Demographischer Wandel: Betriebe müssen sich auf alternde...

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Kurzbericht In aller Kürze Autor/in Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit Bundesagentur für Arbeit Demographischer Wandel Betriebe müssen sich auf altern- de Belegschaften einstellen Zahl der älteren Erwerbspersonen in Deutschland steigt drama- tisch – Betriebe könnten ihr Potenzial besser ausschöpfen, wenn sie mehr Maßnahmen für ein altersgerechtes Arbeiten anbieten Realistische Szenarien der demographischen Entwicklung und Prognosen des Erwerbspersonenpotenzials zeigen, dass der deutsche Arbeitsmarkt in den nächsten 20 Jahren vor allem die Alterung und nicht so sehr die Schrumpfung des Arbeitsangebots bewältigen muss. Dabei wird allerdings eine deutliche Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer unterstellt, wie sie auch den poli- tischen Zielvorgaben entspricht. Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel 2006 zeigen aber, dass über 50-Jährige bei Neueinstellungen nur schlecht vertreten sind. Schlimmer noch: Der Anteil der Betriebe, die Maßnahmen für Ältere praktizieren, nimmt ab statt zu. Niemand kann – vor allem langfristig – die tatsächliche Bevölkerungsentwick- lung vorhersagen. Prognosen von mög- lichen Entwicklungen sind für die aktive Zukunftsgestaltung trotzdem unerläss- lich. Es ist sinnvoll, dabei von mittleren Annahmekonstellationen auszugehen, die auf der Basis von langfristigen Trends errechnet werden. Das Statistische Bundesamt hat Ende 006 in Zusammenarbeit mit den Landesämtern eine neue Bevölkerungs- vorausberechnung (Bvb) veröffentlicht. Dabei wird – neben anderen Annahmen – mit zwei „mittleren“ Varianten von 100.000 bzw. 00.000 Wanderungsü- berschuss gearbeitet (vgl. Infokasten auf Seite 5). Einiges spricht aber dafür, dass (vor allem im Fall einer längerfristigen positiven Arbeitsmarktentwicklung) der Wanderungssaldo künftig wieder höher sein wird. In Abbildung 1 (Seite 2) wird für beide Varianten die Entwicklung der Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland für 006, 00 und 050 dargestellt. Bis 00 wird weder die Bevölkerung insgesamt noch die im Erwerbsalter wesentlich schrumpfen, sehr wohl aber danach – und zwar bis 050, mit einer deutlichen Beschleunigung ab 030. Abbildung 2 (Seite 2) zeigt, wie sich bis 015, 00 und 030 das Ange- bot an Arbeitskräften in Deutschland darstellt – unter zusätzlicher Verwen- dung der Basisannahmen des IAB zur Entwicklung der Erwerbsquoten (vgl. Fuchs/Dörfler 2005). Bis 015 wird das Erwerbspersonenpo- tenzial bei der Variante mit der höheren Zuwanderung sogar noch steigen. Auch 00 wird es nur um 1 bis Mio. Per- sonen niedriger sein als 005. Die un- terschiedlichen Berechnungsvarianten spielen dabei bis 00 noch keine große Rolle. Erst ab 030 differenziert sich das Ergebnis je nach Variante stärker aus. Damit weicht die aktuelle Bevölke- rungsvorausberechnung nur gering von Lutz Bellmann Ernst Kistler Jürgen Wahse Ausgabe Nr. 21 / 11.10.2007 Unter Annahme mittlerer Vari- anten zur Entwicklung der Bevöl- kerung und des Erwerbsverhaltens ist mindestens bis zum Jahr 00 die Alterung des Erwerbspersonen- potenzials die zentrale Herausfor- derung, nicht deren Schrumpfung. In der Bevölkerung Deutsch- lands wird nämlich die Zahl der 55- bis 64-Jährigen bis 00 um rund 40 Prozent zunehmen; in manchen Regionen sogar um zwei Drittel. Die politisch angestrebte Er- höhung der Beschäftigungsquote Älterer setzt die Arbeits- und Be- schäftigungsfähigkeit dieser Per- sonengruppe voraus. Dazu müssten aber auch mehr Betriebe einen Beitrag leisten. Laut IAB-Betriebspanel besteht an dieser Stelle Nachholbedarf, denn: – nur knapp ein Fünftel aller Be- triebe betreibt Maßnahmen der be- trieblichen Gesundheitsförderung, – die betriebliche Weiterbildung ist hoch selektiv bezüglich Alter und beruflichem Status, – nur zehn Prozent der im ersten Halbjahr 006 eingestellten Per- sonen waren älter als 50 Jahre. Schließlich zeigt sich, dass (spezielle) Maßnahmen für ältere Beschäftigte äußerst selten sind und ihre Verbreitung zwischen 00 und 006 sogar noch abge- nommen hat. Demographie und Erwerbspersonenpotenzial

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KurzberichtIn aller Kürze

Autor/in

Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit

Bundesagentur für Arbeit

Demographischer Wandel

Betriebe müssen sich auf altern­de Beleg schaften einstellenZahl der älteren Erwerbspersonen in Deutschland steigt dra ma-tisch – Betriebe könnten ihr Potenzial besser ausschöpfen, wenn sie mehr Maßnahmen für ein altersgerechtes Arbeiten anbieten

Realistische Szenarien der demographischen Entwicklung und Prognosen des Erwerbspersonenpotenzials zeigen, dass der deutsche Arbeitsmarkt in den nächsten 20 Jahren vor allem die Alterung und nicht so sehr die Schrumpfung des Arbeitsangebots bewältigen muss. Dabei wird allerdings eine deutliche Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer unterstellt, wie sie auch den poli-tischen Zielvorgaben entspricht. Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel 2006 zeigen aber, dass über 50-Jährige bei Neueinstellungen nur schlecht vertreten sind. Schlimmer noch: Der Anteil der Betriebe, die Maßnahmen für Ältere praktizieren, nimmt ab statt zu.

Niemand kann – vor allem langfristig–dietatsächlicheBevölkerungsentwick-lungvorhersagen.Prognosenvonmög-lichenEntwicklungensindfürdieaktiveZukunftsgestaltung trotzdem unerläss-lich.Esistsinnvoll,dabeivonmittlerenAnnahmekonstellationen auszugehen,dieaufderBasisvonlangfristigenTrendserrechnetwerden.

Das Statistische Bundesamt hat Ende�006 in Zusammenarbeit mit denLandesämterneineneueBevölkerungs-vorausberechnung(Bvb)veröffentlicht.Dabeiwird–nebenanderenAnnahmen– mit zwei „mittleren“Varianten von100.000 bzw. �00.000 Wanderungsü-berschussgearbeitet(vgl. Infokasten auf Seite 5).Einigessprichtaberdafür,dass(vorallemimFalleinerlängerfristigenpositivenArbeitsmarktentwicklung)derWanderungssaldokünftigwiederhöherseinwird.InAbbildung 1(Seite 2)wirdfür beide Varianten die EntwicklungderAltersstruktur der Bevölkerung inDeutschland für �006, �0�0 und �050dargestellt.

Demographie und Erwerbs­personenpotenzial

Bis�0�0wirdwederdieBevölkerunginsgesamt noch die im Erwerbsalterwesentlichschrumpfen,sehrwohlaberdanach–undzwarbis�050,miteinerdeutlichen Beschleunigung ab �030.Abbildung 2 (Seite 2) zeigt, wie sichbis �015, �0�0 und �030 dasAnge-bot anArbeitskräften in Deutschlanddarstellt – unter zusätzlicherVerwen-dungderBasisannahmendesIABzurEntwicklung der Erwerbsquoten (vgl.Fuchs/Dörfl er 2005).

Bis�015wirddasErwerbspersonenpo-tenzialbeiderVariantemitderhöherenZuwanderungsogarnochsteigen.Auch�0�0wirdesnurum1bis�Mio.Per-sonenniedriger sein als �005.Dieun-terschiedlichen Berechnungsvariantenspielendabeibis�0�0nochkeinegroßeRolle. Erst ab �030 differenziert sichdas Ergebnis je nachVariante stärkeraus.DamitweichtdieaktuelleBevölke-rungsvorausberechnungnurgeringvon

Lutz BellmannErnst Kistler

Jürgen Wahse

Ausgabe Nr. 21 / 11.10.2007

UnterAnnahme mittlerer Vari-antenzurEntwicklungderBevöl-kerungunddesErwerbsverhaltensist mindestens bis zum Jahr �0�0dieAlterungdesErwerbspersonen-potenzials die zentrale Herausfor-derung,nichtderenSchrumpfung.

In der Bevölkerung Deutsch-lands wird nämlich die Zahl der55- bis 64-Jährigen bis �0�0 umrund 40 Prozent zunehmen; inmanchenRegionensogarumzweiDrittel.

Die politisch angestrebte Er-höhung der BeschäftigungsquoteÄlterer setztdieArbeits-undBe-schäftigungsfähigkeit dieser Per-sonengruppevoraus.

Dazu müssten aber auch mehrBetriebe einen Beitrag leisten.LautIAB-BetriebspanelbestehtandieserStelleNachholbedarf,denn:– nurknappeinFünftelallerBe-triebebetreibtMaßnahmenderbe-trieblichenGesundheitsförderung,– die betriebliche Weiterbildungist hoch selektiv bezüglich Alterund berufl ichem Status,– nurzehnProzentder imerstenHalbjahr �006 eingestellten Per-sonenwarenälterals50Jahre.

Schließlich zeigt sich, dass(spezielle) Maßnahmen für ältereBeschäftigte äußerst selten sindund ihre Verbreitung zwischen�00� und �006 sogar noch abge-nommenhat.

Demographie und Erwerbspersonenpotenzial

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� IABKurzberichtNr.�1/�007

dervorherigenab(vgl.Kistler�007:�1)bzw.vonBerechnungenandererInstitute(z.B.PrognosAG�006).

Die wesentlichen SchlussfolgerungenausdiesenEntwicklungenlauten:

Durch höhere Erwerbsquoten wirdindennächstenJahrendasAngebotanArbeitskräftennochweitersteigen;diessogar dann noch, wenn die Bevölke-rungszahlleichtzurückgeht.EtwasÄhn-lichesbeobachtenwirauchamaktuellenRand:Obwohldie(Zu-)Wanderungsef-fektemomentanextremgeringunddiedemographischenEffektenegativsind,sinktdasErwerbspersonenpotenzialnurmarginal(vgl.Bachu.a.�007:7).

DieZahlderälterenErwerbspersonenwirdinjedemFallestarkzunehmen:Die„Babyboomer“werdenbaldzu„Älteren“amArbeitsmarkt.Die1964Geborenen– das ist der stärkste Jahrgang – sindjetzt43Jahrealt,aberauchdieJahrgän-geabetwa1957sindschonsehrstarkbesetzt.

DieserdemographischeEffektwirdnochverstärkt durch den geplantenAnstiegdesRenteneintrittsalters:Älterewerdendann länger im Erwerbsleben bleiben.Zudemwirddie„Rentemit67“voraus-sichtlich auch zu einem weiterenAn-stiegderErwerbsquoteÄlterer führen.Dadurch könnte es bis zum Jahr �030zusätzlich1,�bisüber3MillionenältereErwerbspersonenaufdemArbeitsmarktgeben(vgl.Fuchs,J.�006).

Die Erwerbsquote der Älteren wirdaberauchausanderenGründensteigen:DurchdiegeplanteundzumTeilschonrealisierteAbschaffung der Vorruhe-standsinstrumente, die Beschränkungvon Möglichkeiten des vorgezogenenRentenzugangsunddiekünftiggeringerausfallendenRentenentstehteinenormerArbeitsangebotsdruck.Diedurchschnitt-licheHöhederneuenVersichertenrentenistbereitsinFolgederRentenreformendes letzten Jahrzehnts zwischen 1996und �005 um rund zehn Prozent ge-sunken (und das nominal, noch ohneBerücksichtigungderPreissteigerungs-raten!)–obwohlimgleichenZeitraumdasdurchschnittlicheRenteneintrittsalterumetwaeinJahrgestiegenist(vgl.Ebert,Kistler,Trischler�007).

DamitwirddieAlterungdesErwerbs-personenpotenzials zur entscheidendenHerausforderung amArbeitsmarkt dernächstenJahre.

DabeiwirdesimHinblickaufdiezusätz-licheBeschäftigungÄlterernichtausrei-chen,sichaufeinenbaldbevorstehendenbzw.schonbestehendenFachkräfteman-gel oder garArbeitskräftemangel aufbreiter Front zu verlassen. Ein solcherFachkräftemangelinrelevantemAusmaßkonnteauchimIAB-Betriebspanel�005und �006 nicht nachgewiesen werden

(vgl. Bellmann u.a. �006, Fischer u.a.�007 sowie –mit anderer Datenquelle–KettnerundSpitznagel�007).

Unabdingbare Voraus­setzungen

Diese Entwicklungen und aktuelle po-litischeVorgaben – von der Lissabon-StrategiederEUbis zurRentemit 67– rücken die Beschäftigung Älterer inden Fokus: Welche Voraussetzungenmüssenerfülltsein,damitdiewachsendeZahlÄltereraucheinenentsprechendenArbeitsplatz findet bzw. damit Ältere längerinBeschäftigungbleibenkönnen,auchüberdas65.Lebensjahrhinaus?InderinzwischenumfangreichenLiteraturzumalters-undalternsgerechtenArbei-tenwerdendieArbeits-undBeschäfti-gungsfähigkeitÄlterereinhelligalszen-traleVoraussetzungen für ein längeresArbeitendargestellt(vgl. Abb. 3).

Zunächst müssen die Beschäftigten–ebensowieArbeitsloseundPersonenausderStillenReserve–bisinsfortge-schritteneAlterarbeitsfähigbleiben:MitdenStichwortenGesundheit,KompetenzundMotivation1sindnotwendige,abernochlangenichthinreichendeVorausset-zungenbenannt.SiezeigendenBeschäf-tigtenunddenBetriebengleichermaßen

Abb. 2: Entwicklung des Erwerbs­ personenpotenzials bis 2030

– Personen in Mio. –

Variante 1-W2

2000 2015 2020 2030

44,1 44,343,1

39,4

44,1 43,7

42,1

37,5

Variante 1-W1

Annahmen für die BevölkerungsentwicklungVariante 1­W1: Wanderungssaldo + 100.000 PersonenVariante 1­W2: Wanderungssaldo + 200.000 Personenfür alle Varianten: konstante Geburtenhäufigkeit und mittlere Steigerung der Lebenserwartung

Quelle: Fuchs/Dörfler 2005 © IAB

Unabdingbare Voraussetzungen

Abb. 1: Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland in den Jahren 2006, 2020 und 2050

− Personen in Tausend −

0

200

400

600

800

1.000

1.200

1.400

1.600

2006 2020 Variante 1-W12020 Variante 1-W2

2050 Variante 1-W12050 Variante 1-W2

Alter in Jahren

Annahmen für die BevölkerungsentwicklungVariante 1­W1: Wanderungssaldo + 100.000 PersonenVariante 1­W2: Wanderungssaldo + 200.000 Personenfür alle Varianten: konstante Geburtenhäufigkeit und mittlere Steigerung der LebenserwartungQuelle: Statistisches Bundesamt 2006, eigene Darstellung © IAB

0-1

4-5

8-9

12-1

3

16-1

7

20-2

1

24-2

5

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9

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3

36-3

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40-4

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5

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3

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7

60-6

1

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3

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1

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3

96-9

7

100

und

älte

r

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IABKurzberichtNr.�1/�007 3

diewichtigstenHandlungsfelderalters-undalternsgerechtenArbeitens.

Beschäftigungsfähigkeitistjedochmehr.Dafür müssen zusätzlich dieArbeits-märkte(auchfürÄltere)aufnahmefähigund die Betriebe bereit sein, Ältere inBeschäftigungzuhaltenbzw.auchvomexternenArbeitsmarktzurekrutieren.

Diese Darstellung entspricht durchausden Elementen des finnischen Ansatzes (vgl. Ilmarinen�006),deralsbeispiel-haft gilt. In der deutschen Debatte zudiesemThema werden dieArgumenteIlmarinens aber allzu schnell auf dieArbeitsfähigkeit,undhierschwerpunkt-mäßig auf die alleinigeVerantwortungderBeschäftigtenverkürzt.

Betriebliche Maßnahmen für Ältere

ZurErhaltungderArbeitsfähigkeitältererArbeitnehmermüssensichmehrBetriebeinwichtigenpersonalpolitischenBerei-chenengagieren.DieneuenErgebnissedesIAB-BetriebspanelslieferndazuaufrepräsentativerBasisaktuelle Informa-tionen,dieauchmit früherenAngabenvergleichbarsind.

IndenBefragungenderJahre�00�und�004wurdebeispielsweisefestgestellt,dassnurknappeinFünftel(�00�:19%;�004: �0%) der Betriebe MaßnahmenderGesundheitsprävention jenseitsdergesetzlichenMindestnormenpraktiziert–wobeiauchnochKrankenstandsana-lysenundMitarbeitergesprächeimVor-dergrundstehen.�

DerAnteilderBetriebe,derinderWei-terbildungsförderung aktiv ist – durchzumindest teilweise Übernahme der

Kostenvonund/oderFreistellungenfürMaßnahmen –, ist laut IAB-Betriebs-panelzwischen1997und�005von37auf43Prozentgestiegen.AllerdingshatderAnteildergefördertenPersonennurbis �003 zugenommen und stagniertedann�005bei�6ProzentallerBeschäf-tigten.DiePanel-Ergebnissezeigenauch,dassBeschäftigte mit geringerem beruflichen StatusweitunterdurchschnittlichanderbetrieblichenWeiterbildungsförderungpartizipieren.

Weniger Betriebe mit Maß­nahmen für ÄltereEigentlichmüsstemitderAlterungderErwerbsbevölkerung die berufliche Wei-terbildunganBedeutunggewinnen.DieErstausbildungalleinwirddenHeraus-forderungendermodernenArbeitsweltinallerRegelnichtmehrgerecht–ins-besondere, wenn Ältere immer längererwerbstätigseinsollen.BeieinerlängerenErwerbstätigkeitsteigtaber auch die Rendite von Humanka-pitalinvestitionen fürBetriebeundBe-schäftigte,daderAmortisationszeitraumlänger wird. Ähnliches lässt sich überdie betriebliche Gesundheitsförderungsagen.3

Insofernistesbesondersproblematisch,dass die sowieso geringeVerbreitungvon personalpolitischen Maßnahmenfür ältere Beschäftigte (Bellmann/Hil-pert/Kistler/Wahse �003: 146) weiterleichtabgenommenhat:DerAnteilderBetriebemitMaßnahmenfürÄltereanallenBetriebenmitüber50-jährigenBe-schäftigtenistzwischen�00�und�006von19auf17Prozentzurückgegangen(vgl. Abb. 4). Dabei ist zu beachten,

dass die meistgenannten MaßnahmenauchnochdieAltersteilzeitregelungen4sind,die inderRegeleherdasfrühereAusscheidendenndaslängereArbeitenÄltererunterstützen.

Erschwerendistzudem,dassnurwenigeBetriebe Ältere in Weiterbildungsak-tivitäten einbeziehen oder spezifische Weiterbildungsmaßnahmen für Älterefördern–undihrAnteilsinkt.

Im Westen sind solche Maßnahmenetwas häufiger als im Osten. Mit zu-nehmender Betriebsgröße steigt dieVerbreitung erwartungsgemäß deutlichan.Dennochsind–siehtmaneinmalvonderAltersteilzeitab–auchindenGroß-

1DiesweistaufAspektewieFührung,Arbeitsor-ganisationundnichtzuletztauchEntlohnunghin.� Da diese Maßnahmen in Großbetrieben häufiger sind, korrespondiert dieser Befund in der Grö-ßenordnungz.B.mit demausderBIBB/BAuA-Erhebung�005/�006.Dortgeben35ProzentallerBeschäftigten an, in ihrem Betrieb seien in denletztenzweiJahrenMaßnahmenderGesundheits-förderungdurchgeführtworden.3SachverständigenratzurBegutachtungderEnt-wicklungimGesundheitswesen�005:�75.4BeidetaillierterAnalysezeigtsich,dassindenKlein-undMittelbetriebenderAnteilderBetriebemitAltersteilzeitweitersinkt,währenderindenGroßbetrieben zwischen �00� und �006 sogarweitersteigt.

Abb. 3: Voraussetzungen für eine längere Erwerbstätigkeit von Älteren

Beschäftigungsfähigkeit

Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes

Beschäftigungs- und Einstellungsbereitschaft der Betriebe

Arbeitsfähigkeit Gesundheit Kompetenz Motivation

Abb. 4: Betriebliche Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer

Anteil der Betriebe in Prozent; Mehrfachnennungen möglich

(Grundgesamtheit: Betriebe, die überhaupt 50-Jährige und Ältere beschäftigen)

19

11

2

3

6

6

1

1

17

10

1

2

5

5

1

1

Betriebe mit Maßnahmen

Altersteilzeit

Besondere Ausstattung der Arbeitsplätze

Herabsetzung der Leistungsanforderungen

Altersgemischte Arbeitsgruppen

Einbeziehung in betriebl. Weiterbildungsaktivitäten

Spezielle Weiter- bildungsangebote

Andere Maßnahmen

© IABQuelle: IAB-Betriebspanel 2002 und 2006

20022006

Legende

Betriebliche Maßnahmen für Ältere

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4 IABKurzberichtNr.�1/�007

betriebendieAnteilenichtberauschend:Nur34ProzentderBetriebeab500Be-schäftigtenpraktizierenaltersgemischteArbeitsgruppen und nur 4� ProzentbeziehenÄltereinihreWeiterbildungs-aktivitätenein.DieanderenMaßnahmensind auch in den Großbetrieben weitseltener(vgl. Tab. 1).

AmbestenschneidetnochdieÖffentlicheVerwaltung auf diesem Feld ab.AberauchhierbestehtkeinGrundzueinempositivenUrteilangesichtsdesdeutlichhöherenAnteils Älterer unter den Be-schäftigten.Amwenigstenverbreitetsindaltersgerechte Maßnahmen im BereichderunternehmensnahenDienstleistungensowiebeiHandelundReparatur.

Selektives Rekrutierungs­verhaltenLautBeschäftigtenstatistikderBundes-agenturfürArbeitlagimSeptember�006derAnteilder50-JährigenundÄlterenan den sozialversicherungspflichtig Be-schäftigtenbei��,8Prozent (AmtlicheNachrichtenderBA,Juni�007,S.7�f.).ImVergleichdazuwarenÄlterebeidenNeueinstellungen–nachdenAngabenderBetriebe–imerstenHalbjahr�006deutlichunterrepräsentiert:InWestdeutschlandwarengerademal8Prozent,inOstdeutschlandimmerhin18ProzentderneuEingestellten50-JährigeundÄltere.InOstdeutschlandkonzent-

riert sich der höhereAnteil vor allemauf Branchen, in denen relativ häufig Maßnahmender aktivenArbeitsmarkt-politik zu finden sind. Im Jahr davor warendieentsprechendenWertemit7und14Prozentnochniedriger.ZumTeilliegtdiesaberauchdaran,dassden Betrieben gar keine BewerbungenÄlterer vorliegen. Diese rechnen sichentweder keine Chancen aus oder siehabensichbereitsvomArbeitslebenver-abschiedet(vgl.Bellmannu.a.�006).

Fazit

DieBefundezeigen,dasssichdiemeis-tenBetriebenochzuwenigaufdiede-mographischenHerausforderungenein-stellen–entgegenderHoffnungenundVerlautbarungeninPolitikundVerbän-den.OhnewesentlicheVeränderungeninderbetrieblichenGesundheitsförderung,Weiterbildung undArbeitsorganisationisteinedeutlicheundnachhaltigeErhö-hung der Beschäftigungsquote Ältereraberreichlichunrealistisch.

GeradediesbezüglichistabernochmalsaufeinErgebnisausdenBevölkerungs-vorausberechnungen hinzuweisen, dasansichbanalist,aberinderDebatteoftübersehenwird:DieBabyboomerwerdenindennächstenrund�0Jahrenzu„Äl-teren“amArbeitsmarkt.WieeineBug-wellewirdihreZahlbisetwa�0�5umrund40Prozentsteigen(vgl. Abb. 5).

DiesedemographischenVeränderungenwerdensichregionalsehrunterschiedlichdarstellen. In manchen Landkreisen inDeutschlandwirddieZahlderÄlterensogarumzweiDrittelundmehrsteigen.

Es stellt sich die Frage, ob die bisherdominierendeMethodederAufklärungs-kampagnenwirklicherfolgreichwar.Sieberuht primär auf derVorbildfunktionvon Best Practice-Betrieben und derBereitstellungvonimmermehr„Demo-graphie-Tools“, also Maßnahmen derbetrieblichenPersonalpolitik.AllenfallsdieAnnahme,dassdieVerbreitungvonMaßnahmen zum alter(n)sgerechtenArbeiten ansonsten noch stärker zu-

Abb. 5: Zahl der 55­ bis 64­Jährigen in Deutschland bis 2050

Personen in Mio.

9

10

11

12

13

14

2006

2010

2015

2020

2025

2030

2035

2040

2045

2050

Variante 1-W2 Variante 1-W1

Annahmen für die BevölkerungsentwicklungVariante 1­W1: Wanderungssaldo + 100.000 PersonenVariante 1­W2: Wanderungssaldo + 200.000 Personenfür alle Varianten: konstante Geburtenhäufigkeit und mittlere Steigerung der Lebenserwartung

Quelle: Statistisches Bundesamt 2006 und Prognos AG 2006, eigene Berechnungen IAB/INIFES

© IAB

Tab 1: Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer nach Branchen und Betriebsgrößen 2006 – in Betrieben, die überhaupt 50-Jährige und Ältere beschäftigen

Bet

riebe

mit

Maß

nahm

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darunter:

Alte

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nahm

en

Anteile der Betriebe in Prozent; Mehrfachnennungen möglich

Handel und Reparatur 13 6 1 2 4 5 1 1

Produzierendes Gewerbe 16 8 1 3 7 5 1 1

Dienstleistungen 16 8 1 2 4 7 1 1

dar.: unternehmensnahe 13 6 1 1 2 6 1 1

sonstige 18 10 1 2 6 8 1 1

Öffentliche Verwaltung 64 59 9 4 11 15 3 2Betriebe mit ...

1 bis 4 Beschäftigten 7 3 1 1 2 2 0 15 bis 19 Beschäftigten 12 5 1 2 3 5 1 1

20 bis 99 Beschäftigten 36 23 3 4 11 11 1 2

100 bis 499 Beschäftigen 71 60 8 5 23 24 2 3

ab 500 Beschäftigen 92 85 19 12 34 42 7 7

Alte Bundesländer 18 10 2 2 5 6 1 1

Neue Bundesländer 16 8 1 2 6 6 1 1

Deutschland insgesamt 17 10 1 2 5 6 1 1

Quelle: IAB-Betriebspanel 2006

Fazit

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IABKurzberichtNr.�1/�007 5

rückgegangenwäre,würdedieseSichtgestatten.

DieErgebnissewerfenalsoeineReihevonFragenauf,dienahelegen,diesemThemaauch inkünftigenBefragungendes IAB-Betriebspanels nachzugehen– gerade in Verbindung mit anderenSchwerpunktthemen wie dem betrieb-lichen Fachkräftebedarf, die aus de-mographischer Perspektive zusammendiskutiertwerden.Auchweitere,bishernicht angesprocheneAspekte wie dieVerbreitung von Gefährdungsbeur-teilungen oder von Maßnahmen zurVereinbarkeit von Familie und Berufgehörenhierher.

Schließlichistzufragen,unddaraufwei-senverschiedeneArbeitenderVerfasserhin,obwirwirklichschon–wieöftersinderWissenschaftbehauptetwird–genugGrundlagenwissenüberdasbetriebliche(undindividuelle)Verhaltengegenüberden demographischenVeränderungenhaben.Essprichteinigesdafür,dassz.B.die Daten derArbeitsmarktpolitik undder Rentenversicherung mit Umfrage-daten bei Betrieben und Beschäftigtennochvielgenauerangesehenundzusam-mengebrachtwerdenmüssen.Dazuge-hörtauch,dieseBefundedannstärkermitErgebnissenderqualitativenForschungundkontrolliertenFeldexperimentenzuintegrieren.

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Bellmann, L.; Hilpert, M.; Kistler, E., Wahse, J. (�003): Herausforderungendes demografischen Wandels für denArbeitsmarktunddieBetriebe,Mittei-lungen aus derArbeitsmarkt- und Be-rufsforschung36(�),133-149.

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Fischer, G. u. a. (�007): Standortbe-dingungen und Beschäftigung in denRegionenWest- und Ostdeutschlands.Ergebnisse des IAB-Betriebspanels�006, IAB-Forschungsbericht Nr. 5,Nürnberg.

Fuchs, J.(�006):Rentemit67–NeueHerausforderungen für die Beschäfti-gungspolitik, IAB-Kurzbericht Nr. 16,Nürnberg.

Fuchs, J.; Dörfler, K. (�005):ProjektiondesArbeitsangebots bis �050 – De-mografische Effekte sind nicht mehrzu bremsen, IAB-Kurzbericht Nr. 11,Nürnberg.

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Fuchs, T. (�006):Was istguteArbeit?Anforderungen aus der Sicht von Er-werbstätigen, INQA-Schriften Bd. 19,Berlin.

Ilmarinen, J.(�006):Towardsalongerworklife.Ageingandthequalityofwork-lifeintheEuropeanUnion,Helsinki.

Kettner, A.; Spitznagel, E. (�007):Gesamtwirtschaftliches Stellenange-bot – Kräftige Konjunktur stärkt dieArbeitsnachfrage,IAB-KurzberichtNr.11,Nürnberg.

Kistler, E. (�007): DemographischeHerausforderungen amArbeitsmarkt,in:Huber,A.;Kräußlich,B.;Staudinger,Th.(Hrsg.):ErwerbschancenfürÄltere?,Augsburg,S.10-�6.

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Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (�005): Koordination und Qualität imGesundheitswesen,Gutachten.Bonn.

Statistisches Bundesamt (�006): 11.koordinierte Bevölkerungsvorausbe-rechnung.Annahmen und Ergebnisse,Wiesbaden.

Die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen BundesamtesEnde 2006 hat das Statistische Bun-desamt in Zusammenarbeit mit den Landesämtern die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung (Bvb) veröffentlicht. Im Kern unterscheiden sich die 12 Varianten und zusätzlichen drei Modellrechnungen von der 10. Bvb aus dem Jahr 2003 durch eine Anpassung an die am aktuellen Rand geringer gewordene Nettozuwanderung in Deutschland. Lag der mittlere ange-nommene Wanderungssaldo in der 10. Bvb bei plus 200.000 Personen bis zum Jahr 2050, so wird in der neuen Bvb mit zwei „mittleren“ Annahmen von 100.000 bzw. 200.000 Wanderungsü-berschuss gearbeitet.In den letzten 5 bzw. auch 10 Jahren vor 2005 lag der durchschnittliche Wande-rungsüberschuss jeweils bei 159.000. Hier wird mit diesen beiden mittleren Annahmen zum Wanderungsgesche-hen und den „Basisannahmen“ einer konstanten Geburtenhäufigkeit bzw. mittleren Steigerung der Lebenserwar-tung gearbeitet, die dem langfristigen Trend entsprechen (so genannte Vari-anten 1-W1 und 1-W2; vgl. Statistisches Bundesamt 2006, zur Diskussion Ebert, Kistler 2007).

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IABKurzbericht Nr. 21 / 11.10.2007

Redaktion Ulrich Möller, Elfriede Sonntag

Graphik & Gestaltung Monika Pickel, Elisabeth Strauß Rechte Nachdruck – auch auszugsweise – nur mitGenehmigung des IAB gestattet

Technische Herstellung pms Offsetdruck GmbH, Wendelstein

Rückfragen zum Inhalt anDr. Lutz Bellmann Tel. 0911/179-3046 oder e-Mail: [email protected]

ISSN 0942-167X

IAB im Internet: http://www.iab.de Dort finden Sie unter anderem auch diesen Kurzbericht im Volltext zum Download

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