Der Grandseigneur der SPD - landkreis-passau.de · Von Sandra Niedermaier Büchlberg. „Hallo Max,...

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Von Sandra Niedermaier Büchlberg. „Hallo Max, hier ist die Hertha.“ Es gab eine Zeit im Leben von Max Brandl, da rief Justizministerin Hertha Däubler- Gmelin öfter mal kurzerhand bei ihm daheim in Büchlberg an. Und nicht nur sie – denn gekannt hat er sie alle, die berühmten SPD-Poli- tiker, ob Helmut Schmidt, Willy Brandt oder Hans-Jochen Vogel. Max Brandl war in seinem Leben Bäcker, Polizist, Banker – aber vor allem immer eins: Politiker. „Der politische Bereich ist interessan- ter als alles andere“, sagt er, „denn man kann vielen Leuten helfen.“ 21 Jahre war er im Bayerischen Landtag, noch zwei Wochen ist er im niederbayerischen Bezirkstag, seit 1972 sitzt er im Passauer Kreistag und im Büchlberger Ge- meinderat. Für sein jahrzehnte- langes Engagement für die Hei- mat erhält er heuer den Ehrenring des Landkreises Passau. „Alles wird von der Politik be- stimmt – das war der Leitsatz mei- nes Vaters“, erzählt Max Brandl. Ohne seinen Vater wäre er viel- leicht gar nicht zur Politik gekom- men: Der Vater war Sozialdemo- krat, damals der einzige in Ringe- lai, wo Max Brandl 1938 zur Welt kam. Vom Vater hörte der junge Max Brandl viel über die Arbeit der Genossen. Sich für andere ein- setzen, versuchen, etwas zu errei- chen, teilhaben am Gemeinleben – das schaute sich Max Brandl, selbst Vater von drei Söhnen, von seinem eigenen Vater ab. Mit 14 Jahren kam Max Brandl zunächst zur Bäckerlehre nach Passau. Die Stadt an den drei Flüs- sen lernte er mit dem Semmelkorb vorne am Fahrrad beim Ausfah- ren des Backwerks kennen; alle paar Wochen fuhr er mit dem Rad 40 Kilometer heim zu den Eltern in Ringelai. Eine DM in der Wo- che bekam er damals als Lehr- lingsgehalt; Kost und Logis wur- den gestellt, erinnert er sich. „Das waren ganz andere Zeiten“, sagt er heute. Dann kam die Aufforderung zur Musterung. Brandl meldete sich zum Bundesgrenzschutz und wurde auch genommen. Später war er Bundesbankbeamter bei der Landeszentralbank in der Zweigstelle Passau, 16 Jahre lang. Brandls Passion aber war im- mer die Politik. Die Liste seiner Ämter ist lang: 1972 wurde er für die SPD in den Büchlberger Ge- meinderat gewählt, war nicht nur Fraktionssprecher, sondern auch 18 Jahre lang zweiter Bürgermeis- ter. Ebenfalls 1972 wurde er auch gleich noch in den Passauer Kreis- tag gewählt, wo er 18 Jahre SPD- Fraktionsvorsitzender war. Von 1978 bis 1982 und seit 2003 ist er im Bezirkstag von Niederbayern, die letzten zehn Jahre als Stellver- treter des Bezirkstagspräsidenten. Und, der Höhepunkt seiner politi- schen Karriere: Von 1982 bis 2003 saß er im Bayerischen Landtag. „Gewählt zu werden, hat immer gut geklappt“, sagt Brandl. Drei bis vier Tage pro Woche verbrachte er als Landtagsabge- ordneter in München. Eine 70- bis 80-Stunden-Woche war selbstver- ständlich für ihn. „Ich wollte ja für die SPD ein gutes Ergebnis errei- chen“, sagt er da nur. „Im Landtag spielt eine andere Musik als im Bezirkstag oder Kreistag“, meint er. An so manche Episode erinnert er sich auch heute noch gerne: Als einziger SPDler hat er damals mit der CSU für den Bau der A 94 ge- stimmt, weil er gesehen hat, wie viele Pendler aus dem Bayerwald und Niederbayern diese Straße brauchten. Doch: „Das hat mir nicht nur Freunde bei der SPD eingebracht“, sagt er – denn seine Fraktion war dagegen. „Nach der Abstimmung wurde ich zum Frak- tionsführer zitiert, was mir denn einfiele“, sagt Brandl. Aber höher als seine Loyalität zur Partei war eben die zur Region. Bis zu seinem 66. Lebensjahr war Brandl im Landtag. Zwei politische Ebenen darun- ter, im Kreistag, setzte er sich als Wortführer der SPD-Fraktion, die geschlossen hinter ihm stand, ge- gen den Bau einer Müllverbren- nungsanlage ein und gegen die Schließung der Krankenhäuser in Hutthurm und Fürstenzell und forderte unermüdlich den Radwe- gebau im Landkreis – mit den Jah- ren sind viele Themen zusammen- gekommen. Brandl gilt als sehr pflichtbewusster Kreisrat, der in seiner langen Karriere bei keinen zehn Sitzungen gefehlt hat. Mit einem Schmunzeln erin- nert sich Brandl an seine Zeit im Ausschuss für Kinderreichendar- lehen, die ihm Fahrten durch den ganzen Landkreis bescherte, da- mals noch ohne Navi oder Han- dy. Dieses zinslose Darlehen vom Landkreis wurde unter Landrat Fritz Gerstl in den 60er und 70er Jahren eingeführt. Anfangs erhiel- ten kinderreiche Familien für An-, Um- oder Neubauten 5000 DM, später 12 000 DM. Um die Anträ- ge der Leute zu überprüfen, fuh- ren Ludwig Rankl, CSU-Kreisrat und Tiefenbacher Bürgermeister, und Max Brandl durch den gan- zen Landkreis. „Wir kamen in je- des Dorf und jeden Weiler. Lud- wig Rankl und ich waren oft stun- denlang im großen Landkreis Pas- sau unterwegs, sind auch ab und zu eingekehrt,“ erzählt er. Das Geld sei oft eine Riesenhilfe für die Leute gewesen. „Noch heute Der Grandseigneur der SPD Max Brandl erhält den Ehrenring des Landkreises – 21 Jahre war er im Landtag – Mit 80 Jahren ist er noch im Gemeinderat, Kreistag und Bezirkstag werde ich darauf angesprochen“, sagt Brandl. „Es ist aufwärts gegangen“, sagt Brandl über die vergangenen Jahr- zehnte und freut sich über den Straßenbau im Landkreis Passau – „früher gab es ja noch vereinzelt Sandstraßen“, blickt er zurück –, über den Schulbau, die Kreismu- sikschule, kulturelle Errungen- schaften, den verbesserten ÖPNV, über Neubau und Umbau des Landratsamtes. Das heißt aber nicht, dass es nicht noch Verbes- serungspotenzial gäbe: Die Ilztal- bahn wäre aus Brandls Sicht eine Bereicherung, weil sie die Straßen entlasten würde. Und den Radwe- gebau im nördlichen Landkreis würde er gerne vorantreiben – auch wenn er selbst seit seiner Bä- ckerlehre nicht mehr Fahrrad fährt. Dass die SPD derzeit so schlecht abschneidet, betrübt Brandl – was dahintersteckt, hat er aber analysiert, schließlich liest er jeden Tag mehrere Tageszeitun- gen. Max Brandl war viele Jahre SPD-Ortsvorsitzender, 25 Jahre Kreisvorsitzender. „Die SPD ist in ihrer 155-jährigen Geschichte stets für soziale Gerechtigkeit ein- getreten und hat viel erreicht. Die- se Errungenschaften und deren Umsetzung sollten auch jetzt in der großen Koalition erste Priori- tät haben“, findet er. „Heute sind alle so harmoniebedürftig, dabei ist die SPD doch groß geworden durch das Eintreten für sozialen Ausgleich.“ Wenn nicht gerade die Politik seinen Alltag beherrscht, zieht es Max Brandl nach Ringelai. Er wandert die Buchberger Leite mit Frau Elfriede entlang und kehrt zu den Orten zurück, wo er schon als Kind gerne war. Bis zum Jahr 2020 sitzt er noch im Büchlberger Ge- meinderat und im Passauer Kreis- tag. Ob er dann noch einmal an- tritt? „Das muss man sehen“, meint er nur. Über den Ehrenring des Land- kreises freut sich Brandl sehr – „obwohl ich eigentlich kein Ring- träger bin“, wie er sagt. Im Schrank hat er bereits den Bayeri- schen Verdienstorden, die kom- munale Verdienstmedaille in Sil- ber und so manche weitere Aus- zeichnung. Im Laufe eines langen, engagierten Lebens kommt eben viel zusammen. Max Brandl in seinem Garten in seinem Haus in Tannöd. In der Natur erholt er sich am liebsten. - Foto: Niedermaier Mit Gerhard Schröder (r.) beim Po- litischen Aschermittwoch. Politischer Aschermittwoch in Vilshofen, 1983: Max Brandl (M.) neben Hans-Jochen Vogel (l.). Mit Helmut Schmidt am Tisch: Nach einer Kundgebung kehrte Max Brandl (stehend, rechts) am 24. September 1976 mit den ganz Großen der SPD in der Bahnhofsgaststätte ein. - Fotos: privat

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Von Sandra Niedermaier

Büchlberg. „Hallo Max, hier istdie Hertha.“ Es gab eine Zeit imLeben von Max Brandl, da riefJustizministerin Hertha Däubler-Gmelin öfter mal kurzerhand beiihm daheim in Büchlberg an. Undnicht nur sie – denn gekannt hat ersie alle, die berühmten SPD-Poli-tiker, ob Helmut Schmidt, WillyBrandt oder Hans-Jochen Vogel.Max Brandl war in seinem LebenBäcker, Polizist, Banker – aber vorallem immer eins: Politiker. „Derpolitische Bereich ist interessan-ter als alles andere“, sagt er, „dennman kann vielen Leuten helfen.“

21 Jahre war er im BayerischenLandtag, noch zwei Wochen ist erim niederbayerischen Bezirkstag,seit 1972 sitzt er im PassauerKreistag und im Büchlberger Ge-meinderat. Für sein jahrzehnte-langes Engagement für die Hei-mat erhält er heuer den Ehrenringdes Landkreises Passau.

„Alles wird von der Politik be-stimmt – das war der Leitsatz mei-nes Vaters“, erzählt Max Brandl.Ohne seinen Vater wäre er viel-leicht gar nicht zur Politik gekom-men: Der Vater war Sozialdemo-krat, damals der einzige in Ringe-lai, wo Max Brandl 1938 zur Weltkam. Vom Vater hörte der jungeMax Brandl viel über die Arbeitder Genossen. Sich für andere ein-setzen, versuchen, etwas zu errei-chen, teilhaben am Gemeinleben– das schaute sich Max Brandl,selbst Vater von drei Söhnen, vonseinem eigenen Vater ab.

Mit 14 Jahren kam Max Brandlzunächst zur Bäckerlehre nachPassau. Die Stadt an den drei Flüs-sen lernte er mit dem Semmelkorbvorne am Fahrrad beim Ausfah-ren des Backwerks kennen; allepaar Wochen fuhr er mit dem Rad40 Kilometer heim zu den Elternin Ringelai. Eine DM in der Wo-che bekam er damals als Lehr-lingsgehalt; Kost und Logis wur-den gestellt, erinnert er sich. „Daswaren ganz andere Zeiten“, sagter heute.

Dann kam die Aufforderungzur Musterung. Brandl meldetesich zum Bundesgrenzschutz undwurde auch genommen. Späterwar er Bundesbankbeamter beider Landeszentralbank in derZweigstelle Passau, 16 Jahre lang.

Brandls Passion aber war im-mer die Politik. Die Liste seinerÄmter ist lang: 1972 wurde er fürdie SPD in den Büchlberger Ge-meinderat gewählt, war nicht nurFraktionssprecher, sondern auch18 Jahre lang zweiter Bürgermeis-ter. Ebenfalls 1972 wurde er auch

gleich noch in den Passauer Kreis-tag gewählt, wo er 18 Jahre SPD-Fraktionsvorsitzender war. Von1978 bis 1982 und seit 2003 ist erim Bezirkstag von Niederbayern,die letzten zehn Jahre als Stellver-treter des Bezirkstagspräsidenten.Und, der Höhepunkt seiner politi-

schen Karriere: Von 1982 bis 2003saß er im Bayerischen Landtag.„Gewählt zu werden, hat immergut geklappt“, sagt Brandl.

Drei bis vier Tage pro Wocheverbrachte er als Landtagsabge-ordneter in München. Eine 70- bis80-Stunden-Woche war selbstver-

ständlich für ihn. „Ich wollte ja fürdie SPD ein gutes Ergebnis errei-chen“, sagt er da nur. „Im Landtagspielt eine andere Musik als imBezirkstag oder Kreistag“, meinter. An so manche Episode erinnerter sich auch heute noch gerne: Alseinziger SPDler hat er damals mitder CSU für den Bau der A 94 ge-stimmt, weil er gesehen hat, wieviele Pendler aus dem Bayerwaldund Niederbayern diese Straßebrauchten. Doch: „Das hat mirnicht nur Freunde bei der SPDeingebracht“, sagt er – denn seineFraktion war dagegen. „Nach derAbstimmung wurde ich zum Frak-tionsführer zitiert, was mir denneinfiele“, sagt Brandl. Aber höherals seine Loyalität zur Partei wareben die zur Region. Bis zu seinem66. Lebensjahr war Brandl imLandtag.

Zwei politische Ebenen darun-ter, im Kreistag, setzte er sich alsWortführer der SPD-Fraktion, diegeschlossen hinter ihm stand, ge-gen den Bau einer Müllverbren-nungsanlage ein und gegen dieSchließung der Krankenhäuser inHutthurm und Fürstenzell undforderte unermüdlich den Radwe-gebau im Landkreis – mit den Jah-ren sind viele Themen zusammen-gekommen. Brandl gilt als sehrpflichtbewusster Kreisrat, der inseiner langen Karriere bei keinenzehn Sitzungen gefehlt hat.

Mit einem Schmunzeln erin-nert sich Brandl an seine Zeit imAusschuss für Kinderreichendar-lehen, die ihm Fahrten durch denganzen Landkreis bescherte, da-mals noch ohne Navi oder Han-dy.

Dieses zinslose Darlehen vomLandkreis wurde unter LandratFritz Gerstl in den 60er und 70erJahren eingeführt. Anfangs erhiel-ten kinderreiche Familien für An-,Um- oder Neubauten 5000 DM,später 12 000 DM. Um die Anträ-ge der Leute zu überprüfen, fuh-ren Ludwig Rankl, CSU-Kreisratund Tiefenbacher Bürgermeister,und Max Brandl durch den gan-zen Landkreis. „Wir kamen in je-des Dorf und jeden Weiler. Lud-wig Rankl und ich waren oft stun-denlang im großen Landkreis Pas-sau unterwegs, sind auch ab undzu eingekehrt,“ erzählt er. DasGeld sei oft eine Riesenhilfe fürdie Leute gewesen. „Noch heute

Der Grandseigneur der SPDMax Brandl erhält den Ehrenring des Landkreises – 21 Jahre war er im Landtag – Mit 80 Jahren ist er noch im Gemeinderat, Kreistag und Bezirkstag

werde ich darauf angesprochen“,sagt Brandl.

„Es ist aufwärts gegangen“, sagtBrandl über die vergangenen Jahr-zehnte und freut sich über denStraßenbau im Landkreis Passau– „früher gab es ja noch vereinzeltSandstraßen“, blickt er zurück –,über den Schulbau, die Kreismu-sikschule, kulturelle Errungen-schaften, den verbesserten ÖPNV,über Neubau und Umbau desLandratsamtes. Das heißt abernicht, dass es nicht noch Verbes-serungspotenzial gäbe: Die Ilztal-bahn wäre aus Brandls Sicht eineBereicherung, weil sie die Straßenentlasten würde. Und den Radwe-gebau im nördlichen Landkreiswürde er gerne vorantreiben –auch wenn er selbst seit seiner Bä-ckerlehre nicht mehr Fahrradfährt.

Dass die SPD derzeit soschlecht abschneidet, betrübtBrandl – was dahintersteckt, hater aber analysiert, schließlich liester jeden Tag mehrere Tageszeitun-gen. Max Brandl war viele JahreSPD-Ortsvorsitzender, 25 JahreKreisvorsitzender. „Die SPD ist inihrer 155-jährigen Geschichtestets für soziale Gerechtigkeit ein-getreten und hat viel erreicht. Die-se Errungenschaften und derenUmsetzung sollten auch jetzt inder großen Koalition erste Priori-tät haben“, findet er. „Heute sindalle so harmoniebedürftig, dabeiist die SPD doch groß gewordendurch das Eintreten für sozialenAusgleich.“

Wenn nicht gerade die Politikseinen Alltag beherrscht, zieht esMax Brandl nach Ringelai. Erwandert die Buchberger Leite mitFrau Elfriede entlang und kehrt zuden Orten zurück, wo er schon alsKind gerne war. Bis zum Jahr 2020sitzt er noch im Büchlberger Ge-meinderat und im Passauer Kreis-tag. Ob er dann noch einmal an-tritt? „Das muss man sehen“,meint er nur.

Über den Ehrenring des Land-kreises freut sich Brandl sehr –„obwohl ich eigentlich kein Ring-träger bin“, wie er sagt. ImSchrank hat er bereits den Bayeri-schen Verdienstorden, die kom-munale Verdienstmedaille in Sil-ber und so manche weitere Aus-zeichnung. Im Laufe eines langen,engagierten Lebens kommt ebenviel zusammen.

Max Brandl in seinem Garten in seinem Haus in Tannöd. In der Natur erholter sich am liebsten. − Foto: Niedermaier

Mit Gerhard Schröder (r.) beim Po-litischen Aschermittwoch.

Politischer Aschermittwoch inVilshofen, 1983: Max Brandl (M.)neben Hans-Jochen Vogel (l.).

Mit Helmut Schmidt am Tisch: Nach einer Kundgebung kehrte MaxBrandl (stehend, rechts) am 24. September 1976 mit den ganz Großen derSPD in der Bahnhofsgaststätte ein. − Fotos: privat