Der Erste Genozid Des 20 Jahrhunderts - Guenter Lewy

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1 Der erste Genozid des 20. Jahrhunderts? 1 Guenter Lewy 2 Der Begriff „Genozid“, der 1944 von dem emigrierten polnisch-jüdischen Rechtsanwalt Raphael Lemkin geprägt wurde, beabsichtigte, den von Hitler damals laufenden Feldzug zur Ausrottung der Juden Europas zu beschreiben. Das Interesse Lemkins an diesem schrecklichsten aller Verbrechen – was er und andere als das geplante Bemühen definieren, ein ganzes Volk oder eine ethnische Gruppe zu vernichten – geht dem Aufstieg der Nazis lange voraus. Die Grausamkeiten, die ihn auf das Thema lenkten, entwickelten sich in einem anderen Krieg und in einem anderen Kontext. Es waren nicht die bösartigen Aktionen der Deutschen gegen die Juden in den frühen 40er Jahren, sondern die der osmanischen Türken gegen die armenische Minderheit der Türkei 1915/16. Heute jedoch ist der Fall der Armenier in einer Weise widersprüchlich, in der dies der Holocaust außerhalb der hitzigen Grenzen der arabischen Welt nicht ist. Wie jede ihrer Vorgängerinnen seit der Entstehung der modernen Türkei weist die gegenwärtige Regierung in Ankara den Vorwurf des Genozids vehement zurück und hat starken diplomatischen Druck gegen jeden Versuch von außen ausgeübt, die Ereignisse des Ersten Weltkrieges auf eine Ebene mit der Endlösung Hitlers zu stellen. Dabei werden die Türken nicht nur von pro- türkischen Verteidigern, sondern von einer Reihe von angesehenen Historikern, einschließlich vor allem von Bernard Lewis, dem Vorsitzenden der amerikanischen Orientalisten und einem Türkei-Experten, unterstützt. Dieser Sichtweise steht die große Strömung der weltweiten Meinung, von den offiziellen Erklärungen zahlreicher Regierungen und religiöser Institutionen bis hin zu dem ausgewiesenen Konsens der „International Association of Genocide Scholars“, entgegen. Tatsächlich ist das Gefühl bezüglich dieser Frage so stark, das dieses Thema selbst heute, fast ein Jahrhundert nach den Gegebenheiten, weiterhin den Umgang der Türkei mit anderen Nationen färbt. Am 29. September (2005) nahm das Europäische Parlament in Straßburg eine Resolution an, in der gefordert wird, dass die Türkei als eine Bedingung für den Beitritt zur Europäischen Union die Massentötung der Armenier während des Ersten Weltkrieges als ein Beispiel für einen Genozid anerkennt. Und auch über die Frage hinaus, was 1915/16 geschah und die Bedeutung dessen für die heutige politische Situation der Türkei, besetzt der Fall der Armenier weiterhin einen vorrangigen Platz in der Litanei aller nachfolgenden Beispiele von Massenmord und „ethnischer Säuberung“, einschließlich der jüngsten Tötungen in Bosnien, dem Kosovo und Ruanda in den 90er Jahren sowie denen im Sudan heute. Es ist zu betonen, dass niemand das Ausmaß der Leiden der Armenier durch die Türken bestreitet. Mit kurzer oder keiner Ankündigung zwang die osmanische Regierung armenische Männer, Frauen und Kinder ihre angestammten Gemeinschaften zu verlassen; während des nachfolgenden schrecklichen Marsches über Berge und durch Wüsten starb eine große Zahl von ihnen an Hunger oder Krankheit oder wurde ermordet. Wenngleich das Fehlen guter Statistiken über die Größe der armenischen Bevölkerung in der Türkei vor dem Krieg es 1 Der Artikel erschien in der Zeitschrift des American Jewish Committee „Commentary“ vom Dezember 2005. 2 Guenter Levy ist unter anderem der Autor von “Die katholische Kirche und das Nazi-Regime”, “Religion und Revolution”, “Amerika in Vietnam” und “Der Fall, der scheiterte: Kommunismus im politischen Leben Amerikas”. Sein neues Buch „Das armenische Massaker in der osmanischen Türkei: Ein umstrittener Genozid“ wird in der University of Utah Press erscheinen.

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Zeitschrift „Commentary“ vom Dezember 2005American Jewish CommitteeDer erste Genozid des 20. Jahrhunderts?von Guenter Lewy

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Der erste Genozid des 20. Jahrhunderts?1

Guenter Lewy2 Der Begriff „Genozid“, der 1944 von dem emigrierten polnisch-jüdischen Rechtsanwalt Raphael Lemkin geprägt wurde, beabsichtigte, den von Hitler damals laufenden Feldzug zur Ausrottung der Juden Europas zu beschreiben. Das Interesse Lemkins an diesem schrecklichsten aller Verbrechen – was er und andere als das geplante Bemühen definieren, ein ganzes Volk oder eine ethnische Gruppe zu vernichten – geht dem Aufstieg der Nazis lange voraus. Die Grausamkeiten, die ihn auf das Thema lenkten, entwickelten sich in einem anderen Krieg und in einem anderen Kontext. Es waren nicht die bösartigen Aktionen der Deutschen gegen die Juden in den frühen 40er Jahren, sondern die der osmanischen Türken gegen die armenische Minderheit der Türkei 1915/16. Heute jedoch ist der Fall der Armenier in einer Weise widersprüchlich, in der dies der Holocaust außerhalb der hitzigen Grenzen der arabischen Welt nicht ist. Wie jede ihrer Vorgängerinnen seit der Entstehung der modernen Türkei weist die gegenwärtige Regierung in Ankara den Vorwurf des Genozids vehement zurück und hat starken diplomatischen Druck gegen jeden Versuch von außen ausgeübt, die Ereignisse des Ersten Weltkrieges auf eine Ebene mit der Endlösung Hitlers zu stellen. Dabei werden die Türken nicht nur von pro-türkischen Verteidigern, sondern von einer Reihe von angesehenen Historikern, einschließlich vor allem von Bernard Lewis, dem Vorsitzenden der amerikanischen Orientalisten und einem Türkei-Experten, unterstützt. Dieser Sichtweise steht die große Strömung der weltweiten Meinung, von den offiziellen Erklärungen zahlreicher Regierungen und religiöser Institutionen bis hin zu dem ausgewiesenen Konsens der „International Association of Genocide Scholars“, entgegen. Tatsächlich ist das Gefühl bezüglich dieser Frage so stark, das dieses Thema selbst heute, fast ein Jahrhundert nach den Gegebenheiten, weiterhin den Umgang der Türkei mit anderen Nationen färbt. Am 29. September (2005) nahm das Europäische Parlament in Straßburg eine Resolution an, in der gefordert wird, dass die Türkei als eine Bedingung für den Beitritt zur Europäischen Union die Massentötung der Armenier während des Ersten Weltkrieges als ein Beispiel für einen Genozid anerkennt. Und auch über die Frage hinaus, was 1915/16 geschah und die Bedeutung dessen für die heutige politische Situation der Türkei, besetzt der Fall der Armenier weiterhin einen vorrangigen Platz in der Litanei aller nachfolgenden Beispiele von Massenmord und „ethnischer Säuberung“, einschließlich der jüngsten Tötungen in Bosnien, dem Kosovo und Ruanda in den 90er Jahren sowie denen im Sudan heute. Es ist zu betonen, dass niemand das Ausmaß der Leiden der Armenier durch die Türken bestreitet. Mit kurzer oder keiner Ankündigung zwang die osmanische Regierung armenische Männer, Frauen und Kinder ihre angestammten Gemeinschaften zu verlassen; während des nachfolgenden schrecklichen Marsches über Berge und durch Wüsten starb eine große Zahl von ihnen an Hunger oder Krankheit oder wurde ermordet. Wenngleich das Fehlen guter Statistiken über die Größe der armenischen Bevölkerung in der Türkei vor dem Krieg es

1 Der Artikel erschien in der Zeitschrift des American Jewish Committee „Commentary“ vom Dezember 2005. 2 Guenter Levy ist unter anderem der Autor von “Die katholische Kirche und das Nazi-Regime”, “Religion und Revolution”, “Amerika in Vietnam” und “Der Fall, der scheiterte: Kommunismus im politischen Leben Amerikas”. Sein neues Buch „Das armenische Massaker in der osmanischen Türkei: Ein umstrittener Genozid“ wird in der University of Utah Press erscheinen.

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unmöglicht macht, den wahren Umfang der Verluste zu bestimmen, so gehen zuverlässige Schätzungen von 650 000 Toten oder ca. 40 Prozent der gesamten armenischen Bevölkerung von 1,75 Mio. Menschen aus. Die strittige historische Frage ist der Vorsatz, das heißt, ob das türkische Regime absichtlich die Vernichtung seiner armenischen Minderheit organisiert hat. Gemäß der Genozidkonvention von 1948 ist solch eine Absicht, eine Gruppe zu vernichten, eine notwendige Bedingung für einen Genozid; die meisten anderen Definitionen dieses größten Verbrechens bestehen in ähnlicher Weise auf dem zentralen Punkt einer böswilligen Absicht. Folglich besteht das zentrale Problem, das zu behandeln ist, nicht in der großen Zahl von und an Verlusten, sondern vielmehr darin, ob die türkische Regierung willentlich den Tod, von dem wir wissen, dass er sich ereignet hat, angestrebt hat. Die Armenier lebten seit alters her im südlichen Kaukasus, zwischen dem Schwarzen Meer und dem Kaspischen Meer. Im 4. Jahrhundert nach Christus waren sie die erste Nation, die das Christentum als Staatsreligion annahm. Viel ihrer langen Geschichte verbrachten sie jedoch unter fremder Herrschaft. Der letzte unabhängige armenische Staat (vor der heutigen post-sowjetischen Republik Armenien) fiel im Jahr 1375 und im frühen 16. Jahrhundert waren die meisten Armenier Untertanen des Osmanischen Reichs. Unter dem millet System, das von Sultan Mohammed II (1451-1481) eingerichtet wurde, genossen sie als eine „loyale Gemeinschaft“ religiöse, kulturelle und soziale Autonomie, einen Status, der bis in das 19. Jahrhundert andauerte. Obgleich sich eine große Zahl von Armeniern in Konstantinopel und anderen osmanischen Städten ansiedelten, wo sie als Kaufleute, Banker und Handwerker Erfolg hatten, lebte die Mehrheit weiterhin als Bauern in Ostanatolien. Während der autokratischen Herrschaft von Abdul Hamid II (1876-1909) verkam die Masse der Armenier und nationalistische Gefühle begannen aufzukommen. Im Juni 1890 bauten armenische Studenten im russisch kontrollierten Gebiet des Kaukasus die „Armenian Revolutionary Federation“ auf. Mit der Forderung nach politischer und wirtschaftlicher Emanzipation von türkisch Armenien gingen die Daschnaken (als die sie bekannt waren) gegen türkische Armeeeinheiten, Gendarmerieposten und kurdische Dörfer, die an Angriffen auf Armenier beteiligt waren, im Guerillakampf vor. Sie operierten von Basen im Kaukasus und Persien und nutzten das Berggebiet Ostanatoliens aus. Als 1908 die nationalistische und modernisierende Bewegung der Jungtürken in Konstantinopel in einem unblutigen Coup die Macht ergriff, erklärten die Daschnaken das Ende ihres Kampfes. Die Waffenruhe hielt nicht. Mit dem Eintritt der Türkei in den Ersten Weltkrieg auf der Seite Deutschlands und gegen Russland, dem traditionellen Verbündeten der Armenier, nahmen die Daschnaken ihren bewaffneten Widerstand wieder auf. Seit April 1915 nahmen die armenischen Guerillaaktivitäten an Dynamik zu. Straßen und Kommunikationsverbindungen wurden unterbrochen. Henry Morgenthau, der amerikanische Botschafter in Konstantinopel berichtete am 25. Mai nach Washington, dass niemand die armenische Guerilla auf weniger als 10 000 Mann schätzt und wahrscheinlich 25 000 näher an der Wahrheit sind. Unterdessen organisierte der russische Arm der Daschnaken Freiwillige, um gegen die Türken an der Kaukasus-Front zu kämpfen. Die meisten Freiwilligen – 15 000 nach armenischen Quellen – waren selbst russische Staatsangehörige, die vom Militärdienst befreit waren.

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Einige von ihnen waren jedoch türkische Armenier, die die Grenze überquert hatten, um sich den Einheiten der Freiwilligen anzuschließen. Hilfsangebote kam auch von der armenischen Diaspora aus Westeuropa und den Vereinigten Staaten. Im März 1915 schlug die Daschnaken Organisation in Sofia, Bulgarien, vor, 20 000 Freiwillige an der türkischen Küste bei der armenischen Festung von Kilikien anzulanden. Im selben Monat informierte das Armenian National Defense Committee of America in Boston das britische Außenministerium, dass es Vorbereitungen für die Entsendung von Freiwilligen nach Kilikien trifft, wo ein großer Teil der armenischen Bevölkerung das Banner des Aufstandes gegen die türkische Herrschaft entfalten wird. Es wurde gehofft, dass die britische und die französische Regierung sie mit Munition und Artillerie beliefern würden. Die Angst der Türken vor einer internen Revolte wurde im folgenden Monat durch einen Aufstand in der Stadt Van verschlimmert. Nahe an der russischen Grenze und im Landesinneren des historischen Armenien war Van lange das Zentrum der nationalistischen Agitation. Am 24. April 1915 berichtete der türkische Gouverneur, dass 4 000 armenische Kämpfer das Feuer auf die Polizeistationen eröffnet hatten, muslimische Häuser nieder brannten und sich selbst im armenischen Viertel verbarrikadierten. Um die 15 000 Flüchtlinge vom Lande schließen sich eventuell den nun belagerten Rebellen an. Weniger als einen Monat später wurden die Aufständischen durch die anrückende russische Armee, die die türkische Garnison zwangen, sich zurückzuziehen, gerettet. Ob der Aufstand von Van eine Rebellion war, die entworfen und terminiert wurde, um das Vorrücken der Russen zu erleichtern, oder ob es eine Verteidigungsaktion war, die darauf abzielte, die bereits geplante Deportation der armenischen Gemeinschaft zu verhindern, bleibt einer der Punkte für heftige Streitigkeiten in der Geschichtsschreibung der Zeit. Wenn die Daschnaken nicht türkische Armeeeinheiten banden, waren sie eine bedeutende Hilfe für die russische Armee (abgesehen von den 150 000 armenischen Staatsangehörigen des Zaren, die in seinen Reihen dienten). Äußerst vertraut mit den rauen Bergen Ostanatoliens waren die armenischen Freiwilligen unschätzbare Kundschafter und Führer. In einer berühmten Episode traf sich der legendäre armenische Militärführer Andranik Ozanian mit General Mishlayevsky, dem Befehlshaber der zaristischen Streitkräfte im Kaukasus, im Spätsommer 1914, um die Routen zu bestimmen, auf denen die russische Armee in die Türkei vorrücken könnten. Auf diese Weise hatte sich das armenische Volk auf der ganzen Welt mit der Sache der Alliierten zusammengetan, so sahen es die Türken, und waren gegen sie in einem schicksalhaften Kampf aufgestellt. Nachdem das osmanische Regime zu dem Schluss gekommen war, die Armenier als fünfte Kolonne zu betrachten, entschied es, entscheidende Maßnahmen zu ergreifen, um die verräterischen Aktionen zu beenden. Morgenthau berichtete im Juli 1915 nach Washington Folgendes: „[B]ecause Armenian volunteers, many of them Russian subjects, have joined the Russian army in the Caucasus and because some have been implicated in armed revolutionary movements and others have been helpful to Russians in their invasion of the Van district, terrible vengeance is being taken.“3

3 Übersetzung in die deutsche Sprache: „Da armenische Freiwillige, viele von ihnen russische Staatsbürger, der russischen Armee im Kaukasus beigetreten sind, einige in bewaffnete revolutionäre Bewegungen verwickelt waren und andere die Russen bei ihrem Einmarsch in den Distrikt von Van unterstützt haben, wurde schreckliche Rache genommen.“

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In den Augen der Jungtürken war die Frage jedoch weniger eine der Rache als eine des nationalen Überlebens in einer Situation außerordentlicher Gefahr aufgrund ernsthafter militärischer Rückschläge. Die Briten ha tten Basra in Mesopotamien eingenommen und bewegten sich auf Bagdad zu. Die Alliierten hatten ihre Angriffe auf die Dardanellen gestartet. Da die Türken den Fall der Hauptstadt fürchteten, trafen sie Vorbereitungen, den Sultan und das Schatzamt aus Konstantinopel zu evakuieren. Währenddessen rückten russische Truppen nach Ostanatolien vor; die armenischen Guerilleros waren im Rücken der türkischen Armee aktiv und bedrohten die Lebensadern des Reiches. Auch wenn nur eine begrenzte Zahl von Armeniern zu diesem Zeitpunkt die Waffen erhoben hatten, begriffen es die Behörden in Konstantinopel so, dass sie mit einer Bevölkerung von Verrätern umzugehen haben. Tatsächlich machten die Armenier unmittelbar nach dem Krieg und auf der Friedenskonferenz von Paris 1919 keinen Hehl aus ihrem Beitrag zum Sieg der Alliierten. Bogbos Nubar, der Chef der armenischen Delegation führte im Gegenteil Ende Oktober 1918 an, dass sein Volk in der Tat ein Kriegsteilnehmer war und an der Seite der Alliierten an allen Fronten gekämpft hatte; er schriebb im Besonderen an den französischen Außenminister, dass 150 000 Armenier in der russischen Armee gekämpft hatten und die Front im Kaukasus gehalten hatten, nachdem die Russen 1917 aus dem Krieg ausschieden. Wie Nubar der Friedenskonferenz am 8. März 1919 mitteilen wollte, hätten die Türken die Armenier „in Vergeltung für unsere unermüdliche Hingabe an die Sache der Alliierten“ vernichtet. Mittels solcher Rhetorik hoffte Nubar offensichtlich die Unterstützung der Friedenskonferenz für ein unabhängiges Armenien zu gewinnen. Aber die wesentlichen Tatsachen waren so, wie er sie berichtete, korrekt: Die Armenier hatten tatsächlich die Alliierten auf vielfältige Weise unterstützt. Indem sie Warnungen von allen Seiten ignorierten, kämpfte eine große Zahl von ihnen gegen die Türken und die Regierung reagierte mit dem Rücken zur Wand entschieden und brutal. Obwohl nichts von all dem dazu dienen kann, zu rechtfertigen, was die Türken ihnen angetan haben, so liefert es den unerlässlichen historischen Kontext für die menschliche Katastrophe, die sich ergab. Die Dimension dieser Katastrophe ist nicht zu leugnen. Die rauen Methoden, die die Jungtürken anwendeten, schloss die Tötung von armenischer Prominenz in Konstantinopel und in den östlichen Provinzen ein. Was armenische Zivilsten betrifft, so wurden nicht weniger als 1 Mio. aus ihren Häusern vertrieben. Auf einer Reise durch unwirtlichstes Terrain fehlte ihnen gewöhnlich Obdach und Nahrung und sie wurden oft Ziel mörderischer Gewalt der von der Regierung gestellten Eskorte und von kurdischen Stammesangehörigen, die die Route nach Süden in das osmanische kontrollierte Syrien bewohnten. Eine gewaltige Zahl starb auf dem Weg. Können wir diese Tragödie ohne die Hypothese eines Plans zum Genozid von Seiten der Jungtürken erklären? Die meisten Autoren, die die armenische Sache unterstützen, antworten darauf verneinend. Sie führen ausländische Diplomaten vor Ort an, die angesichts der großen Zahl von Toten folgerten, dass ein so schrecklicher Verlust an Leben nur das beabsichtigte Ergebnis einer Deportation sein kann. Und doch verleugnet eine solche Schlussfolgerung den unmittelbaren Hintergrund, vor dem diese entsetzliche Episode gesehen werden muss. Wenn einer der Hauptgründe für das Desaster der Armenier der Hunger war, dann erfuhren die Armenier kaum alleine diese Entbehrung. Ernste Nahrungsmitteldefizite waren für die

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Türkei in dieser Zeit endemisch. Sowohl die militärische Mobilisierung einer großen Zahl von Bauern im Jahr 1914 als auch die rücksichtslose Requirierung ihrer Pferde, Ochsen und Fuhrwerke machten es unmöglich, die Ernte einzufahren und ließ viele Felder für die Ernte des nächsten Jahres unbestellt. Im Frühjahr 1915 berichtete Botschafter Morgenthau nach Washington, dass die Gesamtsituation des Reiches „beklagenswert“ war und „Tausende der einfachen Bevölkerung täglich an Hunger sterben.“ Im späten Frühjahr und im Sommer 1915 wurden die osmanischen Provinzen Palästina, Libanon und Syrien von einer Heuschreckenplage verwüstet, was eine Hungersnot verursachte. Um die Sache zu erschweren, blockierten alliierte Kriegsschiffe die Küste Syriens und des Libanon und verhinderten auf diese Weise den Import von Nahrungsmitteln aus Ägypten. Darüber hinaus konnten die Nahrungsmittel, die in der Türkei zur Verfügung standen, oft nicht verteilt werden. Die wenigen bestehenden eingleisigen Eisenbahnen des Landes waren überlastet und der Mangel an Kohle und Holz machten die Lokomotiven häufig unbrauchbar. Eine äußerst wichtige Strecke auf der Verbindung nach Syrien – die berühmte Bagdad-Bahn – war bis spät in den Krieg hinein unvollendet. Der daraus resultierende Mangel setzte auch der türkischen Armee zu, deren Truppen, wie ein deutscher Offizier berichtete, maximal ein Drittel ihrer zugewiesenen Rationen erhielten. Unter Bedingungen, in denen Soldaten der türkischen Armee an Unterernährung starben, ist es nicht verwunderlich, dass den deportierten Armeniern wenig Nahrung, wenn überhaupt, zur Verfügung gestellt wurde. In der Tat ergibt die Misshandlung des einfachen türkischen Soldaten, dem Subjekt vieler Kommentare durch Zeitgenossen, einen aufschlussreichen Vergleich mit dem schweren Schicksal der Armenier. Obwohl „die Nahrungsmittel und die Bekleidung zur Versorgung der Armee konfisziert wurden“ schrieb ein amerikanischer Missionar in Van, „profitierten die Soldaten wenig davon. Sie waren schlecht ernährt und schlecht gekleidet, wenn sie überhaupt ernährt oder gekleidet waren.“ Die dänische Missiona rin Maria Jacobsen schrieb am 7. Februar 1915 in ihr Tagebuch: „The officers are filling their pockets, while the soldiers die of starvation, lack of hygiene, and illness.“4 Viele hatten weder Schuhe noch Socken und waren in Lumpen gekleidet. Die Behandlung von türkischen Soldaten, die verwundet wurden oder krank waren, war besonders erschreckend. Diejenigen, die es schafften, ein Hospital zu erreichen – viele schafften dies nicht, starben in großer Zahl aufgrund der unhygienischen Bedingungen und dem Mangel an grundlegender Versorgung. Die Patienten teilten sich Betten oder lagen einfach in Gebäuden, die kein fließendes Wasser oder Strom hatten, nebeneinander auf dem Flur. Typhus, Cholera, Ruhr und andere Infektionskrankheiten breiteten sich rasch aus. Wie Maria Jacobsen am 24. Mai 1916 vermerkte, starben durch den Ausbruch der Cholera in der Stadt Malatia täglich 100 Soldaten. Sie schrieb: „The army there will soon be wiped out without a war.”5 Die Türken hatten ca. 244 000 im Kampf Gefallene im Ersten Weltkrieg. Im Gegensatz dazu starben ca. 68 000 Soldaten an ihren Verwundungen und fast eine halbe Million an Krankheiten – ein Verhältnis von nicht im Kampf Gefallenen zu im Kampf Gefallenen, welches sicherlich nicht von einer der anderen Krieg führenden Nationen erreicht wurde. Dieser schreckliche Tribut entschuldigt bestimmt nicht die Behandlung der Armenier, aber es kann auch nicht einfach ignoriert werden bei einer Bewertung der allgemeinen Umstände, vor 4 Übersetzung in die deutsche Sprache: „Die Offiziere füllten ihre Taschen, während die Soldaten an Hunger, mangelnder Hygiene und Krankheit starben.“ 5 Übersetzung in die deutsche Sprache: „Die Armee dort wird bald ohne einen Krieg ausgelöscht sein.“

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denen sie vom Schicksal heimgesucht wurden. Viele der türkischen Toten hätten durch bessere sanitäre Bedingungen und medizinische Hilfe verhindert werden können. Eine Regierung, die so gefühllos gegenüber dem Leiden ihrer eigenen Soldaten war, stand kaum im Begriff, für dieses schreckliche menschliche Le id, das aus der Deportation einer Bevölkerungsminderheit – ob zu recht oder unrecht des Verrates verdächtigt – resultiert, Interesse zu zeigen. Eines der Probleme, welches die armenische Seite in dieser Auseinandersetzung plagt, besteht darin, dass kein authentisches Dokument existiert, welches die Schuld der Zentralregierung der Türkei für die Massaker von 1915/16 beweist. Angesichts dieses Mangels stützten sich die Armenier auf Material von zweifelhafter Authentizität wie „The Memoirs of Naim Bey“ von Aram Andonian. Die englische Ausgabe dieses Buches, das erstmals 1920 veröffentlicht wurde, führt erkennbar 30 gefälschte Telegramme von Talaat Pascha, dem Innenminister der Türkei an, von denen einige die Tötung aller Armenier unabhängig von Geschlecht und Alter befehlen. Dieses Buch wird nicht nur von türkischen Historikern, sondern praktisch von allen westlichen Studierenden der osmanischen Geschichte als Fälschung betrachtet. Ähnlich unseriös sind die Urteile der türkischen Militärgerichte, die 1919/20 die oberste Führungsschicht des jungtürkischen Regimes zusammen mit einer Spezialeinheit, der Teskilat-i Mahsusa, für die Massaker an den Armeniern schuldig hielten. Diese Gerichte litten unter einem ernsthaften Mangel an Rechtsstaatlichkeit; weit wichtiger ist, dass alle Originale der Prozessdokumente verloren gingen und nur Kopien von einigen Dokumenten, die im Amtsblatt und in der Presse abgedruckt wurden, übrig blieben. Es ist wahr, dass ebenso kein schriftlicher Beleg von Hitlers Befehl für die Endlösung der „Judenfrage“ gefunden wurde. Die wesentlichen Elemente des Entscheidungsprozesses, der zu der Vernichtung der Juden Europas führte, können jedoch aus den Ereignissen, den Aussagen vor Gericht und einem großen Bestand aus authentischen Dokumenten rekonstruiert werden. Es ist zweifelhaft, dass die Verfahren von Nürnberg je diese enorme Bedeutung bei der Bestätigung der Verbrechen des Nazi-Regimes erreicht hätten, wenn sie sich auf einige Kopien anstelle von tausenden Originaldokumenten, die in Archiven aufbewahrt wurden, hätten stützen müssen. Ausgenommen von der unwahrscheinlichen Entdeckung sensationell neuer Dokumente in den türkischen Archiven kann man sagen, dass kein vergleichbarer Beweis für die tragischen Ereignisse von 1915/16 existiert. Gleichzeitig spricht eine Reihe von Fakten über die Deportationen gegen die These, dass sie ein vorsätzliches Programm für die Ausrottung der türkischen Armenier darstellen. Um nur eine Sache zu nennen: die großen armenischen Gemeinden von Konstantinopel, Smyrna und Aleppo wurden von den Deportationen ausgespart und sie überlebten mit Ausnahme der Widerwärtigkeiten, die auch die muslimische Bevölkerung dieser Städte traf, den Krieg weitgehend unbeschadet. Dies wäre analog zu einem Unterlassen Hitlers, die Juden von Berlin, Köln und München in die Endlösung einzubeziehen. Zudem wurde der Fußmarsch, der so viele Leben kostete, nur den Armeniern aus Ost- und Zentralanatolien auferlegt, einem Teil des Landes, wo es keine Eisenbahn gab. Anderswo und trotz des Umstandes, dass die eingleisige Bagdad-Bahn mit dem Transport von Truppen und Nachschub überlastet war, wurde den armenischen Deportierten erlaubt, Eisenbahntickets zu erwerben; auf diese Weise wurden ihnen zumindest einige der Strapazen des Deportationsprozesses erspart. Wenn die Absicht darin bestand, wie oft behautet wurde, die

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Vertriebenen einem Zwangsmarsch zu unterwerfen, bis sie vor Erschöpfung starben, warum wurde diese Bestrafung nicht allen auferlegt? Ähnliche Abweichungen können für das Schicksal anderer Teile der armenischen Bevölkerung gefunden werden. Während viele der Vertriebenen sich selbst überlassen wurden und oft an Hunger starben, wurde anderen hier und dort Nahrung gegeben. Einige Gendarme, die den Konvoi begleiteten, verkauften die ihnen Anvertrauten an Kurden, die sie ausplünderten und ermordeten; andere Gendarme waren jedoch beschützend. An einigen Orten wurden alle Armenier, unabhängig vom Glauben, weggeschickt, während in anderen Gegenden protestantische und katholische (im Gegensatz zu den gregorianischen) Armeniern ausgenommen wurden. Viele der Deportierten erlagen den harten Bedingungen an ihrem Ort der Wiederansiedlung; andere jedoch waren in der Lage zu überleben, indem sie nützliche Handwerker oder Händler wurden. An einigen Orten konnte sogar nicht durch das Konvertieren zum Islam die Deportation vermieden werden; an anderen Orten wurde es einer großen Anzahl von Armenier erlaubt bzw. sie wurden gezwungen, zu konvertieren, und wurden dadurch gerettet. Alle diese Unterschiede sowohl in der Behandlung als auch im Ergebnis sind schwer mit einem geplanten Programm der totalen Vernichtung in Einklang zu bringen. Wie kann man dann die Ereignisse von 1915/16 erklären? Was erklärt den enormen Verlust an Menschenleben? Der durch Akten belegte Nachweis deutet darauf hin, dass die osmanische Regierung einen geordneten – sogar einen relativ humanen – Deportationsprozess durchführen wollte, was durch die vielen Dekrete abzuschätzen ist, die den Schutz und die mitfühlende Behandlung der Deportierten anordneten. Lässt man jedoch die Gerechtigkeit im Hinblick auf den Deportationsbefehl selbst bei Seite, so vollzogen sich die Deportation und die Wiederansiedlung der Armenier in einer Zeit großer Unsicherheit und des Durcheinanders im ganzen Land und unter den Bedingungen eines weit verbreiteten Leidens und der Entbehrung unter der türkischen Zivilbevölkerung und des Militärs. Die Aufgabe, einige hunderttausend Menschen in kurzer Zeit und mit einem höchst primitiven Transportsystem wiederanzusiedeln, lag einfach über den Fähigkeiten der türkischen Bürokratie. Viele Beobachter der Ereignisse sahen die Tragödie in der Tat in diesem Licht und führten beständig die Inkompetenz und die Ineffizienz der osmanischen Bürokratie an. „Der Mangel an geeigneten Transportkapazitäten“, schrieb der amerikanische Konsul in Mersina im September 1915, „stellt den wichtigsten Faktor dar, der diese Misere verursachte.“ Der deutsche Konsul in Aleppo berichtete seinem Botschafter ungefähr in derselben Zeit, dass die Mehrheit der armenischen Vertriebenen verhungerte, da die Türken „nicht in der Lage waren, die organisatorische Aufgabe der Versorgung der Massen zu lösen.“ Ein langes Memorandum über die armenische Frage, das 1916 von Alexander von Hoesch, einem Beamten der deutschen Botschaft, verfasst wurde, wies auf den grundlegenden Mangel an Verantwortung hin: einige Beamte versuchten die Härten der Vertreibung zu vermindern, während andere äußert feindselig gegenüber den Armeniern waren und sie Konstantinopel zum Trotz der Gewalt der Kurden und Kirkessen überlassen. Heute sind die Einsätze in dieser historischen Kontroverse hoch und beide Seiten benutzen weiterhin ungeschickte Taktiken, um ihre Sicht zu fördern. Die türkische Regierung droht regelmäßig jedem mit Vergeltung, der ihre eigene Version der Ereignisse in Frage stellt, eine Drohung, die sie kürzlich durch ihre Stornierung der Bestellung eines 149 Mio. $

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französischen Spionagesatelliten wahr machte, nachdem die französische Nationalversammlung 2001 erklärte, dass die Ermordung der Armenier während des Ersten Weltkrieges ein Genozid war. Die Armenier ihrerseits kämpfen auch mit harten Bandagen. Als Bernard Lewis 1994 in einem Brief an Le Monde aus wissenschaftlichen Gründen die Existenz eines Planes für die Vernichtung seitens der osmanischen Regierung in Frage stellte, erhob eine französisch-armenische Organisation Klage und ein französisches Gericht verurteilte Lewis „wegen schmerzlicher Beeinträchtigung des wahrhaften Gedenkens“. Aber es gibt auch hoffnungsvolle Zeichen, zumindest auf akademischer Ebene. In den letzten Jahren wurden auf einer Reihe von Konferenzen türkische und armenische Akademiker zusammengebracht, die bereit waren, die Ereignisse von 1915/16 ohne politischen Hintergrund zu diskutieren. Die türkische Geschichtswissenschaft hat Anzeichen einer post-nationalistischen Phase gezeigt und auch einige Wissenschaftler auf der armenischen Seite engagieren sich nun in einer Forschung frei von propagandistischer Rhetorik. Natürlich haben solche Bemühungen über die dagegen verstoßenden Wissenschaftler den Vorwurf des Verrates, sogar des Landesverrates, gebracht. Es wäre dumm, eine aufrichtige Aussöhnung in naher Zukunft zu erwarten. All das wirft zutiefst beunruhigende Fragen auf, nicht zuletzt über die Rolle, die der Begriff des Genozids bei der Bewahrung der fast ein Jahrhundert alten Sackgasse zwischen den Türken und Armeniern spielt. Jede Art einer gegenseitig annehmbaren Lösung wird extrem schwierig, wenn nicht unmöglich zu erreichen, sobald diese Anschuldigung auf den Tisch kommt. Wie der türkische Historiker Selim Deringil schrieb, müssen beide Seiten „von diesem Dialog der Tauben „war es Genozid oder nicht“ zurücktreten und stattdessen ein „gemeinsames Projekt des Wissens“ suchen. Wenn wir diesem Rat folgen, wie sollte dann am besten diese Tragödie bewertet werden? Die vorrangige Absicht des Deportationsbefehls war unzweifelhaft nicht die Vernichtung eines gesamten Volkes, sondern die Verweigerung der Unterstützung für die armenischen Guerilla-Banden und die Entfernung der Armenier aus den Kriegsgebieten und anderen strategischen Orten. Für die Osmanen hat die schmerzvolle Erfahrung mit anderen christlichen Minderheiten während des Balkankrieges (1912-13) eine extreme Sensibilität gegenüber Rebellion und Gebietsverlust geschaffen. Der Innenminister Talaat Pasha soll dem Kabinet 1915 Folgendes gesagt haben: „We have to create a Turkish bloc, free of foreign elements, which in the future will never again give the European the opportunity to interfere in the internal affairs of Turkey.”6 Botschafter Morgenthau berichtete, dass er von dem türkischen Kriegsminister Enver Pasha bei mehreren Gelegenheiten gesagt bekam, dass die Regierung mit Nachdruck gegen jede Gemeinschaft, wie klein auch immer, vorgehen muss, die entschlossen zur Unabhängigkeit ist und die direkt gegen die Interessen des Reiches arbeitet. Für das menschliche Desaster, das die armenische Bevölkerung anschließend auszuhalten hatte, trägt das osmanische Regime sicherlich sein gebührendes Maß an Verantwortung, wie auch für die allgemeine Korruption, die stümperhafte schlechte Regierung und die Gleichgültigkeit gegenüber den Leiden der eigenen Bevölkerung im Ersten Weltkrieg. Und man kann noch weitergehen: Im Nachhinein ist auch möglich zu fragen, ob das Gewicht der Bedrohung durch die armenischen Revolutionäre die drastische Lösung einer teilweisen Deportation rechtfertigt. Die kanadische Forscherin Gwynne Dyer mag den Fall am 6 Übersetzung in die deutsche Sprache: Wir müssen einen türksichen Block frei von ausländischen Elementen schaffen, der den Europäern in Zukunft keine Gelegenheit gibt, sich in die internen Angelegenheiten der Türkei einzumischen.“

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angemessenten ausgedrückt haben, indem sie schrieb, dass, obwohl die türkischen Anschuldigungen der massenhaften Treulosigkeit, des Landesverrates und der Revolte von Seiten der osmanischen Armenier vollständig „wahr waren, was das Gefühl der Armenier betrifft“, so waren sie „nur teilweise wahr im Hinblick auf offenkundige Handlungen und völlig unzureichend als eine Rechtfertigung für das, was den Armeniern angetan wurde.“ Wenn sowohl die Armenier als auch die Türken diese Einschätzung sogar nur als Ausgangspunkt für weitere Diskussionen akzeptieren könnten, so würden sie einen entscheidenden Schritt in der Beilegung eines der bittersten und ältesten Konflikte der modernen Geschichte erreichen.