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Der European Quality Award als Herausforderung für das Personalmanagement Walter Bungard und Ingela Jöns 1 1 Zentrale Bedeutung des Qualitätsmanagements im internationalen Wettbewerb Nach dem 2. Weltkrieg herrschte in Europa zunächst lange Zeit ein typischer primär nationaler Herstellermarkt: Die Kunden waren froh, wenn sie ein benötigtes Produkt bzw. eine gewünschte Dienstleistung erhalten konnten. Die Anbieter definierten relativ autonom, welche Waren oder Leistungen unter welchen Rahmenbedingungen auf dem Markt offeriert wurden. Anfang der 60er Jahre spielte dann auch der Preis und zunehmend die Qualität eine größere Rolle, aber der Umschwung hin zu einem Verbrauchermarkt erfolgte erst Mitte der 80er Jahre im Zusammenhang mit einer explosionsartigen Zunahme des internationalen Wettbewerbs (Bungard, 1995; Pfeifer, 1993). In diesem Zusammenhang müssen sicherlich auch die Erfolge japanischer Konkurrenten auf dem amerikanischen und europäischen Markt gesehen werden. Die Situation auf einem Verbrauchermarkt ist dadurch gekennzeichnet, daß die „Machtverhältnisse“ im Unterschied zum Herstellermarkt auf den Kopf gestellt werden: Der Kunde bestimmt in erster Linie, welche Produkte bzw. Dienstleistungen nachgefragt werden und folglich angeboten werden sollten. Und damit wird die vom Kunden bewertete Qualität in Relation zum Preis zum entscheidenden Regulativ auf einem weltweiten, durch extrem verschärften Wettbewerb der Anbieter gekennzeichneten Markt. Die europäischen Anbieter von Produkten und Dienstleistungen waren auf diesen einschneidenden Wandel der Marktregulierungsmechanismen teilweise nur schlecht vorbereitet. Die ökonomischen Erfolge zu Zeiten der Herstellermärkte hatten viele Unternehmen offensichtlich für die oben beschriebenen Veränderungsprozesse „blind“ gemacht. Der über einige Jahrzehnte hinweg fehlende Wettbewerb führte zu einer

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Der European Quality Award als Herausforderung

für das PersonalmanagementWalter Bungard und Ingela Jöns1

1 Zentrale Bedeutung des Qualitätsmanagements iminternationalen Wettbewerb

Nach dem 2. Weltkrieg herrschte in Europa zunächst lange Zeit ein typischer primär

nationaler Herstellermarkt: Die Kunden waren froh, wenn sie ein benötigtes Produkt bzw.

eine gewünschte Dienstleistung erhalten konnten. Die Anbieter definierten relativ autonom,

welche Waren oder Leistungen unter welchen Rahmenbedingungen auf dem Markt offeriert

wurden. Anfang der 60er Jahre spielte dann auch der Preis und zunehmend die Qualität eine

größere Rolle, aber der Umschwung hin zu einem Verbrauchermarkt erfolgte erst Mitte der

80er Jahre im Zusammenhang mit einer explosionsartigen Zunahme des internationalen

Wettbewerbs (Bungard, 1995; Pfeifer, 1993). In diesem Zusammenhang müssen sicherlich

auch die Erfolge japanischer Konkurrenten auf dem amerikanischen und europäischen

Markt gesehen werden. Die Situation auf einem Verbrauchermarkt ist dadurch

gekennzeichnet, daß die „Machtverhältnisse“ im Unterschied zum Herstellermarkt auf den

Kopf gestellt werden: Der Kunde bestimmt in erster Linie, welche Produkte bzw.

Dienstleistungen nachgefragt werden und folglich angeboten werden sollten. Und damit

wird die vom Kunden bewertete Qualität in Relation zum Preis zum entscheidenden

Regulativ auf einem weltweiten, durch extrem verschärften Wettbewerb der Anbieter

gekennzeichneten Markt.

Die europäischen Anbieter von Produkten und Dienstleistungen waren auf diesen

einschneidenden Wandel der Marktregulierungsmechanismen teilweise nur schlecht

vorbereitet. Die ökonomischen Erfolge zu Zeiten der Herstellermärkte hatten viele

Unternehmen offensichtlich für die oben beschriebenen Veränderungsprozesse „blind“

gemacht. Der über einige Jahrzehnte hinweg fehlende Wettbewerb führte zu einer

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Walter Bungard & Ingela Jöns 2

Festzementierung der hierarchisch strukturierten, eher unflexiblen Organisationsformen, in

denen bestenfalls innerbetriebliche Prozesse optimiert und Kosten reduziert wurden, aber

der Kunde spielte nur eine marginale Rolle.

Erst durch massive wirtschaftliche Krisen in nahezu allen Branchen aufgerüttelt und

aufgrund des zum Teil dramatischen Wegbrechens ganzer Wirtschaftszweige, man denke

z.B. an die englischen Automobilfirmen, sahen sich die Verantwortlichen genötigt, von dem

hohen Sockel hinabzusteigen und den Kunden ernst zu nehmen. Es wurde sehr bald

deutlich, daß man auf einem derartigen Verbrauchermarkt langfristig nur dann existieren

kann, wenn man ein effektives Qualitätsmanagement mit oberster strategischer Priorität

etabliert. Das Gebot der Stunde bestand also darin, möglichst schnell die Philosophie bzw.

die Konzepte des Total-Quality-Managements (TQM) in Anlehnung an die Erfahrungen in

japanischen Unternehmen auch in europäischen Organisationen zu implementieren.

Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, im Detail auf den TQM-Ansatz näher

einzugehen. Für die weiteren Überlegungen sind aber folgende Punkte wichtig:

• Die Einführung eines TQM-Konzepts, in welcher Spielart auch immer, ist zwangsläufig

mit der Etablierung einer anderen Arbeits- und Organisationsstruktur verbunden (Abbau

von Hierarchieebenen, Einführung von Teamstrukturen, Matrixorganisation usw.).

• Diese neuen Strukturen funktionieren aber nur dann, wenn auch in den Köpfen der

Beteiligten ein Umdenken stattfindet. D.h. es muß auch eine neue TQM-orientierte

Organisationskultur geschaffen werden.

• Aus den zuvor genannten Punkten ergibt sich weiterhin, daß die Implementierung als

solche einschließlich der Personal- und Organisationsentwicklungsprozesse von zentraler

Bedeutung ist. Die Realisierung eines TQM-Konzepts ist mit sehr viel Zeit, Geduld,

Training, Lernprozessen und nicht zu letzt mit mikropolitischen Auseinandersetzungen

verbunden.

Die Erfahrungen in den meisten europäischen Ländern haben in den letzten Jahren eindeutig

gezeigt, daß relativ viele TQM-Projekte gerade an dieser Implementierungshürde

gescheitert sind: Man wollte offensichtlich all zu oft nach gewohntem Muster quasi über

1 Dieser Artikel wird erschienen in: E. Regnet & L. M. Hofmann (1998). Personalmanagement in Europa.

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Nacht technokratisch die „TQM-Denke“ anordnen und mechanistisch einführen, aber die

zahlreichen TQM- bzw. Reengineering-Leichen in den Kellern der Unternehmen legen ein

beredetes Zeugnis davon ab, daß die Implementierungsstrategie zum entscheidenden

Erfolgsfaktor geworden ist, wobei zunehmend die Akzeptanzsicherung bei den Mitarbeitern

im Zuge der Einführung eine dominierende Position einnimmt.

Es dürfte deutlich geworden sein, daß die existenzsichernde Einführung eines TQM-

Konzepts und die damit verbundene Implementierungsaufgabe zwangsläufig auch die

zentrale Aufgabenstellung für das Personalmanagement darstellt, da es unmittelbar deren

Funktion betrifft.

2 Zielsetzung von Qualitätsstandards und Qualitätspreisen

Der Übergang vom Hersteller- zum Verbrauchermarkt erforderte, wie im ersten Abschnitt

dargelegt, eine grundlegende Umorientierung bei der strategischen Ausrichtung des

Unternehmens. Für einen größeren Wirtschaftsraum kann es dabei ein riskantes Unterfangen

darstellen, auf die Adaptationsleistungen bzw. die Flexibilität einzelner Organisationen zu

vertrauen, um diesen Umstellungsprozeß zu bewerkstelligen und von daher hat es immer

schon Versuche gegeben, derartige Anpassungsprozesse durch geeignete

wirtschaftspolitische Instrumente oder sonstige flankierende Maßnahmen zu unterstützen.

Genau dies erwies sich sehr bald auch bei der Einführung neuer Qualitätsstrategien als eine

extrem wichtige Aufgabe.

Eine Vorreiterrolle nahm auch hier Japan ein. Dort mußten in den 50er Jahren enorme

Anstrengungen unternommen werden, um mit qualitativ hochwertigen Produkten und

Dienstleistungen auf dem amerikanischen und europäischen Markt Fuß fassen zu können.

Hierzu wurden die Ideen amerikanischer Qualitätsexperten, die in ihrem eigenen Land

damals keine Resonanz fanden, nämlich u.a. Shewardt und Dewing, aufgegriffen und

konsequent angewendet. In diesem Zusammenhang wurde in Japan ab 1952 von der Union

of Japanese Scientists and Engineers (JUSE) ein nationaler Qualitätspreis, nämlich der sog.

Deming Price, als Anreiz für japanische Unternehmen ins Leben gerufen und seitdem

jährlich verliehen (Oess, 1993).

Hogrefe Verlag.

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In den westlichen Industrienationen, also USA und Europa, versuchte man im Sinne einer

Gegenoffensive zunächst, die Qualität durch die Entwicklung allgemeingültiger

Qualitätsicherungsstandards zu fördern, später wurden dann ebenfalls Qualitätspreise ins

Leben gerufen. Wir wollen im folgenden kurz auf diese Ansätze eingehen.

2.1 Normenreiche ISO 9000

Was die Qualitätsstandards betrifft, so wurde in diesem Zusammenhang die Normenreihe

ISO 9000 bekannt. Im Jahre 1971 beauftragte die International Organization for

Standardization (ISO) ein technisches Komitee, auf den verschiedenen nationalen

Erfahrungen aufbauend einheitliche über spezifische Branchen hinaus international gültige

Qualitätsstandards zu definieren. 1987 präsentierte dieses Komitee die sog. Standardfamilie

ISO 9000 bis ISO 9004. Das Ziel besteht darin, die Bedingungen für die Schaffung guter

Qualität sicherzustellen und dies international zu normieren. Die Normenreihe enthält

deshalb eine Ansammlung von Forderungen, die die Gestaltung der formalen Struktur von

Organisationen betreffen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Systemübereinstimmung mit

den Normen, es wird nicht die Produktqualität oder die Dienstleistung als solche bewertet.

Nicht das Qualitätsmanagementsystem als solches soll genormt werden, wie oft

angenommen wurde, sondern die Normen betreffen Qualitätsmanagementsystem-

Darlegungsformen (Walgenbach, 1998). Auf der Basis dieser Normfamilie können sich

Unternehmen per Zertifikat bescheinigen lassen, daß sie im oben definierten Sinne über ein

funktionierendes Qualitätssystem verfügen.

In Europa wurde dieses Gütesiegel innerhalb kürzester Zeit allgemein akzeptiert, in

einzelnen Industriebereichen sogar zwingend vorgeschrieben, und insgesamt als geeignete

Maßnahme zur Stärkung der Wettbewerbsposition angesehen (Mendel, 1996). Das

Zertifikat entpuppte sich bald als ein erfolgreiches Marketing-Instrument, das darüber

hinaus auch intern in vielen Fällen zu einem Reflexionsprozeß über Qualität geführt hat.

Nähere Einzelheiten zum Aufbau der ISO 9000 Norm bzw. zur DIN ISO 9000, wie sie in

Deutschland bezeichnet wird, und zur Zertifizierungsprozedur finden sich bei Verbeck

(1998), Peach (1994).

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Mit der raschen Verbreitung der ISO 9000 wuchs auch die Kritik. Neben der primären

Ausrichtung auf größere Produktionsbetriebe und der hohen Kosten werden dabei vor allem

folgende Aspekte genannt (Verbeck, 1998; Keeney, 1995; Walgenbach, 1996):

• Die Zertifizierung garantiert nicht, daß die Produkte oder Dienstleistungen eine hohe

Qualität aufweisen. Der Aspekt der tatsächlichen Qualitätsverbesserung spielt keine

Rolle.

• Die Bedürfnisse der Kunden werden nicht berücksichtigt. Die Zertifizierung erfolgt

nicht aufgrund von tatsächlichen Kundenanforderungen, sondern primär als Folge

einer Orientierung an anderen Konkurrenten oder durch Anweisung der

Konzernleitung. Intrinsische Motivation liegt nur selten vor.

• Die Implikationen stehen teilweise in krassem Widerspruch zu neueren Ansätzen wie

z.B. Lean Management oder Business Reengineering (Jackson & Ashton, 1994)

• Aufgrund des Marketing-Effektes nach Außen und der zweifelhaften Effizienz nach

innen hat die ISO-9000 Norm in vielen Fällen die Funktion einer

Legitimationsfassade, die im Arbeitsalltag entkoppelt von den zentralen Prozessen

ihr Eigenleben führt.

• Nicht zuletzt aufgrund des vorherigen Punktes stößt die ISO-9000 bei Mitarbeitern

oft auf wenig Akzeptanz. Sie wird als lästiges Ritual, als Showeffekt abgelehnt, und

als verschleierte Form der Kontrolle von Arbeitsprozessen durch das Management

interpretiert. Das ISO-9000 Handbuch wird als Werbebroschüre ohne

Informationsgehalt und faktische Konsequenzen belächelt.

Angesichts dieser massiven Kritikpunkte wurde 1990 erneut ein Komitee (Vision 2000)

gegründet, um die Normreihe einer Revision zu unterwerfen. Geplant ist ein sukzessives

Updating ab dem Jahr 2000, wobei die Details noch festgelegt werden müssen.

2.2 QS 9000/VDA 6.1

Im Gegensatz zu Europa fand die ISO 9000 Norm in den USA zunächst keinen großen

Anklang. Ein wesentlicher Grund hierfür war die extreme Gefährdung der amerikanischen

Automobilindustrie durch die insbesondere auch in den USA produzierenden japanischen

Konkurrenten. Deshalb wurde in den USA von den drei größten Herstellern, nämlich

General Motors, Chrysler und Ford ein spezifischer Qualitätsstandard etabliert, die sog. QS

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9000, die von den Zulieferern in den USA, aber auch in Europa ab Ende 1994 erfüllt

werden mußte. Analog dazu wurden in Deutschland vom VDA (Verband der deutschen

Automobilhersteller) die Norm VDA 6.1 entwickelt, die in wesentlichen Punkten mit dem

QS 9000 vergleichbar ist.

Das Hauptanliegen dieser automobil-spezifischen Standards besteht darin, die Vielzahl der

Einzelauditierungen bei den Zulieferern durch die Festlegung auf einen Maßstab drastisch zu

reduzieren. Die Basis für die Erarbeitung der QS 9000 bzw. VDA 6.1 war für die

Arbeitsgruppen die ISO 9001, die jedoch im Hinblick auf die Bedingungen der

Automobilindustrie erweitert wurde.

Die einzelnen Ziele der QS 9000 und VDA 6.1 sind:

• Dokumentation, daß das Qualitätsmanagementsystem des jeweiligen Zulieferers

funktionsfähig ist.

• Die Ausrichtung ist auf den Kunden bezogen.

• Senkung der Qualitätskosten der Zulieferer (z.B. durch Senkung der Mehrfachaudits,

Prävention von Fehlern).

Vergleicht man die QS 9000 und VDA 6.1 mit der ISO 9000-Norm, so ergeben sich einige

markante Unterschiede:

• Die QS 9000 und VDA 6.1 behandeln die Qualitätsprobleme proaktiv: Nicht (End-)

Kontrolle der Qualität, sondern Vermeidung der Entstehung von Fehlern.

• Die QS 9000 und VDA 6.1 enthalten verschiedene Instrumente der TQM-Philosophie

und fordern die Etablierung von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen und eines

fortlaufenden Benchmarking. Sie sind also nicht so statistisch orientiert wie die ISO

9000.

• Die QS 9000 und VDA 6.1 ergeben ein Produktzertifikat, nicht ein Systemzertifikat.

• Beim QS 9000-Standard und beim VDA 6.1 werden die tatsächliche Zufriedenheit der

Kunden gemessen, während bei dem ISO 9000-Zertifikat nur Voraussetzungen definiert

werden, die möglicherweise Kundenzufriedenheit mit sich bringen.

• Bei der QS 9000 und dem VDA 6.1 werden aus ethischen Gründen zur Vermeidung

von Rollenkonflikten eine Trennung der beratenden von der zertifizierenden

Institutionen verlangt.

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• Die Zertifizierung nach der QS 9000-Norm bzw. VDA 6.1 erfordert den Nachweis, daß

die Auditoren einschlägige Erfahrungen in der Automobilindustrie haben und ein

spezifisches Training absolviert haben.

Soweit die drei zur Zeit bekanntesten Qualitätsstandards, die im Sinne des

Erfüllungsparadigmas (Verbeck, 1998) jeweils als Zertifikat bescheinigen, daß spezifische

Standards erfüllt werden.

2.3 Qualitätspreise

Im Gegensatz dazu stehen die Qualitätspreise, die von ihrer Grundidee her gesehen ein

Optimierungsparadigma repräsentieren. Es geht nicht mehr allein um die Erfüllung von

Mindestanforderungen, sondern sie sollen dazu animieren, ein vorhandenes Qualitätssystem

im Sinne der TQM-Philosophie kontinuierlich zu optimieren. Die Ansprüche sind von daher

wesentlich höher.

Der Europäische Qualitätspreis wurde in Anlehnung an den einige Jahre zuvor in den USA

ins Leben gerufenen Qualitätspreis entwickelt, auf welchen daher zunächst kurz

eingegangen werden soll.

In den USA wurde von diesen Optimierungsansätzen vor allem der Malcolm Baldrige

National Quality Award (MBNQA) bekannt. Verschiedene wirtschaftliche und politische

Institutionen initiierten in den 80er Jahren angesichts der wirtschaftlichen Krisensymptome

die Verleihung eines amerikanischen Qualitätspreises in Anlehnung an den japanischen

Dewing Price.

Der Vorschlag eines eigens gegründeten Komitees wurde 1987 vom amerikanischen

Kongreß nach eingehender Diskussion angenommen und nach dem kurz zuvor verstorbenen

Promotor, nämlich Malcolm Baldrige, benannt.

Mit der Schaffung dieses jährlich vom Präsidenten der USA überreichten Qualitätspreises

sollte insgesamt die Sensibilität für Qualität in den Unternehmen und in der Öffentlichkeit in

den USA gefördert werden (Verbeck, 1998). Durch die Auszeichnung sollte die

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Qualitätsstrategie erfolgreicher Unternehmen nicht nur öffentlich anerkannt, sondern vor

allem auch transparent und damit für andere Unternehmen nutzbar gemacht werden.

Bei der Bewertung einzelner Unternehmen anhand der Kriterien des MBNQA geht die

„Philosophie“ dieses Preises davon aus, daß Qualität nur dann produziert werden kann,

• wenn die Mitarbeiter in Qualitätsfragen involviert werden,

• wenn statistische Prozeßregelungsstrategien praktiziert werden.

Voraussetzung hierfür ist eine fundamental andere Arbeits- und Organisationsstruktur, die

primär auf die Kundenwünsche ausgerichtet ist. M.a.W.: Nur eine Organisation, die im

Sinne des TQM strukturiert ist und auch funktioniert, erfüllt die Anforderungen des

MBNQA. Folglich stehen bei der Begutachtung der Produktions- oder

Dienstleistungsunternehmen folgende Aspekte im Vordergrund: Analyse des

Qualitätsmanagementsystems, der internen und externen Kommunikationsinstrumente und

der qualitätsbezogenen Ausbildung. Der Bewertungsprozeß als solcher sieht so aus, daß

jeweils die einzelnen Punkte, wobei zwischen Methoden und Ergebnisvariablen differenziert

wird, von unabhängigen Experten vor Ort und in gewichteter Form bewertet werden.

Wichtig ist dabei, daß im Verlauf von mehreren Jahren ein Trend hin zu Qualität

nachgewiesen wird, und daß dieser Prozeß möglichst einem Benchmarking unterzogen

wird.

In Europa wurde wie erwähnt wenige Jahre später in Anlehnung an den MBNQA ein

internationaler Qualitätspreis ins Leben gerufen, nämlich der sog. European Quality Award

(EQA). Im Jahre 1988 gründeten 10 europäische Unternehmen die European Foundation

for Quality Management (EFQM), der inzwischen über 500 Organisationen beigetreten

sind. Und dieser Verband vergibt seit 1992, unterstützt von der Europäischen Kommission,

jährlich den EQA.

Die Zielsetzung entspricht im großen und ganzen der des MBNQA: Stärkung der

Wettbewerbsfähigkeit europäischer Firmen durch Realisierung der TQM-Philosophie,

Sensibilisierung der Öffentlichkeit für diese Aspekte und Unterstützung der Unternehmen

durch entsprechende flankierende Maßnahmen. Hierzu zählen z.B. Schulungsmaßnahmen

für Prüfer, Publikationen von Trainingshandbüchern, Broschüren zur Selbstbewertung

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u.v.m. Der EQA basiert auf dem Europäischen Modell für Qualitätsmanagement (vgl.

Abbildung 1).

Abbildung 1: Europäisches Modell für Qualitätsmanagement der EFQM.

Ähnlich wie beim MBNQA wird zwischen den sog. Befähiger und den Ergebnissen

differenziert. Anhand der 9 Bewertungskategorien werden die Unternehmen bewertet,

wobei die einzelnen Kriterien ebenfalls unterschiedlich gewichtet werden. Entscheidend ist

jeweils der Nachweis im Hinblick darauf, was pro Kriterium konkret gemacht wurde,

welche kontinuierlichen Maßnahmen zur Verbesserung getroffen wurden, wie die

Veränderungen u.a. unter Beachtung von Benchmarking gemessen und dokumentiert

werden.

Insgesamt betrachtet unterscheiden sich der EQA von MBNQA trotz der weitgehenden

Ähnlichkeit von der Grundidee in folgenden Punkten (Verbeck, 1998):

• Die Freiheitsgrade bei der Realisierung des jeweiligen Qualitätsmodells sind beim EQA

größer. Beim MBNQA wird rigider vorgeschrieben, was in einer Organisation im

einzelnen gemacht werden muß, der Prozeß muß stärker systematisiert sein.

Auswirkungen auf die Gesellschaft

60 Punkte(6%)

Mitarbeiter-orientierung90 Punkte

(9%)

Unternehmens-politik/-strategie

80 Punkte(8%)

Ressourcen-einsatz

90 Punkte(9%)

Mitarbeiter-zufriedenheit

90 Punkte(9%)

Kunden-zufriedenheit200 Punkte

(20%)

Führungs-verhalten100 Punkte

(10%)

Prozesse140 Punkte

(14%)

Geschäfts-erfolge

150 Punkte(15%)

Befähiger/Maßnahmen Ergebnisse

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• Daher liegt der Schwerpunkt des EQA eher bei den Ergebnissen als bei der Methodik

bzw. den Befähigervariablen. Speziell die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit werden

beim EQA als Ergebnisvariablen stärker bewertet.

• Benchmarking wird im Gegensatz zum amerikanischen Modell nur dort gefordert, wo

dieses Vorgehen sinnvoll ist.

Mit dieser Ausrichtung auf die Ergebnisse und die höhere Flexibilität bei der Ausgestaltung

der Prozesse ermöglicht der EQA in besonderer Weise ein für Europa einheitliches

Grundmodell, in welchem aber den Spezifika der europäischen und internationalen Länder

bei der Umsetzung in den Unternehmungen Rechnung getragen werden kann.

Vergleicht man zusammenfassend die für Europa relevanten ISO 9000, QS 9000 und VDA

6.1 Standards mit dem EQA, so lassen sich die wesentlichen Unterschiede wie folgt

aufführen:

• Die ISO 9000, QS 9000 und VDA 6.1 Registrierung berücksichtigt jeweils nur einen

Teil der EQA-Kriterien (Reimann, 1993)

• Die Standards betonen die schriftliche Dokumentation und damit die Fixierung aller

Aktivitäten, während der EQA die höhere Flexibilität auf wechselnde Kundenwünsche

im Auge hat. Insofern sind die Standards tendenziell eher innovationshemmend.

• Die ISO 9000 bewertet die Prozesse, die zur Qualität führen, die QS 9000 und VDA 6.1

betrachten zusätzlich die daraus resultierenden Ergebnisse. Beim EQA wird dagegen die

gesamte Ausrichtung der Organisation auf das TQM-Ziel hin begutachtet.

• Nur beim EQA wird die tatsächliche Kundenzufriedenheit gemessen bzw.

berücksichtigt. Bei der ISO 9000 wird der Kunde nicht berücksichtigt, bei der QS 9000

und VDA 6.1 werden lediglich erfaßt, ob die Kundenzufriedenheit Beachtung findet.

• Die Einbeziehung der Mitarbeiter spielt beim EQA eine zentrale Rolle, bei den

Ergebnisvariablen wird die Mitarbeiterzufriedenheit explizit beachtet.

• ISO 9000 und QS 9000 bzw. VDA 6.1 spiegeln typische top-down Ansätze wider,

während der EQA eher eine bottom-up Strategie im Sinne der Organisations-

Entwicklungs-Philosophie darstellt.

Fazit: Insgesamt betrachtet dürften die Ausführungen gezeigt haben, worin die Unterschiede

zwischen den Standards und den Awards liegen: In der Normreihe ISO 9000 und dem QS

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9000 bzw. VDA 6.1 Standards werden die wichtigen notwendigen Voraussetzungen an ein

Qualitätsmanagementsystem festgeschrieben. Es wird überprüft, ob diese Kriterien erfüllt

werden könnten (ISO 9000) oder teilweise auch erfüllt werden (QS 9000, VDA 6.1).

Beim EQA wird bewertet, ob eine flexible kundenorientierte TQM-Philosophie in der

gesamten Organisation implementiert wurde, ob der Qualitätsgedanke von den Mitarbeitern

internalisiert wurde und ob sich entsprechende Ergebnisse auch objektiv im

Längsschnittvergleich nachweisen lassen.

Nach der Charakterisierung der verschiedenen Qualitätsstandards und –preise, die mit

grundlegenden Veränderungen in den Organisationsstrukturen, aber gerade auch in der

Organisationskultur einhergehen, wenden wir uns im folgenden der Frage zu, welche

Aufgaben bzw. Herausforderungen für das Personalmanagement hiermit verbunden sind.

Dabei konzentrieren wir uns auf den zuletzt diskutierten Ansatz der EFQM und den

Wettbewerb um den EQA.

3 Aufgaben des Personalmanagements im Rahmen des EQA

Vor dem Hintergrund des dargestellten EFQM-Modells (vgl. Abb. 1) liegen auf den ersten

Blick zwei Themen auf der Maßnahmenseite nahe, für welche primär das

Personalmanagement als zuständig angesehen werden kann - nämlich die Führung und die

Mitarbeiterorientierung - was sich dann in der Mitarbeiterzufriedenheit auf der Ergebnisseite

niederschlägt. Allerdings würde eine Reduktion der Betrachtung auf diese Kriterien erstens

die zentrale Bedeutung einer ganzheitlichen Qualitätsphilosophie und zweitens die eingangs

erwähnte Implementationsproblematik vernachlässigen. So stellen beispielsweise die

Vermittlung einer höheren Kundenorientierung und ihre Anerkennung in entsprechenden

Beurteilungssystemen genuine Personalmanagementaufgaben dar. Die Ausrichtung und

Umsetzung des Qualitätsmanagements am Europäischen Qualitätsmodell, welches dann die

Grundlage für die Bewerbung um den EQA bildet, bedarf einer geeigneten Imple-

mentationsstrategie, deren Entwicklung und Umsetzung als eine zentrale Aufgabe des

Personalmanagements anzusehen ist. Damit lassen sich drei Hauptaufgabenfelder des Perso-

nalmanagements festhalten:

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1. Aufgaben im Rahmen der Implementation des Europäischen Qualitätsmodells, welche

sich sowohl auf die Philosophie als auch auf die konkreten Instrumente beziehen.

2. Aufgaben des Personalmanagements im engeren Sinne, welche die Ausrichtung und

Umsetzung der personalwirtschaftlichen Instrumente im Sinne aller EQA-Kriterien, nicht

nur der Mitarbeiterorientierung und -zufriedenheit, betreffen.

3. Aufgaben des Personalmanagements im weiteren Sinne, welche die Führungsaufgaben

des Qualitätsmanagements bzw. das Qualitätsmanagement als Führungsaufgabe

umfassen.

An den dritten Punkt schließt sich unmittelbar eine weitere Grundsatzfrage an: Wer nimmt

die Aufgaben des Personalmanagements wahr bzw. wer sollte sie im Sinne des EFQM-

Modells bzw. einer ganzheitlichen Qualitätsphilosophie wahrnehmen? Bevor auf die drei

angeführten Hauptaufgabenfelder eingegangen wird, soll daher im nächsten Abschnitt

zunächst diese Frage nach der Zuständigkeit für das Personalmanagement und die damit

verbundene Problematik diskutiert werden.

3.1 Träger des Personalmanagements

Die Frage, wer Personalaufgaben eigentlich wahrnehmen sollte, läßt sich angesichts der

allgemeinen Diskussionen um die Dezentralisierung der Personalfunktionen, die seit

längerem mit Blick auf die neuen Organisationsformen und veränderten

Führungsanforderungen in Unternehmen geführt wird (vgl. Gaugler & Oechsler, 1997;

Kienbaum, 1994; Marr, 1989), relativ schnell beantworten. Eine ganzheitliche,

qualitätsorientierte Mitarbeiterführung läßt sich nur dann realisieren bzw. dezentral selbst

regulieren, wenn die jeweiligen Führungskräfte nicht nur einen Teil der Personalfunktionen,

sondern das Personalmanagement für ihren Verantwortungsbereich insgesamt übernehmen.

Der zentralen Personalabteilung käme dann die Aufgabe eines Servicebereichs zu, d.h. die

Führungskräfte durch entsprechende Dienstleistungen zu unterstützen.

Für die bisherigen Personalabteilungen folgt hieraus überspitzt formuliert, daß sie die Imple-

mentation des TQM-Konzepts durch Informations-, Qualifizierungs- und Beteiligungsstrate-

gien fördern sollen, gleichzeitig in diesem Implementationsprozeß aber ihre eigenen

Personalkompetenzen nicht nur an die Führungskräfte weitgehend abgeben, sondern sie

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hierfür auch qualifizieren sollen und zumeist erst noch überzeugen müssen, um ihnen dann

in Zukunft „nur noch zu dienen“, wobei sie dann noch mit externen Anbietern konkurrieren

müssen. Hinzu kommt im Implementationsprozeß von TQM, auch wenn die

Dezentralisierung von Personalfunktionen bereits stattgefunden hat, daß im Zuge der

Effizienzprüfungen die Qualität der bisherigen Personalabteilungen hinterfragt wird. Zwei

häufig anzutreffende Defizite seien hervorgehoben:

1. Personalabteilungen arbeiten bislang kaum nach Kriterien der Qualitäts- und (internen)

Kundenorientierung. Hierin unterscheiden sie sich zwar nicht von anderen traditionell

indirekten Bereichen, jedoch von den direkten Bereichen der Wertschöpfungskette - von

ihren primären Kunden, denen man nun Qualitätsmanagement vermitteln will.

Wenngleich die produktiven Bereiche ebenso noch erheblichen Entwicklungsbedarf

aufweisen und zumeist noch ein eher technisches Qualitätsverständnis beherzigen, so

haben sie jedoch vergleichsweise früher mit der Einführung von Qualitätsstandards in

ihrem Bereich begonnen. Dies führt teilweise zu erheblichen Akzeptanzproblemen, weil

Qualitätsphilosophien vom Personalbereich propagiert werden, die sie selbst (noch) nicht

leben.

2. Personalabteilungen verfügen häufig über zu wenig Erfahrungen im strategischen

Bereich, da sie in der Vergangenheit zumeist mit administrativen Aufgaben betraut

waren. Dies gilt auch für weite Bereiche der Personalentwicklung, wo neben der

Administration und Organisation für die Konzeption und Durchführung von Trainings

und Workshops mehr oder weniger kompetente Berater und Trainer eingekauft wurden.

Die kompetente Wahrnehmung von strategischen Aufgaben des Personalmanagements -

sozusagen als Dienstleistung für das Top Management - stellt aber die eigentliche,

zukünftige Existenzberechtigung für interne, zentrale Personalabteilungen dar. Und im

Rahmen von TQM bedeuten diese strategischen Aufgaben, nicht nur das Management

mit Blick auf zukünftige Anforderungen zu beraten und zu unterstützen, sondern

gegebenenfalls auch als Korrektiv in diesem Prozeß zu wirken. Dies setzt aber einen

eigenen ethisch-normativen Standort des Personalmanagements voraus, der bislang bei

der Administration von Personalaufgaben nicht gefordert war bzw. nicht entwickelt

wurde.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß viele Personalabteilungen im Zuge der

TQM-Einführung mit der Entwicklungsarbeit im eigenen Bereich beginnen müßten.

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Auf der anderen Seite stehen die Führungskräfte, welche wie oben erwähnt für die

Wahrnehmung der verschiedenen Personalaufgaben nicht nur qualifiziert, sondern häufig

erst von der Dezentralisierung dieser Funktionen und insbesondere vom Nutzen eines

mitarbeiterorientierten Personalmanagements - bis hin zum Führungsverständnis, „den

Mitarbeiter (zumindest auch) als eigenen Kunden“ zu betrachten - überzeugt werden

müssen. Abgesehen davon, daß ein Führungswandel zu einer höheren

Mitarbeiterorientierung und aktiven, unterstützenden Personalführung seit langem in den

Unternehmen angestrebt wird, aber noch lange nicht bei allen Führungskräften erreicht

werden konnte, wird diese Problematik im Zuge der Einführung von TQM und

insbesondere durch die Bewertungsansätze im EFQM-Modell noch verschärft.

Hervorzuheben sind zwei Punkte:

1. Im Zuge der Übertragung der Gesamtverantwortlichkeit müssen die Führungskräfte zwi-

schen den verschiedenen Kriterien abwägen, die alle in ihre eigene Bewertung einfließen.

Sicherlich sind Mitarbeiterorientierung und -zufriedenheit hierunter zu finden, aber

letztlich als separate Kriterien, doch Qualität kann nur mit den Mitarbeitern erreicht

werden, so daß das Modell diese ganzheitliche Betrachtung zumindest nicht auf den

ersten Blick nahe legt, wenngleich sich mitarbeiterorientierte Kriterien auch als

Unterpunkte anderer Hauptkriterien finden. Bezogen auf die Dezentralisierung von

Personalfunktionen bedeutet das ganz konkret z.B., daß zwischen

Personalentwicklungsmaßnahmen, die inzwischen zu Lasten der eigenen Kostenstelle

gehen, und der Anschaffung einer neuen Software zu entscheiden ist. Angesichts des

immer noch vorherrschenden technischen Denkens dürfte im Zweifelsfall die

Entscheidung für die Software fallen. Kurzfristig betrachtet mag dies dann sogar die

„richtige“ Entscheidung gewesen sein, die sogar mit einer höheren Mitarbeiter-

zufriedenheit bezüglich der Arbeitsmittel einher geht, aber wie sieht es mit der mittel-

bzw. längerfristigen Entwicklung aus. Dieser Aspekt betrifft nicht nur das

Personalmanagement, sondern insgesamt die Problematik einer zu starren Orientierung

am EFQM-Modell, worauf im nächsten Abschnitt zu Implementationsstrategien

zurückgekommen wird.

2. Die Bewertungsansätze stellen aber nicht nur die Grundlage für

Führungsentscheidungen, sondern auch für die Selbst- und Fremdbewertung der

Führungskräfte dar. Konnte man bislang Führungskräfte nicht von der Notwendigkeit

einer höheren Mitarbeiterorientierung überzeugen, so tritt mit dem EFQM-Modell hinzu,

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Mannheimer Beiträge 2/98 15

daß sich die Führungskräfte hinsichtlich ihrer Führungsleistungen zusätzlich der

Bewertung durch ihre Mitarbeiter und Kunden stellen müssen. Die „erlebte Bedrohung“,

die damit für die Führungskräfte einher geht, ist offensichtlich. Greifen wir die obige

Entscheidungssituation auf, dann könnte dies dazu führen,

Personalentwicklungsmaßnahmen - wie häufig auch in der Vergangenheit - quasi als

Incentiv zu bewilligen, um bessere Ergebnisse bei der Mitarbeiterzufriedenheit zu

erzielen. Zudem gibt es „unliebsame“ Personalentscheidungen, zumindest deren

Vollstreckung konnte früher an die Personalabteilung delegiert werden.

Bezogen auf die Dezentralisierung von Personalmanagementfunktionen und ihrer Wahrneh-

mung im Sinne eines TQM kann festgehalten werden, daß die Führungskräfte vor Ort - aus

ihrer Sicht mit guten Gründen - wenig Interesse an ihrer Übernahme haben und die

verschiedenen Bewertungsansätze im EFQM-Ansatz dem angestrebten Führungswandel

durchaus auch entgegen stehen können, zumindest aber häufig als ein weiteres

Akzeptanzhemmnis auf Seiten der Führungskräfte anzusehen sind. Insofern gilt es im

Rahmen der Implementation dieser besonderen Situation der Führungskräfte Rechnung zu

tragen.

Abschließend sei zur Frage, wer welche Personalmanagementaufgabe zukünftig

wahrnehmen sollte, für größere Unternehmen bzw. Unternehmen mit mehreren Standorten

angeführt, daß entsprechend der vorangegangenen Argumentation die erforderliche

Dezentralisierung auch auf die Organisation der Personalabteilung selbst zutrifft. Die

Hauptzentrale wird sich dann als Dienstleister für die dezentralen Personalabteilungen

verstehen müssen.

Insbesondere mit Blick auf europaweit agierende bzw. ansässige Unternehmen bietet die

Orientierung am EFQM, welches sich wie oben angeführt durch höhere Freiheitsgrade in

der Ausgestaltung der Instrumente und Prozesse auszeichnet, eine geeignete Basis für ein

strategisch, ergebnisorientiert einheitliches und gleichzeitig operativ, instrumentell

differenziertes Qualitätsmanagement. Die damit gebotene Möglichkeit, länderspezifische

Bedingungen und insbesondere kulturelle Unterschiede in Europa zu berücksichtigen, stellt

gerade für das Personalmanagement eine unabdingbare Voraussetzung dar.

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Walter Bungard & Ingela Jöns 16

Ohne im einzelnen auf die Umsetzungsprobleme zwischen den verschiedenen

Personalabteilungen einzugehen, ist als strategische Herausforderung für die Zentrale die

länderübergreifende Ausrichtung des Personalmanagements hervorzuheben. Diese sollte

ausschließlich ergebnisorientiert erfolgen, d.h. ohne durch zentrale Vorgaben und

standardisierte Instrumente einem länderspezifischen Personalmanagement

entgegenzuwirken. Vielmehr sollte sie aktiv die differenzierte Ausgestaltung fördern, um

über kulturspezifische Managementansätze insgesamt zu einem besseren Qualitätsergebnis

zu gelangen.

An einzelnen Stellen werden wir im folgenden auf die Besonderheiten länderübergreifender

Personalfunktionen hinweisen. Generell gelten die nachfolgenden Überlegungen und

Problembereiche national wie international gleichermaßen, wenn man bedenkt, daß

kulturspezifische Unterschiede bereits zwischen einer Niederlassung in Hamburg oder in

München anzunehmen sind.

3.2 Strategien zur Implementation des EFQM-Modells

Nachdem die Probleme und Strategien zur Implementation von neuen

Managementkonzepten in der Literatur bereits ausführlich diskutiert werden (z.B. Reiß,

Rosenstiel & Lanz, 1997; Stieler-Lorenz, 1997, Bungard 1995), wollen wir uns auf einige

spezifische Punkte konzentrieren, die bei der Umsetzung des EFQM-Modells von

besonderer Bedeutung sind:

1. Als geschlossenes, formalisiertes Modell verleitet das EFQM-Modell gerade dazu, es im

Sinne einer Checkliste anzuwenden (vgl. Wunderer, 1995), wodurch dann ähnlich wie bei

den klassischen Qualitätsregelwerken im Sinne der ISO 9000 ff. die Gefahr besteht, daß

sie der eigentlichen Umsetzung einer Qualitätsphilosophie und der dynamischen Überprü-

fung des Qualitätsmanagements einschließlich der relevanten Kriterien entgegenwirken.

2. Der Prozeß der Qualitätsverbesserung stellt einen zentralen TQM-Aspekt dar, welcher

aber im EFQM-Modell nicht in der Ausführlichkeit dargestellt wird, wie z.B. die

Kriterien und die Messung als Grundlagen für das datengestützte Controlling der

Prozesse und Ergebnisse. Was passiert zwischen den Meßzeitpunkten, wie sind die

Ergebnisse zu interpretieren und wie werden bessere Ergebnisse erzielt?

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Mannheimer Beiträge 2/98 17

3. Zudem suggeriert das EFQM-Modell, daß sich durch die Orientierung an diesem Modell

die Widersprüche und Konflikte, die zwischen verschiedenen Kriterien und Instrumenten,

aber vor allem auch zwischen verschiedenen Interessengruppen sowie im Zuge des

permanenten Verbesserungsprozesses bestehen, im Hinblick auf die Ergebniskriterien

auflösen ließen.

4. Schließlich ist hervorzuheben, daß die quantitative Ausrichtung in betrieblichen Abstim-

mungsprozessen bei der Selbstbewertung und Zielvereinbarung dazu verleitet, daß über

Zahlen statt über Inhalte diskutiert wird, was häufig bereits in den angebotenen Trainings

zu beobachten ist (vgl. auch Zink, 1997).

Als spezifische Anforderungen an das Personalmanagement folgt aus diesen Punkten, daß

sie im Rahmen der Informations-, Qualifizierungs- und Beteiligungsstrategien zur

Implementation des EFQM-Modells diesen Gefahren entgegenwirken müssen. Konkret

bedeutet dies, daß sie bei allen Maßnahmen und Schritten den Fokus auf die inhaltlichen

Aspekte legen müssen. So geht es im ersten Schritt eben nicht darum, wie die Daten

erhoben und die Selbstbewertung zu den Kriterien durchgeführt werden kann, sondern

welche Bedeutung diese Kriterien für das Qualitätsmanagement des jeweiligen

Unternehmens sowie gegebenenfalls für die einzelnen Niederlassungen in den verschiedenen

Ländern haben. Und schon gar nicht kann es darum gehen, wie man am schnellsten die

Voraussetzungen für eine Bewerbung um den EQA schaffen kann, sondern wie man auf der

Basis eines ganzheitlichen Controllingansatzes Qualitätsverbesserungen auf Dauer erzielen

kann (vgl. auch Wunderer, Gerig & Hauser, 1997).

Weiterhin wird es, gerade weil sich zur Ableitung und Umsetzung von

Qualitätsverbesserungen vergleichsweise wenig Hinweise in den Unterlagen der EFQM

finden, darauf angekommen, durch Instrumente der Personal- und

Organisationsentwicklung die Kompetenzen partizipativer Problemlösungsprozesse im

Anschluß bzw. auf der Basis der Selbstbewertungen im Unternehmen zu fördern.

Über die Ausgestaltung und Unterstützung typischer Implementationsmaßnahmen zum

EFQM-Modell (Workshops, Qualitätszirkel, Schulungen etc.) hinaus könnte es gerade die

Aufgabe des Personalmanagements sein, neben der Rolle eines Prozeßförderers gleichzeitig

die Rolle des „advocatus diaboli“ im Implementationsprozeß zu übernehmen, d.h. die

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Umsetzungsschritte immer wieder im Hinblick auf die eigentlichen Qualitätsziele bzw.

angestrebten Verbesserungsprozesse zu hinterfragen.

Zusammenfassend kommt der Personalabteilung abgesehen von jenen Implementations-

aufgaben, für welche sie selbst als fachkompetent zeichnet, die Funktion des

Prozeßmoderators zu, während die Implementation selbst in der Verantwortung des

Linienmanagements liegt. Diese Funktion wird sie allerdings auch dann nicht verlieren,

wenn die ersten Selbstbewertungs- und Verbesserungsprozesse gelaufen sind, denn letztlich

ist es das Ziel der Implementation eines TQM nach dem EFQM-Modell, im Unternehmen

einen permanenten, datengestützten Verbesserungsprozeß zu etablieren. Bevor auf diese

strategischen Aufgaben des Personalmanagements eingegangen wird, soll zunächst auf die

Aufgaben im engeren Sinne, auf die Entwicklung qualitätsorientierter Instrumente des

Personalmanagements eingegangen werden.

3.3 Entwicklung qualitätsorientierter Instrumente des Personalmanagements

Im Grunde geht es bei der Entwicklung qualitätsorientierter Instrumente des

Personalmanagements darum, das EFQM-Modell bzw. die EQA-Kriterien auf das

Personalmanagement selbst anzuwenden (vgl. auch Kolb & Bergmann, 1997; Wunderer,

Gerig & Hauser, 1997). Dabei fordert das EFQM-Modell grundsätzlich keine bestimmten,

und d.h. auch keine europaweit einheitlichen, oder neuen Instrumente des

Personalmanagements. Vielmehr resultiert der Handlungsbedarf aus folgenden Punkten:

1. Aus den oben angesprochenen Defizite der bisherigen Personalarbeit folgt, daß im ersten

Schritt die Fragen, wer sind unsere Kunden und was benötigen unsere Kunden,

aufzuarbeiten sind, um dann gemeinsam mit den Kunden - d.h. dem Linienmanagement

und den Mitarbeitern an der Basis - geeignete Problemlösungen zu erarbeiten.

2. Je nach Stand der personalwirtschaftlichen Instrumente im Unternehmen wird es im

Sinne der strategischen Ausrichtung des Personalmanagements erforderlich sein, die

einzelnen Ansätze und Instrumente in eine Gesamtkonzeption zu überführen. In der

Praxis trifft man häufig auf ein „Sammelsurium“ von Instrumenten, die isoliert

voneinander - zumeist aus aktuellem Anlaß heraus - entwickelt wurden, die aber nicht

aufeinander abgestimmt sind. Typische Beispiele sind die fehlende Anpassung von

Beurteilungsinstrumenten für die jeweiligen Führungskräfte im Zuge der Einführung von

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Gruppenarbeit. So werden zwar die Instrumente für die Gruppenmitglieder selbst, wenn

auch erst mit einiger zeitlicher Verzögerung, im Hinblick auf die Anforderungen der

Teamarbeit überarbeitet, während z.B. Kriterien zur Förderung der Teamarbeit selten

explizit in die Beurteilung von Führungskräften aufgenommen werden.

3. Hieran schließt sich der insofern neue Handlungsbedarf an, als es im Zuge der Einfüh-

rung von TQM bzw. des EFQM-Modells darauf ankommt, das Personalmanagement

inhaltlich auf die Qualitätsstrategie abzustimmen. Konkret bedeutet dies, daß die

Kriterien, die Gegenstand der Selbstbewertung bilden, sich in den verschiedenen

Instrumenten wiederfinden müssen.

Ein zentrales personalwirtschaftliches Instrument stellen Zielvereinbarungsprozesse dar, für

welche die Personalabteilungen im allgemeinen Leitfäden und Rahmenkriterien zur

Verfügung stellen, um die Führungskräfte bei ihrem Vorgehen zu unterstützen, aber auch

um ein koordiniertes bzw. einheitliches Vorgehen im Unternehmen sicherzustellen. Die

Instrumente zur Zielvereinbarung sind nun nach den Kriterien des EFQM-Modells - bzw.

ihrer unternehmens- und länderspezifischen Übersetzung - zu überarbeiten. Die Prozesse der

Selbstbewertung sind zeitlich und inhaltlich in die Zielvereinbarungsprozesse zu integrieren,

um eine parallele, von einander isolierte Etablierung beider Prozesse zu vermeiden bzw. die

Integration der Qualitätsverbesserung in das allgemeine Management sicherzustellen.

Entsprechende Konsequenzen lassen sich für fast alle Instrumente ableiten. Hervorzuheben

sind Instrumente der Auswahl und Beurteilung bis hin zu den verschiedenen Förderungs-

und Anreizsystemen. So einfach dies angesichts der ausdifferenzierten Kriterienkataloge des

EFQM klingen mag, so schwierig gestaltet sich dies in der Praxis: Was bedeutet

„Kundenorientierung“ als Beurteilungskriterium für Produktionsmitarbeiter und welche

Gewichtung erfährt dieses Kriterium gegenüber der „Teamorientierung“? Und schließlich

müssen diese Kriterien auch vor Ort verstanden werden.

Unter diesem Aspekt ließen sich zudem alle Instrumente des Personalcontrollings im

weiteren Sinne anführen, ganz abgesehen vom Controlling der Arbeit der Personalabteilung

an sich. Neben der Erfassung von personalwirtschaftlichen Kennzahlen (z.B. Fehlzeiten,

Überstunden etc.) zählen hierzu insbesondere Mitarbeiterbefragungen (Bungard & Jöns,

1997), die traditionell in den Aufgabenbereich von Personalabteilungen fallen. Die Konzep-

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Walter Bungard & Ingela Jöns 20

tion von Mitarbeiterbefragungen, wenn sie als Instrument des Qualitätsmanagements bzw.

eines datengestützten Change Managements eingesetzt werden, haben aber nur noch wenig

mit den traditionellen Befragungen zur Erfassung des Betriebsklimas oder der

Mitarbeiterzufriedenheit zu tun. Traditionell wurden Mitarbeiterumfragen von der

Personalabteilung zumeist im Auftrag der Unternehmensleitung durchgeführt, um im

günstigsten Falle anschließend die zentrale Personalarbeit auf der Basis dieser Ergebnisse zu

überdenken. Häufig allerdings blieben diese Stimmungs- und Meinungsbilder ungenutzt.

Im Rahmen des EFQM-Modells erhalten Mitarbeiterbefragungen nicht nur für das zentrale

und insbesondere dezentrale Personalmanagement, sondern insgesamt als

Controllinginstrument für das Qualitätsmanagement eine hohe Bedeutung. Demzufolge fällt

die Durchführung und Konzeption von Mitarbeiterbefragung zwar in das Aufgabengebiet

der Personalabteilungen, wobei jedoch die Hauptaufgabe in der Beratung und

Unterstützung der Führungskräfte bei der Nutzung dieses Instruments bzw. deren

Ergebnisse liegt, weshalb hierauf im nächsten Abschnitt ausführlich eingegangen werden

soll.

Bezogen auf länderübergreifende Unternehmen wird am Beispiel der Mitarbeiterbefragung

aber auch deutlich, daß sich länderspezifische Unterschiede nicht nur in der instrumentellen

Ausgestaltung niederschlagen, sondern auch in den Ergebniskriterien bzw. zumindest in

ihrer Messung und Bewertung. Es sei an dieser Stelle nur auf die Problematik bzw. auf den

Irrglauben hingewiesen, man könne Fragebögen einfach übersetzen und messe damit das

gleiche: Bereits im deutschsprachigen Raum zeigen sich Unterschiede im Antwortverhalten

von Mitarbeitern aus den alten und neuen Bundesländern (vgl. Bungard & Jöns, 1997).

3.4 Beratung und Unterstützung des Personalmanagements

Die beratende und unterstützende Funktion der Personalabteilung leitet sich zum einen

daraus ab, daß Qualität nur durch ein entsprechendes Personalmanagement erzielt werden

kann, und zum anderen aus der bezogen auf den Implementationsprozeß bereits diskutierten

Rolle der Prozeßmoderation, welche über die Personalaufgaben im engeren Sinne

hinausgeht, die aber im allgemeinen - ganz im Sinne bisheriger Aufgaben der Personal- und

Organisationsentwicklung - vom Personalbereich federführend übernommen werden kann.

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Die Betonung liegt dabei auf „federführend“, denn Kundenorientierung und

Mitarbeiterorientierung im Sinne der Partizipation gilt es grundsätzlich auch bei allen

zentralen Personalmanagementfunktion vorzuleben.

Im Grundansatz basiert die Qualitätsverbesserung nach dem EFQM-Modell darauf, daß

anhand der Kriterien auf der Maßnahmen- und Ergebnisseite regelmäßig Selbstbewertungen

in allen Bereichen und auf allen Ebenen vorgenommen werden. Diese Selbstbewertungen

basieren dabei neben Beschreibungen der einzelnen Maßnahmen und Prozesse auf der

Dokumentation bzw. dem Nachweis der erzielten Ergebnisse. Neben

betriebswirtschaftlichen Kennzahlen spielen hier Befragungen immer dann eine zentrale

Rolle, wenn es um qualitative Merkmale und um Zufriedenheitsdaten geht. Neben externen

Kundenbefragungen und Imageanalysen, die in anderen Funktionsbereichen angesiedelt sein

können, ist wie gesagt die Mitarbeiterbefragung ein zentrales Instrument zur

kontinuierlichen Verbesserung des Personal- und Qualitätsmanagements (vgl. Bungard,

1998).

Damit aber Mitarbeiterbefragungen zu Verbesserungsprozessen führen, müssen sie im Sinne

eines Survey-Feedback-Prozesses durchgeführt werden (vgl. Bungard & Jöns, 1997). An

die eigentliche Befragung muß sich die Ergebnisrückmeldung an die Befragten und die

gemeinsame Ableitung und Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen anschließen, und

zwar auf allen Hierarchieebenen und in allen einzelnen Bereichen. Dies setzt nicht nur eine

Vollerhebung bei allen Mitarbeitern voraus, sondern vor allem auch daß die

Ergebnisauswertung möglichst für einzelne Abteilungen und Gruppen - unter Wahrung der

Anonymität - erfolgt, so daß die jeweiligen Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern anhand

der eigenen Ergebnisse Maßnahmen ableiten können.

Der Einsatz von Mitarbeiterbefragungen nach dem EFQM-Modell zur Erfassung der Mitar-

beiterzufriedenheit (von der Arbeitszufriedenheit, über die Beurteilung der Führung bis hin

zum Betriebsklima und Unternehmensimage) ist fast unentbehrlich, aber auch zu anderen

Kriterien können Mitarbeiterbefragungen ein geeignetes Instrument darstellen. Hierzu

zählen insbesondere Fragen der internen Kundenzufriedenheit, aber auch die Bewertung der

Prozesse und Strukturen aus Sicht der Mitarbeiter - sowie die Evaluation der

Veränderungsprozesse selbst. Bei der Konzeption von Mitarbeiterbefragungen sollte es

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nicht allein um die Erfassung der Zufriedenheit der Mitarbeiter als Kunden oder

Humanpotential des Unternehmens gehen, sondern um die Erfassung ihrer Meinungen und

Bewertungen als Experten ihres Arbeitsbereiches.

Welche Aufgaben sind nun hiermit für das zentrale Personalmanagement verbunden? Eine

erste Funktion ist die Konzeption eines einheitlichen, regelmäßig eingesetzten Fragebogens

(bzw. jeweils für die verschiedenen Länder und Kulturen), der auf die Initiierung von

dezentralen Verbesserungsprozessen ausgerichtet sein sollte. Abgesehen davon, daß man im

Regelfall zur professionellen Konzeption von Mitarbeiterbefragungen und zur

Gewährleistung der Anonymität externe Unterstützung heranziehen wird, liegt bei der

Durchführung von Mitarbeiterbefragungen die Hauptaufgabe im Prozeßmanagement sowie

in der Unterstützung und Qualifizierung der Führungskräfte, die mit den Befragungsdaten

arbeiten sollen.

Strategische Funktionen des Personalmanagements lassen sich darüber hinaus aus den

Gefahren ableiten (vgl. Jöns, 1997), die im Zusammenhang mit der Einführung von EFQM

bzw. mit der Bewerbung um den EQA bestehen:

• Mitarbeiterbefragungen werden in erster Linie zur Messung durchgeführt, weil man

Mitarbeiterzufriedenheit erfassen muß, d.h. die Überzeugung einer kontinuierlichen

Arbeit zur Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit auf der Grundlage dieser

subjektiven Befragungsdaten wird häufig von den Führungskräften vor Ort nicht geteilt.

• Mitarbeiterbefragungen werden zu Dokumentationszwecken eingesetzt, weil dies der

einfachere Weg für den Nachweis von Maßnahmen und Instrumenten ist. So werden

Mitarbeiter gefragt, ob sie an TQM-Weiterbildungsmaßnahmen bereits teilgenommen

haben, ob sie die Geschäftspolitik kennen, ob die Kunden mit den Leistungen zufrieden

sind usf. Im Einzelfall mögen diese Fragen durchaus ihre Berechtigung für die

Verbesserungsprozesse im Unternehmen haben, aber bei manchen Fragebögen in der

Praxis kommt doch der Verdacht auf, daß sich hinter mancher Frage ein EFQM-

Kriterium verbirgt, für welches man einen Nachweis bei der Selbstbewertung braucht,

ohne daß die Meinung und Zufriedenheit der Mitarbeiter wirklich interessiert bzw. von

Bedeutung ist.

• Damit eng zusammenhängend ist der Effekt, daß Mitarbeiter zu den verschiedensten

Themen und „am laufenden Band“ befragt werden. So werden MAB nach den Zeitplänen

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der Selbstbewertung durchgeführt, um möglichst rasch die geforderten Meßzeitpunkte

nachweisen zu können. Hinzu kommen dann Befragungen im Rahmen der internen

Kundenzufriedenheit - von der Werkskantine über die Personalabteilung bis hin zur

Nachbarabteilung - und schließlich noch die Vorgesetztenbeurteilung oder das

Führungsfeedback.

• Eine besondere Problematik, die bereits kurz angesprochen wurde, resultiert aus der Tat-

sache, daß derartige Befragungsergebnisse immer auch Beurteilungen des Vorgesetzten

oder zumindest der Qualität seines Verantwortungsbereichs umfassen (Jöns, 1997).

Diese Problematik gilt allgemein bei Mitarbeiterbefragungen, aber im Zusammenhang mit

EQA-Aktivitäten werden Ansätze des internen Benchmarking diskutiert, was dann

zusätzlich einen internen Konkurrenzkampf schüren kann. Und auch Führungskräfte

höherer Ebenen neigen dann dazu, nach Schuldigen und Nestbeschmutzern statt nach den

wirklichen Problemursachen und nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen.

Aufgabe des zentralen Personalmanagements wird hier nicht nur Überzeugungs- und

Aufklärungsarbeit bei den Führungskräften im Vorfeld zu leisten und ein entsprechendes

Vorleben durch das höhere Management zu fordern, sondern diese sensiblen Prozesse sind

permanent im Auge zu behalten, denn gute Befragungsergebnisse kann man auf vielerlei

Wegen erreichen. Wenngleich hier auf die Mitarbeiterbefragungsdaten Bezug genommen

wurde, so ist offensichtlich, daß der Umgang auch mit sogenannten „harten“ Daten ähnliche

mikropolitische Prozesse auslösen dürfte, die einer Qualitätsverbesserung diametral

entgegenstehen.

Als letztes wird es bei allen Prozessen aber auch erforderlich sein, ein Controlling der Füh-

rungskräfte und Mitarbeiter im Hinblick auf ihre Leistungen für die Qualitätsverbesserung

durchzuführen, welches in letzter Instanz auch mit personellen Konsequenzen verbunden

sein wird. Die Verantwortung hierfür liegt aber beim Linienmanagement, welches

diesbezüglich von einer strategisch ausgerichteten Personalabteilung beraten wird, da

derartige Konsequenzen gerade zu Beginn der Einführung von Selbstbewertungen und

Evaluationen ein sensibles Feld darstellen. Bleiben allerdings in offensichtlichen Fällen die

Konsequenzen aus, verliert das TQM-Konzept bzw. das Management insgesamt an

Glaubwürdigkeit.

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4 Fazit

Wenn man die bisherigen Entwicklungen zum Qualitätsmanagement im Hinblick auf die

zukünftigen Herausforderungen resümiert, dann läßt sich zunächst festhalten, daß die

Umsetzung der TQM-Philosophie - in welcher Spielart auch immer - das zentrale Problem

der kommenden Jahre bleiben wird. Der Trend wird dabei dahin gehen, daß zunehmend im

Dienstleistungssektor die Einführung von TQM erfolgen wird. Dabei betrifft dies ebenso die

produzierenden Unternehmen, da der Dienstleitungs- oder Servicebereich im Sinne des

Angebots von kundenspezifischen Problemlösungen noch weiter steigen wird. Da im

Bereich der Forschung und Entwicklung sowie im Dienstleitungssektor das

Wettbewerbspotential der europäischen Industrieländer liegt, wird die zukünftige Stellung

europäischer Unternehmen bzw. die Zukunft Europas entscheidend davon abhängen,

inwieweit es gelingt, durch die Einführung von TQM kontinuierliche

Verbesserungsprozesse in der Wirtschaft zu installieren, welche die Wettbewerbsfähigkeit

auf Dauer sichern.

Bei diesem Einführungs- oder Veränderungsprozeß zu TQM werden sowohl Standards als

auch Selbstbewertungen im Kontext von Qualitätspreisen eine wichtige flankierende

Funktion haben. Die Qualitätsmodelle und -kriterien selbst werden auf der allgemeinen

Ebene weiterentwickelt werden, ebenso bezieht sich der Verbesserungsansatz auf die

jeweiligen Qualitätsphilosophien in den einzelnen Unternehmen und Ländern. Insgesamt läßt

sich für die weiteren Entwicklungen zu TQM feststellen, daß die Tendenz eindeutig in die

Richtung eines Optimierungsparadigmas geht, d.h. die anfänglichen Ansätze zur

Standardardisierung von Qualität werden durch dieses neue Paradigma abgelöst.

Zur Frage der Implikationen dieser Entwicklungen für den Personalbereich ist

hervorzuheben, daß sich hiermit die Chance für den Personalbereich ergibt, sich strategisch

zu positionieren. Diese strategische Chance des Personalmanagements ist dabei aus

mehreren Gründen für die Zukunft der Unternehmen sinnvoll. Erstens stellt das

Personalmanagement ein zentrales Problemfeld im Rahmen von TQM dar. Zweitens sind

Personal- und Organisationsentwicklung wichtige Aspekte in Veränderungsprozessen von

Unternehmen. Schließlich ist drittens noch anzuführen, daß die Abgabe von operativen

Aufgaben - wie in anderen Funktionsbereichen auch - eine Zunahme der Bedeutung

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strategischer und koordinierender Aufgaben impliziert. Die Entwicklung und Verfolgung

einer Gesamtstrategie des Personalmanagements erfordert eine zentrale Verankerung bei

dezentraler Umsetzung. Daneben wird die Personalabteilung eine zentrale unterstützende

Funktion für das dezentrale Personalmanagement übernehmen müssen. Als Servicestation

wird sie vor allem Beratungsleistungen erbringen und die verschiedenen Instrumente

weiterentwickeln müssen. Als oberster Grundsatz muß für das Personalmanagement der

Zukunft gelten, die TQM-Philosophie auf sich selbst anzuwenden und mit gutem Beispiel

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