DED-Entwicklungshelferin erarbeite-ten Informationsmaterialienunterstützen die Kampagnen.Dem Tourismusamt der Provinzkommt dabei eine entscheidendeRolle zu. PAMAS wird die Tourkünftig eigenständig führen.Die im Training erworbenenBuchhaltungskenntnisse undder erarbeitete Geschäftsplanstellen eine gute Grundlage fürdie Geschäftsabwicklung unddie Kommunikation mitInteressensgruppen dar.

Verbesserung derLebenssituation

Die Mitarbeiter der Unterneh-mung erwarten, dass sie ihreRolle im Mangrovenmanagementausbauen und ihre Lebensbe-dingungen verbessern können,ohne der Umwelt und Kulturzu schaden. Gleichzeitig sehensie, dass durch die Ökotourdauerhafte Schutz-, Pflege undEntwicklungsaktivitäten desMangrovenschutzgebietes mög-lich sind und die illegale Nutzungder Mangroven unterbundenwird. Sie gehen davon aus, dasssich die Naturschutzakzeptanzder lokalen Bevölkerung wie

auch der Touristen erhöhenwird und damit langfristig demErhalt der Biodiversität desMangrovenökosystems dient.Sie hoffen, dass die Tour sichinnerhalb des breiten Touris-musmarktes etabliert und durchSchaffung neuer Arbeitsplätzesowie anderer wirtschaftlicherAktivitäten im weiteren Sinnezur Stärkung der Region beitragenwird. Vernetzungen mit anderenAngeboten in der Umgebung,beispielsweise dem Meeresschutz-gebiet in der Nachbargemeinde,können die Attraktivität erhöhenund weitere Besucher anziehen.

Das Projekt ist partizipativ ent-wickelt worden, Produktdiversi-fizierung und Vermarktung,Wirtschaftlichkeit und Ver-marktung der lokalen Kulturund Gewinne für die Gemein-schaft wurden ebenso integriertwie Aspekte des Umweltschutzesund der Umweltbildung. DieFrauengruppe hat nach demKoch- und ServiertrainingInitiative ergriffen und einenCatering Service aufgebaut, derbereits einen kleinen Verdienstabwirft. Wenn die Bewohner ihrEngagement und ihre Kreativitätbeibehalten und anstehendeProbleme wie bisher in derGruppe diskutieren und lösen,bestehen gute Chancen für einerfolgreiches Unternehmen.

Sybille Creutz ist Landschafts-planerin und seit 1999 Entwick-lungshelferin des DED auf denPhilippinen

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ImpressumHerausgeber: DED – Deutscher Entwicklungs-dienst gGmbH

Redaktion: Klaus-Dieter SeidelRalph MatschinskyKlaudia VerbeekIlka LudewigFrank Herlitschka

Gestaltung: Bergmoser + Höller Agentur,Aachen

Fotonachweis Umschlag: DED

Druck:Leufgens GmbH

Gedruckt auf Recycling-Papier

Bonn 2005

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