Der Dresdner Codex - Zeugnis einer untergegangenen Hochkultur
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Mario Kr ygier
Der Dresdner Codex – Zeugnis
iner untergegangenen Hochkultur
Der Dresdner Codex – Zeugnis einer untergegangenen Hochkultur
Die christlichen Missionare haben ganze Arbeit geleistet, als sie im Zuge der Verbreitung
des vermeintlich wahren Glaubens die Schriftdokumente der Mayakultur in Flammen
aufgehen ließen. Das bedrückende Resultat ihrer Gründlichkeit ist die Tatsache, dass der
Nachwelt nur vier Codices erhalten blieben. Drei davon hat einer der Eroberer selbst, der
Aztekenbezwinger Hernán Cortés, bereits vor der Verbrennung zusammen mit anderem
Beutegut nach Europa bringen lassen. Hier wird jeweils eine dieser Mayahandschriften heute
in Madrid, in Paris und eben auch in Dresden aufbewahrt. Der Dresdner Codex gilt dabei zu
Recht als das älteste, künstlerisch wertvollste und letztlich auch aufschlussreichste
Originaldokument der Maya. Keine andere Quelle gibt in solchem Umfang Auskunft über die
Götterwelt und die astronomischen Kenntnisse der Maya.
Neben Berechnungen zu Umlaufzeiten von Venus und Mars sowie zur Vorhersage von
Sonnen- und Mondfinsternissen beinhaltet der Codex Handlungsanweisungen, Prognosen
und Prophezeiungen zur Landwirtschaft bzw. zur Durchführung von Ritualen. Das
akkordeonartig gefaltete Dokument besteht aus Feigenbastpapier, das mit einer feinen
Stuckschicht überzogenen und beidseitig mit Pinsel bemalt wurde. Insgesamt zählt man 78
Tafeln, wovon 74 gestaltet sind, die sich auf 39 Blättern befinden. Jede Tafel ist etwa 9 cm
mal 20 cm groß. Aufgrund von Teilung und falschem Zusammenfügen ist die Numerierung
der Tafeln unter den Mayaforschern nicht einheitlich.
1739 wurde der Codex dem Dresdener Bibliothekar Johann Christian Götze von einem
Wiener Privatsammler vermutlich geschenkt. 1813 veröffentlichte Alexander von Humboldt
einige Seiten dieser Handschrift in "Voyage aux regions equinoctiales du nouveau continent".
Im Folgenden beschäftigten sich einige weitere Persönlichkeiten mit der Neuzeichnung,
Faksimilierung, Deutung und Übersetzung. Von besonders großem Wert sind die Arbeiten
des Dresdner Bibliothekars Ernst Wilhelm Förstemann, dem es um 1885 gelang, einen
beträchtlichen Teil der Mayamathematik, der Kalender- und Astronomiedaten zu
identifizieren.
Als Beispiel für partielle Übersetzungen seien folgende Passagen angegeben:
u mak’ wah
xaman ek’ ox ok wah
u pak’aj tzen
chaak ajawlel
“Der Gott des Polarsterns
Xaman Ek’
empfängt die
Maisnahrung.
Überfluss an Nahrung
ist die Prophezeiung.”
“Er pflanzte die
Nahrung,
der Regengott
Chaak,
der Herrscher.”
Die spannendsten Inhalte sind zweifellos jene zur Astronomie. Die Tafeln enthalten
Daten von 176 nach Chr. bis 1210. Die ausführlichsten Aufzeichnungen gibt es zu den
Finsternisprognosen und zur Venus. Ausgehend von einem Longcount-Startdatum werden
sukzessive 69 Distanzzahlen addiert, woraus sich die Finsternisprognosedaten ergeben.
Genauere Ausführungen dazu gibt es in "Don Eric und die Maya" bzw. in "Faszination 2012 -
Das Buch zum Mayakalender". In letzterem Buch werden auch im Kontext der Ermittlung der
Kalenderumrechnungszahl die Venustafeln analysiert. Der Dresdener Codex enthält sechs
Seiten zum Venuskalender. Seite 24 ist die Einführungsseite, welche angibt, wie man zum
Basisdatum des Venusjahres kommt. Außerdem liefert sie Vielfache von Venusjahren sowie
Korrekturzahlen. Die restlichen fünf Seiten entsprechen je einem Venusjahr.
Finsternisprognosetafel Venustafel
Das Besondere an den fünf Venustafeln ist, dass sie nicht nur einen Zeitraum von fünf
Venusjahren, sondern von 65 Venusjahren beschreiben. Das ist deswegen möglich, weil fünf
Venusjahre ja genau acht Sonnenjahren entsprechen. Nach fünf Venusjahren ergibt sich
somit dieselbe Position im 365-tägigen Sonnenkalender. Nur die Tagesposition im Heiligen
260-tägigen Kalender ändert sich. Aber hier gibt es nur 13 Varianten. Genau diese 13
Varianten haben die Mayapriester im oberen Teil der Seite in 13 Reihen aufgeschrieben. Die
Mayapriester haben auch noch die Möglichkeit eingebaut, Korrekturfaktoren zu benutzen.
Da ein exaktes Venusjahr im Durchschnitt 583,92 statt 584 Tage dauert, würde sich nach 65
Venusjahren schon ein Fehler von fünf Tagen ergeben.
Apropos Fehler: In der Auflistung von Vielfachen der synodischen Umlaufzeit des Mars
hat sich der Schreiber Fehler erlaubt. Statt 9.7.0 müsste ja dort 8.12.0 stehen, d.h. oben ist
ein Punkt zu viel, während unter ein Strich fehlt. Da dies nicht das einzige derartige
Vorkommnis ist, haben wir mal einen genaueren diesbezüglichen Blick auf die Inschriften
geworfen, woraus sich ein eigener Artikel mit dem Titel „errare schamanum est“ ergibt.
Beim ersten Blick auf den Dresdner Codex fallen die vielen verschiedenartigen
Götterdarstellungen auf. Es gibt keine zweite Quelle, die uns dermaßen umfangreich
Aufschluss über „den Olymp“ der Mayakultur gibt. Allein der Regengott erscheint 134 mal im
codex dresdensis. Der „Zeus“ der Mayagötter, der Schöpfergott Itzamna, sowie der Maisgott
sind jeweils über 100 mal vertreten in den drei Cortés-Codices. Man muss die Aufzählung
fortsetzen mit dem Todesgott, der Mondgöttin, dem Sonnengott, dem Kriegs- und Opfergott
usw. In den drei Codices sind insgesamt mehrere hundert Götterabbildungen von etwa
dreißig verschiedenen Göttern zu finden.
Bewusst zuletzt möchte ich noch kurz auf das leidige Thema Weltuntergang eingehen.
Oft unterstellt man dem Dresdner Codex, dass er auf dieses Ereignis im Jahr 2012 hinweist.
Ein derartig umfassendes und zudem aufgrund der rätselhaften Hieroglyphendarstellung und
verblüffenden astronomischen Inhalte selbst schon mythenumwobenes Werk ist doch
prädestiniert für eine apokalyptische Prophezeiung, oder? Tatsächlich sieht man auf einer
Tafel das Himmelsband, welches sich als Krokodil, der Figur des Milchstraßenbandes,
fortsetzt. Darunter sind Finsternissymbole platziert. Deutlich erkennbar strömen von dort
aus Wassermassen herunter. Im zugehörigen Hieroglyphentext heißt es: „Es regnet im
Himmel. Schwarz ist der Himmel. Schwarz ist die Erde.“ Diese Aussage ist fast wörtlich so
auch im Poopol Wuuj zu finden. An jener Stelle ist die Rede von der Vernichtung der aus
Göttersicht misslungenen Schöpfung der Holzmenschen. Es gibt also keinen Bezug auf die
Zukunft oder gar auf das Ende des Kalenderzyklus im Jahr 2012.
Mario Krygier
http://www.faszination2012.de
http://www.faszination-maya.de
Kompetent &spannend –
Mayawissenfür jedermann
www.faszination-maya.de www.faszination2012.de