Der Grosse Gatsby - Franics Scott Fitzgerald

7/27/2019 Der Grosse Gatsby - Franics Scott Fitzgerald

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F. Scott FitzgeraldDer groe GatsbyRoman

Aus dem Amerikanischen von

Bettina Abarbanell

Mit einem Nachwort von

Paul Ingendaay

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Die Originalausgabe erschien1925 bei Charles Scribners Sons, New York, unter dem TitelThe Great Gatsby

Copyright 1925 by Charles Scribners SonsCopyright renewed 1953by Frances Scott Fitzgerald LanahanDie deutsche Erstausgabe erschien1953 bei Blanvalet, BerlinDie vorli egende Neubersetzung erschien erstmals 2006

im Diogenes Verlag; sie folgt der autorisierten Ausgabe The Great Gatsby, edited byMatthew J. BruccoliCopyright 1991 by Eleanor Lanahan,Matthew J. Bruccoli and Samuel J. Lanahan as Trusteesunder Agreement dated July 3,

1975

Created by Frances Scott Fitzgerald Smith Die bersetzung wurde vom Deutschenbersetzerfonds gefrdert Die bersetzerin dankt Gertraude Krueger fr die groartigeZusammenarbeit

Umschlagillustration: Aus dem AlbumLes choses de Paul Poiret vues par Georges Lepape, 1911Copyright 2012 ProLitteris, Zrich

Und wieder fr Zelda

Al le deutschen Rechte vorbehaltenCopyright 2012Diogenes Verlag AG Zrichwww.diogenes.ch

ISBN Buchausgabe 978 3 257 23692 7 (5. Auflage)ISBN E-Book 978 3 257 60199 2

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Dann trage den goldenen Hut, wenn das sie zu

rhren vermag;

und wenn du hoch springen kannst, spring auch f

sie,

auf dass sie dir zuruft: Geliebter, goldhtiger,

hochspringender Geliebter,dich muss ich haben!

Thomas Parke DInvilliers

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Als ich noch jnger und verwundbarer war, gab mein Vater mireinmal einen Rat, der mir bis heute im Kopf herumgeht.Wann immer du jemanden kritisieren willst, sagte er, denk

daran, dass nicht alle Menschen auf der Welt es so gut hattenwie du.Mehr sagte er nicht, doch da wir uns auf eine diskrete Weisestets hervorragend verstanden haben, wusste ich, dass erwesentlich mehr damit meinte. Folglich neige ich dazu, mich mitallem Urteil zurckzuhalten, eine Angewohnheit, dank deren sich

mir ber die Jahre viele merkwrdige Gestalten anvertrauthaben und ich manchem notorischen Langweiler ins Netzgegangen bin. Der Sonderling wittert diese Eigenschaft beieinem normalen Sterblichen rasch und macht sie sich gernzunutze, und so kam es, dass ich im College flschlich fr einenIntriganten gehalten wurde, weil ich in die geheimen Nteseltsamer und wildfremder Mnner eingeweiht war. Die meistenGestndnisse wurden mir aufgedrngt; oft habe ich michschlafend gestellt, so getan, als sei ich beschftigt, oder einefeindselige Leichtfertigkeit vorgetuscht, sobald ich ausuntrglichen Zeichen schloss, dass ein intimes Bekenntnis amHorizont heraufzog. Denn die intimen Bekenntnisse jungerMnner oder doch die Worte, in die sie sie kleiden, stammen in

aller Regel aus zweiter Hand und sind von offenkundigenAuslassungen entstellt. Sich im Urteil zurckzuhalten ist eineSache grenzenloser Hoffnung. Ich frchte noch heute manchmal,mir knnte etwas entgehen, wenn ich vergesse, was mein Vaterhochmtig andeutete und was ich ebenso hochmtigwiederhole: Nicht jedem von uns wird gleich viel Gespr fr die

Grundregeln des Anstands in die Wiege gelegt.Nachdem ich derart mit meiner Langmut geprahlt habe, muss

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ich gestehen, dass sie ihre Grenzen hat. MenschlichesVerhalten kann auf festen Fels oder feuchtes Marschlandgegrndet sein, doch ab einem gewissen Punkt ist es mireinerlei, worauf es sich grndet. Als ich vorigen Herbst von derOstkste zurckkehrte, wnschte ich mir nur, die Welt mge fr

alle Zeit in Uniform und einer Art moralischer Habachtstellungverharren; mein Bedarf an wilden Ausschweifungen mitprivilegierten Einblicken in das menschliche Herz war gedeckt.Nur Gatsby, der Mann, der diesem Buch seinen Namen leiht,blieb davon ausgenommen Gatsby, der fr alles stand, wasich aufrichtig verachte. Wenn Persnlichkeit ein Zusammenspielgeglckter Gesten ist, dann hatte er etwas Zauberhaftes ansich, eine erhhte Empfindsamkeit fr die Verheiungen desLebens, so als wre er mit einem raffinierten Gert verbunden,das ein Erdbeben aus zehntausend Meilen Entfernungregistriert. Seine Sensibilitt hatte nichts mit jener beliebigenEindrucksfhigkeit gemein, die sich so hochtrabendschpferische Veranlagung nennt sie verdankte sich

vielmehr einer auergewhnlichen Gabe der Hoffnung, einerromantischen Sinnesart, wie ich sie bei niemandem sonstgefunden habe und wohl auch nie wieder finden werde. Nein Gatsby war letztlich kein schlechter Kerl; doch was ihn verfolgte,welch faulen Dunst seine Trume hinterlieen das war es, wasmeinem Interesse an den unntzen Sorgen und kurzatmigen

Freuden der Menschen vorerst ein Ende bereitete.Meine Familie geniet in dieser Stadt im Mittelwesten seit dreiGenerationen Ansehen und Wohlstand. Die Carraways sind soetwas wie ein Klan; nach einer alten berlieferung entstammenwir dem Geschlecht der Dukes of Bucchleuch, doch dereigentliche Begrnder meiner Linie war der Bruder meines

Grovaters, der einundfnfzig hierherkam, einen Ersatzmann inden Brgerkrieg schickte und den Eisenwarengrohandel aus

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der Taufe hob, den mein Vater noch heute betreibt.Ich habe diesen Groonkel nie kennengelernt, aber es wirdbehauptet, ich she ihm hnlich unter besonderem Verweisauf das ziemlich grob gemalte Portrt, das in Vaters Brohngt. Ich legte 1915, nur ein Vierteljahrhundert nach meinem

Vater, in New Haven mein Examen ab und nahm kurz darauf anener verspteten germanischen Vlkerwanderung teil, die alsder Erste Weltkrieg in die Geschichte eingegangen ist. DerGegenangriff hatte mich mit solcher Begeisterung erfllt, dassich nach meiner Rckkehr keine Ruhe fand. Der Mittelwesten,frher der warme Mittelpunkt der Welt, kam mir nun wie deruerste, zerklftete Rand des Universums vor, und sobeschloss ich, an die Ostkste zu ziehen und dasBrsengeschft zu erlernen. So gut wie alle, die ich kannte,waren im Brsengeschft ttig, deswegen nahm ich an, dass esleicht noch einen weiteren Mann ernhren konnte. Meine Tantenund Onkel beratschlagten darber, als glte es, einePrivatschule fr mich auszuwhlen, und sagten am Ende mit

sehr ernster und zweifelnder Miene: Also gu-ut. Vaterversprach, ein Jahr lang fr mich aufzukommen, und nachmanchen Verzgerungen brach ich im Frhling zweiundzwanzigauf und lie mich auf Dauer, wie ich glaubte an der Ostkstenieder.Am praktischsten wre es gewesen, eine Bleibe in der Stadt zu

suchen, aber drauen war es warm, und ich hatte gerade einLand weiter Wiesen und freundlicher Bume hinter mirgelassen; als mir daher ein junger Mann im Bro vorschlug, mitihm gemeinsam ein Haus auerhalb der Stadt zu mieten, schienmir das eine groartige Idee zu sein. Er fand auch das Haus,einen verwitterten, bauflligen Bungalow fr achtzig im Monat,

doch im letzten Moment schickte die Firma ihn nachWashington, und so zog ich allein aufs Land. Ich hatte einen

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Hund jedenfalls ein paar Tage, bis er mir weglief , einenalten Dodge und eine Finnin, die mir das Bett machte, dasFrhstck bereitete und am Elektroherd finnischeLebensweisheiten vor sich hin murmelte.Zuerst war es einsam dort, doch eines Morgens sprach mich

auf der Strae ein Mann an, der vor noch krzerer Zeithergekommen war als ich.Wo geht es nach West Egg Village?, fragte er ratlos.Ich sagte es ihm. Und als ich meinen Weg fortsetzte, war ichnicht mehr einsam. Ich war einer, der sich auskannte, einPfadfinder, ein Pionier. Er hatte mich beilufig mit demBrgerrecht der Gegend ausgezeichnet.Die Sonne schien, ich sah die Bltter an den Bumen wie imZeitraffer sprieen, und da regte sich in mir die vertrauteGewissheit, dass das Leben mit dem Sommer neu beginnt.Es gab zum Beispiel so viel zu lesen und so viel Gesundheitaus der jungen, atemspendenden Luft zu schpfen. Ich kauftemir ein Dutzend Bcher ber Bank-und Kreditwesen und

sichere Kapitalanlagen, und sie standen in meinem Regal, rotund golden glnzend wie frischgeprgte Mnzen, undversprachen, die schillernden Geheimnisse preiszugeben, dienur Midas und Morgan und Maecenas kannten. berdies hegteich die hehre Absicht, noch viele andere Bcher zu lesen. ImCollege hatte ich gewisse literarische Neigungen gehabt ein

Jahr lang schrieb ich sehr ernste, treuherzige Kolumnen fr dieYale News , und nun wollte ich all diesen Dingen wieder einenPlatz in meinem Leben einrumen und aufs Neue zu jenembeschrnktesten aller Spezialisten werden: dem umfassendgebildeten Mann. Das ist nicht blo ein Aphorismus mansieht in der Tat viel mehr vom Leben, wenn man nur aus einem

Fenster hinausschaut.Der Zufall wollte es, dass ich an einem der sonderbarsten Orte

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ganz Nordamerikas gelandet war. Er befand sich auf jenerschmalen, turbulenten Insel, die sich genau stlich von New Yorkerstreckt und neben anderen Launen der Natur zweiMerkwrdigkeiten hervorgebracht hat: Zwanzig Meilen vor derStadt ragen zwei gewaltige Eier, die identische Umrisse haben

und nur durch eine gefllige Bucht voneinander getrennt sind, indas gezhmteste salzige Gewsser der westlichen Hemisphrehinein: den groen, nassen Scheunenhof des Long-Island-Sunds. Sie sind nicht vollkommen oval, sondern auf ihrerLandseite wie das Ei des Kolumbus flachgedrckt, dochihre physische hnlichkeit muss fr die Mwen, die ber siehinwegfliegen, eine Quelle fortwhrender Verwunderung sein.Den Flgellosen dagegen drfte ihre Unhnlichkeit in allenDetails auer Gre und Gestalt weitaus interessantererscheinen.Ich wohnte in West Egg, dem nun ja, dem weniger elegantender Inselteile, wenngleich das ein uerst oberflchlichesAttribut ist, um den seltsamen und durchaus beklemmenden

Unterschied zwischen beiden zu beschreiben. Mein Haus lagoben, nur fnfzig Meter vom Sund entfernt, an der Spitze desEis zwischen zwei riesigen Villen eingepfercht, die fr zwlf-beziehungsweise fnfzehntausend Dollar den Sommervermietet wurden. Die zu meiner Rechten, eine geradezukolossale Angelegenheit, war die exakte Kopie eines Htel de

Ville in der Normandie mit einem Turm an der Seite funkelnagelneu unter einem dnnen Efeubart , einem Marmor-Swimmingpool und mehr als 16 Hektar Park-und Rasenflche.Das war Gatsbys Anwesen. Oder besser gesagt, da ich Mr.Gatsby noch nicht kannte: das Anwesen, das von einem Herrndieses Namens bewohnt wurde. Mein eigenes Haus war ein

Schandfleck, aber es war ein kleiner Schandfleck, an dem sichniemand strte, und so genoss ich einen freien Blick auf das

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Wasser, einen eingeschrnkten Blick auf den nachbarlichenGarten und das trstliche Gefhl, in unmittelbarer Nhe vonMillionren zu wohnen und das alles fr achtzig Dollar imMonat.Jenseits der Bucht glitzerten die weien Palste des eleganten

East Egg am Ufer, und eigentlich beginnt die Geschichtedieses Sommers an jenem Abend, als ich dort hinberfuhr, umbei den Buchanans zu Abend zu essen. Daisy war die Tochtereiner Cousine zweiten Grades von mir, whrend ich Tom vomCollege kannte. Gleich nach dem Krieg hatte ich zwei Tage beiihnen in Chicago verbracht.Daisys Ehemann konnte sich verschiedenster sportlicherLeistungen rhmen und war unter anderem einer der strkstenVerteidiger gewesen, die je fr New Haven Football gespielthatten ein Nationalheld gewissermaen, einer jener Mnner,die es mit einundzwanzig auf begrenztem Gebiet zu solcherMeisterschaft bringen, dass alles, was danach kommt, denBeigeschmack des Abstiegs hat. Er stammte aus einer

unglaublich reichen Familie. Sein verschwenderischer Umgangmit Geld hatte schon im College Ansto erregt, doch der Stil, indem er Chicago verlie und an die Ostkste zog, raubte einemschier den Atem zum Beispiel brachte er eine ganze KoppelPolo-Ponys aus Lake Forest mit. Es schien kaum zu fassen,dass ein Mann in meinem Alter derart reich sein konnte.

Was sie bewogen hatte herzukommen, wei ich nicht. Siehatten ohne besonderen Grund ein Jahr in Frankreich verbrachtund sich dann rastlos treiben lassen, mal hier, mal dortverweilend wo immer Menschen gemeinsam Polo spieltenund gemeinsam reich waren. Dieser Umzug sei endgltig, hatteDaisy am Telefon gesagt, aber das glaubte ich nicht; zwar

schaute ich Daisy nicht ins Herz, doch mein Gefhl sagte mir,dass Tom sein Leben lang weiter umherdriften wrde, stets ein

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wenig wehmtig auf der Suche nach der erregenden Turbulenzeines unwiederbringlichen Football-Spiels.Und so kam es, dass ich eines warmen, windigen Abends nachEast Egg hinberfuhr, um zwei alte Freunde zu besuchen, dieich eigentlich kaum kannte. Ihr Haus, eine freundliche, rot-weie

Villa im Kolonialstil Georgias mit Blick auf die Bucht, war nochum einiges eleganter, als ich erwartet hatte. Der Rasen begannam Strand, lief ein paar hundert Meter auf das Hauptportal zu,bersprang Sonnenuhren und Steinmuerchen und loderndeBlumenbeete und strebte schlielich, beim Hausangekommen, in leuchtenden Reben an der Seitenwand empor,als knnte er seinen Schwung nicht bremsen. Die Fassade wardurch eine Reihe von Flgeltren aufgelockert, die im goldenenWiderschein glhten und, weit geffnet, die warme Brise desspten Nachmittags hereinlieen. Tom Buchanan stand inReitkleidung breitbeinig drauen auf der Veranda.Er hatte sich seit den Jahren in New Haven verndert. Jetzt warer ein untersetzter Mann um die Dreiig mit strohigem Haar,

einem etwas harten Zug um den Mund und berheblichemAuftreten. Zwei funkelnde, arrogante Augen hatten in seinemGesicht die Herrschaft bernommen und gaben ihm denAnschein, als beugte er sich unentwegt kampflustig vor. Auchder feminine Schick seines Reitdresses vermochte nicht dieungeheure Kraft dieses Krpers zu verbergen seine Waden

drohten die oberste Schnrung der blankpolierten Stiefel zusprengen, und wenn er unter der dnnen Jacke die Schulternbewegte, sah man ein gewaltiges Muskelpaket spielen. Es warein Krper, der ungeheure Wucht entfalten konnte einunbarmherziger Krper.Seine Stimme, ein rauher, heiserer Tenor, verstrkte den

Eindruck von Streitbarkeit, den er vermittelte. Es schwang einegewisse gnnerhafte Herablassung darin mit, selbst gegenber

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Menschen, die er mochte und in New Haven hatte mancheiner ihn regelrecht gehasst.Ihr msst nicht denken, dass meine Meinung hierzuunumstlich ist, schien er zu sagen, nur weil ich strker undmnnlicher bin als ihr. Im College hatten wir derselben Senior

Society angehrt, und obwohl wir nie sonderlich eng befreundetgewesen waren, hatte ich doch immer den Eindruck gehabt, alszollte er mir Anerkennung und hoffte seinerseits mit einergewissen schroffen, herausfordernden Art, von mir gemocht zuwerden.Wir unterhielten uns ein paar Minuten auf der sonnigenVeranda.Ein nettes Pltzchen habe ich hier, sagte er, und seineAugen zuckten unruhig umher.Er fasste mich am Arm, drehte mich herum und zeigte mir miteiner schwungvollen Geste seiner breiten flachen Hand denBlick von der Vorderseite des Hauses, der einen tiefliegendenitalienischen Garten, einen halben Morgen satter, stark

duftender Rosen und ein vor der Kste auf den Wellenhpfendes, stumpfnasiges Motorboot einschloss.Es gehrte mal dem lunternehmer Demaine. Abermalsdrehte er mich hflich und abrupt herum. Gehen wir hinein.Durch einen hohen Gang gelangten wir in einen lichten,rosenfarbenen Raum, der von Flgeltren an beiden Enden lose

ins Haus gefgt war. Die Fenster standen offen und hoben sichleuchtend wei gegen das frische Gras drauen ab, dasbeinahe ein kleines Stck ins Haus hineinzuwachsen schien.Eine Brise blies durch den Raum, blies Vorhnge wie blasseFahnen auf der einen Seite herein und zur anderen hinaus,verzwirbelte sie bis hoch an den Hochzeitstortenguss der

Zimmerdecke, kruselte den weinfarbenen Teppich und warfeinen Schatten darauf wie Wind auf dem Meer.

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Der einzige vollkommen unbewegliche Gegenstand im Raumwar eine riesige Couch, auf der zwei junge Frauen schwebtenwie in einem verankerten Fesselballon. Sie waren beide ganz inWei gekleidet, und ihre Rcke schwangen und flatterten, alswren sie nach einem kurzen Flug ums Haus eben erst wieder

hereingeweht worden. Ich muss wohl einige Augenblicke nur sodagestanden und dem Peitschen und Knattern der Vorhngeund dem chzen eines Bildes an der Wand gelauscht haben.Dann ertnte ein Knall Tom Buchanan hatte die hinteren Trengeschlossen , der im Zimmer gefangene Wind erstarb, und dieVorhnge und die Teppiche und die zwei jungen Frauen sankenlangsam zur Erde.Die Jngere der beiden kannte ich nicht. Sie lag ganz und garregungslos der Lnge nach ausgestreckt auf ihrer Seite desDiwans und reckte das Kinn ein wenig vor, als balancierte sieetwas darauf, das jeden Moment hinunterzurutschen drohte.Falls sie mich aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte, gabsie es nicht zu erkennen fast htte ich unwillkrlich eine

Entschuldigung gemurmelt, dass ich sie durch meinHereinkommen gestrt hatte.Das andere Mdchen, Daisy, machte Anstalten, sich zuerheben sie beugte sich mit gewissenhafter Miene ein wenigvor , dann lachte sie, ein absurdes, reizendes kleines Lachen,und ich lachte auch und trat ein paar Schritte weiter ins Zimmer

hinein.Ich freue mich w-wahnsinnig.Sie lachte abermals, als htte sie etwas besondersGeistreiches gesagt, hielt meine Hand und schaute zu mir hoch,und ihr Blick versprach, dass es auf der ganzen Weltniemanden gab, den sie in diesem Moment lieber gesehen

htte als mich. Das war so ihre Art. Sie flsterte mir zu, dasbalancierende Mdchen heie mit Nachnamen Baker.

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(Bisweilen wurde behauptet, Daisy flstere so, damit die Leutesich zu ihr hinberbeugten; ein haltloser Vorwurf, der ihremFlstern nichts von seinem Zauber nahm.)Miss Bakers Lippen jedenfalls zitterten ein wenig, sie nickte mirkaum merklich zu und legte dann rasch wieder den Kopf in den

Nacken offenbar war der Gegenstand, den sie balancierte,ein wenig ins Kippeln geraten, und sie hatte sich erschreckt.Abermals fehlte nicht viel, und ich htte mich entschuldigt.Menschen, die sich selbst vollkommen zu gengen scheinen,versetzen mich fast unweigerlich in ehrfrchtiges Staunen.Ich schaute wieder zu meiner Cousine, die mir nun mit ihrerleisen, betrenden Stimme Fragen stellte. Es war eine Stimme,deren Auf und Ab das Ohr folgt, als wre jede ihrer uerungeneine kleine Komposition, die niemals wieder so gespieltwerden wrde. Daisy hatte ein trauriges, hbsches Gesicht, indem es leuchtete leuchtende Augen und einen leuchtenden,sinnlichen Mund; in ihrer Stimme aber schwang eine Erregungmit, die jeder Mann, dem sie einmal etwas bedeutet hatte,

schwer zu vergessen fand: ein singendes Drngen, eingehauchtes Hr doch, ein Raunen, dass sie gerade erstschne, aufregende Dinge erlebt hatte und bald schon nochmehr schne, aufregende Dinge auf sie warteten.Ich erzhlte ihr, auf meinem Weg an die Ostkste htte icheinen Tag in Chicago verbracht und ein Dutzend Leute lieen

ihr die liebsten Gre ausrichten.Vermissen sie mich?, rief sie entzckt.Die ganze Stadt ist untrstlich. Bei allen Autos ist zumZeichen der Trauer das linke Hinterrad schwarz bemalt, und amNordufer erhebt sich Nacht fr Nacht anhaltendes Wehklagen.Wie herrlich! Lass uns zurckgehen, Tom. Gleich morgen!

Dann fgte sie zusammenhanglos hinzu: Du solltest die Kleinemal sehen.

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Das wrde ich gern.Im Augenblick schlft sie. Sie ist jetzt zwei Jahre alt. Hast dusie noch nie gesehen?Nein, nie.Also, du musst sie sehen. Sie ist

Tom Buchanan, der die ganze Zeit rastlos hin-undhergewandert war, blieb stehen und legte mir eine Hand auf dieSchulter. Und was treibst du so, Nick?Ich bin an der Brse.Fr wen?Ich nannte den Namen.Nie gehrt, sagte er entschieden.Das rgerte mich.Warts ab, antwortete ich. Du kriegst ihn schon noch zuhren, wenn du hier im Osten bleibst.Oh, ich bleibe hier im Osten, keine Sorge, sagte er. Erblickte zu Daisy und dann wieder zu mir, als machte er sich aufetwas gefasst. Ich msste ja ein verdammter Idiot sein, wenn

ich irgendwo anders leben wollte.Absolut!, sagte Miss Baker da so pltzlich, dass icherschrak es war das erste Wort, das sie uerte, seit ich insZimmer gekommen war. Offenbar berraschte es sieebensosehr wie mich, denn sie ghnte und stand mit einerReihe flinker, geschickter Bewegungen auf.

Ich bin ganz steif, klagte sie. Ich habe eine halbe Ewigkeitauf diesem Sofa gelegen.Schau mich nicht so an, sagte Daisy. Ich wollte dich denganzen Nachmittag zu einer Fahrt nach New York berreden.Nein, danke, sagte Miss Baker angesichts der vierCocktails, die eben aus dem Anrichteraum hereingebracht

wurden. Ich bin absolut strikt im Training.Ihr Gastgeber schaute sie unglubig an.

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Tatschlich! Er strzte sein Getrnk hinunter, als wre es einTropfen auf dem Boden eines Glases. Wie du je irgendetwasschaffst, ist mir ein Rtsel.Ich schaute Miss Baker an und fragte mich, was es war, das sieschaffte. Sie war hbsch anzuschauen, ein schlankes,

flachbrstiges Mdchen mit einer sehr aufrechten Haltung, diesie noch betonte, indem sie die Schultern zurckwarf wie einunger Kadett. Ihre grauen, sonnenstrapazierten Augen in demblassen, aparten, unzufriedenen Gesicht blickten mich ihrerseitsmit hflicher Neugier an. Jetzt fiel mir ein, dass ich sie oder einBild von ihr irgendwo schon einmal gesehen hatte.Sie wohnen also in West Egg, bemerkte sie verchtlich. Dakenne ich jemanden.Ich kenne dort keine MenschenseeSie mssen doch Gatsby kennen.Gatsby?, fragte Daisy. Welchen Gatsby?Bevor ich antworten konnte, er sei mein Nachbar, wurden wirzum Essen gerufen. Tom Buchanan klemmte gebieterisch

seinen straffen Arm unter meinen und schob mich aus demZimmer, als bewegte er eine Schachfigur auf ein anderes Feld.Langgliedrig, trge, die Hnde leicht auf die Hften gelegt,gingen die beiden jungen Frauen uns voran und traten auf einerosenfarbene Veranda hinaus, die dem Sonnenuntergangzugewandt war. Auf einem Tisch flackerten vier Kerzen im

schwcher gewordenen Wind.Wozu Kerzen?, fragte Daisy stirnrunzelnd. Sie schnippte siemit den Fingern aus. In zwei Wochen ist der lngste Tag imJahr. Sie schaute uns alle strahlend an. Wartet ihr auchimmer auf den lngsten Tag des Jahres und verpasst ihn dann?Ich warte jedes Mal wieder auf den lngsten Tag im Jahr, und

dann verpasse ich ihn.Wir sollten irgendwas unternehmen, ghnte Miss Baker und

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setzte sich an den Tisch, als ginge sie zu Bett.Gut, sagte Daisy. Aber was? Sie wandte sichhilfesuchend an mich. Was unternimmt man denn so?Bevor ich antworten konnte, heftete sich ihr Blick verwundert aufihren kleinen Finger.

Schaut mal!, klagte sie. Ich habe mich verletzt.Wir schauten der Knchel war grn und blau.Das warst du, Tom, sagte sie vorwurfsvoll. Ich wei, dassdus nicht wolltest, aber du warst es trotzdem. Das habe ich nundavon, dass ich einen solchen Koloss von einem Manngeheiratet habe, ein riesengroes, klobiges Exemplar voneinem Ich hasse das Wort Koloss, sagte Tom gereizt. Auch imScherz.Ein Koloss, wiederholte Daisy.Manchmal redeten sie und Miss Baker gleichzeitig,unaufdringlich und mit einer frivolen Oberflchlichkeit, die nieganz Geplapper war, so khl wie ihre weien Kleider und ihre

ungerhrten, aller Sehnsucht baren Blicke. Sie waren hier undsie duldeten Tom und mich, machten hchstens den netten,hflichen Versuch, uns zu unterhalten oder sich ihrerseitsunterhalten zu lassen. Sie wussten, dass das Abendessen baldvorbei war und wenig spter auch der Abend vorbei und erledigtwre. Das war ein krasser Gegensatz zum Mittelwesten, wo ein

Abend bis zu seinem Ende von einer Phase zur nchsten gejagtwurde, in unablssig enttuschter Erwartung oder blanker Angstvor dem Augenblick selbst.Neben dir fhle ich mich so unzivilisiert, Daisy, gestand ichbeim zweiten Glas korkigem, aber ziemlich beeindruckendemBordeaux. Kannst du nicht mal ber die Ernte oder so etwas

reden? Ich hatte nichts Besonderes damit sagen wollen, aberes zeigte eine berraschende Wirkung.

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Die Zivilisation geht vor die Hunde, brach es leidenschaftlichaus Tom hervor. Ich bin in letzter Zeit ein furchtbarer Pessimistgeworden. Habt ihrDer Aufstieg der farbigen Vlker vondiesem Goddard gelesen?Nein, antwortete ich, etwas erstaunt ber seinen Ton.

Nun, das ist ein gutes Buch, und jeder sollte es lesen. Wennwir nicht aufpassen, lautet die These, wird wird die weieRasse vollstndig unterjocht werden. Das ist alleswissenschaftlich; alles erwiesen.Tom wird neuerdings immer tiefsinniger, sagte Daisy miteinem Ausdruck gedankenleerer Traurigkeit. Er liest schlaueBcher mit langen Wrtern darin. Was war das noch fr einWort, das wir Nun, es sind alles wissenschaftliche Bcher, wiederholteTom und sah sie unwirsch an. Der Bursche hat das Ganzegrndlich erforscht. Wir, die herrschende Rasse, mssenaufpassen, dass die anderen Rassen nicht eines Tages dieMacht bernehmen.

Wir mssen sie niederschlagen, flsterte Daisy und blinzeltewild in die glhende Sonne.Ihr solltet in Kalifornien leben , begann Miss Baker, dochTom unterbrach sie, indem er unruhig auf seinem Stuhlherumrutschte.Er sagt, wir gehren zur nordischen Rasse. Ich und du und du

und Er zgerte einen winzigen Augenblick, ehe er mit einemleichten Nicken auch Daisy einschloss, und sie zwinkerte mirerneut zu, und wir htten all die Dinge hervorgebracht, diedie Zivilisation ausmachen, die Wissenschaft und die Kunst undall das. Versteht ihr?Seine Konzentration hatte etwas Peinliches, als ob seine

Selbstzufriedenheit, die rger war denn je, ihm nicht mehrgengte. Als fast in derselben Sekunde das Telefon klingelte

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und der Butler ins Haus ging, ergriff Daisy die Gelegenheit beimSchopf und neigte sich zu mir herber.Ich verrate dir jetzt ein Familiengeheimnis, flsterte siebegeistert. Es hat mit der Nase des Butlers zu tun. Willst dudie Geschichte von der Nase des Butlers hren?

Darum bin ich heute Abend hergekommen.Also er war nicht immer Butler; frher hat er als Silberputzerbei Leuten in New York gearbeitet, die ein Silberservice frzweihundert Personen hatten. Das musste er von morgens bisabends putzen, bis das Silberputzmittel irgendwann seine Naseanzugreifen begann Es wurde immer schlimmer, warf Miss Baker ein.Genau. Es wurde immer schlimmer, und schlielich musste erseine Stellung aufgeben.Einen Moment lang fielen die letzten Sonnenstrahlen mitromantischer Hingabe auf ihr glhendes Gesicht; ihre Stimmezwang mich beim Zuhren atemlos immer weiter nach vorn dann erlosch das Glhen, und zgernd und betrbt wich alles

Licht von ihr, wie Kinder in der Abenddmmerung eine belebteStrae verlassen.Der Butler kam wieder und flsterte Tom etwas ins Ohr, woraufdieser die Stirn runzelte, seinen Stuhl zurckschob und ohne einWort im Haus verschwand. Als erweckte seine Abwesenheitetwas in ihr zum Leben, beugte Daisy sich erneut vor, und ihre

Stimme glhte und sang.Es ist so schn, dich hier an meinem Tisch sitzen zu sehen,Nick. Du erinnerst mich an eine Rose, eine absolutvollkommene Rose. Nicht wahr?, sagte sie, an Miss Bakergewandt. Eine absolut vollkommene Rose?Das war Unsinn. Ich hnele nicht einmal entfernt einer Rose.

Sie improvisierte nur, aber sie verstrmte dabei eine erregendeWrme, als versuchte ihr Herz, verhllt in eines jener atemlosen,

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betrenden Wrter, zu mir herauszukommen. Dann warf siepltzlich ihre Serviette auf den Tisch, entschuldigte sich undging ins Haus.Miss Baker und ich wechselten einen kurzen, bewusstausdruckslosen Blick. Ich wollte etwas sagen, da setzte sie sich

kerzengerade auf und gab ein warnendes Psst! von sich. Imangrenzenden Zimmer war gedmpftes, leidenschaftlichesGeflster zu hren, und Miss Baker beugte sich ungeniert vor,um zu lauschen. Das Geflster schwoll an, bis es beinahe zuverstehen war, wurde leiser, brandete strmisch auf undverebbte dann ganz.Dieser Mr. Gatsby, von dem Sie vorhin sprachen er ist meinNachbar , sagte ich.Nicht reden. Ich mchte hren, was passiert.Passiert denn etwas?, fragte ich treuherzig.Heit das etwa, Sie wssten es nicht?, sagte Miss Bakeraufrichtig erstaunt. Ich dachte, alle Welt wsste es.Ich nicht.

Na ja, sagte sie zgernd, Tom hat eine Freundin in NewYork.Eine Freundin?, wiederholte ich dmmlich.Miss Baker nickte.Sie knnte wenigstens so viel Anstand besitzen, ihn nicht zurEssenszeit anzurufen. Finden Sie nicht?

Noch ehe ich ganz begriffen hatte, was sie meinte, hrte manein Kleid rascheln und Stiefel knirschen, und Tom und Daisywaren wieder bei uns am Tisch.Entschuldigt bitte!, rief Daisy angestrengt frhlich.Sie setzte sich, schaute forschend erst Miss Baker, dann michan und fuhr fort: Ich war eben kurz drauen es ist so

romantisch! Da sitzt ein Vogel auf dem Rasen, wahrscheinlicheine Nachtigall, die auf der Cunard oder der White Star Line

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herbergekommen ist. Sie singt und singt sang ihre Stimme Ist es nicht romantisch, Tom?Sehr romantisch, sagte er und fgte an mich gewandttrbselig hinzu: Wenn es nach dem Essen noch hell genug ist,wrde ich dir gern die Pferdestlle zeigen.

Drinnen klingelte schrill das Telefon, und whrend Daisy Tomanschaute und entschieden den Kopf schttelte, lste sich dasThema Stlle, ja lsten sich alle Gesprchsthemen in Luft auf.Von den letzten fnf Minuten am Tisch habe ich nur Bruchstckein Erinnerung behalten, etwa, wie die Kerzen sinnlos wiederangezndet wurden, und ich merkte, dass ich jedem der dreianderen offen ins Gesicht schauen und zugleich allen Blickenausweichen wollte. Was in Daisys und Toms Kopf vor sich ging,konnte ich nicht einmal erahnen, aber ich glaube, selbst MissBaker, die sich eine gewisse hartleibige Skepsis antrainiert zuhaben schien, war kaum in der Lage, das gellende metallischeInsistieren dieses fnften Gastes vollends zu ignorieren.Manchen Gemtern wre die Situation womglich faszinierend

erschienen ich aber htte am liebsten auf der Stelle diePolizei gerufen.Natrlich wurden die Pferde mit keiner Silbe mehr erwhnt.Tom und Miss Baker schlenderten, einige Handbreit Zwielichtzwischen sich, in die Bibliothek zurck, als wollten sie bei einemtatschlich anwesenden Krper Wache halten, whrend ich

freundlich interessiert und ein wenig taub tat und Daisy bereine Kette miteinander verbundener Veranden zur Vorderseitedes Hauses folgte. Dort setzten wir uns in tiefer DunkelheitSeite an Seite auf ein kleines Korbsofa.Daisy legte das Gesicht in ihre Hnde, wie um dessen hbscheForm zu fhlen, und ihr Blick wanderte langsam hinaus in die

samtene Dmmerung. Ich sah, dass sie von heftigen Gefhlenheimgesucht wurde, und so stellte ich ihr ein paar Fragen ber

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ihre kleine Tochter, in der Hoffnung, das wrde sie beruhigen.Wir kennen uns nicht sehr gut, Nick, sagte sie pltzlich.Obwohl wir verwandt sind. Du warst nicht auf meinerHochzeit.Ich war noch nicht aus dem Krieg zurck.

Stimmt. Sie zgerte. Tja, ich habe eine schwere Zeit hintermir, und ich bin ziemlich zynisch geworden.Offenbar hatte sie Grund dazu. Ich wartete ab, doch sie sagtenichts weiter, und nach einer Weile kam ich etwas hilflos wiederauf ihre Tochter zurck.Ich nehme an, sie spricht und isst und so weiter.O ja. Sie schaute mich gedankenverloren an. Ach, Nick; ichwei noch, was ich bei ihrer Geburt gesagt habe. Mchtest dushren?Aber sicher.Du kannst daran erkennen, wie ich inzwischen so denke.Also, sie war noch nicht einmal eine Stunde alt, und Tom hattesich Gott wei wohin verdrckt. Ich wachte mit einem Gefhl

vlliger Verlassenheit aus der Narkose auf und fragte dieHebamme sofort, ob es ein Junge oder ein Mdchen sei. Alssie mir sagte, es sei ein Mdchen, wandte ich mich ab undweinte. Na schn, sagte ich, ich bin froh, dass es einMdchen ist. Und ich hoffe, sie wird eine dumme Gans das istdas Beste, was einem Mdchen auf dieser Welt passieren

kann: eine hbsche kleine dumme Gans zu sein.Ich finde sowieso alles ganz schrecklich, verstehst du, fuhrsie sehr berzeugt fort. Alle finden das selbst diekultiviertesten Leute. Es ist so, ich wei es. Ich bin berallgewesen, ich habe alles gesehen und alles gemacht. IhreAugen blitzten trotzig, ganz hnlich wie Toms, und dazu lachte

sie hell und hhnisch. Weltgewandt Gott, bin ichweltgewandt!

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Sobald ihre Stimme abbrach und nicht lnger meineAufmerksamkeit, meinen guten Glauben an sich band, sprteich die Unaufrichtigkeit ihrer Worte. Mir war unbehaglichzumute, so als wre der ganze Abend nur darauf angelegtgewesen, mir eine Gefhlsregung zu entlocken, die sie

besttigen sollte. Ich wartete, und in der Tat: Einen Augenblickspter schaute sie mich mit einem ganz und gar affektiertenLcheln auf dem hbschen Gesicht an, als htte sie geradeklargestellt, dass sie und Tom einem exklusiven Geheimbundangehrten.Der karmesinrote Raum war hell erleuchtet. Tom und MissBaker saen an je einem Ende der langen Couch, und sie lasihm aus der Saturday Evening Post vor; die Wrter, eingleichmiges Gemurmel, verflossen zu einer trstlichenMelodie. Das Lampenlicht glnzte auf seinen Stiefeln,schimmerte matt auf ihrem herbstlaubgelben Haar und flackerteber die Zeitung, whrend Miss Bakers schlanker Arm mitleichtem Muskelspiel die Seite umbltterte.

Als wir hereinkamen, gebot sie uns mit erhobener Hand nocheinen Augenblick Stille.Und die Fortsetzung, sagte sie und warf die Zeitschrift aufden Tisch, folgt in der nchsten Ausgabe.Mit einer nervsen Bewegung der Knie straffte sich ihr Krper,und sie stand auf.

Zehn Uhr, bemerkte sie und schien die Zeit an derZimmerdecke abzulesen. Dieses brave Mdchen hier mussetzt ins Bett.Jordan spielt morgen ein Turnier, erklrte Daisy. Drben inWestchester.Ach Sie sind Jordan Baker.

Jetzt begriff ich, warum mir ihr Gesicht vertraut war seinangenehm stolzer Ausdruck hatte mir aus zahlreichen Tiefdruck-

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Fotografien vom sportlichen Leben in Asheville, Hot Springsund Palm Beach entgegengeblickt. Ich meinte auch einmaletwas ber sie gehrt zu haben, irgendetwas Heikles,Unschnes, aber was es war, hatte ich lngst vergessen.Gute Nacht, sagte sie leise. Weckt mich um acht, ja?

Wenn du auch aufstehst Natrlich steh ich auf. Gute Nacht, Mr. Carraway. Auf baldeinmal.Oh, ganz sicher, bekrftigte Daisy. Ich glaube sogar, ichwerde euch verkuppeln. Du musst fter zu uns kommen, Nick,und ich werde euch quasi oh, einander in die Arme treiben. Ihrwisst schon euch versehentlich zusammen im Wscheschrankeinsperren, euch in einem Boot aufs Meer hinausstoen, etwasin der Art Gute Nacht, rief Miss Baker von der Treppe aus. Ich habenichts gehrt.Ein nettes Mdchen, sagte Tom kurz darauf. Sie sollten sienicht so allein in der Gegend herumlaufen lassen.

Wen meinst du?, fragte Daisy kalt.Ihre Familie.Ihre Familie besteht aus einer einzigen Tante, die ungefhrtausend Jahre alt ist. Auerdem kmmert sich Nick ja von jetztan um sie, nicht wahr, Nick? Sie wird diesen Sommer vieleWochenenden hier bei uns verbringen. Ich glaube, der husliche

Einfluss wird ihr guttun.Daisy und Tom schauten sich einen Augenblick langschweigend an.Kommt sie aus New York?, fragte ich schnell.Aus Louisville. Wir haben dort unsere weie Kindheitzusammen verbracht. Unsere schne weie

Hast du Nick auf der Veranda dein Herz ausgeschttet?,fragte Tom pltzlich.

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Habe ich das? Sie schaute mich an. Ich wei es gar nichtmehr genau, aber ich glaube, wir haben uns ber die nordischeRasse unterhalten. Ja, ganz sicher. Wir wollten es gar nicht,aber ehe wirs uns versahen Glaub nicht alles, was du hrst, Nick, riet er mir.

Ich sagte leichthin, ich htte berhaupt nichts gehrt, und einpaar Minuten spter erhob ich mich, um nach Hause zu gehen.Sie begleiteten mich zur Tr und standen Seite an Seite ineinem frhlichen Rechteck aus Licht. Als ich den Motor anlie,rief Daisy gebieterisch: Halt! Ich habe vergessen, dich etwaszu fragen, etwas Wichtiges. Wir haben gehrt, du hast dich dadrauen im Westen verlobt.Stimmt, besttigte Tom freundlich. Wir haben gehrt, duseist verlobt.Das ist eine Verleumdung. Dafr bin ich zu arm.Aber wir haben es gehrt, wiederholte Daisy und ffnete sichzu meiner berraschung erneut wie eine Blume. Wir haben esvon drei verschiedenen Leuten gehrt, also muss es wahr

sein.Natrlich wusste ich, wovon sie sprachen, doch ich war nicht imentferntesten verlobt. Die Tatsache, dass die Klatschmulerbereits das Aufgebot bestellt hatten, war einer der Grnde,weshalb ich an die Ostkste gezogen war. Man kann einer altenFreundin wegen derlei Gerede nicht den Laufpass geben, aber

ich versprte auch keine Neigung, mich in die Ehehineintratschen zu lassen.Das Interesse der beiden rhrte mich irgendwie und lie sieweniger unerreichbar reich erscheinen und doch war ich, alsich abfuhr, verwirrt und ein wenig verstimmt. Ich fand, Daisyhtte auf der Stelle mit dem Kind auf dem Arm das Haus

verlassen sollen doch offensichtlich hatte sie nichtsdergleichen im Sinn. Was Tom betraf, so berraschte mich

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eigentlich weniger die Tatsache, dass er eine Freundin in NewYork hatte, als dass ein Buch ihn deprimieren konnte. Ausirgendeinem Grund knabberte er an den Rndernabgestandener Ideen, als gbe sein robuster krperlicherEgoismus seinem gebieterischen Herzen keine Nahrung mehr.

Es herrschte schon Hochsommer auf den Dchern derRaststtten und vor den Tankstellen am Straenrand, wo neuerote Zapfsulen inmitten von Lichtlachen standen, und als ichmein Grundstck in West Egg erreicht hatte, fuhr ich den Wagenin seinen Verschlag und setzte mich eine Weile auf eineRasenwalze, die jemand im Garten hatte stehenlassen. DerWind war abgeflaut und einer lauten, hellen Nacht gewichen,erfllt vom Flgelschlagen in den Bumen und einemanhaltenden Orgelton aus dem Blasebalg der Erde, der denFrschen Leben einblies. Die Silhouette einer Katze huschteber das Mondlicht, und als ich den Kopf wandte, um ihr mit denAugen zu folgen, entdeckte ich, dass ich nicht allein war kaumzwanzig Meter von mir entfernt war eine Gestalt aus dem

Schatten der Nachbarvilla getreten und betrachtete, die Hndein den Hosentaschen, den silbernen Sternenpfeffer. Irgendetwasan seinen bedchtigen Bewegungen und die Art, wie er mitbeiden Fen sicher auf dem Rasen stand, legte die Vermutungnahe, dass dies Mr. Gatsby persnlich war, der einmalnachsehen wollte, welcher Teil des hiesigen Himmels der seine

war.Ich beschloss, ihn anzusprechen. Miss Baker hatte beimAbendessen seinen Namen erwhnt, das sollte als Empfehlunggengen. Aber dann tat ich es doch nicht, denn er erweckte aufeinmal den Eindruck, als bliebe er lieber allein er streckte aufeine seltsame Weise die Arme zum dunklen Wasser aus, und

selbst aus der Entfernung htte ich schwren knnen, dass erzitterte. Unwillkrlich schaute ich zum Meer und sah dort nichts

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als ein einzelnes grnes Licht, winzig klein und weit entfernt, dasdas Ende eines Stegs markieren mochte. Als ich noch einmalzu Gatsby blickte, war er verschwunden, und ich war wiederallein in der unruhigen Dunkelheit.

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Ungefhr auf halbem Weg zwischen West Egg und New Yorkvereinigt sich die Autostrae jh mit der Eisenbahntrasse undluft etwa einen halben Kilometer neben ihr her, als schreckte

sie vor einem gewissen gottverlassenen Stck Land zurck. Esist ein Tal der Asche eine absurde Farm, wo Asche wieWeizen zu Bergketten und Hgeln und grotesken Grtenanwchst, wo Asche die Gestalt von Husern undSchornsteinen und Rauchsulen annimmt und schlielich mitbernatrlicher Anstrengung sogar Menschen formt, die

schemenhaft und schon zerbrselnd durch den Staub geistern.Von Zeit zu Zeit kriecht eine Reihe grauer Waggons ber einunsichtbares Gleis, kreischt gespenstisch und kommt zumStehen, und augenblicklich schwrmen die aschgrauenMenschen mit bleiernen Spaten aus und wirbeln eine dichteWolke auf, die ihr dunkles Treiben allen Blicken entzieht.ber dieser grauen Landschaft jedoch und den dsterenStaubschwaden, die unablssig darber hinwegziehen, siehtman nach einer Weile die Augen von Doktor T. J. Eckleburg.Die Augen von Doktor T. J. Eckleburg sind blau und riesengro mit Augpfeln von einem Meter Durchmesser. Sie schauenaus keinem Gesicht, sondern hinter einer gewaltigen gelbenBrille hervor, die auf einer nicht vorhandenen Nase thront.

Irgendein Witzbold von Augenarzt muss sie, um seine Praxis imStadtteil Queens zum Florieren zu bringen, dort hingesetzthaben und anschlieend selbst in ewiger Blindheit versunkensein, oder er ist fortgezogen, ohne noch an sie zu denken. DieAugen aber, von vielen farblosen Tagen unter der Sonne unddem Regen ein wenig getrbt, brten weiter ber der dsteren

Schutthalde.Das Tal der Asche wird auf einer Seite von einem kleinen

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brackigen Fluss begrenzt, und wenn die Zugbrcke oben ist, umSchleppkhne durchzulassen, haben die Passagiere in denwartenden Waggons manchmal das Vergngen, diese trostloseSzenerie bis zu einer halben Stunde lang zu betrachten.Mindestens eine Minute dauert der Halt dort jedoch immer, und

bei einer solchen Gelegenheit sah ich Tom Buchanans Geliebtezum ersten Mal.Dass er eine hatte, war bekannt. Die Leute fanden estadelnswert, dass er in beliebten Restaurants mit ihr auftauchteund sie allein an einem Tisch sitzen lie, whrend er mit allerWelt plauderte. Ich war zwar neugierig auf sie, versprte aberkeinerlei Bedrfnis, ihre Bekanntschaft zu machen und machtesie doch. Eines Nachmittags fuhren Tom und ich mit dem Zugnach New York, und als wir bei den Aschebergen anhielten,sprang er auf, packte mich am Ellbogen und zerrte michfrmlich aus dem Wagen.Wir steigen aus!, befahl er. Ich mchte dir meine Freundinvorstellen.

Ich glaube, er hatte beim Mittagessen schwer getankt, und dieArt, wie er auf meiner Gesellschaft bestand, grenzte an Gewalt.Offenbar ging er selbstherrlich davon aus, ich htte an einemSonntagnachmittag nichts Besseres vor.Wir stiegen ber eine niedrige, weigetnchte Bahnschrankeund liefen unter Doktor Eckleburgs starrem Blick hundert Meter

die Strae zurck. Das einzige Gebude weit und breit war einkleiner Huserblock aus gelben Ziegeln am Rand des dlands,der von einer Art Hauptstrae versorgt wurde und an absolut garnichts angrenzte. Einer der drei Lden war zu vermieten, derzweite war ein rund um die Uhr geffnetes Lokal, auf das einAschepfad zulief, und der dritte eine Autowerkstatt mit einer

Tankstelle davor Reparaturen. George B. Wilson. An-undVerkauf. Dort hinein folgte ich Tom.

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Die Halle war schbig und kahl. Soweit ich sah, stand nur eineinziger Wagen in einer der dunklen Ecken, ein staubbedecktesWrack von einem Ford. Ich dachte schon, dieser Schatten einerAutowerkstatt msse eine Tarnung sein und im Stockwerkdarber verbrgen sich luxurise, romantische Wohnungen, als

der Eigentmer in der Tr seines Bros erschien und sich dieHnde an einem alten Lappen abwischte. Er war ein blonder,mder Mann, anmisch und eigentlich nicht schlecht aussehend.Als er uns sah, trat ein Hoffnungsschimmer in seine hellblauenAugen.Hallo, Wilson, alter Junge, sagte Tom und schlug ihmleutselig auf die Schulter. Wie laufen die Geschfte?Ich kann nicht klagen, sagte Wilson, doch es klang nichtberzeugend. Wann verkaufen Sie mir den Wagen?Nchste Woche; mein Bursche arbeitet noch dran.Braucht ziemlich lange, was?Nein, keineswegs, sagte Tom kalt. Aber wenn Sie dieserAnsicht sind, sollte ich ihn vielleicht doch besser anderswo

verkaufen.So hab ich das nicht gemeint, beeilte Wilson sich zuerklren. Ich meinte ja bloSeine Stimme erstarb, und Tom schaute sich missmutig in derWerkstatt um. Dann hrte ich Schritte auf der Treppe, und einenMoment spter schob sich die mollige Gestalt einer Frau vor

das durch die Brotr hereinfallende Licht. Sie war MitteDreiig und etwas fllig, gehrte aber zu jenen Frauen, die ihrppiges Fleisch mit Sinnlichkeit zu tragen wissen. Ihr Gesichtber dem getpfelten Kleid aus dunkelblauem Crpe-de-Chinezeigte keinen Funken oder Schimmer von Schnheit, und dochstrahlte sie eine sofort sprbare Vitalitt aus, so als ob die

Nerven in ihrem Krper unentwegt glhten. Sie lchelte zgernd,whrend sie durch ihren Mann hindurchging, als wre er ein

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Geist, schttelte Tom die Hand und schaute ihm fest in dieAugen. Dann befeuchtete sie ihre Lippen und sagte, ohne sichumzudrehen, mit einer leisen, rauhen Stimme zu ihrem Mann:Nun hol schon ein paar Sthle, damit man sich hier malhinsetzen kann.

Ach, natrlich, antwortete Wilson schnell und ging in daskleine Bro, wo er augenblicklich mit der Zementfarbe derWnde verschmolz. Weier Aschestaub berzog seinendunklen Anzug und sein bleiches Haar, wie er alles in dernheren Umgebung berzog auer Wilsons Frau, die jetztdicht an Tom heranrckte.Ich mchte dich sehen, sagte Tom eindringlich. Nimm dennchsten Zug.Gut.Wir treffen uns unten am Zeitungsstand.Sie nickte und rckte von ihm ab, gerade als George Wilsonmit zwei Sthlen wieder aus seinem Bro herauskam.Wir warteten weiter unten an der Strae und auer Sichtweite

auf sie. Es war wenige Tage vor dem vierten Juli, und eingraues, mageres Italienerkind legte auf den Gleisen eine langeReihe von Knallerbsen aus.Ein schrecklicher Ort, oder, sagte Tom und wechselte einenfinsteren Blick mit Doktor Eckleburg.Furchtbar.

Es tut ihr gut, hier mal rauszukommen.Hat ihr Mann nichts dagegen?Wilson? Wilson glaubt, sie besucht ihre Schwester in NeYork. Der ist so abgestumpft, der merkt kaum, dass er lebt.Und so fuhren Tom Buchanan, seine Freundin und ichgemeinsam nach New York oder nicht ganz gemeinsam, denn

Mrs. Wilson hatte sich diskret in einen anderen Wagen gesetzt.So viel Rcksicht nahm Tom dann doch auf die Gefhle

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etwaiger Mitreisender aus East Egg.Mrs. Wilson hatte sich umgezogen. Sie trug jetzt ein braunes,geblmtes Musselinkleid, das ber ihren ziemlich breiten Hftenspannte, als Tom ihr in New York auf den Bahnsteig half. AmZeitungsstand kaufte sie sich eine Ausgabe des Town Tattle

sowie eine Kino-Illustrierte und im Bahnhofsdrugstore eine ColdCream und eine kleine Flasche Parfum. Oben an derpompsen, hallenden Einfahrt lie sie vier Taxis vorberfahren,ehe sie sich fr eine neue lavendelfarbene Limousine mitgrauen Polstern entschied, in der wir aus demBahnhofsgetmmel in den strahlenden Sonnenscheinhinausglitten. Doch alsbald wandte sie sich jh vom Fenster ab,beugte sich vor und klopfte an die Trennscheibe.Ich mchte einen von den Hunden da haben, sagte sie mitNachdruck. Ich brauche einen fr das Apartment. Es ist so nett,einen zu haben einen Hund.Wir setzten ein Stck zurck und hielten neben einem grauenalten Mann, der eine absurde hnlichkeit mit John D.

Rockefeller hatte. Er hatte sich einen Korb um den Halsgehngt, in dem ein Dutzend winziger Welpen unbestimmterRasse hockten.Was sind das fr welche?, fragte Mrs. Wilson begehrlich, alsder Mann ans Taxifenster trat.Alles verschiedene. Was fr einen mchten Sie denn, meine

Dame?Ich htte gern einen Schferhund; Sie haben nicht zuflligeinen, oder?Der Mann sphte zweifelnd in den Korb, tauchte seine Handhinein und zog einen zappelnden Welpen am Nacken heraus.Das ist kein Schferhund, sagte Tom.

Nein, ein richtigerSchferhund ist es nicht, sagte der Mann,und seine Stimme klang enttuscht. Es ist eher so was wie ein

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Airedale. Er strich mit der Hand ber den flauschigen braunenRcken. Gucken Sie sich das Fell an was fr ein Fell! Beidem Hund brauchen Sie jedenfalls keine Angst zu haben, dasser sich erkltet.Ich finde ihn s, sagte Mrs. Wilson entzckt. Wie viel

kostet er?Der hier? Er betrachtete ihn wohlgefllig. Den gebe ichIhnen fr zehn Dollar.Der Airedale zweifellos hatte da irgendwo ein Airedalemitgemischt, auch wenn die Pfoten erstaunlich wei waren wechselte den Besitzer und machte es sich in Mrs. WilsonsScho bequem, die hingerissen sein wetterfestes Fellstreichelte.Ist es ein Junge oder ein Mdchen?, fragte sie zrtlich.Der? Das ist ein Junge.Das ist eine Hndin, sagte Tom bestimmt. Hier ist Ihr Geld.Kaufen Sie sich zehn weitere Hunde davon.Wir fuhren zur Fifth Avenue hinber, die an diesem

Sommersonntagnachmittag so warm und mild, ja beinahelndlich wirkte, dass ich mich nicht gewundert htte, eine groeHerde weier Schafe um die Ecke trotten zu sehen.Haltet mal, sagte ich. Ich muss hier aussteigen.Nein, musst du nicht, widersprach Tom rasch. Myrtle wregekrnkt, wenn du nicht noch mit hinaufkmst. Stimmts,

Myrtle?Ja. Bitte, drngte sie mich. Ich rufe auch meine SchwesterCatherine an. Sie ist sehr schn, sagen die Leute Leute, diedas beurteilen knnen.Ich wrde ja gern, aberWir fuhren weiter ber die Park Avenue, zurck bis zu den

Hunderter-Straen auf der Westside. In der 158. hielt das Taxivor einer langen weien Apartmenthaus-Torte an. Mrs. Wilson

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blickte sich wie eine heimkehrende Knigin nach allen Seitenum, nahm ihren Hund und ihre sonstigen Einkufe und stolziertehinein.Ich werde die McKees zu uns heraufbitten, verkndete sie,als wir im Fahrstuhl standen. Und meine Schwester rufe ich

natrlich auch an.Das Apartment befand sich in der obersten Etage ein kleinesWohnzimmer, ein kleines Esszimmer, ein kleines Schlafzimmerund ein Bad. Das Wohnzimmer war bis an die Tren mit einerGarnitur viel zu groer Mbel mit Gobelinbezug vollgestellt, sodass man auf Schritt und Tritt ber Szenen mit schaukelndenDamen im Park von Versailles stolperte. Das einzige Bild ander Wand war ein stark vergrertes Foto, dem Anschein nachein Huhn, das auf einem verschwommenen Felsen sa. Wennman es jedoch von weitem betrachtete, verwandelte sich dasHuhn in einen Hut, und das Antlitz einer flligen alten Damestrahlte ins Zimmer herab. Auf einem Tisch lagen mehrere alteAusgaben des Town Tattle neben einem Exemplar von Simon

Called Peter sowie einigen kleinen Broadway-Skandalblttchen. Mrs. Wilson kmmerte sich erst einmal umden Hund. Ein Liftboy besorgte widerwillig eine Kiste voll Strohund etwas Milch und fgte von sich aus eine Schachtel groer,harter Hundekuchen hinzu von denen einer den ganzenNachmittag ber in der Schale mit Milch schwamm und

apathisch in seine Bestandteile zerfiel. Unterdessen hatte Tomeine Flasche Whiskey aus einem verschlossenen Schrnkchenhervorgeholt.Ich war in meinem Leben nur zweimal betrunken, und jenerNachmittag war das zweite Mal; deshalb liegt ein Dunstschleierber allem, was geschah, obwohl das Apartment noch bis nach

acht Uhr von freundlichem Sonnenlicht erfllt war. Mrs. Wilsonsa auf Toms Scho und rief eine Reihe von Leuten an; dann

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hatten wir keine Zigaretten mehr, und ich machte mich auf denWeg, um im Drugstore an der Ecke welche zu kaufen. Als ichzurckkam, waren die beiden verschwunden, also setzte ichmich diskret ins Wohnzimmer und las ein Kapitel von SimonCalled Peter entweder war es furchtbar schlecht, oder aber

der Whiskey trbte meine Wahrnehmung, jedenfalls ergab es frmich nicht den geringsten Sinn.Kaum waren Tom und Myrtle nach dem ersten Drink nanntenMrs. Wilson und ich uns beim Vornamen wieder aufgetaucht,als auch schon die ersten Gste eintrafen.Die Schwester, Catherine, war eine schlanke, mondne Frauum die Dreiig mit einem dichten, steifen Schopf roter Haareund milchigwei gepudertem Teint. Ihre Augenbrauen warengezupft und dann in khnerem Schwung nachgezogen, doch dieAnstrengungen der Natur, die alte Linienfhrungwiederherzustellen, gaben ihrem Gesicht etwasVerschwommenes. Wenn sie umherlief, war stndig ein Klirrenzu hren, weil unzhlige Emaillereifen an ihren Armen auf und

ab klimperten. Sie kam mit solcher Selbstverstndlichkeithereingerauscht und schaute derart stolz auf das Mobiliar, dassich schon dachte, sie wohne hier. Als ich sie danach fragte,lachte sie bertrieben laut, wiederholte meine Frage underklrte mir, sie logiere zusammen mit einer Freundin im Hotel.Mr. McKee war ein blasser, femininer Mann, der in der

Wohnung unter Mrs. Wilson wohnte. Er schien sich gerade erstrasiert zu haben, jedenfalls hatte er noch einen weienSchaumfleck auf der Wange, und grte jeden im Raum mituerster Zuvorkommenheit. Er teilte mir mit, er sei in derKunstbranche ttig, und spter erfuhr ich, dass er Fotografwar und die unscharfe Vergrerung von Mrs. Wilsons Mutter

gemacht hatte, die wie ein Ektoplasma an der Wand hing.Seine Frau war schrill, trge, hbsch und schrecklich. Sie

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brstete sich damit, ihr Mann habe sie seit ihrer Hochzeiteinhundertundsiebenundzwanzig Mal fotografiert.Mrs. Wilson hatte sich eine Weile vorher umgezogen und trugnun ein raffiniertes Nachmittagskleid aus cremefarbenemChiffon, das ein unablssiges Rascheln von sich gab, wenn sie

sich durchs Zimmer bewegte. Unter dem Einfluss des Kleideshatte sich auch ihr Auftreten verndert. Die enorme Vitalitt, diein der Autowerkstatt so auffllig gewesen war, hatte sich in eineeindrucksvolle Grandezza verwandelt. Ihr Lachen, ihre Gesten,ihre uerungen gerieten von Sekunde zu Sekunde affektierter,und whrend sie sich aufplusterte, wurde der Raum um sieherum immer kleiner, bis sie sich um eine laute, quietschendeAchse durch die verrauchte Luft zu drehen schien.Meine Liebe, rief sie ihrer Schwester mit hoher, gezierterStimme zu, die meisten dieser Leute werden dichbeschummeln, wo sie knnen. Sie denken nur ans Geld. LetzteWoche hatte ich eine Frau zur Fupflege herbestellt, und als siemir die Rechnung gab, htte man meinen knnen, sie habe mir

den Blinddarm herausgenommen.Wie hie die Frau?, fragte Mrs. McKee.Mrs. Eberhardt. Sie kommt zur Fupflege zu den Leuten nachHause.Sie haben ein schnes Kleid an, bemerkte Mrs. McKee. Ichfinde es bezaubernd.

Mrs. Wilson tat das Kompliment ab, indem sie verchtlich eineAugenbraue hob.Es ist blo ein komisches altes Ding, sagte sie. Ich ziehsmanchmal ber, wenn es mir egal ist, wie ich aussehe.Aber es steht Ihnen fabelhaft, Sie wissen schon, wie ichsmeine, fuhr Mrs. McKee fort. Wenn Chester Sie in dieser

Pose vor die Kamera bekme, knnte er bestimmt etwas drausmachen.

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Schweigend schauten wir alle Mrs. Wilson an, die sich eineHaarstrhne aus den Augen strich und uns mit einemstrahlenden Lcheln bedachte. Mr. McKee legte den Kopfschief, betrachtete sie aufmerksam und bewegte dann langsameine Hand vor seinem Gesicht hin und her.

Ich msste das Licht verndern, sagte er nach einer Weile.Ich wrde gern die Form der Gesichtszge herausbringen. Undich wrde versuchen, das ganze hintere Haar mit aufs Bild zubekommen.Das Licht wrde ich unter keinen Umstnden verndern, riefMrs. McKee aus. Ich finde es Ihr Mann sagte Psst!, und wir schauten alle wieder zumMotiv, worauf Tom Buchanan ghnte und aufstand.Ihr McKees trinkt jetzt erst mal was, sagte er. Hol noch einbisschen Eis und Mineralwasser, Myrtle, ehe hier alleeinschlafen.Ich hatte doch den Jungen darum gebeten. Myrtle runzelteangesichts der Nachlssigkeit der niederen Rnge unwillig die

Stirn. Diese Leute! Stndig muss man hinter ihnen hersein.Sie sah mich an und lachte grundlos. Dann fiel sie ber denHund her, ksste ihn ekstatisch und rauschte in die Kche, alswartete dort ein Dutzend Kche auf ihre Anweisungen.Ich habe ein paar schne Sachen drauen auf Long Islandgemacht, stellte Mr. McKee fest.

Tom schaute ihn mit leerem Blick an.Zwei davon haben wir gerahmt unten hngen.Zwei was?, fragte Tom.Zwei Studien. Die eine habe ich Montauk Point die Mwengenannt und die andere Montauk Point das Meer.Die Schwester, Catherine, setzte sich neben mich auf das

Sofa.Wohnen Sie auch auf Long Island?, fragte sie.

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Ich wohne in West Egg.Wirklich? Da war ich vor ungefhr einem Monat auf einerParty eingeladen. Bei einem gewissen Gatsby. Kennen Sieihn?Ich wohne direkt neben ihm.

Es heit, er sei ein Neffe oder ein Cousin Kaiser Wilhelms.Da soll auch all sein Geld herkommen.Wirklich?Sie nickte.Er macht mir Angst. Ich mchte lieber nicht mit ihmaneinandergeraten.Diese packenden Ausfhrungen ber meinen Nachbarn wurdenvon Mrs. McKee unterbrochen, die pltzlich auf Catherinezeigte: Chester, ich glaube, mit ihr knntest du auch etwasmachen!, rief sie, doch Mr. McKee nickte nur gelangweilt undwandte sich wieder Tom zu.Ich wrde gern hufiger auf Long Island arbeiten, wenn michdort nur jemand in die Gesellschaft einfhren wrde. Ich mchte

blo, dass man mir eine Chance gibt.Fragen Sie Myrtle, sagte Tom und lachte laut auf, als Mrs.Wilson mit einem Tablett zur Tr hereinkam. Sie schreibt Ihnenbestimmt eine Empfehlung, nicht wahr, Myrtle?Was tue ich?, fragte sie erschrocken.Du schreibst McKee eine Empfehlung, damit er ein paar

Studien von deinem Mann machen kann. Er bewegte beimNachdenken stumm die Lippen. George B. Wilson an derZapfsule oder so etwas.Catherine beugte sich zu mir herber und flsterte mir ins Ohr:Sie knnen beide ihre Ehegatten nicht ausstehen.Nein?

Nicht ausstehen. Sie schaute erst Myrtle und dann Tom an.Und ich sage, warum weiter mit jemandem zusammenleben,

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den man nicht ausstehen kann? Ich an ihrer Stelle wrde michscheiden lassen und sofort heiraten.Mag sie Wilson denn auch nicht?Die Antwort darauf war unerwartet. Sie kam von Myrtle, die dieFrage gehrt hatte, und sie war heftig und obszn.

Sehen Sie?, rief Catherine triumphierend aus. Dann senktesie die Stimme wieder. Vor allem seine Frau steht ihnen imWeg. Sie ist katholisch, und Katholiken glauben nicht anScheidung.Daisy war nicht katholisch, und ich war ein wenig entsetzt berdie Abgefeimtheit dieser Lge.Und wenn sie doch irgendwann heiraten, fuhr Catherine fort,wollen sie eine Zeitlang irgendwo im Westen leben, bis Grasber die Sache gewachsen ist.Es wre diskreter, nach Europa zu gehen.Oh, mgen Sie Europa?, rief sie berrascht aus. Ich warerst krzlich in Monte Carlo.Tatschlich.

Letztes Jahr erst. Ich war mit einer Freundin zusammendrben.Lngere Zeit?Nein, wir sind blo bis Monte Carlo gereist und wieder zurck.ber Marseilles. Wir hatten am Anfang ber zwlfhundert Dollardabei, aber die hat man uns gleich in den ersten zwei Tagen im

Kasino abgeluchst. Wir hatten unsere liebe Not, nach Hause zukommen, das kann ich Ihnen sagen. Gott, habe ich diese Stadtgehasst!Einen Augenblick lang leuchtete der Sptnachmittagshimmelwie der blaue Honig des Mittelmeers im Fenster dann riefmich die schrille Stimme Mrs. McKees ins Zimmer zurck.

Ich htte auch beinahe eine Dummheit begangen, erklrtesie energisch. Ich htte beinahe einen kleinen Jidden

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geheiratet, der seit Jahren hinter mir her war. Ich wusste, dasser unter mir stand. Alle haben mir immer wieder gesagt: Lucille,du heiratest weit unter deinem Stand. Aber wenn ich Chesternicht begegnet wre, htte er mich gekriegt, so viel ist sicher!Das mag ja sein, sagte Myrtle Wilson und nickte. Aber Sie

haben ihn eben nicht geheiratet.Das wei ich.Ich dagegen schon, sagte Myrtle zweideutig. Das ist derUnterschied zwischen Ihrer und meiner Lage.Warum hast du das eigentlich getan, Myrtle?, fragteCatherine. Niemand hat dich dazu gezwungen.Myrtle berlegte.Ich habe ihn geheiratet, weil ich dachte, er sei einGentleman, sagte sie schlielich. Ich dachte, er htte einegute Kinderstube gehabt, aber er war es nicht wert, mir denStaub von den Schuhen zu lecken.Eine Zeitlang warst du ganz verrckt nach ihm, sagteCatherine.

Verrckt nach ihm!, rief Myrtle entrstet. Wer hat behauptet,dass ich je verrckt nach ihm war? Ich war genauso wenigverrckt nach ihm wie nach diesem Mann dort!Sie zeigte pltzlich auf mich, und alle schauten michvorwurfsvoll an. Ich versuchte ihnen mit meinemGesichtsausdruck klarzumachen, dass ich keinerlei Rolle in

Myrtles Vergangenheit spielte.Verrckt war ich nur, als ich ihn heiratete. Ich merkte sehrbald, dass das ein Fehler gewesen war. Er hatte sich denAnzug, den er bei unserer Hochzeit trug, von irgendwemgeborgt, ohne es mir zu sagen, und eines Tages, als er nicht zuHause war, kam dieser Mann zu uns und wollte ihn zurck. Sie

blickte in die Runde, um zu sehen, ob ihr auch alle zuhrten.Ach, ist das Ihr Anzug?, fragte ich. Das hre ich heute zum

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ersten Mal. Aber ich gab ihn ihm, und danach legte ich mich insBett und heulte den ganzen Nachmittag wie ein Schlosshund.Sie sollte wirklich sehen, dass sie von ihm wegkommt, sagteCatherine zusammenfassend zu mir. Sie leben jetzt seit elfJahren ber dieser Autowerkstatt. Und Tom ist ihr erster

Liebhaber.Die Flasche Whiskey eine zweite erfreute sich inzwischenbei allen Anwesenden regen Zuspruchs, auer bei Catherine,der es ohne etwas genauso wohl war. Tom lutete nach demPortier und lie ihn ein paar hochgepriesene Sandwichs holen,die ein vollwertiges Abendessen darstellten. Ich wre gerngegangen und durch das sanfte Dmmerlicht ostwrts zum Parkgelaufen, aber jedes Mal, wenn ich aufbrechen wollte, wurde ichin irgendeine wilde, leidenschaftliche Diskussion verwickelt, diemich wie mit Stricken an meinen Stuhl gefesselt hielt. Und dochmuss unsere Reihe gelber Fenster hoch ber der Stadt fr den,der unten auf den allmhlich dunkler werdenden Straenvorbeilief und zufllig den Blick nach oben wandte, ihren Teil

zum Geheimnis des menschlichen Daseins beigetragen haben,und so wie er schaute auch ich hinauf und rtselte. Ich wardrinnen und drauen, zugleich verzaubert und abgestoen vonder unerschpflichen Vielfalt des Lebens.Myrtle zog ihren Stuhl dicht an meinen heran, und ehe ichmichs versah, verstrmte ihr warmer Atem die Geschichte ihrer

ersten Begegnung mit Tom ber mir.Es war auf diesen kleinen Klappsthlen im Zug, auf denenman sich direkt gegenbersitzt und die immer bis zuletzt freibleiben. Ich wollte nach New York, um meine Schwester zubesuchen und bei ihr zu bernachten. Er trug einen feinen Anzugund Lackschuhe, und ich konnte den Blick nicht von ihm

wenden, aber jedes Mal, wenn er mich anschaute, musste ichso tun, als she ich mir die Reklame ber seinem Kopf an. Als

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wir in den Bahnhof einfuhren, stand er pltzlich neben mir, undseine weie Hemdbrust presste sich an meinen Arm woraufich ihm sagte, ich msse gleich einen Schutzmann rufen, aberer wusste, dass ich log. Als ich mit ihm ins Taxi stieg, war ich soaufgeregt, dass ich kaum wusste, ob es nicht die U-Bahn war.

Ich dachte immer blo: Du lebst nicht ewig, du lebst nichtewig.Sie wandte sich Mrs. McKee zu, und der ganze Raum hallte vonihrem knstlichen Lachen wider.Meine Liebe, rief sie, ich schenke Ihnen dieses Kleid,sobald ich es berhabe. Ich muss mir morgen sowieso einneues kaufen. Ich muss mir unbedingt eine Liste von all denDingen machen, die ich brauche eine Massage und eineDauerwelle und ein Halsband fr den Hund und so einen senAschenbecher mit Sprungfeder und fr Mutters Grab einenKranz mit schwarzer Seidenschleife, der den ganzen Sommerlang hlt. Ich muss unbedingt eine Liste schreiben, damit ichnicht vergesse, was ich alles zu tun habe.

Es war neun Uhr kaum einen Augenblick spter schaute ichabermals auf die Uhr, und es war zehn. Mr. McKee, die Hndeim Scho zu Fusten geballt, war auf seinem Stuhl eingenickt;die Fotografie von einem Mann der Tat. Ich holte meinTaschentuch hervor und wischte ihm den Rest getrocknetenRasierschaums von der Wange, der mich den ganzen

Nachmittag ber gestrt hatte.Der kleine Hund hockte auf dem Tisch, schaute mit blindenAugen in den Rauch und knurrte von Zeit zu Zeit leise. Leuteverschwanden, tauchten wieder auf, planten, noch irgendwohinzu gehen, verloren, suchten und fanden einander ein paarSchritte weiter wieder. Irgendwann gegen Mitternacht standen

Tom Buchanan und Mrs. Wilson sich gegenber und stritten lautund heftig darber, ob Mrs. Wilson das Recht habe, Daisys

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Namen in den Mund zu nehmen.Daisy! Daisy! Daisy!, schrie Mrs. Wilson. Ich sag es, sooftich will! Daisy! DaiTom Buchanan holte kurz und gezielt aus und brach ihr mit derflachen Hand die Nase.

Die Folge waren blutige Handtcher auf dem Boden des Badsund schimpfende Frauenstimmen und hoch ber dem ganzenDurcheinander ein langes, gebrochenes Schmerzgeheul. Mr.McKee erwachte aus seinem Dmmerschlaf und steuertebenommen auf die Tr zu. Auf halbem Weg drehte er sich umund starrte auf die tumultartige Szene: seine Frau undCatherine, die schimpfend und Trost spendend mitverschiedenen Hilfsartikeln zwischen den sperrigen Mbeln hinund her stolperten, und die verzweifelte Gestalt auf dem Sofa,die in Strmen blutete und einen Town Tattle ber den Polster-Szenen von Versailles auszubreiten versuchte. Dann drehte Mr.McKee sich um und ging zur Tr hinaus. Ich nahm meinen Hutvom Leuchter und folgte ihm.

Kommen Sie mal zum Mittagessen in die Stadt, schlug ervor, als wir im Fahrstuhl abwrts chzten.Wohin?Egal.Nehmen Sie die Hnde vom Schalter, blaffte der Liftboy ihnan.

Entschuldigen Sie, sagte Mr. McKee wrdevoll. Ich habenicht gemerkt, dass ich ihn berhrt habe.Gut, sagte ich. Sehr gern.Ich stand an seinem Bett, und er sa aufrecht, inUnterwsche, in den Kissen und hielt eine groe Fotomappe inden Hnden.

Die Schne und das Biest Einsamkeit Old GrocerHorse Brookn Bridge

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Dann lag ich halb schlafend unten in der kalten Halle derPennsylvania Station, starrte auf die Morgenausgabe derTribune und wartete auf den Vieruhrzug.

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Die Sommernchte hindurch drang Musik aus dem Hausmeines Nachbarn. In seinen blauen Grten schwirrten Mnnerund junge Mdchen wie Falter zwischen dem Geflster und dem

Champagner und den Sternen umher. Am Nachmittag, bei Flut,sah ich zu, wie seine Gste vom Sprungturm seines Floessprangen oder Sonnenbder auf dem heien Sand seinesStrands nahmen, whrend seine beiden Motorboote dasWasser des Sunds aufschlitzten und Monoskifahrer durch dieGischtkaskaden zogen. An den Wochenenden verwandelte sich

sein Rolls-Royce in einen Omnibus, der von neun Uhr morgensbis lange nach Mitternacht Leute aus der Stadt abholte undwieder zurckbefrderte, whrend sein Kombiwagen wie einflinker gelber Kfer hin und her eilte, um alle Zge zu erreichen.Und montags machten sich acht Angestellte einschlielich einesExtragrtners den ganzen Tag mit Mops, Schrubbern, Hmmernund Gartenscheren zu schaffen, um die Spuren der nchtlichenVerwstung zu beseitigen.Jeden Freitag trafen fnf Kisten Orangen und Zitronen voneinem Obsthndler in New York ein jeden Montag wandertendieselben Orangen und Zitronen in einer Pyramide ausfruchtfleischlosen Hlften zur Hintertr wieder hinaus. In derKche stand ein Gert, das binnen einer halben Stunde

zweihundert Orangen auspressen konnte, sofern der Daumeneines Butlers zweihundert Mal einen kleinen Knopf drckte.Alle zwei Wochen mindestens rckte eine MannschaftLieferanten an und brachte etliche Bahnen Segeltuch undgengend bunte Lichter, um Gatsbys riesigen Garten in einenWeihnachtsbaum zu verwandeln. Glitzernde Horsduvres

zierten die Buffettische, auf denen sich Gewrzschinken an buntkomponierte Salate und Schweine im Bltterteig und

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dunkelgold gezauberte Puten drngten. In der Empfangshallewurde eine Bar mit echtem Messinggelnder aufgebaut. Hiergab es verschiedene Gins und Weinbrnde und so lange nichtmehr gesehene Likre, dass die meisten weiblichen Gste zuung waren, um einen vom anderen zu unterscheiden.

Sptestens um sieben trifft das Orchester ein keine mickrigeFnfer-Truppe, sondern ein ganzer Graben voller Oboen,Posaunen, Saxophone, Violen, Kornetts, Pikkoloflten, hellenund dunklen Trommeln. Inzwischen sind auch die letztenSchwimmer vom Strand zurck und machen sich im oberenStockwerk zurecht; die Wagen aus New York parken inFnferreihen vor dem Haus, und schon leuchten die Sle undSalons und Veranden vor satten Farben und seltsamen neuenHaarschnitten und Schals, von denen man in Kastilien nurtrumt. An der Bar herrscht Hochbetrieb, und drauenschwrmen Cocktailrunden in jeden Winkel des Gartens aus,bis von all dem Geplauder und Gelchter, den kleinenAnzglichkeiten, gleich wieder vergessenen Namen und

enthusiastischen Begegnungen junger Damen, die nie wussten,wie die andere heit, die Luft vibriert.Die Lichter werden heller, je weiter die Erde von der Sonneforttaumelt. Das Orchester spielt goldgelbe Cocktailmusik, unddie Stimmenoper rutscht eine Tonlage hher. Das Gelchterperlt von Minute zu Minute leichter; schon ein launiges Wort

gengt, und es fliet in verschwenderischen Strmen. DieGruppen verndern sich rascher, schwellen kurz an, zerstreuensich und bilden sich im selben Atemzug neu und schon gehenmanche auf Wanderschaft, selbstsichere Mdchen, die sich malhier, mal dort zwischen die steteren und standfesteren weben,einen intensiven, beglckenden Augenblick lang der Mittelpunkt

einer Gruppe sind und dann, von ihrem Triumph beflgelt, imstndig wechselnden Licht durch das changierende Meer aus

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Gesichtern und Stimmen und Farben davongleiten.Pltzlich greift eine dieser Zigeunerinnen in irisierendem Opaleinen Cocktail aus der Luft, strzt ihn hinunter, um sich Mutanzutrinken, und tanzt, die Hnde wie Joe Frisco bewegend,allein auf die mit Segeltuch bespannte Bhne. Kurze Stille; der

Orchesterleiter ndert hflich seinen Rhythmus fr sie, undGeschnatter bricht aus, whrend die irrtmliche Nachrichtumgeht, sie sei Gilda Grays zweite Besetzung in den Follies.Die Party hat begonnen.Ich glaube, ich gehrte an meinem ersten Abend bei Gatsby zuden wenigen Gsten, die tatschlich eingeladen waren. DieLeute wurden nicht eingeladen sie gingen hin. Sie stiegen inAutos, die sie nach Long Island befrderten, und landetenirgendwie vor Gatsbys Tr. Einmal dort, wurden sie ihm vonemandem, der ihn kannte, vorgestellt und befolgten von da andie Verhaltensregeln, die im Allgemeinen fr Vergngungsparksgelten. Manch einer kam und ging, ohne Gatsby berhauptkennengelernt zu haben, kam mit einer Einfalt des Herzens, die

eine eigene Eintrittskarte war.Ich war tatschlich eingeladen worden. An jenem Samstag warein Chauffeur in taubeneiblauer Livree frhmorgens bermeinen Rasen geschritten und hatte mir eine berraschendfrmliche Nachricht seines Herrn berreicht es wre Gatsbeine auerordentliche Ehre, stand dort, wenn ich am Abend zu

seiner kleinen Party erscheinen wrde; er habe mich schoneinige Male gesehen und mir lngst seine Aufwartung machenwollen, doch ein Zusammentreffen seltsamer Umstnde habeihn daran gehindert gezeichnet, mit schwungvoller Handschrift,Jay Gatsby.In weie Flanellhosen gekleidet, ging ich kurz nach sieben Uhr

in seinen Garten hinber und wanderte ein wenig befangenzwischen den Wirbeln und Strudeln mir unbekannter Leute

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umher auch wenn ich hier und da ein Gesicht entdeckte, dasich im Vorortszug schon einmal gesehen hatte. Mir fielen sofortdie vielen jungen Englnder auf, die die Menge sprenkelten; allegut gekleidet, alle ein wenig hungrig aussehend, redeten sieallesamt mit leiser, ernster Stimme auf solide und wohlhabende

Amerikaner ein. Ich war sicher, dass jeder von ihnen etwas zuverkaufen hatte: Aktien oder Versicherungen oder Autos.Zumindest waren sie sich des leichtverdienten Geldes in ihrerNhe schmerzlich bewusst und davon berzeugt, nur ein paarWorte im richtigen Tonfall wrden reichen, und es wre ihres.Gleich nach meiner Ankunft machte ich mich auf die Suchenach dem Gastgeber, doch die zwei oder drei Gste, die ichnach ihm fragte, starrten mich nur entgeistert an und leugnetenso vehement, die geringste Vorstellung von seinem Verbleib zuhaben, dass ich mich schleunigst an die Cocktailbar verzog den einzigen Ort im Garten, wo ein Mann lngere Zeitherumstehen konnte, ohne beschftigungslos und allein zuwirken.

Ich war im Begriff, mich aus schierer Verlegenheitsternhagelvolllaufen zu lassen, als Jordan Baker aus dem Haustrat, sich oben an die Marmortreppe stellte und mit leichtzurckgeneigtem Oberkrper spttisch, aber interessiert in denGarten herunterblickte.Ob es ihr recht war oder nicht ich musste mich jemandem

anschlieen, ehe ich anfing, an jeden Vorbeikommendenwarme Worte zu richten.Hallo!, brllte ich und ging auf sie zu. Meine Stimme schallteunnatrlich laut durch den Garten.Ich dachte mir schon, dass Sie vielleicht hier wren,antwortete sie zerstreut, whrend ich die Treppe hinaufstieg.

Sie hatten ja gesagt, Sie wohnten gleich neben Sie behielt unbeteiligt meine Hand in der ihren, als

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Versprechen, dass sie sich mir in einer Minute widmen werde,und wandte sich zwei Mdchen in identischen gelben Kleidernzu, die am Fu der Treppe stehenblieben.Hallo!, riefen sie im Chor. Schade, dass Sie nichtgewonnen haben.

Das galt dem Golfturnier. Sie hatte in der Woche zuvor dieEndrunde verloren.Sie wissen sicher nicht, wer wir sind, sagte eins derMdchen in Gelb, aber wir haben uns vor ungefhr einemMonat schon einmal hier getroffen.Sie haben sich in der Zwischenzeit die Haare gefrbt,bemerkte Jordan, und ich zuckte zusammen, doch die Mdchenwaren schon weitergezogen, und die Bemerkung ging an denMond, der, wie die Speisen zweifellos aus einem derLieferantenkrbe zutage gefrdert, frher als sonst am Himmelstand. Jordan schob ihren schlanken goldenen Arm untermeinen, und wir stiegen gemeinsam die Treppe hinab undschlenderten durch den Garten. Ein Tablett mit Cocktails

schwebte im Dmmerlicht auf uns zu, und wir setzten uns zu denbeiden Mdchen in Gelb und drei Herren, die uns einer nachdem anderen als Mr. Murmelmurmel vorgestellt wurden, aneinen Tisch.Sind Sie hufig auf diesen Partys?, fragte Jordan dasMdchen neben ihr.

Zuletzt war ich hier, als ich Sie getroffen habe, antwortetedas Mdchen mit wacher, selbstbewusster Stimme. Sie wandtesich an ihre Freundin: Du nicht auch, Lucille?Lucille auch.Ich komme gerne her, sagte Lucille. Mich kmmerts nichtgro, wo ich hingehe, deshalb amsiere ich mich auch immer

gut. Letztes Mal habe ich mir mein Kleid an einem Stuhleingerissen er hat mich sofort nach meinem Namen und

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meiner Adresse gefragt, und binnen einer Woche bekam ich einPaket von Croiriers mit einem neuen Abendkleid darin.Haben Sies behalten?, fragte Jordan.Natrlich. Ich wollte es heute Abend anziehen, aber es istoben herum zu weit und muss noch gendert werden. Es ist

gasblau, mit lavendelfarbenen Perlen darauf.Zweihundertfnfundsechzig Dollar.Ist doch irgendwie merkwrdig, wenn einer so was macht,sagte das andere Mdchen eifrig. Er scheint mit niemandemden geringsten rger haben zu wollen.Wer?, fragte ich.Gatsby. Ich habe gehrtDie beiden Mdchen und Jordan beugten sichgeheimnistuerisch vor.Ich habe gehrt, Gatsby soll mal jemanden umgebrachthaben.Uns berlief allesamt ein Schauer. Die Herren Murmelmurmellehnten sich vor und lauschten eifrig.

Das glaube ich nicht, wandte Lucille skeptisch ein. Ichglaube eher, dass er im Krieg ein deutscher Spion war.Einer der Mnner nickte besttigend.Das hat mir ein Mann erzhlt, der alles ber ihn wusste; dermit ihm zusammen in Deutschland aufgewachsen ist,versicherte er uns nachdrcklich.

O nein, sagte das erste Mdchen, das kann nicht stimmen.Whrend des Krieges war er beim amerikanischen Militr. Alssie merkte, dass wir eher wieder ihrer Version der Dingezuneigten, beugte sie sich aufgeregt vor. Beobachtet ihn mal,wenn er sich unbeobachtet whnt. Ich wette, er hat jemandenumgebracht.

Sie kniff die Augen zusammen und zitterte. Lucille zitterte. Wirdrehten uns alle um und hielten nach Gatsby Ausschau. Es

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bewies, wie viel romantisches Rtselraten er auslste, dassauch solche Menschen ber ihn tuschelten, die sonst auf dieserWelt wenig gefunden hatten, ber das zu tuscheln ihnennotwendig erschien.Jetzt wurde das erste Abendessen serviert nach Mitternacht

wrde es noch ein zweites geben , und Jordan lud mich ein,mich zu ihr und ihren Freunden zu gesellen, die um einen Tischam anderen Ende des Gartens gruppiert saen. Es waren dreiEhepaare sowie Jordans Begleiter, ein hartnckiger jungerStudent, der zu heftiger Anzglichkeit neigte und unter demEindruck zu stehen schien, Jordan wrde sich ihm frher oderspter in dem einen oder anderen Mae hingeben. Anstattumherzustreunen, hatte diese Gesellschaft eine wrdevolleGeschlossenheit gewahrt und sich selber die Rolle desgediegenen Landadels zugewiesen East Egg beehrte WestEgg mit seiner Anwesenheit, sorgsam auf der Hut vor dessenspektroskopischer Frhlichkeit.Kommen Sie, flsterte Jordan mir nach einer irgendwie

vergeudeten und unerquicklichen halben Stunde zu. Hier gehtes mir viel zu gesittet zu.Wir standen auf, und sie erklrte, wir wollten uns auf die Suchenach dem Gastgeber machen ich htte ihn noch gar nichtkennengelernt, sagte sie, und das sei mir unangenehm. Derunge Student nickte auf zynische, schwermtige Weise.

An der Bar, wo wir zuerst nachschauten, herrschte Gedrnge,doch Gatsby war nicht dort. Vom oberen Treppenabsatz auskonnte sie ihn nirgends entdecken, und auch auf der Verandawar er nicht. Auf gut Glck ffneten wir eine gewichtigaussehende Tr und betraten eine hohe gotische Bibliothek, diemit geschnitztem englischem Eichenholz getfelt und vermutlich

vollstndig aus irgendeiner Ruine jenseits des Atlantiks hierhertransportiert worden war.

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Ein krftiger Mann mittleren Alters mit einer riesigenEulenaugen-Brille auf der Nase sa mehr oder minderbetrunken auf der Kante eines groen Tisches und starrte mitunbestndiger Konzentration auf die Bcherregale. Als wirnher traten, schwang er erregt herum und musterte Jordan von

Kopf bis Fu.Was meinen Sie?, fragte er ungestm.Wozu?Er deutete mit wedelnder Hand auf die Bcherregale.Dazu. Sie brauchens nicht nachzuprfen. Das hab ich schonerledigt. Sie sind echt.Die Bcher?Er nickte.Vollkommen echt, mit Seiten und allem. Ich dachte, es wrschne, haltbare Pappe. Dabei sind sie vollkommen echt. MitSeiten und Hier! Ich zeigs Ihnen.Er schien berzeugt, dass wir es nicht glauben wrden, denn ereilte ans Regal und kam mit Band eins derStoddard Lectures

zurck.Sehen Sie!, rief er triumphierend. Ein waschechtesDruckerzeugnis. Ich bin drauf reingefallen. Der Kerl ist einrichtiger Belasco. Einfach groartig. Diese Grndlichkeit!Dieser Realismus! Wusste genau, wie weit er gehen durfte hat die Seiten noch nicht aufgeschnitten! Aber was wollen Sie?

Was erwarten Sie?Er riss mir das Buch aus den Hnden und stellte es hastigwieder ins Regal; wenn man einen Stein herausnehme, hrtenwir ihn brummeln, drohe womglich die ganze Bibliothek in sichzusammenzufallen.Wer hat Sie mitgebracht?, fragte er. Oder sind Sie einfach

so hergekommen? Ich wurde mitgebracht. Wie die meistenhier.

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Jordan schaute ihn aufmerksam und munter an, ohne zuantworten.Mich hat eine Frau namens Roosevelt mitgebracht, fuhr erfort. Mrs. Claud Roosevelt. Kennen Sie sie? Ich hab siegestern Abend irgendwo kennengelernt. Ich bin jetzt seit einer

Woche betrunken und dachte mir, in einer Bibliothek zu sitzenwrde mich vielleicht ausnchtern.Und hat es das?Ein bisschen, glaube ich. Ich kanns noch nicht sagen. Bin erstseit einer Stunde hier. Hab ich Ihnen schon von den Bchernerzhlt? Sie sind echt. Sie sind Ja, haben Sie. Wir schttelten ihm feierlich die Hand undgingen wieder nach drauen.Auf der Bhne im Garten wurde jetzt getanzt, alte Mnner, dieunge Mdchen endlos und ungrazis im Kreise rckwrtsschoben, vornehme Paare, die einander kunstvoll verschraubtumfasst hielten und in den Ecken blieben und eine groeAnzahl einzelner junger Frauen, die nach ihrem eigenen Stil

tanzten oder das Orchester fr einen Moment von der Last desBanjos oder der Trommeln befreiten. Bis Mitternacht wurde dieStimmung immer ausgelassener. Ein gefeierter Tenor sangItalienisch, eine weltbekannte Altistin sang Jazz, und zwischenden Nummern vollfhrten die Leute berall im GartenKunststckchen, whrend frhliches hohles Gelchter zum

Sommerhimmel emporstieg. Als Babys verkleidete Zwillinge die sich als die beiden Mdchen in Gelb entpuppten brachten einen Sketch auf die Bhne, und in Glsern, die grerals Fingerschalen waren, wurde Champagner serviert. DerMond war hher geklettert, und auf dem Sund trieb ein Dreieckaus silbernen Schuppen und zitterte leise zu dem steifen,

blechernen Getrpfel der Banjos auf dem Rasen.Ich war immer noch an Jordans Seite. Wir saen mit einem

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Mann meines Alters und einem kleinen Wildfang von einemMdchen zusammen, das bei der geringsten Veranlassungvllig unbeherrscht draufloslachte. Mittlerweile amsierte ichmich gut. Ich hatte zwei Schalen Champagner getrunken, undalles wollte mir nun bedeutsam, elementar und tiefgrndig

erscheinen.Whrend einer Flaute im Unterhaltungsprogramm schaute derMann mich an und lchelte.Ihr Gesicht kommt mir bekannt vor, sagte er hflich. WarenSie nicht im Krieg in der Dritten Division?Ganz recht! Ich war im Neunten Maschinengewehrbataillon.Und ich war bis Juni 1918 im Siebten Infanterieregiment.Wusste ichs doch, dass ich Sie irgendwo schon mal gesehenhatte.Wir unterhielten uns eine Weile ber das eine oder anderefeuchte, graue Dorf in Frankreich. Offenbar wohnte er hier in derGegend, denn er erzhlte mir, er habe sich gerade einWasserflugzeug gekauft und wolle es am nchsten Morgen

ausprobieren.Kommen Sie mit, alter Knabe? Nur ber den Sund, an derKste entlang.Um wie viel Uhr?Wann immer es Ihnen passt.Ich wollte ihn eben nach seinem Namen fragen, als Jordan sich

umdrehte und lchelte.Amsieren Sie sich jetzt besser?, fragte sie mich.Viel besser. Ich wandte mich wieder meinem neuen Freundzu. Eine sonderbare Party, finde ich. Ich habe bisher noch nichtmal den Gastgeber gesehen. Ich wohne da drben meineHand wies in die Richtung der unsichtbaren Hecke , und

dieser Gatsby hat seinen Chauffeur mit einer Einladung zu mirherbergeschickt.

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Einen Moment lang sah er mich an, als verstnde er nicht ganz.Ich bin Gatsby, sagte er pltzlich.Wie!, rief ich aus. Oh, verzeihen Sie.Ich dachte, das wssten Sie, alter Knabe. Ich frchte, ich binkein sehr guter Gastgeber.

Er lchelte verstndnisvoll ja mehr als verstndnisvoll. Es warein so besonderes Lcheln, wie es einem vielleicht vier-oderfnfmal im Leben zuteil werden mag, ein Lcheln, das einem fralle Ewigkeit Mut zusprach. Es nahm so schien es wenigstens fr einen Moment die gesamte uere Welt in den Blick undkonzentrierte sich dann mit unwiderstehlicherVoreingenommenheit ganz und gar auf einen selbst. Esverstand einen gerade so weit, wie man verstanden werdenwollte, glaubte an einen, wie man selbst gerne an sich geglaubthtte, und versicherte einem, dass es exakt den Eindruck hatte,den man im besten Fall zu vermitteln hoffte. Just dann erlosches und ich schaute einem eleganten jungen Rauhbein insGesicht, ein oder zwei Jahre ber dreiig, dessen

formvollendete Redeweise ans Absurde grenzte. Schon ehe ersich mir vorgestellt hatte, war mir aufgefallen, mit wie vielBedacht er seine Worte whlte.Fast in demselben Augenblick, als Mr. Gatsby sich mir zuerkennen gab, eilte ein Butler herbei und meldete ihm, Chicagosei am Telefon. Gatsby entschuldigte sich mit einer kleinen

Verbeugung, die der Reihe nach jeden von uns einschloss.Wenn Sie etwas brauchen, fragen Sie einfach danach, alterKnabe, forderte er mich auf. Entschuldigen Sie mich. Ichgeselle mich spter wieder zu Ihnen.Als er fort war, wandte ich mich unverzglich Jordan zu esdrngte mich, ihr meine berraschung kundzutun. Ich hatte mir

Mr. Gatsby als einen rstigen, beleibten Mann mittleren Altersvorgestellt.

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Wer ist er?, fragte ich. Wissen Sie das?Er ist blo ein Mann namens Gatsby.Wo kommt er her, meine ich? Und was macht er?Jetzt wollen Sie das also auch wissen, sagte sie mit einemmatten Lcheln. Na schn er hat mir einmal erzhlt, er habe

in Oxford studiert.Ein verschwommenes Bild nahm mehr und mehr Gestalt hinterihm an, doch mit ihrer nchsten Bemerkung verflchtigte es sichwieder.Aber das glaube ich nicht.Warum nicht?Ich wei nicht, sagte sie. Ich glaube einfach nicht, dass erdort war.Irgendetwas an ihrem Ton rief mir in Erinnerung, wie dasandere junge Mdchen Ich glaube, er hat jemandenumgebracht gesagt hatte, was meine Neugier noch mehranstachelte. Htte mir jemand erklrt, Gatsby stamme aus denSmpfen Louisianas oder der Lower East Side New Yorks, ich

htte keinen Moment gestutzt. Das war vorstellbar. Aber esschien doch nicht mglich wenigstens fr mich in meinerprovinziellen Unerfahrenheit nicht , dass ein junger Mann lssigaus dem Nichts herbeikam und sich einen Palast am Long-Island-Sund kaufte.Jedenfalls gibt er groe Partys, sagte Jordan, was ihre Art

war mit dem typischen Widerwillen des Stdters gegen allesKonkrete , das Thema zu wechseln. Und ich mag groePartys. Sie sind so intim. Auf kleinen Partys ist man nie untersich.Ein Paukenschlag ertnte, und pltzlich schallte die Stimmedes Orchesterleiters ber die Echolalie des Gartens hinweg.

Meine Damen und Herren, rief er. Auf Wunsch von Mr.Gatsby spielen wir jetzt fr Sie Mr. Vladimir Tostoffs neueste

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Komposition, die letzten Mai in der Carnegie Hall so vielAufsehen erregt hat. Wenn Sie Zeitung lesen, wissen Sie, dasses eine groe Sensation war. Er lchelte mit leutseligerHerablassung und fgte hinzu: Und was fr eine!, worauf allelachten.

Das Werk, schloss er munter, heit Vladimir TostoffsWeltgeschichte des Jazz.Welcher Natur Mr. Tostoffs Stck war, entging meinerAufmerksamkeit, denn als es eben begonnen hatte, entdeckteich Gatsby, der allein auf den Marmorstufen stand undwohlgefllig von einer Gruppe zur anderen blickte. Seinegebrunte Haut spannte sich ansehnlich straff ber seinemGesicht, und sein kurzes Haar sah aus, als wrde es tglichgeschnitten. Ich konnte nichts Zwielichtiges an ihm erkennenund fragt

Der Grosse Gatsby - Franics Scott Fitzgerald

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