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Der European Quality Award als Herausforderung
für das PersonalmanagementWalter Bungard und Ingela Jöns1
1 Zentrale Bedeutung des Qualitätsmanagements iminternationalen Wettbewerb
Nach dem 2. Weltkrieg herrschte in Europa zunächst lange Zeit ein typischer primär
nationaler Herstellermarkt: Die Kunden waren froh, wenn sie ein benötigtes Produkt bzw.
eine gewünschte Dienstleistung erhalten konnten. Die Anbieter definierten relativ autonom,
welche Waren oder Leistungen unter welchen Rahmenbedingungen auf dem Markt offeriert
wurden. Anfang der 60er Jahre spielte dann auch der Preis und zunehmend die Qualität eine
größere Rolle, aber der Umschwung hin zu einem Verbrauchermarkt erfolgte erst Mitte der
80er Jahre im Zusammenhang mit einer explosionsartigen Zunahme des internationalen
Wettbewerbs (Bungard, 1995; Pfeifer, 1993). In diesem Zusammenhang müssen sicherlich
auch die Erfolge japanischer Konkurrenten auf dem amerikanischen und europäischen
Markt gesehen werden. Die Situation auf einem Verbrauchermarkt ist dadurch
gekennzeichnet, daß die „Machtverhältnisse“ im Unterschied zum Herstellermarkt auf den
Kopf gestellt werden: Der Kunde bestimmt in erster Linie, welche Produkte bzw.
Dienstleistungen nachgefragt werden und folglich angeboten werden sollten. Und damit
wird die vom Kunden bewertete Qualität in Relation zum Preis zum entscheidenden
Regulativ auf einem weltweiten, durch extrem verschärften Wettbewerb der Anbieter
gekennzeichneten Markt.
Die europäischen Anbieter von Produkten und Dienstleistungen waren auf diesen
einschneidenden Wandel der Marktregulierungsmechanismen teilweise nur schlecht
vorbereitet. Die ökonomischen Erfolge zu Zeiten der Herstellermärkte hatten viele
Unternehmen offensichtlich für die oben beschriebenen Veränderungsprozesse „blind“
gemacht. Der über einige Jahrzehnte hinweg fehlende Wettbewerb führte zu einer
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Festzementierung der hierarchisch strukturierten, eher unflexiblen Organisationsformen, in
denen bestenfalls innerbetriebliche Prozesse optimiert und Kosten reduziert wurden, aber
der Kunde spielte nur eine marginale Rolle.
Erst durch massive wirtschaftliche Krisen in nahezu allen Branchen aufgerüttelt und
aufgrund des zum Teil dramatischen Wegbrechens ganzer Wirtschaftszweige, man denke
z.B. an die englischen Automobilfirmen, sahen sich die Verantwortlichen genötigt, von dem
hohen Sockel hinabzusteigen und den Kunden ernst zu nehmen. Es wurde sehr bald
deutlich, daß man auf einem derartigen Verbrauchermarkt langfristig nur dann existieren
kann, wenn man ein effektives Qualitätsmanagement mit oberster strategischer Priorität
etabliert. Das Gebot der Stunde bestand also darin, möglichst schnell die Philosophie bzw.
die Konzepte des Total-Quality-Managements (TQM) in Anlehnung an die Erfahrungen in
japanischen Unternehmen auch in europäischen Organisationen zu implementieren.
Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, im Detail auf den TQM-Ansatz näher
einzugehen. Für die weiteren Überlegungen sind aber folgende Punkte wichtig:
• Die Einführung eines TQM-Konzepts, in welcher Spielart auch immer, ist zwangsläufig
mit der Etablierung einer anderen Arbeits- und Organisationsstruktur verbunden (Abbau
von Hierarchieebenen, Einführung von Teamstrukturen, Matrixorganisation usw.).
• Diese neuen Strukturen funktionieren aber nur dann, wenn auch in den Köpfen der
Beteiligten ein Umdenken stattfindet. D.h. es muß auch eine neue TQM-orientierte
Organisationskultur geschaffen werden.
• Aus den zuvor genannten Punkten ergibt sich weiterhin, daß die Implementierung als
solche einschließlich der Personal- und Organisationsentwicklungsprozesse von zentraler
Bedeutung ist. Die Realisierung eines TQM-Konzepts ist mit sehr viel Zeit, Geduld,
Training, Lernprozessen und nicht zu letzt mit mikropolitischen Auseinandersetzungen
verbunden.
Die Erfahrungen in den meisten europäischen Ländern haben in den letzten Jahren eindeutig
gezeigt, daß relativ viele TQM-Projekte gerade an dieser Implementierungshürde
gescheitert sind: Man wollte offensichtlich all zu oft nach gewohntem Muster quasi über
1 Dieser Artikel wird erschienen in: E. Regnet & L. M. Hofmann (1998). Personalmanagement in Europa.
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Nacht technokratisch die „TQM-Denke“ anordnen und mechanistisch einführen, aber die
zahlreichen TQM- bzw. Reengineering-Leichen in den Kellern der Unternehmen legen ein
beredetes Zeugnis davon ab, daß die Implementierungsstrategie zum entscheidenden
Erfolgsfaktor geworden ist, wobei zunehmend die Akzeptanzsicherung bei den Mitarbeitern
im Zuge der Einführung eine dominierende Position einnimmt.
Es dürfte deutlich geworden sein, daß die existenzsichernde Einführung eines TQM-
Konzepts und die damit verbundene Implementierungsaufgabe zwangsläufig auch die
zentrale Aufgabenstellung für das Personalmanagement darstellt, da es unmittelbar deren
Funktion betrifft.
2 Zielsetzung von Qualitätsstandards und Qualitätspreisen
Der Übergang vom Hersteller- zum Verbrauchermarkt erforderte, wie im ersten Abschnitt
dargelegt, eine grundlegende Umorientierung bei der strategischen Ausrichtung des
Unternehmens. Für einen größeren Wirtschaftsraum kann es dabei ein riskantes Unterfangen
darstellen, auf die Adaptationsleistungen bzw. die Flexibilität einzelner Organisationen zu
vertrauen, um diesen Umstellungsprozeß zu bewerkstelligen und von daher hat es immer
schon Versuche gegeben, derartige Anpassungsprozesse durch geeignete
wirtschaftspolitische Instrumente oder sonstige flankierende Maßnahmen zu unterstützen.
Genau dies erwies sich sehr bald auch bei der Einführung neuer Qualitätsstrategien als eine
extrem wichtige Aufgabe.
Eine Vorreiterrolle nahm auch hier Japan ein. Dort mußten in den 50er Jahren enorme
Anstrengungen unternommen werden, um mit qualitativ hochwertigen Produkten und
Dienstleistungen auf dem amerikanischen und europäischen Markt Fuß fassen zu können.
Hierzu wurden die Ideen amerikanischer Qualitätsexperten, die in ihrem eigenen Land
damals keine Resonanz fanden, nämlich u.a. Shewardt und Dewing, aufgegriffen und
konsequent angewendet. In diesem Zusammenhang wurde in Japan ab 1952 von der Union
of Japanese Scientists and Engineers (JUSE) ein nationaler Qualitätspreis, nämlich der sog.
Deming Price, als Anreiz für japanische Unternehmen ins Leben gerufen und seitdem
jährlich verliehen (Oess, 1993).
Hogrefe Verlag.
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In den westlichen Industrienationen, also USA und Europa, versuchte man im Sinne einer
Gegenoffensive zunächst, die Qualität durch die Entwicklung allgemeingültiger
Qualitätsicherungsstandards zu fördern, später wurden dann ebenfalls Qualitätspreise ins
Leben gerufen. Wir wollen im folgenden kurz auf diese Ansätze eingehen.
2.1 Normenreiche ISO 9000
Was die Qualitätsstandards betrifft, so wurde in diesem Zusammenhang die Normenreihe
ISO 9000 bekannt. Im Jahre 1971 beauftragte die International Organization for
Standardization (ISO) ein technisches Komitee, auf den verschiedenen nationalen
Erfahrungen aufbauend einheitliche über spezifische Branchen hinaus international gültige
Qualitätsstandards zu definieren. 1987 präsentierte dieses Komitee die sog. Standardfamilie
ISO 9000 bis ISO 9004. Das Ziel besteht darin, die Bedingungen für die Schaffung guter
Qualität sicherzustellen und dies international zu normieren. Die Normenreihe enthält
deshalb eine Ansammlung von Forderungen, die die Gestaltung der formalen Struktur von
Organisationen betreffen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Systemübereinstimmung mit
den Normen, es wird nicht die Produktqualität oder die Dienstleistung als solche bewertet.
Nicht das Qualitätsmanagementsystem als solches soll genormt werden, wie oft
angenommen wurde, sondern die Normen betreffen Qualitätsmanagementsystem-
Darlegungsformen (Walgenbach, 1998). Auf der Basis dieser Normfamilie können sich
Unternehmen per Zertifikat bescheinigen lassen, daß sie im oben definierten Sinne über ein
funktionierendes Qualitätssystem verfügen.
In Europa wurde dieses Gütesiegel innerhalb kürzester Zeit allgemein akzeptiert, in
einzelnen Industriebereichen sogar zwingend vorgeschrieben, und insgesamt als geeignete
Maßnahme zur Stärkung der Wettbewerbsposition angesehen (Mendel, 1996). Das
Zertifikat entpuppte sich bald als ein erfolgreiches Marketing-Instrument, das darüber
hinaus auch intern in vielen Fällen zu einem Reflexionsprozeß über Qualität geführt hat.
Nähere Einzelheiten zum Aufbau der ISO 9000 Norm bzw. zur DIN ISO 9000, wie sie in
Deutschland bezeichnet wird, und zur Zertifizierungsprozedur finden sich bei Verbeck
(1998), Peach (1994).
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Mit der raschen Verbreitung der ISO 9000 wuchs auch die Kritik. Neben der primären
Ausrichtung auf größere Produktionsbetriebe und der hohen Kosten werden dabei vor allem
folgende Aspekte genannt (Verbeck, 1998; Keeney, 1995; Walgenbach, 1996):
• Die Zertifizierung garantiert nicht, daß die Produkte oder Dienstleistungen eine hohe
Qualität aufweisen. Der Aspekt der tatsächlichen Qualitätsverbesserung spielt keine
Rolle.
• Die Bedürfnisse der Kunden werden nicht berücksichtigt. Die Zertifizierung erfolgt
nicht aufgrund von tatsächlichen Kundenanforderungen, sondern primär als Folge
einer Orientierung an anderen Konkurrenten oder durch Anweisung der
Konzernleitung. Intrinsische Motivation liegt nur selten vor.
• Die Implikationen stehen teilweise in krassem Widerspruch zu neueren Ansätzen wie
z.B. Lean Management oder Business Reengineering (Jackson & Ashton, 1994)
• Aufgrund des Marketing-Effektes nach Außen und der zweifelhaften Effizienz nach
innen hat die ISO-9000 Norm in vielen Fällen die Funktion einer
Legitimationsfassade, die im Arbeitsalltag entkoppelt von den zentralen Prozessen
ihr Eigenleben führt.
• Nicht zuletzt aufgrund des vorherigen Punktes stößt die ISO-9000 bei Mitarbeitern
oft auf wenig Akzeptanz. Sie wird als lästiges Ritual, als Showeffekt abgelehnt, und
als verschleierte Form der Kontrolle von Arbeitsprozessen durch das Management
interpretiert. Das ISO-9000 Handbuch wird als Werbebroschüre ohne
Informationsgehalt und faktische Konsequenzen belächelt.
Angesichts dieser massiven Kritikpunkte wurde 1990 erneut ein Komitee (Vision 2000)
gegründet, um die Normreihe einer Revision zu unterwerfen. Geplant ist ein sukzessives
Updating ab dem Jahr 2000, wobei die Details noch festgelegt werden müssen.
2.2 QS 9000/VDA 6.1
Im Gegensatz zu Europa fand die ISO 9000 Norm in den USA zunächst keinen großen
Anklang. Ein wesentlicher Grund hierfür war die extreme Gefährdung der amerikanischen
Automobilindustrie durch die insbesondere auch in den USA produzierenden japanischen
Konkurrenten. Deshalb wurde in den USA von den drei größten Herstellern, nämlich
General Motors, Chrysler und Ford ein spezifischer Qualitätsstandard etabliert, die sog. QS
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9000, die von den Zulieferern in den USA, aber auch in Europa ab Ende 1994 erfüllt
werden mußte. Analog dazu wurden in Deutschland vom VDA (Verband der deutschen
Automobilhersteller) die Norm VDA 6.1 entwickelt, die in wesentlichen Punkten mit dem
QS 9000 vergleichbar ist.
Das Hauptanliegen dieser automobil-spezifischen Standards besteht darin, die Vielzahl der
Einzelauditierungen bei den Zulieferern durch die Festlegung auf einen Maßstab drastisch zu
reduzieren. Die Basis für die Erarbeitung der QS 9000 bzw. VDA 6.1 war für die
Arbeitsgruppen die ISO 9001, die jedoch im Hinblick auf die Bedingungen der
Automobilindustrie erweitert wurde.
Die einzelnen Ziele der QS 9000 und VDA 6.1 sind:
• Dokumentation, daß das Qualitätsmanagementsystem des jeweiligen Zulieferers
funktionsfähig ist.
• Die Ausrichtung ist auf den Kunden bezogen.
• Senkung der Qualitätskosten der Zulieferer (z.B. durch Senkung der Mehrfachaudits,
Prävention von Fehlern).
Vergleicht man die QS 9000 und VDA 6.1 mit der ISO 9000-Norm, so ergeben sich einige
markante Unterschiede:
• Die QS 9000 und VDA 6.1 behandeln die Qualitätsprobleme proaktiv: Nicht (End-)
Kontrolle der Qualität, sondern Vermeidung der Entstehung von Fehlern.
• Die QS 9000 und VDA 6.1 enthalten verschiedene Instrumente der TQM-Philosophie
und fordern die Etablierung von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen und eines
fortlaufenden Benchmarking. Sie sind also nicht so statistisch orientiert wie die ISO
9000.
• Die QS 9000 und VDA 6.1 ergeben ein Produktzertifikat, nicht ein Systemzertifikat.
• Beim QS 9000-Standard und beim VDA 6.1 werden die tatsächliche Zufriedenheit der
Kunden gemessen, während bei dem ISO 9000-Zertifikat nur Voraussetzungen definiert
werden, die möglicherweise Kundenzufriedenheit mit sich bringen.
• Bei der QS 9000 und dem VDA 6.1 werden aus ethischen Gründen zur Vermeidung
von Rollenkonflikten eine Trennung der beratenden von der zertifizierenden
Institutionen verlangt.
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• Die Zertifizierung nach der QS 9000-Norm bzw. VDA 6.1 erfordert den Nachweis, daß
die Auditoren einschlägige Erfahrungen in der Automobilindustrie haben und ein
spezifisches Training absolviert haben.
Soweit die drei zur Zeit bekanntesten Qualitätsstandards, die im Sinne des
Erfüllungsparadigmas (Verbeck, 1998) jeweils als Zertifikat bescheinigen, daß spezifische
Standards erfüllt werden.
2.3 Qualitätspreise
Im Gegensatz dazu stehen die Qualitätspreise, die von ihrer Grundidee her gesehen ein
Optimierungsparadigma repräsentieren. Es geht nicht mehr allein um die Erfüllung von
Mindestanforderungen, sondern sie sollen dazu animieren, ein vorhandenes Qualitätssystem
im Sinne der TQM-Philosophie kontinuierlich zu optimieren. Die Ansprüche sind von daher
wesentlich höher.
Der Europäische Qualitätspreis wurde in Anlehnung an den einige Jahre zuvor in den USA
ins Leben gerufenen Qualitätspreis entwickelt, auf welchen daher zunächst kurz
eingegangen werden soll.
In den USA wurde von diesen Optimierungsansätzen vor allem der Malcolm Baldrige
National Quality Award (MBNQA) bekannt. Verschiedene wirtschaftliche und politische
Institutionen initiierten in den 80er Jahren angesichts der wirtschaftlichen Krisensymptome
die Verleihung eines amerikanischen Qualitätspreises in Anlehnung an den japanischen
Dewing Price.
Der Vorschlag eines eigens gegründeten Komitees wurde 1987 vom amerikanischen
Kongreß nach eingehender Diskussion angenommen und nach dem kurz zuvor verstorbenen
Promotor, nämlich Malcolm Baldrige, benannt.
Mit der Schaffung dieses jährlich vom Präsidenten der USA überreichten Qualitätspreises
sollte insgesamt die Sensibilität für Qualität in den Unternehmen und in der Öffentlichkeit in
den USA gefördert werden (Verbeck, 1998). Durch die Auszeichnung sollte die
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Qualitätsstrategie erfolgreicher Unternehmen nicht nur öffentlich anerkannt, sondern vor
allem auch transparent und damit für andere Unternehmen nutzbar gemacht werden.
Bei der Bewertung einzelner Unternehmen anhand der Kriterien des MBNQA geht die
„Philosophie“ dieses Preises davon aus, daß Qualität nur dann produziert werden kann,
• wenn die Mitarbeiter in Qualitätsfragen involviert werden,
• wenn statistische Prozeßregelungsstrategien praktiziert werden.
Voraussetzung hierfür ist eine fundamental andere Arbeits- und Organisationsstruktur, die
primär auf die Kundenwünsche ausgerichtet ist. M.a.W.: Nur eine Organisation, die im
Sinne des TQM strukturiert ist und auch funktioniert, erfüllt die Anforderungen des
MBNQA. Folglich stehen bei der Begutachtung der Produktions- oder
Dienstleistungsunternehmen folgende Aspekte im Vordergrund: Analyse des
Qualitätsmanagementsystems, der internen und externen Kommunikationsinstrumente und
der qualitätsbezogenen Ausbildung. Der Bewertungsprozeß als solcher sieht so aus, daß
jeweils die einzelnen Punkte, wobei zwischen Methoden und Ergebnisvariablen differenziert
wird, von unabhängigen Experten vor Ort und in gewichteter Form bewertet werden.
Wichtig ist dabei, daß im Verlauf von mehreren Jahren ein Trend hin zu Qualität
nachgewiesen wird, und daß dieser Prozeß möglichst einem Benchmarking unterzogen
wird.
In Europa wurde wie erwähnt wenige Jahre später in Anlehnung an den MBNQA ein
internationaler Qualitätspreis ins Leben gerufen, nämlich der sog. European Quality Award
(EQA). Im Jahre 1988 gründeten 10 europäische Unternehmen die European Foundation
for Quality Management (EFQM), der inzwischen über 500 Organisationen beigetreten
sind. Und dieser Verband vergibt seit 1992, unterstützt von der Europäischen Kommission,
jährlich den EQA.
Die Zielsetzung entspricht im großen und ganzen der des MBNQA: Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit europäischer Firmen durch Realisierung der TQM-Philosophie,
Sensibilisierung der Öffentlichkeit für diese Aspekte und Unterstützung der Unternehmen
durch entsprechende flankierende Maßnahmen. Hierzu zählen z.B. Schulungsmaßnahmen
für Prüfer, Publikationen von Trainingshandbüchern, Broschüren zur Selbstbewertung
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u.v.m. Der EQA basiert auf dem Europäischen Modell für Qualitätsmanagement (vgl.
Abbildung 1).
Abbildung 1: Europäisches Modell für Qualitätsmanagement der EFQM.
Ähnlich wie beim MBNQA wird zwischen den sog. Befähiger und den Ergebnissen
differenziert. Anhand der 9 Bewertungskategorien werden die Unternehmen bewertet,
wobei die einzelnen Kriterien ebenfalls unterschiedlich gewichtet werden. Entscheidend ist
jeweils der Nachweis im Hinblick darauf, was pro Kriterium konkret gemacht wurde,
welche kontinuierlichen Maßnahmen zur Verbesserung getroffen wurden, wie die
Veränderungen u.a. unter Beachtung von Benchmarking gemessen und dokumentiert
werden.
Insgesamt betrachtet unterscheiden sich der EQA von MBNQA trotz der weitgehenden
Ähnlichkeit von der Grundidee in folgenden Punkten (Verbeck, 1998):
• Die Freiheitsgrade bei der Realisierung des jeweiligen Qualitätsmodells sind beim EQA
größer. Beim MBNQA wird rigider vorgeschrieben, was in einer Organisation im
einzelnen gemacht werden muß, der Prozeß muß stärker systematisiert sein.
Auswirkungen auf die Gesellschaft
60 Punkte(6%)
Mitarbeiter-orientierung90 Punkte
(9%)
Unternehmens-politik/-strategie
80 Punkte(8%)
Ressourcen-einsatz
90 Punkte(9%)
Mitarbeiter-zufriedenheit
90 Punkte(9%)
Kunden-zufriedenheit200 Punkte
(20%)
Führungs-verhalten100 Punkte
(10%)
Prozesse140 Punkte
(14%)
Geschäfts-erfolge
150 Punkte(15%)
Befähiger/Maßnahmen Ergebnisse
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• Daher liegt der Schwerpunkt des EQA eher bei den Ergebnissen als bei der Methodik
bzw. den Befähigervariablen. Speziell die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit werden
beim EQA als Ergebnisvariablen stärker bewertet.
• Benchmarking wird im Gegensatz zum amerikanischen Modell nur dort gefordert, wo
dieses Vorgehen sinnvoll ist.
Mit dieser Ausrichtung auf die Ergebnisse und die höhere Flexibilität bei der Ausgestaltung
der Prozesse ermöglicht der EQA in besonderer Weise ein für Europa einheitliches
Grundmodell, in welchem aber den Spezifika der europäischen und internationalen Länder
bei der Umsetzung in den Unternehmungen Rechnung getragen werden kann.
Vergleicht man zusammenfassend die für Europa relevanten ISO 9000, QS 9000 und VDA
6.1 Standards mit dem EQA, so lassen sich die wesentlichen Unterschiede wie folgt
aufführen:
• Die ISO 9000, QS 9000 und VDA 6.1 Registrierung berücksichtigt jeweils nur einen
Teil der EQA-Kriterien (Reimann, 1993)
• Die Standards betonen die schriftliche Dokumentation und damit die Fixierung aller
Aktivitäten, während der EQA die höhere Flexibilität auf wechselnde Kundenwünsche
im Auge hat. Insofern sind die Standards tendenziell eher innovationshemmend.
• Die ISO 9000 bewertet die Prozesse, die zur Qualität führen, die QS 9000 und VDA 6.1
betrachten zusätzlich die daraus resultierenden Ergebnisse. Beim EQA wird dagegen die
gesamte Ausrichtung der Organisation auf das TQM-Ziel hin begutachtet.
• Nur beim EQA wird die tatsächliche Kundenzufriedenheit gemessen bzw.
berücksichtigt. Bei der ISO 9000 wird der Kunde nicht berücksichtigt, bei der QS 9000
und VDA 6.1 werden lediglich erfaßt, ob die Kundenzufriedenheit Beachtung findet.
• Die Einbeziehung der Mitarbeiter spielt beim EQA eine zentrale Rolle, bei den
Ergebnisvariablen wird die Mitarbeiterzufriedenheit explizit beachtet.
• ISO 9000 und QS 9000 bzw. VDA 6.1 spiegeln typische top-down Ansätze wider,
während der EQA eher eine bottom-up Strategie im Sinne der Organisations-
Entwicklungs-Philosophie darstellt.
Fazit: Insgesamt betrachtet dürften die Ausführungen gezeigt haben, worin die Unterschiede
zwischen den Standards und den Awards liegen: In der Normreihe ISO 9000 und dem QS
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9000 bzw. VDA 6.1 Standards werden die wichtigen notwendigen Voraussetzungen an ein
Qualitätsmanagementsystem festgeschrieben. Es wird überprüft, ob diese Kriterien erfüllt
werden könnten (ISO 9000) oder teilweise auch erfüllt werden (QS 9000, VDA 6.1).
Beim EQA wird bewertet, ob eine flexible kundenorientierte TQM-Philosophie in der
gesamten Organisation implementiert wurde, ob der Qualitätsgedanke von den Mitarbeitern
internalisiert wurde und ob sich entsprechende Ergebnisse auch objektiv im
Längsschnittvergleich nachweisen lassen.
Nach der Charakterisierung der verschiedenen Qualitätsstandards und –preise, die mit
grundlegenden Veränderungen in den Organisationsstrukturen, aber gerade auch in der
Organisationskultur einhergehen, wenden wir uns im folgenden der Frage zu, welche
Aufgaben bzw. Herausforderungen für das Personalmanagement hiermit verbunden sind.
Dabei konzentrieren wir uns auf den zuletzt diskutierten Ansatz der EFQM und den
Wettbewerb um den EQA.
3 Aufgaben des Personalmanagements im Rahmen des EQA
Vor dem Hintergrund des dargestellten EFQM-Modells (vgl. Abb. 1) liegen auf den ersten
Blick zwei Themen auf der Maßnahmenseite nahe, für welche primär das
Personalmanagement als zuständig angesehen werden kann - nämlich die Führung und die
Mitarbeiterorientierung - was sich dann in der Mitarbeiterzufriedenheit auf der Ergebnisseite
niederschlägt. Allerdings würde eine Reduktion der Betrachtung auf diese Kriterien erstens
die zentrale Bedeutung einer ganzheitlichen Qualitätsphilosophie und zweitens die eingangs
erwähnte Implementationsproblematik vernachlässigen. So stellen beispielsweise die
Vermittlung einer höheren Kundenorientierung und ihre Anerkennung in entsprechenden
Beurteilungssystemen genuine Personalmanagementaufgaben dar. Die Ausrichtung und
Umsetzung des Qualitätsmanagements am Europäischen Qualitätsmodell, welches dann die
Grundlage für die Bewerbung um den EQA bildet, bedarf einer geeigneten Imple-
mentationsstrategie, deren Entwicklung und Umsetzung als eine zentrale Aufgabe des
Personalmanagements anzusehen ist. Damit lassen sich drei Hauptaufgabenfelder des Perso-
nalmanagements festhalten:
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1. Aufgaben im Rahmen der Implementation des Europäischen Qualitätsmodells, welche
sich sowohl auf die Philosophie als auch auf die konkreten Instrumente beziehen.
2. Aufgaben des Personalmanagements im engeren Sinne, welche die Ausrichtung und
Umsetzung der personalwirtschaftlichen Instrumente im Sinne aller EQA-Kriterien, nicht
nur der Mitarbeiterorientierung und -zufriedenheit, betreffen.
3. Aufgaben des Personalmanagements im weiteren Sinne, welche die Führungsaufgaben
des Qualitätsmanagements bzw. das Qualitätsmanagement als Führungsaufgabe
umfassen.
An den dritten Punkt schließt sich unmittelbar eine weitere Grundsatzfrage an: Wer nimmt
die Aufgaben des Personalmanagements wahr bzw. wer sollte sie im Sinne des EFQM-
Modells bzw. einer ganzheitlichen Qualitätsphilosophie wahrnehmen? Bevor auf die drei
angeführten Hauptaufgabenfelder eingegangen wird, soll daher im nächsten Abschnitt
zunächst diese Frage nach der Zuständigkeit für das Personalmanagement und die damit
verbundene Problematik diskutiert werden.
3.1 Träger des Personalmanagements
Die Frage, wer Personalaufgaben eigentlich wahrnehmen sollte, läßt sich angesichts der
allgemeinen Diskussionen um die Dezentralisierung der Personalfunktionen, die seit
längerem mit Blick auf die neuen Organisationsformen und veränderten
Führungsanforderungen in Unternehmen geführt wird (vgl. Gaugler & Oechsler, 1997;
Kienbaum, 1994; Marr, 1989), relativ schnell beantworten. Eine ganzheitliche,
qualitätsorientierte Mitarbeiterführung läßt sich nur dann realisieren bzw. dezentral selbst
regulieren, wenn die jeweiligen Führungskräfte nicht nur einen Teil der Personalfunktionen,
sondern das Personalmanagement für ihren Verantwortungsbereich insgesamt übernehmen.
Der zentralen Personalabteilung käme dann die Aufgabe eines Servicebereichs zu, d.h. die
Führungskräfte durch entsprechende Dienstleistungen zu unterstützen.
Für die bisherigen Personalabteilungen folgt hieraus überspitzt formuliert, daß sie die Imple-
mentation des TQM-Konzepts durch Informations-, Qualifizierungs- und Beteiligungsstrate-
gien fördern sollen, gleichzeitig in diesem Implementationsprozeß aber ihre eigenen
Personalkompetenzen nicht nur an die Führungskräfte weitgehend abgeben, sondern sie
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hierfür auch qualifizieren sollen und zumeist erst noch überzeugen müssen, um ihnen dann
in Zukunft „nur noch zu dienen“, wobei sie dann noch mit externen Anbietern konkurrieren
müssen. Hinzu kommt im Implementationsprozeß von TQM, auch wenn die
Dezentralisierung von Personalfunktionen bereits stattgefunden hat, daß im Zuge der
Effizienzprüfungen die Qualität der bisherigen Personalabteilungen hinterfragt wird. Zwei
häufig anzutreffende Defizite seien hervorgehoben:
1. Personalabteilungen arbeiten bislang kaum nach Kriterien der Qualitäts- und (internen)
Kundenorientierung. Hierin unterscheiden sie sich zwar nicht von anderen traditionell
indirekten Bereichen, jedoch von den direkten Bereichen der Wertschöpfungskette - von
ihren primären Kunden, denen man nun Qualitätsmanagement vermitteln will.
Wenngleich die produktiven Bereiche ebenso noch erheblichen Entwicklungsbedarf
aufweisen und zumeist noch ein eher technisches Qualitätsverständnis beherzigen, so
haben sie jedoch vergleichsweise früher mit der Einführung von Qualitätsstandards in
ihrem Bereich begonnen. Dies führt teilweise zu erheblichen Akzeptanzproblemen, weil
Qualitätsphilosophien vom Personalbereich propagiert werden, die sie selbst (noch) nicht
leben.
2. Personalabteilungen verfügen häufig über zu wenig Erfahrungen im strategischen
Bereich, da sie in der Vergangenheit zumeist mit administrativen Aufgaben betraut
waren. Dies gilt auch für weite Bereiche der Personalentwicklung, wo neben der
Administration und Organisation für die Konzeption und Durchführung von Trainings
und Workshops mehr oder weniger kompetente Berater und Trainer eingekauft wurden.
Die kompetente Wahrnehmung von strategischen Aufgaben des Personalmanagements -
sozusagen als Dienstleistung für das Top Management - stellt aber die eigentliche,
zukünftige Existenzberechtigung für interne, zentrale Personalabteilungen dar. Und im
Rahmen von TQM bedeuten diese strategischen Aufgaben, nicht nur das Management
mit Blick auf zukünftige Anforderungen zu beraten und zu unterstützen, sondern
gegebenenfalls auch als Korrektiv in diesem Prozeß zu wirken. Dies setzt aber einen
eigenen ethisch-normativen Standort des Personalmanagements voraus, der bislang bei
der Administration von Personalaufgaben nicht gefordert war bzw. nicht entwickelt
wurde.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß viele Personalabteilungen im Zuge der
TQM-Einführung mit der Entwicklungsarbeit im eigenen Bereich beginnen müßten.
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Auf der anderen Seite stehen die Führungskräfte, welche wie oben erwähnt für die
Wahrnehmung der verschiedenen Personalaufgaben nicht nur qualifiziert, sondern häufig
erst von der Dezentralisierung dieser Funktionen und insbesondere vom Nutzen eines
mitarbeiterorientierten Personalmanagements - bis hin zum Führungsverständnis, „den
Mitarbeiter (zumindest auch) als eigenen Kunden“ zu betrachten - überzeugt werden
müssen. Abgesehen davon, daß ein Führungswandel zu einer höheren
Mitarbeiterorientierung und aktiven, unterstützenden Personalführung seit langem in den
Unternehmen angestrebt wird, aber noch lange nicht bei allen Führungskräften erreicht
werden konnte, wird diese Problematik im Zuge der Einführung von TQM und
insbesondere durch die Bewertungsansätze im EFQM-Modell noch verschärft.
Hervorzuheben sind zwei Punkte:
1. Im Zuge der Übertragung der Gesamtverantwortlichkeit müssen die Führungskräfte zwi-
schen den verschiedenen Kriterien abwägen, die alle in ihre eigene Bewertung einfließen.
Sicherlich sind Mitarbeiterorientierung und -zufriedenheit hierunter zu finden, aber
letztlich als separate Kriterien, doch Qualität kann nur mit den Mitarbeitern erreicht
werden, so daß das Modell diese ganzheitliche Betrachtung zumindest nicht auf den
ersten Blick nahe legt, wenngleich sich mitarbeiterorientierte Kriterien auch als
Unterpunkte anderer Hauptkriterien finden. Bezogen auf die Dezentralisierung von
Personalfunktionen bedeutet das ganz konkret z.B., daß zwischen
Personalentwicklungsmaßnahmen, die inzwischen zu Lasten der eigenen Kostenstelle
gehen, und der Anschaffung einer neuen Software zu entscheiden ist. Angesichts des
immer noch vorherrschenden technischen Denkens dürfte im Zweifelsfall die
Entscheidung für die Software fallen. Kurzfristig betrachtet mag dies dann sogar die
„richtige“ Entscheidung gewesen sein, die sogar mit einer höheren Mitarbeiter-
zufriedenheit bezüglich der Arbeitsmittel einher geht, aber wie sieht es mit der mittel-
bzw. längerfristigen Entwicklung aus. Dieser Aspekt betrifft nicht nur das
Personalmanagement, sondern insgesamt die Problematik einer zu starren Orientierung
am EFQM-Modell, worauf im nächsten Abschnitt zu Implementationsstrategien
zurückgekommen wird.
2. Die Bewertungsansätze stellen aber nicht nur die Grundlage für
Führungsentscheidungen, sondern auch für die Selbst- und Fremdbewertung der
Führungskräfte dar. Konnte man bislang Führungskräfte nicht von der Notwendigkeit
einer höheren Mitarbeiterorientierung überzeugen, so tritt mit dem EFQM-Modell hinzu,
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daß sich die Führungskräfte hinsichtlich ihrer Führungsleistungen zusätzlich der
Bewertung durch ihre Mitarbeiter und Kunden stellen müssen. Die „erlebte Bedrohung“,
die damit für die Führungskräfte einher geht, ist offensichtlich. Greifen wir die obige
Entscheidungssituation auf, dann könnte dies dazu führen,
Personalentwicklungsmaßnahmen - wie häufig auch in der Vergangenheit - quasi als
Incentiv zu bewilligen, um bessere Ergebnisse bei der Mitarbeiterzufriedenheit zu
erzielen. Zudem gibt es „unliebsame“ Personalentscheidungen, zumindest deren
Vollstreckung konnte früher an die Personalabteilung delegiert werden.
Bezogen auf die Dezentralisierung von Personalmanagementfunktionen und ihrer Wahrneh-
mung im Sinne eines TQM kann festgehalten werden, daß die Führungskräfte vor Ort - aus
ihrer Sicht mit guten Gründen - wenig Interesse an ihrer Übernahme haben und die
verschiedenen Bewertungsansätze im EFQM-Ansatz dem angestrebten Führungswandel
durchaus auch entgegen stehen können, zumindest aber häufig als ein weiteres
Akzeptanzhemmnis auf Seiten der Führungskräfte anzusehen sind. Insofern gilt es im
Rahmen der Implementation dieser besonderen Situation der Führungskräfte Rechnung zu
tragen.
Abschließend sei zur Frage, wer welche Personalmanagementaufgabe zukünftig
wahrnehmen sollte, für größere Unternehmen bzw. Unternehmen mit mehreren Standorten
angeführt, daß entsprechend der vorangegangenen Argumentation die erforderliche
Dezentralisierung auch auf die Organisation der Personalabteilung selbst zutrifft. Die
Hauptzentrale wird sich dann als Dienstleister für die dezentralen Personalabteilungen
verstehen müssen.
Insbesondere mit Blick auf europaweit agierende bzw. ansässige Unternehmen bietet die
Orientierung am EFQM, welches sich wie oben angeführt durch höhere Freiheitsgrade in
der Ausgestaltung der Instrumente und Prozesse auszeichnet, eine geeignete Basis für ein
strategisch, ergebnisorientiert einheitliches und gleichzeitig operativ, instrumentell
differenziertes Qualitätsmanagement. Die damit gebotene Möglichkeit, länderspezifische
Bedingungen und insbesondere kulturelle Unterschiede in Europa zu berücksichtigen, stellt
gerade für das Personalmanagement eine unabdingbare Voraussetzung dar.
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Ohne im einzelnen auf die Umsetzungsprobleme zwischen den verschiedenen
Personalabteilungen einzugehen, ist als strategische Herausforderung für die Zentrale die
länderübergreifende Ausrichtung des Personalmanagements hervorzuheben. Diese sollte
ausschließlich ergebnisorientiert erfolgen, d.h. ohne durch zentrale Vorgaben und
standardisierte Instrumente einem länderspezifischen Personalmanagement
entgegenzuwirken. Vielmehr sollte sie aktiv die differenzierte Ausgestaltung fördern, um
über kulturspezifische Managementansätze insgesamt zu einem besseren Qualitätsergebnis
zu gelangen.
An einzelnen Stellen werden wir im folgenden auf die Besonderheiten länderübergreifender
Personalfunktionen hinweisen. Generell gelten die nachfolgenden Überlegungen und
Problembereiche national wie international gleichermaßen, wenn man bedenkt, daß
kulturspezifische Unterschiede bereits zwischen einer Niederlassung in Hamburg oder in
München anzunehmen sind.
3.2 Strategien zur Implementation des EFQM-Modells
Nachdem die Probleme und Strategien zur Implementation von neuen
Managementkonzepten in der Literatur bereits ausführlich diskutiert werden (z.B. Reiß,
Rosenstiel & Lanz, 1997; Stieler-Lorenz, 1997, Bungard 1995), wollen wir uns auf einige
spezifische Punkte konzentrieren, die bei der Umsetzung des EFQM-Modells von
besonderer Bedeutung sind:
1. Als geschlossenes, formalisiertes Modell verleitet das EFQM-Modell gerade dazu, es im
Sinne einer Checkliste anzuwenden (vgl. Wunderer, 1995), wodurch dann ähnlich wie bei
den klassischen Qualitätsregelwerken im Sinne der ISO 9000 ff. die Gefahr besteht, daß
sie der eigentlichen Umsetzung einer Qualitätsphilosophie und der dynamischen Überprü-
fung des Qualitätsmanagements einschließlich der relevanten Kriterien entgegenwirken.
2. Der Prozeß der Qualitätsverbesserung stellt einen zentralen TQM-Aspekt dar, welcher
aber im EFQM-Modell nicht in der Ausführlichkeit dargestellt wird, wie z.B. die
Kriterien und die Messung als Grundlagen für das datengestützte Controlling der
Prozesse und Ergebnisse. Was passiert zwischen den Meßzeitpunkten, wie sind die
Ergebnisse zu interpretieren und wie werden bessere Ergebnisse erzielt?
Mannheimer Beiträge 2/98 17
3. Zudem suggeriert das EFQM-Modell, daß sich durch die Orientierung an diesem Modell
die Widersprüche und Konflikte, die zwischen verschiedenen Kriterien und Instrumenten,
aber vor allem auch zwischen verschiedenen Interessengruppen sowie im Zuge des
permanenten Verbesserungsprozesses bestehen, im Hinblick auf die Ergebniskriterien
auflösen ließen.
4. Schließlich ist hervorzuheben, daß die quantitative Ausrichtung in betrieblichen Abstim-
mungsprozessen bei der Selbstbewertung und Zielvereinbarung dazu verleitet, daß über
Zahlen statt über Inhalte diskutiert wird, was häufig bereits in den angebotenen Trainings
zu beobachten ist (vgl. auch Zink, 1997).
Als spezifische Anforderungen an das Personalmanagement folgt aus diesen Punkten, daß
sie im Rahmen der Informations-, Qualifizierungs- und Beteiligungsstrategien zur
Implementation des EFQM-Modells diesen Gefahren entgegenwirken müssen. Konkret
bedeutet dies, daß sie bei allen Maßnahmen und Schritten den Fokus auf die inhaltlichen
Aspekte legen müssen. So geht es im ersten Schritt eben nicht darum, wie die Daten
erhoben und die Selbstbewertung zu den Kriterien durchgeführt werden kann, sondern
welche Bedeutung diese Kriterien für das Qualitätsmanagement des jeweiligen
Unternehmens sowie gegebenenfalls für die einzelnen Niederlassungen in den verschiedenen
Ländern haben. Und schon gar nicht kann es darum gehen, wie man am schnellsten die
Voraussetzungen für eine Bewerbung um den EQA schaffen kann, sondern wie man auf der
Basis eines ganzheitlichen Controllingansatzes Qualitätsverbesserungen auf Dauer erzielen
kann (vgl. auch Wunderer, Gerig & Hauser, 1997).
Weiterhin wird es, gerade weil sich zur Ableitung und Umsetzung von
Qualitätsverbesserungen vergleichsweise wenig Hinweise in den Unterlagen der EFQM
finden, darauf angekommen, durch Instrumente der Personal- und
Organisationsentwicklung die Kompetenzen partizipativer Problemlösungsprozesse im
Anschluß bzw. auf der Basis der Selbstbewertungen im Unternehmen zu fördern.
Über die Ausgestaltung und Unterstützung typischer Implementationsmaßnahmen zum
EFQM-Modell (Workshops, Qualitätszirkel, Schulungen etc.) hinaus könnte es gerade die
Aufgabe des Personalmanagements sein, neben der Rolle eines Prozeßförderers gleichzeitig
die Rolle des „advocatus diaboli“ im Implementationsprozeß zu übernehmen, d.h. die
Walter Bungard & Ingela Jöns 18
Umsetzungsschritte immer wieder im Hinblick auf die eigentlichen Qualitätsziele bzw.
angestrebten Verbesserungsprozesse zu hinterfragen.
Zusammenfassend kommt der Personalabteilung abgesehen von jenen Implementations-
aufgaben, für welche sie selbst als fachkompetent zeichnet, die Funktion des
Prozeßmoderators zu, während die Implementation selbst in der Verantwortung des
Linienmanagements liegt. Diese Funktion wird sie allerdings auch dann nicht verlieren,
wenn die ersten Selbstbewertungs- und Verbesserungsprozesse gelaufen sind, denn letztlich
ist es das Ziel der Implementation eines TQM nach dem EFQM-Modell, im Unternehmen
einen permanenten, datengestützten Verbesserungsprozeß zu etablieren. Bevor auf diese
strategischen Aufgaben des Personalmanagements eingegangen wird, soll zunächst auf die
Aufgaben im engeren Sinne, auf die Entwicklung qualitätsorientierter Instrumente des
Personalmanagements eingegangen werden.
3.3 Entwicklung qualitätsorientierter Instrumente des Personalmanagements
Im Grunde geht es bei der Entwicklung qualitätsorientierter Instrumente des
Personalmanagements darum, das EFQM-Modell bzw. die EQA-Kriterien auf das
Personalmanagement selbst anzuwenden (vgl. auch Kolb & Bergmann, 1997; Wunderer,
Gerig & Hauser, 1997). Dabei fordert das EFQM-Modell grundsätzlich keine bestimmten,
und d.h. auch keine europaweit einheitlichen, oder neuen Instrumente des
Personalmanagements. Vielmehr resultiert der Handlungsbedarf aus folgenden Punkten:
1. Aus den oben angesprochenen Defizite der bisherigen Personalarbeit folgt, daß im ersten
Schritt die Fragen, wer sind unsere Kunden und was benötigen unsere Kunden,
aufzuarbeiten sind, um dann gemeinsam mit den Kunden - d.h. dem Linienmanagement
und den Mitarbeitern an der Basis - geeignete Problemlösungen zu erarbeiten.
2. Je nach Stand der personalwirtschaftlichen Instrumente im Unternehmen wird es im
Sinne der strategischen Ausrichtung des Personalmanagements erforderlich sein, die
einzelnen Ansätze und Instrumente in eine Gesamtkonzeption zu überführen. In der
Praxis trifft man häufig auf ein „Sammelsurium“ von Instrumenten, die isoliert
voneinander - zumeist aus aktuellem Anlaß heraus - entwickelt wurden, die aber nicht
aufeinander abgestimmt sind. Typische Beispiele sind die fehlende Anpassung von
Beurteilungsinstrumenten für die jeweiligen Führungskräfte im Zuge der Einführung von
Mannheimer Beiträge 2/98 19
Gruppenarbeit. So werden zwar die Instrumente für die Gruppenmitglieder selbst, wenn
auch erst mit einiger zeitlicher Verzögerung, im Hinblick auf die Anforderungen der
Teamarbeit überarbeitet, während z.B. Kriterien zur Förderung der Teamarbeit selten
explizit in die Beurteilung von Führungskräften aufgenommen werden.
3. Hieran schließt sich der insofern neue Handlungsbedarf an, als es im Zuge der Einfüh-
rung von TQM bzw. des EFQM-Modells darauf ankommt, das Personalmanagement
inhaltlich auf die Qualitätsstrategie abzustimmen. Konkret bedeutet dies, daß die
Kriterien, die Gegenstand der Selbstbewertung bilden, sich in den verschiedenen
Instrumenten wiederfinden müssen.
Ein zentrales personalwirtschaftliches Instrument stellen Zielvereinbarungsprozesse dar, für
welche die Personalabteilungen im allgemeinen Leitfäden und Rahmenkriterien zur
Verfügung stellen, um die Führungskräfte bei ihrem Vorgehen zu unterstützen, aber auch
um ein koordiniertes bzw. einheitliches Vorgehen im Unternehmen sicherzustellen. Die
Instrumente zur Zielvereinbarung sind nun nach den Kriterien des EFQM-Modells - bzw.
ihrer unternehmens- und länderspezifischen Übersetzung - zu überarbeiten. Die Prozesse der
Selbstbewertung sind zeitlich und inhaltlich in die Zielvereinbarungsprozesse zu integrieren,
um eine parallele, von einander isolierte Etablierung beider Prozesse zu vermeiden bzw. die
Integration der Qualitätsverbesserung in das allgemeine Management sicherzustellen.
Entsprechende Konsequenzen lassen sich für fast alle Instrumente ableiten. Hervorzuheben
sind Instrumente der Auswahl und Beurteilung bis hin zu den verschiedenen Förderungs-
und Anreizsystemen. So einfach dies angesichts der ausdifferenzierten Kriterienkataloge des
EFQM klingen mag, so schwierig gestaltet sich dies in der Praxis: Was bedeutet
„Kundenorientierung“ als Beurteilungskriterium für Produktionsmitarbeiter und welche
Gewichtung erfährt dieses Kriterium gegenüber der „Teamorientierung“? Und schließlich
müssen diese Kriterien auch vor Ort verstanden werden.
Unter diesem Aspekt ließen sich zudem alle Instrumente des Personalcontrollings im
weiteren Sinne anführen, ganz abgesehen vom Controlling der Arbeit der Personalabteilung
an sich. Neben der Erfassung von personalwirtschaftlichen Kennzahlen (z.B. Fehlzeiten,
Überstunden etc.) zählen hierzu insbesondere Mitarbeiterbefragungen (Bungard & Jöns,
1997), die traditionell in den Aufgabenbereich von Personalabteilungen fallen. Die Konzep-
Walter Bungard & Ingela Jöns 20
tion von Mitarbeiterbefragungen, wenn sie als Instrument des Qualitätsmanagements bzw.
eines datengestützten Change Managements eingesetzt werden, haben aber nur noch wenig
mit den traditionellen Befragungen zur Erfassung des Betriebsklimas oder der
Mitarbeiterzufriedenheit zu tun. Traditionell wurden Mitarbeiterumfragen von der
Personalabteilung zumeist im Auftrag der Unternehmensleitung durchgeführt, um im
günstigsten Falle anschließend die zentrale Personalarbeit auf der Basis dieser Ergebnisse zu
überdenken. Häufig allerdings blieben diese Stimmungs- und Meinungsbilder ungenutzt.
Im Rahmen des EFQM-Modells erhalten Mitarbeiterbefragungen nicht nur für das zentrale
und insbesondere dezentrale Personalmanagement, sondern insgesamt als
Controllinginstrument für das Qualitätsmanagement eine hohe Bedeutung. Demzufolge fällt
die Durchführung und Konzeption von Mitarbeiterbefragung zwar in das Aufgabengebiet
der Personalabteilungen, wobei jedoch die Hauptaufgabe in der Beratung und
Unterstützung der Führungskräfte bei der Nutzung dieses Instruments bzw. deren
Ergebnisse liegt, weshalb hierauf im nächsten Abschnitt ausführlich eingegangen werden
soll.
Bezogen auf länderübergreifende Unternehmen wird am Beispiel der Mitarbeiterbefragung
aber auch deutlich, daß sich länderspezifische Unterschiede nicht nur in der instrumentellen
Ausgestaltung niederschlagen, sondern auch in den Ergebniskriterien bzw. zumindest in
ihrer Messung und Bewertung. Es sei an dieser Stelle nur auf die Problematik bzw. auf den
Irrglauben hingewiesen, man könne Fragebögen einfach übersetzen und messe damit das
gleiche: Bereits im deutschsprachigen Raum zeigen sich Unterschiede im Antwortverhalten
von Mitarbeitern aus den alten und neuen Bundesländern (vgl. Bungard & Jöns, 1997).
3.4 Beratung und Unterstützung des Personalmanagements
Die beratende und unterstützende Funktion der Personalabteilung leitet sich zum einen
daraus ab, daß Qualität nur durch ein entsprechendes Personalmanagement erzielt werden
kann, und zum anderen aus der bezogen auf den Implementationsprozeß bereits diskutierten
Rolle der Prozeßmoderation, welche über die Personalaufgaben im engeren Sinne
hinausgeht, die aber im allgemeinen - ganz im Sinne bisheriger Aufgaben der Personal- und
Organisationsentwicklung - vom Personalbereich federführend übernommen werden kann.
Mannheimer Beiträge 2/98 21
Die Betonung liegt dabei auf „federführend“, denn Kundenorientierung und
Mitarbeiterorientierung im Sinne der Partizipation gilt es grundsätzlich auch bei allen
zentralen Personalmanagementfunktion vorzuleben.
Im Grundansatz basiert die Qualitätsverbesserung nach dem EFQM-Modell darauf, daß
anhand der Kriterien auf der Maßnahmen- und Ergebnisseite regelmäßig Selbstbewertungen
in allen Bereichen und auf allen Ebenen vorgenommen werden. Diese Selbstbewertungen
basieren dabei neben Beschreibungen der einzelnen Maßnahmen und Prozesse auf der
Dokumentation bzw. dem Nachweis der erzielten Ergebnisse. Neben
betriebswirtschaftlichen Kennzahlen spielen hier Befragungen immer dann eine zentrale
Rolle, wenn es um qualitative Merkmale und um Zufriedenheitsdaten geht. Neben externen
Kundenbefragungen und Imageanalysen, die in anderen Funktionsbereichen angesiedelt sein
können, ist wie gesagt die Mitarbeiterbefragung ein zentrales Instrument zur
kontinuierlichen Verbesserung des Personal- und Qualitätsmanagements (vgl. Bungard,
1998).
Damit aber Mitarbeiterbefragungen zu Verbesserungsprozessen führen, müssen sie im Sinne
eines Survey-Feedback-Prozesses durchgeführt werden (vgl. Bungard & Jöns, 1997). An
die eigentliche Befragung muß sich die Ergebnisrückmeldung an die Befragten und die
gemeinsame Ableitung und Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen anschließen, und
zwar auf allen Hierarchieebenen und in allen einzelnen Bereichen. Dies setzt nicht nur eine
Vollerhebung bei allen Mitarbeitern voraus, sondern vor allem auch daß die
Ergebnisauswertung möglichst für einzelne Abteilungen und Gruppen - unter Wahrung der
Anonymität - erfolgt, so daß die jeweiligen Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern anhand
der eigenen Ergebnisse Maßnahmen ableiten können.
Der Einsatz von Mitarbeiterbefragungen nach dem EFQM-Modell zur Erfassung der Mitar-
beiterzufriedenheit (von der Arbeitszufriedenheit, über die Beurteilung der Führung bis hin
zum Betriebsklima und Unternehmensimage) ist fast unentbehrlich, aber auch zu anderen
Kriterien können Mitarbeiterbefragungen ein geeignetes Instrument darstellen. Hierzu
zählen insbesondere Fragen der internen Kundenzufriedenheit, aber auch die Bewertung der
Prozesse und Strukturen aus Sicht der Mitarbeiter - sowie die Evaluation der
Veränderungsprozesse selbst. Bei der Konzeption von Mitarbeiterbefragungen sollte es
Walter Bungard & Ingela Jöns 22
nicht allein um die Erfassung der Zufriedenheit der Mitarbeiter als Kunden oder
Humanpotential des Unternehmens gehen, sondern um die Erfassung ihrer Meinungen und
Bewertungen als Experten ihres Arbeitsbereiches.
Welche Aufgaben sind nun hiermit für das zentrale Personalmanagement verbunden? Eine
erste Funktion ist die Konzeption eines einheitlichen, regelmäßig eingesetzten Fragebogens
(bzw. jeweils für die verschiedenen Länder und Kulturen), der auf die Initiierung von
dezentralen Verbesserungsprozessen ausgerichtet sein sollte. Abgesehen davon, daß man im
Regelfall zur professionellen Konzeption von Mitarbeiterbefragungen und zur
Gewährleistung der Anonymität externe Unterstützung heranziehen wird, liegt bei der
Durchführung von Mitarbeiterbefragungen die Hauptaufgabe im Prozeßmanagement sowie
in der Unterstützung und Qualifizierung der Führungskräfte, die mit den Befragungsdaten
arbeiten sollen.
Strategische Funktionen des Personalmanagements lassen sich darüber hinaus aus den
Gefahren ableiten (vgl. Jöns, 1997), die im Zusammenhang mit der Einführung von EFQM
bzw. mit der Bewerbung um den EQA bestehen:
• Mitarbeiterbefragungen werden in erster Linie zur Messung durchgeführt, weil man
Mitarbeiterzufriedenheit erfassen muß, d.h. die Überzeugung einer kontinuierlichen
Arbeit zur Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit auf der Grundlage dieser
subjektiven Befragungsdaten wird häufig von den Führungskräften vor Ort nicht geteilt.
• Mitarbeiterbefragungen werden zu Dokumentationszwecken eingesetzt, weil dies der
einfachere Weg für den Nachweis von Maßnahmen und Instrumenten ist. So werden
Mitarbeiter gefragt, ob sie an TQM-Weiterbildungsmaßnahmen bereits teilgenommen
haben, ob sie die Geschäftspolitik kennen, ob die Kunden mit den Leistungen zufrieden
sind usf. Im Einzelfall mögen diese Fragen durchaus ihre Berechtigung für die
Verbesserungsprozesse im Unternehmen haben, aber bei manchen Fragebögen in der
Praxis kommt doch der Verdacht auf, daß sich hinter mancher Frage ein EFQM-
Kriterium verbirgt, für welches man einen Nachweis bei der Selbstbewertung braucht,
ohne daß die Meinung und Zufriedenheit der Mitarbeiter wirklich interessiert bzw. von
Bedeutung ist.
• Damit eng zusammenhängend ist der Effekt, daß Mitarbeiter zu den verschiedensten
Themen und „am laufenden Band“ befragt werden. So werden MAB nach den Zeitplänen
Mannheimer Beiträge 2/98 23
der Selbstbewertung durchgeführt, um möglichst rasch die geforderten Meßzeitpunkte
nachweisen zu können. Hinzu kommen dann Befragungen im Rahmen der internen
Kundenzufriedenheit - von der Werkskantine über die Personalabteilung bis hin zur
Nachbarabteilung - und schließlich noch die Vorgesetztenbeurteilung oder das
Führungsfeedback.
• Eine besondere Problematik, die bereits kurz angesprochen wurde, resultiert aus der Tat-
sache, daß derartige Befragungsergebnisse immer auch Beurteilungen des Vorgesetzten
oder zumindest der Qualität seines Verantwortungsbereichs umfassen (Jöns, 1997).
Diese Problematik gilt allgemein bei Mitarbeiterbefragungen, aber im Zusammenhang mit
EQA-Aktivitäten werden Ansätze des internen Benchmarking diskutiert, was dann
zusätzlich einen internen Konkurrenzkampf schüren kann. Und auch Führungskräfte
höherer Ebenen neigen dann dazu, nach Schuldigen und Nestbeschmutzern statt nach den
wirklichen Problemursachen und nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen.
Aufgabe des zentralen Personalmanagements wird hier nicht nur Überzeugungs- und
Aufklärungsarbeit bei den Führungskräften im Vorfeld zu leisten und ein entsprechendes
Vorleben durch das höhere Management zu fordern, sondern diese sensiblen Prozesse sind
permanent im Auge zu behalten, denn gute Befragungsergebnisse kann man auf vielerlei
Wegen erreichen. Wenngleich hier auf die Mitarbeiterbefragungsdaten Bezug genommen
wurde, so ist offensichtlich, daß der Umgang auch mit sogenannten „harten“ Daten ähnliche
mikropolitische Prozesse auslösen dürfte, die einer Qualitätsverbesserung diametral
entgegenstehen.
Als letztes wird es bei allen Prozessen aber auch erforderlich sein, ein Controlling der Füh-
rungskräfte und Mitarbeiter im Hinblick auf ihre Leistungen für die Qualitätsverbesserung
durchzuführen, welches in letzter Instanz auch mit personellen Konsequenzen verbunden
sein wird. Die Verantwortung hierfür liegt aber beim Linienmanagement, welches
diesbezüglich von einer strategisch ausgerichteten Personalabteilung beraten wird, da
derartige Konsequenzen gerade zu Beginn der Einführung von Selbstbewertungen und
Evaluationen ein sensibles Feld darstellen. Bleiben allerdings in offensichtlichen Fällen die
Konsequenzen aus, verliert das TQM-Konzept bzw. das Management insgesamt an
Glaubwürdigkeit.
Walter Bungard & Ingela Jöns 24
4 Fazit
Wenn man die bisherigen Entwicklungen zum Qualitätsmanagement im Hinblick auf die
zukünftigen Herausforderungen resümiert, dann läßt sich zunächst festhalten, daß die
Umsetzung der TQM-Philosophie - in welcher Spielart auch immer - das zentrale Problem
der kommenden Jahre bleiben wird. Der Trend wird dabei dahin gehen, daß zunehmend im
Dienstleistungssektor die Einführung von TQM erfolgen wird. Dabei betrifft dies ebenso die
produzierenden Unternehmen, da der Dienstleitungs- oder Servicebereich im Sinne des
Angebots von kundenspezifischen Problemlösungen noch weiter steigen wird. Da im
Bereich der Forschung und Entwicklung sowie im Dienstleitungssektor das
Wettbewerbspotential der europäischen Industrieländer liegt, wird die zukünftige Stellung
europäischer Unternehmen bzw. die Zukunft Europas entscheidend davon abhängen,
inwieweit es gelingt, durch die Einführung von TQM kontinuierliche
Verbesserungsprozesse in der Wirtschaft zu installieren, welche die Wettbewerbsfähigkeit
auf Dauer sichern.
Bei diesem Einführungs- oder Veränderungsprozeß zu TQM werden sowohl Standards als
auch Selbstbewertungen im Kontext von Qualitätspreisen eine wichtige flankierende
Funktion haben. Die Qualitätsmodelle und -kriterien selbst werden auf der allgemeinen
Ebene weiterentwickelt werden, ebenso bezieht sich der Verbesserungsansatz auf die
jeweiligen Qualitätsphilosophien in den einzelnen Unternehmen und Ländern. Insgesamt läßt
sich für die weiteren Entwicklungen zu TQM feststellen, daß die Tendenz eindeutig in die
Richtung eines Optimierungsparadigmas geht, d.h. die anfänglichen Ansätze zur
Standardardisierung von Qualität werden durch dieses neue Paradigma abgelöst.
Zur Frage der Implikationen dieser Entwicklungen für den Personalbereich ist
hervorzuheben, daß sich hiermit die Chance für den Personalbereich ergibt, sich strategisch
zu positionieren. Diese strategische Chance des Personalmanagements ist dabei aus
mehreren Gründen für die Zukunft der Unternehmen sinnvoll. Erstens stellt das
Personalmanagement ein zentrales Problemfeld im Rahmen von TQM dar. Zweitens sind
Personal- und Organisationsentwicklung wichtige Aspekte in Veränderungsprozessen von
Unternehmen. Schließlich ist drittens noch anzuführen, daß die Abgabe von operativen
Aufgaben - wie in anderen Funktionsbereichen auch - eine Zunahme der Bedeutung
Mannheimer Beiträge 2/98 25
strategischer und koordinierender Aufgaben impliziert. Die Entwicklung und Verfolgung
einer Gesamtstrategie des Personalmanagements erfordert eine zentrale Verankerung bei
dezentraler Umsetzung. Daneben wird die Personalabteilung eine zentrale unterstützende
Funktion für das dezentrale Personalmanagement übernehmen müssen. Als Servicestation
wird sie vor allem Beratungsleistungen erbringen und die verschiedenen Instrumente
weiterentwickeln müssen. Als oberster Grundsatz muß für das Personalmanagement der
Zukunft gelten, die TQM-Philosophie auf sich selbst anzuwenden und mit gutem Beispiel
voranzugehen.
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