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GERD-RÜDIGER HOFFMANN

DEMOKRATIE UND KOHLE DAS VOLK FRAGEN? ODER: BRAUNKOHLE,

DEMOKRATIE UND DIE MACHT DER GRÖßEREN ZAHL

Vortrag und Diskussion

Łužyski camp / Lausitzer Klima- und Energiecamp 2014 (20. August 2014, 14.30 Uhr, Kerkwitz/Kerkojce)

http://www.lausitzcamp.info/


HARALD KRETZSCHMAR

„Selbstverständlich verlasse ich mich nach wie vor ganz auf Ihre Entscheidungen“

Eulenspiegel-Titelseite 1964


WILLY MOESE (1985)

„Wer dagegen ist, den bitte ich um das Handzeichen“

X. Kunstausstellung der DDR 1987/88


MEINE THESEN WAREN UND SIND:

– Es geht letztendlich um eine Demokratisierung und Globalisierung der Energiepolitik.

– Energiepolitik in Brandenburg muss Energiewendepolitik sein.

– Es geht um das Primat der Politik gegenüber partikularen ökonomischen Interessen.

– Gerichtsurteile dürfen kein Ersatz für politische Entscheidungen werden.

– Auf landespolitischer Ebene geht es um volkswirtschaftliche Dimensionen, nicht um eine betriebswirtschaftliche Sicht einzelner Konzerne auf komplexe Zusammenhänge.

Nötig ist die Belebung der Demokratie durch Stärkung einer kollektiv handelnden heterogen konstituierten Zivilgesellschaft gegenüber einem sich als homogen verstehenden Staat. Verbunden damit geht es um mehr Selbstbewusstsein der Legislative gegenüber der Exekutive.


ALSO SOLLTE MAN DOCH DAS VOLK FRAGEN, OB NEUE TAGEBAUE NÖTIG SIND

11. Juni 2014


IST EINE SOLCHE VOLKSBEFRAGUNG POPULISMUS?

Ja, vielleicht ist das populistisch.

Jedoch habe ich nicht mit dieser Begründung den Antrag abgelehnt.

„Den Antrag lehne ich ab. Dennoch möchte ich einen Kerngedanken aus der Begründung sehr unterstützen. Dort heißt es: Die politische Ermöglichung des Tagesbaus - faktisch am Landtag vorbei – entspricht nicht den gestiegenen Anforderungen der demokratischen Legitimation derartiger Großprojekte. Das ist richtig. (Vereinzelt Beifall B90/GRÜNE) Der Antrag ist im Wahlkampfmodus entstanden, was aber nicht schlecht sein muss. Hier geht es jedoch um andere Dinge, weshalb sich meine Kritik nicht allein gegen die FDP richtet. Denn auch bei Ablehnung wird deutlich, dass Sie gar nichts Kritisches gegen das Instrument der Volksbefragung im Zusammenhang mit der Energiepolitik des Landes sagen wollen. Höchstens von Missbrauch ist schüchtern die Rede. Doch welche Kriterien gelten für diesen Missbrauch?“

(Gerd-Rüdiger Hoffmann: Rede zum TOP 4 der Landtagssitzung am 27. Juni 2014 "Braunkohlebergbau ausbauen? Das Volk befragen", Antrag der FDP-Fraktion vom 4. Juni 2014, DS 5/9150 - 5. Legislaturperiode – 97. Landtagssitzung)


IST POPULISMUS STETS NEGATIV GEMEINT?

POPULISMUS - was bedeutet das eigentlich? Auf der Webseite der BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG ist erläutert:

POPULISMUS [lat.] P. bezeichnet eine Politik, die sich volksnah gibt, die Emotionen, Vorurteile und Ängste der Bevölkerung für eigene Zwecke nutzt und vermeintlich einfache und klare Lösungen für politische Probleme anbietet. Siehe auch: Demagoge

ERNESTO LACLAU (1935 – 2014) gibt mit Bezug auf den vom Marxisten Antonio Gramsci (1891 – 1937) entwickelten Begriff der Hegemonie eine andere Antwort und entwirft eine THEORIE DES POPULISMUS. Abbildung: www.versobooks.com


WAS IST MIT EINER THEORIE DES POPULISMUS GEMEINT?

STAAT, KLASSEN, MASSEN ODER VOLK ALS AKTEURE GESELLSCHAFTLICHEN HANDELNS

– Für Hegel ist es der Staat, der allgemeine Interessen vertreten kann und deshalb auch befugt sei, diese Interessen im Sinne der Allgemeinheit durchzusetzen.

– Bei Marx ist es die Arbeiterklasse, die er auf den Begriff bringt, um deutlich zu machen, dass ein historisches Subjekt nötig ist, das allgemeine Menschheitsinteressen gegen eine ausbeuterische Minderheit durchsetzen kann.

– „Wenn Herrschaft mit politischer Unterordnung einhergeht, kann letztere wiederum nur durch Universalisierungsprozesse erreicht werden, die jede Herrschaft instabil machen.“ (LACLAU 2000. S. 60)


HEGEMONIE UND DEMOKRATIE

– Doch soziale Akteure lassen sich zunehmend nicht mehr bestimmten Klassen zuordnen. Durch diesen Blickwechsel ist klargestellt, dass die hegemoniale Kraft einer soziopolitischen Formation keine bestehende Identität ist, die der Gemeinschaft (etwa zum Zwecke der Erfüllung „einer historischen Mission“) ihre Anschauung aufzwingen kann bzw. in ihrem Selbstverständnis aufzwingen muss.

– Radikale Demokratie muss sich deshalb ständig neu erfinden und kann sich nicht um eine „Leitfigur“ versammeln, die eine Richtung vorgibt und danach Bündnisse definiert.

– Die Zivilgesellschaft steht im Großen und Ganzen dem als Herrschaft verstandenen Staat gegenüber. (Vgl.: GRAMSCI. 1991ff. Bd. 4. S. 816)


THEORETISCHE UND SEHR PRAKTISCHE PROBLEME UND DIE THEORIE DES POPULISMUS

Wie kann nach der Populismus-Theorie von Laclau Zivilgesellschaft trotz ihrer Heterogenität gemeinsames Handeln erreichen?

1) Äquivalenzverhältnis zwischen einer Pluralität von sozialen Ansprüchen

2) Qualitativer Sprung, der dazu führt, dass sich all diese äquivalenten Ansprüche zu einer allgemeinen Solidarität führen und die Gesellschaft sich in zwei Lager spaltet – in die popularen Klassen und die Machthaber

3) Ein bestimmter Anspruch oder eine Gruppe von Ansprüchen wird, ohne seine Partikularität aufzugeben, zu dem, was wir Hegemonie nennen

4) Populismus beinhaltet seinem Wesen nach eine hegemoniale Operation

ERNESTO LACLAU. Warum Populismus? In: LUXEMBURG. Nr. 1/2014. S. 6 – 13

www.zeitschrift-luxemburg.de


Zur Erinnerung meine Eingangsthese:

Nötig ist die Belebung der Demokratie durch eine selbstbewusste Legislative im Umgang mit der Exekutive und die Stärkung einer kollektiv handelnden

heterogen konstituierten ZIVILGESELLSCHAFT

gegenüber einem sich als homogen verstehenden Staat.


DOCH WAS LEISTET DIESE POPULISMUS-THEORIE FÜR DIE POLITISCHE PRAXIS?

KANN SIE BEI ENTSCHEIDUNGEN IM LANDTAG HELFEN?

Und:

GAB ES NICHT AUSREICHEND GELEGENHEIT, AUF FRAGEN ZUR BRAUNKOHLE ZU ANTWORTEN?

WELCHE ANTWORT DARF ALS VERBINDLICH IM INTERESSE DES GEMEINWOHLS GELTEN?

KANN DIESE FRAGE EINE VOLKSBEFRAGUNG BEIM THEMA BRAUNKOHLENTAGEBAUE BEANTWORTEN?


„Einer Volksinitiative, die nicht einmal zwei Prozent der Wähler erreicht hat, fehlt die Legitimität.“ CHRISTIAN GÖRKE (Parteivorsitzender der LINKEN und Finanzminister in Brandenburg)


THEORIE UND KONKRETE FRAGEN IN EINEM BESTIMMTEN KONTEXT

Meine Gründe für die Ablehnung sind sehr irdisch, obwohl oder gerade weil sie mit Blick auf Gramsci und Laclau entstanden:

Erstens: Es ist stets problematisch ist, wenn MEINUNGSMACHER Umfragen oder Volksbefragungen starten, weil sie testen möchten, ob ihre Arbeit und das Botschaftsmanagement erfolgreich waren. Zweitens: Volksbefragungen verbieten sich, wenn eine kaum von einem Problem betroffene MEHRHEIT über existenzielle Fragen einer sehr stark betroffenen MINDERHEIT richten soll. Drittens: Mit einer solchen Volksbefragung werden europäische Standards der SORBEN/WENDEN-POLITIK missachtet. Viertens: DEMOKRATIE darf nicht auf die Macht der größeren Zahl reduziert werden.

„Kurz: Das tut man nicht. Man stellt nicht zur Abstimmung, ob das Haus des Nachbarn gesprengt werden soll.“ (Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt CDU und FDP)

(Gerd-Rüdiger Hoffmann: Rede zum TOP 4 der Landtagssitzung am 27. Juni 2014 "Braunkohlebergbau ausbauen? Das Volk befragen", Antrag der FDP-Fraktion vom 4. Juni 2014, DS 5/9150 - 5. Legislaturperiode – 97. Landtagssitzung)


OTTOKAR DOMMA

„Im Mathematikunterricht kann man alles berechnen, im Leben nicht.

Deshalb muss man denken lernen.“

Aus: „Ottokar der Philosoph“ (1989)


WEITERES VON MIR ZUM THEMA DES VORTRAGES: Utopie und Energiepolitik. Oder: Warum Die Linke die Kraft utopischen Denkens mit konkretem Handeln verbinden sollte. Vortrag und Diskussion mit Gerd-Rüdiger Hoffmann. Łužyski camp / Lausitzer Klima- und Energiecamp Juli 2013 (17.7.2013, Proschim/Prožym)

Volksbefragung zum Ausbau des Braunkohletagebaus? Rede von Gerd-Rüdiger Hoffmann während der 97. Sitzung des Landtages Brandenburg am 27. Juni 2014 zum TOP 4 „Braunkohlebergbau ausbauen? Das Volk befragen“ (Antrag der FDP- Fraktion vom 4. Juni 2014, DS 5/9150)

Proschim abbaggern wäre eine Provinzposse. Gerd-Rüdiger Hoffmann über LINKE und den Tagebau Welzow-Süd II (neues deutschland vom 11. Juni 2014)

Braunkohle, Demokratie und die Macht der größeren Zahl von Gerd-Rüdiger Hoffmann (Das Blättchen. Heft 13/2014, 23. Juni 2014)

Energiewendegespräch in Proschim/Prožym. Vortrag und Diskussion im Kulturhaus Proschim/Prožym am 16. August 2014




KONTAKT (bis September 2014): Dr. GERD-RÜDIGER HOFFMANN, MdL CATHLEEN BÜRGELT, Mitarbeiterin

Bürgerbüro Senftenberg Běrow za bergarjow Zły Komorow Bärengasse 3 / Mjadwjeźowa gasa 3 01968 Senftenberg / 01968 Zły Komorow [email protected] Telefon: 0331 966 1885

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