Delivery Quality, Serving Communities · INTERNATIONALER TAG DER PFLEGE 2008. Alle Rechte...
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Delivery Quality, Serving Communities:
Nurses Leading Primary Health Care
Motto 2008 für Deutschland, Schweiz und Österreich:
„Unsere Kompetenz – Ihre Gesundheit;
Professionelle Pflege: Garant einer erfolgreichen
Gesundheitsversorgung“
INTERNATIONALER TAG DER PFLEGE 2008
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3, place Jean-Marteau, CH-1201 Geneva (Switzerland)
ISBN: 978-92-95065-32-1
INHALTSVERZEICHNIS
Kapitel 1: Primäre Gesundheitsversorgung: Was ist es und wo stehen
wir heute?
1
Kapitel 2: Vor Ort: Pflegende in der Basisgesundheitsversorgung. 7
Kapitel 3: Die Rolle der Pflege aufbauen, unterstützen und
stärken.
14
Kapitel 4: Ausblick 23
Anhänge
Anhang 1: Millennium Development Goals
(Millennium-Entwicklungsziele)
27
Anhang 2: ICN Positionspapier Primäre Gesundheitsversorgung 28
Anhang 3: Literaturverzeichnis 30
1
Kapitel 1
Primäre Gesundheitsversorgung:
Was ist es und wo stehen wir heute?
Auf der Ebene der Primären Gesundheitsversorgung (Primary Health Care, PHC), mit
deren Hilfe die Gesundheitsversorgung so nah wie möglich an die Lebens- und
Arbeitsbereiche der Menschen gebracht werden soll, findet der erste Kontakt des Einzelnen,
von Familien und Gemeinschaften mit dem staatlichen Gesundheitssystem statt.
Seit nunmehr sechzig Jahren steht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Dienste der
Menschheit und seit sechzig Jahren besteht eine enge Verbindung zum internationalen
Verband der Pflegenden, dem International Council of Nurses (ICN). Außerdem wurde vor
dreißig Jahren in der Deklaration von Alma-Ata von der WHO und ihren Mitgliedern das
Ziel eines universellen Zugangs zu medizinischer Versorgung mit Hilfe einer Primären
Gesundheitsversorgung festgeschrieben. Diese Deklaration zeigte deutlich die „große
Ungleichheit, die in Bezug auf den Gesundheitsstatus der Menschen insbesondere zwischen
den Industrie- und den Entwicklungsländern, aber auch innerhalb der einzelnen Länder
existierte.“1
Im Umgang mit diesem Problem konzentrierte sich die WHO auf die Primäre
Gesundheitsversorgung als wichtigstem Instrument zur Realisierung der 1977 gesetzten
strategischen Ziele unter dem Motto Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000. In Riga wurde
das fünfzehn Jahre später von den Regierungen noch einmal bestätigt. 2008 nimmt die
Gesundheitsversorgung auf der globalen Agenda wieder einen wichtigen Platz ein. Der ICN
feiert die wichtige Rolle der Pflege und setzt sich für eine breitere Beteiligung der Pflege in
der Primären Gesundheitsversorgung ein, die der strategische Schlüssel dazu ist, einen
allgemeinen Zugang für alle herzustellen und zu einem besseren Gesundheitszustand der
Menschen weltweit zu gelangen.
Was haben wir gelernt?
Als wir uns 1978 die Primäre Gesundheitsversorgung zu eigen machten, betrachteten wir sie
als den optimalen Weg zur Verbesserung der Gesundheit und zum Umgang mit den
gewaltigen Aufgaben, mit denen sich die Gesundheitssysteme auseinander setzen mussten.
Da wir vorausschauend planen, ist es sinnvoll, Bilanz zu ziehen und aus unseren Fehlern
und Erfolgen zu lernen. Obwohl in Bezug auf die Weltgesundheit in den vergangenen
Jahrzehnten Fortschritte zu verzeichnen sind, kamen die gesundheitlichen Verbesserungen
nicht jedem zu Gute. Es bestehen immer größere Ungleichheiten bei der Belastung durch
Krankheiten und dem Zugang zu Versorgung sowohl innerhalb eines Landes als auch
zwischen den einzelnen Staaten, unabhängig davon, ob es sich dabei um ein Industrie- oder
ein Entwicklungsland handelt.
In einigen Gesundheitsbereichen hat es jedoch bedeutende Verbesserungen gegeben. Viele
Krankheiten wie die Masern oder Poliomyelitis sind viel besser unter Kontrolle; andere, wie
die Pocken, wurden ausgerottet. Die Durchimpfungsraten sind in den meisten Ländern
gestiegen und erreichen in einigen Entwicklungsländern bis zu 80%. Die Säuglings- und
1
WHO/UNICEF (!978), „Declaration of Alma-Ata“, International Conference on Primary health care,
Alma-Ata, UdSSR 6-12, September 1978. Genf: WHO/UNICEF.
2
Kindersterblichkeit ist weltweit deutlich zurückgegangen, die Lebenserwartung erheblich
gestiegen. Die Lebenserwartung hat zwischen 1960 und 1995 in den
einkommensschwachen um 22 Jahre und in den entwickelten Ländern um 8 Jahre
zugenommen. Die Primäre Gesundheitsversorgung hat zusammen mit wirtschaftlichen und
technologischen Fortschritten sowie gezielter finanzieller Unterstützung für bestimmte
Krankheiten in großem Maß zu diesen medizinischen Erfolgen beigetragen. Allerdings hat
die AIDS-Pandemie im subsaharischen Afrika dazu geführt, dass sich der Anstieg der
Lebenserwartung dramatisch zurück entwickelt.
Und dreißig Jahre später zeigt sich immer deutlicher, dass sich ein auf
Krankenhausversorgung bezogener, kurativer Ansatz der Gesundheitssysteme nicht als
Antwort auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eignet. Der Paradigmenwechsel von einem
Gesundheitswesen, das auf Krankenhausversorgung bezogen ist hin zu einem System, bei
dem die Versorgung innerhalb der Gemeinschaft im Mittelpunkt steht, ist bereits in vollem
Gange; allerdings bleiben immer noch wesentliche Herausforderungen bestehen.
Die Millennium Development Goals (Millenniumentwicklungsziele)
Blieb die internationale Unterstützung für die Primäre Gesundheitsversorgung in den 1990er
Jahren eher unregelmäßig, hat man seit dem Jahr 2000 und dem internationalen Abkommen
über die Millennium Development Goals (MDGs) begonnen, sich zunehmend auf sie zu
konzentrieren.
Die MDGs sind ein Bündel zeitlich befristeter (bis zum Jahr 2015) und nachvollziehbarer
Ziele und detaillierter Vorgaben zur Bekämpfung von Armut, Hunger, Krankheiten,
Analphabetentum, Umweltschäden und der Diskriminierung von Frauen.
„Ich bin nicht davon überzeugt, dass es uns gelingen wird, die
Millenniumentwicklungsziele zu verwirklichen, wenn wir nicht zu den Werten,
Grundsätzen und Ansätzen der Primären Gesundheitsversorgung zurückkehren …
Jahrzehntelange Erfahrungen sagen uns, dass die Primäre Gesundheitsversorgung
die beste Strategie hin zu einem allgemeinen Zugang ist, die beste Art ist, um
nachhaltige Verbesserungen bei den Gesundheitsergebnissen zu erreichen und die
beste Garantie dafür ist, dass der Zugang zu Gesundheitsversorgung fair ist.“
Dr. Margaret Chan, Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation, 2007
Auf dem Weg zur Realisierung der Vorgaben durch die MDGs befinden wir uns auf halber
Strecke; Fortschritte zeichnen sich noch nicht ab. Zur Bewältigung der anstehenden
Aufgaben ist es dringend erforderlich, sich auf nationaler und internationaler Ebene erneut zu
einer Primären Gesundheitsversorgung zu bekennen.
Weitere Herausforderungen für eine globale Gesundheit
Heutzutage wirken sich eine Reihe von Schlüsselfaktoren wie Armut, zunehmende
Globalisierung, Klimawandel, politische Unruhen auf den Bereich der Gesundheit aus und
tragen zu den Herausforderungen bei, denen sich die Planung und Erbringung von
Dienstleistungen stellen muss. Diese Herausforderungen sind für die Gestaltung der
Umgebung verantwortlich, in welcher die Primäre Gesundheitsversorgung durch Pflegekräfte
erbracht wird. Zu ihnen gehören:
• Die steigenden Kosten im Gesundheitswesen.
• Zunehmende Erwartungen und steigende Ansprüche der Klienten.
3
• Demographische Veränderungen und eine alternde Bevölkerung.
• Ein allgemeiner Pflegenotstand.
• Gesetzgebung und/oder politische Absichten, das Potential der Pflege vollständig
auszuschöpfen.
• Soziale Konflikte und Unruhen, die Gesundheitsdienste destabilisieren und
Ressourcen einschränken.
• Natürliche und durch den Menschen verursachte Katastrophen.
• Endemisch und als Pandemie auftretende, sowie neue und erneut auftretende
Erkrankungen.
• Die Zunahme von chronischen Erkrankungen.
• Den Wechsel hin zu einer in einem Gemeinwesen verankerten medizinischen
Versorgung zu vollziehen.
Viele dieser in einen globalen Zusammenhang eingebetteten Themen sind nicht neu. Es
handelt sich um kumulierte Auswirkungen von Politik und Praxis der Vergangenheit. Um eine
bessere Primäre Gesundheitsversorgung und andere Dienstleistungen zu schaffen und
umzusetzen, müssen wir begreifen, wie sich diese Faktoren auf die Gesundheitsversorgung
und -ergebnisse insgesamt auswirken.
“International evidence suggests that health systems based on a strong PHC orientation have
better and more equitable health outcomes, are more efficient, have lower health care costs,
and can achieve higher user satisfaction than those whose health systems have only a weak
PHC orientation.”
2
[„Internationale Daten weisen darauf hin, dass Gesundheitssysteme mit
einer stark ausgeprägten Primären Gesundheitsversorgung im Vergleich mit
Gesundheitssystemen, die nur über eine schwach ausgeprägte Primäre
Gesundheitsversorgung verfügen bessere und gerechtere Ergebnisse in Bezug auf Gesundheit
erzielen, dass sie effizienter sind und die medizinische Versorgung niedrigere Kosten
verursacht und zu einer größeren Zufriedenheit bei den Klienten führt.“ Anm.d.Ü.]
2
Pan American Health Organization (2007). Renewing Primary Health Care in the Americas: A Position Paper
of the Pan American Health Organization/World Health Organization (PAHO/WHO). Washington, D.C: PAHO.
4
Eine aktuelle Definition der Primären Gesundheitsversorgung
Bei der Primären Gesundheitsversorgung handelt es sich um die grundlegende medizinische
Versorgung auf der Basis praktischer, wissenschaftlich sinnvoller und sozial akzeptierter
Methoden und Technologien, zu der Individuen und Familien eines Gemeinwesens durch
ihre vollständige Partizipation einen allgemeinen Zugang haben, wobei die finanziellen
Belastungen von Kommune und Land aufgebracht werden können. Sie bildet einen
integralen Bestandteil im Gesundheitswesen eines Landes.
(www.paho.org/English/DD/PIN/alma-ata_declaration.htm)
Im weitesten Sinne bezieht sich die Primäre Gesundheitsversorgung auf alle Bereiche, die
für Gesundheit relevant sein können, wie Einkommen, Wohnen, Bildung und Umwelt. Eine
primäre medizinische Versorgung, d.h. Diagnose und Behandlung von Krankheiten und
Verletzungen, gehört ebenfalls dazu. Wesentliche Elemente sind darüber hinaus die
Verbesserung der Gesundheit und Prävention von Krankheiten und Verletzungen. Eine ihrer
größten Stärken ist jedoch die Beteiligung des Einzelnen an der Identifizierung von
Bedürfnissen und der Erbringung von Leistungen sowie daran, diese Leistungen so nah wie
möglich an die Menschen heranzubringen.
Kernprinzipien
Heute wird von vier Grundsätzen in der Primären Gesundheitsversorgung gesprochen. In
Kapitel 2 werden wir diese Grundsätze genauer betrachten und anhand von Beispielen
aufzeigen, wie Pflegefachkräfte durch die Anwendung dieser Grundsätze eine führende
Rolle übernehmen.
1. Gleiche und allgemein zugängliche Gesundheitsdienste. Jeder Mensch sollte
ohne finanzielle oder geographische Hindernisse einen angemessenen Zugang zu
den wichtigsten Gesundheitsdiensten haben.
2. Gesellschaftliche Beteiligung bei der Entwicklung und Umsetzung von
Gesundheitsprogrammen. Die Öffentlichkeit sollte dazu ermutigt und befähigt
werden, sich an der Planung und den Entscheidungsprozessen im Zusammenhang
mit der sie betreffenden Gesundheitsversorgung zu beteiligen.
3. Intersektorale Ansätze in der Arbeit für Gesundheit. Zur Verbesserung der
Gesundheit innerhalb einer Gemeinschaft arbeiten Fachleute verschiedener Sektoren
und des Gesundheitssektors mit den Mitgliedern der Gemeinschaft in
wechselseitigem Austausch zusammen.
4. Angemessene Technologie. Die Technologie und die Verfahren der
Gesundheitsversorgung sollten von den jeweiligen gesundheitlichen Bedürfnissen
abhängen und sich an die soziale, ökonomische und kulturelle Entwicklung eines
Gemeinwesens anpassen.
5
Stärkung der Primären Gesundheitsversorgung zur Verbesserung der
Gesundheitsergebnisse
Das Konzept der Primären Gesundheitsversorgung hat sich seit 1978 weltweit in großem
Umfang durchgesetzt. Einzelne Länder und Regionen haben große Anstrengungen
unternommen, um die Voraussetzungen zur Umsetzung und Stärkung einer Primären
Gesundheitsversorgung zu schaffen und deren Prinzipien und Elemente an ihre eigenen
Verhältnisse anzupassen. Der von der PAHO stammende, in Abb. 1
3
dargestellte
konzeptionelle Rahmen ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Region dieses Konzept
umgesetzt hat.
Abb. 1: Mögliche Werte, Grundsätze und Elemente eines auf die Primäre Gesundheitsversorgung
ausgerichteten Gesundheitswesens
Für die Entwicklung bzw. den Ausbau von Gesundheitssystemen auf der Grundlage einer
Primären Gesundheitsversorgung sind konzertierte Anstrengungen von Medizinern, Bürgern,
Regierungen, Zivilgesellschaft, multilateralen und bilateralen Behörden und anderen
erforderlich. Pflegefachkräfte können und sollten die Führungsrolle, die sie bereits
übernommen haben, weiterhin ausüben und dabei ihre bereits gewonnenen Erfahrungen
berücksichtigen.
In den folgenden Kapiteln wird aufgezeigt, wie Pflegefachkräfte durch ihre führende Rolle in
der Primären Gesundheitsversorgung ihrer Gesellschaft nützlich sein können. Darüber
hinaus werden die notwendigen Voraussetzungen zur Unterstützung ihrer zentralen
Funktionen dargestellt.
3
Pan American Health Organization (2007). Renewing Primary Health Care in the Americas: A Position Paper of
the Pan American Health Organization/World Health Organization (PAHO/WHO). Washington, D.C: PAHO
6
7
Kapitel 2
Vor Ort: Pflegende in der
Basisgesundheitsversorgung
Die pflegerische Tätigkeit bildet den Kern der Primären
Gesundheitsversorgung. Das hängt mit unserer
Ausbildung, Erfahrung und den Situationen zusammen,
in denen wir arbeiten. Pflegekräfte erbringen ihre
Leistungen überall dort, wo Menschen sind: in
häuslicher Umgebung, in Schulen, am Arbeitsplatz, in
Gefängnissen, in Gesundheits- und
Rehabilitationskliniken, in weiteren Gemeinschafts-
szenarien, aber auch in Krankenhäusern und
Forschungszentren. In praktisch allen Ländern bilden
Pflegekräfte den größten Anteil in der Gruppe des
Gesundheitspersonals. Auch in der Ausbildung und der
Überwachung weiterer Mitarbeiter sowie bei Planung,
Organisation, Monitoring und Evaluation der im
Rahmen der Primären Gesundheits-versorgung
erbrachten Leistungen sind die Pflegekräfte von
entscheidender Bedeutung.
4
Aber wie sieht es „vor Ort“ aus, wo Pflegekräfte mit der
Umsetzung der vier zentralen Grundsätze der Primären
Gesundheitsversorgung beschäftigt sind, also mit 1.)
einer gerechten und allgemein zugänglichen
medizinischen Versorgung, 2.) der gesellschaftlichen
Partizipation, 3.) der
intersektoralen Koordination und 4.) einer angemessenen technologischen Ausstattung?
Gerechte und allgemein zugängliche Gesundheitsversorgung
Gesundheitsdienste sollten allen Menschen gleichberechtigt und unabhängig von ihren
finanziellen Möglichkeiten offen stehen und für alle Menschen (reich oder arm, aus
städtischem oder ländlichem Umfeld) erreichbar sein.
Südafrika - Pflegefachkräfte sind in Townshipkrankenhäusern, die von 200 bis 300
Patienten täglich aufgesucht werden, als Krankenhausmanager tätig und leisten
allgemeinärztliche Versorgung. Sie betreuen und beaufsichtigen Personal, z.B. Pflegehelfer,
Gesundheitsförderer und ehrenamtlich tätige Personen. Die Pflegefachkräfte nehmen die
Krankengeschichte auf, führen ärztliche Untersuchungen durch und erbringen, wenn kein
4
ICN (1988). Nursing and Primary Health Care: A Unified Force. Genf: ICN.
Pflege in der Definition
des ICN.
Pflege umfasst die
eigenständige und gemein-
schaftliche Versorgung von
Einzelpersonen jeden Alters,
Familien, Gruppen und
Gemeinschaften, in krankem
oder gesunden Zustand und in
allen Lebenssituationen. Zur
Pflege gehören Gesundheits-
förderung, Prävention von
Krankheiten und die Pflege
von Kranken, Behinderten und
Sterbenden.
Weitere Schlüsselaufgaben
sind das Eintreten für die
Bedürfnisse anderer, die
Förderung einer sicheren
Umwelt, Forschung, Parti-
zipation an der Gestaltung von
Gesundheitspolitik bzw. von
Patienten- und Gesundheits-
management sowie Bildung.
8
Allgemeinarzt anwesend ist, auch umfassende ärztliche Leistungen, d.h. sie verordnen
beispielsweise Medikamente. An festgelegten Tagen fahren die Pflegefachkräfte in einem
speziell ausgerüsteten Kleinbus über Land, um die Menschen vor Ort medizinisch zu
versorgen. Hin und wieder treffen sie sich mit Townshipausschüssen, die an das
Krankenhaus angeschlossen sind.
Korea - Die lokalen Gesundheitszentren in den ländlichen Gebieten Koreas werden von
kommunalen Gesundheitspflegespezialistinnen geführt, die dort Gesundheitserziehung und -
beratungen anbieten, Krankheiten behandeln, Impfungen und Gesundheitserziehung an
Schulen durchführen und sich um die älteren Menschen zu Hause kümmern. Im
Zusammenhang mit familiären bzw. individuellen Problemen greifen die Gesundheits- und
Krankenpflegerinnen auf kommunale Ressourcen zurück. Selbst Stunden nach der
Behandlung haben die Menschen bei dringenden Anliegen die Möglichkeit anzurufen und mit
einer der anwesenden Gesundheits- und Krankenpfleger/innen zu sprechen.
Spanien - In ihrem Einzugsgebiet sind Gesundheits- und Krankenpfleger im Bereich der
Familienfürsorge für 1.500 Personen zuständig, von denen viele bereits älter sind. Die
meiste Zeit des Tages arbeiten sie im Krankenhaus, führen Vor-sorgeuntersuchungen bei
Kleinkindern durch, helfen chronisch kranken Patienten und arbeiten Termine ab. Am Ende
des Tages machen sie Hausbesuche bei chronisch bzw. unheilbar kranken Patienten bzw.
bei alten Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, allein in das Krankenhaus zu kommen.
WHO - Europäische Region - Im europäischen Raum wird der Einsatz einer in der
Kommune verankerten Familiengesundheitspflegefachkraft vorangetrieben, die sich um die
gesamte Familie kümmert. Die gut ausgebildete Familien-gesundheitspflegerin ist Teil eines
multidisziplinären Pflegeteams und steht im Zentrum der Bemühungen um eine Stärkung der
Primären Gesundheitsversorgung.
5
Im europäischen Raum gibt es einige Staaten, die auf kommunaler Ebene auf Familien
zugeschnittene, von Pflegenden realisierte Programme etabliert haben. Beispiele sind
Pflegezentren, Poliokliniken, Schulprogramme zur Sexualerziehung von Teenagern,
Präventionsprogramme gegen Alkoholmissbrauch und Rauchen, Familienhebammen,
Hausbesuche bei Kindern und älteren Menschen, Zentren für eine Primäre
Gesundheitsversorgung in Städten und ländlichen Gebieten, Praxismodelle mit einer
Pflegefachkraft auf 2000 Einwohner, HIV-Präventionsprogramme und nationale Programme
für eine gesunde Generation.
Südafrika - Die Krankenpflegerin Mpho Sebanyoni war von dem Leiden der AIDS-Patienten
in Südafrika so betroffen, dass sie ihre sichere Arbeitsstelle im Krankenhaus kündigte, um
sich ganz der Pflege dieser Menschen zu widmen. Um die Kranken zu pflegen, den
Angehörigen und Freunden den richtigen Umgang mit ihnen zu zeigen und sie über AIDS
aufzuklären geht sie jeden Tag bis zu 25 km zu Fuß von Dorf zu Dorf. Mpho hat auch ein
Projekt zur häuslichen Krankenpflege entwickelt, über das 78 Dörfer in der Umgebung
versorgt werden. Mehr als 30 ehrenamtliche Helfer unterstützen sie nun bei der Schulung
von Familienangehörigen zur häuslichen Pflege von AIDS-Patienten. Als Anerkennung ihrer
Arbeit wurde Mpho 2002 zur South African Woman of the Year ernannt.
Peru - Betreut von zwei Professoren reiste eine Gruppe bestehend aus neun
Krankenpflegeschüler/innen einer Hochschule in Philadelphia im Abschlussjahr in ein
entlegenes peruanisches Dorf. Ihr Ziel war, die Familien zu gesundheitlichen Themen
aufzuklären, um auf diese Weise deren Gesundheits- und Lebensstandard zu verbessern.
5
World Health Organization (2000). Munich Declaration. Nurses and Midwives: A Force for Health. Kopenhagen:
WHO/EURO.
9
Die Pflegekräfte teilten sich ihre Zeit so ein, dass die Vormittage für Hausbesuche genutzt
wurden, während nachmittags Kurse angeboten wurden, in denen über Ernährung,
Prävention von Krankheiten, Impfungen, Hygiene, Körperpflege, Nahrungszubereitung und
spezifisch weibliche Gesundheitsfragen wie z.B. die Brustselbstuntersuchung aufgeklärt
wurde. Bei Hausbesuchen kontrollierten sie den Blutdruck, versorgten Wunden und
unterstützten Schlaganfallpatienten, Diabetiker, Patienten mit Herzfehlern und Krebskranke,
indem sie ihnen erklärten, wie sie ihre Medikamente einnehmen und wann sie einen Arzt
aufsuchen sollten. Sie stellten fest, dass diese Kurse durch die Verbesserung der
Alltagsabläufe maßgeblich dazu beitrugen, den Dorfbewohnern dabei zu helfen, besser für
sich selbst sorgen zu können.
Gesellschaftliche Partizipation
Die Bemühungen, sich für eine sinnvolle Beteiligung der Gesellschaft an der Planung,
Implementierung und Aufrechterhaltung von Gesundheitssystemen in Zusammenhang mit
einem Maximum an Zuverlässigkeit in Bezug auf die lokalen Ressourcen, wie humane
Ressourcen, Geld und Material, einzusetzen, dürfen nicht nachlassen.
Malawi6
- Ein Team aus Gemeindepflegefachkräften und Umwelt-gesundheitsbeamten hat
einen Prozess zur Stärkung von Dorfgemeinschaften in Gang gebracht, indem sie mit
bestimmten Gemeinschaften zusammen an der Wahl von Dorfgesundheitsausschüssen
gearbeitet haben. Hier fanden dann Schulungen zu Themen wie Führungskompetenzen,
Mobilisierung der Gemeinschaft, Kommunikation und die Lösung von allgemeinen
Gesundheitsproblemen statt. Der Dorfgesundheitsausschuss fand heraus, dass zu den
vordringlichsten gesundheitlichen Problemen Durchfall, Mangelernährung und
Geburtenkontrolle gehörten. Da der Durchfall auf die begrenzte Verfügbarkeit von Toiletten
und verschmutzte Wasserversorgung zurückgeführt werden konnte, wurde ein Aktionsplan
entwickelt, der unter anderem den Bau von Latrinen und den Schutz von oberflächlich
gelagerten Quellen vorsah. Der Ausschuss führte auch Ernährungsprogramme für das Dorf
ein.
Zur Umsetzung dieses Aktionsplans wurden interne und externe Ressourcen mobilisiert. So
warben die Gesundheitspfleger Gelder bei der Regierung für den Kauf von Material zum Bau
von Latrinen ein, zu dem die Dorfgemeinschaft ihre Arbeitsleistung, Ziegel und andere
Materialien beisteuerte.
Nach einem Jahr verfügte das Dorf über eine geschützte Quelle zur Versorgung mit Wasser,
fast alle Familien besaßen Toiletten, die Ernährungsprogramme wurden realisiert, so dass
Durchfälle zum ersten Mal kein Problem mehr darstellten.
Großbritannien - Jenny ist eine erfahrene Pflegefachkraft, die in einem sozial schwachen
Gebiet der West Midlands in Großbritannien arbeitet. Als Reaktion auf die multiplen
Gesundheitsprobleme und die schlechten Daten in Bezug auf Sterblichkeit und
Erkrankungsziffer in ihrer Kommune hatte sie ein kommunales Entwicklungsprojekt initiiert,
mit dessen Hilfe die lokale Bevölkerung das Fehlen von Einrichtungen für Familien mit
kleinen Kindern innerhalb der Kommune als größtes Problem benennen konnte. Daraufhin
konnte Jenny Gesundheitsmanagern deutlich machen, dass es notwendig sein würde, die an
den Bedürfnissen von Familien orientierten Leistungen weiter auszubauen. Das führte dann
dazu, dass einige Arbeitgeber ihre Unterstützung erklärten und etwas Geld zur Verfügung
stellten. Dieses wurde von Jenny dazu genutzt, eine Reihe von Projekten zu entwickeln, die
von Lernaktivitäten zu Themen im Zusammenhang mit Familie über niedrigschwellig
6
Chinombo AM (1997). Community empowerment: A strategy for healthy communities. International Nursing
Review. Geneva: ICN.
10
angebotene Gesundheitskurse bis hin zu Englischunterricht für Frauen reichten. Der
laufende Betrieb dieser Aktivitäten wurde später von weiteren Mitgliedern der Gemeinde
übernommen, die damit ihren Gemeinsinn deutlich machten und für die Kontinuität sorgten.
Sie initiierte außerdem Frühstückclubs an der örtlichen Grundschule, die es den Kindern
erlaubten, früher zu kommen und gemeinsam zu frühstücken. Das führte bei den Kindern
nicht nur zu einem besseren Ernährungsstatus, sondern hatte auch zur Folge, dass weniger
Schule geschwänzt wurde. Die Lehrer stellten eine bessere Konzentrationsfähigkeit und eine
größere Lernbereitschaft bei den Kindern fest. Aufgrund des Erfolgs ihrer Projekte wurde
Jenny später aufgefordert, sich der regionalen Arbeitsgruppe für das Management der
öffentlichen Gesundheit anzuschließen.
Intersektorale Koordination
Die Einbeziehung aller beteiligten Sektoren und die Berücksichtigung aller Aspekte der
Entwicklung auf nationaler und kommunaler Ebene, d.h. Bildung, Industrie, alle
Gesundheitsberufe, Kommunikation, Wohnungswesen, öffentliche Bauprojekte u.a. mehr
sind notwendig für eine Primäre Gesundheitsversorgung.
Vereinigte Staaten - In Chicago bietet das Homan Square Project
7
eine ganze Reihe von
Leistungen aus dem Bereich der Primären Gesundheitsversorgung an. Ziel ist es, die
Lebensqualität eines sich entwickelnden, innerstädtischen Stadtraums zu verbessern. Dabei
handelt es sich um eine gemeinsame Initiative für eine kommunale Entwicklung des College
of Nursing an der Rush University und des Rush Primary Care Institute in Zusammenarbeit
mit der lokalen Präventionskoalition von North Lawndale in der West Side von Chicago. Zu
den Leistungen im Rahmen der Gesundheitsversorgung gehören ein Krankenhaus im
Rahmen der Primären Gesundheitsversorgung, Gesundheitszentren an Schulen,
Familienweiterbildungs- und -beratungsprogramme sowie diverse Screenings, die eine
Einbindung der Kommune in weitere sekundäre bzw. tertiäre Versorgungssysteme gestattet.
In Bereichen wie der pränatalen Versorgung, Frauengesundheit, Gesundheitsversorgung an
Schulen, dem Elterntraining und der psychischen Gesundheit stützt sich das Projekt auf die
Fähigkeiten von PflegeexpertInnen und bietet damit eine einzigartige Möglichkeit für die
Einrichtung einer Schnittstelle zwischen praktischer Leistungserbringung und theoretischer
Ausbildung. Die positiven Resultate zeigen sich vor allem in Form, Qualität und Quantität der
für die Gesellschaft erbrachten Leistungen.
Mosambik - Ein von Pflegefachkräften geleitetes Projekt zur Entwicklung innerhalb einer
Gemeinschaft bestand aus Aktivitäten, von denen Frauen, Jugendliche und Kinder profitieren
sollten. Ziel dieser Initiative war es, das Leben von Frauen durch Bildung, den Einsatz von
lokalen Ressourcen und effektive Selbsthilfeinitiativen zu verbessern. Aus den
Frauengruppen wurden Koordinatoren für die Schulungstermine in jedem Bezirk ausgewählt.
Die Frauen, die über grundlegende Kenntnisse im Lesen und Schreiben, über
Führungsqualitäten, zwischenmenschliche Beziehungen, kommunikative Fähigkeiten und
über ein Talent zu Problemlösungsansätzen verfügten, wurden von einfachen Teilnehmern
zu Projektleitern gemacht. Nachdem die Frauen geschult worden und in ihre Gemeinden
zurückgekehrt waren, mussten sie „Assistenten“ ausfindig machen, einen allgemein
zugänglichen Ausschuss zur Entwicklung der Gemeinschaft aufbauen, mit diesem
Ausschuss bei der Feststellung der wichtigsten Bedürfnisse zusammen arbeiten, relevante
7
Hollinger-Smith LJ, (1998). “Partners in Collaboration: The Homan Square Project”, Journal of Professional
Nursing, Nov.-Dez.14(6):344-9.
11
Informationen austauschen und gemeinsam mit den anderen auf diese Bedürfnisse
eingehen. Die
Frauen wurden zu Promotoras (Förderinnen) für die Entwicklung von Gemeinschaft und
Gesundheit bestimmt. Nach und nach übernahmen die Promotoras die Verantwortung für die
Durchführung von Schulungseinheiten, die Budgets, die Durchführung der Kontrollen vor Ort
und die Zusammenstellung von Berichten. Die Evaluationsergebnisse zeigten den positiven
Einfluss, den das Projekt auf das Leben der Menschen hatte, die sich im Wirkungsbereich
von Promotoras befanden. Entwicklung ist wie ein Baum, der von unten nach oben wachsen
muss; sie kann nicht von oben auferlegt werden: das ist die entscheidende Erkenntnis, die
aus diesem Projekt gewonnen wurde.
8
Geeignete Technologie
Dieses Konzept bezieht sich auf eine technische Ausstattung, die wissenschaftlich sinnvoll
ist, sich an die lokalen Bedürfnisse anpassen lässt und von denjenigen akzeptiert wird, die
sie einsetzen und denjenigen, die sie nutzen. Sie kann von den Personen vor Ort selbst
instand gehalten werden, wobei dabei das Prinzip der Eigenständigkeit eingehalten wird, d.h.
es wird ausschließlich auf Ressourcen zurückgegriffen, die für Land und Gemeinschaft
finanziell tragbar sind.
Papua-Neuguinea - Das von Pflegekräften geleitete Zentrum für Primäre
Gesundheitsversorgung deckt ein entlegenes Gebiet mit einer hohen HIV- und AIDS-Rate
mit seinen Leistungen ab. Die Pflegekräfte ermittelten die entscheidenden lokalen Akteure
(Frauen- und Jugendgruppen und Führungskräfte auf der kommunalen Ebene) in 14 Dörfern,
um das Bewusstsein für die Bedeutung von HIV und AIDS zu erhöhen. Sie setzen
Funkverkehr auf Kurzwelle, die in der Kommune stationierten Außensendeanlagen und
lokale Zeitungen für die Verbreitung von Gesundheitsinformationen ein, um auf diese Weise
die zur Verfügung stehenden Versorgungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Außerdem bieten sie
in jedem Dorf mobile Sprechstunden an, die sie an festgesetzten Tagen und zu festen Zeiten
abhalten. Sie veranstalten Workshops zu HIV und AIDS und arbeiten mit den Menschen zu
Prävention und anderen Themen der Primären Gesundheitsversorgung wie Diabetes,
Hypertonie, Geburtsvorbereitung, Schutzimpfung usw.
Im Anschluss an eine Workshopreihe kamen 365 Personen in das Gesundheitszentrum, um
sich auf HIV testen zu lassen. Darunter waren fünf Personen mit einem positiven
Testergebnis, die zur weiteren Beratung und Behandlung in das Allgemeinkrankenhaus
überwiesen wurden.
Alberta, Kanada - In der Familienpraxis Crowfoot Village haben sich fünf Familienärzte, eine
staatliche Pflegefachkraft und eine Pflegefachkraft für die häusliche Pflege
zusammengeschlossen, um in ihrer Arbeit als integriertes Team eine qualitativ hochwertige
und am Bedarf orientierte Versorgung für eine Bevölkerung von ungefähr 12.000 Personen
anzubieten, die in einem städtischen Siedlungsgebiet von Alberta, Kanada leben. Eine der
Einrichtungen, mit deren Hilfe die Zugangsmöglichkeiten verbessert und die Kompetenzen
zur Selbstfürsorge gestärkt werden sollte, ist Nurse-Telecare, ein Telefondienst, der die
Patienten rund um die Uhr durch eine Vorauswahl filtert (Triage) und Möglichkeiten zu
selbständigen Maßnahmen anbietet. Als Folge von Telecare ist die Zahl von Patienten mit
geringfügigen Beschwerden, die in die Sprechstunde kamen, gesunken. In einem
Patientenzwischenbericht konnte gezeigt werden, dass die Kommune insgesamt sehr
8
Ferrell BJA (2002), Community development and health project: a 5-year (1995-1999) experience in
Mozambique, Africa. International Nursing Review. 49. 27-37
12
zufrieden mit den Leistungen war und die Selbstpflegekompetenzen nachweislich gestärkt
wurden.
Großbritannien - Eine Pflegefachkraft betreibt eine Rektal-Ambulanz in einem kleinen
Krankenhaus, die telemedizinisch mit dem zuständigen Arzt vernetzt ist. Sie konsultiert den
Arzt zur Bestätigung von Untersuchungsergebnissen und gibt die Ergebnisse unmittelbar
weiter an den Patienten. Ihr Krankenhaus konnte seine Kosten senken, die Wartezeiten für
Patienten auf der Warteliste des nationalen Gesundheitsdienstes NHS reduzieren und die
Versorgung von Personen beschleunigen, die eine schnelle Krebsbehandlung benötigten.
Ein zweites Beispiel aus Großbritannien bezieht sich auf den nationalen
Gesundheitsnotdienst (NHS Direct), ein mit erfahrenen Pflegefachkräften rund um die Uhr
besetzter telefonischer Beratungsdienst. Diese Pflegefachkräfte beraten und informieren die
Menschen zu Hause, so dass diese in der Lage sind, anschließend sich selbst bzw. ihre
Familien besser zu versorgen.
Auswertungen haben gezeigt, dass der Druck auf den Gesundheitsdienst durch die
telefonische Beratung um 40% reduziert werden konnte, indem die Anrufer zu anderen
Formen der Gesundheitsversorgung außerhalb der Notfallversorgung weitergeleitet werden
konnten.
13
14
Kapitel 3
Die Rolle der Pflege
aufbauen, unterstützen und stärken
Die Selbstverpflichtung der Pflege in der Primären Gesundheitsversorgung ist im
Ethikkodex für Pflegefachkräfte des ICN, der 1953 zum ersten Mal beschlossen
und seither regelmäßig überarbeitet wurde, verankert. Dieser unterstreicht, dass
Pflegefachkräfte vier entscheidende Aufgaben haben: die Förderung von
Gesundheit, die Prävention von Krankheiten, die Wiederherstellung von
Gesundheit und die Linderung von Leiden“
— ICN Ethikkodex für Pflegende, 2007
In jedem auf Primäre Gesundheitsversorgung aufgebauten Gesundheitssystem nehmen die
Pflegenden eine zentrale Rolle ein. Historisch betrachtet war Pflege immer mit
Determinanten von Gesundheit im weiteren Sinne, wie Bildung, Einkommen, Gender,
soziales Umfeld, usw. befasst. Ein auf dem Konzept der Primären Gesundheitsversorgung
beruhendes System sollte das gesamte Spektrum der Pflegeaktivitäten unterstützen.
Die wichtigste Gruppe des Gesundheitspersonals, das die Primäre Gesundheitsversorgung
erbringt, sind die Pflegenden. Sie fördern und halten die Verbindungen zwischen dem
Einzelnen, Familien, Gemeinschaften und dem Rest des Gesundheitssystems und arbeiten
dabei sowohl unabhängig als auch in Zusammenarbeit mit anderen an der Prävention von
Krankheiten und Behinderungen und auch an der Förderung, Verbesserung, Erhaltung und
Widerherstellung von Gesundheit. Zu ihrer Aufgaben gehören der allgemeine
Gesundheitszustand der Bevölkerung, Gesundheitsförderung, Krankheitsvermeidung,
Gesundheitspflege, sie sind erste Ansprechpartner in der Pflege und für den Umgang mit
Krankheitt über die ganze Lebenszeit hindurch.
Um Fortschritte zu erzielen ist es unbedingt notwendig, dass die Versorung von den
Pflegefachkräften als den zentralen Akteuren in der Primären Gesund-heitsversorgung
initiiert, geleitet und koordiniert wird und dass ihre Funktionen in Politik und
Leistungserbringung als legitim und in jeder Hinsicht wesentlich aufgefasst werden.
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Die Pflegenden in den Mittelpunkt zu stellen bedeutet:
• Einen verbesserten Zugang zur Pflege. Die WHO-Kommission für Makroökonomie und
Gesundheit hat bestätigt, dass die Erweiterung der Gesundheitsversorgung auf der
kommunalen Ebene durch eine bevölkerungsnahe („close-to-client“) Versorgung, die von
Pflegenden erbracht werden kann, höchste Priorität besitzt.
9
• Bessere Prävention bei
chronischen Krankheiten.
Prävention von Krankheiten und
Förderung von Gesundheit sind als
Beispiele ausgezeichnet geeignet,
um die Funktionen und den
wachsenden Einfluss von Pflegenden
darzustellen. Pflegefachkräfte klären
darüber auf, dass eine gesunde
Lebensweise Voraussetzung für eine
nachhaltige Gesundheit und für die
Wiederherstellung und Verbesserung
der Gesundheit ist. Pflegefachkräfte
fördern eine gesunde Ernährung und
Lebensweise, sie beraten verwirrte
und entmutigte Menschen und
unterstützen Patienten im Umgang
mit ihrer chronischen Erkrankung,
damit sie länger und gesünder leben.
Eine Pflegefachkraft kennt die Bedürfnisse
von Kindern und Familien zu Hause, am
Arbeitsplatz und in der Freizeit und
fungiert dabei gleichzeitig als Bindeglied
zwischen dem Einzelnen, Familien,
Gemeinschaften und den Gesund-
heitsdienstleistern. Aufgrund dieser
Eigenschaften bilden Pflegende das
Rückgrat des Gesundheitswesens welt-
weit. Diese Kompetenzen sind gleichzeitig
die Ursache dafür, dass Pflegefachkräfte
Verfechter der Rechte von Kindern auf
Leben, Schutz, eine gesunde Entwicklung
und volle Teilhabe sind und dabei
entschiedene Gegner der inakzeptablen
Ungleichheiten, die diese Rechte
bedrohen.
Carol Bellamy, ehemalige Diirektorin
von UNICEF
• Höhere Kosteneffizienz. In Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass 60 -
80 Prozent der traditionell von Ärzten erbrachten Primären Gesund-heitsversorgung bei
vergleichbarem Ergebnis billiger von Pflegefachkräften ausgeführt werden kann.
• Verbesserte Behandlungsergebnisse. Es gibt zahlreiche Beispiele, die eine
Verbesserung der Versorungsergebnisse unter der Leitung von Pflegenden belegen. Die
NP-Pflege ist ein Pflegeversorgungssystem, in dessen Mittelpunkt der „Nurse-
Practitioner“ (NP) steht und das in Langzeitpflegesituationen in bestimmten
Amerikanischen Bundesstaaten anzutreffen ist. Seit 2001 halten diese NPs
Sprechstunden für Anwohner mit akuten medizinischen Problemen ab, werten
Untersuchungsergebnisse aus, begutachten Wunden, halten Kontakte zu Familien und
haben weiteres Pflegepersonal ausgebildet. Als Folge dieser Aktivitäten ist die
Wiedereinweisungsrate in Krankenhäuser in den Pflegeeinrichtungen, die mit einem NP
Pflegeansatz arbeiten, um bis zu 50% zurückgegangen.
10
• Verbesserte Aufklärung und Information. Die internationale Mobilität und die
Klimaveränderungen haben dazu geführt, dass der Aufklärungsbedarf gestiegen ist, ein
Bedarf, der in dem Rahmenwerk der International Health Regulations (Internationalen
Gesundheitsbestimmungen - IHR) von 2007 seinen Niederschlag gefunden hat. Den
Pflegenden, die als Versorger im unmittelbaren Kontakt zur Bevölkerung stehen, kommt
bei der Aufklärung eine zentrale Bedeutung zu.
9
World Health Organization (2001). Macroeconomics and health: investing in health for economic development.
Report of the Commission on Macroeconomics and Health. Geneva: WHO.
10
Aus dem E-Mailverkehr mit Jeanette Galvez-Piscioniere, MSN, APRN, Direktorin der klinischen Leistungen,
NP Care.
16
• Verbesserte Rehabilitation nach Katastrophen. Pflegefachkräfte stellen in der
Anfangsphase eines Katastropheneinsatzes den größten Teil des Reaktionsstabes und
sollten in der Erholungsphase nach Katastrophen eine um so größere Rolle spielen. Sie
stehen in direktem Kontakt mit den Opfern, Gefangenen, den Verwundeten, Kranken und
Flüchtlingen. Ihre Anstrengungen sind immer an Tätigkeiten gekoppelt, die sowohl eine
psychologische als auch physische Dimension haben.
11
• Gestiegene Bereitschaft zur Zusammenarbeit in der Behandlung. Schlechte
Behandlungsergebnisse können eine unmittelbare Folge fehlender Einsicht und
mangelnder Disziplin bei der Einhaltung von Therapien sein. Die Pflegenden können
unmittelbar darauf einwirken. Das folgende Beispiel zeigt diesen Zusammenhang. Eine
Gruppe von 228 Erwachsenen mit einem hohen Blutcholesterinwert wurde in zwei
Gruppen geteilt. Eine Gruppe wurde von einer Pflegefachkraft kontrolliert, die andere
nicht. Über einen Zeitraum von einem Jahr, in dem ein Lipid-Management durch eine
Pflegefachkraft durchgeführt wurde, fanden in der Interventionsgruppe Beratungen im
Rahmen von ambulanten Visiten und telephonischen Gesprächen zu Ernährung,
Medikation, sportlichen Aktivitäten, Änderungen der Lebensgewohnheiten und einer
Reihe anderer Themen statt. Nach einem Jahr waren die Werte für Gesamtblutfette, LDL
und Triglyceride in der Interventionsgruppe erheblich niedriger. Aus dieser Gruppe
konnte auch über eine größere Reduktion hinsichtlich ihres gesamten Fettkonsums,
deutlich besseres Ansprechen auf die medikamentöse Behandlung und über mehr
sportliche Aktivitäten berichtet werden.
• Einsatz von unterstützenden Technologien in der Primären
Gesundheitsversorgung. Durch eine pflegerische Versorgung per Telefon sind die
Menschen in der Lage, weiterhin zu Hause bzw. in entlegenen Orten zu leben und mit
Pflegefachkräften, deren Arbeitsplatz am anderen Ende der Stadt oder in hunderte
Kilometer weiter Entfernung liegt, über Untersuchungsergebnisse und Probleme zu
kommunizieren bzw. Lebenszeichen zu übermitteln. Von Pflegefachkräften geführte
telefonische Informationsdienste sorgen rund um die Uhr für eine telefonische
Vorauswahl, beraten und informieren über Erkrankungen und Möglichkeiten wie
Unterstützung und Selbsthilfegruppen, lokale Gesundheitseinrichtungen und
Bereitschaftsdienste. Diese Dienste kommen nicht nur dem Gemeinwesen zu Gute, sie
wirken sich auch kostengünstig auf das Gesundheitssystem aus, da sie zu einem
drastischen Rückgang bei der Zahl der Personen, die die Notfallambulanz eines
Krankenhauses aufsuchen, geführt haben.
Die Rolle der Pflege aufbauen, unterstützen und stärken.
Wenn die vielen Millionen Pflegenden an tausend verschiedenen Orten dieselben Ideen und
Vorstellungen zu einer Primären Gesundheitsversorgung artikulieren und sich zu einer
einzigen Kraft zusammenschließen, können sie wie ein Kraftwerk für Veränderungen
wirken.“
- Halfdan Mahler, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, 1985.
In der direkten Pflege sollten die Pflegenden durch eine Vielzahl von Maßnahmen, deren
Spektrum von global bis lokal, bzw. von der Gesundheitspolitik bis hin zum
Ressourcenmanagement reicht, unterstützt werden.
11
Zitat nach Corneilo Sommaruga, Präsident, Internationaler Ausschuss des Roten Kreuzes.
17
1. Auf internationaler Ebene: Die Rolle des ICN
Der ICN hat bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Bedeutung der Pflege für die Primäre
Gesundheitsversorgung erkannt. Seit Jahrzehnten bemüht er sich kontinuierlich darum,
Pflegepersonal für die Primäre Gesundheitsversorgung zu mobilisieren und hat in diesem
Zusammenhang die Erklärung von Alma Ata 1978 bekräftigt. In Zusammenarbeit mit
nationalen Mitgliedspflegeverbänden, der WHO und anderen hat der ICN daran
gearbeitet, der Pflege innerhalb der Primären Gesundheitsversorgung ihren Platz zu
verschaffen, indem er Lobbyarbeit dafür betrieben hat, Grundsätze und Programme der
Primären Gesundheitsversorgung in die Ausbildung von Pflegenden, in die Planung und
Erbringung von Leistungen und in die Forschung aufzunehmen.
„Der Arbeit des ICN messe ich große Bedeutung bei und bewundere seinen
Einsatz für qualitativ hochwertige Pflegearbeit und Gesundheitsversorgung. Das
Recht auf Gesundheit ist ja in der Tat in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte enthalten und in dieser Hinsicht leisten Pflege und der ICN
einen beträchtlichen Beitrag zur Arbeit der Vereinten Nationen.“
Kofi Annan, ehemaliger Generalsekretär der Vereinten Nationen
Bei der Mobilisierung von Pflegepersonal für die primäre Gesundheitsversorgung setzt
der ICN eine ganze Reihe von Strategien ein, mit deren Hilfe Wissenstransfer,
Personalentwicklung und Weitergabe von Forschungs-ergebnissen für Aktivitäten,
Lobbyarbeit und der Einsatz für die Belange Dritter gefördert werden sollen. Über
politische Maßnahmen, spezielle Netzwerke, Kompetenzen, den Einsatz für die Belange
Dritter, Informationserzeugung, und -weitergabe sowie Bildung unterstützt und verbessert
der ICN die Stellung der Pflege in der Primären Gesundheitsversorgung.
Das Engagement des ICN für die Primäre Gesundheitsversorgung zeigt sich auch in der
Vielzahl seiner Projekte und Programme. Seine Programme zu Führungsaufgaben - Die
Rolle der Führungskraft in Verhandlungen (Leadership in Negotiation) und Die
Führungskraft im Wandel (Leadership in Change) sind Initiativen auf globaler Ebene, die
Pflegekräfte darauf vorbereiten, in jeder Situation und in Zeiten des Wandels
Führungsausgaben zu übernehmen. Durch eine kontinuierlich wahrgenommene
Führungsrolle und Kooperation sowie durch die Beteiligung der Pflegenden an Projekten
zur Stärkung der Primären Gesundheitsversorgung stellt der ICN eine stabile und
nachhaltige Kraft zur Stärkung der Funktionen des Pflegepersonals in der Primären
Gesundheitsversorgung dar.
18
ICN Projekte zur Stärkung der Pflege in der Primären
Gesundheitsversorgung
In vielschichtigen Projekten und Initiativen wendet sich der ICN an Pflegende
mit dem Ziel, die Pflege zu stärken und zur gesundheitlichen Förderung, zur
Prävention von Krankheiten, zur Pflege und Behandlung beizutragen. Eine
ganze Reihe dieser Maßnahmen sind durch die Primäre Gesundheits-
versorgung und die MDGs inspiriert. Dazu gehören Projekte wie:
• Erholungszentren für Gesundheitspersonal, die spezielle
Gesundheitsdienstleistungen für das Gesundheitspersonal und deren
direkte Familienmitglieder anbieten, die im subsaharischen Afrika von
der Personalkrise im Gesundheitswesen und der HIV-Pandemie stark
betroffen sind.
• Initiative Safe Water zur Bereitstellung von betriebsicherer
Wassertechnologie und sanitären Einrichtungen für verwaiste und
hilflose Kinder in einer Reihe von Ländern.
• Die mobile Pflegebibliothek bietet Pflegefachkräften in ländlichen
Gesundheitseinrichtungen von Entwicklungsländern aktuelle und
sachbezogene Informationen zu Pflege und Gesundheit an.
• TB/Multiresistentes TB-Projekt bietet Schulungen an, um die
Kompetenz der Pflegenden bei der Entdeckung, Prävention, Versorgung
und Behandlung von Tuberkulose und multiresistenter TB zu stärken.
• Mädchenbildungsfond, der die Elementar- und Sekundarbildung der
verwaisten Töchter von Pflegefachkräften in Entwicklungsländern
unterstützt.
• Strategie- und Forschungsprojekt des ICN zu Mädchen, das darauf
abzielt, Pflegefachkräfte für die gesunde Entwicklung von jungen
Mädchen zu gewinnen.
2. Auf nationaler Ebene: Die Rolle der Nationalen Pflegeverbände - NNAs
Die NNAs üben, als nationale Fürsprecher der Pflege, entscheidenden Einfluss aus,
indem sie eine führende Rolle im Engagement für eine Primäre Gesundheitsversorgung
spielen, diese in die Pflegepraxis und -politik integrieren und darüber hinaus auch
Dienste der Primären Gesundheitsversorgung anbieten. Diese Führungsrolle ist von
entscheidender Bedeutung für die Stärkung einer Primären Gesundheitsversorgung als
Grundpfeiler von Gesundheitspolititk und für die Positionierung der Pflege in der
Gesundheitsversorgung. Die NNAs können ihre Führungsrolle ausüben, indem sie:
• Eine Zusammenarbeit mit Verbänden anderer Gesundheitsberufe,
Gesundheitsministerien und anderen maßgeblichen Sektoren und
Interessengruppen ermöglichen.
• Mit Gesundheitsministerien und anderen Institutionen zusammenarbeiten, um
Einfluss auf eine nationale Gesundheitspolitik aus zu üben, die sich für die
Unterstützung der pflegerischen Funktionen und der auf Pflege ausgerichteten
Forschungskapazitäten einsetzt.
• mit den Ausbildungseinrichtungen zusammenarbeiten, damit Primäre
Gesundheitsversorgung in die Lehrpläne aufgenommen wird.
• Den Erfahrungs- und Informationsaustausch über Primäre
Gesundheitsversorgung, ihre Bedeutung, Elemente und Grundsätze ermöglichen.
• Mit Pflegeausbildung und Forschungszentren kooperieren, damit
Forschungsansätze in den Mittelpunkt gestellt werden, die eine Primäre
Gesundheitsversorgung stützen und nachweisen, dass sie kostengünstiger ist.
• Forschungsergebnisse an Pflegende, Politiker und andere weiterleiten.
19
• Fortbildung zu Primärer Gesundheitsversorgung anbieten.
• Ein Tätigkeitsprofil von Pflegefachkräften in der Primären Gesundheitsversorgung
(auf Websites, in Veröffentlichungen und Konferenzen) herausarbeiten.
• Lobbyarbeit für eine Gesetzgebung betreiben, die eine Primäre
Gesundheitsversorgung und den Anteil der Pflege an ihr unterstützt und für einen
ausgewogenen Ansatz in Bezug auf präventive, fördernde, kurative und
rehabilitative Maßnahmen sorgt.
• Ein Forum für den Dialog und das richtige Verständnis der Inhalte und
Unterschiede zwischen Primärer Gesundheitsversorgung und medizinischer
Erstversorgung anbieten.
• Sich für die Gesundheitsbedürfnisse von vulnerablen Bevölkerungsgruppen
einsetzen.
• Für die beruflichen Perspektiven in der Primären Gesundheitsversorgung werben.
• Ministerien durch Lobbyarbeit dazu bewegen, Stipendien und andere finanzielle
Hilfen zur Verfügung zu stellen, um Weiterbildungen zu ermöglichen.
• Das Interesse an Pflege und der wissenschaftlichen Untersuchung der Primären
Gesundheitsversorgung durch die Einrichtung von Stipendien und
Weiterbildungsmöglichkeiten für Pflegende und die Entwicklung beruflicher
Perspektiven stimulieren.
• NNAs, Manager und Pflegekräfte an der Basis können Lobbyarbeit zur
Einwerbung von Mitteln und für eine Politik betreiben, die für eine angemessene
Unterstützung von Pflegekräften sorgt, die in entlegenen Gegenden oder unter
schwierigen Bedingungen arbeiten. Die Unterstützung kann dabei in Form von
entlastender Personalausstattung, Übernahme von Fahrtkosten, von besseren
Ressourcen für Sicherheitsmaßnahmen oder Pflegeleistungen, usw. erfolgen.
3. Am Arbeitsplatz: Die Rolle der Pflegeführungskräfte
Die Funktion einer Pflegeführungskraft ist von entscheidender Bedeutung für den Grad
an Selbständigkeit und Eigenverantwortung von Pflegefachkräften in der Praxis. Im
Zusammenhang mit der Primären Gesundheitsversorgung ist diese Position für die
Unterstützung des Personals in vielerlei Hinsicht wichtig, z.B. um:
• Zum Einsatz neuer Informationstechnologien zu ermutigen, bzw. diesen durch
notwendige Schulungsmaßnahmen und Feedbackmechanismen zu ermöglichen.
• Die Umsetzung von Veränderungen bei den Mitarbeitern zu ermöglichen.
• Die finanziellen, physischen und technologischen Ressourcen für die Primäre
Gesundheitsversorgung nachhaltig sicherzustellen.
• Die Zuteilung von personellen und finanziellen Mitteln so zu gestalten, dass dies
die Beteiligung der Pflegenden an den Aktivitäten der Primären
Gesundheitsversorgung unterstützt.
• Weiterbildung zu ermöglichen/mental zu unterstützen.
• Zur interdisziplinären und intersektoralen Zusammenarbeit zu ermutigen bzw.
diese zu ermöglichen.
• Pflegefachkräften in der Primären Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, ihre
Funktion als wichtige Akteure auszuüben und zu einem wichtigen Bezugspunkt
für Pflegeschulen und Lehrkräfte in der Pflegeausbildung zu werden.
4. In Ausbildungsinstitutionen der Pflege
Unter der Voraussetzung, dass Pflegende eine zentrale Rolle in der Primären
Gesundheitsversorgung spielen, sind ihre Kompetenzen und Führungsrolle von zentraler
Bedeutung. Konzepte und Grundsätze Primärer Gesundheits-versorgung müssen
grundlegende Elemente der Pflegeausbildung sein. Darüber hinaus sollten die
Einrichtungen:
20
• Ihren Blickwinkel von einem krankenhauszentrierten Ansatz hin zu einem breiter
angelegten, gesellschaftsorientierten Ansatz verlagern.
• Den Lehrplan auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zuschneiden.
• Sicherstellen, dass die Zulassungsbedingungen eine kulturell angemessene
Mischung der Auszubildenden gewährleistet.
• Durch die Arbeit mit den NNAs und anderen sicherstellen, dass Best Practice
Modelle zur Verfügung stehen.
• Untersuchungen zur Unterstützung der Rolle von Pflegenden in der Primären
Gesundheitsversorgung durchführen.
• Dafür sorgen, dass Konzepte der Primären Gesundheitsversorgung in den
Ausbildungspraktika und -diensten angewendet werden.
• Für einen Zugang zu einer inhaltlich relevanten klinischen Praxis in Bezug auf die
Primäre Gesundheitsversorgung sorgen, der Pflegekräften den Zugang zu einer
ganzen Reihe von Erfahrungen, einer begrenzten Übernahme von Verantwortung
und klinisch-praktischer Anleitung (Führung) ermöglicht.
• Die Führungsfunktion in der Primären Gesundheitsversorgung in den
Ausbildungseinrichtungen der Pflege entwickeln und zu diesem Zweck eine
bedeutende Zahl an Lehrkräften in der Primären Gesundheitsversorgung halten.
• Weiterbildung mit dem Schwerpunkt „Primäre Gesundheitsversorgung“ anbieten.
5. In pflegewissenschaftlichen Instituten
Eine erfolgreiche Primäre Gesundheitsversorgung setzt voraus, dass sie flankiert wird
durch eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Pflege und anderer Bereiche, um die
Behandlungsergebnisse in Bezug auf ihre Wirkung und Rentabilität evaluieren zu
können. Das Engagement für Gesundheitssysteme, die auf einer Primären
Gesundheitsversorgung beruhen, erfordert es, die dazu verfügbaren Informationen zu
vervollständigen, indem entsprechend in die Evaluierung und Dokumentation der
Umsetzungspraxis investiert wird, um auf diese Weise die Entwicklung, den Transfer und
die Anpassung von Best Pracice zu ermöglichen.
12
Forschungseinrichtungen der Pflege
sollten:
• Sich gemeinsam mit Ausbildungseinrichtungen auf nationaler Ebene und den
NNAs, Regierungen und anderen in einer Forschung engagieren, die dazu
beitragen soll, Primärer Gesundheitsversorgung die höchste finanzielle
Förderstufe zu verschaffen.
• Ansätze zur Ausbildung von Pflegekräften in der Primären
Gesundheitsversorgung wissenschaftlich untersuchen.
• Methoden und Indikatoren zur Evaluierung der Wirksamkeit verschiedener
Gesundheitsdienstleister innerhalb eines Teams der Primären
Gesundheitsversorgung entwickeln.
• Pflegekräften Forschungsstipendien und Weiterbildungsmöglichkeiten zur
Verfügung stellen.
• Einen Anreiz für die wissenschaftliche Arbeit in den Bereichen Pflege und Primäre
Gesundheitsversorgung schaffen.
• Für die Entwicklung von Berufschancen in der wissenschaftlichen Arbeit im
Bereich der Primären Gesundheitsversorgung sorgen.
• Die Rentabilität der Primären Gesundheitsversorgung erforschen/fördern.
• Das Interesse an wissenschaftlicher Arbeit in den Bereichen Pflege und Primäre
Gesundheitsversorgung durch die Einrichtung von Stipendien und
Weiterbildungsmöglichkeiten für Pflegekräfte und die Entwicklung von
Berufschancen stimulieren.
12
Pan American Health. Organization (2007). Renewing Primary Health Care in the Americas: A Position Paper
of the Pan American Health Organization/World Health Organization (PAHO/WHO). Washington, D.C: PAHO.
21
• Einfluss auf lokale, nationale und internationale Forschungsprogramme ausüben,
indem inhaltliche Schwerpunkte und Informationslücken, die sich auf den Beitrag
der Pflege zur Primären Gesundheitsversorgung beziehen, identifiziert werden.
• Darüber hinaus können Forschungseinrichtungen (und NNAs) Daten aus der
Feldforschung erzeugen und einsetzen, um die Realität in der Primären
Gesundheitsversorgung bei der Umsetzung und Einwerbung von Ressourcen,
einschließlich humaner Ressourcen für die Primäre Gesundheitsversorgung zu
dokumentieren.
6. Pflegeaufsichtsbehörden spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die
Implementierung der führenden Rolle der Primären Gesund-heitsversorgung und Pflege
zu ermöglichen. Sie können:
• Sich für Gesetze zur Pflegepraxis einsetzen, die einen umfassenden Einsatz der
pflegerischen Fähigkeiten und des pflegerischen Könnens möglich machen.
• Mit dem Gesetzgeber zusammenarbeiten, um alle Widersprüchlichkeiten in
Gesetzgebung und Kontrollpraxis zu beseitigen, durch die Pflegkräfte daran
gehindert werden, ihr ganzes Potential in die Primäre Gesund-heitsversorgung
einzubringen.
• Mit Ausbildungseinrichtungen zusammenarbeiten, um sicher zu stellen, dass in
den Ausbildungsinhalten die Bedürfnisse der Bevölkerung in demographischer,
epidemiologischer und kultureller Hinsicht berücksichtigt werden.
• Einen Kommunikationsplan entwickeln, der sicherstellt, dass Pflegende alle
wichtigen gesetzlichen/regulativen Veränderungen richtig verstanden haben.
• Gesetzgebung und gesetzliche Regulierungen regelmäßig überprüfen, um
sicherzustellen, dass die Primäre Gesundheitsversorgung eine zentrale Stütze
der jeweils aktuellen pflegerischen Praxis ist und angemessenen pflegerischen
Innovationen im Zusammenhang mit der Primären Gesundheitsversorgung nicht
im Weg steht.
• Mit anderen Aufsichtsbehörden zusammen arbeiten, um den Gesetzgeber bei der
Schaffung neuer Gesetze so zu begleiten, dass dieser aktiv zu einer
interdisziplinären Zusammenarbeit beiträgt.
• Mit Behörden bei der Lösung von Problemen kooperieren, die sich auf das
Spektrum der Berufspraxis, den Titelschutz, etc. beziehen.
7. Was jeder Einzelne tun kann
Für eine leistungsfähige Pflege in der Primären Gesundheitsversorgung ist eine
Unterstützung durch die organisierte Pflege auf nationaler und internationaler Ebene,
Ausbilder, Wissenschaftler, Behörden und Politiker von entscheidender Bedeutung.
Allerdings ist der persönliche Einsatz jeder einzelnen Pflegekraft Voraussetzung für die
tatsächliche Einlösung der von der Primären Gesundheitsversorgung ausgehenden
Hoffnungen. Es gibt viele Wege und Möglichkeiten für uns, wie wir durch unser Handeln
dazu beitragen können, dass Primäre Gesundheitsversorgung unter der Führung von
Pflegenden realisiert wird:
• Setzen Sie die Grundsätze der primären Versorgung in Ihrem Arbeitsalltag um, ganz
gleich wo Sie arbeiten.
• Setzen Sie sich für eine Gesetzgebung und Politik ein, die das Tätigkeitsspektrum
der Pflegenden erweitert.
• Engagieren Sie sich in Ihrer Kommune.
• Untersuchen Sie, wie die Primäre Gesundheitsversorgung in Ihre Umgebung vor Ort
eingebettet ist.
22
• Versuchen Sie, Einfluss auf die Ausbildungspolitik zu nehmen.
• Drängen Sie auf eine Weiterbildung mit dem Schwerpunkt Primäre
Gesundheitsversorgung.
• Arbeiten Sie mit den NNAs, um einen Wechsel in der Politik zu initiieren/ zu
beeinflussen.
• Sprechen Sie mit den Vertretern der lokalen Medien, Ihren Nachbarn, Freunden, usw.
über die Vorzüge einer Primären Gesundheitsversorgung unter der Leitung von
Pflegenden.
• Sprechen und schreiben Sie über Ihre Erfahrungen in der Primären
Gesundheitsversorgung.
• Ermutigen Sie Patienten und Kommunen, sich mit Hilfe von Lobbyarbeit für eine
Zunahme der Ressourcen und für eine zunehmende politische Unterstützung der
Primären Gesundheitsversorgung einzusetzen.
Die Primäre Gesundheitsversorgung bietet einen funktionierenden und allgemein
anwendbaren Ansatz, um die Ungleichheit in Bezug auf Gesundheit zu verringern und den
Zugang zu einer grundlegenden medizinischen Versorgung zu verbessern. Dreißig Jahre
nach der Deklaration von Alma-Ata zur Primären Gesundheitsversorgung steht die Welt
immer noch vor Herausforderungen in Bezug auf den Zugang zu medizinischer Versorgung
und der Qualität dieser Versorgung. Weltweit bilden die Pflegenden ein eindrucksvolles
Potential im globalen Bestreben, die Primäre Gesundheitsversorgung voranzubringen und
die MDGs umzusetzen. Mit geeigneten Investitionen sowie einer unterstützenden Legislative
und Arbeitsumgebung kann die Pflege eine Schlüsselrolle dabei übernehmen, den
Gesundheitsstatus der Bevölkerung weltweit zu heben.
23
Kapitel 4
Ausblick
In der Primären Gesundheitsversorgung wie auch im gesamten Gesundheitssektor ist es in
der Tat so, dass Menschen sich Auswahlmöglichkeiten wünschen und Zugang zu den für
eine Entscheidung notwendigen Informationen fordern. Diese Tendenz wird in der Zukunft
anhalten, so dass zunehmend mehr Menschen auf die Unterstützung angewiesen sein
werden, die sie von Pflegenden zur Erschließung von Informationen benötigen und dazu,
eine gute Entscheidung zu treffen.
Da sich der Schwerpunkt und die Erbringung der Dienstleistung immer schneller vom
Zuhause ins Krankenhaus, von kurativ hin zu präventiv, von Institutionen hin zu Kommunen
verlagert, werden Pflegefachkräfte um so mehr im Zentrum des Strudels der
Gesundheitsversorgung präsent sein; sie sind der Halt, der für Kontinuität in der Pflege sorgt.
Die Pflegenden werden als Gäste zu Hause bei den Menschen und in der Gesellschaft
auftreten, was eine andere Orientierung und Fähigkeiten zusätzlich zu denjenigen der
klinischen Ausbildung erfordert. Die Kompetenz, sich für die Belange einer Person
einzusetzen, kommunale Entwicklung, kommunikatives Fachwissen und Unterricht/Coaching
erhalten entscheidende Bedeutung.
Zukünftig wird es auch zu einer Zunahme in Bezug auf Überwachung und Delegation im
Zusammenhang mit der stetig wachsenden Zahl der Arbeitskräfte in der
Gesundheitsversorgung kommen. Wir werden an Personen delegieren, die wir nicht kennen
und sie aus der Ferne kontrollieren. Die Größe der Teams in der Gesundheitsversorgung
wird wachsen, sie werden sich inhaltlich breiter auffächern; die Aufgaben der Pflegekraft
innerhalb eines Teams werden einen flexibleren Charakter bekommen. Manchmal werden
wir für die Leitung verantwortlich sein, manchmal werden wir die Leitungsfunktion zusammen
mit anderen ausüben und manchmal werden wir als Mitglieder ohne leitende Sonderfunktion
arbeiten. Das Management von Zeit, Team, Ressourcen und Informationen wird immer
wichtiger. Wir werden Kompetenzen teilen, Aufgaben inhaltlich verlagern und mit einem
breiteren Anbieterspektrum zusammenarbeiten.
Wenn eine Verlagerung von der Krankenhausversorgung hin zur häuslichen Pflege
erfolgreich ist, wird es in den Krankenhäusern einen hohen Anteil an Akutversorgung geben
und die Fähigkeit von Pflegenden, das Krankenhaus mit der Gemeinschaft zu verbinden,
Einzelpersonen und Familien mit den geeigneten Leistungen zu versorgen und zwischen
Patienten, Patientengruppen und den medizinischen Dienstleistern Brücken zu bauen, wird
von entscheidender Bedeutung sein. Daraus folgt, dass noch mehr Coaching,
Zusammenarbeit und Koordination notwendig wird. In diesem Zusammenhang ist es wichtig,
dass wir das als Aspekte der Pflege begreifen und nicht als etwas, das uns weiter von der
Pflege entfernt.
Mit Telehealth steht den Pflegenden ein interessanter neuer Bereich zur Verfügung, mit
dessen Hilfe sie den Zugang zu Pflege, ihre Qualität und Kontinuität unabhängig von
Entfernungen für alle Bevölkerungsgruppen in jeder Umgebung verbessern können. In
24
zunehmendem Maß wickeln die Pflegenden die Nachfrage nach Gesundheitsdiensten mit
Hilfe des Telenursing, des telefonischen Pflegedienstes ab, klären mit seiner Hilfe Patienten
auf, führen Beratungen für Hochrisiko-patientengruppen durch, treffen eine Vorauswahl für
die Beratungen nach der Sprechstunde, führen die Kommunikation mit den Chronikern und
Patienten mit schwächenden Erkrankungen und sorgen in dünn besiedelten bzw. ländlichen
Gebieten für eine Gesundheitsversorgung. Auf diese Weise sorgen sie dafür, dass für alle
Menschen eines Landes ein Zugang zu medizinischer Versorgung möglich ist.
Die Öffentlichkeit, Patienten, Arbeitgeber, Politiker und Anbieter werden zunehmend auf eine
Basisgesundheitsversorgung auf der Grundlage von praktikablen, wissenschaftlich
sinnvollen und sozial akzeptierten Methoden und Technologien drängen, die dem Einzelnen
und Familien einer Gesellschaft durch ihre volle Teilhabe allgemein zugänglich ist und zu
einem Preis, der für Kommune und Land bezahlbar ist. Sie ist integraler Bestandteil eines
jeden Gesundheitssystems in jedem Staat. Von Pflegenden wird erwartet, dass sie die
Grundsätze der Primären Gesundheitsversorgung vor jedem Hintergrund realisieren können.
Das Erbringen von qualitativ hochwertigen Leistungen in unserer Gesellschaft kann nicht
dem Zufall überlassen werden. Sie lassen sich nur durch eine bewusste Entscheidung,
entschlossenes Handeln und unter der Leitung der Pflege realisieren. Voraussetzung dazu
sind langfristige Planungen, strategisches Management und politisches Handeln.
Pflegende und nationale Pflegeverbände können den Weg hin zu einer besseren Gesundheit
für uns alle weisen. Die Pflegenden verfügen über das Wissen und die Fähigkeiten und sind
allein schon numerisch in der Überzahl. Öffentlichkeit und Politiker sind der Auffassung, dass
die Pflegenden ethisch verankert, pflegerisch versiert, kompetent und kosteneffizient sind. Es
liegt also an uns, die Vorstellungen über die Pflege in den kommenden Jahren zu bewegen
und eine Zukunft zu gestalten, die von unserem Berufsstand und unseren Gesellschaften
bevorzugt würde; eine, an deren Beginn eine qualitativ hochwertige Primäre Gesund-
heitsversorgung für alle Kommunen und Gemeinschaften stünde.
Es ist unsere Aufgabe, unsere Gesellschaften zu einer besseren Gesundheit zu
führen. In der gemeinsamen Arbeit machen wir uns das Wissen und den
Enthusiasmus des gesamten Pflegeberufsstandes zu Nutze, um eine gesunde
Lebensführung, gesunde Arbeitsplätze und gesunde Gemein-schaften zu fördern. Wir
sorgen für die Gesundheit unserer Gesellschaften, aber auch für die Gesundheit des
Einzelnen, indem wir uns für nachhaltige Entwicklungsstrategien einsetzen, die
Armut, Verschmutzung und andere Ursachen für Krankheiten abschwächen.
(ICN Vision Statement 2007)
25
ANHÄNGE
26
27
Anhang 1
Millennium Development Goals
Im September 2000, auf dem Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen, einigten sich die
führenden Politiker auf eine Reihe von zeitlich begrenzten und überprüfbaren Zielen und
Einzelmaßnahmen zur Bekämpfung von Armut, Hunger, Krankheiten, Analphabetentum,
Umweltzerstörung und der Diskriminierung von Frauen. Sie wurden an zentraler Stelle in der
globalen Agenda verankert und werden als Millennium Development Goals (MDGs)
bezeichnet.
Die acht MDGs - die von der Halbierung extremer Armut über die Eindämmung von
HIV/AIDS bis zur Absicht reichen, primäre Schulbildung allgemein zu ermöglichen und die
bis zum Zieldatum 2015 verwirklicht werden sollen - bilden eine Vorlage, auf die sich alle
führenden, globalen Entwicklungsinstitutionen geeinigt haben. Sie haben beispiellose
Anstrengungen unternommen, um auf die Bedürfnisse der weltweit Ärmsten einzugehen.
• Halbierung von extremer Armut und Hunger.
1,2 Milliarden Menschen leben immer noch von weniger als 1$ am Tag. Aber
in 43 Staaten mit mehr als 60% der Weltbevölkerung ist das Ziel, den Hunger
bis 2015 zu halbieren; bereits erreicht bzw. ist man auf dem Weg dazu, dieses
Ziel zu erreichen.
• Durchsetzung einer allgemeinen primären Schulbildung.
113 Millionen Kinder besuchen keine Schule, allerdings ist das Erreichen
dieser Zielvorgabe bereits absehbar; Indien beispielsweise geht für das Jahr
2015 davon aus, dass 95% der Kinder eine Schule besuchen werden.
• Frauen-Bildung und Förderung von Gleichberechtigung von Männern
und Frauen. Zwei Drittel der Analphabeten weltweit sind Frauen und 80%
aller Flüchtlinge sind Frauen und Kinder. Seit dem Gipfel zu Mikrokrediten
1997 sind Fortschritte bei der Bildung armer Frauen erzielt worden und dabei,
diese Frauen zu erreichen. Allein 2000 waren es annähernd 19 Millionen.
• Verringerung der Kindersterblichkeit bei Unterfünfjährigen um zwei
Drittel. 11 Millionen Kleinkinder sterben jedes Jahr, allerdings ist ihre Zahl
bereits von 15 Millionen im Jahr 1980 zurückgegangen.
• Verringerung der Müttersterblichkeit um drei Viertel. In den
Entwicklungsländern beträgt das Risiko, während einer Geburt zu sterben,
1:48. Allerdings haben praktisch alle Staaten heutzutage Programme für eine
sichere Mutterschaft und stehen kurz davor, Fortschritte zu erzielen.
• Die Eindämmung der Ausbreitung von Krankheiten, insbesondere von
HIV/AIDS und Malaria. Tödliche Krankheiten haben zur Vernichtung einer
ganzen Generation von Entwicklungserfolgen geführt. Staaten wie Brasilien,
Senegal, Thailand und Uganda haben gezeigt, dass HIV aufgehalten werden
kann.
• Gewährleistung von Nachhaltigkeit in der Umwelt. Mehr als eine Milliarde
Menschen haben noch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser; allerdings
erhielten fast eine Milliarde Menschen in den 1990er Jahren Zugang zu
sauberem Wasser und genau so viele Menschen erhielten Zugang zu
Abwassersystemen.
• Schaffung einer globalen Entwicklungspartnerschaft im Hinblick auf
Hilfen, Handel und Schuldenerlass. Zu viele Entwicklungsländer
geben mehr für die Schuldentilgung als für ihre sozialen Dienste aus.
Neue Hilfszusagen wurden im ersten Halbjahr 2002 gemacht, die alleine bis
zum Jahr 2006 bei zusätzlichen 12 Milliarden$ pro Jahr liegen werden
28
Anhang 2
Die Pflegenden in der Primären Gesundheitsversorgung
Die Position des ICN:
Der internationale Verbandszusammenschluss der Pflegenden, der International Council of
Nurses (ICN) ist der Auffassung, dass Gleichberechtigung und der Zugang zu den Leistungen
der Primären Gesundheitsversorgung, insbesondere zu den Pflegeleistungen eine
Schlüsselrolle bei der Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden aller Menschen
spielen.
Gemeinsam mit seinen Mitgliedsorganisationen setzt sich der ICN für das Recht aller
Menschen auf gleiche und wirksame Gesundheitsdienste ein und befürwortet die Erklärung
von Alma-Ata zur Primären Gesundheitsversorgung als dem geeigneten Mittel für die
Realisierung eines Gesundheitsniveaus, das den Menschen ein sozial und wirtschaftlich
produktives Leben ermöglicht.
Der ICN und seine Mitglieder arbeitet auf nationaler und internationaler Ebene mit Regierungs-
und Nichtregierungsorganisationen zusammen, um sich für eine effektivere Umsetzung der
Primären Gesundheitsversorgung einzusetzen. Bei der Planung und Umsetzung von
Leistungen innerhalb der Primären Gesundheitsversorgung drängt der ICN auf einen
multisektoralen Ansatz und zur Einhaltung der folgenden Grundsätze:
• Gesundheitsdienste sind für alle gleichermaßen zugänglich zu machen, wobei das
maximal Mögliche angestrebt werden soll: Partizipation des Einzelnen und der Kommune an
der Planung und dem laufenden Betrieb der Dienste; ein Schwerpunkt auf
Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung; angemessene und finanzierbare
Technologien; ein multisektoraler Ansatz, der Voraussetzung für das gesundheitliche Wohl
einer Gesellschaft ist.
• Im Mittelpunkt der Gesundheitsversorgung stehen das Individuum, die Familie oder die
Gruppe, die einer gesundheitlichen Versorgung bedürfen, seien es Gesundheitsförderung,
Schutz vor Krankheit und Behinderung, Heil- bzw. Rehabilitationsmaßnahmen oder die Pflege
im Zusammenhang mit einem friedlichen und würdevollen Tod.
• Die Ausbildung von Gesundheitspersonal ist sowohl wissenschaftlich als auch ethisch
ausgerichtet und erkennt das Primat der sozialen Determinanten von Gesundheit an.
• Das Gesundheitspersonal respektiert die Rechte des Individuums, der Familie und
Gemeinschaft, eine aufgeklärte Entscheidung über eine medizinische Versorgung und
ähnliche Behandlung zu treffen.
• Forschungsergebnisse und die Evaluation von Technologien sind von direktem Nutzen
für den Patienten und die Öffentlichkeit.
• Im Hinblick auf die Unterstützung der Primären Gesundheitsversorgung hält der ICN es
für äußerst wichtig, dass Konzepte für eine Primäre Gesundheitsversorgung in alle Ebenen der
Pflegerischen Ausbildung Eingang finden und dass die Führungsrolle der Pflegenden in der
Primären Gesundheitsversorgung gestärkt wird und in allen nationalen und internationalen
Zusammenhängen deutlich angesprochen wird.
Hintergrund
Die Weltbevölkerung ist mit einer Zukunft konfrontiert, in der schnelle technische
Fortschritte negativ auf Gesundheit und Wohlbefinden durchschlagen könnten; der
Raubbau an natürlichen Ressourcen und Umweltzerstörung; Bevölkerungswachstum; die
Auswirkungen neuer Gesundheitsprobleme (z.B. AIDS) und lang bekannter Krankheiten
(z.B. Malaria). Andere Faktoren wie z.B. die Überalterung der Bevölkerung und die Sorge
um die Menschen mit chronischen bzw. tödlichen Erkrankungen stellen Gesundheits-
und Sozialdienste vor ständig wachsende Herausforderungen.
29
1978 hat der ICN seine Unterstützung für die Primäre Gesundheitsversorgung und seine
Absicht erklärt, mit Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen auf nationaler und
internationaler Ebene mit dem Ziel zu kooperieren, die Primäre Gesundheitsversorgung
wirkungsvolle Realität werden zu lassen, um auf die Gesundheitsbedürfnisse der
Bevölkerung zu reagieren.
In den darauf folgenden Jahren waren der ICN und seine Mitgliedsorganisationen
maßgeblich an der Lobbyarbeit für die Einbeziehung von Grundsätzen und Programmen
der Primären Gesundheitsversorgung in die Ausbildung von Gesundheitsberufen, in die
Planung und Erbringung von Diensten und in Forschung und Evaluation beteiligt. Viele
NNAs fördern Initiativen zur Einbeziehung von Primärer Gesundheitsversorgung in die
pflegerische Praxis und Politik.
Die Pflegenden stellen innerhalb des Gesundheitspersonals die Hauptgruppe derjenigen,
die Primäre Gesundheitsversorgung auf allen Ebenen leisten und die Verbindung
zwischen den Individuen, Familien und Gemeinschaften und dem Rest des
Gesundheitssystems herstellen. In der Arbeit mit anderen Sektoren, anderen Mitgliedern
des Gesundheitsversorgungsteams oder für sich allein, erkunden die Pflegenden neue
und bessere Möglichkeiten, sich für die Gesundheit bzw. ihre Verbesserung, präventiv
gegen Krankheiten und Behinderungen einzusetzen. Die Pflegenden verbessern die
Gleichbehandlung in Bezug auf die Gesundheitsversorgung und den Zugang zu ihr. Sie
sorgen für eine qualitative Steigerung bei den Pflegeergebnissen. Es ist wichtig, dass
Primäre Gesundheitsversorgung in den Ausbildungsprogramme der Pflege sowohl in der
Grundausbildung als auch auf der weiterführenden Ebene berücksichtigt wird.
2000 verabschiedet
2007 überarbeitet und bestätigt
Vormals: Health Care and Quality of Life Riga Reaffirmation
Themenbezogene ICN Positionen:
• Participation of nurses in health
services decision-making and policy
development
30
Anhang 3
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